Gesellschaft zur Rechtlichen und

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Gesellschaft zur Rechtlichen und
Gesellschaft zur Rechtlichen und
Humanitären Unterstützung e.V.
Der Vorstand
Sonderdruck der Arbeitsgruppe Grenze
> Herbsttreffen 2010 <
Für Mitglieder und Sympathisanten
Dezember 2010
2
Friedensglocke vom Fichtelberg
von Wolfgang Kluge, 3. Oktober 2010-12-06
Friede, ist ein großes Wort.
Glocke! Läute uns die Sorgen fort.
Läute gegen Korruption und Geld,
denn die regieren unsre Welt.
Läute gegen jene Macht,
die die Reichen immer reicher
und die Mehrheit immer ärmer macht.
Läute Gerechtigkeit und Solidarität,
sonst ist es morgen schon zu spät.
Läute uns ein Friedenslied,
damit das Ärgste nicht geschieht.
Läute, läute weit hinaus,
mindest in jedes deutsche Haus.
Läute, läute, tu Dein Werk,
Friedensglocke vom Fichtelberg.
3
Inhaltsverzeichnis
Seite
Major a.D. Wolfgang Kluge
Friedensglocke vom Fichtelberg
2
Oberst a.D. Siegfried Kahn
Einschätzung
4
Prof. Dr. Siegfried Prokop
Geschichte der Berliner Mauer, Fragen und Probleme
6
General der Reserve Szupa
Begrüßungsansprache des Soldatenverbandsvorsitzenden der Polnischen
Streitkräfte der Lubusker Wojewotschaft und langjährigen Kommandeur
der 11. PzKavDiv in Zagan
19
Oberst a.D. Dr. Milan Richter
Begrüßungsansprache des Leiters der tschechischen Delegation
20
Oberst a.D. Dr. Rolf Ziegenbein
Zum 13. August 1961 im Spiegel der Zeitgeschichte
24
Generaloberst a.D. Fritz Streletz
28
Rechtsanwalt Hans Bauer, Vorsitzender der GRH
34
Oberst a.D. Karl-Heinz Kathert
37
Rechtsanwalt Jürgen Strahl
39
Oberstleutnant a.D. Gerd Hommel
40
Oberstleutnant a.D. Horst Liebig
Gedanken zum Gesprächskreis „Geschichte der Grenztruppen der DDR“
43
Oberst a.D. Frithjof Banisch
46
Prof. Dr. Wilfried Hanisch
49
Oberst a.D. Klaus Eichner
Die Osterweiterung einer Jagdbehörde
51
Grußadressen an die Teilnehmer des Herbsttreffens 2010
Kommunistische Standpunkte
Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde (BüSGM)
55
56
4
Siegfried Kahn
Einschätzung
Das 25. Treffen der Arbeitsgruppe Grenze fand am 30.10.2010 in Berlin-Lichtenberg statt. Es
befasste sich – in Erwartung eines starken Medien- und Veranstaltungsrummels 2011 – mit
dem 13. August 1961 und den damit verbundenen Maßnahmen der militärischen Sicherung
der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin und zur BRD.
Der Leiter der Arbeitsgruppe Grenze, Oberstleutnant a.D. Manfred Kleemann, hieß die 293
Teilnehmer des Treffens sowie die tschechischen und polnischen Gäste herzlich willkommen.
In seinem Grußwort informierte der Leiter der polnischen Delegation über die Hauptaufgaben
des Soldatenverbandes der polnischen Streitkräfte und bekundete das Interesse für und den
Wunsch nach gemeinsamen Beratungen und Erfahrungsaustausch.
Der Leiter der tschechischen Delegation stellte fest, dass der Kampf um die historische
Wahrheit ein gemeinsames Anliegen ist. Er brachte den Dank für die aufopferungsvolle
Arbeit der Funktionäre der GRH zum Ausdruck und überreichte Auszeichnungen an diese.
Der Referent, Prof. Dr. Siegfried Prokop, erinnerte an zahlreiche Ereignisse und
Entwicklungen in der Vorgeschichte des 13.August 1961, wie sie sich aus den Beziehungen
zwischen der UdSSR und den USA, der DDR und der BRD sowie im Verhältnis der DDR zu
ihrem Hauptverbündeten innerhalb des Warschauer Vertrages ergaben, und die schließlich zu
den bekannten Maßnahmen führten. Dabei wurde eindeutig festgestellt, dass diese
Maßnahmen vom damaligen 1. Sekretär des ZK der KPdSU, Nikita Chruschtschow,
veranlasst und von den Staaten des Warschauer Vertrages gebilligt wurden. Die auffällig
zurückhaltende Reaktion des USA-Präsidenten Kennedy und der anderen westlichen Mächte
auf die Maßnahmen des 13. August 1961 ergab sich aus der Tatsache, dass die wesentlichen
Rechte der Westmächte in Westberlin unangetastet blieben.
Der Beitrag von Generaloberst a.D. Fritz Streletz stellte eine beachtenswerte Ergänzung dar,
indem militärpolitische Hintergründe und Zusammenhänge dargelegt wurden. Er verwies auf
die in diesen Fragen eingeschränkte Souveränität der DDR und stellte ebenso die
Verantwortung für die Maßnahmen des 13. August 1961 bei Chruschtschow und der
politischen Führung der UdSSR fest. Die Brisanz der militärischen Lage kam u.a. auch in
Anforderungen der sowjetischen an die deutsche Seite zur Gewährleistung der medizinischen
Sicherstellung zum Ausdruck. Als Schlussfolgerung hob er hervor, dass der Übergang zur
militärischen Grenzsicherung im Auftrag sowie im Interesse und zum Schutz der Warschauer
Vertragsstaaten erfolgte.
Oberst a.D. Dr. Rolf Ziegenbein erinnerte an die Notwendigkeit des kritischen Umgangs mit
der eigenen Vergangenheit, wozu er auch die Maßnahmen des 13. August 1961 einbezog, die
jedoch eine entscheidende Voraussetzung für die folgende Stabilisierung der DDR darstellten.
Andererseits führte die Entwicklung in den 80er Jahren dazu, dass Probleme, die einer
gesellschaftlichen Lösung bedurft hätten, auch an der Staatsgrenze der DDR ausgetragen
wurden.
Der Vorsitzende der GRH, Hans Bauer, hob die Bedeutung der Grenzsicherung für die DDR
und ihre Bürger sowie den hervorragenden Beitrag dazu seitens der von der bundesdeutschen
Justiz strafrechtlich verfolgten Angehörigen der Grenztruppen der DDR hervor. Angesichts
faschistischer Merkmale in der BRD sei die Bezeichnung „Antifaschistischer Schutzwall“
gerechtfertigt. Mit seinen Schlussfolgerungen für die weitere Arbeit der Arbeitsgruppe gab er
wertvolle Anregungen, das Jahr 2011 zu einem Jahr der Offensive unserer Aktivitäten zu
gestalten.
