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ST UD IA JAGE L L O NI CA L I P S I E N S I A
im Auftrag des Geisteswissenschaftlichen Zentrums
Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig
herausgegeben von
Jiří Fajt, Markus Hörsch und Evelin Wetter
in Zusammenarbeit mit
Winfried Eberhard, Adam S. Labuda, Hellmut Lorenz
Ernő Marosi, Robert Suckale und František Šmahel
Band 4
JAN THORBECKE VERLAG
Repräsentation in einer Bettelordenskirche.
Die spätmittelalterlichen Bildtafeln der Dominikaner
in Krakau
von Agnieszka Madej-Anderson
JAN THORBECKE VERLAG
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I.
Das Hochaltarretabel 54
Geschlossener Zustand: Marienzyklus 55
Geöffneter Zustand: Passionszyklus 58
5
Einleitung
Bilder und Tafeln
Repräsentation
9
9
Zur Lesbarkeit der Bilder 65
Der Schmerzensmann auf der dominikanischen
Altarpredella 65
Die Marienbilder in der Krakauer Dominikanerkirche 67
9
Die Kunst der Bettelorden
10
Observanzbewegung und Kulturtransfer
11
Kulturtransfer und ostmitteleuropäische
Kunsthistoriographie 13
II.
I V.
Institutio: Gründung des Krakauer
D o m i n i k a n e r k o n v e n t s 17
Selbstdeutung und Wissen um Herkunft und
Ursprung 17
Die Vita sancti Iacchonis als Quelle der Geschichtswissenschaft 17
Die Vita sancti Iacchonis als Erzählung über Herkunft
und Ursprung 19
Hyazinth als alter Dominicus 19
Pro-domo-Visionen in Wort und Bild 21
Hagiographische Rekonfigurationen 28
Die St.-Trinitäts-Kirche 29
Archäologie des Ursprungs 30
Die Gründung des Klosters in der Stadt 33
Die schriftlichen Quellen zur Baugeschichte 34
Die Baugeschichte 36
Zur Funktion des Kultraumes 38
III.
Bildprogramme der Konventskirche:
C h o r u n d H l . - D r e i - K ö n i g e - K a p e l l e 51
Zum Erhaltungszustand von Dekoration und
Ausstattung 51
Kulttopographie und Ausstattung des Chores
52
Bilder und Frauenseelsorge
81
Die Cura monialium in Krakau 82
Formen weiblichen Zusammenlebens unter der
Aufsicht des Dominikanerordens 82
Die »Religiöse Frauenbewegung« in Polen 82
Die Schwesternkonvente in Krakau 84
Die Krakauer Terziarinnen zur Zeit
der Ordensreform 86
Der Altar der hl. Katharina von Siena 87
Der Kult der hl. Katharina von Siena
in der polnischen Dominikanerprovinz 87
Der Krakauer Zyklus und die
Legenda Maior Raimunds von Capua 88
Die Ikonographie des Krakauer Zyklus und
die Liebesmystik 91
Die dämonische Anfechtung –
Imitatio Antonii 97
Der Kontext der Observanzbewegung 101
V.
Memoria in der Krakauer
Dominikanerkirche:
d e r Fa l l K a t h a r i n a v o n M e l s z t y n
Erinnerung an eine Stifterin 109
Das Leben Katharinas von Melsztyn und
ihre Stiftungstätigkeit 110
Katharina von Melsztyn als Vorsteherin
des Terziarinnenkonvents 111
109
VI.
