Gesellschaft zur Rechtlichen und
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Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e.V. Der Vorstand Sonderdruck der Arbeitsgruppe Grenze > Herbsttreffen 2010 < Für Mitglieder und Sympathisanten Dezember 2010 2 Friedensglocke vom Fichtelberg von Wolfgang Kluge, 3. Oktober 2010-12-06 Friede, ist ein großes Wort. Glocke! Läute uns die Sorgen fort. Läute gegen Korruption und Geld, denn die regieren unsre Welt. Läute gegen jene Macht, die die Reichen immer reicher und die Mehrheit immer ärmer macht. Läute Gerechtigkeit und Solidarität, sonst ist es morgen schon zu spät. Läute uns ein Friedenslied, damit das Ärgste nicht geschieht. Läute, läute weit hinaus, mindest in jedes deutsche Haus. Läute, läute, tu Dein Werk, Friedensglocke vom Fichtelberg. 3 Inhaltsverzeichnis Seite Major a.D. Wolfgang Kluge Friedensglocke vom Fichtelberg 2 Oberst a.D. Siegfried Kahn Einschätzung 4 Prof. Dr. Siegfried Prokop Geschichte der Berliner Mauer, Fragen und Probleme 6 General der Reserve Szupa Begrüßungsansprache des Soldatenverbandsvorsitzenden der Polnischen Streitkräfte der Lubusker Wojewotschaft und langjährigen Kommandeur der 11. PzKavDiv in Zagan 19 Oberst a.D. Dr. Milan Richter Begrüßungsansprache des Leiters der tschechischen Delegation 20 Oberst a.D. Dr. Rolf Ziegenbein Zum 13. August 1961 im Spiegel der Zeitgeschichte 24 Generaloberst a.D. Fritz Streletz 28 Rechtsanwalt Hans Bauer, Vorsitzender der GRH 34 Oberst a.D. Karl-Heinz Kathert 37 Rechtsanwalt Jürgen Strahl 39 Oberstleutnant a.D. Gerd Hommel 40 Oberstleutnant a.D. Horst Liebig Gedanken zum Gesprächskreis „Geschichte der Grenztruppen der DDR“ 43 Oberst a.D. Frithjof Banisch 46 Prof. Dr. Wilfried Hanisch 49 Oberst a.D. Klaus Eichner Die Osterweiterung einer Jagdbehörde 51 Grußadressen an die Teilnehmer des Herbsttreffens 2010 Kommunistische Standpunkte Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde (BüSGM) 55 56 4 Siegfried Kahn Einschätzung Das 25. Treffen der Arbeitsgruppe Grenze fand am 30.10.2010 in Berlin-Lichtenberg statt. Es befasste sich – in Erwartung eines starken Medien- und Veranstaltungsrummels 2011 – mit dem 13. August 1961 und den damit verbundenen Maßnahmen der militärischen Sicherung der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin und zur BRD. Der Leiter der Arbeitsgruppe Grenze, Oberstleutnant a.D. Manfred Kleemann, hieß die 293 Teilnehmer des Treffens sowie die tschechischen und polnischen Gäste herzlich willkommen. In seinem Grußwort informierte der Leiter der polnischen Delegation über die Hauptaufgaben des Soldatenverbandes der polnischen Streitkräfte und bekundete das Interesse für und den Wunsch nach gemeinsamen Beratungen und Erfahrungsaustausch. Der Leiter der tschechischen Delegation stellte fest, dass der Kampf um die historische Wahrheit ein gemeinsames Anliegen ist. Er brachte den Dank für die aufopferungsvolle Arbeit der Funktionäre der GRH zum Ausdruck und überreichte Auszeichnungen an diese. Der Referent, Prof. Dr. Siegfried Prokop, erinnerte an zahlreiche Ereignisse und Entwicklungen in der Vorgeschichte des 13.August 1961, wie sie sich aus den Beziehungen zwischen der UdSSR und den USA, der DDR und der BRD sowie im Verhältnis der DDR zu ihrem Hauptverbündeten innerhalb des Warschauer Vertrages ergaben, und die schließlich zu den bekannten Maßnahmen führten. Dabei wurde eindeutig festgestellt, dass diese Maßnahmen vom damaligen 1. Sekretär des ZK der KPdSU, Nikita Chruschtschow, veranlasst und von den Staaten des Warschauer Vertrages gebilligt wurden. Die auffällig zurückhaltende Reaktion des USA-Präsidenten Kennedy und der anderen westlichen Mächte auf die Maßnahmen des 13. August 1961 ergab sich aus der Tatsache, dass die wesentlichen Rechte der Westmächte in Westberlin unangetastet blieben. Der Beitrag von Generaloberst a.D. Fritz Streletz stellte eine beachtenswerte Ergänzung dar, indem militärpolitische Hintergründe und Zusammenhänge dargelegt wurden. Er verwies auf die in diesen Fragen eingeschränkte Souveränität der DDR und stellte ebenso die Verantwortung für die Maßnahmen des 13. August 1961 bei Chruschtschow und der politischen Führung der UdSSR fest. Die Brisanz der militärischen Lage kam u.a. auch in Anforderungen der sowjetischen an die deutsche Seite zur Gewährleistung der medizinischen Sicherstellung zum Ausdruck. Als Schlussfolgerung hob er hervor, dass der Übergang zur militärischen Grenzsicherung im Auftrag sowie im Interesse und zum Schutz der Warschauer Vertragsstaaten erfolgte. Oberst a.D. Dr. Rolf Ziegenbein erinnerte an die Notwendigkeit des kritischen Umgangs mit der eigenen Vergangenheit, wozu er auch die Maßnahmen des 13. August 1961 einbezog, die jedoch eine entscheidende Voraussetzung für die folgende Stabilisierung der DDR darstellten. Andererseits führte die Entwicklung in den 80er Jahren dazu, dass Probleme, die einer gesellschaftlichen Lösung bedurft hätten, auch an der Staatsgrenze der DDR ausgetragen wurden. Der Vorsitzende der GRH, Hans Bauer, hob die Bedeutung der Grenzsicherung für die DDR und ihre Bürger sowie den hervorragenden Beitrag dazu seitens der von der bundesdeutschen Justiz strafrechtlich verfolgten Angehörigen der Grenztruppen der DDR hervor. Angesichts faschistischer Merkmale in der BRD sei die Bezeichnung „Antifaschistischer Schutzwall“ gerechtfertigt. Mit seinen Schlussfolgerungen für die weitere Arbeit der Arbeitsgruppe gab er wertvolle Anregungen, das Jahr 2011 zu einem Jahr der Offensive unserer Aktivitäten zu gestalten. Oberst a.D. Karl-Heinz Kathert betonte, keine Beschränkung bei der Darstellung der Maßnahmen des 13. August 1961 nur auf den Berliner Raum und keine Unterschätzung der Bedeutung der Grenzsicherung an der Staatsgrenze der DDR zu den sozialistischen 5 Nachbarstaaten zuzulassen. Dank der guten Zusammenarbeit mit den polnischen und tschechischen Grenzschutzorganen konnte auf DDR-Seite zur Grenzüberwachung übergegangen werden. Außerdem würdigte er einen der Erzieher sozialistischer Grenzoffiziere – Walter Breitfeld. Wolfgang Kluge brachte ein von ihm verfasstes Gedicht zum Vortrag, dessen Entstehung durch die Art und Weise des Begehens des 20. Jahrestages der Deutschen Einheit ausgelöst wurde, und das die Friedensglocke vom Fichtelberg zum Inhalt hat. Rechtsanwalt Jürgen Strahl verwies auf die Aufwirkungen der Maßnahmen des 13. August 1961 für die Sicherung der sozialistischen Existenz des Volkes der DDR. Der Strafverfolgung von Angehörigen der Grenztruppen der DDR stellte er das Walten eines bundesdeutschen Organs gegenüber, das belastete Juristen des deutschen Faschismus vor Strafverfolgung bewahrte. Gert Hommel überbrachte Grüße der Verbundenheit des RFB e.V. und rief zur Aktionseinheit aller kommunistischen Kräfte auf. Oberstleutnant a.D. Horst Liebig informierte über die Zusammenkunft eines Gesprächskreises zur Geschichte der Grenztruppen der DDR und dessen Anliegen sowie über weitere Aktivitäten. Dabei hob er die Notwendigkeit einer objektiven, kritischen und selbstkritischen Darstellung der Geschichte hervor. Prof. Dr. Siegfried Prokop konnte in einer kurzen Zusammenfassung eine sehr interessante und aufschlussreiche Diskussion feststellen. Seine besondere Sorge galt der Gewinnung der jüngeren Generation zwecks Übernahme der Stafette. Eine unter Leitung von Oberstleutnant a.D. Günter Ganßauge zum Thema gestaltete Ausstellung und ihre Wiedergabe in einer Broschüre fanden bei den Teilnehmern des Treffens aufmerksame Beachtung. Das Ergebnis einer Solidaritätsspendensammlung betrug 1.344,90 Euro. 6 Prof. Dr. Siegfried Prokop Geschichte der Berliner Mauer- Fragen und Probleme 1 Das geschichtliche Hauptergebnis der Berliner Mauer besteht in ihrem Beitrag zur Friedenssicherung. Man vergegenwärtige sich, was bei den zahlreichen Zuspitzungen des Kalten Krieges in dem Zeitraum von 1961 bis 1989 geschehen wäre, wenn es zu dem großen Knall, dem atomar geführten Dritten Weltkrieg, gekommen wäre. Vom deutschen Volk wäre nichts weiter übrig geblieben als ein großer Haufen Staub und Asche, und nicht nur das deutsche Volk wäre davon so unfassbar hart betroffen worden. Der heutige Zeitgeist hat diesen produktiven Beitrag der Mauer zur europäischen Geschichte in der Zeit des Ost-West-Konflikts nie im Blick gehabt. Stattdessen wurde über ein Jahrzehnt von Jahr zu Jahr die Zahl der Mauertoten propagandistisch gesteigert. Den Höhepunkt erreichte die Chefin des Museums am Check-Point-Charlie im Oktober 2004 mit ihren 1065 Holzkreuzen auf beiden Seiten der Zimmerstraße in Berlin-Mitte. Die Medien, die unkritisch und hämisch die spekulative Zahl verbreitet hatten, schwiegen betreten, nachdem ein Potsdamer Institut eine Korrektur der Opfer-Zahl auf 136 vorgenommen hatte2, wobei, das sei hier betont, selbstverständlich jeder Tote an der Mauer einer zu viel war. Ich habe mich in die Debatten um die Geschichte der Berliner Mauer mit zwei Publikationen eingemischt: • • UNTERNEHMEN „Chinese Wall“. Die DDR im Zwielicht der Mauer. R.G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1992. - 2., überarbeitete Auflage 1993. Die Berliner Mauer (1961-1989). Fakten, Hintergründe, Probleme. Kai Homilius Verlag Berlin 2009. Compact-Reihe Nr.4, 100 S. Seither wurden neue Tatsachen bekannt, die so gewichtig sind, dass eine zweite Auflage der letzten Publikation unumgänglich wird. Dazu zählen u.a.: • • Thilo Sarrazins Mitteilung vom 23. April 2009, dass Mitte der 70er Jahre in Bonn ein Plan entworfen wurde, die Westberliner in die Lüneburger Heide umzusiedeln. Der scheidende Finanzsenator teilte ferner mit, dass die Reste West-Berlins an die DDR verschenkt werden sollten. Der Grund für den kühnen Plan habe der unstillbare Hunger der isolierten Stadt nach Bundesgeld geliefert. Von den 35 Milliarden D-Mark, die West-Berlin im Jahre 1989 ausgab, stammten 17 Milliarden vom Bund.3 Was Sarrazin in dieser Pressekonferenz nicht sagte, war die Tatsache, dass WestBerlin Mitte der 70er Jahre bereits in eine demographische Krise geraten war, die nur durch großzügige Einwanderung aus der Türkei ausgeglichen werden konnte. Dieses Problem soll hier nicht weiter beleuchtet werden, weil es ein eigenes Thema wäre. Paul Oestreichers Offenbarung über die „on the record“ und „off the record“ – Bewertung des Mauerbaus durch den stellvertretenden Kommandanten des Britischen Sektors, worüber am 24. Oktober 2009 in der „Berliner Zeitung“ berichtet wurde. Der anglikanische Pfarrer und Journalist Oestreicher war 1961 vom Sender BBC nach Berlin geschickt worden, um über die Stimmung nach dem 13. August zu berichten. Was er da von dem britischen Offiziellen erfuhr, war für ihn aus journalistischer Sicht frustrierend. Was er „on the record“, also offiziell, erfuhr, war ohnehin weltweit schon bekannt: „Wir verurteilen auf’s Schärfste diesen Bruch des Viermächteabkommens über Berlin, diese Verachtung der Menschenrechte, diese Einsperrung der 7 Bevölkerung des Pankower Regimes. Und wir sehen diese Mauer im weiteren Rahmen als Eskalation des Kalten Krieges durch die letztlich verantwortliche Sowjetunion.“ Off the record – mit dem Hinweis, keinesfalls davon Gebrauch zu machen, auch nicht zwischen den Zeilen – hörte Oestreicher fast genau das Gegenteil: „Wir Westmächte sind über den Mauerbau eigentlich erleichtert. Für die absehbare Zukunft ist Westberlin gesichert. Der destabilisierende Flüchtlingsstrom war einfach nicht mehr tragbar. Ein ökonomischer Zusammenbruch Ostdeutschlands hätte eine unkalkulierbare sowjetische Reaktion ausgelöst. Die Gefahr eines neuen Krieges ist nun erst einmal gebannt. Zwar hat uns der Zeitpunkt des Mauerbaus überrascht, nicht aber die Mauer an sich. Die Sowjets wussten sehr wohl, dass sie keine westlichen Gegenmaßnahmen zu befürchten hatten. Und schlussendlich hat man uns mit der Mauer auch noch eine nützliche Propagandawaffe geliefert.“ Ein Jahr später, die Welt hatte gelernt, mit der Mauer zu leben, fuhr Oestreicher wieder nach Berlin. Er hatte einen Auftrag der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. In diesem Zusammenhang kam es zu einem zweieinhalbstündigen Gespräch mit Walter Ulbricht. Was Oestreicher von Ulbricht erfuhr, war höchst überraschend. Vom Sprachstil des „Neuen Deutschland“ sei keine Spur zu bemerken gewesen. Oestreicher erlebte Ulbricht „off the record“. Streng sinngemäß, nicht ganz wörtlich, zitierte Oestreicher Ulbricht: „Mein Staat war gefährdet. Die bürgerlich erzogene Bevölkerung, die noch kein Verständnis für den Sozialismus entwickelt hatte, floh in Scharen davon. Krankenhäusern fehlten Ärzte, die ganze Wirtschaft war bedroht. Zur Rettung des sozialistischen Lagers – und damit des Weltfriedens – war die Mauer (sic! - das Wort Schutzwall kam nicht vor) eine tragische Notwendigkeit.“ Frage Oestreichers an Ulbricht: „Hätten Sie mit einer liberaleren, menschenfreundlicheren Politik, wie sie neuerdings von Chruschtschow praktiziert wird, nicht das Gleiche erreichen können?“ Antwort: „Der da hinten (wörtlich!) kann sich allerhand leisten. Ich sitze an vorderster Front. Ein Soldat im Schützengraben zündet keine Zigarette an. Nur auf diese Weise konnte ich den Sozialismus retten. Die Früchte werden kommende Generationen ernten. Ich werde das nicht mehr erleben, ich muss den Hass meiner Bürger auf mich nehmen.“ Oestreicher fragte: „Sind die Schüsse an der Mauer nicht ein viel zu hoher Preis?“ Antwort: „Auch da bleibt mir keine Wahl. Es wird zwar nicht immer geschossen, wie die Statistik beweist, aber ohne Schüsse hätten wir die Mauer gar nicht erst zu bauen brauchen. Jeder Schuss an der Mauer ist zugleich ein Schuss auf mich. Damit liefere ich dem Klassenfeind die beste Propagandawaffe. Den Sozialismus und damit den Frieden aufs Spiel zu setzen, würde aber unendlich mehr Leben kosten.“ • Die Entdeckung eines 19-seitigen Gesprächsprotokolls vom 1. August 1961 durch den Historiker Matthias Uhl, das schlüssig belegt, dass Nikita Chruschtschow den Bau der Berliner Mauer anordnete. Der Schlüsselsatz Nikita Chruschtschows lautete: „Ich habe unseren Botschafter gebeten, Ihnen meinen Gedanken darzulegen, dass man die derzeitigen Spannungen mit dem Westen nutzen und einen eisernen Ring um Berlin legen sollte.“4 Schließlich ist in letzter Zeit deutlicher der Unterschied zwischen der Grenze mitten durch Korea und der Berliner Mauer sichtbar geworden. Barbara und Winfried Junge nahmen mit ihrem Filmzyklus „Die Kinder von Golzow“ am 2. Internationalen Dokumentarfilmfestival in Seoul teil. 8 „20 Years since the Fall“ in Paju Book City teil. Unweit von Soul kamen sie in direkten Kontakt mit der Grenze: “Endlos zieht sich der Stacheldrahtzaun der Vorsperranlagen mit ihren Wachtürmen an der Stadt vorbei, entlang der Autobahn durch die hügelige, bewaldete Landschaft mit den zahlreichen Einbuchtungen des Gelben Meeres und den vorgelagerten Inseln. Am anderen Ufer des weiter nördlich einmündenden Imjingang, dessen Brücken keinem Grenzverkehr mehr dienen, die vier Kilometer Pufferzone bis zur UN-überwachten Waffenstillstandslinie – mit Panmunjon als Ort des zeitweisen offiziellen Sichgegenübertretens uniformierter Nord- und Südkoreaner. Wer als angemeldeter Ausländer von südkoreanischer Seite (in der Gruppe!) bis dahin vordringen will, hat zu unterschreiben, dass er die Schutzmächte nicht haftbar macht, wenn er zwischen den Fronten plötzlich zu Schaden kommt. ... Allenfalls konnten wir versuchen, die DDR vor einer allzu einfachen Gleichsetzung mit Nordkorea heute in Schutz zu nehmen. Auch in Deutschland teilte einmal eine Grenze Familien - in Korea aber sahen sich Verwandte seit Jahrzehnten nicht, ja wissen nicht einmal, ob diese jenseits der Grenze noch leben. Wo die Straße über den Imjingang an Stacheldraht und Sichtblenden endet, prangen nicht Graffiti-Schmierereien, wie das an der Berliner Mauer so war, sondern hängen über und über bunte Bänder, mit denen die Trennung von den Lieben im Norden beklagt wird. Im Unterschied zur Grenze zwischen beiden deutschen Staaten wurden die Sperren und Vorsperranlagen auch auf südkoreanischer Seite errichtet. Zu groß ist hier die Furcht vor einer neuen Aggression Nordkoreas oder auch nur vor Spionen. Hätte die alte Bundesrepublik wirklich eine Aggression der DDR gefürchtet, so wäre sie wohl ihrerseits ebenfalls zu einer Grenzsicherung ähnlicher Qualität entschlossen gewesen, und das Credo, dass Deutsche nicht von Deutschen zu trennen sind, wäre dann schnell zweitrangig geworden. Schwer zu sagen, wer vor wem in beiden Koreas mehr Angst hat. Handreichungen mit Einigung auf Kompromisse zwischen beiden Staaten sind wohl kaum zu erwarten. Eher scheint uns weiterhin Schlagabtausch und damit auch Gefahr für die Welt.“5 An anderer Stelle waren Zahlen zur Mauer in Korea genannt worden: „Es gibt auch eine richtige Eisenbetonmauer, 240 Kilometer lang, fünf Meter hoch, an der Basis zehn Meter dick. Sie wurde Ende der siebziger Jahre südlich von der Demarkationslinie errichtet und steht im Widerspruch zum Waffenstillstandsabkommen. Der Mauerkorpus birgt Arsenale für Waffen, Munition und Kriegstechnik.“6 Der Unterschied zwischen den Mauern in Korea und in Berlin bestand darin, dass die Berliner Mauer vor allem in den 80er Jahren nach beiden Seiten in immer größerem Umfange durchlässig geworden war, sie also den Reiseverkehr nicht unterband. 9 Der deutsch-deutsche Reiseverkehr 1980 bis 1988 (in Mio.) Jahr 1980 1985 1988 Reisen aus der DDR in die BRD, Rentnerreisen 1,5 1,6 1,1 Reisen in dringenden Familienangelegenheiten 0,4 0,7 1,2 Reisen aus der BRD in die DDR 2,7 3,0 3,6 Reisen von Westberlinern nach Ostberlin und in die DDR - 1,9 1,9 Es hing von den gegenseitigen Beziehungen ab, inwieweit hier eine Ausgestaltung stattfand. Wenn die Initiative von 25 SPD-Bundestagsabgeordneten um Prof. Fritz Baade im Jahre 1962, die Mauer durch Gewährung eines Reparationsausgleichs an die DDR überflüssig zu machen, mehr Unterstützung gefunden hätte, wären schon früher günstigere Bedingungen für den innerdeutschen Besucherverkehr entstanden. Obwohl Walter Ulbricht 1963 sich diesen Vorschlag zu eigen machte, kam es im Westen zu keinem Durchbruch in dieser Frage. Auch andere Vorschläge, wie der Vorschlag Ulbrichts im Jahre 1964 für einen Zeitungsaustausch verliefen im Sande. Betonköpfe gab es auf beiden Seiten, die immer wieder auch die erreichten Fortschritte in Frage stellten. 1989 war aber der Beton im SED-Politbüro so total verfestigt, dass die DDRBürger selbst die Sache in ihre Hände nahmen. Das Ergebnis ist bekannt. Die Mauerahnung 19487 Dass Berlin durch eine Mauer getrennt werden könnte, haben weitsichtige Persönlichkeiten schon während der ersten Berlin-Krise erkannt. Nachdem separate Währungsreform und Blockade 1948 die Kriegsallianz der Großen Vier zerbrochen hatten, war die Vollendung der Teilung Berlins, Deutschlands und Europas nicht mehr aufzuhalten. Die Schriftstellerin Ruth Andreas-Friedrich schrieb im September 1948 in ihr Tagebuch: „Ab heute haben wir nicht nur zwei Stadtpolizeibehörden, sondern auch zwei Stadtparlamente. Möglich, dass wir schon ab morgen zwei Stadtregierungen und eine chinesische Mauer mit Wehrgang und Wachttürmen längs der Sektorengrenzen haben. Vielleicht braucht man dann ein Auslandsvisum, um von Charlottenburg nach den Linden zu fahren.“ Frau Andreas-Friedrich hat damit genial spätere Entwicklungen vorausgeahnt. Allerdings konnte zu dieser Zeit noch niemand voraussagen, welche der beiden Seiten als erste zur Tat schreiten werde. Zunächst einmal, sicher unter dem Eindruck der Bedrohung der Berliner Westsektoren während der Blockade hatte 1950 der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay eine Graphik veröffentlicht, die deutlich die Konturen einer Schutzmauer um Westberlin zeigte.8 10 DDR- Bürger im Westen zunächst unerwünscht Ostdeutsche Flüchtlinge waren im Westen 1949/50 keineswegs willkommen, denn Flüchtlinge kosteten den Staat und die Kommunen Geld. Bis Mitte 1949 waren in Westdeutschland etwa 2,5 Millionen Vertriebene in die Wirtschaft eingegliedert worden. Für Eingliederungshilfen, Renten für Körpergeschädigte und Arbeitslosenfürsorge waren seit Kriegsende 6 Milliarden DM ausgegeben worden. Der Anteil der Flüchtlinge unter den Arbeitslosen war nach wie vor sehr hoch. Eine besondere Zuspitzung der Flüchtlingsfrage ergab sich im Juli 1949 im Lager Uelzen (Niedersachsen). Der niedersächsische Flüchtlingsminister Pastor Heinrich Albertz (SPD) sah sich gezwungen, das Lager zu schließen und die Flüchtlingsminister der britischen und amerikanischen Zone nach Uelzen einzuladen. Gemeinsam legten sie fest, dass nur ein Teil der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone nach einem festen Schlüssel auf westdeutsche Länder aufgeteilt wird, während die anderen in das Herkunftsgebiet zurückgewiesen werden sollten. In der Folgezeit wurde der Entwurf einer Rechtsverordnung auf der Grundlage der „Uelzener Beschlüsse“ im Bundesrat vorgelegt.9 Diesem Entwurf vom 21. November 1949 zufolge sollten nur die 5 - 6 % „echten politischen Flüchtlinge“ in der Bundesrepublik Aufnahme finden, jedoch maximal bis zu 15 % aller Flüchtlinge, denen das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen einen zwingenden Grund für den Übertritt zuerkannte. Der Bundesminister des Innern, Dr. Gustav Heinemann (CDU), schlug eine stufenweise Rückführung der Abgewiesenen vor: • • Zunächst sollten Warnungen vor unbegründetem Grenzübertritt durch Presse und Rundfunk erfolgen. Anschließend sei die Rückführung der im Lager Berlin Abgewiesenen durchzuführen. In den Lagern Uelzen und Gießen werde gleichzeitig mit der Rückführung der kriminellen Elemente begonnen. Anschließend erfolge eine stufenweise Ausdehnung der polizeilichen Rückführung auf weitere Gruppen, bis der „gesetzmäßige Zustand“ erreicht ist. Auf Seiten der konservativen Parteien wurde in dem Flüchtlingsstrom eine Machenschaft Josif W. Stalins gesehen, dem an einem Kollaps Westdeutschlands durch Überbevölkerung gelegen sei. Die Sozialdemokraten als Oppositionspartei besannen sich allmählich darauf, einer rigiden Abschiebepolitik entgegenzutreten. Ernst Reuter, Regierender Bürgermeister von Berlin, widersprach im Bundesrat dem vorgelegten Verordnungsentwurf. Im Osten dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, „als ob wir eine Mauer zwischen dem Osten und dem Westen aufrichten wollten.“ Die SPD brachte sodann im Bundestag den Entwurf für ein Notaufnahmegesetz (mit Ausnahme von Kriminellen ohne Rückführungsklausel) ein, gegen den jedoch der Bundesrat sein Veto einlegte. Ein Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat legte daraufhin am 21. Juni 1950 eine Neufassung vor. Während nach der vom Bundestag gewählten Fassung Personen, die wegen drohender Gefahr für Leib und Leben, für die persönliche Freiheit oder aus anderen zwingenden Gründen die DDR verlassen mussten, die Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden durfte, musste sie jetzt bei Erfüllung dieser Bedingungen erteilt werden. 