6. Kapitel: Streitigkeiten um Bankkonten, Sparbücher,

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6. Kapitel: Streitigkeiten um Bankkonten, Sparbücher,
6. Kapitel:
Streitigkeiten um Bankkonten, Sparbücher,
Bausparkonten und Wertpapiere
Streitigkeiten um Bankkonten u.a.
Literatur: Blaese, Die Bankguthaben der Ehegatten in der Vermögensauseinandersetzung,
BRAK-Mitt. 1997, 118; Büte, Die Kontenplünderung, FuR 2007, 397 u. 455; Derleder, Kontoüberziehung und Vollmachtmissbrauch im Trennungskonflikt der Ehegatten, FuR 1995, 301;
Gernhuber, Oder-Konten von Ehegatten, WM 1997, 645; Heiß, Risikofaktor gemeinsames
Bankkonto, FamFR 2013, 146; Kogel, Die interne Bruchteilsgemeinschaft an einem Bankkonto – ein Fallstrick im Zugewinnausgleichsverfahren, FamRB 2005, 183; Messerschmidt, Gütertrennungsehepaare und gemeinschaftliche Girokonten: Vermögensrechtliche Abwicklung anlässlich des Scheiterns der Ehe (Diss.), 1997; Münch, Streit um Bankkonten und Wertpapierdepots
nach Trennung und Scheidung, FPR 2006, 481; Pohlmann, Das von Ehegatten geführte OderKonto (Diss.), 2002; Rendels, Rechtsprobleme der Konten von Ehegatten, 1994; Schmitt, Bankgeschäfte von Ehegatten – Vertragsstatut und Internationales Familienrecht (Diss.), 2008.
A. Übersicht
Im Trennungskonflikt der Ehegatten spielen häufig Streitigkeiten im
Zusammenhang mit Konten eine Rolle, die in der Ehe geführt worden
sind1. Manchmal geht es um Girokonten, über die der Zahlungsverkehr
der Ehegatten abgewickelt worden ist, manchmal um Spar-, Festgeldoder Bausparkonten. Auch Geschäftskonten und Hauskonten, die dem
für ein Mietshaus anfallenden Zahlungsverkehr dienten, sind Gegenstand mancher Auseinandersetzung. Gelegentlich sind die Ehegatten sich
nicht einig, wem ein beim Scheitern der Ehe vorhandenes Guthaben zusteht. Immer wieder auch lösen Kontoverfügungen Streit aus, die ein Ehegatte ohne Einverständnis des anderen in zeitlichem Zusammenhang mit
der Trennung getroffen hat. Der klassische Fall ist derjenige, dass ein
Ehegatte kurz vor oder nach der Trennung vom gemeinsamen Konto oder
vom Konto des anderen Ehegatten, für das er Vollmacht hat, größere Beträge abhebt, um sich für die Zeit nach der Trennung zu versorgen. Hier,
wie auch bei nicht abgesprochenen größeren Kontoverfügungen aus anderen Gründen – etwa zur Befriedigung privater Bedürfnisse – kann sich
die Frage nach Ausgleichs- bzw. Schadensersatzansprüchen stellen. Auch
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Hinweise aus der Sicht der Kreditinstitute für den Trennungsfall gibt Sander, FPR 2000,
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Streitigkeiten um Bankkonten u.a.
um die Aufteilung von in einem Depot aufbewahrten Wertpapieren wird
gelegentlich gestritten.
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Alle Streitigkeiten der in diesem Kapitel beschriebenen Art um Guthaben auf Konten oder um Ausgleichs- bzw. Schadensersatzansprüche
wegen Kontoverfügungen fielen bis zum 31.8.2009 in die Zuständigkeit
der Zivilprozessgerichte2. Seit dem 1.9.2009 sind die Familiengerichte zuständig (sonstige Familiensachen i.S. des § 266 I Nr. 3 FamFG)3.
Die Ansprüche unterliegen der Regelverjährung von 3 Jahren (§ 195
BGB)4. Zu beachten ist die Verjährungshemmung während bestehender
Ehe gem. § 207 I S. 1 BGB.
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Die Streitigkeiten können im gesetzlichen Güterstand ebenso wie
bei Gütertrennung auftreten5. Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand, so ist die Geltendmachung von Ansprüchen um Bankkonten
zwar nicht dadurch eingeschränkt, dass noch ein Zugewinnausgleich
durchzuführen ist6. Doch sollten die Ehegatten, bevor sie einen Streit darüber beginnen, wem ein beim Scheitern der Ehe vorhandenes Bankguthaben zusteht oder ob Ausgleichs- bzw. Schadensersatzansprüche wegen
unerwünschter Kontoverfügungen bestehen, prüfen, ob es nicht über den
Zugewinnausgleich ohnehin zu einer gleichen Teilhabe beider Ehegatten
kommt. Denn bei Rechtshängigkeit der Scheidung bestehende Ansprüche des einen gegen den anderen Ehegatten sind im Endvermögen des
Anspruchsinhabers als Aktivposten, in dem des Schuldners als Passivposten zu berücksichtigen. Vgl. im Einzelnen Rn. 357 ff. und Rn. 445 ff. Entsprechendes gilt bei vereinbarter Wahl-Zugewinngemeinschaft7.
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Soweit es um Streitigkeiten im Zusammenhang mit Konten geht, ist
sowohl für die Frage, wem ein eventuelles Guthaben zusteht, als auch für
die Frage nach Ausgleichs- bzw. Schadensersatzansprüchen wegen nicht
gebilligter Verfügungen eines Ehegatten die Art des Kontos von Bedeutung. Zu unterscheiden sind Einzelkonten, also Konten, die nur auf den
Namen eines Ehegatten geführt werden, und Gemeinschaftskonten, die
dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auf den Namen beider Ehegatten
2
Vgl. OLG Naumburg, FamRZ 2008, 2215; OLG Zweibrücken, FamRZ 1987, 1138 (jeweils für Ausgleichsanspruch nach missbilligter Verfügung über ein Gemeinschaftskonto). Siehe auch Rn. 22.
3 Vgl. Rn. 24 ff.
4Rn. 522; Bergschneider, in: FS Schwab, S. 471; OLG Naumburg, NJW-RR 2007, 1158
(zum Ausgleichsanspruch aus § 430 BGB).
5 Zur Behandlung ohne Zustimmung des anderen vorgenommener Kontoverfügungen bei
der Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 974.
6 Vgl. BGH, FamRZ 1988, 476, 478 = NJW 1988, 1208; Palandt/Brudermüller, § 1372
Rn. 8.