Der Charakter der Stiftungen Katharinas
von Melsztyn 113
Memoria und Gemeinwohl 113
Der Hl.-Geist-Altar 114
Anhang
118
Exkurs: Zwei Italiener in Krakau und ihre Grabdenkmäler
in der Dominikanerkirche 124
133
137
Abbildungen
Die Altarflügel aus Kasina Wielka und
der Hl.-Geist-Altar 116
Katharina von Melsztyn: Adlige, Witwe, Semireligiose
Handlungsspielräume 118
Inszenierung der Memoria 119
Institutionalisierung der Witwenschaft 123
Schluss
137
Kommentiertes Verzeichnis der Bildtafeln von
ca. 1430–1520 213
Literaturverzeichnis
Personenregister
Ortsregister
224
249
253
Abbildungsnachweis
255
Vorwort
Keines der Objekte, denen diese Studie gewidmet ist, befindet sich heute an seinem ursprünglichen Aufstellungsort. Trotzdem kann von ihnen mit großer Zuverlässigkeit
behauptet werden, dass sie alle für den Dominikanerkonvent in Krakau in Auftrag gegeben worden sind und Teile
der spätmittelalterlichen Ausstattung der dortigen Kirche
zur Hl. Trinität bildeten. Das Vorhandensein eines gemeinsamen Kontextes für diese in der Krakauer Kunstproduktion des 15. Jahrhunderts bedeutende Werkgruppe wurde
zum Anreiz für die vorliegende Untersuchung, die 1996
als ein von Konrad Hofmann betreutes Promotionsprojekt
»Bildtafeln aus der Krakauer Dominikanerkirche. Studien
zur Repräsentation eines spätmittelalterlichen Konvents«
an der Universität Tübingen begonnen und im Rahmen
des Graduiertenkollegs »Kulturtransfer im europäischen
Mittelalter und in der Frühen Neuzeit« (Universität Erlangen-Nürnberg) 2002 abgeschlossen wurde. Denn obwohl
die Bedeutung der Bettelorden für die spätmittelalterliche
Kunstentwicklung und Bildpraxis seit dem 19. Jahrhundert
ein Topos der Kunstwissenschaften ist, sind die konkreten
Ausstattungen der mendikantischen Kirchen in Mittel- und
Ostmitteleuropa kaum systematisch erforscht worden. Dieses Buch will einen Anstoß zum europäischen Vergleich geben, indem in ihm exemplarisch ein breites Spektrum der
Konzepte und Funktionen des Bildes in einer ostmitteleuropäischen Mendikantenkirche aufgezeigt wird. Anhand von
vier Fallstudien wird die Rolle der Bilder für das Selbstverständnis und die Selbstdarstellung des Konvents innerhalb
des sozialen Beziehungsgefüges der Stadt untersucht. Unter diesem Gesichtspunkt werden als erstes Darstellungen
über Herkunft und Ursprung des Konvents erörtert, wobei
dem Spannungsfeld zwischen lokaler Klostertradition und
überregionaler Ordenstradition ein besonderes Augenmerk
gilt. Die Ausgestaltung des Chores der Klosterkirche als
eines der Konventsgemeinschaft vorbehaltenen Kultortes
bildet den nächsten Schwerpunkt. Einblicke in die Rolle
der Bilddiskurse bei der seelsorgerlichen Betreuung einer
semireligiösen Frauengemeinschaft zur Zeit der Ordensreform eröffnet die Studie zum Altaraufsatz aus der Kapelle der hl. Katharina von Siena. Schließlich wird die Bildpraxis im Kontext des Beziehungsgeflechts zwischen dem
Predigerkonvent und seinen Stiftern exemplarisch dargestellt.
Mein Dank gilt zuallererst Konrad Hoffmann, der diese
Arbeit betreut und durch seine kritischen Hinweise und konstruktiven Anstöße stets gefördert hat. Für ihre wichtigen
Anregungen bedanke ich mich bei meinem Zweitgutachter
Sergiusz Michalski und bei Heidrun Stein-Kecks, die die
Arbeit in Erlangen begleitet hat. Ohne die interdisziplinäre
Betreuung, kollegialen Diskussionen und kritischen Auseinandersetzungen sowie die finanzielle Unterstützung, die das
Erlanger Graduiertenkolleg bot, hätte die Arbeit nicht gelingen können. Viel verdankt sie ebenfalls dem stets anregenden Erfahrungsaustausch mit dem Graduiertenkolleg »Ars
und Scientia in Mittelalter und in der Frühen Neuzeit« an
der Universität Tübingen. In den Jahren 1995–1997 ermöglichte mir ein Stipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung
die materiellen Voraussetzungen für die erste Phase meiner
Arbeit.
Entscheidend für den Erfolg meiner Recherchen war die
Offenheit und Hilfsbereitschaft der Krakauer Dominikaner.
Ich bedanke mich bei ihnen für den großzügig gewährten
Zugang zu den z. T. in der Klausur aufbewahrten Objekten
sowie für die sachkundige Unterstützung, die ich im Archiv
der polnischen Dominikanerprovinz erhielt.