11 Die Defensiv-Position der DDR Die DDR, die unter den Folgen der Teilung des Landes ungleich stärker litt als die Bundesrepublik, verfügte über kaum nennenswerte Bodenschätze, war vielfach stärker durch Reparationsleistungen belastet worden und verlor nun auch Jahr für Jahr einen erheblichen Teil ihres „Humankapitals“. Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre wurde die „Republikflucht“ immer mehr zu einer wirtschaftlichen Existenzbedrohung. In dieser Zeit war die DDR immer weniger in der Lage, die Lücken durch Mobilisierung innerer Reserven zu schließen, z.B. durch die Einbeziehung von Frauen in die Berufstätigkeit, bzw. die Fortsetzung der Arbeit von Rentnern. Das Arbeitskräftedefizit der DDR wurde auch gemindert durch die West-OstWanderung, die sich aus Rückwanderern und Erstzugezogenen aus der Bundesrepublik zusammensetzte. Es handelte sich aber jährlich nur um einige Zehntausende, während es in umgekehrter Richtung ein- bis dreihunderttausend Menschen waren. Zwischen den Ab- und Zuwanderern bestand ein Qualifizierungsunterschied. In jeder Beziehung blieb es für die DDR netto bei einem Wanderungsverlust. Für die Bundesrepublik war die Abwanderung eher von Vorteil, da es sich bei den Abwandernden oft um Menschen mit unsicherem Arbeitsplatz oder um Arbeitslose handelte, was die Sozialkassen entlastete. Unter Berücksichtigung all dieser Tatsachen und Umstände kam der Bielefelder Wirtschaftshistoriker W. Abelshauser zu dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik im Durchschnitt von 12 Jahren jährlich ein Humankapital von etwa 2,5 Mrd. DM erhielt. Das war ein Betrag, der das Ausmaß der Marshallplanhilfe bei weitem übertraf. Dieser Ost-West-Transfer von Humankapital bereitete der SED-Führung nicht wenig Kopfzerbrechen. Schon 1952, berichtete Julij A. Kwizinskij in seinen Erinnerungen, hätte die DDR-Führung mit Stalin über die Grenzschließung gegenüber Westberlin gesprochen. Vorerst konnte Moskau auf seine Vereinigungsvorschläge verweisen. Doch mag politischen Vordenkern in Ostberlin und Moskau in dieser Zeit bewusst geworden sein, dass eine Grenzschließung durch Berlin bei noch im Bau befindlichem Außenring um Berlin und ohne eigenen Hochseehafen der DDR, 95 % der Umschlags der Hochseefracht der DDR erfolgte über den Hamburger Hafen, gar nicht ernsthaft gedacht werden konnte. Das Berlin-Ultimatum Am 27. November 1958 richtete die UdSSR eine Note an Frankreich, Großbritannien und die USA, in der sie vorschlug, alle Besatzungstruppen aus Berlin abzuziehen, eventuell unter Aufsicht der Vereinten Nationen, und den französischen, den britischen und den amerikanischen Sektor Berlins einstweilen zu einer „entmilitarisierten, freien Stadt“ zu machen. Die UdSSR räumte für die Lösung der Berlin-Frage eine Zeit von sechs Monaten ein, weshalb die Note im Westen als Ultimatum aufgefasst wurde. Sollte es in dem genannten Zeitraum zu keiner Verhandlungslösung kommen, würde die UdSSR gemeinsam mit der DDR die geplanten Maßnahmen verwirklichen: „In diesem Zusammenhang gilt, dass die DDR wie jeder andere unabhängige Staat selbst alle Fragen, die ihr Territorium angehen, behandeln soll, dass sie also die Souveränität über ihr Land, ihren See- und Luftraum ausübt.“ Die UdSSR warf den Westmächten „Wühlarbeit gegen die DDR“ vor. Sie erklärte ihre Bereitschaft, sich jederzeit an der Vorbereitung eines Friedensvertrages mit Deutschland zu beteiligen. Das Fehlen eines Friedensvertrages rechtfertige keineswegs, in irgendeinem Teil Deutschlands das Besatzungsregime aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig richtete die UdSSR Noten an die Regierungen der Bundesrepublik und der DDR, in denen sie ihre Vorstellungen für die Lösung der Berlin-Frage darlegte: 12 - Freie Stadt Westberlin, - unabhängige Stadtregierung, - keine Eingliederung in die DDR, - Garantie der Unabhängigkeit durch UNO und die vier Mächte, - ungehinderte Kontakte Westberlins mit der Außenwelt. Das sowjetische Berlin-Ultimatum stieß im Westen vielfach auf Ablehnung. USAußenminister John Foster Dulles, der eine „Politik am Rande Krieges“ bevorzugte, gab am 28. Januar 1959 vor dem Auswärtigen Komitee des Repräsentantenhauses eine Erklärung ab. Auf eine Frage, ob die Vereinigten Staaten sich im vollständigen Einvernehmen mit ihren Alliierten bezüglich aller Schritte befänden, die in der Berlin-Frage zu unternehmen wären, antwortete Dulles: „Hinsichtlich des Grundsatzes, fest in Berlin zu bleiben und falls erforderlich, eher einen Krieg zu riskieren als aus Berlin verdrängt zu werden, besteht vollständiges Einvernehmen.“ Es gab aber auch Kräfte, die über eine Verhandlungslösung ernsthaft nachdachten. Am 12. Februar 1959 legte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Senats, Senator Mike Mansfield, einen DeutschlandPlan vor, der eine Kompromisslösung vorsah. Zuspitzung der Lage in der DDR Gerade auch hausgemachte Fehler der von Walter Ulbricht geführten SED trugen zur Zuspitzung der Lage in der DDR bei: • • • • Das irreale Überholmanöver des V. Parteitages der SED gegenüber der Bundesrepublik, dass 1961 zum Überholen im Pro-Kopf-Konsum und 1965 zum Überholen in der Arbeitsproduktivität führen sollte (Siebenjahrplan 1959). Die überstürzte Einführung der zehnjährigen polytechnischen Oberschulbildung, die durch den verspäteten Berufsstart von etwa 80 Prozent zweier Altersjahrgänge die akute Arbeitskräftesituation weiter zuspitzte. Die Kampagne des „sozialistischen Frühlings“ 1960, die zu dem hohen Preis des Rückgangs der agrarischen Bruttoproduktion den Zusammenschluss in Agrargenossenschaften im Vergleich zum Siebenjahrplan (1965) vorfristig abschloss. Die in zweistelliger Milliardenhöhe getätigte Fehlinvestition in die Flugzeugindustrie, die ein kleines Land wie die DDR nicht so ohne weiteres verkraften konnte. Wären die Mittel für die Flugzeugindustrie in die Rationalisierung der Industrieproduktion gesteckt worden, hätte ein bedeutender Produktivitätszuwachs erreicht werden können. Im Übergang vom zweiten zum dritten Quartal 1960 geriet die DDR – Wirtschaft aus dem Rhythmus. Disproportionen zwischen Durchschnittslöhnen und Arbeitsproduktivität sowie zwischen der Kaufkraft und dem Warenangebot machten sich zunehmend negativ im Alltagsleben der Bürger bemerkbar. Im September 1960 kam es zu neuen Zuspitzungen in der Berlin-Frage. Vertriebenenverbände der Bundesrepublik führten vom 1. bis 4. September in Westberlin einen „Tag der Heimat“ durch. Der Innenminister der DDR verfügte zur Abwehr des „Revanchistentreffens“ ein Einreiseverbot für Bundesbürger. Die Einreise in die DDR und nach Ostberlin wurde nur den Bundesbürgern gestattet, die im Besitz einer Einreisegenehmigung waren. Am 8. November 1960 unterwarf die DDR die Einreise von Bundesbürgern nach Ostberlin generell einer Genehmigungspflicht. Am 23. September 1960 wurde der amerikanische Botschafter in der Bundesrepublik, Walter C. Dowling, von Volkspolizisten am Brandenburger Tor angehalten und aufgefordert, nach Westberlin zurückzukehren. Erst nachdem sich Dowling als Botschafter ausgewiesen hatte, wurde ihm der Weg nach Ostberlin freigegeben. 13 Separatfrieden mit der DDR? Die NATO-Ratstagung vom 8.-10. Mai 1961 in Oslo wies im Kommuniqué die Androhung eines separaten Friedensvertrages zurück und bekräftigte die Entschlossenheit, „die Freiheit Westberlins und seiner Bevölkerung zu wahren.“ Diese auf den ersten Blick unauffällige Formulierung, wirkte laut Wilhelm G. Grewe wie eine „Hiobsbotschaft“10, da nun die von Kennedy und Dean Rusk eingeführte terminologische Neuerung, „Westberlin“ statt „Berlin“ zu sagen, Eingang in ein NATO-Kommuniqué gefunden hatte. Für den erfahrenen Diplomaten Grewe war das gleichbedeutend damit, dass zwar die Rechte der Westmächte geschützt wurden, jedoch die Freizügigkeit der West-Berliner in Gesamtberlin zur Disposition stand. Einem Bericht von Heinrich Albertz zufolge lief Egon Bahr mit dem Text des Kommuniqués zum Regierenden Bürgermeister Willy Brandt und sagte: „Das ist fast wie eine Einladung für die Sowjets, mit dem Ostsektor zu machen, was sie wollen.“ Egon Bahr bestätigte diese Darstellung in seinen Memoiren ausdrücklich: „Aufgeschreckt wurde ich erst durch das Kommuniqué der NATO-Ratssitzung in Oslo am 10. Mai. Da wurden drei Eckpunkte garantiert, nämlich Zugang, Anwesenheit der Westmächte und Lebensfähigkeit der Westsektoren. Von Vier-Mächte-Status war nicht mehr die Rede. Wirklich erregt stürmte ich zum Chef und legte die Meldung der Nachrichtenagentur auf den Tisch: ‚Das ist schrecklich, im Grunde eine Einladung an die Sowjets, dass sie mit ihrem Sektor machen können, was sie wollen.’ Unmittelbar vorher (muss eigentlich „nachher“ heißen – d.Vf.) hatten Kennedy und Chruschtschow in Wien einander Maß genommen und einen Monat später erklärte der neue Präsident die Entschlossenheit der USA, Westberlin zu verteidigen. Das beruhigte die WestBerliner, die Menschen östlich des Brandenburger Tores nicht.“ Das Gipfeltreffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy und dem sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita S. Chruschtschow am 3. und 4. Juni 1961 in Wien führte nicht zur Beilegung der akuten Spannungen in der Berlin-Frage. Die Wiener Begegnung wurde gelegentlich als „Weichenstellung zum Mauerbau“ überbewertet. Das würde den Blick für die eigentliche Dramatik des Geschehens im „heißen Sommer“ 1961 verstellen. Chruschtschow hatte Kennedy am 4. Juni 1961 nach Abschluss der Gespräche mit einem Memorandum überrascht, das die Berlin-Krise nach Wien erneut anheizte. Das Memorandum, das wieder mit einer Sechsmonatefrist als Ultimatum aufgemacht war, drohte den Abschluss eines separaten Friedensvertrages mit der DDR an, in dessen Ergebnis die Besatzungsrechte in Berlin erlöschen sollten: „Insbesondere werden die Fragen der Benutzung der Verbindungswege auf dem Lande, zu Wasser und in der Luft, die über das Territorium der DDR führen, nicht anders zu lösen sein als auf der Grundlage entsprechender Übereinkommen mit der DDR.“ Kurs auf Luftsperre Am 4. Juni 1961 erklärte Walter Ulbricht in einem Interview: „Schon seit Jahren wird der Verkehr zwischen Westberlin und anderen Ländern, einschließlich Westdeutschland, zumindest zu 95 v. H. von den Behörden der DDR kontrolliert. An die Kontrolle auch der restlichen 5 v. H. wird sich die Welt gewöhnen. Daran zweifele ich nicht.“ Auf einer internationalen Pressekonferenz am 15. Juni 1961 hatte Walter Ulbricht auf eine Anfrage von Annemarie Doherr von der „Frankfurter Rundschau“ zutreffend erklärt, dass er nicht die Absicht habe, eine Mauer zu errichten. Auf die Frage des „Spiegel“, ob die Kontrolle über die Luftsicherheit auch die Kontrolle der Passagiere einschließe, erklärte 14 Ulbricht: „Ob die Menschen zu Lande, zu Wasser oder in der Luft in die DDR kommen, sie unterliegen unserer Kontrolle...Wir machen es genauso, wie man es in London macht. Damit ist die Sache in Ordnung.“ Am 28. Juni 1961 veröffentlichte das Post- und Verkehrsministeriums der DDR eine Anordnung für ausländische Flugzeuge, die das Datum des 15. Mai trug. Diese Anordnung bestimmte, dass alle Flugzeuge, die in die DDR einfliegen oder aus ihr ausfliegen, ab 1. August 1961 die Radiosicherungsbehörden der DDR zu informieren haben und beim Fluge innerhalb der DDR ihre Radioeinrichtung nur für Angelegenheiten der Flugsicherung und Flugregelung auf den von den DDR-Behörden festgelegten Frequenzen benützen dürfen. Es besteht kein Zweifel, im Juni 1961 ging es Ulbricht noch nicht um den Mauerbau. Luftkontrolle war angesagt; es ging um die letzten fünf Prozent der noch nicht kontrollierten Verbindungen Westberlins. Es war bestimmt kein Zufall, dass in dieser Zeit Jugendbrigaden in einer sich „Zentrales Jugendobjekt der FDJ“ nennenden Hauruck-Aktion den Flughafen in Berlin-Schönefeld für Düsenpassagierflugzeuge ausbauten. Kennedy zwingt Chruschtschow zum Kurswechsel Der populäre Präsident Kennedy geriet ein knappes halbes Jahr nach Beginn seiner Regentschaft in eine schwierige Lage. Das Treffen in Wien wurde ihm als „Desaster“ angelastet. An seinen Führungsqualitäten wurde gezweifelt. Die „Falken“ kritisierten die Niederlage der amerikanischen Kuba-Politik (vor allem die Erfolglosigkeit des vom Vorgänger Eisenhower ererbten „Schweinebucht“- Abenteuers im April 1961), die mangelnden Erfolge der USA in Südostasien und die Unsicherheiten in Südkorea. Im Lande selbst warfen die Rassenunruhen in Alabama ihre Schatten auf Kennedys Bemühungen, Sympathien bei den afro - asiatischen Völkern zu erwerben. Zur negativen Bilanz Kennedys zählte, dass der erfolgreichen Ausstrahlung des Weltraumfluges Jurij Gagarins durch Alan B. Shepards kurzen Flug nur teilweise entgegen gewirkt werden konnte. Das Regime de Gaulles im verbündeten Frankreich wurde durch den Aufstand der französischen Generale in Algerien in seiner Stabilität erschüttert. Auch nach dem Zusammenbruch des Offiziers-Aufstands waren die Zweifel nicht verschwunden. In diese Zeit der Irritationen und Wirrnisse fiel die Kritik Mike Mansfields, Führer der demokratischen Mehrheit im Senat, dass sich die USA in Berlin festklammerten. Er schlug am 14. Juni 1961 in Anknüpfung an seinen Berlin-Plan vor, ganz Berlin in eine entmilitarisierte „Freie Stadt“ unter dem Schutz und der Aufsicht der Vereinten Nationen umzuwandeln. Warschauer Vertrag und NATO sollten gemeinsam den Interimstatus der „Freien Stadt“ bis zur Herstellung der deutschen Einheit garantieren. John F. Kennedy bemühte sich, seine Berlin-Politik auf eine feste Basis zu stellen und seinen Kritikern im Lande offensiv zu begegnen. Am 27. Juni 1961 berief er den früheren Stadtkommandanten General Maxwell Taylor zu seinem Militärbeauftragten. Er wies ihn an, die amerikanische Planung für den Fall einer ernsthaften Krise in Berlin zu überprüfen. Auf seiner Pressekonferenz am 28. Juni 1961 lehnte es der Präsident ab, sich zu konkreten Maßnahmen in Verbindung mit der Berlin-Frage zu äußern, solange ihm nicht der Bericht der „task force“ unter dem Vorsitz Dean Achesons sowie weitere Vorschläge vorlägen. Im Nationalen Sicherheitsrat würden am folgenden Tage Maßnahmen beraten: „Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass wir hier über Angelegenheiten von äußerstem Ernst sprechen“, erklärte Kennedy. Am 30. Juni 1961 war Kennedys Direktive fertig, die den Außen-, Verteidigungs- und Finanzminister aufforderte, bis zur Beratung des Nationalen 15 Sicherheitsrates am 13. Juli 1961 Entscheidungsgrundlagen auszuarbeiten. In die ErnstfallPlanung zur Berliner Krise (contingency planning), die bisher in den Händen der drei Westmächte lag, wurde ab Juli auch die Bundesregierung einbezogen. Am 14. Juli 1961 weilte Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß auf Einladung Robert S. McNamaras zur Beratung des strategischen Konzepts der neuen Administration, vor allem der militärischen Aktionen zur Sicherung des freien Zugangs nach Berlin, in Washington. Strauß stimmte dem Konzept der „flexible response“ zu. Die Durchbruch - Pläne des Hardliners Dean Acheson fanden keine Berücksichtigung. Der frühere Radford-Plan, der sich ausschließlich auf Nuklearwaffen gestützt hatte, war schon vorher bei Strauß auf Vorbehalte gestoßen. Der Grundgedanke der Strategie bestand darin, die Schwelle für die Auslösung des „Garantiefalles“ hoch zu legen und für die andere Seite so riskant wie nur möglich zu machen. Nach Wilhelm Grewe, Botschafter der Bundesrepublik in Washington, bildeten die „militärischen Garantien zur Erhaltung der ‚Freiheit’ und ‚Unabhängigkeit’ Berlins eine Art ‚Maginotline’“. Das schließlich beschlossene Szenario wird bis heute unter Verschluss gehalten. Für die Eventualfall- und Verteidigungs-Planungen bestand von 1959 bis 1990 die Organisation „Live Oak“ (LO). Sie bestand aus dem Commander Live Oak (CLO), einem „Alternate Commander“ (ACLO) und dem Stab Live Oak. Franz-Josef Strauß ließ in seinen „Erinnerungen“ trotz noch geltender Geheimhaltung wissen, dass im Falle einer Luftsperre zum Zwecke des Erzwingens der Zugänge zu Berlin der Abwurf einer Atombombe auf einen Truppenübungsplatz in der DDR vorgesehen war. Strauß schrieb: „Der amerikanische Gedanke eines Atombombenabwurfs auf einen sowjetischen Truppenübungsplatz hätte, wäre er verwirklicht worden, den Tod von Tausenden sowjetischer Soldaten bedeutet. Das wäre der Dritte Weltkrieg gewesen. Die Amerikaner wagten einen solchen Gedanken, weil sie genau wussten, dass die Sowjets damals noch nicht über präzise treffende und zuverlässig funktionierende Interkontinentalraketen verfügten, auch nicht über einsatzgenaue Mittelstreckenraketen.“11 In die Zeit der Ausformung dieses riskanten Konzepts fielen Gespräche über einen Kompromiss zwischen dem amerikanischen Präsidentenberater Arthur Schlesinger und dem sowjetischen Botschaftsrat Georgij Kornijenko am 5. Juli in Washington. Der Gedankenaustausch endete mit dem sowjetischen Appell, die USA möchten doch ihre eigenen Garantien für Westberlin formulieren. Präsident Kennedy ließ Moskau nicht lange warten. In Erklärungen am 19. und 25. Juli 1961 verkündete er sein Berlin-Programm, das „den Westen aus der fatalen Lage (befreite), auf Verwaltungsschikanen und Verkehrsbehinderungen nur mit der Drohung des thermo-nuklearen Krieges antworten zu können.“ (Wilhelm Grewe) Kennedy charakterisierte die Schwächen der sowjetischen BerlinPolitik und demonstrierte die Entschlossenheit der USA, die Verteidigungsanstrengungen erheblich zu steigern, wozu er beeindruckende Zahlen nannte. Kennedy erklärte sodann, dass die USA nicht daran dächten, sich von der Verpflichtung gegenüber der Menschheit, eine friedliche Lösung zu suchen, zurückzutreten. Er charakterisierte Art und Grenzen der amerikanischen Verhandlungsbereitschaft. Der Präsident erkannte die begründete Besorgnis der Sowjetunion bezüglich ihrer Sicherheit in Mittel- und Osteuropa nach einer Reihe räuberischer Invasionen ausdrücklich an. Erst in diesem Zusammenhang machten die „three essentials“ Kennedys überhaupt Sinn, die Kennedy in gar keinem Fall in Frage gestellt sehen wollte: • • Die Anwesenheit der drei Westmächte in Berlin, ihr ungestörtes Zugangsrecht, 16 • die Sicherheit und Freiheit der West-Berliner. Das war das Angebot für eine Kompromiss-Lösung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kennedy sich hier auf westliche Minimalforderungen beschränkte und andere „essentials“, die im Notenaustausch des Jahres 1961 und in Wien noch eine Rolle gespielt hatten, nicht mehr nannte. Nicht erwähnt wurden: • • • Die Gewährleistung der bestehenden Bande zwischen Berlin und der Bundesrepublik, die Freiheit des Zivilverkehrs für Personen und Güter von und nach Berlin, die Freiheit des Inner-Berliner Verkehrs über die Sektorengrenzen hinweg. Aufmerksamkeit verdienen auch folgende Sätze Kennedys: „Heute verläuft die gefährdete Grenze der Freiheit quer durch das geteilte Berlin. Wir wollen, dass sie eine Friedensgrenze bleibt.“ Diese Passage wurde in Moskau mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen. William Fulbright, Sprecher des außenpolitischen Senatsausschusses, wurde am 30. Juli 1961 in einem Fernsehinterview noch deutlicher: „Ich verstehe nicht, warum die Ostdeutschen nicht ihre Grenzen schließen, denn ich glaube, dass sie ein Recht haben, sie zu schließen.“ Weichenstellung Mauerbau Kennedys Härte und die zugleich bekundete Kompromissbereitschaft brachten Ende Juli 1961 die scheinbar versteinerten Politikkonzepte Moskaus in Bewegung. Der zeitliche Handlungsrahmen hatte sich für den Osten angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen und der zunehmenden wirtschaftlichen Instabilität der DDR ohnehin eingeengt, so dass für neue Gipfelberatungen keine Zeit mehr blieb. Julij A. Kzwizinskij, 1961 Dolmetscher von Michail Perwuchin, des sowjetischen Botschafters in Ost-Berlin, beschrieb in seinen Erinnerungen diesen Vorgang detailliert. Demnach hatte Ulbricht dem sowjetischen Botschafter den ganzen Ernst der Lage Ende Juni/Anfang Juli 1961 geschildert und auf ein schnelles Handeln gedrängt. Die nicht genau datierte Antwort aus Moskau lautete nach Kwizinsky: „Dieser (Chruschtschow- d.Vf.) gab seine Einwilligung, die Grenze zu Westberlin zu schließen und mit der praktischen Vorbereitung dieser Maßnahme unter größter Geheimhaltung zu beginnen. Die Aktion sollte rasch und für den Westen unerwartet durchgeführt werden.“ Ulbricht habe Chruschtschow seinen Dank übermittelt und zugleich erklärt, dass die Grenze zu Westberlin in ihrer ganzen Länge nur mit Stacheldraht rasch abgeriegelt werden könne. Das war praktisch die Weichenstellung in Richtung Mauerbau. Die Datierung dieser Entscheidung war zunächst nur ungenau auf den Zeitraum von Ende Juli bis Anfang August vorzunehmen. Eine Eingrenzung für diese Weichenstellung ließ sich durch einen Politbürobeschluss und seine Korrektur objektivieren. Am 18. Juli 1961 hatte das Politbüro einen Maßnahmeplan für die Vorbereitung des 90. Geburtstages von Karl Liebknecht am 13. August 1961 beschlossen. Das Papier sah am 14. August eine Kundgebung auf dem Potsdamer Platz vor. In der Außerordentlichen Beratung des Politbüros vom 7. August 1961 wurde dieser Beschluss aufgehoben. Daraus lässt sich ableiten, dass am 18. Juli noch keine Entscheidungen für die Grenzschließung am 13. August vorhanden gewesen sein können. Diese existierten aber ganz gewiss am 7. August. 17 Rolf Steininger datiert die Entscheidung für den Mauerbau auf den 31. Juli.12 Nach Ulbrichts Eintreffen in Moskau habe Chruschtschow an diesem Tag sein Einverständnis zur Sperrung der Grenze unter bestimmten Bedingungen mitgeteilt. Ein Friedensvertrag werde jedoch „jetzt“ nicht unterzeichnet werden. Beziehen wir die erwähnte Mitteilung von Kwizinsky in die Betrachtung ein, der sich erinnert hatte, dass schon Perwuchin Ulbricht in Berlin über Chruschtschows Entscheidung zur Abriegelung informiert hatte, können wir annehmen, dass die eigentliche Entscheidung wenige Tage vor dem 31. Juli in Moskau gefallen war. Aus dem Verlauf der Gespräche Chruschtschows mit dem Direktor der USA-Abrüstungskommission, John J. McCloy, lässt sich die Vermutung ableiten, dass die Entscheidung am 27. Juli 1961 fiel. Darüber, dass Chruschtschow diese Entscheidung fällte, besteht kein Zweifel mehr. Er, der die Mauer für eine hässliche Sache hielt und der die Gefühle des deutschen Volkes verstand, hatte dazu gegenüber Botschafter Hans Kroll geäußert: „Ich möchte Ihnen auch nicht verhehlen, dass ich es gewesen bin, der letzten Endes den Befehl dazu gegeben hat. Ulbricht hat mich zwar seit längerer Zeit und in den letzten Monaten immer heftiger gedrängt, aber ich möchte mich nicht hinter seinem Rücken verstecken. Er ist viel zu schmal. Die Mauer wird, wie ich schon gesagt habe, eines Tages wieder verschwinden, aber erst dann, wenn die Gründe für ihre Errichtung fortgefallen sind.“13 Vom 3. bis 5. August 1961 fand in Moskau eine Beratung der Ersten Sekretäre der kommunistischen und Arbeiterparteien statt, die sich mit der Vorbereitung eines Friedensvertrages und der Regelung der Westberlinfrage befasste. Jan Sejna, einer der Konferenzteilnehmer, der Parteisekretär im Verteidigungsministerium der ČSSR, hat nach seiner Flucht im Westen über Details dieser Beratung berichtet. Seiner Schilderung zufolge soll Ulbricht noch einmal die Kontrolle der Luftkorridore, die Luftsperre, gefordert haben. Diese Forderung wurde aber zurück gewiesen. Chruschtschow habe auf einer weniger radikalen Lösung zur Unterbindung des Flüchtlingsstromes bestanden. Sejna berichtete: „Ulbricht sagte schließlich: ‚Danke, Genosse Chruschtschow, ohne Ihre Hilfe können wir dieses schreckliche Problem nicht lösen.’