7 Vgl. dazu Rn. 454.
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Streitigkeiten bei Einzelkonten
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lauten. Sowohl Giro- als auch Sparkonten, insbesondere auch Fest­
geldkonten bei Banken und Sparkassen können als Einzelkonten oder
als Gemein­schafts­kon­ten geführt werden8. Um sie geht es unter B. und
C. (Rn. 693 ff. bzw. 718 ff.). Auch Bausparkonten können auf den Namen ­eines oder beider Ehegatten lauten. Auf sie wird ergänzend unter
D. (Rn. 734 ff.) eingegangen. Mit der Aufteilung von Wertpapieren befasst sich Abschnitt E. (Rn. 739 ff.). Zu Fällen mit Auslandsbezug vgl.
Rn. 967 f.9
B. Streitigkeiten bei Einzelkonten
Viele Ehegatten wickeln ihren Zahlungsverkehr über Einzelkonten
ab, sei es, dass beide Ehegatten, oder dass nur einer von ihnen über ein
Konto (oder mehrere) verfügt. In der Regel wird aber dem anderen Ehegatten eine Kontovollmacht erteilt. Das geschieht insbesondere bei Alleinverdienerehen, um dem den Haushalt führenden Ehepartner unmittelbaren Zugang zum Konto des Alleinverdieners zu eröffnen. Aber auch
Doppelverdiener mit getrennten Konten erteilen sich häufig gegenseitig
Kontovollmacht.
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Vertragspartner der Bank ist in diesen Fällen allein der Kontoinhaber,
also der Ehegatte, auf dessen Namen das Konto eröffnet ist10. Ist beim
Scheitern der Ehe ein Schuldsaldo aufgelaufen, so haftet der Kontoinhaber der Bank gegenüber allein; vom anderen Ehegatten kann er in der Regel keinen Ausgleich verlangen11. Nur über die Einbeziehung des Schuldsaldos in den Zugewinnausgleich kann dieser daran beteiligt werden, gegebenenfalls auch über die Berücksichtigung von Abtragszahlungen bei
der Unterhaltsberechnung. Befindet sich auf dem Konto ein Guthaben,
so ist Gläubiger der Guthabenforderung gegenüber der Bank allein der
Kontoinhaber. Zu Verfügungen über das Guthaben gegenüber der Bank
befugt ist, sofern er Vollmacht hat, aber auch der andere Ehegatte.
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8 Vgl. auch Gernhuber, WM 1997, 645, 654.
9 Zu kollisionsrechtlichen Fragen bei Auslandsbezug auch Schmitt, S. 103 ff.
10 Zwar ist eine abweichende Vereinbarung des Inhalts denkbar, dass beide Ehegatten Vertragspartner der Bank und Gläubiger eines Guthabens sein sollen, obwohl nur einer als
Kontoinhaber genannt ist. Das setzt aber einen ent­sprechenden, der Bank eindeutig erkennbaren Willen des das Konto eröffnenden Ehegatten voraus, der im Zweifel nicht anzunehmen ist. Die bloße Kenntnis der Bank, dass der das Konto Eröffnende verheiratet
ist, und die Erteilung einer Kontovollmacht für den anderen Ehegatten reichen hierfür
nicht aus. Vgl. Staudinger/Langhein, 2008, § 741 Rn. 36; Hausmann, S. 269. – Zur Kontoinhaberschaft bei Kontoerrichtung auf den Namen eines Dritten vgl. Rn. 716 f.
11 Zu möglichen Ausnahmefällen vgl. Rn. 365.
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Streitigkeiten um Bankkonten u.a.
I. Berechtigung am Guthaben
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Der Inhaber des Einzelkontos ist nicht nur alleiniger Gläubiger einer
Guthabenforderung gegenüber der Bank, also Berechtigter im Außenverhältnis. Ihm steht vielmehr im Regelfall das Guthaben auch im Innenverhältnis der Ehegatten beim Scheitern der Ehe allein zu, und zwar ohne
dass es darauf ankommt, von wem die Einzahlungen stammen12.
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Möglich ist allerdings, dass der Kontoinhaber den anderen Ehegatten
im Innenverhältnis durch Abtretung an der Kontoforderung in der Weise
beteiligt, dass eine Bruchteilsberechtigung entsteht13. Eine entsprechende Vereinbarung kann auch stillschweigend geschlossen werden. Jedoch
müssen dazu besondere Umstände vorliegen, die den Schluss darauf zulassen, dass die Ehegatten sich über eine gemeinsame Berechtigung am
Guthaben einig waren. Einen Anhaltspunkt dafür können Absprachen
über die Verwendung des Angesparten im Sinne einer gemeinsamen Verwendung bieten14.
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Der BGH hat in einer Entscheidung vom 7.4.196615 eine stillschweigend zustande gekommene Bruchteilsgemeinschaft an einem Sparkonto
eines Ehegatten angenommen. Die Ehegatten (überwiegend der Mann)
hatten zum Zwecke des späteren Erwerbs einer Ehewohnung auf ein Sparkonto der Frau Gelder eingezahlt und waren sich – nach den Umständen
zu schließen – darüber einig, dass das Angesparte beiden Ehegatten zustehen sollte. Bei ähnlicher Fallgestaltung (Zahlungen der beide berufstätigen Ehegatten auf Sparkonten des Mannes, die für gemeinsame Anschaffungen wie Hausrat und Pkw verwendet wurden) hat der BGH in einer
Entscheidung vom 19.4.200016, die auch die Frage nach einem Anspruch
auf Auskunft über den Verbleib des Guthabens behandelt, an diese Lösung angeknüpft. Eine konkludent zustande gekommene Bruchteilsgemeinschaft hat der BGH schließlich auch in einer Entscheidung vom
11.9.200217 angenommen. In diesem Fall hatte der Mann während der
gesamten, 1952 geschlossenen Ehe seine Erwerbs- und später Rentenein12 Zur – güterrechtlichen – Aufteilung nach § 39 FGB/DDR von Geldern auf Konten und
Sparbüchern bei Ehegatten, deren Vermögensauseinandersetzung sich nach dem FGB/
DDR richtet, vgl. Hammermüller, FamRZ 1994, 285. Siehe dazu auch Rn. 251 ff. – Zur
anteiligen Berechtigung nach kroatischem Recht OLG Hamm, FamRZ 1999, 299 (vgl.
auch Rn. 967).
13 BGH, FamRZ 2002, 1696 = NJW 2002, 3702; Staudinger/Langhein, 2008, § 741 Rn. 37;
Schmitt, S. 33 ff.
14 Haußleiter/Schulz, 5 Rn. 368.
15 FamRZ 1966, 442; zustimmend Henrich, FamRZ 1975, 533, 536. Anders in einem ähnlichen Fall OLG Zweibrücken, FamRZ 1986, 63.