Oberst a.D. Karl-Heinz Kathert betonte, keine Beschränkung bei der Darstellung der
Maßnahmen des 13. August 1961 nur auf den Berliner Raum und keine Unterschätzung der
Bedeutung der Grenzsicherung an der Staatsgrenze der DDR zu den sozialistischen
5
Nachbarstaaten zuzulassen. Dank der guten Zusammenarbeit mit den polnischen und
tschechischen Grenzschutzorganen konnte auf DDR-Seite zur Grenzüberwachung
übergegangen werden. Außerdem würdigte er einen der Erzieher sozialistischer
Grenzoffiziere – Walter Breitfeld.
Wolfgang Kluge brachte ein von ihm verfasstes Gedicht zum Vortrag, dessen Entstehung
durch die Art und Weise des Begehens des 20. Jahrestages der Deutschen Einheit ausgelöst
wurde, und das die Friedensglocke vom Fichtelberg zum Inhalt hat.
Rechtsanwalt Jürgen Strahl verwies auf die Aufwirkungen der Maßnahmen des 13. August
1961 für die Sicherung der sozialistischen Existenz des Volkes der DDR. Der Strafverfolgung
von Angehörigen der Grenztruppen der DDR stellte er das Walten eines bundesdeutschen
Organs gegenüber, das belastete Juristen des deutschen Faschismus vor Strafverfolgung
bewahrte.
Gert Hommel überbrachte Grüße der Verbundenheit des RFB e.V. und rief zur Aktionseinheit
aller kommunistischen Kräfte auf.
Oberstleutnant a.D. Horst Liebig informierte über die Zusammenkunft eines Gesprächskreises
zur Geschichte der Grenztruppen der DDR und dessen Anliegen sowie über weitere
Aktivitäten. Dabei hob er die Notwendigkeit einer objektiven, kritischen und selbstkritischen
Darstellung der Geschichte hervor.
Prof. Dr. Siegfried Prokop konnte in einer kurzen Zusammenfassung eine sehr interessante
und aufschlussreiche Diskussion feststellen. Seine besondere Sorge galt der Gewinnung der
jüngeren Generation zwecks Übernahme der Stafette.
Eine unter Leitung von Oberstleutnant a.D. Günter Ganßauge zum Thema gestaltete
Ausstellung und ihre Wiedergabe in einer Broschüre fanden bei den Teilnehmern des
Treffens aufmerksame Beachtung.
Das Ergebnis einer Solidaritätsspendensammlung betrug 1.344,90 Euro.
6
Prof. Dr. Siegfried Prokop
Geschichte der Berliner Mauer- Fragen und Probleme 1
Das geschichtliche Hauptergebnis der Berliner Mauer besteht in ihrem Beitrag zur
Friedenssicherung. Man vergegenwärtige sich, was bei den zahlreichen Zuspitzungen des
Kalten Krieges in dem Zeitraum von 1961 bis 1989 geschehen wäre, wenn es zu dem großen
Knall, dem atomar geführten Dritten Weltkrieg, gekommen wäre. Vom deutschen Volk wäre
nichts weiter übrig geblieben als ein großer Haufen Staub und Asche, und nicht nur das
deutsche Volk wäre davon so unfassbar hart betroffen worden.
Der heutige Zeitgeist hat diesen produktiven Beitrag der Mauer zur europäischen Geschichte
in der Zeit des Ost-West-Konflikts nie im Blick gehabt. Stattdessen wurde über ein Jahrzehnt
von Jahr zu Jahr die Zahl der Mauertoten propagandistisch gesteigert. Den Höhepunkt
erreichte die Chefin des Museums am Check-Point-Charlie im Oktober 2004 mit ihren 1065
Holzkreuzen auf beiden Seiten der Zimmerstraße in Berlin-Mitte. Die Medien, die unkritisch
und hämisch die spekulative Zahl verbreitet hatten, schwiegen betreten, nachdem ein
Potsdamer Institut eine Korrektur der Opfer-Zahl auf 136 vorgenommen hatte2, wobei, das sei
hier betont, selbstverständlich jeder Tote an der Mauer einer zu viel war.
Ich habe mich in die Debatten um die Geschichte der Berliner Mauer mit zwei Publikationen
eingemischt:
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•
UNTERNEHMEN „Chinese Wall“. Die DDR im Zwielicht der Mauer. R.G. Fischer
Verlag Frankfurt/Main 1992. - 2., überarbeitete Auflage 1993.
Die Berliner Mauer (1961-1989). Fakten, Hintergründe, Probleme. Kai Homilius
Verlag Berlin 2009. Compact-Reihe Nr.4, 100 S.
Seither wurden neue Tatsachen bekannt, die so gewichtig sind, dass eine zweite Auflage der
letzten Publikation unumgänglich wird. Dazu zählen u.a.:
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•
Thilo Sarrazins Mitteilung vom 23. April 2009, dass Mitte der 70er Jahre in Bonn ein
Plan entworfen wurde, die Westberliner in die Lüneburger Heide umzusiedeln. Der
scheidende Finanzsenator teilte ferner mit, dass die Reste West-Berlins an die DDR
verschenkt werden sollten. Der Grund für den kühnen Plan habe der unstillbare
Hunger der isolierten Stadt nach Bundesgeld geliefert. Von den 35 Milliarden
D-Mark, die West-Berlin im Jahre 1989 ausgab, stammten 17 Milliarden vom Bund.3
Was Sarrazin in dieser Pressekonferenz nicht sagte, war die Tatsache, dass WestBerlin Mitte der 70er Jahre bereits in eine demographische Krise geraten war, die nur
durch großzügige Einwanderung aus der Türkei ausgeglichen werden konnte. Dieses
Problem soll hier nicht weiter beleuchtet werden, weil es ein eigenes Thema wäre.
Paul Oestreichers Offenbarung über die „on the record“ und „off the record“ –
Bewertung des Mauerbaus durch den stellvertretenden Kommandanten des Britischen
Sektors, worüber am 24. Oktober 2009 in der „Berliner Zeitung“ berichtet wurde. Der
anglikanische Pfarrer und Journalist Oestreicher war 1961 vom Sender BBC nach
Berlin geschickt worden, um über die Stimmung nach dem 13. August zu berichten.