“ Chruschtschow habe daraufhin noch einmal eindringlich Ulbricht in die Grenzen gewiesen: „Ja, ich bin einverstanden – aber keinen Millimeter weiter!“ Am 7. August traf der gefeierte Held des Zweiten Weltkriegs, der „Befreier von Prag und Dresden“, von 1956 bis 1960 Oberkommandierender der Vereinten Streitkräfte der Staaten des Warschauer Vertrages, Iwan S. Konew, in Ostberlin ein. Im Auftrage von Chruschtschow übernahm er den Oberbefehl der in der DDR stationierten sowjetischen Truppen. Am selben Tage stellte Chruschtschow in einer Rundfunkrede zur Deutschland- und Berlinfrage die Verstärkung der Sowjetarmee an den Westgrenzen und die Einberufung von Reservisten in Aussicht. Ihm ging es aber nicht mehr um das Durchpeitschen eines separaten Friedensvertrages oder das Erzwingen einer „Freien Stadt“, obwohl er auch darüber scheinbar in der alten und gewohnten Weise sprach. Das eigentliche Signal, das er in dieser Rede dem Westen gab, lautete, dass ein separater Friedensvertrag mit der DDR, das war neu, keine legitimen Rechte der Westmächte antasten werde: „Es ist von keinem Verbot des Zugangs nach Westberlin, von keiner Blockade Westberlins die Rede.“ Diese Botschaft wurde im Westen verstanden. Am 10. August erfolgte in Zossen bei Berlin die Information der westlichen Militärgouverneure durch den sowjetischen Marschall Konew. Ein westlicher Teilnehmer fragte den Marschall nach den erhöhten militärischen Aktivitäten in der DDR. Konew antwortete: „Meine Herren, Sie können beruhigt sein, was immer in nächster Zukunft geschehen mag, Ihre Rechte werden unberührt bleiben. Nichts wird sich gegen West Berlin richten.“ Die Details der vorgesehenen Maßnahmen blieben indes bis zum 13. August streng geheim. 18 Was am 13. August geschah, war das Ergebnis eines historischen Kompromisses zwischen der UdSSR und den USA. Nikita S. Chruschtschow hatte Botschafter Kroll die Gesamtkonstellation wie folgt erläutert: „Es gab nur zwei Arten von Gegenmaßnahmen: die Lufttransportsperre und die Mauer. Die erstgenannte hätte uns in einen ernsten Konflikt mit den Vereinigten Staaten gebracht, der möglicherweise zum Krieg geführt hätte.“14 ----------------1 Vortrag auf dem Grenzer-Treffen der GRH am 30.10.2010. Nicht alle Zitate wurden belegt. Bei Bedarf können die Belege beim Vf. erfragt werden. 2 Vgl. Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989. Ein biographisches Handbuch, Berlin 2009, S.9 f. 3 Vgl. Geständnis. Sarrazin wollte Berlin der DDR schenken, in: Berliner Morgenpost, 23.04.2009. 4 Mattias Uhl: Mauerbau. „Ein eiserner Ring um Berlin.“ Chruschtschow diktierte Ulbricht 1961, die Mauer zu bauen, in: Zeit ONLINE, 8.6.2009. 5 Neues Deutschland, 22./23.Okt. 2010. 6 Neue Zeit, Moskau 1988, Nr. 37, S. 39. 7 Die Darstellung von hier an stützt sich auf Siegfried Prokop: Die Berliner Mauer (1961-1989). Fakten, Hintergründe, Probleme. Berlin 2009. 8 Vgl. Lucius D. Clay: Entscheidung in Deutschland. Frankfurt a.M. 1950, vorderer Innendeckel. 9 Vgl. Klaus Körner: Kein Asyl für Deutsche, in: Die Woche vom 8. Juni 1993, S.24. 10 Wilhelm G. Grewe: Rückblenden 1976-1951. Frankfurt/Main, Berlin, Wien 1979, S. 480. 11 Franz Josef Strauß: Die Erinnerungen. Berlin 1989, S. 388. 12 Rolf Steiniger: Der Mauerbau. Die Westmächte und Adenauer in der Berlinkrise 1958-1963. München 2001, S. 241. 13 Hans Kroll: Lebenserinnerungen eines Botschafters. Köln/Berlin 1967, S. 512. 14 Kroll, S. 512. 19 Begrüßungsansprache des Soldatenverbandsvorsitzenden der Polnischen Streitkräfte der Lubusker Wojewotschaft und langjährigen Kommandeur der 11. PzKavDiv in Zagan, General der Reserve Szupa – vorgetragen von Oberst a.D. Seynik Sehr geehrte Mitglieder der GRH, liebe Freunde, im Namen der polnischen Delegation, die zu leiten ich die Ehre habe, danke ich herzlich auf altpolnisch für Ihre Einladung zu dem alljährlichen Treffen Ihres Verbandes. Am Anfang möchte ich sagen, dass es für uns eine große Ehre ist, an Ihrem Kongreß teilzunehmen. Persönlich ist es mir eine Freude, dass ich heute bei Ihnen den Vorstand des Soldatenverbandes der Polnischen Streitkräfte der Lubusker Wojewotschaft repräsentieren kann. Im Zusammenhang damit, dass mein Verband zum ersten Mal offiziell an Ihrem Treffen teilnimmt, lassen Sie mich ein paar Sätze darüber sagen, für was unser Verband da ist und womit wir uns beschäftigen. In der Lubusker Wojewotschaft wirken 21 Kreise des Soldatenverbandes der Polnischen Streitkräfte, die 950 Angehörige vereinigen. Der Sitz vom Wojewotschftsvorstand befindet sich in der Stadt Zielena Gora (zu deutsch: Grünberg). Wir funktionieren als Organisation des Gemeinwohles mit einer Satzung und einer Zentralbehörde in Warszawa. Insgesamt zählt unser Verband ca. 19.000 Mitglieder. Der Verband hat laut unserem Statut folgende Hauptaufgaben: Das Integrieren der Gemeinschaften der Ehemaligen und Aktiven innerhalb der Verteidigungsaufgaben der Republik Polen und der Kampftraditionen des polnischen Volkes um Freiheit, Unabhängigkeit und Souveränität. Die Unterstützung der ehemaligen und der aktiven Soldaten bei der Verteidigung ihrer Rechte, die sie während ihres Dienstes und ihrer Arbeit erworben haben sowie die Hilfeleistung im Recht- und Sozialbereich. Die Aufrechterhaltung und Entwicklung der kameradschaftlichen Bindungen der ehemaligen und aktiven Soldaten. Der Soldatenverband der Polnischen Streitkräfte der Lubusker Wojewotschaft hat lebhaftes Interesse an jeder Form der Zusammenarbeit mit Ihrer Organisation. Ich hoffe, dass wir uns in der nächsten Zeit über die Zusammenarbeit beraten und verständigen und die dazu erforderlichen schriftlichen Festlegungen treffen werden. Das um so mehr, da bereits in vier unserer Soldatenkreise in den Städten Slubice, Gubin, Tublice und Krosno praktische Kontakte bestehen. Die genannten vier Kreise vereinigen ausschließlich die ehemaligen Grenzschutz- oder Grenzpolizeiangehörigen. In den letzten Monaten dieses Jahres befand sich die Republik Polen, insbesondere ihre politischen und militärischen Eliten, in einer schwierigen Situation, weil im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz bei Smolensk am 10. April 2010 unser Präsident mit Ehefrau und 94 der wichtigsten Personen unseres Staates, darunter die höchsten und wichtigsten Generale der polnischen Streitkräfte, ums Leben kamen. In dessen Folge hat zuerst die vorgezogene Präsidentenwahl stattgefunden und zur Zeit bereiten sich die lokalen Gemeinschaften auf die Selbstverwaltungswahlen auf allen Ebenen vor. Die Situation entwickelt sich sehr dynamisch, aber meiner Meinung nach nur zwischen den politischen Eliten. In diesen sehr schweren Zeiten verhalten sich unser Staat und seine Einwohner sachlich. Sie werden im Ergebnis dieser Herausforderungen wachsen. Zum Abschluß möchte ich allen Beratungsteilnehmern eine erfolgreiche Diskussion zu den Ihre Gemeinschaft betreffenden lebenswichtigen Fragen und die Annahme von Lösungen zur Erfüllung Ihrer ehrgeizigen Ziele und Träume wünschen. Ich wünsche Ihnen vor allem gute Gesundheit, viele Erfolge und alles Gute in der Verbandsarbeit und im persönlichen Leben. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. 20 Begrüßungsansprache von Oberst a.D. Dr. Milan Richter, Leiter der tschechischen Delegation Liebe Freunde, Genossinnen und Genossen, ehemalige Waffenbrüder, heute Brüder im Kampf für die historische Wahrheit! Zu Beginn möchte ich dem Vorsitzenden der GRH, dem Genossen Hans Bauer, aufrichtig für die Einladung zur heutigen Zusammenkunft der Grenzsoldaten der DDR sowie für den herzlichen Empfang unserer Delegation gestern danken. Immer wieder komme ich gern zu Euch, um neue Kräfte für den Kampf um die historische Wahrheit zu sammeln. Ich sage das so, wie ich tatsächlich empfinde. Ich fühle mich bei Euch wie unter den eigenen Genossen. Alle vier Mitglieder unserer Delegation, ehemalige Grenzer, gehören zur ersten Reihe derjenigen, die gegen die Verfälschung der Wahrheit unserer Vergangenheit kämpfen. Aktiv beteiligen sie sich an der Erarbeitung und Herausgabe von Publikationen zur tatsächlichen Geschichte der Verteidigung der tschechoslowakischen Staatsgrenzen, treten vor Jugendlichen in Schulen auf (soweit ihnen das von den Herren Direktoren gestattet wird), sprechen auf Bürgerversammlungen und nehmen an einer Vielzahl anderer Veranstaltungen teil. Das jüngste Mitglied unserer Delegation, Stanislav Kvasnička, hat vor zwei Jahren seine Diplomarbeit an der Hochschule verteidigt. Er hat nachgewiesen, dass die Sicherung der Staatsgrenzen der CSSR kein Verbrechen des Kommunismus war, sondern eine objektive Notwendigkeit und Pflicht eines sozialistischen, international anerkannten Staates, eines anerkannten Mitglieds der UNO, der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik. Aktiv hat er sich an Gesprächen in Schulen in Bayern beteiligt, und seine überzeugenden Auftritte fanden Zustimmung seitens der deutschen Schüler, Studenten und Pädagogen. Gestattet Freunde, daß ich Euch ganz persönliche Grüße von Genossen zu Genossen des Vorsitzenden des Nationalrats des Klubs des Tschechischen Grenzlandes, Genossen Ing. Karel Janda, und vom ehemaligen Chef der Grenztruppen der CSSR, Genossen Generalleutnant Ing. František Šákek, übermittle. Gen. Šákek wird zu Weihnachten 89 Jahre und kann leider nicht mehr reisen, aber uns Grenzern gibt er im Kampf gegen Lügen und Verleumdungen unserer Feinde Kraft und Mut. Gestattet mir, dass ich von dieser Stelle aus den Gen. Hans Bauer, Günter Leo, Karl-Heinz Karthert, Hermann Bosch sowie Karl-Heinz Wendt für deren aktive Teilnahme am VIII. Nationalkongress des Klubs des Tschechischen Grenzlandes am 14. und 15. August dieses Jahres in Strakonice danke. Ihr Auftreten wurde von den Delegierten sehr gut aufgenommen und trug in bedeutendem Maße zur weiteren Festigung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Grenzern der DDR und der CSSR, zum gemeinsamen Kampf für die wahrheitsgetreue Darstellung unserer gemeinsamen Geschichte bei. Ich möchte auch darüber informieren, daß der VIII. Nationalkongreß des Klubs des Tschechischen Grenzlandes nicht nur Beschlüsse zur weiteren Verstärkung seines Einflusses auf die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Lande gefaßt hat, sondern auch zu den Aufgaben zur weiteren Verstärkung unserer freundschaftlichen, internationalistischen Beziehungen zu fortschrittlichen Organisationen anderer Staaten, insbesondere zur GRH. Eine Änderung der Satzung des Klubs des Tschechischen Grenzlandes hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß auch Bürger und gesellschaftliche Organisationen als Ganzes aus Ländern der Europäischen Union dem Klub beitreten können. 21 Freunde! Wir erachten es als überaus richtig und notwendig, wenn Ihr Euch auf der diesjährigen Herbsttagung mit Ereignissen beschäftigt, die die europäische und Weltgeschichte in der 2. Hälfte des XX. Jahrhunderts entscheidend beeinflußten: dem 50. Jahrestag der Sicherung der Staatsgrenze zwischen der DDR und der BRD. Das ist um so wichtiger, weil an dieser Tagung Genossen teilnehmen, die an diesen Maßnahmen direkt teilgenommen haben. Genossen, die sich in jener komlizierten Situation, als die DDR nicht geringe Schwierigkeiten beim Aufbau des ersten tatsächlich demokratischen Staates in der deutschen Geschichte zu überwinden hatte, bewußt waren, daß es ohne eine konsequente Verteidigung der qualitativ neuen Staatsordnung nicht möglich sein würde, im Lande eine sozial gerechte Gesellschaft aufzubauen. Wir,die ehemaligen tschechoslowakischen Grenzsoldaten, sind zu Eurem Treffen gekommen, um Euch allen, die ihr vor 50 Jahren den Mördern, Terroristen, Agenten und Saboteuren ihre Schleichwege abriegelten, unsere Ehrerbietung und hohe Anerkennung auszusprechen. Denn Euer Dienst an der Grenze erleichterte den Dienst auch der tschechoslowakischen Grenzsoldaten und der Grenzer der anderen sozialistischen Länder erheblich. Die Entscheidung der Partei- und Staatsorgane der DDR zur Verstärkung der Sicherung ihrer Grenzen hatte deshalb nicht nur große Bedeutung für die DDR selbst, sondern auch für das gesamte sozialistische Weltsystem. So haben wir, die tschechoslowakischen Grenzsoldaten, das verstanden und so verstehen wir das auch heute. Wir hatten zu jener Zeit auch schon unsere Erfahrungen mit dem Eindringen von Terroristen, Agenten und Saboteuren aller Couleur und mit dem Eindringen von Agentengruppen der USArmy auf unser Territorium, mit Verletzungen der Staatsgrenzen in beiden Richtungen. Spezialdienste westlicher Staaten versuchten im Zusammenwirken mit einheimischen Kollaborateuren nach dem Sieg des werktätigen Volkes im Februar 1948 das Rad der Geschichte in unserem Land zurück zu drehen. Sie haben vor keinen Mitteln zurückgeschreckt. Auch bei uns floß das Blut von Funktionären der KPTsch, von Bürgermeistern, leitenden Wirtschaftsfunktionären der Industrie und von LPG‘n, von Angehörigen des Sicherheitsdienstes und der Grenztruppen. Heute bekennen sie sich offen zu ihren Verbrechen und erhalten dafür hohe staatliche Auszeichnungen. Sie bekennen sich auch ohne Scham dazu, daß sie sich gewünscht hatten, wenn sie für ihre konterrevolutionäre Tätigkeit keine Unterstützung bei der Bevölkerung finden würden, daß der Westen den Koreakrieg zu Beginn der 50er Jahre auf Mittel- und Osteuropa ausdehnt und das, obwohl sie wußten, daß beide Weltsysteme zu jener Zeit über Kernwaffen verfügten. Das alles im Interesse ihres Verständnisses von Freiheit und Demokratie. So war ihre Moral damals und so ist sie heute. Leider sind sich heute viele Menschen dieser Wahrheit nicht bewußt und glauben naiv, daß sich der Kapitalismus zu einem humanen gesellschaftsökonomischen System mit menschlichem Antlitz reformieren läßt. Einer der Gründe für diese Tatsache ist leider darin zu suchen, daß es bisher nicht gelungen ist, die öffentliche Meinung der Leute zum richtigen Verständnis unserer Geschichte grundlegend zu verändern. Und was noch schlimmer ist, daß sich nicht einmal diejenigen politischen Kräfte damit befassen, die dazu berufen sind und dafür auch die legalen, realen Möglichkeiten haben. Die Maßnahmen der Partei- und Staatsorgane der DDR am 13.08.1961 wurden vom progressiven Teil der Bürger der CSSR und von den tschechoslowakischen Grenzsoldaten mit 22 Verständnis aufgenommen und unterstützt. Wir verstanden, daß die Durchsetzung des strategischen Ziels des Westens, d. h. die Liquidierung der Welt des Sozialismus, durch die schrittweise Abspaltung einzelner Staaten vom sozialistischen Weltsystem erreicht werden sollte. Das war so 1956 in Polen, in Ungarn, 1961 war die DDR an der Reihe und 1968 die CSSR. Genau so, wie die Volksdemokratie der Tschechoslowakei zu Beginn der 50er Jahre des XX. Jahrhunderts gezwungen war, entschiedene Maßnahmen gegen aggressive Aktionen der äußeren und inneren Feinde für den zuverlässigen Schutz der Staatsgrenzen zu ergreifen, war auch die DDR zu Beginn der 60er Jahre aus den gleichen Gründen gezwungen, wirksame Maßnahmen zum Schutz der staatlichen Souveränität, für die erfolgreiche gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines qualitativ neuen Staatstyps zu ergreifen. Das Kommando der Grenztruppen der CSSR und der einzelnen Grenzbrigaden ergriffen nach dem 13. August Maßnahmen zu Verstärkung der Sicherung der Staatsgrenzen mit dem Schwerpunkt der Grenze zur BRD. Ich möchte unterstreichen, daß all diese Maßnahmen Verteidigungscharakter trugen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Verhinderung des Eindringens gegnerischer Agenturen gelegt. Durchgesetzt wurden Pläne des Zusammenwirkens der Grenztruppen mit der Tschechoslowakischen Volksarmee. In den wahrscheinlichen Panzerangriffsrichtungen der NATO-Armeen wurden in den Abschnitten ausgewählter Grenzkompanien Panzerabwehrmittel der Tschechoslowakischen Volksarmee disloziert, über die die Grenztruppen nicht verfügten. In der Gefechtsausbildung der Grenzsoldaten wurde die Taktikausbildung und der Schutz gegen Massenvernichtungswaffen verstärkt. Die politische Ausbildung der Grenzsoldaten orientierte auf das Verständnis der Gründe und der möglichen Folgen der aktuellen Situation und auf die Vorbereitung der Grenzsoldaten zur Erfüllung von Aufgaben nicht nur zur Sicherung sondern auch zur Verteidigung der Staatsgrenzen. Maßnahmen des Zusammenwirkens mit den Grenztruppen der DDR wurden verstärkt, die Verbindung zwischen den einzelnen Führungsebenen der Grenztruppen der DDR und der CSSR wurden verbessert sowie die gegenseitige Information über die Sicherheitslage in beiden Ländern vertieft. Gemeinsame Maßnahmen wurden operativ abgestimmt und präzisiert. In dieser komplizierten internationalen Situation bewährte sich die internationalistische Einheit der Grenztruppen der DDR und der CSSR, deren Westgrenzen gleichzeitig die Westgrenzen des sozialistischen Lagers waren. Wie so oft in der Vergangenheit, erfüllten die Grenzsoldaten auch in dieser Zeit ihren Auftrag. Zuverlässig schützten und verteidigten sie die Grenzen ihres Vaterlandes, die für sie ein unerschütterliches Gut waren. Sie trugen damit in bedeutendem Maße zur Erhaltung des Weltfriedens bei direkter Berührung mit den aggressiven Kräften des Imperialismus an den Grenzen der sozialistischen Welt bei, wo zu jeder Minute der kalte Krieg in einen heißen Krieg unter Anwendung von Massenvernichtungswaffen umschlagen konnte. Es ist gerechtfertigt, gerade zu einer Zeit, da wir des 50. Jahrestages der Sicherung der Staatsgrenzen der DDR zur BRD gedenken, diese nicht leichte Entscheidung der Partei- und Staatsführung der DDR hoch zu würdigen und daraus die Gründe und Schlußfolgerungen als Lehren abzuleiten. Und auch alle von Euch zu ehren, die Ihr diese Entscheidungen praktisch umgesetzt habt, oft unter großen Opfern. 23 Genossinnen und Genossen, vor 50 Jahren haben wir Schulter an Schulter gestanden bei der Verteidigung der Interessen unserer Länder und der Warschauer-Vertrags-Staaten. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, auch jetzt Schulter an Schulter zu stehen bei der Verteidigung der historischen Wahrheit über unsere Grenzervergangenheit, über die Etappe des Aufbaus einer sozial gerechten Gesellschaft in unseren Ländern. Die Wahrheit ist und wird nur dann immer eine starke Waffe in unseren Händen sein, wenn sie die objektive Realität der außerordentlich komplizierten Geschichte von Klassenpositionen aus widerspiegelt. Dann wird sie auch zur Quelle für die Erziehung künftiger Generationen, die das Banner einer sozial gerechten Gesellschaft und ihrer Verteidigung nach uns erheben werden. Die tschechoslowakischen Grenzsoldaten, die in der Organisation des Klubs des Tschechischen Grenzlandes zusammengefunden haben, gehen schon seit Jahren diesen Weg und sind bereit und darauf vorbereitet, gemeinsam mit den Grenzsoldaten der DDR den Kampf für die historische Wahrheit fortzuführen. Wir finden es gut, daß sich an der Schaffung des Denkmals für alle gefallenen Schützer und Verteidiger der tschechoslowakischen Staatsgrenzen vor zwei Jahren an unserer gemeinsamen Staatsgrenze in Zinnwald sich auch auch so mancher von Euch finanziell beteiligt hat, daß deutsche Grenzsoldaten aktiv an regionalen und gesamtstaatlichen Konferenzen der tschechoslowakischen Grenzer und auch an der Enthüllung eines weiteren Denkmals für alle tschechoslowakischen Grenzsoldaten teilnehmen werden, die am 2. Juli 2011 in Asch anläßlich des 60. Jahrestages der Verabschiedung des Gesetzes über den Schutz der Staatsgrenzen durch die Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik stattfinden wird. Sehr hoch schätzen wir die Zusammenarbeit zwischen der ehemaligen 5. Grenzbrigade in Cheb und dem 4. Grenzregiment in Heiligenstadt ein, die auf die Initiative von OSL Hermann Bosch zurückgeht. Dafür, daß das Vermächtnis der NachwendeZusammenarbeit von Generaloberst Klaus Dieter Baumgarten und Oberst Peter Freitag weiter lebendig ist und sich weiter entwickelt, möchte ich in aller Form besonders dem Vorsitzenden der GRH, Hans Bauer, und seinen Mitarbeitern, Oberst Günter Leo, Oberst Manfred Kleemann, Oberst Karl-Heinz Kathert, OSL Hermann Bosch und ihren Ehefrauen danken, bei denen sie für ihre aufopferungsvolle Arbeit volles Verständnis finden, der Genn. Hannelore Baumgarten und Euch allen, die wir bei gemeinsamen Maßnahmen treffen. Ich wünsche Euch, liebe Freunde, im Namen des Klubs des Tschechischen Grenzlandes und der tschechoslowakischen Grenzsoldaten bei der Erfüllung unserer gemeinsamen Aufgaben gute Gesundheit, viel geistige und körperliche Kraft und historischen Optimismus. Seien wir stolz auf unsere Grenzervergangenheit, auf unseren Dienst fürs Vaterland und eine Welt des Sozialismus und des Friedens. Unsere Wahrheit wird im Kampf über die Geschichtsfälscher siegen! Gestattet mir, Euch abschließend darüber zu informieren, daß der Vorsitzende der GRH, Genosse Hans Bauer, auf dem VIII. Kongreß des KCP mit der Medaille des KCP für herausragende Verdienste um die Vertiefung unserer Freundschaft und seinen steten Kampf für die historische Wahrheit über unseren Dienst ausgezeichnet wurde. Gestattet mir, aus gleichem Anlaß im Auftrag der Leitung des Nationalrates des KCP und auf der Grundlage des Vorschlages der Führung der GRH die Plakette des Klubs des Tschechischen Grenzlandes folgenden Genossen zu überreiche: OSL a.D. Siegfried Hanning, OSL a.D. Walter Schneider und OSL a.D. Werner Wagner. 