Für Kooperation und Hilfe danke ich den Nationalmuseen in Krakau und in Warschau, dem Diözesanmuseum in
Tarnów sowie weiteren Museen, Bibliotheken und Archiven.
Für das geduldige Erstlektorat bedanke ich mich bei Dörte
Helschinger: ohne ihre Unterstützung wäre für mich das
Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit auf Deutsch kaum
möglich gewesen. Mein Dank für das Schlusslektorat gilt
Madlen Benthin.
Für Zuversicht und moralischen Rückhalt danke ich meinen Eltern.
Schließlich verdanke ich das Buch in seiner publizierten
Form dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte
und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität
Leipzig. Meine besondere Wertschätzung gilt dem Direktor
des GWZO, Winfried Eberhard, der den Entstehungsprozess des Buches in vielerlei Hinsicht unterstützte und einen
Druckkostenzuschuss gewährte.
VI.
Schluss
Etwa um 1515–1520 müsste man den Zeitpunkt ansetzen, zu
dem man die in dieser Arbeit aufgespürten Ausstattungsgegenstände aus der St.-Trinitäts-Kirche in Krakau dort versammelt hätte sehen können. Man könnte den Innenraum
der Kirche virtuell einzurichten und zu begehen versuchen,
um jedoch bald wieder die Hoffnung auf einen Gesamteindruck und die Erwartung eines Gesamtprogramms fallen zu
lassen. Den mangelnden Gesamteindruck verschuldet die
lückenhafte, oftmals mit Zweifeln belegte Überlieferungssituation. Die erhaltenen Objekte sind häufig fragmentarisiert und im Hinblick auf die ursprüngliche Objektform dekontextualisiert. Es ist zumeist schwierig, wenn nicht ganz
unmöglich, ihnen ihren ursprünglichen Platz im Kirchenraum zuzuweisen, sogar ihre Funktion ist nicht immer eindeutig zu bestimmen. Zum Teil bleiben Zweifel hinsichtlich
der Frage, ob ein Kunstwerk tatsächlich bereits im späten
Mittelalter den Krakauer Dominikanern gehört hatte.
Ein ursprüngliches Gesamtprogramm im Sinne eines
konzeptionell einheitlichen und die ganze Ausstattung der
Kirche umfassenden Entwurfs hat es niemals gegeben. Die
Rekonstruktionsbemühungen fördern vielmehr eine allmähliche Akkumulation der Ausstattungsgegenstände zu Tage,
deren Gestalt und Gehalt sich unterschiedlichen Funktionszusammenhängen und Entstehungsumständen verdankt. In
diesem heterogenen Material, das zunächst nur anhand der
Herkunftsbestimmung in eine Gruppe bündelbar zu sein
scheint, können jedoch Realisierungen der auf den Dominikanerorden und seinen Krakauer Konvent bezogenen Repräsentationshandlungen ausgemacht sowie interne Traditionsbildungen beobachtet werden. Gebäude, Bilder, Inszenierungen, Rituale usw. bringen darin sowohl die internen
Regeln und Ordnungen als auch die Abgrenzungen nach
außen und die Wechselbeziehungen mit anderen Gruppen
zum Ausdruck. Durch diese Sichtbarmachung wird Dauer
im Sinne der historischen Kontinuität begründet und eine
generationsübergreifende Memoria gestiftet. Dabei ist nicht
nur an den retrospektiven – und deskriptiven – Bezug zwischen der Gegenwart des Rezipienten und der dargestellten
Vergangenheit zu denken, sondern auch an die prospektive
Vorwegnahme der Kontinuität für die Zukunft, die durch die
präskriptive, paränetisch-exemplarische Funktion der bildlichen Darstellungen gewährt wird. So werden z. B. in den
entsprechenden Bildlegenden die Ordensheiligen Dominikus und Katharina von Siena zugleich als historische Gründerpersönlichkeiten und als Verkörperungen von Verhaltensmustern und Tugenden für ihre Nachfolger dargeboten.
Die Prospektivität, auf der in der Repräsentation des Konvents bestanden wird, erschließt sich ebenfalls in der prophetischen Inszenierung des Gründungsvaters Hyazinth von
Polen auf der zur Zeit der sich abzeichnenden Reformkrise
entstandenen Bildtafel.