Was er da von dem britischen Offiziellen erfuhr, war für ihn aus journalistischer Sicht
frustrierend. Was er „on the record“, also offiziell, erfuhr, war ohnehin weltweit schon
bekannt: „Wir verurteilen auf’s Schärfste diesen Bruch des Viermächteabkommens
über Berlin, diese Verachtung der Menschenrechte, diese Einsperrung der
7
Bevölkerung des Pankower Regimes. Und wir sehen diese Mauer im weiteren
Rahmen als Eskalation des Kalten Krieges durch die letztlich verantwortliche
Sowjetunion.“ Off the record – mit dem Hinweis, keinesfalls davon Gebrauch zu
machen, auch nicht zwischen den Zeilen – hörte Oestreicher fast genau das Gegenteil:
„Wir Westmächte sind über den Mauerbau eigentlich erleichtert. Für die absehbare
Zukunft ist Westberlin gesichert. Der destabilisierende Flüchtlingsstrom war einfach
nicht mehr tragbar. Ein ökonomischer Zusammenbruch Ostdeutschlands hätte eine
unkalkulierbare sowjetische Reaktion ausgelöst. Die Gefahr eines neuen Krieges ist
nun erst einmal gebannt. Zwar hat uns der Zeitpunkt des Mauerbaus überrascht, nicht
aber die Mauer an sich. Die Sowjets wussten sehr wohl, dass sie keine westlichen
Gegenmaßnahmen zu befürchten hatten. Und schlussendlich hat man uns mit der
Mauer auch noch eine nützliche Propagandawaffe geliefert.“
Ein Jahr später, die Welt hatte gelernt, mit der Mauer zu leben, fuhr Oestreicher wieder nach
Berlin. Er hatte einen Auftrag der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. In
diesem Zusammenhang kam es zu einem zweieinhalbstündigen Gespräch mit Walter
Ulbricht. Was Oestreicher von Ulbricht erfuhr, war höchst überraschend. Vom Sprachstil des
„Neuen Deutschland“ sei keine Spur zu bemerken gewesen. Oestreicher erlebte Ulbricht „off
the record“. Streng sinngemäß, nicht ganz wörtlich, zitierte Oestreicher Ulbricht: „Mein Staat
war gefährdet. Die bürgerlich erzogene Bevölkerung, die noch kein Verständnis für den
Sozialismus entwickelt hatte, floh in Scharen davon. Krankenhäusern fehlten Ärzte, die ganze
Wirtschaft war bedroht. Zur Rettung des sozialistischen Lagers – und damit des Weltfriedens
– war die Mauer (sic! - das Wort Schutzwall kam nicht vor) eine tragische Notwendigkeit.“
Frage Oestreichers an Ulbricht: „Hätten Sie mit einer liberaleren, menschenfreundlicheren
Politik, wie sie neuerdings von Chruschtschow praktiziert wird, nicht das Gleiche erreichen
können?“ Antwort: „Der da hinten (wörtlich!) kann sich allerhand leisten. Ich sitze an
vorderster Front. Ein Soldat im Schützengraben zündet keine Zigarette an. Nur auf diese
Weise konnte ich den Sozialismus retten. Die Früchte werden kommende Generationen
ernten. Ich werde das nicht mehr erleben, ich muss den Hass meiner Bürger auf mich
nehmen.“
Oestreicher fragte: „Sind die Schüsse an der Mauer nicht ein viel zu hoher Preis?“ Antwort:
„Auch da bleibt mir keine Wahl. Es wird zwar nicht immer geschossen, wie die Statistik
beweist, aber ohne Schüsse hätten wir die Mauer gar nicht erst zu bauen brauchen. Jeder
Schuss an der Mauer ist zugleich ein Schuss auf mich. Damit liefere ich dem Klassenfeind die
beste Propagandawaffe. Den Sozialismus und damit den Frieden aufs Spiel zu setzen, würde
aber unendlich mehr Leben kosten.“
•
Die Entdeckung eines 19-seitigen Gesprächsprotokolls vom 1. August 1961 durch den
Historiker Matthias Uhl, das schlüssig belegt, dass Nikita Chruschtschow den Bau der
Berliner Mauer anordnete. Der Schlüsselsatz Nikita Chruschtschows lautete: „Ich
habe unseren Botschafter gebeten, Ihnen meinen Gedanken darzulegen, dass man die
derzeitigen Spannungen mit dem Westen nutzen und einen eisernen Ring um Berlin
legen sollte.“4
Schließlich ist in letzter Zeit deutlicher der Unterschied zwischen der
Grenze mitten durch Korea und der Berliner Mauer sichtbar geworden.
Barbara und Winfried Junge nahmen mit ihrem Filmzyklus „Die Kinder
von Golzow“ am 2. Internationalen Dokumentarfilmfestival in Seoul teil.
8
„20 Years since the Fall“ in Paju Book City teil. Unweit von Soul kamen sie
in direkten Kontakt mit der Grenze:
“Endlos zieht sich der Stacheldrahtzaun der Vorsperranlagen mit ihren
Wachtürmen an der Stadt vorbei, entlang der Autobahn durch die hügelige,
bewaldete Landschaft mit den zahlreichen Einbuchtungen des Gelben
Meeres und den vorgelagerten Inseln.
Am anderen Ufer des weiter nördlich einmündenden Imjingang, dessen
Brücken keinem Grenzverkehr mehr dienen, die vier Kilometer Pufferzone
bis zur UN-überwachten Waffenstillstandslinie – mit Panmunjon als Ort des
zeitweisen offiziellen Sichgegenübertretens uniformierter Nord- und
Südkoreaner.
Wer als angemeldeter Ausländer von südkoreanischer Seite (in der
Gruppe!) bis dahin vordringen will, hat zu unterschreiben, dass er die
Schutzmächte nicht haftbar macht, wenn er zwischen den Fronten plötzlich
zu Schaden kommt. ... Allenfalls konnten wir versuchen, die DDR vor einer
allzu einfachen Gleichsetzung mit Nordkorea heute in Schutz zu nehmen.
Auch in Deutschland teilte einmal eine Grenze Familien - in Korea aber
sahen sich Verwandte seit Jahrzehnten nicht, ja wissen nicht einmal, ob
diese jenseits der Grenze noch leben.
Wo die Straße über den Imjingang an Stacheldraht und Sichtblenden endet,
prangen nicht Graffiti-Schmierereien, wie das an der Berliner Mauer so war,
sondern hängen über und über bunte Bänder, mit denen die Trennung von
den Lieben im Norden beklagt wird. Im Unterschied zur Grenze zwischen
beiden deutschen Staaten wurden die Sperren und Vorsperranlagen auch auf
südkoreanischer Seite errichtet. Zu groß ist hier die Furcht vor einer neuen
Aggression Nordkoreas oder auch nur vor Spionen. Hätte die alte Bundesrepublik wirklich eine Aggression der DDR gefürchtet, so wäre sie wohl
ihrerseits ebenfalls zu einer Grenzsicherung ähnlicher Qualität entschlossen
gewesen, und das Credo, dass Deutsche nicht von Deutschen zu trennen
sind, wäre dann schnell zweitrangig geworden.