24 Dr. Rolf Ziegenbein Zum 13. August 1961 im Spiegel der Zeitgeschichte Liebe Freunde und Genossen, zunächst eine Vorbemerkung: bekanntlich mahnte ich beim Grenzertreffen im Jahre 2009 einen etwas kritischeren und auch selbstkritischeren Umgang mit unserer eigenen Geschichte an, als wir ihn bisher auf unseren Zusammentreffen pflegten. Das löste teils Zustimmung, teils aber auch heftige Gegenreaktionen aus. Insofern bin ich natürlich erfreut, daß einerseits inzwischen trotz einiger Widerstände eine Gesprächsrunde zur Debatte unter den ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen zustande gekommen ist. Erfreut bin ich besonders, daß im Gegensatz zu Tönen in manchen ausgetauschten Briefen die Diskussion in der Runde am 3. September dieses Jahres sehr sachlich und von gegenseitiger Achtung getragen war. Wenn die Debatte sachlich bleibt und nicht ins Persönliche gezogen wird, dann kann sie nützlich sein, und es verschwände auch die Gefahr, daß wir uns über den Umgang mit unserer eigenen Geschichte zerstreiten. Ich jedenfalls habe keine Absicht, ehemalige Mitstreiter in irgendeiner Weise zu verletzen. Sollte sich allerdings jemand allein schon dadurch verletzt fühlen, daß ich von der Aussage abweiche, daß wir an dieser Grenze alles immer richtig gemacht hätten und es keinerlei Alternativen zu unserem Tun gegeben hätte, so kann ich ihm nicht helfen. Es ist nicht zu leugnen, daß das sowjetische Modell des Sozialismus in Europa eine Niederlage erlitt. Die starken Sicherheitskräfte konnten und wollten letztlich wohl auch diese Niederlage nicht verhindern. Sie waren Teil des Systems und allein schon dadurch auch an den Ursachen der Niederlage beteiligt. Das trifft auch auf die Grenztruppen der DDR zu, sicher sogar in einem besonderen Maße, darüber ist wirklich weiter nachzudenken. Nun zum Thema selbst. Ich möchte mich zu drei Aspekten äußern. Ich glaube, in der Literatur ist inzwischen hinreichend dargestellt, daß die doch in einem gewissen Sinne rigorosen Maßnahmen des 13. August 1961 einerseits für die DDR damals leider zwingend notwendig und andererseits mit dem damals geltenden Völker- und Staatsrecht auch vereinbar waren. Untersucht ist auch, von welchen Positionen aus sowohl die Sowjetunion und ihre Verbündeten als auch die Westalliierten die damalige Lage einschätzten, wobei hervorgehoben wird, daß die Westalliierten die Maßnahmen des Warschauer Vertrages letztlich akzeptierten. Für bedeutsam und lesenswert halte ich in diesem Zusammenhang zwei Veröffentlichungen: Im Buch von Baumgarten/Freitag aus dem Jahre 2004 hat Joachim Schunke unter dem Thema „13. August 1961- die Sicherung der Staatsgrenze“ die Probleme vor allem aus der Sicht der Warschauer Vertragsstaaten sehr begründet dargestellt und in dem uns weniger wohlgesonnenen Buch „Europas Eiserner Vorhang/ Die deutsch- deutsche Grenze im Kalten Krieg“, erschienen 2008, ist ein Beitrag von Prof. Reiner Pommerin enthalten zum Thema: Akzeptanz und Kooperation, Voraussetzungen für Mauerbau und Mauerfall im bipolaren System.“ (Pommerin war bis vor kurzem Leiter des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der TU Dresden)1 Auch das ist eine sehr akzeptable Recherche. Schon der Titel „Akzeptanz und Kooperation“ weist auf die Grundaussage hin, wobei für den 13. August 1961 eben vor allem die Akzeptanz zutrifft, weniger die Kooperation. Beide Beiträge basieren auf intensivem Quellenstudium. Will man 1 Schunke, Joachim, 13. August 1961- die Sicherung der Staatsgrenze, In: Baumgarten, Klaus-Dieter, Freitag, Peter (Hrsg.): Die Grenzen der DDR, Berlin 2004, S. 158- 199 Pommerin, Reiner, Akzeptanz und Kooperation: Voraussetzungen für Mauerbau und Mauerfall im bipolaren Staatensystem. In: Thoß, Hendrik (Hrsg.): Europas Eiserner Vorhang, Berlin 2008, S. 203- 226 25 sich heute begründet äußern, so darf man sich eben nicht nur auf die eigene Erinnerung verlassen, sondern muß schon lesen, was Zeitgeschichtler in den Quellen gefunden haben oder, noch besser, man muß die Quellen selbst unter die Lupe nehmen, denn sehr viele Hintergründe waren uns nicht zugänglich, wurden der Öffentlichkeit oft auch bewußt nicht mitgeteilt. Das betrifft beide Seiten im Kalten Krieg. So ist das eigene Erinnern immer auch nur ein Teil der historischen Wahrheit. Und die Quellen selbst zu lesen ist auch deshalb besser, weil man dann nicht den Fehlinterpretationen mancher Autoren ausgesetzt ist. Die Maßnahmen zum 13. August 1961 waren sehr ambivalent. Diese Ambivalenz haben Lothar Schröter und Joachim Schunke in ihrem 2004 bei „Helle Panke“ erschienenen Abriß der Geschichte der Militärpolitik beider deutscher Staaten versucht, deutlich auszudrücken. Ich will sie zitieren, weil wohl beide aus der NVA stammen. Sie schreiben: „Der 13. August war für beide Seiten Niederlage und Sieg zugleich. Er war eine Niederlage für den „Ostblock“, weil sich hier schon das Scheitern seines Staats- und Gesellschaftsmodells andeutete, wenn nicht die Chance der Reformen an Haupt und Gliedern genutzt werden würde. Er war ein Sieg für den Westen besonders deshalb, weil er sich in dieser Hinsicht damals überlegen erwies und weil er am Ende die erfolgreiche, nämlich politische Konzeption zur Überwindung des Realsozialismus entwickeln konnte. Er war ein Sieg für den Westen aber auch, weil er seine Positionen in Westberlin und die Verfügung über die Zugangswege behielt und weil er ein hervorragendes Argument der psychologischen Kampfführung gegen die „Mauer“ und die DDR erhielt. Der 13. August war ein, freilich zeitlich begrenzter, Sieg für den „Ostblock“, weil er Jahre relativ ungestörter Entwicklung vor sich hatte, weil die DDR erhalten werden konnte und weil damit ein nachfolgender Dominoeffekt ausblieb und weil die Atombewaffnung der BRD verhindert werden konnte. Und in diesen drei Punkten lag zugleich die Niederlage des Westens. Es war ein Ergebnis, mit dem sich die Mächtigen beider Seiten arrangierten.“2 So richtig hier die Widersprüchlichkeit des Ereignisses umrissen wird, so ist es doch stark vom Ende her, vom Zusammenbruch des Realsozialismus her beurteilt. Versetzt man sich in die damalige Situation zurück, so schien der Wettbewerb der Systeme noch glaubhaft offen. Der DDR standen fast zwei Jahrzehnte enormer Entwicklung bevor, in denen sie zwar ökonomisch nie mit der BRD gleichziehen konnte, in denen die ökonomische Anziehungskraft der BRD zwar erhalten blieb (und damit auch der Strom in den „Goldenen Westen“ , der bis heute nicht versiegt ist,) in denen aber alte soziale Forderungen und Träume der arbeitenden Menschen in einem Umfang realisiert wurden, die die sozialistische Gesellschaft mit ihren immer auch vorhandenen Mängeln als schützenswert, als verteidigenswert erschienen ließen. Der Historiker Prof. Dr. Heinz Niemann gibt nach Quellenstudium an, daß noch 1975 etwa 80% der DDR- Bürger für die Verteidigung der DDR im Angriffsfalle eintraten.3 Nun war die Unterstützung für die Art und Weise unseres praktizierten Schutzes der Staatsgrenze sicher nicht gleich hoch (leider liegen dafür keine belastbaren Zahlen vor), aber unsere eigenen Erfahrungen in den Grenzgebieten, also bei Menschen, die ziemlich genau wußten, was an der Grenze geschah, bestätigen, daß eine Mehrheit der DDR- Bevölkerung den Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze zumindest bis weit in die 70er Jahre hinein zustimmte. Es gab eine große Hoffnung, daß uns ein anderes Deutschland ohne Herrschaft des Kapitals doch gelingen könnte. Das will man heute vergessen machen. Wenn man die Delegitimierung der DDR will, darf man die beweisbare Aussage nicht zulassen, daß sie selbst nach dem Mauerbau mindestens über zwei Jahrzehnte von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen wurde. Heute füttert man uns mit einer Fülle von Einzelschicksalen, die das Gegenteil beweisen sollen. Können sie aber nicht, da es bezogen auf die Mehrheit der Bevölkerung einfach nicht den 2 Schröter, Lothar, Schunke, Joachim, Zur Geschichte der Militärpolitik in beiden deutschen Staaten, hefte zur ddr- geschichte, „Helle Panke“ e. V. Heft 90, 2004 3 Niemann, Heinz, Meinungsforschung in der DDR, Köln 1993, S. 247 ff 26 historischen Tatsachen entspricht. Darauf sollten wir in Vorbereitung auf die 50. Wiederkehr des Tages des Mauerbaues in der Argumentation Wert legen. Sie ist nämlich die Achillesferse der heutigen Propagandaschlacht. Wenn im Zusammenhang mit der krisenhaften Entwicklung in der DDR und im gesamten RGW die Bevölkerung der DDR ihrer Regierung in den 80er Jahren zunehmend das Vertrauen entzog, so gilt das eben nicht für die gesamte Zeit der Existenz gleichermaßen. Auch die „Mauer“ wurde mindesten über zwei Jahrzehnte von der Mehrheit der DDR- Bevölkerung akzeptiert und die vielfältigen persönlichen Einschränkungen, die nahezu alle Bürger betrafen, wurden lange in Kauf genommen. Falsch war, daß wir uns hinter der Mauer sozusagen auf Dauer einrichteten. Hier gilt, was Hans Modrow in einem Erinnerungsbuch 2002 sinngemäß schrieb: „Es war der größte Fehler der politischen Klasse der DDR, daß sie nicht darüber nachdachte, die Maßnahmen des 13. August 61 schrittweise zurückzunehmen.“ Ein zweiter Aspekt. Häufig werden die mit dem 13. August 1961 getroffenen Maßnahmen mit dem Übergang zur militärischen Sicherung der Staatsgrenze der DDR gleichgesetzt. Das stimmt aber nur insofern, daß dieser Übergang damit sozusagen seinen Abschluß fand. Wie wir wissen, wurde dieser Übergang bereits 1955 durch die Sowjetunion veranlaßt. Heute wird nicht nur in der Boulevard- Presse sondern auch in der sich seriös und wissenschaftlich gebenden zeitgeschichtlichen Literatur unterstellt, daß der Übergang zum militärischen Schutz der Staatsgrenze ausschließlich ein Vorwand gewesen sei, um entschiedener die „Fluchtverhinderung“ zu betreiben. Die DDR habe ansonsten überhaupt keinen ernsthaften Grund gehabt, zum militärischen Schutz ihrer Grenze überzugehen. Wörtlich schreibt Peter Joachim Lapp, der als ausgewiesener Kenner der Geschichte der Grenztruppen gehandelt wird, in dem bereits genannten Buch „Europas Eiserner Vorhang“ (2008): „Aus der DGP eine schlagkräftige, militärische Truppe zu machen, wie es einigen SED- Politikern und hohen Grenzoffizieren vorschwebte, scheiterte an den verfügbaren Ressourcen und vielleicht auch daran, weil die politisch Verantwortlichen in Moskau und Ostberlin wußten, daß westdeutsche bewaffnete Kräfte niemals in die DDR eindringen würden und die Westmächte keinen Angriffskrieg führen durften. Es gab zu keiner Zeit eine Bedrohung aus dem Westen, mit der eine militärische Grenzsicherung der DDR begründet werden konnte.“4 Mit einem solchen Satz wird der ganze Kalte Krieg zum Phantom erklärt, aber leider gab es ihn wirklich und über Jahrzehnte fühlten sich beide Seiten gegenseitig extrem bedroht und bedrohten sich ja auch tatsächlich gegenseitig. Ich muß jetzt hier nicht den Kalten Krieg erklären. Hier wird mit einem Satz eine ganze historische Epoche verdreht. Leider findet man solche Unterstellungen vielfach. Ich könnte weiter zitieren. Ich will aber nur auf unmittelbares Geschehen an der Grenze kurz eingehen, das zumindest in diesem Zusammenhang von solchen Autoren bewußt ausgeblendet wird. Das erste Grenzsicherungsorgan, das an der deutsch- deutschen Grenze zum militärischen Schutz überging, war Jahre vor der Deutschen Grenzpolizei der Bundesgrenzschutz der BRD. Er wurde 1951 als Polizeitruppe in einem Bestand von 10 000 Mann gegründet, 1953 auf 20 000 Mann, später auf 30 000 Mann aufgestockt, militärisch gegliedert, kaserniert untergebracht und vor allem mit Infantriebewaffnung ausgerüstet. Er verfügte über Maschinengewehre, 1954 bereits über 60mm Granatwerfer, ab 1955 über 81 mm Granatwerfer , über Handgranaten und gepanzerte (geschützte) Fahrzeuge, teils mit 2 cm Bordkanone bewaffnet. Er war so schnell und konsequent militärisch befähigt worden, daß er 1956 den Grundstock für die Formierung von drei Bundeswehrdivisionen bilden konnte, zu einem Zeitpunkt also, als die Deutsche Grenzpolizei gerade mit der militärischen 4 Lapp, Peter- Joachim, Von der Grenzpolizei zur Grenztruppe (1946- 1961). In: Thoß, Hendrik, Europas Eiserner Vorhang, Berlin, 2008, S. 45 27 Aufgabenstellung überhaupt konfrontiert wurde. Auch Adenauer hielt es nämlich für möglich, daß es an dieser Grenze zu militärischen Konflikten kommen könnte, aus denen sich die Alliierten zunächst bewußt heraushalten könnten. Wieso ist also etwas, was eine Seite damals als legitim betrachtete, für die andere Seite, die später ähnliches praktizieren mußte, nur Vorwand, nur Ideologie?5 Mehr noch. Die Sowjetunion übergab 1955 in einem Staatsvertrag die Verantwortung für den Grenzschutz an die DDR und zog sich tatsächlich mit Ausnahme der Kontrollpunkte für die Alliierten von der Grenze zurück. Die Westalliierten aber hatten zu diesem Zeitpunkt bereits starke Panzeraufklärungskräfte in Form von damals drei Panzeraufklärungsregimentern der US- Streitkräfte und britischen Aufklärungsbataillonen unmittelbar an der Grenze stationiert und dachten überhaupt nicht daran, sie abzuziehen. Sie handelten bis 1990 mit schwerer Militärtechnik an dieser Grenze, was heute durch die Bundesregierung als „Dienst für die Freiheit“ gefeiert wird, was aber damals praktisch nichts anderes als die Verwirklichung des Kalten Krieges in vorderster Font war. Erst kürzlich bezeichnete die Bundeskanzlerin bei einer Preisverleihung am Point Alpha der US- Streitkräfte diesen als „heißesten Punkt im Kalten Krieg“, was auch immer das heißen mag. Vorsätzlich wird uns nachträglich das Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen, das man aber selbst in brachialer Form in Anspruch nahm. Gegen diese Geschichtsfälschung, die direkt darauf ausgerichtet ist, das Recht und die Notwendigkeit zum militärischen Schutz der Staatsgrenze der DDR zu negieren, sollten wir uns gerade auch angesichts des bevorstehenden 50. Jahrestages der Schließung der Grenze entschieden zur Wehr setzen. Ein dritter Gedanke: Mit der Zuordnung militärischer Aufgaben nach 1955 erhielt das Grenzsicherungsorgan eine Doppelfunktion, denn die polizeilichen Aufgaben zur Durchsetzung der Grenzordnung, später des Grenzgesetzes als innerstaatliche Aufgabe blieben erhalten. Als 1960 ein vormaliger Kommandeur einer Panzerdivision der NVA die Führung der Deutschen Grenzpolizei übernommen hatte - und ganz und gar nach Unterstellung unter das MfNV - wurde von polizeilichen Aufgaben an dieser Grenze nicht mehr gesprochen. Sie waren aber damit nicht verschwunden. Sie wurden als Grenzdienst, manchmal als tägliche Sicherungsaufgaben, später als hoheitliche Aufgaben bezeichnet, nie als polizeiliche und damit innerstaatliche Aufgaben von den militärischen Aufgaben deutlich abgegrenzt. Der militärische Schutz der Staatsgrenze wurde mit allen seinen Bestandteilen als einheitliche Aufgabe der Landesverteidigung verstanden. Damit rutschten die vormals polizeilichen Aufgaben in militärische Aufgaben hinein. Der Grenzdienst wurde zum Frontdienst im Frieden. Mit der Unterstellung des Grenzsicherungsorgans unter das MfNV im Jahre 1961, die selbst im Warschauer Vertrag Ausnahme war und blieb, wurde jedenfalls eine Weichenstellung vollzogen, die bis zum Ende der DDR nicht wieder rückgängig gemacht werden konnte. Erst 1988 hieß es in einem mir vorliegenden Konzept der Politischen Verwaltung der Grenztruppen vorsichtig: „Militärische Praktiken werden in der Grenzsicherung der konkrethistorischen Situation immer weniger gerecht.“ Wir gehen meist davon aus, daß die Gründe, die 1961 zu den Maßnahmen des 13. August führten, auch zum Ende der DDR hin, also in den 80er Jahren noch gleichermaßen Bestand hatten. Das ist ein Irrtum. Mit und nach dem Abkommen von Helsinki 1975 hatten sich bedeutende Veränderungen vollzogen, die zumindest in längerer Folge auch zu wesentlichen Veränderungen bezüglich der Freizügigkeit der Bürger der DDR und auch bezüglich der Maßnahmen zur Grenzsicherung hätten führen müssen, erheblich über den tatsächlich erfolgten Abbau der Minen hinaus. Ich will hier aus 5 Anzumerken ist, daß der rasante Aufbau des BGS mit paramilitärischem Charakter nahezu ausschließlich durch ehemalige höhere Offiziere der faschistischen Wehrmacht und der Nazi-Polizei erfolgte. Eine Aufhellung ist hier ebenso dringend, wie die jetzt bezüglich des Auswärtigen Amtes erfolgte. Die jetzige Bundespolizei, in die der BGS aufging, will von ihren Wurzeln jedenfalls nichts wissen. 28 einer Veröffentlichung unseres heutigen Redners, also von Prof. Prokop, zitieren: „Honecker fehlte die eigentliche Einsicht in die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels. der den Bruch mit dem sowjetischen Modell erfordert hätte. Zu stark klebten er und das ganze Politbüro der SED an den alteingefleischten Dogmen. Honeckers Problemlösung war letztlich kontraproduktiv: Ausbau des Sicherheitsapparates und Verstärkung der Zentralisierung. Das beschleunigte den Niedergang.“6 Das betraf in starkem Maße auch die Grenztruppen der DDR, die letztlich für ungelöste gesamtgesellschaftliche Probleme gerade zu stehen hatten. So blieben die im Zusammenhang mit dem 13. August 1961 getroffenen, durchaus notwendigen Maßnahmen auch für das Grenzsicherungsorgan der DDR auf die Dauer sehr ambivalent. Dessen war sich die Parteiführung und dessen waren wir letztlich auch uns selbst nicht hinreichend bewußt. Und manchen fehlt ein solches Bewußtsein bis heute, wenn sie immer und immer wieder die Frage stellen, warum wir es für nötig erachten, unsere eigene Geschichte nochmals kritisch zu befragen. Für manchen war und ist und bleibt alles einmalig geklärt. Dem kann und will ich mich nicht anschließen, und dazu ist das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen. Fritz Streletz Mit großer Aufmerksamkeit habe ich die Ausführungen von Prof. Dr. Prokop und die bisherigen Diskussionsbeiträge verfolgt. Von 1971 bis 1989, fast 20 Jahre, war ich Sekretär des NVR der DDR und halte es für meine Pflicht, vor diesem Forum einiges zu der viel diskutierten und umstrittenen Problematik „Der 13. August 1961“ aus der Sicht eines sozialistischen Militärs darzulegen, denn im kommenden Jahr, dem 50. Jahrestag des so genannten Mauerbaus, müssen wir mit einer wüsten Hetzkampagne rechnen. Bei meinen Ausführungen stütze ich mich auf einige Originaldokumente, die in der Mittagspause durch Interessenten gern eingesehen werden können. Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich unterstreichen: Keiner von uns hat das Recht, dem anderen vorzuschreiben wie er politisch zu denken, oder zu handeln hat; keiner von uns hat die Wahrheit gepachtet; Auch bin ich mir darüber im Klaren, dass die Wahrheit nur ganz selten, oder fast nie, populär ist. Nicht um sonst gibt es die alte Volksweisheit: Jede Geschichte hat drei Seiten: DEINE MEINE und DIE WAHRHEIT Der 13. August 1961 hatte ein wichtiges politisches Vorspiel, was leider oft nicht genügend berücksichtigt wird. 6 Prokop, Siegfried, Vom versäumten Paradigmenwechsel in den Abgrund. In: Von den Schwierigkeiten der DDR, „Helle Panke“ e. V. hefte zur ddr- geschichte, Heft 121, Berlin 2010, S. 30 29 Bekanntlich erlitten die kubanischen Konterrevolutionäre, unterstützt von den USA vom 17. bis 19. April 1961 in der Schweinebucht auf Kuba eine vernichtende Niederlage. Kurz nach diesem politischen Ereignis trafen sich am 3. und 4. Juni erstmals der sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow und US-Präsident John F. Kennedy in Wien. Chruschtschow kam durch den kubanischen Sieg gestärkt und Kennedy geschwächt nach Wien. Drei Themen standen auf der Agenda: 1. Einstellung der Kernwaffenversuche 2. Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland und die 3. Regelung der Westberlinfrage Bei dieser Begegnung drohten sich Chruschtschow und Kennedy gegenseitig mit Krieg. Die Verhandlungen wurden erfolglos abgebrochen. Chruschtschow hatte bei dem Wiener Treffen mit Kennedy sehr hoch gepokert. Bis Dezember 1961 wollte er mit der DDR einen Friedensvertrag abschließen. Ab diesem Zeitpunkt wollte er den Organen der DDR die volle Kontrolle über die Zugangswege nach Westberlin zu Lande, zu Wasser und in der Luft übertragen. Die Partei- und Staatsführung der DDR war nur Zaungast bei diesem brisanten Spiel. Schlußfolgernd muß festgestellt werden: Nach den Gesprächen in Wien ging es um die Autorität und Glaubwürdigkeit von Chruschtschow und damit von der Sowjetunion. Entweder musste in den nächsten sechs Monaten ein Friedensvertrag mit der DDR abgeschlossen werden oder für den Krisenherd Westberlin musste eine andere Lösung gefunden werden, ohne das Gesicht zu verlieren. Das waren die Maßnahmen des 13. August 1961. Zur Verantwortung für die Grenzsicherungsmaßnahmen am 13. August 1961. In Deutschland und im Ausland herrscht noch immer die Ansicht, dass die so genannte „Berliner Mauer“ auf Initiative von Walter Ulbricht zustande kam. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Maßgeblichen Anteil und einer der Hauptinitiatoren der so genannten „Berliner Mauer“ war nach den vorliegenden Unterlagen „Chruschtschow“ und die sowjetische Partei- und Staatsführung. Gestatten Sie mir, diese Behauptung anhand von einigen Fakten zu beweisen. Im 3. Band der Memoiren von Chruschtschow, unter dem Titel „Epoche, Menschen und Macht“, der in Moskau erschienen ist, lesen wir, wie Chruschtschow auf die Idee kam, die Trennung zwischen Ost- und Westberlin durchzuführen. Er forderte von dem sowjetischen Botschafter in Ost-Berlin, Perwuchin eine Stadtkarte. Doch diese war Chruschtschow nicht detailliert genug. Daraufhin verlangte er von dem Militärstab der sowjetischen Streitkräfte in Berlin, gemeint ist Wünsdorf, eine operative Karte. Während des Urlaubs im Kaukasus skizzierte er auf dieser Karte den Verlauf der Trennungslinie und die Standorte der kontrollierten Übergänge. Schließlich zog er zur Beratung den Außenminister Gromyko und den für Deutschland zuständigen Vizeaußenminister Semjonow hinzu. 30 Nachdem sie die Einzelheiten ausgearbeitet hatten, ist der Plan der Berliner Mauer dem Präsidium des Zentralkomitees der KPdSU in einer geschlossenen Sitzung unterbreitet worden. Vom 3. bis 5. August 1961 lud Chruschtschow die KP-Führer und die Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Warschauer Vertrages nach Moskau ein und bat sie, seinen Plan zu akzeptieren. Soweit zu den Memoiren von Chruschtschow. Wenn man die Rolle der DDR bei den Aktivitäten zum 13. August 1961 nach den vorliegenden Unterlagen der führenden Politiker der Sowjetunion - den langjährigen Außenminister Gromyko, - den über 17 Jahre in der DDR tätigen Botschafter Abrassimow und - den langjährigen Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages, Marschall der Sowjetunion Kulikow, objektiv einschätzen will, dann kommt man zu folgenden Schlussfolgerungen: 1. Die DDR war ein souveräner Staat, Mitglied der UNO und von 138 Staaten diplomatisch anerkannt. Sie war auf vielen Gebieten souverän, aber nach unserer Einschätzung nicht auf militärpolitischem und militärischem Gebiet. 2. Alle wichtigen Entscheidungen, die mit den Problemen der Verteidigung der DDR einschließlich der Grenzsicherung im Zusammenhang standen, wurden unter Berücksichtigung der Interessen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages getroffen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache war die politische und militärische Führung der DDR nicht frei in ihren Entscheidungen. Deshalb hatte auch die sowjetische Seite das militärische Sagen auf dem Territorium der DDR. 3. Deshalb konnte die Führung der DDR an der Grenze zur BRD und zu Westberlin eigenständig nichts unternehmen. Deshalb waren auch die Grenzsicherungsmaßnahmen vom 13. August 1961 in Berlin das Ergebnis eines Beschlusses des Politisch Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages. Soweit zu den Einschätzungen führender sowjetischer Politiker und Militärs zur Souveränität der DDR. Noch einige Erläuterungen zum so genannten Mauerbau: Ich habe hier den „Moskauer Entwurf“ für die „Erklärung der Regierungen der Warschauer – Vertragsstaaten“ mit der Sperrfrist bis 12. 08. 1961. Allein zu diesem „Entwurfsdokument“ aus Moskau zum 13. August 1961 gab es von Seiten der DDR 31 Veränderungen, Korrekturen und Richtigstellungen. Der bekannte russische Professor Igor Maximitschew, Mitglied der Akademie der Wissenschaften Russlands und Gastprofessor an der Freien Universität Berlin äußert sich zum so genannten Mauerbau wie folgt: „Dass die Entscheidung zum Mauerbau in Moskau und von Moskau getroffen wurde, pfiffen die Spatzen von allen Dächern. Letzten Endes wurde in der sowjetischen Öffentlichkeit die Nachricht vom Bau der Mauer mit gewaltiger Erleichterung aufgenommen – übrigens genau wie in anderen Hauptstädten der Welt.