16 FamRZ 2000, 948 = NJW 2000, 2347.
17 FamRZ 2002, 1696 = NJW 2002, 3702.
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Streitigkeiten bei Einzelkonten
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künfte in vollem Umfang auf ein Girokonto der überwiegend nicht erwerbstätigen Frau überwiesen, die davon die Kosten der Lebensführung
bestritten und verbleibende Beträge auf eigene Sparkonten eingezahlt hatte. Zum Zeitpunkt der Trennung verfügte sie über ein Sparguthaben von
rund 440.000 DM. Hier ließ sich zwar kein Ansparzweck im Sinne einer
konkreten ehegemeinsamen Verwendungsplanung feststellen. Doch könne, so der BGH, aus der Art des Sparens geschlossen werden, dass die Ersparnisse der gemeinsamen Vorsorge für den Fall des Alters oder der Erkrankung oder auch der Sicherung der Nachkommen dienen sollten. Dass
der Ehemann die aus seinen Einkünften stammenden Beträge in vollem
Umfang, und zwar Monat für Monat des langjährigen Zusammenlebens,
der Frau habe zuwenden wollen mit der Folge, dass ihm selbst keinerlei
Mittel verblieben, entspreche dagegen nicht der Lebenserfahrung und sei
auch von der Ehefrau nicht hinreichend substantiiert dargetan worden.
Diesen Entscheidungen ist angesichts der jeweiligen besonderen Umstände zuzustimmen. Auch die Instanzgerichte folgen dem Ansatz des
BGH18. Zuzustimmen ist dem BGH auch insoweit, als er es in seiner Entscheidung vom 11.9.200219 für die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Bruchteilsgemeinschaft ausreichen lässt, wenn sich zwar keine
ausdrückliche Absprache der Eheleute über eine konkret vorgesehene gemeinsame Verwendung des Angesparten feststellen lässt, aber die Umstände nach der Lebenserfahrung darauf schließen lassen, dass die Ersparnisse beiden zugute kommen sollten, wie es insbesondere der Fall sein
kann, wenn über viele Jahre auf dem Sparkonto eines Ehegatten das gesamte nicht zum Lebensunterhalt verbrauchte Einkommen des anderen
oder das beider Ehegatten angespart wird. Denn bei einer solchen Art des
Sparens drängt sich die Annahme auf, das Angesparte habe für gemeinsame Anschaffungen, als Vorsorge für das Alter oder den Fall der Erkrankung oder zum Bedenken der Nachkommen dienen sollen20.
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Gleichwohl ist bei der Annahme einer für das Innenverhältnis stillschweigend vereinbarten Mitberechtigung des Ehegatten, der nicht Kontoinhaber ist, Zurückhaltung geboten21. Allein der Umstand, dass diesem
18 OLG Celle, FamRZ 2008, 1949 (bei Anlage des Geldes schon vor Eheschließung); OLG
Naumburg, FamRZ 2007, 1105; OLG Bremen, FamRZ 2006, 1121 = NJW-RR 2005,
1667; OLG Brandenburg, OLG-Report 1996, 249 = FamRZ 1997, 363 [LS]: Mitberechtigung einer Ehefrau am Guthaben eines auf den Namen des Ehemannes lautenden Kontos, und zwar im Falle eines Girokontos, über das auch die Frau Verfügungsbefugnis hatte, das die Ehegatten als gemeinsames Konto betrachtet hatten und auf das die beiderseitigen Arbeitsverdienste sowie kurz vor der Trennung eine der Frau zustehende größere
Abfindung gezahlt worden waren.
19 FamRZ 2002, 1696 = NJW 2002, 3702.
20 So auch OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 114, 116 f.
21 So auch Büte, FuR 2007, 397, 398; Münch, FPR 2006, 481.
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Ehegatten Vollmacht erteilt ist und er ständig seinen Zahlungsverkehr
über das Konto erledigt, reicht nicht aus22, und zwar auch dann nicht,
wenn er selbst Einzahlungen geleistet hat23, sieht man einmal von der
u.U. wiederum anders zu beurteilenden Fallgestaltung ab, dass ein Ehegatte seine Ersparnisse oder sein Ererbtes auf dem nur vorhandenen Einzelkonto des anderen Ehegatten angelegt hat24. Wenn die Ehegatten sich
keines Gemeinschafts-, sondern eines Einzelkontos bedienen, spricht dies
grundsätzlich dafür, dass die eingehenden Gelder nach ihrem Willen dem
Kontoinhaber zugeordnet werden sollen. Angesichts dieser zunächst klaren Zuordnung ist die Situation nicht vergleichbar derjenigen beim Erwerb von Gegenständen zum Zwecke der gemeinsamen Lebensführung,
der regelmäßig zu Miteigentum beider Ehegatten unabhängig davon
führt, welcher Ehegatte beim Erwerbsgeschäft aufgetreten ist und aus
wessen Mitteln der Erwerb finanziert worden ist25.
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Ist – in Ausnahmefällen – eine Bruchteilsgemeinschaft an einer Kontoforderung anzunehmen, so stehen den Ehegatten im Zweifel gleiche
Anteile an dem im Zeitpunkt der Trennung vorhandenen Guthaben zu
(§ 742 BGB)26, auch bei unterschiedlich hohen Einzahlungen27. Der Anspruch auf hälftige Teilhabe kann durch Geltendmachung des Anspruchs
auf Aufhebung der Gemeinschaft und Teilung des Guthabens (§§ 749 I,
752 BGB) realisiert werden28. Trifft ein Ehegatte Verfügungen über größere Beträge, als sie seinem Anteil im Innenverhältnis entsprechen, können sich Ausgleichsansprüche entsprechend den zu Gemeinschaftskonten
entwickelten Grundsätzen29 ergeben30. Die Beweislast für das Vorliegen
einer Bruchteilsgemeinschaft trägt der, der sich auf die Abtretung im Innenverhältnis beruft31. Die Bruchteilsberechtigung begründet keine Haftung gegenüber der Bank für einen Überziehungskredit32.
700
Steht dagegen das Guthaben dem Kontoinhaber – wie im Regelfall –
allein zu, können Zahlungen des anderen Ehegatten auf das Konto als
22 So auch OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 607 = NJW-RR 2003, 361; anders Staudinger/
Langhein, 2008, § 741 Rn. 38.
23Anders Grziwotz, FamRZ 2002, 1669, 1674.
24Vgl. Bamberger/Roth/Gehrlein, § 741 Rn. 9.
25 Siehe dazu Rn. 49. – Vgl. auch Schwab/Borth, 5. Aufl., IX Rn. 20 f.
26 BGH, FamRZ 2002, 1696, 1697 f. = NJW 2002, 3702; FamRZ 2000, 948, 950 = NJW
2000, 2347.
27 OLG Bremen, FamRZ 2006, 1121 = NJW-RR 2005, 1667; Staudinger/Langhein, 2008,
§ 741 Rn. 38.