Schwer zu sagen, wer vor wem in beiden Koreas mehr Angst hat.
Handreichungen mit Einigung auf Kompromisse zwischen beiden Staaten
sind wohl kaum zu erwarten. Eher scheint uns weiterhin Schlagabtausch
und damit auch Gefahr für die Welt.“5 An anderer Stelle waren Zahlen zur
Mauer in Korea genannt worden: „Es gibt auch eine richtige
Eisenbetonmauer, 240 Kilometer lang, fünf Meter hoch, an der Basis zehn
Meter dick. Sie wurde Ende der siebziger Jahre südlich von der
Demarkationslinie errichtet und steht im Widerspruch zum
Waffenstillstandsabkommen. Der Mauerkorpus birgt Arsenale für Waffen,
Munition und Kriegstechnik.“6
Der Unterschied zwischen den Mauern in Korea und in Berlin bestand darin, dass
die Berliner Mauer vor allem in den 80er Jahren nach beiden Seiten in immer
größerem Umfange durchlässig geworden war, sie also den Reiseverkehr nicht
unterband.
9
Der deutsch-deutsche Reiseverkehr 1980 bis 1988 (in Mio.)
Jahr
1980
1985
1988
Reisen aus der DDR in
die BRD, Rentnerreisen
1,5
1,6
1,1
Reisen in dringenden
Familienangelegenheiten
0,4
0,7
1,2
Reisen aus der BRD in
die DDR
2,7
3,0
3,6
Reisen von
Westberlinern nach
Ostberlin und in die
DDR
-
1,9
1,9
Es hing von den gegenseitigen Beziehungen ab, inwieweit hier eine Ausgestaltung stattfand. Wenn die Initiative von 25 SPD-Bundestagsabgeordneten um
Prof. Fritz Baade im Jahre 1962, die Mauer durch Gewährung eines
Reparationsausgleichs an die DDR überflüssig zu machen, mehr Unterstützung
gefunden hätte, wären schon früher günstigere Bedingungen für den
innerdeutschen Besucherverkehr entstanden. Obwohl Walter Ulbricht 1963 sich
diesen Vorschlag zu eigen machte, kam es im Westen zu keinem Durchbruch in
dieser Frage. Auch andere Vorschläge, wie der Vorschlag Ulbrichts im Jahre
1964 für einen Zeitungsaustausch verliefen im Sande. Betonköpfe gab es auf
beiden Seiten, die immer wieder auch die erreichten Fortschritte in Frage stellten.
1989 war aber der Beton im SED-Politbüro so total verfestigt, dass die DDRBürger selbst die Sache in ihre Hände nahmen. Das Ergebnis ist bekannt.
Die Mauerahnung 19487
Dass Berlin durch eine Mauer getrennt werden könnte, haben weitsichtige Persönlichkeiten
schon während der ersten Berlin-Krise erkannt. Nachdem separate Währungsreform und
Blockade 1948 die Kriegsallianz der Großen Vier zerbrochen hatten, war die Vollendung der
Teilung Berlins, Deutschlands und Europas nicht mehr aufzuhalten. Die Schriftstellerin Ruth
Andreas-Friedrich schrieb im September 1948 in ihr Tagebuch: „Ab heute haben wir nicht
nur zwei Stadtpolizeibehörden, sondern auch zwei Stadtparlamente. Möglich, dass wir schon
ab morgen zwei Stadtregierungen und eine chinesische Mauer mit Wehrgang und
Wachttürmen längs der Sektorengrenzen haben. Vielleicht braucht man dann ein
Auslandsvisum, um von Charlottenburg nach den Linden zu fahren.“ Frau Andreas-Friedrich
hat damit genial spätere Entwicklungen vorausgeahnt. Allerdings konnte zu dieser Zeit noch
niemand voraussagen, welche der beiden Seiten als erste zur Tat schreiten werde. Zunächst
einmal, sicher unter dem Eindruck der Bedrohung der Berliner Westsektoren während der
Blockade hatte 1950 der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay eine Graphik
veröffentlicht, die deutlich die Konturen einer Schutzmauer um Westberlin zeigte.8
10
DDR- Bürger im Westen zunächst unerwünscht
Ostdeutsche Flüchtlinge waren im Westen 1949/50 keineswegs willkommen, denn
Flüchtlinge kosteten den Staat und die Kommunen Geld. Bis Mitte 1949 waren in
Westdeutschland etwa 2,5 Millionen Vertriebene in die Wirtschaft eingegliedert worden. Für
Eingliederungshilfen, Renten für Körpergeschädigte und Arbeitslosenfürsorge waren seit
Kriegsende 6 Milliarden DM ausgegeben worden. Der Anteil der Flüchtlinge unter den
Arbeitslosen war nach wie vor sehr hoch.
Eine besondere Zuspitzung der Flüchtlingsfrage ergab sich im Juli 1949 im Lager Uelzen (Niedersachsen). Der niedersächsische Flüchtlingsminister Pastor Heinrich Albertz (SPD) sah
sich gezwungen, das Lager zu schließen und die Flüchtlingsminister der britischen und
amerikanischen Zone nach Uelzen einzuladen. Gemeinsam legten sie fest, dass nur ein Teil
der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone nach einem festen Schlüssel auf
westdeutsche Länder aufgeteilt wird, während die anderen in das Herkunftsgebiet
zurückgewiesen werden sollten. In der Folgezeit wurde der Entwurf einer Rechtsverordnung
auf der Grundlage der „Uelzener Beschlüsse“ im Bundesrat vorgelegt.9 Diesem Entwurf vom
21. November 1949 zufolge sollten nur die 5 - 6 % „echten politischen Flüchtlinge“ in der
Bundesrepublik Aufnahme finden, jedoch maximal bis zu 15 % aller Flüchtlinge, denen das
Ministerium für gesamtdeutsche Fragen einen zwingenden Grund für den Übertritt
zuerkannte. Der Bundesminister des Innern, Dr. Gustav Heinemann (CDU), schlug eine
stufenweise Rückführung der Abgewiesenen vor:
•
•
Zunächst sollten Warnungen vor unbegründetem Grenzübertritt durch Presse und
Rundfunk erfolgen.
Anschließend sei die Rückführung der im Lager Berlin Abgewiesenen durchzuführen.
In den Lagern Uelzen und Gießen werde gleichzeitig mit der Rückführung der
kriminellen Elemente begonnen. Anschließend erfolge eine stufenweise Ausdehnung
der polizeilichen Rückführung auf weitere Gruppen, bis der „gesetzmäßige Zustand“
erreicht ist.