“ 31 Maximitschew war bis 1990 Botschaftsrat in Berlin. Der uns allen bekannte Egon Bahr äußert sich zu dieser Problematik wie folgt: Damals 1961, hätte niemand das groteske Märchen verbreiten können, dass Ulbricht verantwortlich für die Mauer sei. Der amerikanische Präsiden Ronald Reagen am Brandenburger Tor: Er sagte nicht etwa: “Mister Honecker beseitigen Sie diese Mauer“ – nein: Er sagte: „Mister Gorbatschow beseitigen Sie diese Mauer.“ Der sowjetische Botschafter Kotschemasow rief nach der Öffnung der Güst am 10. November 1989 Genossen Krenz an und fragte: „ … wer hat ihnen das Recht gegeben, die Grenzübergangsstellen nach Westberlin zu öffnen?“ Einige Bemerkungen zur aktiven Kriegsgefahr im Sommer 1961 Auf Grund der brisanten militär-politischen Lage im Zusammenhang mit Westberlin wurde Anfang 1961 als Bevollmächtigter von Chruschtschow Marschall der Sowjetunion Konjew, ein bekannter Heerführer des 2. Weltkrieges und erster Oberkommandierender der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages als Oberkommandierender der GSSD eingesetzt. Gegenüber dem Westen sollte dies´ eine Drohung sein: Wir warnen euch - Wir machen ernst. Auch Kennedy hat als militär-politische Schlussfolgerung zu der sich anbahnenden Krise in Zentraleuropa als seinen Bevollmächtigten den erfahrenen Weltkriegsgeneral und kampflustigen Helden der Luftbrücke, General Clay, entsandt. Er dokumentierte ebenfalls damit: wir sind zu allem bereit! Praktisch gab es für die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) von Anfang 1961 bis Mitte April 1962 zwei Oberkommandierende. Einmal Marschall Konjew als Sonderbeauftragten Chruschtschows für alle militär-politische Entscheidungen und Maßnahmen. Zum anderen Generaloberst Jakubowski für die Gefechtsbereitschaft und Ausbildung der Truppen der GSSD. Oder – nach außen: Konjew ; nach innen: Jakubowski. Die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg zwischen den beiden Großmächten hatte im Sommer 1961 auch erhebliche Auswirkungen auf bestimmte ökonomische und militärische Maßnahmen durch die militärische Führung der DDR. Bereits am 15. Juli 1961, also 4 Wochen vor der Grenzschließung in Berlin, erhielt Minister Hoffmann vom Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte, Marschall der Sowjetunion Gretschko, einen Befehl mit folgendem Inhalt: 1.Alle Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen, dass innerhalb von 2 bis 3 Tagen aufgestellt werden können: 2 Brücken-Bau-Brigaden, 3 Straßen-Kommandantendienst-Brigaden, 4 Flugplatz-Pionier-Bataillone. 2.Die Registrierung der Kfz mit je 2 Kraftfahrern 32 von 40 Kfz.- Kolonnen (Bataillonen) mit insgesamt 10. 000 LKW und von 6 Kfz.-Sanitäts-Transport-Kompanien mit 600 Sanitäts-Kfz. Diese Kräfte und Mittel müssen so vorbereitet sein, dass sie im Verlaufe eines Tages an die GSSD übergeben werden können. 3.Vorzusehen, die Bereitstellung von 500 Kfz. mit Kraftfahrern am ersten Einsatzsatztag für Lazarette der GSSD und die Bereitstellung von 20. 000 Betten für die GSSD. 4.Vorzusehen, die Bereitstellung für die GSSD von 40. 000 bis 50. 000 Tonnen Autobenzin sowie von 60. 000 bis 70. 000 Tonnen Dieselkraftstoff. Diese Weisung des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages, Marschall der Sowjetunion Gretschko, vom 15. Juli 1961 an den Minister für Nationale Verteidigung der DDR, Armeegeneral Hoffmann, beweist anschaulich: 1. Wie die militärische Lage im Sommer 1961 durch die sowjetische Partei- und Staatsführung und durch das Oberkommando des Warschauer Vertrages eingeschätzt wurde und wie groß die Kriegsgefahr in Europa war. 2. Dokumentiert die Aufgabenstellung anschaulich, wer das militärische Sagen auf dem Territorium hatte, welche Rolle die DDR für die Sowjetunion spielte und welchen Spielraum es für die Partei- und Staatsführung der DDR und das Ministerium für Nationale Verteidigung auf dem Gebiet der Militärpolitik und der Landesverteidigung gegeben hat. 3.Die Rolle der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte auf dem Territorium der DDR als die Hauptschlaggruppierung der Sowjetarmee. An dieser Befehlslage und den Verpflichtungen der DDR gegenüber der Gruppe der Sowjetarmee, und das kann ich aus über 25 – jähriger Tätigkeit im MfNV bestätigen, hat sich bis 1989 nichts geändert. Dass die Führungsmacht der NATO , die USA, die Lage in Europa im Sommer 1961 genauso brisant einschätzte, geht aus Folgendem hervor: Am 19.Juli 1961 hat der amerikanische Präsident nach 6 Wochen intensiver Arbeit seine Entscheidungen bekannt gegeben: (fast der gleiche Zeitpunkt wie die Weisung Gretschkos) 1. Zusätzliche Forderungen zugunsten des Militärhaushaltes von 3,2Milliarden Dollar. 2. Sonderermächtigung für die Einberufung von Reservisten ohne Mobilmachung. 3. Die Einberufungsquote soll mehr als verdreifacht werden. 4. Westberlin sollte in den Bereitschaftszustand versetzt werden. Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als hätte die DDR, die Partei- und Staatsführung, die militärische Führung, nichts mit dem 13. August 1961 zu tun. Das Gegenteil ist der Fall. Die Partei- und Staatsführung der DDR hatte diese Maßnahmen des 13. August 1961 nicht nur begrüßt, sondern sie allseitig unterstützt, zielgerichtet verwirklicht und für richtig und notwendig empfunden. 33 Für die DDR hatte die Lösung der „Westberlinfrage“ im Zusammenhang mit den vielen Republikflüchtigen und den gewaltigen ökonomischen Verlusten eine erstrangige politische Bedeutung. Auf diese Frage ist aber Prof. Dr. Prokop bereits ausführlich eingegangen. Ich habe bei meinen Auftritten, auch vor dem bundesdeutschen Gerichten, immer unterstrichen: Zu meiner Verantwortung und zu meiner Biografie stehe ich. Es geht nicht darum, die Verantwortung für die Grenzsicherungsmaßnahmen und die Ereignisse an der Grenze auf Dritte zu schieben. Es kommt darauf an, der historischen Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. - Deshalb habe ich mich so ausführlich mit dieser wichtigen Frage des 13. August 1961 befasst. Bevor ich zu einigen Schlussfolgerungen komme, gestatten Sie mir eine Bemerkung zur Grenzsicherung beider deutscher Staaten: 1. Bis 1990 gab es in beiden deutschen Staaten keine Souveränität auf dem Gebiet der Grenzsicherung. Laut Potsdamer Abkommen trugen hierfür die 4 Siegermächte die Verantwortung. 2. Erst ab dem 12. September 1990, nach Beendigung der 2 plus 4 Gespräche, wurde in Grenzfragen die uneingeschränkte Souveränität eines deutschen Staates, der BRD, durch die vier Siegermächte anerkannt. Bis zu diesem Zeitpunkt standen die Grenzsicherung, die Grenzüberwachung und der Grenzschutz unter dem Vorbehalt der alliierten Siegermächte. Aus meiner Sicht war die Lösung der Westberlin – Problematik keine Angelegenheit der beiden deutschen Staaten. Hier ging es um weltpolitische Probleme, um eine Kraftprobe zwischen den beiden Großmächten. Beide deutsche Staaten waren nach meiner Einschätzung „Zaungäste“ bei der Lösung dieses Problems, bei dem Spiel mit dem Feuer. Beide deutsche Staaten handelten nach den Vorgaben, die sie von den Führungsmächten erhalten haben. Für uns ergibt sich aus meiner Sicht im Zusammenhang mit dem 13. August 1961 folgende Schlussfolgerung: Die militärische Grenzsicherung der Staatsgrenze der DDR zur BRD und zu Westberlin erfolgte in der 40-jährigen Periode des Kalten Krieges im Auftrag des Warschauer Vertrages, im Interesse des Warschauer Vertrages und zum Schutze der Staaten des Warschauer Vertrages. Diese Maßnahmen waren ein wichtiger Beitrag zur Friedenserhaltung in Europa. Jeder Angehörige der Grenztruppen der DDR kann auch heute erhobenen Hauptes und mit Stolz auf seinen geleisteten Ehrendienst zurückblicken. Er hat seine Aufgaben nach dem Recht und den Gesetzen des Staates erfüllt, der von 138 Staaten dieser Welt anerkannt war und der in der UNO einen geachteten Platz eingenommen hat. Die internationale Autorität der DDR war nicht schlechter als die der BRD. Keiner von uns hat in einem „Unrechtsstaat“ gedient! 34 Ich bin fest davon überzeugt: Trotz der vielen Verleumdungen, Diskriminierungen und Kriminalisierungen wird die Geschichte ein gerechtes Urteil über den Beitrag der Grenztruppen der DDR zur Erhaltung des Friedens in Europa fällen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Hans Bauer Liebe Freunde, Gäste, Genossinnen und Genossen! Auf Euern Plätzen findet Ihr eine Wortmeldung von Repräsentanten der DDR zum 20. Jahrestag, darunter auch führenden Militärs. „Auferstanden aus Ruinen“, beginnt sie „und der Zukunft zugewandt“ endet sie. Sie ist an alle führenden Politiker der BRD gegangen, vor allem auch an über 50 Botschaften. Hunderte von Bürgern haben inzwischen unterschrieben; wer von Euch möchte, kann dies auch tun. Diese Wortmeldung hat sehr viel mit unserem Thema zu tun. Ohne die Sicherung der Grenze hätte es, nachdem im Westen ein eigener Staat errichtet worden war, kein „Auferstehen aus Ruinen“ mit den Errungenschaften der DDR gegeben. Und weil das so ist, steht die Grenzsicherung der DDR besonders auf den Angriffsobjekten des Gegners. Seit Monaten erleben wir ein wahres Trommelfeuer von Diffamierungen und Hetze, mit denen die so genannten Jubiläen begangen werden. Ähnliches wird auch 2011, dem 50. Jahrestag der Maßnahmen der Grenzsicherung auf uns zukommen. Und weil wir das wissen, wollen wir nicht erst abwarten, was der politische Gegner sagt, wollen nicht nur reagieren, sondern rechtzeitig agieren. Deshalb möchte ich aus meiner Sicht Einiges zum Herangehen der GRH an diese Fragen inhaltlich wie auch schlussfolgernd sagen: Als Erstes: Nur der Klarheit wegen betone ich hier, die grundsätzliche Position der GRH zu den Grenzsicherungsmaßnahmen generell wie zu den Maßnahmen des 13. August 1961 im Besonderen, zu ihren Ursachen, Notwendigkeiten und Maßnahmen sind eindeutig und klar. Die politischen und militärischen Entscheidungen zur Sicherung der Staatsgrenze dienten dem Schutze der DDR und des sozialistischen Lagers. Dazu waren auch einschneidende Maßnahmen gegenüber den DDR-Bürgern notwendig. Im Interesse aller Bürger des Staates. Aber gerade dies rechtfertigte zu keinem Zeitpunkt, der DDR das Recht auf eine Art Notwehr abzusprechen. Und gar die Handlungen zu kriminalisieren. Nichts von dem, was die Mehrzahl unserer Genossen, die in Gerichtsverfahren angeklagt und verurteilt wurden, dort vorgebracht haben, wird zurückgenommen oder etwa unter dem Gesichtspunkt allein der Verteidigung relativiert. Ich meine sogar, wir müssen ihnen dankbar sein, dass sie so standhaft unser aller Interessen und Ehre vertreten haben und nicht – wie einige wenige – zur Rettung ihrer eigenen Haut kleinlich beigegeben haben. Damit haben sie bereits einen wertvollen Beitrag zur historischen Wahrheit geleistet. Zweitens: Über das Anliegen der Grenzsicherung besteht in unseren Reihen völlige Übereinstimmung. Es war sozusagen mehrdimensional, von der Friedenssicherung bis zur ökonomischen Aufgabe. Ja, es ist eben eine völlige Entstellung durch westliche Propaganda, wenn es dort immer wieder heißt: „Hauptzweck war die Verhinderung der Flucht aus der DDR durch deren Einwohner, die dort als „ungesetzlicher Grenzübertritt“ (Republikflucht) unter Strafe stand“. Für jeden logisch Denkenden ist wohl klar, die Verletzung eines Gesetzes 35 muss eine Ahndung nach sich ziehen. Und hier ging es um existentielle Fragen der DDR. Abgesehen davon, dass die Friedenssicherung in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt wird, wird ignoriert, dass auch bei der Verhinderung ungesetzlichen Grenzübertritts u.a. handfeste ökonomische Interessen der DDR dahinter standen. Drittens: Der Westen tönt: „Die DDR-Propaganda bezeichnete die Mauer, wie auch die gesamte Grenzsicherung zur Bundesrepublik, als antifaschistischen Schutzwall". Selbst LINKE betrachten die Bezeichnung „antifaschistischer Schutzwall“ oft als falsch bzw. überhöht. Ich meine, diese Einschätzung lässt die konkrete damalige Situation außer Betracht. Tatsächlich war die Situation Ende der 50-er / Anfang 1960 von faschistoiden Merkmalen in der BRD gekennzeichnet. Ich erinnere an die Kommunistenverfolgung in der BRD, an die Faschisten und Nazis in höchsten Ämtern (der Globke-Prozess 1964 in der DDR markierte diese Entwicklung besonders deutlich), an die Unzufriedenheiten progressiver Kräfte, besonders der Studenten, gegen die Wiederbelebung militaristischer und faschistischer Entwicklungen. Hüten wir uns also davor, selbst der Anti-DDR-Propaganda zu erliegen. Viertens: Ich bin davon überzeugt – und der bisherige Verlauf des Treffens bestätigt es – dass das Thema noch lange nicht erschöpft ist. Auch die Prozesse waren nicht geeignet – wie oft behauptet wird – die Geschichte aufzuarbeiten. Allgemein anerkannt: Historische Prozesse lassen sich nicht mit dem Strafrecht aufklären. Dazu dient kein StGB, notwendig ist wissenschaftliche Arbeit. Es bleibt die Forderung, Erkenntnisse zu vertiefen und um weitere Wahrheiten zu bereichern. Falsch wäre es auch aus unserer Sicht zu sagen, es ist alles gesagt. Mehrfach wurde in verschiedenen Diskussionen die Frage nach der Kompetenz aufgeworfen. Wer ist kompetent? Da, liebe Freunde und Genossen, sollte niemand die Wahrheit allein für sich beanspruchen. Schutz der Staatsgrenze war, wie unsere Verfassung forderte, gesamtgesellschaftliches Anliegen. Damit war dies weder nur eine Aufgabe der Grenztruppen oder gar nur einzelner Verantwortlicher. Für uns ist jeder, der sich um die Wahrheit bemüht, wichtig. Deshalb legen wir auf jede Meinung und Position, die uns weiter helfen, wert. Aber wichtig: Überlassen wir das Feld nicht der Gegenseite. Fünftens: Aus dem Gesagten ergibt sich für mich zwangsläufig, dass wir uns dem Thema weiter widmen müssen. Unter uns und vor allem offensiv und überzeugend nach außen. Das bedeutet, dass wir als GRH das Thema Sicherung der Staatsgrenze in geeigneter Weise weiter bearbeiten werden und jeder aufgerufen ist, sich aktiv zu beteiligen. Beabsichtigte zielgerichtete Gespräche zum Thema müssen offen und tolerant geführt werden. Wo, wenn nicht unter uns, ist das Gremium, in dem wir um Klarheit und Festigkeit in unseren Argumenten ringen. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich insbesondere 2011 für uns? 1. Die von der AG Grenze der GRH initiierten Gespräche zur Grenzsicherung sollte mit Beteiligung vieler Interessierten fortgesetzt werden. 2. Weitere Publikationen zur Problematik sind unbedingt notwendig. Der Verleger Frank Schumann forderte kürzlich im OKV mehr Publikationen zu diesem Thema. Bereits vorhandene Veröffentlichungen sind intensiver zu nutzen. Ja, Aufklärung unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten ist dringend gefragt. Das betrifft generell unsere Öffentlichkeitsarbeit. Sie muss sich stärker auf diesen Gegenstand beziehen. In der Auseinandersetzung nimmt die Grenzsicherung einen zentralen Platz ein. Nicht zufällig standen die Verfahren zu diesem Gegenstand mit am Anfang der Verfolgungen. Das erste Urteil des BGH erfolgte gegen einen Grenzer. Die Staatsgrenze der DDR war für die 36 BRD der neuralgischste Punkt ihres Anspruchs auf ganz Deutschland. Hier wurden dem deutschen Imperialismus im wahrsten Sinne des Wortes Grenzen gesetzt. 3. Die strafrechtlichen Verfolgungen sind systematisch auszuwerten. Eine große Hilfe dabei wird das in Kürze erscheinende Buch von Erich Buchholz „DDR-Strafrecht unterm Bundesadler“ sein. Darüber hinaus sind aber viel stärker oder aber überhaupt erst einmal die Prozessdokumente – Anklagen, Erklärungen, Urteile u.a. – auszuwerten. Wir würden es sehr begrüßen, wenn sich auch Historiker und andere Wissenschaftler damit befassen. Unsere Archive sind offen. 4. Erfahrungen und Erkenntnisse unserer Insider, also der Grenzer im weitesten Sinne, müssen noch systematischer festgehalten werden. Zu viele Freunde haben ihr Wissen leider schon mit ins Grab genommen. So dass manches Wertvolle – wie es sich unser Gegner wünscht – dem Vergessen anheim fällt. Bei allen Bemühungen der GRH seit 1993, personell und aus anderen Gründen, sind uns Grenzen gesetzt. Wir danken der Initiative der IGRA, die sich auf diesem Felde engagiert und verdient macht. 5. Bei all unseren Betrachtungen und Argumenten müssen wir Internationale, auch völkerrechtliche Aspekte stärker beachten. In den Verfahren wurde deutlich, dass diese Fragen von den Gerichten weitgehend ausgeblendet blieben. Bekanntlich wurden entsprechende Anträge abgelehnt, Aussagen dazu gering geschätzt. Das ist erklärbar, hätte doch deren Berücksichtigung die Sicherung der Staatsgrenze in einem anderen Lichte erscheinen lassen. In diesem Zusammenhang verdienen Rolle und Status Westberlins besondere Beachtung. Bis heute wird zu dem Sonderstatus Westberlins öffentlich kaum etwas gesagt. Dabei ist die BRD bemüht, auch nachträglich Westberlin wie ein weiteres Bundesland darzustellen. 6. Die begonnene internationale Zusammenarbeit, besonders mit unseren früheren Waffenbrüdern, sollte weiter gestärkt werden. Besonders die tschechischen Grenzer standen ja an der gleichen Frontlinie wie wir. Hier ist Zusammenarbeit unverzichtbar. Der internationalen Verflechtung von Kapital und Reaktion ist unser Internationalismus entgegenzusetzen. 7. Genossen! Vergessen wir nicht unsere Solidarität mit den Verfolgten und Verurteilten. Nach wie vor haben Grenzer, Angehörige der Sicherheitsorgane und Politiker Kosten aus ihren Verfahren, der „Strafe nach der Strafe“, zu zahlen. Wenn wir im nächsten Jahr das Thema „Staatsgrenze“ zu einem Hauptthema unserer Arbeit machen, dürfen Respekt vor und Solidarität mit jenen, die die Hauptlast der Verfolgungen nach 1990 getragen haben, nicht fehlen. Und, liebe Genossen, vergessen wir jene Mitkämpfer nicht, die an der Grenze für die DDR ihr Leben gelassen haben. Geschichte lebt von Erinnern. Welche Rituale gibt es inzwischen zum Gedenken an Grenzverletzer, die beim gesetzwidrigen Handeln an der Grenze leider ums Leben kamen. Hunderte von Kreuzen u.a. Gedenkstellen wurden errichtet. Wir haben uns gestern mit den tschechischen und polnischen Freunden einen aktuellen Eindruck verschafft. Wo ist das ehrende Gedenken an unsere getöteten Grenzer? In Tschechien gibt es bereits Erinnerungsstätten. Wäre es nicht längst Zeit, solche in geeigneter Weise auch hier zu schaffen? Der Getöteten jährlich vielleicht an einem bestimmten Tag und Ort zu gedenken? Über Vorschläge aus Euern Reihen wären wir dankbar. 8. Liebe Freunde! 2011 muss für uns ein Jahr der Offensive auf diesem Gebiet werden. Wir beabsichtigen, mit Hilfe von Verbündeten im Frühsommer eine größere Veranstaltung in 37 Südthüringen vorzubereiten, die sich mit den Grenzsicherungsmaßnahmen befasst. Das Grenzertreffen 2011 muss ein weiterer Höhepunkt beim Thema „Schutz der Staatsgrenze der DDR“ werden. Karl-Heinz Kathert Lieber hätte ich vor der Mittagspause gesprochen. Warum sage ich später. Mit Rücksicht auf die Zeit und weiterer Diskussionsredner möchte ich mich kurz zu drei Problemen äußern. Erstens: Zunächst danke ich Genossen Prof. Dr. Siegfried Prokop für seine überzeugende Darstellung der politischen Umstände, die zu unseren grenzsichernden Maßnahmen am 13. August 1961 führten. Es stimmt: Die historische Einordnung und Wertung kann und darf nicht nur anhand der an diesem Tag vollzogenen Einführung eines Grenzregimes zu Westberlin und der militärischen Sicherung der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin und zur BRD erfolgen. Auch ich habe Verständnis dafür, dass er sich nicht zu den damaligen Handlungen der Deutschen Grenzpolizei und der anderen beteiligten bewaffneten Kräfte äußerte. Als Zeitzeuge möchte ich als Ergänzung und zur Erinnerung sagen: Grenzsicherung gab es nicht nur gegenüber Westberlin und an der Grenze zur Bundesrepublik. Die DDR hatte auch Grenzen im Osten gegenüber der Volksrepublik Polen, im Süden gegenüber der CSSR und im Norden die Seegrenze. Ich war in der Zeit um den 13. August 1961 Stellvertreter des Kommandeurs und Leiter des Politorgans der damaligen 7. Grenzbrigade der Deutschen Grenzpolizei. Diese Grenzbrigade hatte die Aufgabe, den gesamten Abschnitt der Oder-Neiße-Friedensgrenze mit einer Länge von 460,608 Kilometern zu sichern. Der Stab der Grenzbrigade mit dem Standort Frankfurt/Oder war für die Führung der Grenzbereitschaften Görlitz und Löcknitz, der selbständigen Grenzabteilung Frankfurt/Oder, dem selbständigen Kontrollpassierpunkt Frankfurt/Oder, der Unteroffiziersschule Frankfurt/Oder und der Ausbildungseinheit Oderberg verantwortlich. Sie wirkte in freundschaftlicher Verbundenheit eng mit dem befreundeten Grenzschutzorgan WOP der Volksrepublik Polen zusammen; konkret mit den drei polnischen Grenzbrigaden Lubin, Krosno und Szczecin. Ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der Grenzsicherung an der Ostgrenze der DDR war die Umgruppierung, de facto Auflösung der 7. Grenzbrigade, in der zweiten Hälfte des Jahres 1961. Kern dieser Umgruppierung war die Reduzierung der Grenzsicherungskräfte zu einer Grenzüberwachung sowie die Versetzung der Hauptkräfte zur neu gebildeten 5. Grenzbrigade (Kalbe/Milde) an der Staatsgrenze zur Bundesrepublik und von Teilen zum Ring um Berlin. Zur Gewährleistung der dann erfolgten Grenzüberwachung des gesamten Grenzabschnittes wurde die 18. selbständige Grenzbereitschaft Frankfurt/Oder unter Leitung von Oberstleutnant Gustav Gaing neu gebildet. Im Abschlussbericht vom 13. September 1961 konnte eingeschätzt werden, dass die Umgruppierung reibungslos und die Märsche zu den neuen Standorten ohne Vorkommnisse erfolgte. Das diese Ergebnisse erreicht werden konnten verdanken wir dem aktiven Mitwirken der vielen Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere aus den Stäben und Einheiten. 38 Hervorheben möchte ich, dass bis auf geringe Ausnahmen alle Genossen ihre Bereitschaft erklärten, nunmehr auch ihrer Verantwortung zum zuverlässigen Schutz der Staatsgrenze der DDR zur Bundesrepublik und zu Westberlin gerecht zu werden. Und das unter den Bedingungen des freiwilligen Dienstes in der Deutschen Grenzpolizei. Hochachtung vor diesen Grenzern. Später traf ich viele meiner Genossen von der Ostgrenze an der Westgrenze wieder, als ich Ende der 60er Jahre Stellvertreter des Kommandeurs und Leiter der Politabteilung der damaligen 5. Grenzbrigade in der Altmark wurde. Die Umgruppierung betraf damals auch die an der Grenze zur CSSR handelnde 8. Grenzbrigade und Teile der an der Seeküste der DDR eingesetzten 6. Grenzbrigade. Ich wünsche mir, dass beim Schreiben der Geschichte der Grenzsicherungsorgane der DDR diese großartigen Leistungen der Angehörigen der 6., 7. und 8. Grenzbrigade der Deutschen Grenzpolizei gebührende Beachtung finden. Zweitens: Nun zu dem, worüber ich gerne vor der Mittagspause sprechen wollte. Zur Wahrung der ruhmreichen Traditionen unserer Grenztruppen gehört auch die Würdigung besonders verdienstvoller Grenzer, voran derer, die bedeutende Funktionen ausübten. Da ich in bisherigen Publikationen dazu wenig lesen konnte, bemühte ich mich mit Oberstleutnant a.D. Günter Freyer den Anfang zu machen. Wir brauchten nicht lange zu überlegen, mit wem wir beginnen wollen. Wir entschieden uns für Generalmajor Walter Breitfeld. Deshalb, weil wir von 1957 bis 1962 als junge Offiziere der Deutschen Grenzpolizei ihm in der Politischen Verwaltung direkt unterstellt waren und ihn als Mensch, Genossen und Vorgesetzten schätzen und achten gelernt haben. Dank der Unterstützung durch den Chefredakteur der Zeitschrift RotFuchs, Genossen Steiniger, erscheint in der November Ausgabe 2010 auf der Seite 11 unser Artikel mit dem Titel „Arbeitergeneral Walter Breitfeld. Vorbild als Mensch, Genosse und Kommandeur.