28 OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 114, 117.
29 Dazu Rn. 724 ff.
30 Vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 114, 117; OLG Naumburg, FamRZ 2007, 1105.
31 Staudinger/Langhein, 2008, § 741 Rn. 38.
32 Staudinger/Langhein, 2008, § 741 Rn. 37. Zur ausnahmsweisen (Mit-)Haftung im Innenverhältnis vgl. Rn. 365, 694.
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ehebezogene Zuwendungen zu behandeln sein, sofern sie nicht als Beiträge zur Wirtschaftsführung der Ehegatten anzusehen sind33. Zur Frage,
unter welchen Voraussetzungen solche Zuwendungen (ausnahmsweise)
beim Scheitern der Ehe auszugleichen sind, vgl. Rn. 452 ff.34. Im Einzelfall kann auch eine treuhänderische Überlassung oder eine Überlassung
zur Vermögensverwaltung gewollt sein35.
Die Rechtsprechung des BGH zur konkludent begründeten Bruchteilsgemeinschaft an Einzelkonten, auch wenn eine zurückhaltende Anwendung geboten erscheint, kann bei der Vermögensauseinandersetzung
der Ehegatten auch in anderen Bereichen nutzbar gemacht werden. Der
ihr zugrunde liegende Lösungsansatz ist insbesondere in Betracht zu ziehen, wenn es – bei vergleichbarer Interessenlage – um ein Einzelwertpapierdepot36, um eine Lebensversicherung37 oder um einen von nur einem
der Ehegatten abgeschlossenen Bausparvertrag38 geht.
701
Eine Bruchteilsgemeinschaft kann auch dann anzunehmen sein, wenn
die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand leben. Es besteht – anders als
beim Ausgleich ehebezogener Zuwendungen – kein Vorrang des Zugewinnausgleichs39. Im Falle gesetzlichen Güterstandes gewinnt die Bruchteilsgemeinschaft wirtschaftliche Bedeutung zum einen dann, wenn sich
rechnerisch kein Zugewinnaus­gleichsanspruch ergibt, zum anderen und
vor allem aber dadurch, dass der Bruchteilsberechtigte jederzeit Aufhebung der Gemeinschaft verlangen kann (§ 749 I BGB); er kann somit seinen Beteiligungsanspruch alsbald nach der Trennung durchsetzen und ist
nicht dem Risiko ausgesetzt, dass der formale Rechtsinhaber etwa bis
702
33 Vgl. BGH, FamRZ 1989, 147, bei Einzahlungen auf Bausparverträge des anderen Ehegatten (siehe dazu jedoch Rn. 735); OLG Celle, EzFamR aktuell 2001, 162; auch Blaese,
BRAK-Mitt. 1997, 118.
34 Das OLG Düsseldorf (FamRZ 1997, 562) hat im Falle einer Ehefrau, die Einzahlungen
auf ein Sparkonto des Mannes geleistet hatte, einen solchen Ausgleichsanspruch angenommen, obwohl es – dogmatisch nicht konsequent – eine ehebezogene Zuwendung verneint hatte. Die Lösung des OLG wird korrekt, wenn man eine Bruchteilsmitberechtigung der Frau an der Kontoforderung annimmt, wie es angesichts der besonderen Umstände hier durchaus vertretbar erscheint (die Ehegatten waren sich „von Anfang an
darüber einig, dass das gesamte Sparguthaben ihnen gemeinschaftlich … zustehen solle“). – Welche Schwierigkeiten die Behandlung von Sachverhalten dieser Art der Praxis
bereitet, zeigt auch die Entscheidung des LG München I, FamRZ 1997, 560, das eine
dogmatisch ebenfalls nicht überzeugende Lösung über Bereicherungsrecht gesucht hat.
35 Vgl. OLG Celle, FamRZ 2008, 1949, 1950; dazu Rn. 409, 943 ff. bzw. Rn. 936 ff.
36 Vgl. Rn. 748.
37 Vgl. Rn. 957.
38 Vgl. Rn. 735.
39 So auch: OLG Naumburg FamRZ 2007, 1105; Schulz, FamRB 2004, 398, 399; offen lassend BGH, FamRZ 2002, 1696, 1697 = NJW 2002, 3702; FamRZ 2000, 948, 949 f. =
NJW 2000, 2347.
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Streitigkeiten um Bankkonten u.a.
zum für den Zugewinnausgleich maßgeblichen Stichtag den fraglichen
Vermögenswert verbraucht40. Besteht eine Bruchteilsgemeinschaft und
ist sie bei Rechtshängigkeit der Scheidung noch nicht auseinandergesetzt,
ist die Guthabenforderung beim Zugewinnausgleich entsprechend der
Berechtigung im Innenverhältnis im Endvermögen beider Ehegatten zu
berücksichtigen41. Ist das nicht geschehen, ist also die Guthabenforderung im Zugewinnausgleich nur dem Kontoinhaber zugerechnet worden
und macht nunmehr der andere Ehegatte Rechte aus § 749 I BGB geltend, kann der in Anspruch genommene Ehegatte den Einwand der Verfälschung des durchgeführten Zugewinnausgleichs erheben42. Allerdings
wird die Berücksichtigung der Guthabenforderung im Zugewinnausgleich allein beim Kontoinhaber vielfach dafür sprechen, dass keine Mitberechtigung im Innenverhältnis gewollt war.
702a
Bei der Beurteilung der Einzahlung größerer Geldbeträge auf das Einzelkonto des anderen Ehegatten ergeben sich danach folgende Möglichkeiten: 434445464748
Rechtliche Einordnung
Berechtigung im
Innenverhältnis
Evtl. Rückgewähr wie?
Ehebezogene Zuwendung /
­Schenkung des Gesamtbetrags43
Kontoinhaber
§ 313 (vorrangig: Zugewinnausgleich) / §§ 527 ff. BGB
Bruchteilsgemeinschaft44
(ehebezogene Zuwendung /
­Schenkung des hälftigen Betrags)
je ½
1. Hälfte: §§ 741 ff. BGB
2. Hälfte: § 313 / §§ 527 ff. BGB
Treuhänderische Überlassung45
Überlassender
§ 667 BGB
Überlassung zur Vermögens­
verwaltung46
Überlassender
§ 667 BGB
Darlehen47
Darlehensgeber
§§ 488 ff. BGB
Beitrag zu Ehegattengesellschaft48
Gesellschaft
§§ 731 ff. BGB
40 Zu Vorzügen der Auseinandersetzung einer Bruchteilsgemeinschaft Büte, FuR 2007, 397,
400; Kogel, FamRB 2005, 183.
41 Vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 114, 117 f.; OLG Celle, FamRZ 2008, 1949,
1950.
