Uhren Magazin, Nr. 12/2002 - Wilhelm Rieber Tourbillons
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Uhren Magazin, Nr. 12/2002 - Wilhelm Rieber Tourbillons
S.076_078_Uhrenservice 08.11.2002 15:38 Uhr Seite 76 JOURNAL Uhrenservice Wirbelwind von der Schwäbischen Alb Dass man in Glashütte Tourbillons fertigt, weiß der Uhrenfreund. Ebenso wie im Schweizerischen Watch Valley solche uhrmacherischen Höchstleistungen entstehen. Und dann gibt es noch einen, den Uhrmachermeister Wilhelm Rieber auf der Schwäbischen Alb, dessen Ziel es immer war, ein Tourbillon zu bauen und dabei alle Teile eigenhändig zu fertigen. Anwesende meinten, der Geist des Philipp Matthäus Hahn ginge um, als im gleichnamigen Museum von AlbstadtOnstmettingen vor kurzem Uhrmachermeister Wilhelm Rieber sein zweites Armbandtourbillon vorstellt. »Es war für mich ein schönes Gefühl, in einem solchen Auditorium meine vollendete Arbeit zeigen zu dürfen«, sagt Rieber nach der Präsentation. Und in der Tat wandelt er dabei nicht nur auf den Spuren von Louis Abraham Breguet und Alfred Hellwig. War doch auch der von 1764 bis 1770 in Albstadt-Onstmettingen lebende Pfarrer Philipp Matthäus Hahn ein Pionier der Uhrmacherei. Zwar baute 76 er kein Tourbillon, dafür aber Sonnenuhren und große astronomische Maschinen, und leistete zudem einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Taschenuhr, indem er den Sekundenzeiger und die Zylinderhemmung einführte. Aufgrund seiner hohen Ansprüche 30 Millimeter Durchmesser und neun Millimeter Höhe misst das Drehgestell des Tourbillonmodells von Wilhelm Rieber. Es dreht sich links herum und wird durch einen Pumpenaufzug auf der Rückseite des Sockels in Bewegung gesetzt. Gangreserve acht Tage. an die Präzision einer Uhr wurde Philipp Matthäus Hahn zum Begründer der Feinmess- und Präzisionsindustrie auf der Zollernalb, die bis heute ein bestimmender Wirtschaftsfaktor in dieser Region blieb. Uhrmacher Wilhelm Rieber fühlt sich in besonderer Weise dem Meister der Vergangenheit verpflichtet und betreut deshalb seit der Eröffnung vor zehn Jahren das Philipp-Matthäus-Hahn-Museum in Albstadt-Onstmettingen. Er gibt nicht nur fachkompetenten Rat, zum Beispiel beim Kauf neuer Exponate, sondern übernimmt auch die notwendigen Restaurations- und Wartungsarbeiten an den zum Teil sehr außergewöhnlichen und seltenen Uhren. In seiner eigenen Werkstatt führt Wilhelm Rieber nicht nur Reparaturen an altehrwürdigen, sondern auch an neuen mechanischen Zeitmessern aus, wobei er fehlende Teile, wie Räder, Wellen, Hebel UHREN MAGAZIN 12-2002 S.076_078_Uhrenservice 08.11.2002 15:38 Uhr Seite 77 JOURNAL Uhrenservice Beginn einer uhrmacherischen Höchstleistung: Das Uhrwerk des Wilhelm Rieber von der Zifferblattseite aus betrachtet vor dem Einbau der Tourbillon-Konstruktion. Der Einbau des Tourbillons hat begonnen: Montiert ist bereits der Drehgestellboden mit dem Ankerrad. Anker, Unruh und oberer Teil des Drehgestells fehlen noch. Der Käfig ist geschlossen. Gut zu erkennen ist am linken Bildrand die mit der Minutentourbillon-Konstruktion verbundene Sekundenanzeige auf dem Zifferblattausschnitt. und vieles mehr selbst anfertigt und einpasst. Sein Wirkungsfeld beginnt bei Armband- und Taschenuhren, reicht über Stil- und Wanduhren bis hin zu den ganz großen Standuhren verschiedenster Epochen. Darüber hinaus arbeitet Rieber für zahlreiche Uhrensammler. Doch schon mit dem Beginn seiner Selbstständigkeit im April 1984 setzte sich der damals 26-Jährige mit der Konstruktion und dem Bau eines Tourbillons auseinander: »Mein Ziel war es, diese wohl schwierigste und komplizierteste Uhrenart selbst herzustellen und dabei alle Teile eigenhändig anzufertigen.