“ Mitstreiter vom RotFuchs haben anlässlich des heutigen Tages die ersten Exemplare vorzeitig zu unserem heutigen Grenzertreffen mitgebracht. An ihrem Bücherstand könnt ihr euch in der nächsten Pause bedienen. Möge unsere Publikation Ansporn dafür sein, weitere bewährte Grenzer aus unseren Reihen persönlich zu ehren. Drittens: Zu unserer Zusammenarbeit mit der Sektion der Grenzschützer im Klub ceskeho Pohranici (KCP) verweise ich auf die Rede unseres tschechischen Freundes Oberst a.D. Dr. Milan Richter. Das, was er zum Ausdruck brachte, kann ich unsererseits vollauf bestätigen. Abschließend dazu noch ein kurzer Hinweis: Unsere Zusammenarbeit hat bereits eine gute Tradition. Die in den zurückliegenden Jahren erfolgten beiderseitigen Aktivitäten sind inzwischen in einer umfangreichen Chronik veröffentlicht. Sie können auf unserer Internetseite unter www.grenztruppen-der-ddr.de nachgelesen werden. Ich bedanke mich. 39 Rechtsanwalt Jürgen Strahl Die BRD hat in der Auseinandersetzung mit der DDR stets betont, dass sie der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches sei. Es versteht sich von selbst, dass wir bei diesem Begriff an alle Begleiterscheinungen der vorangegangenen Staaten denken. Aus diesem Grunde praktizierte sie auch die Hallstein-Doktrin, um zu verhindern, dass Drittstaaten die DDR und damit ihre Friedenspolitik anerkannten. In diesen Tagen lesen wir mit Überraschung, dass Joschka Fischer als Außenminister plötzlich auffiel, dass das Auswärtige Amt der BRD von ehemaligen Nazis durchsetzt war und an der faschistischen Außenpolitik des Rechtsvorgängers bis hin zur Judenvernichtung mitwirkte. Bei positiver Betrachtungsweise könnte man zu dem Schluß kommen, dass die Bundesrepublik nunmehr endlich mit der faschistischen Vergangenheit aufräumen möchte. Dazu schlachtet sie selbst heilige Kühe, wie die Außenpolitik von Willy Brandt 1966 bis 1969 unter der Regierungszeit von Kurt-Georg Kiesinger. Der heutige Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag mit Namen Steinmeier geht so weit, dass er Willy Brandt wegen einer Belobigung eines Mitarbeiters mit brauner Vergangenheit schilt. Er beweist damit, dass er für seine Tätigkeit nur sehr wenig qualifiziert ist, wenn nicht gar dumm. Unter Bundeskanzler Adenauer verabschiedete der Deutsche Bundestag 1952 das Entnazifizierungsbeendigungsgesetz. Dies war der Beginn einer durchgreifenden Durchsetzung des gesamten Staates bis hin zur Lehrerschaft mit braunen Gefolgsleuten. Steinmeier leitete einmal das Auswärtige Amt. Dabei müsste ihm bekannt sei, dass der zweite Außenminister, ein Gerhard Schröder, als ehemaliger SA-Mann Außenminister war, somit vom Bundespräsidenten ernannt und vom Parlament bestätigt. Dieser baute das Auswärtige Amt auf. Da er keine anderen kannte, musste er seine braunen Kumpanen von früher verwenden. Sie hatten ja die gleiche Gesinnung und entsprechende Verdienste. Nach der vorgestern veröffentlichten Studie über das Auswärtige Amt befanden sich bereits 1950 mehr ehemalige NSDAP-Mitglieder in leitenden Funktionen als während des Dritten Reiches. Zum Namen Nüßlein wurde mitgeteilt, dass dieser, nachdem er als Leitender Staatsanwalt in Prag für zahlreiche Todesurteile verantwortlich war, 1945 von den Tschechen zu 20 Jahren Haft verurteilt und 1952 in die BRD entlassen wurde. Dort erhielt er eine Haftentschädigung, obwohl seine Verurteilung in der CSR wegen Kriegsverbrechen erfolgt war, und eine Anstellung im Auswärtigen Amt. Allein durch die Entschädigungsakte musste bekannt sein, dass er eine faschistische Vergangenheit hatte. Dies nur beispielhaft dargestellt. Nun wird versucht, den Eindruck zu erwecken, als seien dies Einzelbeispiele. Joschka Fischer ging soweit, dass er das Auswärtige Amt des Dritten Reiches als verbrecherische Organisation bezeichnete, die als Organisationsform im Widerspruch zum Potsdamer Abkommen fortexistierte. Dies allerdings in der BRD. Dies gilt aus unserer Sicht mit Sicherheit auch für das Bundeskanzleramt unter Globke, für das Bundesverteidigungsministerium unter Blank und Strauß, für die Bundeswehr insgesamt unter den Generalen Speidel und Heusinger. Das Bundesjustizministerium kann schon deshalb keine Ausnahme bilden, weil ja die Richter des Dritten Reiches ebenfalls weiter verwendet wurden. Zum Bundesinnenministerium und dem Bundeskriminalamt sind gleichermaßen solche Tendenzen bekannt. Man könnte behaupten, die Bundesrepublik befand sich von Gründung bis zumindest 1968 in der Hand der alten faschistischen Kräfte. Wenn sie aber in ihrer Gründungszeit von solchen Leuten geprägt wurde, werden ihre Erscheinungsformen auch noch heute aufzufinden sein. Die nachfolgenden Generationen, die von den Alten erzogen und profiliert wurde, bis hin zur Richterschaft, folgten diesen Idealen und praktizieren diese gegenüber ehemaligen DDRBürgern. Bei dieser Sachlage wird uns im Nachhinein bestätigt, dass unser antifaschistisches Feindbild berechtigt war. Auch die Bezeichnung „Antifaschistischer Schutzwall“ erfährt nun eine bundesamtliche Bestätigung. Dies, obwohl wir schon lange Mauer dazu sagten. Es wird 40 Zeit, dass für die entsprechenden Bundesbehörden ähnliche Analysen angefertigt werden. Das Ergebnis wird erschreckend sein. Zum Bundesnachrichtendienst lagen solche Analysen schon den Amerikanern vor Übergabe der Organisation Gehlen als Bundesnachrichtendienst an die deutsche Regierung im ausreichenden Umfang vor. Auch hier erfolgte eine prinzipielle Weiterverwendung wegen der Osterfahrung. Unsere politische Aversion gegen die BRD hatte schon immer ihre eigentlichen Ursachen in diesem Prozeß der Faschisierung. Im übrigen hat sich Adenauer öffentlich dazu geäußert, dass seine Rehabilitierungspolitik für die alten Nazis ausschließlich deshalb stattfand, weil er diese Leute für den Staatsaufbau der BRD dringend benötigte, denn mit Antifaschisten und Kommunisten wollte das der rheinische Separatist nicht machen. Erst in der Ära von Kiesinger konnte Willy Brandt Außenminister werden, da die alte aggressive und antikommunistische Politik der BRD im Kern abgewirtschaftet hatte. Willy Brandt wurde Außenminister unter dem Altnazi Kurt-Georg Kiesinger, der bekanntermaßen wegen seiner braunen Vergangenheit von Beate Klarsfeldt öffentlich geohrfeigt wurde. Es ist kaum anzunehmen, dass Kiesinger unter Neuausstattung des Auswärtigen Amtes mit unbelasteten Mitarbeitern zugestimmt hätte, wenn seine braunen Kumpane plötzlich auf der Straße gestanden hätten. Und Filbinger bekam ein Staatsbegräbnis schon in diesem Jahrhundert, obwohl seine faschistische Vergangenheit allgemein bekannt war. Ich erinnere daran, dass der heutige EUKommissar Öttinger ihn seiner Zeit zum Widerstandskämpfer umwidmen wollte. Ich hatte dazu an dieser Stelle zeitnah Ausführungen gemacht. Joschka Fischer hat als Außenminister eine Studie losgetreten, die wohl ein Alibi für Vergangenheitsbewältigung BRD sein soll. Sie ist aber letztendlich nur ein Feigenblatt, um die weitere Verfolgung ehemaliger DDR-Bürger zu rechtfertigen. Diese Verfolgung und Diskriminierung dauert nunmehr schon 20 Jahre an, und es ist kein Ende abzusehen. So kann die Einheit Deutschlands nicht hergestellt oder gestaltet werde. Vor diesem faschistoiden Staat schützte die Mauer die Bürger der DDR, auch wenn sie für Alle große Erschwernisse mit sich brachte. Es war der Garant für soziale Sicherheit in unserem Staat. Millionen ehemaliger DDR-Bürger können auch heute nicht nach Mallorca reisen, weil sie kein Geld haben und froh sein müssen, dass sie nicht zum Brückenpenner abgleiten. Für das Plattmachen der sozialen Grundlagen unserer Existenz gibt es bereits zahlreiche Literatur. Genannt seien hier „Raubzug Ost“ von Klaus Huhn und „Es reicht“ (beides edition ost). Klaus Huhn erläutert uns die Machenschaften der Treuhand. Die dicksten Dinger hat er nicht aufgeschrieben. Die Privatisierung von Schwedt und die Verschacherung der Handelsbank AG 1990. Die Vernichtung unseres Volkseigentumes war zu keinem Zeitpunkt der Unkenntnis oder Fahrlässigkeit der Wessis in der Treuhand geschuldet. Es war eine vorsätzliche Aktion, die für alle Zukunft ausschließen sollte, dass der Einheitsprozeß wegen der Enttäuschung der Menschen und ihrer Verelendung rückgängig gemacht wird. Die Frage steht heute, nicht die Mauer wieder aufzubauen, sondern wie werden wir die BRD wieder los? Gerd Hommel Liebe Freunde, Genossen Soldaten, Offiziere und Generale, Mitstreiter an unterschiedlichen Kampfabschnitten für eine Zukunft in Frieden und im Sozialismus! Ich danke herzlich für die Einladung zum Herbsttreffen der AG Grenze der GRH. 41 Nun bin ich in einer Person dreimal hier: • als Waffenbruder der Grenzer der DDR, ausgezeichnet mit der “Medaille für vorbildlichen Grenzdienst“; d. h. konkret: für die Bekämpfung der Menschenhändlerbanden mit den spezifischen Mitteln und Methoden des Ministeriums für Staatssicherheit, • als Vorsitzender der TAG Dresden der GRH die Satzungsziele der GRH in ihrer Gesamtheit in der Region zu verwirklichen, • als Bundesvorsitzender des „Revolutionären Freundschaftsbundes Ernst Thälmann und Kameraden“ e. V. (RFB) In meiner Verantwortung an der Spitze des RFB überbringe ich herzliche Grüße der engen solidarischen Verbundenheit unserer tschechischen und deutschen Verbandsmitglieder mit den ehemaligen Grenzern der DDR, die sich auch in dieser Zeit der Konterrevolution als Kämpfer für die sozialistischen Ideale bewähren. Seit 15 Jahren gibt es den RFB e. V. . Und seit 15 Jahren verteidigen unsere Mitglieder und Sympathisanten das politische Vermächtnis Ernst Thälmanns, das den Machtinteressen der Konzerne und Großbanken und ihren Politikern in den Parteien und Regierungen aller Ebenen sowie den vielfältigen Interessenvereinigungen des Kapitals ein Dorn im Auge ist. Die Interessen der Machtstrukturen des Kapitals und die Interessen der Werktätigen und Schichten des Volkes, die den Reichtum schaffen und dafür immer mehr ausgebeutet und unterdrückt werden, sind unversöhnlich. Daran ändern auch die vielfältigen Beschwörungen der Sozialpartnerschaft und das ganze über die Medien verbreitete Lügengespinst nichts, mit dem die Gesellschaftskrise schöngeredet und die sozialistischen Ideale verunglimpft werden. Worin besteht das Problem? Der Druck aus sozialer Ungerechtigkeit und die Angst vor Verlust der sozialen Sicherheit und vor Repression bei Illoyalität beherrschen große Teile der Bevölkerung. Sie verhindern noch, dass die Krisenerscheinungen als Systemkrise des Kapitalismus erkannt und bewusst werden. So erklärt sich, dass der Widerstandswille noch zu schwach ausgeprägt und die Beteiligung an Kampfaktionen noch nicht mit dem Bewusstsein verbunden ist, dass Kampferfolge gegen unsoziale Maßnahmen als aktuelle Ziele wichtig sind, doch soziale Gerechtigkeit und Achtung der Menschenwürde erst durch Veränderung der Machtstrukturen und Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft möglich sind. Wie die Aufgabe lösen? Die Klasse der Produktionsmittel Besitzenden handelt als Klasse. Die Ausgebeuteten sind sich ihrer Lage zum großen Teil noch nicht bewusst und die bewussten Kräfte sind so zersplittert und zum Teil desorientiert, dass sie vor allem mit sich beschäftigt sind und nicht einheitlich so handeln, dass sie bedeutenden Einfluss in der Gesellschaft erlangen. Getreu der Erkenntnisse der von Marx, Engels, Lenin begründeten Gesellschaftswissenschaften und der historischen Erfahrungen aus den Klassenkämpfen: erklären wir den Willen, unsere Kräfte in SOLIDARISCHEN AKTIONEN gegen den gemeinsamen Feind, die imperialistische Politik der Rüstung, der militärischen Interventionen und Okkupationen, des Sozialabbaus und der politischen Unterdrückung zu vereinen mit dem Ziel, die ideologischen Voraussetzungen für grundlegende gesellschaftliche, d. h. Machtveränderungen für eine sozialistische Entwicklung zu entwickeln. Diese Erkenntnis und Erfahrung heißt: die Aktionseinheit aller kommunistisch orientierten Kräfte herstellen, unabhängig davon, in welcher kommunistischen Partei, Plattform, 42 Organisation, Gruppierung sie organisiert sind. Diese Gemeinsamkeit wird unsere Glaubwürdigkeit und unseren Einfluss vergrößern – eine Voraussetzung, die Aktionseinheit gegen faschistische Entwicklungen, die Aktionseinheit gegen Kriegspolitik, die Aktionseinheit in der Durchsetzung der sozialen Rechte der Werktätigen wirksamer zu formieren. Das ist selbstverständlich in den Strukturen auch als eine Leitungsverantwortung zu sehen. Wer sich bekennt, Kommunist zu sein, kommt um diese Erkenntnis zum Handeln nicht herum. So verstehen wir das politische Vermächtnis Ernst Thälmanns. Und der Zusammenhang mit dem heutigen Thema „50. Jahrestag der militärischen Sicherung der Staatsgrenze der DDR“ als Auftakt zu den zu erwartenden verschärften Auseinandersetzungen? Klasseninteressen stehen sich gegenüber! Das gilt es bewusst zu machen. Die ehemaligen Grenzer der DDR wie die ehemaligen sozialistischen Grenzschützer der Tschechoslowakei und Polens haben in Ausübung ihres Dienstes für das sozialistische Heimatland und die sozialistische Staatengemeinschaft in vorderen Linien des Klassenkampfes politische Erfahrungen erworben, die sie in hohem Maße befähigen, sich auch heute mit an die Spitze zu stellen und im Geiste des proletarischen Internationalismus für die Aktionseinheit überzeugend einzutreten. Deshalb ist es wohl kein Zufall, dass die AG Grenze der GRH und die Abteilung Grenzschützer des Klubs der tschechischen Grenzregionen KCP in der politischen Klassenauseinandersetzung solche Aktivposten sind. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass der RFB als internationale Organisation mit der deutschen und tschechischen Sektion bei der Verteidigung des politischen Erbes Ernst Thälmanns in der GRH und im KCP aktive Unterstützer findet. Dafür danken wir und wollen dieses Kampfbündnis weiter ausgestalten und erweitern. Heute sind hier deutsche und tschechische RFB – Mitglieder anwesend, die auch in persönlichen Gesprächen meine Ausführungen bekräftigen können und werden, die schon bei den jüngsten Höhepunkten Ausdruck fanden: beim internationalen Traditionstreffen antifaschistischer Generationen in Malá Úpa (August 2010) und (Oktober 2010) in der Jahresmitgliederversammlung des RFB mit Gästen in Teplice. Mit einer Bitte schließe ich mein Grußwort: Liebe Genossen und Freunde, wer über den Erzgebirgskamm reist, sollte nicht versäumen mit Blumen zu einem Gedenken am Grenzerdenkmal in Cinovec zu verweilen. Dieser Treffpunkt ist auch sehr geeignet für kollektive Begegnungen. Die Jahresmitgliederversammlung des RFB z. B. klingt seit der Weihe des Denkmals in neuer Tradition mit einem Treffen der tschechischen und deutschen Teilnehmer aus. Solche internationalen Begegnungen lassen sich kulturell eindrucksvoll gestalten und erweisen sich als Kraftquell im politischen Klassenkampf. Schließen wir unsere Reihen noch enger und gewinnen neue Mitkämpfer. Unsere Feinde werden uns nichts schenken. Daher bleibt es dabei: dem Klassenfeind wird nicht vergeben. Alles Gute! Rot Front! 43 Horst Liebig Gedanken zum Gesprächskreis „Geschichte der Grenztruppen der DDR“ Mit Bezug auf das Thema des heutigen Grenzertreffens will ich einige Initiativen, Gedanken und Ideen hier vortragen, die vom Inhalt her sich unter anderem auch mit dem 13. August 1961 beschäftigen werden. Am 3. September 2010 fanden sich in Berlin auf Einladung der AG Grenze der GRH einige Genossen aus den TAG und auch einige Sympathisanten zusammen, die über die Gründung eines Gesprächskreises „Zur Geschichte der Grenztruppen der DDR“ berieten. Schon in der wochenlangen Vorbereitung auf dieses Treffen wurde lebhaft das Für und Wider dieses Projektes debattiert. Der Gesprächskreis will gegen die allenthalben geübte Praxis der Geschichtsverfälschung, der Verunglimpfung und der Diskriminierung der DDR und ihrer Grenztruppen durch den Mainstream, getragen vom vorherrschendem Zeitgeist, offensiv Paroli bieten. Warum gerade jetzt die Bildung eines solchen Gesprächskreises? Bekanntlich existieren schon viele Publikationen verschiedener Art zum Thema. Ehemalige Grenzer meldeten sich zu Wort, schrieben ihre Biografien, gaben Zeitzeugenberichte ab, untersuchten bestimmte Entwicklungsperioden der Grenztruppen und des Grenzregimes, setzten sich offensiv mit feindlichen Auffassungen auseinander. Kurzum, viel Richtiges und sachlich Fundiertes liegt zur Geschichte der Grenztruppen und bestimmter Ereignisse an unserer Staatsgrenze schon vor. Einige aus unseren Kreisen meinen: Es ist ja schon alles gesagt. Stimmt das? Ich meine nein. Es gibt auch Stimmen, die machen uns den Vorwurf, wir wollten eine Kurskorrektur. Wir wollten nur eine Fehlerdiskussion. Beides stimmt nicht. Wir wollen keine Kurskorrektur. Eines steht doch fest: Geschichtsschreibung ist nicht für die Ewigkeit fixiert. Es gibt immer wieder neue Erkenntnisse und Erfahrungen. Die Geschichte ist eben immer wieder zu hinterfragen. Archive öffnen sich, wenn auch nur zögerlich, neue Zusammenhänge und Hintergründe werden sichtbar. Zwei Beispiele im Zusammenhang mit dem 13. August 1961: • Auf der Grundlage bislang nicht zugänglicher amerikanischer, britischer und deutscher Akten untersuchte Dr. Rolf Steiniger in seinem Buch „Der Mauerbau“ die Phase des Ost/West-Konfliktes 1958-1963. Daraus ergaben sich zum Teil völlig überraschende und aus deutscher Sicht in Ost und West oft auch deprimierende Erkenntnisse. • 2009 machte Dr. Mathias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau das von ihm im Moskauer Staatsarchiv für Zeitgeschichte entdeckte 20-seitige Wortprotokoll eines langen Telefonats am 1. August 1961 zwischen Nikita Chruschtschow und Walter Ulbricht öffentlich, das nach seiner Meinung die Rolle der UdSSR vor, während und nach dem 13. August 1961 in neuem Licht erscheinen lässt. Jeder kann sich selbst ausmalen, der an der historischen Wahrheit interessiert ist, daß solche Forschungsergebnisse Anlass sein werden, neue Fragen dazu zu stellen. Im Übrigen, die Geschichte der Antike wurde im Laufe der Zeit schon mehrmals neu bewertet. Eine Kurskorrektur hieße doch, die historisch - materialistische Sicht des Marxismus aufzugeben. Und genau das wollen wir eben nicht. 44 Unser Ausgangspunkt bei der Betrachtung und Wertung der Geschichte der Grenztruppen war und ist immer die marxistische, die dialektisch- historisch- materialistische Sicht. Auch wenn seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts der Historische und Dialektische Materialismus, die Theorie des Marxismus-Leninismus in gewissen Kreisen – leider auch unter einigen Linken – als verpönt, altmodisch und überholt angesehen wird. Dieser Standpunkt ist bestimmt vom Verständnis, das jederzeit ausgeht von der Illegitimität der Herrschaft des Kapitals, seiner bürgerlichen Herrschaft und ihrer in Recht gegossenen kapitalistischen Ausbeutung, und es ist das Verständnis, daß jederzeit die historische Legitimität und Notwendigkeit des Kampfes für eine Gesellschaft ohne kapitalistische Ausbeutung, ohne Not und Elend für eine friedliche Gesellschaft im Auge hat. Wir wollen auch nicht die Geschichte der Grenzpolizei und der Grenztruppen etwa erneut darstellen. Wir wollen eine objektivere Einschätzung der Vorgänge an der Staatsgrenze, einschließlich der zu beklagenden Opfer versuchen. Kritisch und selbstkritisch soll die Geschichte der Grenztruppen hinterfragt und die historisch berechtigte vom Völkerrecht getragene Sicherung und der Schutz der Staatsgrenze der DDR und die Wahrung von Ordnung und Sicherheit im Grenzgebiet dargestellt werden. Dabei erfüllten die Grenztruppen der DDR einen berechtigten und historisch alternativlosen Auftrag, den ihnen die vom Volke - in einer demokratischen Volksabstimmung 1968 bestätigten – Verfassung auferlegte. Wir wollen auch nicht im Sinne des Wortes eine Fehlerdiskussion. Wolfgang Harich sagte 1993 in einer Rede folgendes: „Die alte SED folgte der Maxime, Fehler im Voranschreiten zu überwinden, möglichst ohne darüber zu reden. Ein Verstoß gegen die Lehren Lenins. Es wäre schlimm, wenn das jetzt wieder geschähe.“ Unser Kampf gegen die herrschende politische Klasse, ihrer Siegerjustiz über die DDR und unsere berechtigte Forderung, Schluss zu machen mit der politischen Verfolgung, Diskriminierung und Delegitimierung der DDR sollte mit einschließen, die Kritik an eigenen Fehlern. Die fehlende öffentliche Diskussion von Fehlern, Irrtümern und Versäumnissen in der Partei und mit den Bürgern war einer der Sargnägel der DDR. Das müssen wir uns eingestehen, ob wir es nun wollen oder nicht. Die Gründe für den Untergang der DDR nur bei deren Gegnern zu suchen, ist für jeden, der vom marxistischen Standpunkt an diese Frage herangeht, abwegig. Ohne Zweifel sind Irrtümer und Fehler beim Aufbau einer völlig neuen politischen und sozialen Ordnung nahezu unvermeidlich. Was sagte Lenin? „Das Verhalten einer Partei zu ihren Fehlern ist ein wichtiges Kriterium.“ Sollten wir nicht auch entsprechend unserer heutigen Lage die Worte Friedrich Engels beherzigen, die er gleich zu Beginn seines Werkes „Revolution und Konterrevolution“ geschrieben hat: „Eine schwerere Niederlage als die, welche die Revolutionspartei... auf dem Kontinent an allen Punkten der Kampflinie erlitten hat, ist kaum vorstellbar. Doch was will das besagen? … Sind wir also einmal geschlagen, so haben wir nichts anderes zu tun, als wieder von vorn anzufangen. Und die wahrscheinlich nur sehr kurze Zeit, die uns zwischen dem Schluss des ersten und dem Anfang des zweiten Aktes der Bewegung vergönnt ist, gibt uns zum Glück die Zeit für ein sehr notwendiges Stück Arbeit: für die Untersuchung der Ursachen, die unweigerlich sowohl zur letzten Erhebung wie zu ihrem Misslingen führten; Ursachen, die nicht in den zufälligen Bestrebungen, Talenten, Fehlern, Irrtümern und Verrätereien einiger Führer zu suchen sind, sondern in dem allgemeinen gesellschaftlichen Zustand und den Lebensbedingungen einer von Erschütterung betroffenen Nation ...“ Er fügte hinzu, es gehe 45 darum, vernunftgemäße , auf unleugbaren Fakten beruhende Ursachen zu finden, die die wichtigsten Ergebnisse, die entscheidenden Wendepunkte jener Bewegung erklären und uns Aufschluss in die Richtung geben, in die der nächste, vielleicht gar nicht so ferne Aufbruch das deutsche Volk lenken wird.