Auf Seiten der konservativen Parteien wurde in dem Flüchtlingsstrom eine Machenschaft
Josif W. Stalins gesehen, dem an einem Kollaps Westdeutschlands durch Überbevölkerung
gelegen sei. Die Sozialdemokraten als Oppositionspartei besannen sich allmählich darauf,
einer rigiden Abschiebepolitik entgegenzutreten. Ernst Reuter, Regierender Bürgermeister
von Berlin, widersprach im Bundesrat dem vorgelegten Verordnungsentwurf. Im Osten dürfe
nicht der Eindruck erweckt werden, „als ob wir eine Mauer zwischen dem Osten und dem
Westen aufrichten wollten.“
Die SPD brachte sodann im Bundestag den Entwurf für ein Notaufnahmegesetz (mit
Ausnahme von Kriminellen ohne Rückführungsklausel) ein, gegen den jedoch der Bundesrat
sein Veto einlegte. Ein Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat legte
daraufhin am 21. Juni 1950 eine Neufassung vor. Während nach der vom Bundestag
gewählten Fassung Personen, die wegen drohender Gefahr für Leib und Leben, für die
persönliche Freiheit oder aus anderen zwingenden Gründen die DDR verlassen mussten, die
Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden durfte, musste sie jetzt bei Erfüllung dieser
Bedingungen erteilt werden.
11
Die Defensiv-Position der DDR
Die DDR, die unter den Folgen der Teilung des Landes ungleich stärker litt als die
Bundesrepublik, verfügte über kaum nennenswerte Bodenschätze, war vielfach stärker durch
Reparationsleistungen belastet worden und verlor nun auch Jahr für Jahr einen erheblichen
Teil ihres „Humankapitals“. Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre wurde die „Republikflucht“
immer mehr zu einer wirtschaftlichen Existenzbedrohung. In dieser Zeit war die DDR immer
weniger in der Lage, die Lücken durch Mobilisierung innerer Reserven zu schließen, z.B.
durch die Einbeziehung von Frauen in die Berufstätigkeit, bzw. die Fortsetzung der Arbeit
von Rentnern. Das Arbeitskräftedefizit der DDR wurde auch gemindert durch die West-OstWanderung, die sich aus Rückwanderern und Erstzugezogenen aus der Bundesrepublik
zusammensetzte. Es handelte sich aber jährlich nur um einige Zehntausende, während es in
umgekehrter Richtung ein- bis dreihunderttausend Menschen waren. Zwischen den Ab- und
Zuwanderern bestand ein Qualifizierungsunterschied. In jeder Beziehung blieb es für die
DDR netto bei einem Wanderungsverlust. Für die Bundesrepublik war die Abwanderung eher
von Vorteil, da es sich bei den Abwandernden oft um Menschen mit unsicherem Arbeitsplatz
oder um Arbeitslose handelte, was die Sozialkassen entlastete. Unter Berücksichtigung all
dieser Tatsachen und Umstände kam der Bielefelder Wirtschaftshistoriker W. Abelshauser zu
dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik im Durchschnitt von 12 Jahren jährlich ein
Humankapital von etwa 2,5 Mrd. DM erhielt. Das war ein Betrag, der das Ausmaß der
Marshallplanhilfe bei weitem übertraf.
Dieser Ost-West-Transfer von Humankapital bereitete der SED-Führung nicht wenig
Kopfzerbrechen. Schon 1952, berichtete Julij A. Kwizinskij in seinen Erinnerungen, hätte die
DDR-Führung mit Stalin über die Grenzschließung gegenüber Westberlin gesprochen.
Vorerst konnte Moskau auf seine Vereinigungsvorschläge verweisen. Doch mag politischen
Vordenkern in Ostberlin und Moskau in dieser Zeit bewusst geworden sein, dass eine
Grenzschließung durch Berlin bei noch im Bau befindlichem Außenring um Berlin und ohne
eigenen Hochseehafen der DDR, 95 % der Umschlags der Hochseefracht der DDR erfolgte
über den Hamburger Hafen, gar nicht ernsthaft gedacht werden konnte.
Das Berlin-Ultimatum
Am 27. November 1958 richtete die UdSSR eine Note an Frankreich, Großbritannien und die
USA, in der sie vorschlug, alle Besatzungstruppen aus Berlin abzuziehen, eventuell unter
Aufsicht der Vereinten Nationen, und den französischen, den britischen und den
amerikanischen Sektor Berlins einstweilen zu einer „entmilitarisierten, freien Stadt“ zu
machen. Die UdSSR räumte für die Lösung der Berlin-Frage eine Zeit von sechs Monaten ein,
weshalb die Note im Westen als Ultimatum aufgefasst wurde. Sollte es in dem genannten
Zeitraum zu keiner Verhandlungslösung kommen, würde die UdSSR gemeinsam mit der DDR
die geplanten Maßnahmen verwirklichen: „In diesem Zusammenhang gilt, dass die DDR wie
jeder andere unabhängige Staat selbst alle Fragen, die ihr Territorium angehen, behandeln soll,
dass sie also die Souveränität über ihr Land, ihren See- und Luftraum ausübt.“ Die UdSSR
warf den Westmächten „Wühlarbeit gegen die DDR“ vor. Sie erklärte ihre Bereitschaft, sich
jederzeit an der Vorbereitung eines Friedensvertrages mit Deutschland zu beteiligen. Das
Fehlen eines Friedensvertrages rechtfertige keineswegs, in irgendeinem Teil Deutschlands das
Besatzungsregime aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig richtete die UdSSR Noten an die
Regierungen der Bundesrepublik und der DDR, in denen sie ihre Vorstellungen für die
Lösung der Berlin-Frage darlegte:
12
- Freie Stadt Westberlin,
- unabhängige Stadtregierung,
- keine Eingliederung in die DDR,
- Garantie der Unabhängigkeit durch UNO und die vier Mächte,
- ungehinderte Kontakte Westberlins mit der Außenwelt.
Das sowjetische Berlin-Ultimatum stieß im Westen vielfach auf Ablehnung. USAußenminister John Foster Dulles, der eine „Politik am Rande Krieges“ bevorzugte, gab am
28. Januar 1959 vor dem Auswärtigen Komitee des Repräsentantenhauses eine Erklärung ab.
Auf eine Frage, ob die Vereinigten Staaten sich im vollständigen Einvernehmen mit ihren
Alliierten bezüglich aller Schritte befänden, die in der Berlin-Frage zu unternehmen wären,
antwortete Dulles: „Hinsichtlich des Grundsatzes, fest in Berlin zu bleiben und falls
erforderlich, eher einen Krieg zu riskieren als aus Berlin verdrängt zu werden, besteht
vollständiges Einvernehmen.“ Es gab aber auch Kräfte, die über eine Verhandlungslösung
ernsthaft nachdachten. Am 12. Februar 1959 legte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende
des Außenpolitischen Ausschusses des Senats, Senator Mike Mansfield, einen DeutschlandPlan vor, der eine Kompromisslösung vorsah.
