Spezielles der Ernährungstherapie bei kritisch Kranken

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Spezielles der Ernährungstherapie bei kritisch Kranken
Ernährung auf der Intensivstation –
Neues aus Studien und Leitlinien
Leipzig 3.12.2015
Ernährung bei Patienten mit Nierenund Lebererkrankungen
Klinik für Gastroenterologie/Hepatologie und Endokrinologie
A. Schneider
Spezielles für die Ernährung bei Leber- und
Nierenerkrankung
Was ist wichtig bei Leber- und Nierenerkrankung
Ernährungstherapie bei Lebererkrankung
Ernährungstherapie bei Nierenerkrankung
Im Fokus: Energie- und Eiweißkatabolie
Eiweißstoffwechsel
Protein- Aminosäureverlust
Aktivierung des Proteinkatabolismus
urämische Toxizität
Kohlenhydratstoffwechsel
gesteigerte Glukoneogenese
Hyperinsulinämie mit Insulinresistenz
Fettstoffwechsel
Hemmung der Lipolyse
Beeinträchtigung der Lipid-Clearance
Volumen- und Elektrolytimbalanzen
Im Fokus: Energie- und Eiweißkatabolie
Eiweißstoffwechsel
Protein- Aminosäureverlust
eingeschränkte Syntheseleistung
veränderter Aminosäuremetabolismus
Hyperammoniämie
Kohlenhydratstoffwechsel
Entleerung der Glycogenspeicher mit Hypoglykämieneigung
Reduktion der Glukoneogenese
Hyperinsulinämie mit Insulinresistenz
Fettstoffwechsel
Fett als bevorzugtes oxidatives Substrat
Ketogenese
Die Regeln und ihre Abweichungen
Hoher Energie- und Eiweißbedarf
phasenadaptiert für kritisch Kranke bei SIRS, Sepsis und
Multiorganversagen
mit permissiver Hypoalimentation in der Ebb-Phase
„Karenz“-phasen beim Leberversagen vermeiden
früh enterale Ernährung (24-48 Std) anstreben aber
auch frühe supplementierende parenterale Ernährung
Spezialnährlösungen nur selten notwendig
Erhöhter Mikronährstoffbedarf und bestehender Mangel und Verluste
Mikronährstoffe: Normal ist nicht immer genug!
Multivitaminpräparate decken den Normalbedarf
A
D
E
(IU)
(IU)
(IU)
3500 200 D3 11.2
B1 B2
B3
B5
(mg) (mg) (mg) (mg)
3.5 4.14
46 17.25
B6
(mg)
4.53
B12 C
Biotin Fols.
(µg) (mg)
5.5 125
(µg)
60
(mg)
0.4
Mehrbedarf des kritisch Kranken mit Leber- und Niereninsuffizienz
300 mg Thiamin (B1) – 3 x 500 mg i. v.
100 – 150 µg/d Vitamin K
Glukose
Zink 30-150 mg, Selen 100-300 µg
Folsäure, Vitamin D, Vitamin B6
Laktat
Spezielles für die Ernährung bei Leber- und
Nierenerkrankung
Was ist wichtig bei Leber- und Nierenerkrankung
Ernährungstherapie bei Lebererkrankung
Ernährungstherapie bei Nierenerkrankung
Stoffwechsel bei Leberinsuffizienz: Was ist anders?
Energieund Parameter
Eiweißkatabolie
Welche
messen:
Glukoneogenese
Eiweißund Aminosäurestoffwechsel
Blutglukose
Zn
- Aminosäurespiegel
und
Laktat,
NH3,
Urea
NH3
Glutamin
Glutaminsynthetase
Glutaminsynthetase
Glutamin
Alanin
NH3
Plasmaosmolarität (beim ALV)
Harnstoff
- verzweigtkettige
(VKAS)
Elektrolyte
+ Phosphat
- Tryptophan,
aromatische (AAS),
Protein,
Albumin
Methionin
Triglyzeride
- Hyperammonämie
Evtl.