“ (Geschrieben nach der Niederlage der Revolution 1848) Wir wollen den harten und auch erfolgreichen Kampf an der Grenze darstellen, die Mühen und Opfer widerspiegeln, den Einsatz der Grenzsoldaten würdigen. Wir wollen aber auch Schwächen und Mängel, Versäumnisse, Irrtümer und Abweichungen benennen. Die Erfolge sind uns dabei nie in den Schoß gefallen. Sie mussten immer hart, entbehrungsreich und im zähen Kampf errungen werden. Heute sind wir weitaus wissender und klüger als vor zehn oder zwanzig Jahren. Nichts ist ein für alle mal festgeschrieben, alles bewegt und entwickelt sich. Das bisher in der Betrachtung der Geschichte der Grenztruppen und des Grenzregimes Geschaffene stellen wir dabei keineswegs in Frage. Es hat manchmal den Anschein, als ob unsere Diskussion, warum und wie wir unsere Geschichte interpretieren, der Hauptgegenstand unserer Arbeit ist. Das stimmt gewissermaßen. Vor allem ist doch eines immer zu beachten: Wir dürfen den Gegner nicht außer acht lassen, genauer gesagt, den Klassenfeind nicht aus der Visierlinie nehmen. Zurück zum Gesprächskreis. Die Debatte im Vorfeld zur Gründung des Gesprächskreises war von vielen Fragen zum Anliegen und auch von Zweifeln und Bedenken geprägt. Doch letzten Endes stimmten alle Anwesenden diesem Projekt zu und erklärten ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Zehn Genossen, die nicht an der Veranstaltung am 3. September teilnehmen konnten, erklärten telefonisch ihre Bereitschaft am Gesprächskreis künftig teilzunehmen. Die Diskussion zum Tagesordnungspunkt 1. war konträr und sehr kritisch. Einige brachten Vorbehalte und Bedenken zur Sprache. Wir hatten das auch nicht anders erwartet. Die Quintessenz war schließlich: Alle Teilnehmer stimmten der Bildung des Gesprächskreises zu. Das ist ein Erfolg, auf dem wir die künftige Arbeit aufbauen können. Der erste Tagesordnungspunkt benötigte viel Zeit. Deshalb mussten wir den zweiten Tagesordnungspunkt zum Thema 13. August 1961, auf die nächste Veranstaltung verschieben. Zum Inhalt: Zwei Schwerpunkte kristallisierten sich aus der Debatte heraus: Das war zum einen, haben wir eigentlich die Kompetenz, solch ein Vorhaben anzugehen, Geschichte kritisch und auch selbstkritisch zu hinterfragen? Zum anderen hörte man von verschiedenen Seiten immer wieder: Nur keine Fehlerdiskussion. Zur Kompetenz nur so viel: Wir haben alle die Kompetenz uns zu diesen Fragen zu äußern. Jeder hat seine persönliche Sicht auf das historische Geschehen, das muss erst einmal akzeptiert werden. Hans Bauer, unser Vorsitzender, unterstrich das in seinem Schlusswort ausdrücklich. Der Vorstand der GRH stimmte dem Vorhaben der AG Grenze voll und ganz zu. Er brachte seine Bereitschaft zum Ausdruck, auch weiterhin die Arbeit des Gesprächskreises aktiv zu unterstützen. Zur Fehlerdiskussion habe ich ja schon einiges gesagt. In der Arbeitsgruppe Grenze werteten wir am 17. September und am 23. September diese erste Beratung gründlich aus. 46 Wie soll es nun weitergehen? Es wird ein wörtliches Protokoll geben. Das bekommen alle Teilnehmer. Die AG Grenze schafft in der nächsten Zeit einen organisatorischen Rahmen. Eine thematische Übersicht über für uns relevante zu diskutierende Fragen und Probleme wird erarbeitet. Viele Vorschläge liegen dafür schon vor. Weitere erwarten wir auch aus dem heutigen Teilnehmerkreis des 25. Grenzertreffens. Im I. Quartal 2011 laden wir zu einem ersten Disput des Themas „Der 13. August 1961“ ein. Da voraus zu sehen ist, dass wir dieses Thema in einer Beratung nicht bewältigen werden, planen wir eine zweite Zusammenkunft im III. Quartal 2011. Die Gesprächsrunden setzen sich je nach Thema und Interessen der Teilnehmer unterschiedlich zusammen . Nach der ersten Debatte eines historischen Themas wird der Teilnehmerkreis prüfen, was sich für eine Veröffentlichung eignet, wer was schreibt und wo und wie wir es publizieren können. Das sind alles vorläufige Gedanken und Ideen. Vorschläge und Hinweise aus den TAG und darüber hinaus von interessierten Genossen und Sympathisanten nimmt die AG jederzeit entgegen. Genossen, die bereit sind, im Gesprächskreis mitzuarbeiten, können sich bitte auch bei der Arbeitsgruppe Grenze melden. Die nachfolgenden Beiträge wurden zu Protokoll gegeben: Frithjof Banisch Ich habe ums Wort gebeten, weil mich besonders im zurückliegenden Jahr öffentlich gemachte Beiträge von Grenzern im Zusammenhang mit unserer gemeinsamen Dienstzeit beunruhigen. Hier und heute ist nicht die Zeit, sich mit einzelnen dieser Beiträge und der daraus entstandenen Diskussion unter Grenzern auseinander zu setzen, obwohl das eigentlich dringend nötig wäre! Außerdem muß ich annehmen, dass die meisten Anwesenden die konkreten Inhalte der stattfindenden Diskussion noch nicht kennen. Ich finde das bedauerlich, denn diese Inhalte betreffen irgendwie uns alle, vom General bis zu Zivilbeschäftigten, es geht letztlich um unsere Biographien. In Anbetracht der seit 20 Jahren in Politik und Medien Deutschlands dauerpräsenten Beiträge, Dokumentationen und Filme zur Staatsgrenze der DDR im Kalten Krieg wird jede Wortmeldung von Grenzern anderen Orts gierig registriert und wenn brauchbar, auch benutzt. Denen, die das tun, geht es nicht um Sachkenntnisse sondern um das Sammeln von Beispielen, die man für die weitere Diffamierung und Kriminalisierung unseres Berufsstandes verwenden kann. Die das tun, wie übrigens auch die hier offiziell und nicht offiziell Anwesenden mit Kamera, Tonaufzeichner oder Stift machen das nicht, weil sie böse Menschen sind! Nein! Das sind, von Ausnahmen abgesehen, einfache Handwerker. Die müssen ein Produkt herstellen, für das es einen Markt gibt, um davon zu leben! Auf diesem Markt müssen sie ihr Produkt verkaufen und was gekauft wird, bestimmt der, der das Geld hat. Und in diesem und im nächsten Jahr gibt es besonders viel Geld für unser Thema auf dem Markt, weil Jahrestage anstanden und anstehen. Also wird gesammelt, geschnitten, getrickst, falsch zitiert, bis das Produkt den Bedürfnissen des Marktes entspricht. Das dabei ab und an Vertreter dieser Berufsstände ihre Überzeugungen gleich mit verkaufen, liegt auf der Hand, ist aber nicht unser Problem. Unser scheinbares Problem in diesem Zusammenhang liegt in der Fragestellung, äußere ich mich öffentlich oder äußere ich mich nicht? Diese Frage stellt sich immer wieder neu. 47 Übrigens ist auch ein im Internet zu findender Beitrag eine öffentliche Äußerung. Wer schweigt, kann keine Fehler machen. Das ist aber nicht die Lösung. Dann ginge die Verfälschung unserer Geschichte unwidersprochen weiter. Irgendeinen Leichtgläubigen oder Wichtigtuer oder Charakterlumpen findet der eben benannte Berufsstand immer, um einen „Experten“ zu zitieren. Schabowskis gibt es mittlerweile leider genug. Unser Problem ist also vielmehr die Fragestellung: Wann, wo und wie setzen sich Grenzer mit ihrer eigenen Geschichte öffentlich auseinander und was ist dabei unabhängig vom gewählten Thema zu bedenken? Eine grundsätzliche Antwort gab Generaloberst Streletz auf dem letzten Grenzertreffen mit der Feststellung: „Ich bin bestrebt, bei meinen Auftritten nach Möglichkeit mich nur zu den Fragen zu äußern, die ich persönlich erlebt habe, an denen ich persönlich mitgearbeitet habe, bzw. die ich aufgrund meiner drei militärischen Funktionen sach- und fachbezogen einschätzen kann.“ Damit verweist Genosse Streletz in der ihm eigenen klaren Sprache auf die eigene Verantwortung, die der, der sich zu unserer Geschichte öffentlich äußert automatisch übernimmt – ob er das will oder nicht! Da ist kein Platz für Selbstdarstellung, für Befriedigung von Eitelkeiten, das Begleichen vermeintlicher alter Rechnungen oder gar für Spekulationen, wie richtig doch dies oder jenes gewesen wäre, wenn man demjenigen nur basisdemokratisch zugehört hätte. Wir waren ein Truppenkörper und kein Freidenkerverein. Im zurückliegenden Jahr findet man im Rahmen der GRH eine ganze Anzahl von öffentlichen Wortmeldungen von Grenzern zu unserer Geschichte, darunter auch sehr, und jetzt will ich höflich bleiben, kritische Positionen. Eine Vielzahl von Gegenreaktionen dazu gelangten leider, wie eingangs schon festgestellt, kaum an die Öffentlichkeit. Über die Gründe möchte ich hier nicht spekulieren. Scheinbar gehen die Thesen besonders von den Genossen Ziegenbein und Liebig mit einer Aussage von Egon Krenz aus dessen Vortrag bei unserem letzten Treffen konform. Ich zitiere: „Wenn wir wollen, dass unsere Enkel es einmal besser ausfechten als wir, dann müssen sie von uns erfahren, was wir gut gemacht haben, aber auch, was uns nicht gelungen ist und warum.“ Stellen wir diese Worte jedoch zurück in den Zusammenhang der Ausführungen von Egon Krenz, so erkennen wir die politische Dimension des von ihm Gesagten. Seit Carl von Clausewitz es formulierte, gehört die Erkenntnis „Die Politik hat das Primat gegenüber dem Militär“ zum Einmaleins militärischen Wissens. Wer also Entwicklungen in den Grenztruppen und Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze der DDR kritisch bewertet, ohne vorher die konkreten politischen, ökonomischen, völkerrechtlichen und juristischen national-staatlichen und koalitionären Gegebenheiten zu beachten, aus denen die politischen Vorgaben für den Schutz der Staatsgrenzen erwuchsen, geht in seinem Urteil zwangsläufig fehl. Aber genau die Missachtung dieser Tatsache finden wir immer wieder in der bisherigen Diskussion (Beispiel: letzte Reorganisation). In den unterschiedlichen Entwicklungsetappen unserer Truppe waren immer Widersprüche zu lösen. Diese Widersprüche ergaben sich aus der von der Politik bestimmten Aufgabenstellung einerseits und den Problemen in der Umsetzung im jeweilig konkreten Zeitraum anderseits. Und natürlich gab es individuelle Fehlentscheidungen, über die man heute trefflich philosophieren kann. Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer und der Blickwinkel des Einzelnen bestimmt dessen Urteil! Wir sind aber verpflichtet, historisch konkret zu bleiben! Also wäre es für uns alle eine große Hilfe in der Auseinandersetzung, wenn wir auf gesicherte Fakten zu den Entwicklungsetappen zugreifen könnten. General Hans Deim hat in „Die Grenzen der DDR“ bereits eine solide Vorarbeit geleistet. Auch die jetzt erschienene Niederschrift von Oberstleutnant Fromm gibt gute Anhalte. Die IGRA, besonders Oberstleutnant Potstawa, ist zur Zeit dabei, dies mit weiteren Fakten zu untersetzen. Dabei geht es nicht um Geschichtsschreibung, sondern um Zuordnung von 48 Dokumenten zu den einzelnen Entwicklungsetappen der Grenztruppen mit dem Ziel, zur Geschichte beweisbar argumentieren zu können. Gestattet mir ein paar Gedanken über die Klarheit von Begriffen. Nur eindeutige Begriffe verhindern Missverständnisse. Und wir hatten klare Begriffe für klare Sachverhalte. Wer in der Diskussion allerdings unsere Fachsprache, die aus gutem Grund auf Dienstvorschriften fußte, mit dem Sprachgebrauch der einstigen Bürgerbewegung oder der Beliebigkeit der heutigen Politiksprache vermauschelt, der muß in seinen Ausführungen mißverstanden werden und darf sich über harte Reaktionen nicht beschweren (Beispiele: Schutz der Staatsgrenze, Grenzsicherung, Grenzdienst; Grenze, Staatsgrenze, innerdeutsche Grenze). Bereits im Herbst 1989 haben sogenannte oppositionelle SEDMitglieder wie die Gebrüder Brie, Bisky, Markus Wolff, Gysi und andere Begriffsverwirrungen geschaffen, um zu verschleiern, dass sie geistig bereits im Kapitalismus angekommen waren. Vergessen werden dürfen hier nicht Leute der Militärakademie „Friedrich Engels“ mit Prof. Scheeler an der Spitze. Mehr noch, wer bei seinen Kommentaren zu unserer Geschichte nicht von Positionen des Dialektischen und Historischen Materialismus ausgeht, landet für mich zwangsläufig auf der anderen Seite! Das trifft besonders für Grenzer zu, die einer Neubeschreibung unserer Geschichte den Mund reden. Zitat: „Die Zeit ist gekommen – nach Beendigung der juristischen Verfolgung von Angehörigen der Grenztruppen der DDR- uns von einem bisher vorgetragenen Geschichtsbild frei zu machen, das von Militärs wie Kessler, Streletz, Baumgarten, Peter Freitag, um nur einige zu nennen – geprägt wurde.“ Angesichts solcher Sprüche ist es wohl an der Zeit, daran zu erinnern, dass wir alle zu den Verlierern der Systemauseinandersetzung zählen und seit 20 Jahren erst die vermeintlichen Sieger und dann sehr schnell die tatsächlichen Sieger die Geschichte umzuschreiben bemüht sind. Was uns persönlich betrifft so geschah das in den Gerichtssälen und wir, die wir dort standen, haben widersprochen. Heute läuft Geschichtsumschreibung und damit Interpretation durch die Verunglimpfung unseres Dienstes auf allen gesellschaftlichen Ebenen letztlich mit dem Ziel der Delegitimierung der DDR. Aber wir haben bereits Geschichte geschrieben in den Jahren unseres Dienstes zum Schutz der Staatsgrenze der DDR und zwar gemeinsam, auch mit den oben genannten Genossen. Die Fakten sind dokumentiert. Wir haben beigetragen zur längsten Friedensperiode in Europa, trotz aller Fehler und Mängel. Diese Periode war bekanntlich mit den auch von Deutschen geführten Jugoslawien-Krieg zu Ende. Die Grenztruppen der DDR gibt es nicht mehr, weil eine sozial-ökonomische Gesellschaftsordnung sich unter ganz konkreten Bedingungen nicht gegen eine Konkurrierende durchsetzen konnte. Zu hinterfragen ist, warum sie unterging. Diese Frage bewegt uns alle brennend. Das ist keine militärische, sondern zuerst eine politische Frage! Aber ich bin überfordert angesichts der Komplexität der dabei zu untersuchenden Fragestellungen! Eines allerdings weiß ich mit Sicherheit, ohne ein der jeweiligen Lage entsprechendes strukturiertes, bewaffnetes, in Einzelleitung geführtes und sichergestelltes Organ für die Grenzsicherung hätte unsere gesellschaftliche Ordnung schon früher den Geist aufgegeben. Das ist für mich bestimmend! Eben deshalb werden wir so scharf angegriffen! Wenn mir angesichts meines hier benannten Standpunktes nun irgendwer vorhält, ich sei ein Betonkopf und lebe rückwärts gewandt, so ist das eine Diffamierung und dient als Totschlagsargument. Im Dienst und auch danach habe ich anderes bewiesen, bei all den Fehlern, die auch ich gemacht habe! Wenn die Zeit reif ist, werden Historiker und Gesellschaftswissenschaftler sich zu Antworten in der Geschichte durchgearbeitet haben und abgeklärt und ohne voraus eilenden Gehorsam die Grenztruppen der DDR und ihr Tun bewerten. Dann werden auch die Dokumente der 49 Bonner Republik freigegeben und die Bilder noch klarer sein. Bis dahin gibt es für mich zu dem Thema auch Tabus aus verständlichen Gründen, denn immer neu stellt sich die Frage: Wem dient welche Äußerung? Noch einmal: Ich habe kein Interesse daran, der gegenwärtigen Geschichtsverdrehung Futter zu liefern. Und ich wende mich gegen jeden, der solches Futter liefert, ob er nun aus der eigenen Truppe kommt, oder von der anderen Seite. Wie schwer es ist, seinen Standpunkt verantwortungsvoll zu äußern und was daraus gemacht wird, werden wir ab 7. November in den Sendungen von Herrn Broder in der ARD erleben. Ich bin fest davon überzeugt, dass vor uns als Grenzer heute wichtige Aufgaben stehen: Wir haben unsere kameradschaftlichen und solidarischen Beziehungen zu pflegen, wo auch immer das stattfinden kann. Und wir sollten uns über die vielen Formen kameradschaftlichen Zusammenseins freuen und sie unterstützen. Nur so kann Solidarität leben und der Eine oder Andere jetzt abseits Stehende zu uns finden. Jeder von uns sollte beherzt dort Position beziehen, wo seine eigene Grenzerbiographie verunglimpft wird. Wenn man unsicher ist, kann man sich in der Argumentation ja mit Fakten helfen lassen – nicht zuletzt gibt es dafür die IGRA. Wir sind keine Historiker aber wichtige Zeitzeugen. Unsere Erinnerungen und geistigen Nachlässe sind subjektiv gefärbt, aber wichtig, denn sie unterlegen die Dokumente in den Archiven mit Leben und verdeutlichen auch die natürlich vorhandenen gewesenen Widersprüche und Konflikte. Die IGRA wartet auf eure Beiträge. Ein Gesprächskreis zu ausgewählten Abschnitten unserer Geschichte bei der Arbeitsgruppe Grenze ist sicher sinnvoll, vorausgesetzt, das Ziel wird klar definiert und der Kreis ernennt sich nicht selbst zum Historikerkreis der Grenztruppen. Das steht ihm nicht zu! Warum? Das habe ich zu begründen versucht. Abschließend bedanke ich mich bei der GRH und somit besonders bei der Arbeitsgruppe Grenze für die Arbeit in Vorbereitung des heutigen Treffens, und bei euch bedanke ich mich, für die entgegengebrachte Aufmerksamkeit. Prof. Dr. Wilfried Hanisch Liebe Kameraden, Genossen und Freunde, aus gesundheitlichen Gründen bin ich derzeit leider verhindert, am Herbsttreffen 2010 teilzunehmen. Das bedaure ich sehr, zumal mein Fachkollege Prof. Dr. Siegfried Prokop dort zu einem Thema spricht, mit dem ich mich ebenfalls mehrfach intensiver beschäftigt habe, und zu dem ich von zwei Randerlebnissen kurz etwas bemerken möchte. Erstens: Es ist in diesem Kreise sicher unbestritten, dass die Ereignisse vom 13. August 1961 viel zu wenig in ihrer internationalen Verankerung betrachtet werden – nach Lesart des „Zeitgeistes“ waren sie ein Werk von Ulbricht. Eigenartigerweise kommt dabei kaum jemand auf die Idee, das rein sachlich allein schon aus dem Kräfteverhältnis zu überprüfen, es für die USA und die übrigen Westmächte doch ein leichtes gewesen wäre, schon die Anfänge der Sicherungsmaßnahmen zu stoppen. Natürlich waren Partei und Regierung, aber auch nicht geringe Teile der arbeitenden Bevölkerung daran interessiert, das „Ausbluten“ der DDR über die offene Grenze zu Berlin (West) zu beenden. Aber unter den damaligen Bedingungen des Kalten Krieges hätten die dahinterstehenden Krisenpotentiale bei ihrer möglichen Zuspitzung, selbst nach Überlegungen von USA- 50 Politikern - Unruhen in der DDR, Bundeswehr kommt „zu Hilfe“ – über die Koalitionsmechanismen zu „den fatalen Schüssen des III. Weltkrieges“ führen können. Deshalb waren beide Seiten der führenden Westmächte an einer Lösung interessiert, die künftige Zuspitzungen möglichst ausschloß und bei der beide Seiten „ihr Gesicht“ wahren konnten. Aber selbst das Finden und Durchsetzen eines solchen Kompromisses war offensichtlich nicht leicht und keineswegs mit der Abwiegelung Westberlins abgeschlossen. Warum geht eigentlich kaum jemand noch der in der damaligen Presse nachzulesenden Linie nach, dass das nach damaliger sowjetischer und DDR-Sicht nur der „erste Schlag“ sein sollte und durch die Umwandlung Westberlins in eine „Freie Stadt“ über einen Friedensvertrag – notfalls auch allein mit der DDR – ursprünglich die eigentlich dauerhafte Lösung noch folgen sollte? Wie akut das noch nach den ersten Sicherungsmaßnahmen 1961 geblieben war, kann ich durch ein eigenes Erlebnis unterstreichen. Ich war damals Geschichtslehrer an der Parteischule der Deutschen Grenzpolizei in Weimar. Und dort wurde ich ab 18. September 1961 mit drei weiteren Lehrern dieser Schule ohne jede nähere Erläuterung zum Kommando der Deutschen Grenzpolizei – inzwischen seit dem 15. September 1961 „Kommando Grenze“ der NVA – nach Pätz kommandiert. Mit noch einigen anderen Offizieren wurden wir in einem Ferienheim der Reichsbahn bei Groß Köris untergebracht, um dort unter Leitung eines Stabsoffiziers des Kommandos ein Grundsatzreferat zu einem Thema zu erarbeiten, das sich mit den Konsequenzen allgemein und speziell für die Grenzsicherung nach einer derartigen Umwandlung Westberlins zu beschäftigen hatte. Die jeweils frühmorgens im Kommando stattfindenden Einweisungen waren so geheim, das daran nur der uns vorgesetzte Stabsoffizier teilnehmen durfte. Uns als eigentliche Referat-Ausarbeiter sollte er nur gefilterte Teilinformationen für den jeweiligen Schwerpunkt geben. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie produktiv solche Arbeitsweise war, zumal die eigentlich konkreten Fakten später noch eingefügt werden sollten. Am 23. September 1961 wurde diese Kommandierung - so ominös, wie sie begonnen hatte – beendet. Wir sollten uns jedoch für weitere Eventualitäten in unseren Dienststellen bereit halten. Es bleibt natürlich die Frage danach, was in diesen Tagen durch wen und wie entschieden worden ist, sind Akten dazu jetzt zugänglich? Kurz noch zu einem zweiten Problem: Auch die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen vom 13. August 1961 war ursprünglich anders geplant – offensichtlich nicht nur unter Führung, sondern auch unter Vorrang sowjetischer Streitkräfte vorn an der Grenze. Als ich gegen Mitte der 60er Jahre im Militärgeschichtlichen Institut den Auftrag erhielt, die Zuarbeit über die konkreten Aktivitäten der Grenz- und Bereitschaftspolizei bei den Grenzsicherungsmaßnahmen vom 13. August 1961 anzuleiten (unter unmittelbarer Führung des Ministers Hoffmann war eine GVS-Studie über den Einsatz nur der NVA erarbeitet und der Parteiführung vorgelegt worden, was natürlich den Protest vor allem durch Grenztruppenchef Peter ausgelöst hatte, woraus die Weisung für eine solche Zuarbeit erwuchs) führte mich Oberstleutnant Grundmann im Ministerium des Innern zu einem Dienstzimmer mit den Worten, hier sitze sonst der Offizier, der sagen könne, wie die Sicherungsmaßnahmen ursprünglich geplant waren. Abgesehen davon, dass dieser zur Zeit abwesend sei, würde er mir auch nicht sagen, denn er habe dafür höchste Geheimhaltungsverpflichtung. So viel erfuhr ich Anfang August 1961: Das MdI sollte kurzfristig einen Offizier zum Sowjetischen Oberkommando schicken, der perfekt die russische Sprache und das Abzeichnen von militärischen Entschlusskarten beherrschte. Das war damals im MdI schwierig zu realisieren. Dieser schließlich gefundene Offizier habe ca. eine Woche aus sowjetischen Karten Dislozierungen für die Grenzpolizei und andere Polizeikräfte 51 abgezeichnet. Dann habe man ihn angewiesen, alles liegen zu lassen, es habe sich geändert und er solle über das Gesehene schweigen. Nach meiner Meinung hat man wohl – ebenfalls zur Minderung der Gefahren für eine nichtgewollte internationale Zuspitzung – den Einsatz von Grenz- und Bereitschaftspolizei und von Kampfgruppen vorn an der Grenze, gefolgt von NVA-Einheiten ca. 1.000 m dahinter, für günstiger gefunden, um die Großmächte generell herauszuhalten. Bekanntlich hat das so auch funktioniert. Vielleicht wird der Anteil der DDR-Grenzsicherungskräfte unter diesem Aspekt, das heißt für das Gelingen eines letztlich entspannungsfördernden Kompromisses der Großmächte einmal Eingang in spätere Geschichtsbücher finden. Es wäre zu wünschen! Klaus Eichner Die Osterweiterung einer Jagdbehörde Parallel zur Osterweiterung der Europäischen Union und der NATO bis an die Grenzen Russlands erfolgte von der Öffentlichkeit weniger bemerkt die Osterweiterung einer dubiosen Behörde, die sich die Jagd auf alle Funktionsträger des sozialistischen Systems in den osteuropäischen Staaten und darüber hinaus weltweit auf ihre Fahnen geschrieben hat. Offiziell hat diese Osterweiterung die Bezeichnung „Europäisches Netzwerk der für die Geheimpolizeiakten zuständigen Behörden“ und wurde im Dezember 2008 in Berlin gegründet. Die Birthler-Behörde Die Bürger der DDR haben die dafür verantwortliche Behörde seit 1991 in ihrem unseligen Wirken gegen die hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR unter dem Namen ihres früheren Chefs, Pastor Joachim Gauck und der heutigen Chefin, Katechetin Marianne Birthler kennen gelernt. Mit gezielten Veröffentlichungen von dubiosen – d.h. unvollständigen oder willkürlich zusammengestellten - Akten oder Zusammenstellung von angeblichen Akten über Mitarbeiter der Sicherheitsorgane wurden in Tausenden von Fällen Berufsverbote ausgelöst, linke politische Gegner mit öffentlichen Kampagnen diskriminiert oder auch juristische Untersuchungen ausgelöst. Damit hat die Gauck-/Birthler-Behörde einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass auch heute noch Unfrieden in Deutschland herrscht, die so hoch gelobte „Einheit Deutschlands“ auch nach 20 Jahren nicht vollendet werden konnte – nicht vollendet werden wird. Internationale Aktivitäten Mit der Amtsübernahme durch Marianne Birthler forcierte diese zahlreiche Aktivitäten zur Erhöhung des internationalen Einflusses ihrer Behörde. Seit Jahren kämpft die „Bundesbeauftragte“ darum, ihren Führungsanspruch bei der international organisierten und vernetzten Jagd nach hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern der Sicherheitsorgane der früheren sozialistischen Länder durchzusetzen. Ihre Ansprüche gehen weit darüber hinaus. Sie kämpft um Zugang zu Geheimdienstakten im Irak, sucht Kontakte bis nach Mittel- und Südamerika und zu vielen anderen Institutionen, die sich mit der Aufarbeitung der Geschichte ihrer Länder oder Regionen beschäftigen. 