In den einzelnen Untersuchungen, aus welchen sich die vorliegende Arbeit zusammensetzt, wurden an ausgewählten
Beispielen verschiedene Repräsentationshandlungen und
ihre Ergebnisse im Rahmen der Ausstattung der Krakauer
Dominikanerkirche nachgezeichnet. Es wurde dabei nicht
auf alle erfassten Objekte mit gleicher analytischer Aufmerksamkeit eingegangen, denn das Ziel der Untersuchung war
letztlich kein monographisches. Zentrum des Interesses bildete vielmehr die Selbstdarstellung eines Klosterkonvents
als Sichtbarmachung der Ordnungsleistungen einer sozialen Gruppe, die zum Teil mit den Repräsentationsinteressen
anderer Gruppen in Wechselbeziehung stand. Dabei tat sich
ein Spannungsfeld zwischen der normativen, idealiter überregionalen Darstellung des Ordens und der die Kontinuität
des lokal verorteten Hauses zum Ausdruck bringenden Repräsentation des Konvents auf, das in Begriffen des Kulturtransfers beschrieben werden kann. Wenn auch durchaus auf
die überregionalen Traditionen des die lokale Gemeinschaft
regelnden und strukturierenden Ordens bei der Selbstdarstellung des Krakauer Konvents zurückgegriffen worden ist,
so geschah dies zumeist durch Rekonfiguration der übernommenen Motive im Sinne einer den regionalen künstlerischen und handwerklichen Traditionen verpflichteten Ausführung. Das Überregionale wird hier dabei als dasjenige
verstanden, was offenbar seitens der Krakauer Dominikaner
als ordensspezifisch rezipiert und in die eigene Repräsenta-
134
Schluss
tion als in Bezug auf den Predigerorden identitätsstiftendes
und eine Abgrenzung nach außen gewährleistendes Moment eingebaut wurde. Es handelt sich also nicht um einen Steinbruch idealtypisch dominikanischer Darstellungskonventionen, die gleichermaßen in verschiedenen Kulturlandschaften aufgenommen wurden, sondern um einen konkreten Einzelfall, an dem sich im Rahmen der Selbstdarstellung als Haus und als Orden bestimmte Konzepte der
Behauptung des Ordenseigenen herauslesen lassen. Für die
Krakauer Dominikaner scheint die römische Ordensprovinz
hierfür einen besonders wichtigen Referenzpunkt ausgemacht zu haben, was bereits in der ältesten Erzählung über
Herkunft und Ursprung des Konvents zur Sprache kommt.
In der Ausstattung der Krakauer Klosterkirche lassen sich
Bezugnahmen auf die Traditionen der cisalpinen Prediger
ebenfalls bei den ältesten erhaltenen Objekten feststellen,
obwohl die feste Verankerung in der transalpinen Kunstlandschaft immer gewahrt blieb. Der oft eher konzeptuelle
denn künstlerische Charakter der Übernahmen macht die
Vermutung plausibel, dass es zu ihnen auf dem Ordens- und
nicht auf dem Werkstattwege kam. Zwar handelt es sich bei
den festgestellten Bezügen keineswegs um exklusiv dem Predigerorden vorbehaltene Bildformeln und -praktiken, was
an den wichtigen Beispielen der eucharistisch konnotierten
Schmerzensmannsdarstellung oder der als Identifikationsfokus für Gruppen funktionalisierten Marientafeln ersichtlich
wird. Es wäre nicht angebracht diese zentralen Bilder des
christlichen Mittelalters, deren besonders hohe semantische
Dichte zu ihren Wesenszügen gehört, auf die Funktion der
Stiftung des Ordenszugehörigkeitsgefühls einzuschränken.
Jedoch lässt der jeweilige Kontext der o. g. Bildformeln im
Rahmen der Ausstattung der Krakauer Dominikanerkirche
sowie der zeitgenössischen normativen Ordensdiskurse das
Moment der dominikanischen Identitätsstiftung durchaus
zu Tage treten.