42 Vgl. dazu Rn. 364.
43 Dazu Rn. 417 ff.
44 Dazu Rn. 696 ff.
45 Dazu Rn. 409, 943 ff.
46 Dazu Rn. 936 ff.
47 Dazu Rn. 410 f.
48 Dazu Rn. 412 ff., 655, 657.
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Streitigkeiten bei Einzelkonten
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II. Ausgleichsanspruch bei Kontoverfügungen des
Vollmachtinhabers
1. Befugnis des Vollmachtinhabers im Außenverhältnis
Bei Einzelkonten ohne Vollmacht für den anderen Ehegatten tritt die
Problematik von Verfügungen über das Konto, die dessen Inhaber missbilligt, in der Regel nicht auf. Denn dem Ehegatten, der nicht Kontoinhaber ist, fehlt mangels Befugnis im Verhältnis zur Bank die Zugriffsmöglichkeit49. Hat der Ehegatte dagegen Kontovollmacht, gibt ihm dies,
solange die Vollmacht besteht, auch die Möglichkeit zu Abhebungen oder
Überweisungen, die der Kontoinhaber nicht wünscht.
703
Die Vollmacht führt zu einer Verfügungsberechtigung über das Konto im Außenverhältnis zur Bank. Die Verfügungsberechtigung beschränkt sich aber, sofern nichts anderes vereinbart ist, auf Guthaben. Zu
Kontoüberziehungen berechtigt sie grundsätzlich nicht50, und zwar auch
dann nicht, wenn dem Kontoinhaber ein Kontokorrentkredit eingeräumt
war51. Im Falle einer Kontoüberziehung durch den bevollmächtigten
Ehegatten besteht daher grundsätzlich keine Eintrittspflicht des Kontoinhabers der Bank gegenüber. In Betracht kommen kann aber eine Haftung
nach den Grundsätzen zur Duldungs- oder Anscheinsvollmacht52. Die
Vollmacht berechtigt nicht zu einer Umschreibung des Kontos auf den
Bevollmächtigten53.
704
Die Vollmacht besteht bis zu ihrem Widerruf, gegebenenfalls also
auch über die Trennung der Ehegatten hinaus. Verfügungen des bevollmächtigten Ehegatten sind damit auch nach der Trennung noch möglich.
Eine Pflicht der Bank zu prüfen, inwieweit der Verfügende Beschränkungen im Innenverhältnis unterliegt, kommt nur in Betracht, wenn sich
Zweifel an der Befugnis zur Abhebung nach dem Innenverhältnis der
Ehegatten aufdrängen54. Der Widerruf muss der Bank gegenüber erklärt
705
49 Vgl. aber den Fall einer Kontoverfügung eines Ehegatten, der keine Vollmacht hatte, bei
OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 1678.
50 BGH, MDR 1953, 345, 346; Haußleiter/Schulz, 5 Rn. 371. Zur Verfügungsbefugnis bei
Gestattung „vorübergehende(r) Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen“ OLG
Brandenburg, MDR 2007, 1207.
51 Derleder, FuR 1995, 301, 304.
52Vgl. MünchKomm/Schramm, § 167 Rn. 90; Derleder, FuR 1995, 301, 304 f. Zur evtl.
Haftung des Kontoinhabers auch OLG Brandenburg, MDR 2007, 1207.
53 BGH, FamRZ 2009, 1053, m. Anm. Grziwotz = NJW-RR 2009, 979, m. Anm. Muscheler, JZ 2009, 1075, u. Bergmann, JR 2010, 212 (zum Fall einer Kontovollmacht über den
Tod hinaus).
54 Kümpel, Bank und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2004, Rn. 3.211. Vgl. auch Büte, FuR
2007, 455, 457 („objektive Evidenz des Missbrauchs“).
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Streitigkeiten um Bankkonten u.a.
werden, wenn die Vollmacht – wie üblich – ihr gegenüber erteilt worden
ist (§ 170 BGB)55.
2. Befugnis des Vollmachtinhabers im Innenverhältnis
706
Aus dem Bestehen einer Vollmacht im Außenverhältnis folgt jedoch
nicht notwendig das Recht des Vollmachtinhabers im Innenverhältnis der
Ehegatten, unbeschränkt über das Konto zu verfügen. Der Vollmachterteilung liegt ein Kausalverhältnis der Ehegatten zugrunde. Es besteht in
einer (meist stillschweigenden) Vereinbarung der Ehegatten über den
Zweck der Bevollmächtigung. Dieser geht regelmäßig dahin, eine vereinfachte Verwirklichung der gemeinsamen Lebensplanung zu ermöglichen. Die Bedürfnisse der Familie sollen mit einer gewissen Selbständigkeit befriedigt werden können56. Aus dem mit der Vollmachterteilung
verfolgten Zweck ergibt sich eine Beschränkung der Vollmacht: Die
Vollmacht reicht nach dem Willen des Vollmachtgebers regelmäßig nur
so weit, als aus der gemeinsamen Lebensführung resultierende Bedürfnisse und Verbindlichkeiten abgedeckt werden sollen57. Daraus folgt:
a) Kontoverfügungen nach der Trennung
707
Kontoabhebungen oder Überweisungen des Vollmachtinhabers auf
eigene Konten nach der Trennung (die Trennung wird in diesem Zusammenhang in Anlehnung an die Regelung zur Schlüsselgewalt, § 1357 III
BGB, allgemein als maßgeblicher Stichtag angesehen58), die unter Ausnutzung einer noch nicht widerrufenen Vollmacht erfolgen und die nicht der
Abgeltung von Aufwendungen der gemeinschaftlichen Lebensführung
(etwa dem Ausgleich gemeinsamer Schulden) dienen, sind regelmäßig
von der der Vollmachterteilung zugrunde liegenden Abrede nicht mehr
gedeckt. Denn sie dienen nicht der gemeinsamen Lebensführung der
Ehegatten. Grundsätzlich ändert daran auch das Bestehen von Unterhaltsoder sonstigen Gegenansprüchen des sich des fremden Kontos bedienenden Ehegatten nichts. Er ist nicht zur „Selbstbedienung“ berechtigt59.
55 Ist die Vollmacht durch Aushändigung einer Vollmachtsurkunde an den vertretenden
Ehegatten erteilt worden, bedarf es gem. § 172 II BGB grds. der Rückgabe oder Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde. Vgl. dazu Derleder, FuR 1995, 301, 304 f.
56 So OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 439.
57 Vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1215 = NJW-RR 2001, 909; OLG Bamberg, FamRZ
1991, 1058; Derleder, FuR 1995, 301, 303.