« So sollte es dann auch geschehen. 1988 wurde die erste Uhr fertig. Ein Taschenuhr-Tourbillon. Kurze Zeit danach begann Rieber schon mit dem Bau seines ersten Armbanduhr-Tourbillons, das er schließlich 1996 beendete. In den Jahren 2001 und 2002 fertigte er sein zweites Armbanduhr-Tourbillon an und dazu ein Modell, mit dem er auch dem Laien den faszinierenden Mechanismus eines Tourbillons nahe bringen kann. Bis auf den Umstand, dass sich die Konstruktion links herum dreht und das Gestell zur besseren Darstellung der Funktionsweise etwas höher gebaut wurde, entspricht das Tourbillon des Modells genau dem der Armbanduhr. Doch auch bei der Armbanduhr war dem Konstrukteur wichtig, dass die uhrmacherische Besonderheit – das Tourbillon – im Vordergrund steht. Schließ- lich soll der Betrachter eines solchen genialen Mechanismus’ jederzeit seine Freude daran haben. Das Tourbillon musste also auf dem Zifferblatt gut sichtbar und deshalb so groß wie möglich werden. Wilhelm Rieber baute eine Unruh von zwölf Millimetern Durchmesser in ein dezentrales Drehgestell von 14,8 Millimetern Durchmesser. Das dürfte bei einem Werkdurchmesser von 32,5 Millimetern schon eher selten in der Uhrenwelt zu finden sein. Trotz Größe beziehungsweise gerade deshalb musste Rieber das Drehgestell sehr zart ausführen. Aus Uhrmachersicht ist das sehr wichtig, da bei einem Tourbillon – im Vergleich zu einer herkömmlichen Hemmung – die auftretenden Kräfte größer sind und die Hemmung zusätzlich das Drehgestell beschleunigen und wieder abfangen muss. Das Drehgestell von Riebers Armbanduhr-Tourbillon ist mit weniger als einem halben Gramm geradezu ein Leichtgewicht. »Da mich die in einem Buch gezeigten Tourbillons von Alfred Hellwig am meisten faszinierten, beschloss ich schon beim Bau meines ersten Armbanduhr- 12-2002 UHREN MAGAZIN Uhrmachermeister Wilhelm Rieber, Albstadt Wilhelm Rieber, geboren am 21. Juli 1958, legte nach dreijähriger Uhrmacherlehre in Furtwangen 1977 seine Gesellenprüfung ab. Im gleichen Jahr wurde er Bundessieger im Leistungswettbewerb. Von 1983 bis 1984 belegte er einen Meisterkurs an der Feintechnikschule Villingen-Schwenningen und schloss diesen erfolgreich ab. Mit der Eröffnung seiner Spezialwerkstatt für alte und antike Uhren begannn 1984 für Wilhelm Rieber die Selbstständigkeit. Noch im gleichen Jahr fing er auch mit dem Bau seines fliegenden TaschenuhrTourbillons mit Chronometerhemmung, Zwei-Federhausantrieb und einem Differenzial für die Gangreserveanzeige an. Diese Uhr wurde 1988 fertig. 1996 stellte der Uhrmachermeister seine erste Armbanduhr mit fliegendem Tourbillon vor. Uhrmachermeister Wilhelm Rieber in seiner Werkstatt. Neben Reparaturen an mechanischen Uhren entstanden hier auch die Konstruktionen für seine Tourbillons. In den Jahren 2001 und 2002 arbeitete Wilhelm Rieber an seinem zweiten Armbanduhr-Tourbillon mit fliegendem Drehgestell und zugleich an einem Tourbillonmodell mit Pumpenaufzug. 