Bei dem Hinweis auf die italienischen Quellen mancher
ordensspezifischer Bildpraktiken ist die Einschränkung geltend zu machen, dass die Kunst im Umkreis der Bettelorden gerade für die cisalpine Kunstlandschaft am weitesten
erschlossen ist, während vergleichbar akzentuierte Untersuchungen für die Bildproduktion nördlich der Alpen noch
ausstehen, was leicht zur Verzerrung der Perspektive führen
kann. Nichtsdestoweniger ist an einer Priorität und sicherlich auch Autorität der cisalpinen Bildpraktiken für die Mendikanten nördlich der Alpen festzuhalten, ohne endgültig
entscheiden zu wollen, auf welchen Vermittlungswegen sie
nach Krakau gelangen konnten. Die bildliche Sprache der
Autorität, die die identitätsstiftende Exklusivität der Selbst-
darstellung des Konvents gewährte, speiste sich in Krakau,
wie es die analysierten Beispiele gezeigt haben, auch aus anderen Quellen als die Kunst der italienischen Mendikanten,
wie z. B. aus der Kathedralgotik. Im Fall der Bildlegende der
hl. Katharina von Siena tritt die spezifisch nordalpine ikonographische Tradition besonders deutlich zu Tage. Der Repräsentationsanspruch des Predigerordens verband sich hier
mit den eigenständigen Selbstdarstellungs- und Identitätsstiftungsbedürfnissen des Schwesternkonvents, für den der
Altaraufsatz zu Ehren der Sieneser Bußschwester ausgeführt
wurde. Die dabei angestrebte, den Institutionalisierungsprozess im Krakauer Terziarinnenkonvent unterstützende Bildparänese, orientierte sich eindeutig an den in Text und Bild
vermittelten Diskursen zur Nonnenunterweisung, so wie sie
vor allem aus dem deutschsprachigen Raum überliefert sind.
Hier wurde auch die Wirksamkeit der Observanznetzwerke
deutlich, von der sonst explizite Äußerungen der polnischen
Reformer fehlen.
Das Spannungsfeld zwischen der Repräsentation des
Ordens und des Konvents wird durch den Hinweis auf die
ordensspezifische Bildpraktik und ihre regional verankerte
Realisierung noch nicht erschöpfend beschrieben. Neben
dem überregional verbindlichen Regel- und Normwerk der
Ordensorganisation kommen in der Repräsentation des
Konvents durchaus die kommunal- und nationalpolitischen
Verstrickungen zum Ausdruck. Paradigmatisch hierfür ist
die Legende des hl. Hyazinth, die sich einerseits streng an
den hagiographischen Modellen des Predigerordens orientiert, andererseits aber die zahlreichen Facetten der lokalen
Verankerung des Gründungsvaters des Krakauer Konvents
und der polnischen Provinz ausspielt. Nach ähnlichem Prinzip bringt die realistische Abbildung der Krakauer Klosterkirche eine Aktualisierung der aus Italien stammenden Darstellungsformel eines mendikantischen Heiligen, welche für
die um 1500 entstandene Hyazinthtafel in Dienst genommen
wurde.
Die Krakauer Dominikaner gingen in ihrer Repräsentationspolitik bewusst Allianzen mit den lokalen Trägern der
geistlichen und weltlichen Autorität ein. Ein wiederkehrendes Motiv bildet diesbezüglich der Kult des Nationalheiligen
Stanislaus, womit Nähe sowohl zur Krakauer Kurie als auch
zu einem von dieser unterstützten Konzept der weltlichen
Herrschaft hergestellt wurde. Der Kult und die Darstellungen des hl. Stanislaus wurden in der Inszenierung der Grablege des Herzogs Lesko dem Schwarzen um 1288 zum ersten
Mal zum Fokus gemeinsamer politischer Repräsentation für
den Orden und den diesen unterstützenden Herrscher. Unter veränderten Prämissen tauchen ähnliche Motive in den
Schluss
memorialen Stiftungen der Katharina von Melsztyn um 1450
auf. Die Analyse des letztgenannten Falls hat darüber hinaus
Gelegenheit geboten, eine besondere Konstellation auf der
Schnittstelle zwischen der Repräsentation des Konvents und
derjenigen eines Stifters bzw. einer Stifterin auszuleuchten.
Zu betonen ist dabei die Reziprozität der Repräsentationsinteressen und der vielschichtige Konnex der zu Stande gekommenen Repräsentationsleistungen.
135