58 Vgl. etwa BGH, FamRZ 1988, 476, 478 = NJW 1988, 1208; Schmitt, S. 36 f.
59 BGH, FamRZ 1989, 834, 835 = NJW-RR 1989, 834; OLG Frankfurt, FamRZ 2000,
1215 = NJW-RR 2001, 909; OLG Bamberg, FamRZ 1991, 1058, 1059; OLG Düsseldorf,
FamRZ 1992, 439, 440; Büte, FuR 2007, 397, 400.
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Streitigkeiten bei Einzelkonten
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Auch wenn das Guthaben aus seinen Mitteln stammt, gibt ihm dies nicht
das Recht, darüber zu verfügen.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BGH60 im Einzelfall
denkbar, dass die Berechtigung zu einer Abhebung oder Überweisung im
Innenverhältnis auch über die Trennung hinaus in eingeschränktem Umfang fortbesteht. Das soll insoweit der Fall sein können, als die Verfügung
mit den früheren gemeinsamen Vorstellungen der Ehegatten in Einklang
steht und auch nach der Trennung weiterhin dem mutmaßlichen Willen
des Kontoinhabers entspricht. Dieser soll in erster Linie vor eigensüchtiger oder sonst missbräuchlicher Ausnutzung geschützt werden. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung kann man u.U. maßvolle Abhebungen des nicht erwerbstätigen Ehegatten von dem Konto, auf das das
­Gehalt des Alleinverdieners fließt, die der bisherigen Handhabung entsprechen, dem Unterhalt der Restfamilie dienen und mit denen der Kontoinhaber mutmaßlich einverstanden ist, als im Innenverhältnis gestattet
ansehen61. Das Gleiche kann gelten, wenn nach der Trennung von einem
Geschäftskonto Überweisungen für geschäftliche Zwecke vorgenommen
werden.
708
b) Kontoverfügungen während des Zusammenlebens
Während des ehelichen Zusammenlebens vorgenommene Verfügungen sind im Zweifel von der Zweckbestimmung der Vollmacht gedeckt.
Anders verhält es sich bei kurz vor der Trennung vorgenommenen Verfügungen, die bereits der Finanzierung der Trennung dienen sollen. Sie erfolgen, sofern man sie nicht im Einzelfall als vom mutmaßlichen Willen
des Kontoinhabers gedeckt ansehen kann (vgl. Rn. 708), ohne Berechtigung im Innenverhältnis. Keine Befugnis im Innenverhältnis besteht
auch zu einer Verfügung über ein größeres Kontoguthaben, nachdem in
einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung eine Regelung –
auch zur Vermögensauseinandersetzung – im Hinblick auf die beabsichtigte Trennung getroffen worden ist62.
709
3. Folgen einer Vollmachtüberschreitung
Hat ein Ehegatte unter Ausnutzung einer noch nicht widerrufenen
Vollmacht durch Abhebung oder Überweisung Beträge dem eigenen Vermögen zugeführt, ohne dazu im Verhältnis zum Kontoinhaber berechtigt
gewesen zu sein, bestehen grundsätzlich Ausgleichs- bzw. Schadenser-
710
60 FamRZ 1989, 834 = NJW-RR 1989, 834.
61 Vgl. auch Haußleiter/Schulz, 5 Rn. 384.
62 OLG Celle, EzFamR aktuell 2001, 162, im Falle eines Depotkontos.
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Streitigkeiten um Bankkonten u.a.
satzansprüche. Regelmäßig liegt in dem Verstoß gegen die der Vollmachterteilung zugrunde liegende Vereinbarung eine Pflichtverletzung,
die Schadensersatzansprüche nach § 280 I BGB auslöst (früher: positive
Vertragsverletzung)63. In krassen Fällen kann daneben eine Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung (§ 823 II BGB i.V.m. § 266 I StGB
bzw. § 826 BGB) in Erwägung zu ziehen sein64, die wegen des Aufrechnungsverbotes nach § 393 BGB von besonderer Bedeutung ist65. Vor allem aber wird regelmäßig ein Anspruch auf Herausgabe des durch die unberechtigte Verfügung Erlangten unter dem Gesichtspunkt der angemaßten Eigengeschäftsführung bestehen (§§ 687 II, 681 S. 2, 667 BGB),
demgegenüber nicht eingewandt werden kann, der sich des Kontos Bedienende habe einen Anspruch auf das Guthaben gehabt66.
711
Da dieser Anspruch gerade bei Unterhaltsbedürftigkeit des ausgleichsverpflichteten Ehegatten oft schwer durchsetzbar ist, kommt die in der
Praxis gern angewandte unterhaltsrechtliche Lösung vielfach dem Interesse des Ausgleichsberechtigten entgegen: Die entnommenen Beträge
werden (nach Genehmigung der Kontoverfügung) auf den Unterhaltsbedarf angerechnet, so dass sich eine isolierte Verfolgung des Ausgleichsbzw. Schadensersatzanspruchs erübrigt67.
4. Beweislast
712
Derjenige, der einen Schadensersatzanspruch oder einen Herausgabeanspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung geltend macht, muss
beweisen, dass das Handeln des Vollmachtinhabers dessen Befugnisse aus
dem Innenverhältnis überschritten hat. Kontoverfügungen während der
Zeit des Zusammenlebens sind im Zweifel von der im Innenverhältnis erteilten Befugnis gedeckt, solche nach der Trennung im Zweifel nicht. Es
genügt daher, wenn der Kontoinhaber den Beweis führt, dass der andere
Ehegatte das Konto nach der Trennung belastet hat. Der andere kann
sich dann nur dadurch entlasten, dass er beweist, das Geld für einen
Zweck entnommen zu haben, der vom tatsächlichen oder mutmaßlichen
63 Vgl. dazu Rn. 19 f.
64 Siehe auch Rn. 887.
65 Vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1215 = NJW-RR 2001, 909; LG Aachen, FF 2001,
176 (keine Aufrechnung mit Unterhaltsansprüchen).
66 Vgl. BGH, FamRZ 1989, 834, 835 = NJW-RR 1989, 834; FamRZ 1988, 476, 478 = NJW
1988, 1208; OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 1678 (im Fall einer Kontoverfügung eines Ehegatten, der keine Vollmacht hatte); OLG Bamberg, FamRZ 1991, 1058; Derleder,
FuR 1995, 301, 303. – Soweit es um Schadensersatz geht, mindert ein eventueller Anspruch des über das Konto Verfügenden allerdings den Schaden des andern. I.Ü. kann mit
einem solchen Anspruch (etwa einem Unterhaltsanspruch) ggf. aufgerechnet werden. Vgl.
auch OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 439, 440.
67Vgl. Blaese, BRAK-Mitt. 1997, 118.