Zuspitzung der Lage in der DDR
Gerade auch hausgemachte Fehler der von Walter Ulbricht geführten SED trugen zur
Zuspitzung der Lage in der DDR bei:
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Das irreale Überholmanöver des V. Parteitages der SED gegenüber der
Bundesrepublik, dass 1961 zum Überholen im Pro-Kopf-Konsum und 1965 zum
Überholen in der Arbeitsproduktivität führen sollte (Siebenjahrplan 1959).
Die überstürzte Einführung der zehnjährigen polytechnischen Oberschulbildung, die
durch den verspäteten Berufsstart von etwa 80 Prozent zweier Altersjahrgänge die
akute Arbeitskräftesituation weiter zuspitzte.
Die Kampagne des „sozialistischen Frühlings“ 1960, die zu dem hohen Preis des
Rückgangs der agrarischen Bruttoproduktion den Zusammenschluss in
Agrargenossenschaften im Vergleich zum Siebenjahrplan (1965) vorfristig abschloss.
Die in zweistelliger Milliardenhöhe getätigte Fehlinvestition in die Flugzeugindustrie,
die ein kleines Land wie die DDR nicht so ohne weiteres verkraften konnte. Wären die
Mittel für die Flugzeugindustrie in die Rationalisierung der Industrieproduktion
gesteckt worden, hätte ein bedeutender Produktivitätszuwachs erreicht werden können.
Im Übergang vom zweiten zum dritten Quartal 1960 geriet die DDR – Wirtschaft aus dem
Rhythmus. Disproportionen zwischen Durchschnittslöhnen und Arbeitsproduktivität sowie
zwischen der Kaufkraft und dem Warenangebot machten sich zunehmend negativ im
Alltagsleben der Bürger bemerkbar. Im September 1960 kam es zu neuen Zuspitzungen in der
Berlin-Frage. Vertriebenenverbände der Bundesrepublik führten vom 1. bis 4. September in
Westberlin einen „Tag der Heimat“ durch. Der Innenminister der DDR verfügte zur Abwehr
des „Revanchistentreffens“ ein Einreiseverbot für Bundesbürger. Die Einreise in die DDR und
nach Ostberlin wurde nur den Bundesbürgern gestattet, die im Besitz einer
Einreisegenehmigung waren. Am 8. November 1960 unterwarf die DDR die Einreise von
Bundesbürgern nach Ostberlin generell einer Genehmigungspflicht. Am 23. September 1960
wurde der amerikanische Botschafter in der Bundesrepublik, Walter C. Dowling, von
Volkspolizisten am Brandenburger Tor angehalten und aufgefordert, nach Westberlin
zurückzukehren. Erst nachdem sich Dowling als Botschafter ausgewiesen hatte, wurde ihm
der Weg nach Ostberlin freigegeben.
13
Separatfrieden mit der DDR?
Die NATO-Ratstagung vom 8.-10. Mai 1961 in Oslo wies im Kommuniqué die Androhung
eines separaten Friedensvertrages zurück und bekräftigte die Entschlossenheit, „die Freiheit
Westberlins und seiner Bevölkerung zu wahren.“ Diese auf den ersten Blick unauffällige
Formulierung, wirkte laut Wilhelm G. Grewe wie eine „Hiobsbotschaft“10, da nun die von
Kennedy und Dean Rusk eingeführte terminologische Neuerung, „Westberlin“ statt „Berlin“
zu sagen, Eingang in ein NATO-Kommuniqué gefunden hatte. Für den erfahrenen Diplomaten
Grewe war das gleichbedeutend damit, dass zwar die Rechte der Westmächte geschützt
wurden, jedoch die Freizügigkeit der West-Berliner in Gesamtberlin zur Disposition stand.
Einem Bericht von Heinrich Albertz zufolge lief Egon Bahr mit dem Text des Kommuniqués
zum Regierenden Bürgermeister Willy Brandt und sagte: „Das ist fast wie eine Einladung für
die Sowjets, mit dem Ostsektor zu machen, was sie wollen.“ Egon Bahr bestätigte diese
Darstellung in seinen Memoiren ausdrücklich: „Aufgeschreckt wurde ich erst durch das
Kommuniqué der NATO-Ratssitzung in Oslo am 10. Mai. Da wurden drei Eckpunkte
garantiert, nämlich Zugang, Anwesenheit der Westmächte und Lebensfähigkeit der
Westsektoren. Von Vier-Mächte-Status war nicht mehr die Rede. Wirklich erregt stürmte ich
zum Chef und legte die Meldung der Nachrichtenagentur auf den Tisch: ‚Das ist schrecklich,
im Grunde eine Einladung an die Sowjets, dass sie mit ihrem Sektor machen können, was sie
wollen.’ Unmittelbar vorher (muss eigentlich „nachher“ heißen – d.Vf.) hatten Kennedy und
Chruschtschow in Wien einander Maß genommen und einen Monat später erklärte der neue
Präsident die Entschlossenheit der USA, Westberlin zu verteidigen. Das beruhigte die WestBerliner, die Menschen östlich des Brandenburger Tores nicht.“
Das Gipfeltreffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy und dem
sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita S. Chruschtschow am 3. und 4. Juni 1961 in Wien
führte nicht zur Beilegung der akuten Spannungen in der Berlin-Frage. Die Wiener
Begegnung wurde gelegentlich als „Weichenstellung zum Mauerbau“ überbewertet. Das
würde den Blick für die eigentliche Dramatik des Geschehens im „heißen Sommer“ 1961
verstellen.
Chruschtschow hatte Kennedy am 4. Juni 1961 nach Abschluss der Gespräche mit einem
Memorandum überrascht, das die Berlin-Krise nach Wien erneut anheizte. Das
Memorandum, das wieder mit einer Sechsmonatefrist als Ultimatum aufgemacht war, drohte
den Abschluss eines separaten Friedensvertrages mit der DDR an, in dessen Ergebnis die
Besatzungsrechte in Berlin erlöschen sollten: „Insbesondere werden die Fragen der
Benutzung der Verbindungswege auf dem Lande, zu Wasser und in der Luft, die über das
Territorium der DDR führen, nicht anders zu lösen sein als auf der Grundlage entsprechender
Übereinkommen mit der DDR.“
Kurs auf Luftsperre
Am 4. Juni 1961 erklärte Walter Ulbricht in einem Interview: „Schon seit Jahren wird der
Verkehr zwischen Westberlin und anderen Ländern, einschließlich Westdeutschland,
zumindest zu 95 v. H. von den Behörden der DDR kontrolliert. An die Kontrolle auch der
restlichen 5 v. H. wird sich die Welt gewöhnen. Daran zweifele ich nicht.“
Auf einer internationalen Pressekonferenz am 15. Juni 1961 hatte Walter Ulbricht auf eine
Anfrage von Annemarie Doherr von der „Frankfurter Rundschau“ zutreffend erklärt, dass er
nicht die Absicht habe, eine Mauer zu errichten. Auf die Frage des „Spiegel“, ob die
Kontrolle über die Luftsicherheit auch die Kontrolle der Passagiere einschließe, erklärte
14
Ulbricht: „Ob die Menschen zu Lande, zu Wasser oder in der Luft in die DDR kommen, sie
unterliegen unserer Kontrolle...Wir machen es genauso, wie man es in London macht. Damit
ist die Sache in Ordnung.“
Am 28. Juni 1961 veröffentlichte das Post- und Verkehrsministeriums der DDR eine
Anordnung für ausländische Flugzeuge, die das Datum des 15. Mai trug. Diese Anordnung
bestimmte, dass alle Flugzeuge, die in die DDR einfliegen oder aus ihr ausfliegen, ab 1.