hilfreich Aminosäuren,
Vitamine, Zink
Gesteigerter REE
Mangelernährung bei chronischer Leberinsuffizienz
90% der Pat. mit Leberzirrhose
ICU-Indikation:
akut auf chronisches Leberversagen
Dekompensation
Enzephalopathie
Infektion
Blutung
1. Verminderte Nahrungsaufnahme
Chron. Inappetenz, Übelkeit
Geschmacksstörung
Passagestörung
2. Falsche Diäten
3. Gestörte Resorption
portale Hypertension
Dünndarmfehlbesiedlung
4. Erhöhter Eiweißbedarf
und Eiweißverlust (Enteropathie)
5. Fehlernährung bei Alkoholabusus
Bedeutung der Mangelernährung bei
Leberinsuffizienz
•
Morbidität und Mortalität durch Malnutrition
(Cabré und Gassull 1994, 2001, Matos et al. 2011)
• BCM <30%
höchste Mortalität nach Tx
(53% vs.17%, p<0.05, Müller et al., 1992)
• Malnutrition beeinflusst die Prognose (Müller
1992), QoL (Bianchi 2008) und das Risiko für
Komplikationen (Huisman et al. 2011)
Auswirkung von Eiweiß- Mangelerkrankung bei
chronischen Lebererkrankungen
M.J. Müller Internist 1998 · 39:247–253,
Bedeutung der Mangelernährung bei
Leberinsuffizienz
Ernährungs- + Muskelstatus
O’Brien A, Gastroenterology. 2008;134:1729–40.
Einfluss des Ernährungsstatus auf das Outcome
nach Lebertransplantation
Keine
M Merli et al, Liver international 2009
Mangelernährung
Bedeutung der Ernährungstherapie bei
chronischer Leberinsuffizienz
Effektivität von Ernährungstherapie durch zahlreiche Studien bei
verschiedenen Lebererkrankungen nachgewiesen:
Durch enterale Ernährung lässt sich die Leberfunktion und das Überleben
(12 vs 47%) bei mangelernährten Zirrhosepatienten verbessern.
Cabre et al; Gastroenterology 1990
Verbesserung der Stickstoffbilanz und der akuten Enzephalopathie.
Keohane et al; JPEN 1983
Orale Trinknahrung verbesserte Muskelkraft-, Funktion, Phasenwinkel.
Norman et al; Clin Nutr 2008
Nächtliche supplementierende Ernährung (oral/enteral) verbessert den
Gesamtkörpereiweißstatus.
Plank LD et al; Hepatology 2008
Bedeutung der Ernährungstherapie bei
alkoholischer Lebererkrankung
ASH und Alkoholiker haben einen gesteigerten REE 26-55%
Verbessertes Langzeitüberleben und geringere Infektionsrate durch
enterale Ernährung bei Akuter Steatohepatitis (ASH)-Patienten.
Enterale Ernährung vs Steroide
%
Kearns et al, Gastroenterology 1992
Cabre et al; Hepatology 2000
Einfluss einer präoperativen Ernährungstherapie
auf das Outcome nach Lebertransplantation
T Kaido et al, Am J Transplant 2013
Ernährungstherapie bei kritisch Kranken mit
Leberinsuffizienz
Frühenterale Ernährung innerhalb von 24 Std. auch bei
Ösophagusvarizen über gastrale oder enterale
Ernährungssonde
Supplementierende parenterale Ernährung, wenn
enterale Ernährung nicht möglich schon bei ≥ 12 Std.
Enteral:
nährstoffdefinierte ballaststoffhaltige
Standardnährlösung 1,5 - 2 kcal/ml
Keine Immunonutrition
Plauth et al, S3-Leitlinie DGEM, GESKES, AKE, DGVS 2014
Standard-AIO:
Aminosäuren 38-58 g/l
Enthalten kein Glutamin
Spezielles der Ernährungstherapie bei kritisch
Kranken mit Leberinsuffizienz
„Hepa“-Nährlösungen:
Nährstoffdefiniert ballaststoffhaltig, 1,3 kcal/ml,
Angereichert mit 35-45 % Verzweigtkettige Aminosäuren (VKAS)
Parenterale „Hepa“-Lösungen:
Angereichert mit Verzweigtkettige Aminosäuren (VKAS)
als separate AS-Lösung zum Zweikammerbeutel oder
individuelle Rezeptur („Compounding“)
Nur bei schwerer Enzephalopathie
Hyperammoniämie
Plauth el al, S3-Leitlinie DGEM, GESKES, AKE, DGVS 2014
AS
Hepa
Verzweigtkettige Aminosäuren (VKAS)
Bedingt unentbehrliche Aminosäuren
Verbesserung der Enzephalopathie
Stimulation der Proteinsynthese
Kein signifikanter Überlebensvorteil
Vorteil Kontrolle
Als-Nielsen et al, Cochrane Database 2003
Vorteil BCAA
Omega-3 Fette beeinflussen die Leberverfettung
Parker HM, J Hepatol. 2012;56(4):944-951.