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Streitigkeiten bei Einzelkonten
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Willen des Kontoinhabers gedeckt war. Geht es um eine Kontoverfügung
aus der Zeit des Zusammenlebens, so muss der Kontoinhaber grundsätzlich die Belastung des Kontos durch den anderen und außerdem – anders als bei Vorliegen eines Vermögensverwaltungsvertrages68 – die
zweckwidrige Verwendung des Geldes beweisen69. Bei einer ungewöhnlich hohen Abhebung in zeitlicher Nähe zur Trennung allerdings reicht es
aus, wenn der Kontoinhaber den Beweis für eine solche Abhebung führt.
Der andere kann sich dann dadurch entlasten, dass er beweist, das Geld
für Zwecke der ehelichen Lebensgemeinschaft entnommen zu haben70.
5. Beispiele aus der Rechtsprechung71
• Kontoverfügungen nach der Trennung:
Der BGH hat in einer Entscheidung vom 13.1.198872 einen Ausgleichsanspruch für möglich gehalten. Die Ehefrau hatte einige Monate
nach der Trennung 2.000 DM vom Geschäftskonto des Ehemannes abgehoben.
713
In einer Entscheidung des BGH vom 5.4.198973 ging es um eine Verfügung über 127.000 DM, die der Ehemann kurz nach der Trennung zu
Lasten eines Kontos der Ehefrau für eigene private Zwecke vorgenommen
hatte, nachdem er einige Monate zuvor 190.000 DM auf dieses Konto
überwiesen hatte. Der BGH hielt es – vorbehaltlich weiterer Aufklärung – für möglich, dass der Mann zur Abhebung der 127.000 DM im
Verhältnis zur Frau nicht berechtigt war und ihr deshalb Erstattung
schulde. Die frühere Überweisung der 190.000 DM auf das Konto stehe
auch dann einem Ausgleichsanspruch der Frau nicht entgegen, wenn der
Mann insoweit einen Rückzahlungsanspruch habe. Was die dogmatische
Begründung angeht, so nimmt der BGH nicht eine von vornherein gegebene Beschränkung der Vollmacht auf gemeinsame eheliche Zwecke an,
sondern wendet die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage an
(Anpassung der der Vollmachterteilung zugrunde liegenden Vereinbarung an die durch die Trennung ausgelösten veränderten Verhältnisse).
68 BGH, FamRZ 2001, 23, 24 = NJW 2000, 3199. Zu Ansprüchen bei vertraglich vereinbarter Vermögensverwaltung vgl. Rn. 936 ff.
69 Vgl. auch Rn. 940.
70 Vgl. auch Derleder, FuR 1995, 301, 303 f.
71 Vgl. auch: Beispiel mit Lösungsskizze bei Wever, in: Schröder/Bergschneider, Rn. 5.475;
schulmäßige Falllösung zu BGH, FamRZ 2002, 1696, bei Körner, JuS 2007, 661.
72 FamRZ 1988, 476 = NJW 1988, 1208.
73 FamRZ 1989, 834 = NJW-RR 1989, 834. Ähnlich das Beispiel bei Derleder, FuR 1995,
301, 302.
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Streitigkeiten um Bankkonten u.a.
• Kontoverfügungen während des Zusammenlebens:
714
In einem vom OLG Bamberg74 entschiedenen Fall hatte die Ehefrau
in den Tagen vor ihrem Auszug aus der Ehewohnung insgesamt 5.500
DM vom Konto des Mannes abgehoben, um sich für die Trennung und
den Wegzug aus der ehelichen Wohnung mit dem gemeinsamen Kind mit
Reisemitteln und Bargeld zu versorgen. Das OLG nahm einen Schadensersatzanspruch des Mannes aus positiver Vertragsverletzung jedenfalls in
dem Umfang an, in dem klar war, dass der Mann mit der Abhebung nicht
einverstanden war.
Das OLG Düsseldorf75 hat einen Schadensersatzanspruch und einen
Herausgabeanspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung eines Ehemannes angenommen, dessen Frau vor der Trennung, aber bei schon bestehenden ehelichen Spannungen 40.000 DM von seinem Konto auf ein
eigenes Festgeldkonto überwiesen und davon später ihrem neuen Lebensgefährten 35.000 DM zur Verfügung gestellt hatte.
Ausgleichsansprüche abgelehnt hat das OLG Karlsruhe76 in einem
Fall wirtschaftlich gut gestellter Ehegatten, in dem die nicht erwerbstätige Frau in den Jahren vor der Trennung insgesamt 150.000 DM von Konten des Mannes abgehoben und für sich verbraucht hatte, während der
Mann beruflich im Ausland tätig war77.
715
Als Fazit kann mit Derleder78 festgehalten werden: Die Rechtsprechung bemüht sich um einen Schutz des Kontoinhabers im Innenverhältnis vor ehewidrigen Verfügungen des Vollmachtinhabers, seien sie vor
oder nach der Trennung erfolgt.
III. Kontoinhaberschaft bei Errichtung eines Sparkontos auf den
Namen eines Dritten
716
Gelegentlich errichtet ein Ehegatte auf den Namen des anderen oder
den eines Kindes oder Enkelkindes ein Sparbuch und zahlt ein Guthaben
ein. Es entsteht dann manchmal Streit darüber, wer forderungsberechtigter Gläubiger gegenüber der Bank und damit Kontoinhaber ist: der das
Konto Errichtende, d.h. derjenige, der den Kontoeröffnungsvertrag abge-
74
75
76
77
FamRZ 1991, 1058.
FamRZ 1992, 439.
FamRZ 1990, 744.
Weitere Entscheidungen zu Kontoverfügungen während des Zusammenlebens: BGH,
FamRZ 1986, 558 = NJW 1986, 1870 (vgl. dazu Rn. 941); FamRZ 1988, 42; LG Detmold, FamRZ 2002, 670.
78 FuR 1995, 301, 303.
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Streitigkeiten bei Einzelkonten
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schlossen hat, oder derjenige, auf dessen Namen das Konto errichtet worden ist79?
Entscheidend ist der erkennbare Wille des das Konto Errichtenden bei
der Einrichtung des Kontos80. Beim Girokonto soll in der Regel derjenige Kontoinhaber werden, auf dessen Namen das Konto eröffnet wird81.