August 1961 die Radiosicherungsbehörden der DDR zu informieren haben und beim Fluge
innerhalb der DDR ihre Radioeinrichtung nur für Angelegenheiten der Flugsicherung und
Flugregelung auf den von den DDR-Behörden festgelegten Frequenzen benützen dürfen.
Es besteht kein Zweifel, im Juni 1961 ging es Ulbricht noch nicht um den Mauerbau.
Luftkontrolle war angesagt; es ging um die letzten fünf Prozent der noch nicht kontrollierten
Verbindungen Westberlins. Es war bestimmt kein Zufall, dass in dieser Zeit Jugendbrigaden
in einer sich „Zentrales Jugendobjekt der FDJ“ nennenden Hauruck-Aktion den Flughafen in
Berlin-Schönefeld für Düsenpassagierflugzeuge ausbauten.
Kennedy zwingt Chruschtschow zum Kurswechsel
Der populäre Präsident Kennedy geriet ein knappes halbes Jahr nach Beginn seiner
Regentschaft in eine schwierige Lage. Das Treffen in Wien wurde ihm als „Desaster“
angelastet. An seinen Führungsqualitäten wurde gezweifelt. Die „Falken“ kritisierten die
Niederlage der amerikanischen Kuba-Politik (vor allem die Erfolglosigkeit des vom
Vorgänger Eisenhower ererbten „Schweinebucht“- Abenteuers im April 1961), die
mangelnden Erfolge der USA in Südostasien und die Unsicherheiten in Südkorea. Im Lande
selbst warfen die Rassenunruhen in Alabama ihre Schatten auf Kennedys Bemühungen,
Sympathien bei den afro - asiatischen Völkern zu erwerben. Zur negativen Bilanz Kennedys
zählte, dass der erfolgreichen Ausstrahlung des Weltraumfluges Jurij Gagarins durch Alan B.
Shepards kurzen Flug nur teilweise entgegen gewirkt werden konnte. Das Regime de Gaulles
im verbündeten Frankreich wurde durch den Aufstand der französischen Generale in Algerien
in seiner Stabilität erschüttert. Auch nach dem Zusammenbruch des Offiziers-Aufstands
waren die Zweifel nicht verschwunden.
In diese Zeit der Irritationen und Wirrnisse fiel die Kritik Mike Mansfields, Führer der
demokratischen Mehrheit im Senat, dass sich die USA in Berlin festklammerten. Er schlug
am 14. Juni 1961 in Anknüpfung an seinen Berlin-Plan vor, ganz Berlin in eine
entmilitarisierte „Freie Stadt“ unter dem Schutz und der Aufsicht der Vereinten Nationen
umzuwandeln. Warschauer Vertrag und NATO sollten gemeinsam den Interimstatus der
„Freien Stadt“ bis zur Herstellung der deutschen Einheit garantieren.
John F. Kennedy bemühte sich, seine Berlin-Politik auf eine feste Basis zu stellen und seinen
Kritikern im Lande offensiv zu begegnen. Am 27. Juni 1961 berief er den früheren
Stadtkommandanten General Maxwell Taylor zu seinem Militärbeauftragten. Er wies ihn an,
die amerikanische Planung für den Fall einer ernsthaften Krise in Berlin zu überprüfen. Auf
seiner Pressekonferenz am 28. Juni 1961 lehnte es der Präsident ab, sich zu konkreten
Maßnahmen in Verbindung mit der Berlin-Frage zu äußern, solange ihm nicht der Bericht der
„task force“ unter dem Vorsitz Dean Achesons sowie weitere Vorschläge vorlägen. Im
Nationalen Sicherheitsrat würden am folgenden Tage Maßnahmen beraten: „Darüber hinaus
möchte ich darauf hinweisen, dass wir hier über Angelegenheiten von äußerstem Ernst
sprechen“, erklärte Kennedy. Am 30. Juni 1961 war Kennedys Direktive fertig, die den
Außen-, Verteidigungs- und Finanzminister aufforderte, bis zur Beratung des Nationalen
15
Sicherheitsrates am 13. Juli 1961 Entscheidungsgrundlagen auszuarbeiten. In die ErnstfallPlanung zur Berliner Krise (contingency planning), die bisher in den Händen der drei
Westmächte lag, wurde ab Juli auch die Bundesregierung einbezogen. Am 14. Juli 1961
weilte Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß auf Einladung Robert S. McNamaras zur
Beratung des strategischen Konzepts der neuen Administration, vor allem der militärischen
Aktionen zur Sicherung des freien Zugangs nach Berlin, in Washington. Strauß stimmte dem
Konzept der „flexible response“ zu. Die Durchbruch - Pläne des Hardliners Dean Acheson
fanden keine Berücksichtigung. Der frühere Radford-Plan, der sich ausschließlich auf
Nuklearwaffen gestützt hatte, war schon vorher bei Strauß auf Vorbehalte gestoßen. Der
Grundgedanke der Strategie bestand darin, die Schwelle für die Auslösung des
„Garantiefalles“ hoch zu legen und für die andere Seite so riskant wie nur möglich zu
machen. Nach Wilhelm Grewe, Botschafter der Bundesrepublik in Washington, bildeten die
„militärischen Garantien zur Erhaltung der ‚Freiheit’ und ‚Unabhängigkeit’ Berlins eine Art
‚Maginotline’“. Das schließlich beschlossene Szenario wird bis heute unter Verschluss
gehalten.
Für die Eventualfall- und Verteidigungs-Planungen bestand von 1959 bis 1990 die
Organisation „Live Oak“ (LO). Sie bestand aus dem Commander Live Oak (CLO), einem
„Alternate Commander“ (ACLO) und dem Stab Live Oak.