Ernährungstherapie beim akuten Leberversagen
(ALV)
Fulminantes Leberversagen
Akutes Leberversagen
Subakutes Leberversagen
Therapieziel:
Leberregeneration
Vorbereitung zur Transplantation
Schwere Katabolie aber selten Mangelernährung
REE x 1,3
Prävention von Stoffwechselentgleisungen
Infektionen
Hirnödem
S3-Leitlinie DGEM, GESKES, AKE, DGVS 2014
Ernährungstherapie beim akuten Leberversagen
(ALV)
Orale Ernährung und enterale Ernährung:
LOLA (L-Ornithinaspartat)
Kohlenhydrate (Lipide) z. B. Maltodextrin
„Hepa“-Nährlösung
Parenterale Ernährung:
Kontinuierliche Glukosezufuhr 2-3,5 g/kgKG i.v.
Lipide 0,8 – 1,2 g/kgKG
(LCT/MCT, Ölsäure, ω3-Fettsäure)
AS 0,5 -1,2 g/kgKG,
angereichert mit VKAS
LOLA
Der NH3-Spiegel ist ein unabhängiger Prädiktor für das Überleben
S3-Leitlinie DGEM, GESKES, AKE, DGVS 2014
SK Acharya , Gastroenterol 2009;136:2159–2168
Leitlinienempfehlung zur Ernährung bei chronischer
Leberinsuffizienz
Energiezufuhr:
30 – 35 (40) kcal / kg KG /Tg
Eiweißzufuhr:
1,2 - 1,5 g / kg KG /Tg
Bei höhergradiger Enzephalopathie und
bei Eiweißintoleranz
Reduktion der Eiweißzufuhr ~ 0,8 g KG/Tg
VKAS angereicherte enterale oder
supplementierende parenterale Ernährung
Nahrungskarenzen > 12 Std. vermeiden
Plauth et al, S3-Leitlinie DGEM, GESKES, AKE, DGVS 2014
Spezielles für die Ernährung bei Leber- und
Nierenerkrankung
Was ist wichtig bei Leber- und Niereninsuffizienz
Ernährungstherapie bei Leberinsuffizienz
Ernährungstherapie bei Niereninsuffizienz
Niereninsuffizienz bei kritisch Kranken
Von ernährungstherapeutischer Relevanz
akut Kranke mit akutem Nierenversagen (ANV)
akut Kranke mit akut auf chronischem Nierenversagen (A-C-NV)
akut Kranke mit chronischer Niereninsuffizienz ohne und
mit Notwendigkeit der Nierenersatztherapie
manifester oder drohender Mangelernährung
Druml et al, S1-Leitlinie DGEM, GESKES, AKE, DGVS 2015
Stoffwechsel bei Niereninsuffizienz: Was ist anders?
Niere im Zentrum des Inflammationssyndroms
mit spezifischen metabolischen Störungen, die alle
Organsysteme beeinflussen
Kontinuierliche Nierenersatztherapie führt zur
Elimination von wasserlöslichen Nährstoffen
Elektrolyte wie Kalium,Phosphat, Magnesium
Vitamine, Spurenelemente
Aminosäuren, Proteinen
10-15 g/Tg
Glutamin 0,2 g/kgKG/Tg
Hohe Zufuhr von Citrat, Laktat, Glukose ..
Grundsätzliches der Ernährungstherapie bei kritisch
Kranken mit Niereninsuffizienz
Frühenterale Ernährung innerhalb von 24 Std. über
gastrale oder enterale Ernährungssonde
Supplementierende parenterale Ernährung bei
Mangelernährung, wenn enterale Ernährung nicht
möglich ist schon bei ≥ 24 Std.