52 Wie speziell in Deutschland kämpft die Behörde darum, mit ihren Thesen bestimmenden Einfluss auf die Geschichtsschreibung – und was noch viel schlimmer ist, auf die Vermittlung des Geschichtsbildes für die junge Generation zu nehmen. Politische Grundlagen für eine europäische Erinnerungspolitik unter dem Dach der Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus wurden u.a. mit der Gründung eines „Europäischen Netzwerkes Erinnerung und Solidarität“ Anfang 2005 geschaffen. Eine entsprechende Gründungsvereinbarung unterzeichneten die Kulturminister Polens, der Slowakei, Ungarns und Deutschlands. Antikommunistischer Feldzug im Zeichen von NATO und EU Dieser antikommunistische Feldzug wurde unter dem Motto einer „Dekommunisierung“ oder „Entbolschewisierung“ in Form eines Austausches der Eliten der jeweiligen Länder vorangetrieben und von den neuen politischen Eliten maßgeblich getragen. In einigen osteuropäischen Ländern erhielten die Prozesse zur Säuberung der Verantwortungsträger dieser Länder von allen sozialistisch/kommunistisch orientierten Personen die Bezeichnung „Lustration“ (Durchleuchtung). Im Vordergrund standen dabei generell die Vorwürfe einer Tätigkeit in oder mit den Sicherheitsorganen der jeweiligen Länder oder vielfach auch einer Zusammenarbeit mit den sowjetischen Geheimdiensten. Eine deutliche Verschärfung dieser „Säuberungsprozesse“ war mit den Vorbereitungen der genannten Staaten auf ihren Beitritt zur EU und vor allem zur NATO verbunden. Die jeweiligen Gesellschaften und ihr neuer Sicherheitsapparat sollten „kommunistenfrei“, „entsowjetisiert“ und somit gesäubert von bestehenden oder potentiellen „alten Seilschaften“ an die NATO angegliedert werden. Nur auf diesem Weg konnte ihnen von der NATO eine – wenn auch eingeschränkte – „Zuverlässigkeit“ bescheinigt werden. Jede neue „Affäre“ der Aufdeckung einer geheimdienstlichen Zusammenarbeit (natürlich nur mit östlichen Geheimdiensten) führte sofort zur Drohung der Unterbrechung des Zugangs zu Geheiminformationen der NATO-Strukturen - und das bedeutete für die herrschenden Eliten ein Desaster! In den osteuropäischen Ländern verlief der Austausch der Eliten nicht ohne Widersprüche und Konflikte. Im Prinzip mussten die Funktionen auf allen Ebenen mit dem vorhandenen Personal entsprechend ihrer Qualifikation besetzt werden. Es standen nur wenige Kader aus der antisozialistischen Emigration für Führungsaufgaben zur Verfügung. Bestimmte Strukturen, z.B. der Nachrichten- und Sicherheitsdienste brauchten auch den Rückgriff auf die bisher angelegten Akten. Für Ostdeutschland war die Lage etwas anders. Hier stand genügend westdeutsches Personal der zweiten und dritten Garnitur bereit, um die Eliten der DDR zu ersetzten. Bei den Geheimdiensten war es kein Problem, sie konnten ihre Außenstellen nach Ostdeutschland erweitern. Umso erbarmungsloser der Kampf mit den Akten! Eine öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Aktivitäten ist auch für uns in der GRH – einschließlich unserer internationalen Partner – ein Beitrag zur Darstellung der historischen Wahrheit. Polen Nirgendwo wurden gesetzliche Regelungen und Diskussionen über die „Durchleuchtung“ so für den vordergründigen Machtmissbrauch, für die öffentliche Diskreditierung politischer Gegner missbraucht, wie das in Polen seit 1989 geschah und heute noch geschieht. Im Zusammenhang mit den Bemühungen Polens um Mitgliedschaft in der NATO waren insbesondere in Polen die Herrschenden bestrebt, sich als „reingewaschen“ von allen kommunistischen Überbleibseln zu präsentieren. 53 Partner der Birthler-Behörde in Polen ist das „Institut für Nationales Gedenken – Kommission zur Strafverfolgung von Verbrechen gegen das Polnische Volk“ - (Instytut Pamieci Narodowej - IPN) 1999 wurde eine Novelle des Lustrationsgesetzes vom Sejm endgültig verabschiedet und die Schaffung des „Instituts des nationalen Gedenkens – IPN“ beschlossen. Das Institut soll die Geheimdienstakten verwalten und Bürgern, die sich überwacht fühlten, Einblick in diese Akten gewähren. Das IPN nahm im Jahre 2000 seine Arbeit auf und hat jetzt Filialen in elf Städten. Für das Jahr 2001 hatte man für das IPN eine Mitarbeiterzahl von 1.000 Personen, darunter 150 Staatsanwälte und ein Budget von 15 Millionen DM anvisiert. Die Aktenbestände wurden mit 97 Kilometern angegeben. Dem IPN ist eine Sonder-Staatsanwaltschaft direkt angeschlossen. Das Institut soll von Anfang an auch „Jugend-Bildungsarbeit“ leisten. 2008 beschäftigte das IPN 2065 Mitarbeiter, darunter 135 Staatsanwälte und ist mit einem Haushalt von 80 Millionen Euro ausgestattet. Nach Schätzungen des IPN sind bis zu 700.000 Menschen von der „Durchleuchtung“ betroffen. Einer der nachdrücklichen Befürworter der Aktenöffnung war der in den USA lebende langjährige Direktor der polnischen Sektion von Radio Free Europe, Jan Nowak-Jezioranski. Aus dem Institut geht die Mehrheit von Medienvertretern und Historikern hervor, die auf streng antikommunistischer Grundlage die Geschichte der Volksrepublik Polen „bewerten“. Besonders unter der Herrschaft der Gebrüder Kaczynski kam es zu einer beispiellosen Welle des Antikommunismus in Polen, von vielen Beobachtern mit dem McCarthyismus in den USA verglichen. Jeder positive Bezug auf linke, liberale Traditionen in der polnischen Geschichte soll ausgelöscht werden, in Bildung und Lehre, bei Denkmälern und Straßennamen. In einer öffentlichen Debatte kündigte der bisherige Leiter des IPN, Janusz Kurtyka (beim Flugzeugunfall in diesem Jahr bei Swerdlowsk mit umgekommen), an, demnächst werde das Institut Listen über sämtliche Mitarbeiter der „kommunistischen Dienste“, bis zu untersten Dienstgraden und technischen Mitarbeitern, veröffentlichen. Die genannten und weitere Aktivitäten passen in die Wertung des Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski: „Der Sozialismus war eben eine Gesellschaftsordnung vom Pack für das Pack.“ Tschechische Republik Die Auseinandersetzungen über die Geschichte der Tschechoslowakei waren von Anfang an politisch instrumentalisiert und Knackpunkte der politischen Polarisierung. 1993 verabschiedete das Parlament ein Gesetz über den verbrecherischen Charakter des kommunistischen Regimes und die Legitimität des Widerstandes gegen das Regime – eine Grundlage der Rehabilitierung aller politischen Straftäter. Parallel dazu wurde die Verjährungsfrist für „Verbrechen in der Zeit der kommunistischen Diktatur“ aufgehoben und der Weg frei gemacht für die unbegrenzte Strafverfolgung von Verantwortlichen in der CSSR. Im Frühjahr 2002 wurde ein neues Gesetz über die Offenlegung der Akten des Sicherheitsdienstes unterzeichnet, mit dem die Rechte der Bürger auf Einsicht in die Akten erweitert wurden. 2002 veröffentlichte das Innenministerium Verzeichnisse mit den Namen von 75.000 StBAngehörigen. Jeder Bürger hat nun fast unbegrenzten Zugang zu den StB-Akten, auch wenn diese sich nur über „andere Bürger informieren wollen“. Es kam zu vielen Fällen öffentlicher Denunziation, da die Unterlagen unkommentiert veröffentlicht und die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes dem Leser überlassen wurden. Dagegen gab es Proteste auch von Historikern und früheren Dissidenten. 54 Von 1991 bis 2002 stellte das Innenministerium 365.000 „Lustrationszeugnisse“ aus; drei Prozent der überprüften Personen wurde der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt. Ausgeschlossen aus dem öffentlichen Dienst (einschließlich der zentralen Medien) waren höhere und mittlere KP-Funktionäre, Mitarbeiter des StB, Mitglieder der Volksmilizen – alle ohne Nachweis einer persönlichen Schuld. 1995 kam es zur Bildung des „Amt für die Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus“ (UDV). Erster Leiter wurde Vaclav Benda – ein Unterzeichner der Charta77. Das UDV entstand aus der Zusammenlegung von zwei Behörden: der Behörde für Dokumentation und Untersuchung der Aktivitäten der Staatssicherheit im Innenministerium und des Dokumentationszentrums Widerrechtlichkeit des kommunistischen Regimes im Justizministerium und hat deren Vollmachten, u.a. auch zur Strafverfolgung übernommen. Durch das UDV wurden bis 2005 Unterlagen für 190 Strafverfahren bereitgestellt, 29 Personen wurden verurteilt, in 54 Fällen wurden die Verfahren eingestellt. Am 1. August 2007 trat das Gesetz über das „Institut zur Erforschung totalitärer Regime“ (ustav pro studium totalitnich rezimu – USTR) in Kraft. Das USTR wurde als Nachfolgeorganisation des UDV unter Leitung von Pavel Zacek in Prag gegründet und soll einen Personalbestand von 250 Mitarbeitern umfassen. Ein Bestandteil des Instituts ist das „Archiv der Tschechischen Sicherheitsdienste (ABS)“ (www.abscr.cz). Es hat einen Aktenbestand von rund 19 Kilometern. Dazu wurden weiterhin die Archivmaterialien des Nachrichtendienstes des Generalstabes der tschechoslowakischen Volksarmee und des Militärischen Abwehrdienstes übernommen. Institut und Archiv haben einen Personalbestand von rund 250 Mitarbeitern. Das „Amt für die Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus“ (UDV) existiert weiter, seine Kompetenzen sind auf die polizeiliche Untersuchungen begrenzt. Seine bisherige Sektion für Dokumentation hat das USTR übernommen. Die Aktivitäten des USTR gerieten weiterhin unter Kritik, vor allem in Kreisen früherer Dissidenten. In Petitionen, die auch Havel unterzeichnet hatte, wurde dem USTR vorgeworfen, die gemeinsame Geschichte nur auf der Grundlage von StB-Dokumenten zu bewerten. Der linke Publizist und ehemalige trotzkistische Dissident Petr Uhl warf dem Verfassungsgericht vor, eine Klage linker Abgeordneter auf Auflösung des Instituts abgelehnt zu haben. Er verwies auf andere Enthüllungen des USTR über vorgebliche Informanten in Kreisen der tschechischen Opposition. Außerdem hätte das Institut Namen von Offizieren des tschechischen Nachrichtendienstes veröffentlicht, die nach 1989 im Ausland bei Anti-TerrorOperationen eingesetzt waren und nun um ihr Leben fürchten mussten. Uhl plädierte für die Ablösung des USTR-Leiters Pavel Zacek, die Schließung des Instituts und die Übergabe der Aktenbestände an das Institut für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften. 55 Grußadressen an die Teilnehmer des Herbsttreffens 2010 www.kommunistische standpunkte. de Grußadresse an die Teilnehmer des 25. Treffens der Angehörigen der Grenztruppen der DDR am 30.Oktober 2010 in Berlin Unter dieser Adresse betreiben wir eine Webseite im Internet. Das Anliegen dieser Seite ist es, unsere Standpunkte zur kommunistischen Theorie und Praxis marxistisch-leninistisch fundiert - darzustellen. Wir wenden uns an alle Kommunisten, Sozialisten und im weitesten Sinne antifaschistisch, demokratisch und humanistisch gesinnte Bürger, an Männer und Frauen, an Junge und Alte, die für Frieden und soziale Gerechtigkeit und gegen Demokratie- und Sozialabbau in Deutschland kämpfen. Mit unseren Standpunkten wollen wir zur Mobilisierung und zur Stärkung aller antikapitalistischen Kräfte beitragen. Insofern agieren wir für das Zustandekommen und die Entwicklung der Aktionseinheit und der Bündnispolitik mit den politischen Parteien der Arbeiterklasse sowie den gewerkschaftlichen Verbänden und weiterer sozialer Vereinigungen von Lohnabhängigen. Nicht zuletzt ist es unser Anliegen allen Lügen und Verleumdungen über die DDR entgegenzutreten und die Wahrheit über unseren ersten Staat der Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden zu verbreiten. Heute entbieten wir den ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen der DDR unsere solidarischen Grüße zum traditionellen 25.Grenzertreffen am 30.Oktober 2010 in Berlin. Mit diesem kämpferischen Gruß verbinden wir unseren herzlichen Dank an alle Angehörigen der Grenztruppen der DDR für ihren selbstlosen Einsatz zur Erhaltung des Friedens und zum Schutze und zur Sicherung der Staatsgrenze unseres Vaterlandes. Auch im Namen der ehemaligen Mitglieder der Kampfgruppen der 56 Arbeiterklasse möchten wir Euch besonders dafür danken, daß Ihr Euer diesjähriges Treffen unter das Motto „13.August 1961“ gestellt habt. Viele betrachten Euch als Kampfgefährten und Waffenbrüder, mit denen sie in den Augusttagen 1961 als Kämpfer in den steingrauen Uniformen der Kampfgruppen an der zuverlässigen Sicherung der Grenzen der DDR mit Euch in einer Front standen und unseren Klassenauftrag ehrenhaft erfüllten. Aus diesem Anlaß – dem bevorstehenden 50. Jahrestages der Sicherung der Staatsgrenze der DDR - haben wir eine Bilderserie über die Ausbildung und den Einsatz der Kampfgruppen auf unserer Internetseite veröffentlicht. Diese Dokumentation stellen wir Euch auf der CD vor. Mit den beiliegenden Auszügen aus Veröffentlichungen und Briefen zur Strafverfolgung von Angehörigen der Grenztruppen möchten wir einen Beitrag zu schon vorhandenen Dokumentationen über das Unrecht gegen Bürger der DDR leisten. Allen ehemaligen Grenzern und ihren Familien entbieten wir unsere herzlichen Grüße; für das persönliche Leben wünschen wir alles Gute und beste Gesundheit. Dem 25. Treffen der Grenzer am 30. Oktober 2010 wünschen wir viel Erfolg und weitere Impulse für die Verbreitung der Wahrheit über die Deutsche Demokratische Republik. Willi Opitz Kurt Andrä Günther Bandel Gert Julius, Vorsitzenden des Bündnisses für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde (BüSGM) Liebe Genossinnen, liebe Genossen, ich bedanke mich recht herzlich für Eure Einladung zum heutigen Treffen der Gruppe Grenze der GRH und übermittle Euch im Namen des Vorstandes des Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde solidarische Kampfesgrüße. Euer Treffen steht heute unter dem ;Motto“ Der 13. August 1961 – 50. Jahrestag der Einführung eines Grenzregimes und Sicherung der Staatsgrenze der DDR. Am 13. August 1961 war ich 25 Jahre alt. Ich will Euch schildern, wie ich auf westberliner Seite die Grenzsicherung der DDR erlebt habe. Der Sportplatz des Sportvereins, in dem ich Handball spielte, lag unmittelbar an der Staatsgrenze der DDR auf westberliner Seite am 57 S-Bahnhof Wollankstraße. Die Mitgliedschaft des Vereins bestand zur Hälfte aus Sportfreunden, die in der Hauptstadt der DDR zu Hause waren. An diesem Sonntag waren bei uns in Westberlin Handballspiele ausgefallen, weil einige Mannschaften aufgrund der Grenzsicherungsmaßnahme aus Personalmangel nicht antreten konnten. Die Grenzsicherung hatte für uns die Folgen, dass wir von einem Tag auf den anderen viele gemeinsame Freunde verloren hatten, die wir bis heute nicht wiedergesehen haben. Ich unterstelle, dass die Mitglieder der grenznahen Vereine in der Hauptstadt der DDR ähnliche Probleme hatten. Wir haben auch erlebt, dass die westberliner Medien zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen gegen die DDR hetzten. Ich erinnere mich noch heute an die Überschriften in „Bild“ und „BZ“ in der die Republikflucht gut ausgebildeter DDR-Bürger als Abstimmung mit den Füßen für die sogenannte Freiheit des Westens proklamiert und die materiell besseren Verhältnisse in Westberlin zum ideologischen Kampf gegen die DDR genutzt wurde. Wir erinnern uns auch, dass es im III. Quartal 1961 zu einem sprunghaften Anstieg von Abwerbungen und Fällen von Republikflucht aus der DDR kam. Mir wurde nach und nach klar, dass sich die DDR vor terroristischen Angriffen der Imperialisten schützen musste. Wir erinnern noch gut, dass die Rede des USA-Präsidenten Harry Truman vor dem Kongress am 12. März 1947 den Auftakt zur koordinierten Wühlarbeit gegen die sozialistischen Staaten gegeben hatte. In New York wurde im Mai 1949 mit Hilfe der USA das antikommunistische „Nationalkomitee für ein freies Europa“ gegründet. Wir haben hautnah erlebt, dass für die Koordinierung der gegen die DDR gerichteten Aktivitäten das Bundesministerium für „Gesamtdeutsche Fragen“ zuständig und dessen Sprachrohr der Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) mit seinen Hetzparolen war. Die Bonner Regierung resümierte später: „Es ging ihr darum, Maßnahmen zu ergreifen, um den sowjetischen Herrschaftsbereich zu destabilisieren. Auch die psychologische Kriegführung wurde intensiviert.“ Das Kontrollratsgesetz Nr. 32 wurde, genau wie heute internationale Konventionen, wie bei Kapitalisten üblich, ignoriert. In der BRD tätige Politiker wie Lübke, Kiesinger, Globke u. a., die den Nazis aktiv gedient hatten, erhielten Spitzenfunktionen in der BRD und bereisten in dieser Eigenschaft gesetzwidrig Westberlin. Parallel dazu wurde die Verfolgung der Kommunisten in der BRD und das KPD-Verbot eingeleitet. Tausende Kommunisten wurden angeklagt, von den Medien diskriminiert und ihnen durch politisch motivierte Urteile die materielle Existenz entzogen 1952 unterbreitete die UDSSR das Angebot, „die Wiedervereinigung Deutschlands in den damaligen Grenzen und aufgrund von 'freien Wahlen‘ zu akzeptieren, falls die Bundesrepublik auf ein Bündnis mit dem Westen verzichten und sich mit einer rein defensiven Armee begnügen würde.“ Die Ablehnung der BRD zeigte schon damals einmal mehr die aggressive Ausrichtung der Politik. Der Kalte Krieg wurde von der BRD-Seite aus mit allen Mitteln forciert. Am 9. Juli 1961 schrieb die „Bonner Rundschau“: „Der Westen muss dazu in der Lage sein alle Mittel des Krieges, des Nervenkrieges, des Schießkrieges anzuwenden. Dazu gehören nicht nur herkömmliche Streitkräfte und Rüstungen, sondern auch die Unterwühlung, das Anheizen des inneren Widerstandes, die Arbeit im Untergrund, die Zersetzung der Ordnung, die Sabotage, die Störung von Verkehr und Wirtschaft, der Ungehorsam, der Aufruhr." Damals wie heute wurde in den dem Kapitalismus willfährigen Medien eine regelrechte Massenpsychose gegen die DDR geschürt. Verstärker waren vermutlich zwei Vorgänge: 1. Die Ausdeutung der Worte Walter Ulbrichts, der am 15. Juli d. J. erklärte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, und 58 2. der Beschluss der Regierung der DDR vom 4. August, alle Bürger, die in Westberlin einer Beschäftigung nachgingen, zu registrieren. Die herrschenden Kreise der Bundesrepublik und die Spionageorgane der NATO-Länder benutzten die Verkehrslage an der Westberliner Grenze, um die Wirtschaft der DDR zu unterhöhlen. Es gab auf der Erde keinen Ort, in dem so viele Spionage- und Wühlzentralen fremder Staaten konzentriert waren und diese sich ungestraft betätigen konnten wie in Westberlin. Die DDR hat dazu beigetragen, dass in diesem Teil Deutschlands den Kapitalisten 40 Jahre lang der Zugriff auf dass Eigentum an den Produktionsmitteln und am Grund und Boden verwehrt wurde, dass die Faschisten keine Chance hatten und die Verfolgung von Naziverbrecher fast Staatsdoktrin war. Die DDR hat vierzig Jahre lang keinen Krieg geführt und an keiner Kriegshandlung teilgenommen. Diese Tatsachen allein waren Grund genug zur Errichtung des Grenzsicherungssystems. Lasst mich zum Abschluss noch ein paar Worte zum Rechtsstaat BRD sagen: Die politischen Urteile der „Nachwendezeit“ gegen Verantwortungsträger der DDR ohne Rücksicht auf das Rückwirkungsverbot der Gesetze der BRD und der Europäischen Menschenrechtskonvention betrachten ist als reine Siegerjustiz zu betrachten. Dazu gehören auch die Verurteilungen von DDR-Bürger wegen Rechtsbeugung, Wahlfälschung, sogenannter MfS-Straftaten, Denunziationen, Misshandlungen, Amtsmissbrauch und Korruption, Wirtschaftsstraftaten, Dopings und sonstigen Delikten. Bemerkenswert ist die hohe Zahl der Ermittlungsverfahren von über 100 000 und die dagegen niedrige Zahl der Verurteilungen in 289 Fällen, in denen abenteuerliche Rechtskonstruktionen bemüht wurden. Obwohl die meisten Ermittlungsverfahren eingestellt und die meisten Angeklagten freigesprochen wurden, mussten die über hunderttausend Beschuldigten lange unter dem öffentlichen Verdacht leben, Straftäter zu sein. Die Verfahren liefen über Monate und Jahre. Sie mussten Rechtsanwälte bemühen, Honorare zahlen und waren stigmatisiert. Ihr wirtschaftlicher Ruin wurde vorsätzlich herbeigeführt. Die Familien mussten sich an den Pranger gestellt sehen. Das ist keine Rechtsprechung, sondern Gesinnungsjustiz. Die GRH, als Solidarorganisation war diesen Genossinnen und Genossen materielle und moralische Hilfe, das verdient uneingeschränkte Anerkennung. Lasst mich mit einem Zitat des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau schließen: „Wenn nur die Sieger Geschichte schreiben, dann widerfährt den Verlierern selten Gerechtigkeit.“ 59 Impressum Herausgeber: Vorstand der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (GRH ) e.V., Mitglied des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden (OKV). Vorsitzender: Rechtsanwalt Hans Bauer; Geschäftsführer: Dieter Stiebert Geschäftsstelle des Vorstandes: Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Tel./ Fax : 030/2978 4225 Internet: www.grh-ev.org & www.grenztruppen-der-ddr.org & www.sport-ddr-roeder.de E-Mail: [email protected] Öffnungszeiten der Geschäftsstelle: Dienstag & Donnerstag, jeweils 9.00 bis 16.00 Uhr Bei namentlich gekennzeichneten Beiträgen sind die Autoren für deren Inhalt verantwortlich. Die „Informationen“ dienen der Unterrichtung der Mitglieder und Sympathisanten der GRH e.V. und dürfen bei Behörden nicht als rechtsverbindliche Auskunft benutzt werden. Spenden zur materiellen Unterstützung von Opfern der politischen Strafjustiz und zur Finanzierung weiterer humanitärer Tätigkeit der GRH e.V. werden erbeten auf das Konto der Berliner Volksbank Nr. 578 890 00 09, BLZ 100 900 00.