77 S.076_078_Uhrenservice 08.11.2002 15:39 Uhr Seite 78 JOURNAL Uhrenservice Datenblatt Tourbillon Hersteller Modell Referenznummer Werk Gehäuse Durchmesser • Höhe Gläser Wasserdichtheit Band Bandanstoß Schließe • Gesamtgewicht Preis Wilhelm Rieber ArmbanduhrTourbillon NO 2 NO 2 Wilhelm Rieber Tourbillon, Handaufzug 18 Karat Roségold 38,50 mm 12,24 mm Saphirglas 100 Meter nach DIN Straußenleder 20 mm 18 Karat Gelbgold Dornschließe 114 Gramm keine Angabe Tourbillons, dieses als ein Minuten-Tourbillon mit fliegendem Drehgestell zu konstruieren.« Auch das zweite Armbanduhr-Tourbillon wurde eine solche Konstruktion, deren Funktionsweise sich hervorragend auf dem Zifferblatt nachvollziehen lässt: So wie sich das Gestell des Tourbillon einmal in der Minute um sich selbst dreht, zeigt es zugleich die verstreichenden Sekunden auf dem dafür geschaffenen Kreisausschnitt auf dem Zifferblatt an. Getrennt davon drehen Stunden- und Minutenzeiger im oberen Teil des Zifferblattes ihre Runden. Diese Zweiteilung ist von Wilhelm Rieber wohlgewollt, denn neben der dominanten Stellung seines Tourbillons war ihm die eindeutige Ablesbarkeit der Zeit ebenso wichtig. Alle Funktionen der Zeitanzeige sind auf einem strahlenförmig guillochierten, rhodinierten Zifferblatt arrangiert, wobei klassische arabische Zahlen und gebläute Zeiger einen Hauch von Breguet auf das Gesicht der Uhr zaubern. Der Hersteller des Tourbillons verewigt sich mit einer Gravur auf dem Zifferblatt. Seine Konstruktion steckt in einem roségoldenen Gehäuse mit aufgeschraubter Lünette und siebenfach verschraubtem Boden aus dem Hause Fricker. Da die technische Notwendigkeit eines Tourbillons heute nicht mehr gegeben ist, sieht Rieber dessen Daseinsberechtigung in der darin steckenden handwerklichen Exzellenz: »Der Einblick in die Hemmungsabläufe und das Zu- Bei seinem Tourbillon NO 2 war Wilhelm Rieber wichtig, dass die besondere Konstruktion auf dem Zifferblatt gut zur Geltung kommt. Inklusive Sekundenanzeige reicht sie bis zum Mittelpunkt der guillochierten Fläche, wo sie sich mit Stunden- und Minutenring trifft. 78 UHREN-MAGAZIN-Servicetipp Uhrmachermeister Wilhelm Rieber Fachwerkstatt für alte und antike Uhren Auf Neuweiler 2 72461 Albstadt Telefon 0 74 32/1 51 64 Reparaturannahme: Montag bis Freitag 14.00 bis 18.00 Uhr Mittwoch geschlossen sammenspiel mit der Unruh wird in keiner Uhr so anschaulich wie in einem Tourbillon.« Das des Wilhelm Rieber können Interessenten im Philipp-MatthäusHahn-Museum jederzeit bestaunen. Und die Arbeit am nächsten Modell hat schon begonnen, verrät Rieber dem UHRENMAGAZIN. Martina Richter UHREN-MAGAZIN-Tipp Philipp-Matthäus-Hahn-Museum (in der ehemaligen romanischen Johanneskirche, dem späteren Fruchtkasten) Albert-Sauter-Straße 15 72461 Albstadt-Onstmettingen Information: 0 74 32/2 14 74 Öffnungszeiten: Mittwoch, Samstag, Sonn- und Feiertag 14.00 bis 17.00 Uhr Trotz dominantem Tourbillon ist auch die Anzeige der Zeit auf den ersten Blick eindeutig erkennbar. Das Uhrwerk steckt in einem roségoldenen, dreiteiligen Gehäuse mit verschraubtem Boden. Das Zifferblatt von der Firma Cador aus Lörrach ist strahlenförmig guillochiert. UHREN MAGAZIN 12-2002