Enteral:
nährstoffdefinierte ballaststoffhaltige eiweißreiche
(bis 10%) Standardnährlösung 1,5 - 2 kcal/ml
Glutamin kann unter Nierenersatztherapie
supplementiert werden
Druml et al, S1-Leitlinie DGEM, GESKES, AKE, DGVS 2015
Standard-AIO:
Aminosäuren 38-58 g/l
Enthalten kein Glutamin
Spezielles der Ernährungstherapie bei kritisch
Kranken mit Niereninsuffizienz
Spezielle enterale Nährlösungen „Nephro“.. „Rena“…
1. hochkalorisch 2 kcal/ml, eiweißreich (7-8%) modifiziert,
Kalium und Phosphat reduziert
ggf. noch Carnitin und Histidin
häufig ohne Ballaststoffe und MCT
2. Eiweißsupplemente 10-20 g pro Portion
3. hochkalorisch, eiweißreduziert, Kalium und Phosphat reduziert
Druml, Med Klin Intensiv Notfmed 2013
Spezielles der Ernährungstherapie bei kritisch
Kranken mit Niereninsuffizienz
Elektrolytfreie „AIO“ Mehrkammerbeutel für die individuelle
Elektrolytsubstitution
- nicht über Standarddosis ggf. separat supplementieren,
Inkompatibilitäten beachten
Spezielle parenterale Aminosäurelösungen „Nephro“..…
komplettes modifiziertes Aminosäuremuster mit mehr essentiellen
und krankheitsbedingten essentiellen Aminosäuren z.B. mit Tyrosin
Druml, Med Klin Intensiv Notfmed 2013
AS
Nephro
Zusätzliche Supplemenente
1. Wasserlösliche Vitamine: 2x RDA (Multivitaminpräparat) i.v.
2. Vitamin D : 1 µg/Tg Calcitriol oder 1000 U/Vitamin D3
3. L-Carnitin:
75% durch die Nahrung und 25%
durch Synthese in Nieren und Leber
Defizit:
( Kardio-)Myopathie, Rhabdomyolyse,
Hypoglykämie, Dyslipidämie
Substitution:
0,5 g pro Tg i. v.
Druml et al, S1-Leitlinie DGEM, GESKES, AKE, DGVS 2015
Sgambat et al, Hemodialysis International 2015
L-Carnitin-Defizit
Niereninsuffizienz: Ohne Phosphat nichts los!
Unter Nierenersatztherapie
Leberzirrhose, Alkoholabusus
Refeeding-Syndrom
Glukose
2,3-DPG
ATP
2H+
Muskelschwäche,
Rhabdomyolyse, Myalgie
Herzinsuffizienz,
Rhythmusstörung
Insulin
PO42-
PO42PO42-
Phosphat extra substituieren bevor der Spiegel sinkt
Broman et al, Acta Anaesthesiol Scand 2011; 55: 39–45
Was ist wichtig bei Leber- und Nierenerkrankung für das
ICU-Ernährungskonzept ?
1. Individualisierte Ernährungskonzepte sollen die spezifischen
metabolischen Veränderungen modulieren
spezielle Mangelzustände ausgleichen
Regeneration der Organsysteme fördern
2. Grundlage sind die Prinzipien für kritisch Kranke
der frühenteralen Ernährung
supplementierenden parenteralen Ernährung auch als frühe PE < 4. Tag
3. Das Ernährungskonzept soll sich am führenden Krankheitsbild
bzw. Organsystem orientieren z. B. bei einer Sepsis
Wirkung des L-Ornithinaspartat (LOLA)
Citrullin
NH4+ HCO3-
Argininsuccinat
Citrullin
Carbamylphosphat
Arginin
OTC
OrnithinTranscarbamylaseOrnithin
Zn++
Ornithin Harnstoff
Ornithin-Aspartat
Harnstoffsynthese beim Leberversagen vermindert
Stimulation der muskulären Glutaminsynthetase
Ornithin-Aspartat hat keinen Einfluß auf den Ernährungsstatus
Kircheis et al 1997