Beim Sparkonto dagegen lässt der Umstand, dass das Konto auf den Namen eines anderen eingerichtet worden ist, für sich allein nicht den
Schluss darauf zu, dass der andere auch Gläubiger der Forderung werden
sollte, also ein Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) geschlossen worden ist. Die Errichtung auf den Namen eines Dritten82 ist nicht mehr als
ein Indiz für den Parteiwillen. Von Bedeutung ist vor allem auch der Besitz des Sparbuchs. Da gem. § 808 BGB der Besitzer des Sparbuchs die
Verfügungsmöglichkeit über das Guthaben behält, spricht es gegen einen
Willen des Anlegers, den anderen gem. § 328 BGB zum Gläubiger der
Forderung machen zu wollen, wenn er selbst sich den Besitz an dem Sparbuch vorbehält. Insbesondere Eltern bzw. Großeltern, die ein Sparbuch
für das Kind bzw. das Enkelkind anlegen und das Sparbuch in Besitz behalten, wollen im Zweifel Gläubiger der Bank bleiben, vielfach jedoch
dem Benannten das Guthaben auf den Todesfall des Einzahlenden zuwenden (§ 331 BGB)83. Anders kann es sich verhalten, wenn Eltern für
ihre Kinder ein Sparbuch errichten, das für Einzahlungen Dritter (Großeltern) vorgesehen ist84. Auch wenn die das Konto auf den Namen des
Enkelkindes eröffnenden Großeltern das Sparbuch den Eltern übergeben,
spricht dies für die Annahme eines Vertrages zugunsten des Kindes85.
Handelt es sich um eine Umschreibung eines bisher auf den Namen der
Eltern lautenden Sparbuchs auf den Namen des Kindes, spricht dies ebenfalls dafür, dass dem Kind die Gläubigerstellung verschafft werden soll-
717
79 In letzterem Falle spricht man von einem Fremdkonto, vgl. Staub/Canaris, HGB/Bankvertragsrecht, 4. Aufl., Rn. 235.
80 BGH, FamRZ 2005, 510 = NJW 2005, 980; FamRZ 1994, 625 = NJW 1994, 931; OLG
Düsseldorf, FamRZ 1999, 1422 [LS].
81 BGH, NJW 1996, 840.
82 Den Fall der Kontoerrichtung auf den eigenen Namen des Eröffnenden bei Anlage von
Geld, das aus dem Vermögen eines Dritten stammt, behandeln: BGH, FamRZ 2005,
1168 = NJW 2005, 2222; OLG Saarbrücken, MDR 2003, 1003.
83 BGH, FamRZ 2005, 510, m. Anm. Ewers, S. 967, u. Bartsch/Bartsch, ZEV 2005, 260 =
NJW 2005, 980; OLG Bremen, OLG Report 2007, 693; OLG Düsseldorf, FamRZ 1992,
51; LG Landshut, FamRZ 2012, 746; LG Mainz, FamRZ 2009, 228. Vgl. aber OLG Celle, WM 1994, 1069 (Kontoeröffnung für 6-jährigen Sohn); OLG Zweibrücken, FamRZ
1990, 440 = NJW 1989, 2546 (bei Kontoeröffnung als gesetzlicher Vertreter); LG Coburg, FamRZ 2011, 71 (Guthaben aus Geldgeschenken Dritter an das Kind, die der Vater aufgerundet hat).
84 Vgl. Saarländ. OLG, ZEV 2000, 240, m. Anm. Schencking.
85 AG Nordhorn, FamRZ 2002, 341, 342.
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Streitigkeiten um Bankkonten u.a.
te86. Oft bringt der Inhalt des Kontoeröffnungsantrages Klarheit. Ist dort
ausdrücklich bestimmt, dass der andere sofort Gläubiger der Forderung
werden soll, steht ihm das Sparguthaben als Gläubiger auch dann zu,
wenn der das Konto auf den Namen des Dritten Eröffnende im eigenen
Namen auftritt, sämtliche Einzahlungen vornimmt und das Sparbuch im
Besitz behält87. Bei einem Sparbrief kommt wegen dessen Qualifizierung
als Namensschuldverschreibung der Bezeichnung des Inhabers mehr als
eine bloße Indizwirkung zu. Hier ist in der Regel der in der Urkunde Benannte auch forderungsberechtigt88.
C. Streitigkeiten bei Gemeinschaftskonten
718
Auch die Begründung eines Giro- oder Sparkontos als Gemeinschaftskonto durch Ehegatten ist nicht selten. Das Gemeinschaftskonto wird auf
den Namen mehrerer Inhaber errichtet. Sie sind Vertragspartner der Bank
und Gläubiger eines auf dem Konto befindlichen Guthabens. Für einen
aufgelaufenen Schuldsaldo haben sie der Bank gegenüber in der Regel als
Gesamtschuldner einzutreten. Die Frage nach der Haftung für den
Schuldsaldo im Innenverhältnis der Ehegatten richtet sich daher nach
den Grundsätzen zum Gesamtschuldnerausgleich89, die im Regelfall zu
einer hälftigen Beteiligung beider Ehegatten führen.
719
Gemeinschaftskonten werden entweder als Und-Konto oder als OderKonto geführt. Beim Und-Konto können die Inhaber Verfügungen nur
gemeinsam treffen90. Belastungsaufträge müssen also von allen Kontoinhabern unterzeichnet werden. Das Und-Konto ist daher ein Gemeinschaftskonto, das Sicherheit vor nicht gewünschten Verfügungen des
86 OLG Hamm, OLG-Report 1999, 230 = FamRZ 2001, 158 [LS].
87 OLG Frankfurt, NJW 1986, 64 = FamRZ 1986, 576 [LS]; LG Landau, FamRZ 2007,
396. Vgl. zu allem: Staub/Canaris, HGB/Bankvertragsrecht, 4. Aufl., Rn. 151 ff.; Palandt/
Grüneberg, § 328 Rn. 9a, mit RsprN; Köndgen, NJW 1992, 2263, 2265. – Zur Frage, ob
die Eltern als gesetzliche Vertreter Rücküberweisung aus ihrem Vermögen stammender,
auf Sparkonten ihrer minderjährigen Kinder (als Kontoinhaber) angelegter Gelder an sich
veranlassen können, BGH, FamRZ 2004, 1349, m. Anm. Spieker. – Zur Rechtslage bei
Abhebungen der Eltern vom Konto des Kindes DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2010, 488.
88 OLG Hamm, OLG-Report 1999, 230 = FamRZ 2001, 158 [LS]; NJW-RR 1992, 46; Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 9a. – Zur Anlage von Festgeld auf den Namen des Kindes
OLG Saarbrücken, FamRZ 2008, 2030 = NJW-RR 2008, 954 (Berechtigung des Kindes, wenn steuerliche Freibeträge ausgeschöpft werden sollten).
89 Vgl. dazu Rn. 293 ff.
90 Die Inhaber eines Und-Kontos bilden, sofern keine Gesamthandsgemeinschaft vorliegt,
eine Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 ff. BGB; sie sind Mitgläubiger der Forderung
(BGH, NJW 1991, 420). Diese Form der Kontoführung ist typisch etwa für Erbengemeinschaften, die einen Kontoinhaber beerben. – Zum Und-Konto im Einzelnen: Staub/
Canaris, HGB/Bankvertragsrecht, 4. Aufl., Rn. 230 ff.; Staudinger/Langhein, 2008, § 741
Rn. 102 ff.
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