Franz-Josef Strauß ließ in seinen „Erinnerungen“ trotz noch geltender Geheimhaltung wissen,
dass im Falle einer Luftsperre zum Zwecke des Erzwingens der Zugänge zu Berlin der
Abwurf einer Atombombe auf einen Truppenübungsplatz in der DDR vorgesehen war. Strauß
schrieb: „Der amerikanische Gedanke eines Atombombenabwurfs auf einen sowjetischen
Truppenübungsplatz hätte, wäre er verwirklicht worden, den Tod von Tausenden sowjetischer
Soldaten bedeutet. Das wäre der Dritte Weltkrieg gewesen. Die Amerikaner wagten einen
solchen Gedanken, weil sie genau wussten, dass die Sowjets damals noch nicht über präzise
treffende und zuverlässig funktionierende Interkontinentalraketen verfügten, auch nicht über
einsatzgenaue Mittelstreckenraketen.“11
In die Zeit der Ausformung dieses riskanten Konzepts fielen Gespräche über einen
Kompromiss zwischen dem amerikanischen Präsidentenberater Arthur Schlesinger und dem
sowjetischen Botschaftsrat Georgij Kornijenko am 5. Juli in Washington. Der
Gedankenaustausch endete mit dem sowjetischen Appell, die USA möchten doch ihre
eigenen Garantien für Westberlin formulieren. Präsident Kennedy ließ Moskau nicht lange
warten. In Erklärungen am 19. und 25. Juli 1961 verkündete er sein Berlin-Programm, das
„den Westen aus der fatalen Lage (befreite), auf Verwaltungsschikanen und
Verkehrsbehinderungen nur mit der Drohung des thermo-nuklearen Krieges antworten zu
können.“ (Wilhelm Grewe) Kennedy charakterisierte die Schwächen der sowjetischen BerlinPolitik und demonstrierte die Entschlossenheit der USA, die Verteidigungsanstrengungen
erheblich zu steigern, wozu er beeindruckende Zahlen nannte. Kennedy erklärte sodann, dass
die USA nicht daran dächten, sich von der Verpflichtung gegenüber der Menschheit, eine
friedliche Lösung zu suchen, zurückzutreten. Er charakterisierte Art und Grenzen der
amerikanischen Verhandlungsbereitschaft. Der Präsident erkannte die begründete Besorgnis
der Sowjetunion bezüglich ihrer Sicherheit in Mittel- und Osteuropa nach einer Reihe
räuberischer Invasionen ausdrücklich an. Erst in diesem Zusammenhang machten die „three
essentials“ Kennedys überhaupt Sinn, die Kennedy in gar keinem Fall in Frage gestellt sehen
wollte:
•
•
Die Anwesenheit der drei Westmächte in Berlin,
ihr ungestörtes Zugangsrecht,
16
•
die Sicherheit und Freiheit der West-Berliner.
Das war das Angebot für eine Kompromiss-Lösung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
Kennedy sich hier auf westliche Minimalforderungen beschränkte und andere „essentials“,
die im Notenaustausch des Jahres 1961 und in Wien noch eine Rolle gespielt hatten, nicht
mehr nannte.
Nicht erwähnt wurden:
•
•
•
Die Gewährleistung der bestehenden Bande zwischen Berlin und der Bundesrepublik,
die Freiheit des Zivilverkehrs für Personen und Güter von und nach Berlin,
die Freiheit des Inner-Berliner Verkehrs über die Sektorengrenzen hinweg.
Aufmerksamkeit verdienen auch folgende Sätze Kennedys: „Heute verläuft die gefährdete
Grenze der Freiheit quer durch das geteilte Berlin. Wir wollen, dass sie eine Friedensgrenze
bleibt.“ Diese Passage wurde in Moskau mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen.
William Fulbright, Sprecher des außenpolitischen Senatsausschusses, wurde am 30. Juli 1961
in einem Fernsehinterview noch deutlicher: „Ich verstehe nicht, warum die Ostdeutschen
nicht ihre Grenzen schließen, denn ich glaube, dass sie ein Recht haben, sie zu schließen.“
Weichenstellung Mauerbau
Kennedys Härte und die zugleich bekundete Kompromissbereitschaft brachten Ende Juli
1961 die scheinbar versteinerten Politikkonzepte Moskaus in Bewegung. Der zeitliche
Handlungsrahmen hatte sich für den Osten angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen und
der zunehmenden wirtschaftlichen Instabilität der DDR ohnehin eingeengt, so dass für neue
Gipfelberatungen keine Zeit mehr blieb. Julij A. Kzwizinskij, 1961 Dolmetscher von Michail
Perwuchin, des sowjetischen Botschafters in Ost-Berlin, beschrieb in seinen Erinnerungen
diesen Vorgang detailliert. Demnach hatte Ulbricht dem sowjetischen Botschafter den ganzen
Ernst der Lage Ende Juni/Anfang Juli 1961 geschildert und auf ein schnelles Handeln
gedrängt. Die nicht genau datierte Antwort aus Moskau lautete nach Kwizinsky: „Dieser
(Chruschtschow- d.Vf.) gab seine Einwilligung, die Grenze zu Westberlin zu schließen und
mit der praktischen Vorbereitung dieser Maßnahme unter größter Geheimhaltung zu
beginnen. Die Aktion sollte rasch und für den Westen unerwartet durchgeführt werden.“
Ulbricht habe Chruschtschow seinen Dank übermittelt und zugleich erklärt, dass die Grenze
zu Westberlin in ihrer ganzen Länge nur mit Stacheldraht rasch abgeriegelt werden könne.
Das war praktisch die Weichenstellung in Richtung Mauerbau. Die Datierung dieser
Entscheidung war zunächst nur ungenau auf den Zeitraum von Ende Juli bis Anfang August
vorzunehmen. Eine Eingrenzung für diese Weichenstellung ließ sich durch einen
Politbürobeschluss und seine Korrektur objektivieren. Am 18. Juli 1961 hatte das Politbüro
einen Maßnahmeplan für die Vorbereitung des 90. Geburtstages von Karl Liebknecht am 13.
August 1961 beschlossen. Das Papier sah am 14. August eine Kundgebung auf dem
Potsdamer Platz vor. In der Außerordentlichen Beratung des Politbüros vom 7. August 1961
wurde dieser Beschluss aufgehoben. Daraus lässt sich ableiten, dass am 18. Juli noch keine
Entscheidungen für die Grenzschließung am 13. August vorhanden gewesen sein können.
Diese existierten aber ganz gewiss am 7. August.
17
Rolf Steininger datiert die Entscheidung für den Mauerbau auf den 31. Juli.12 Nach Ulbrichts
Eintreffen in Moskau habe Chruschtschow an diesem Tag sein Einverständnis zur Sperrung
der Grenze unter bestimmten Bedingungen mitgeteilt. Ein Friedensvertrag werde jedoch
„jetzt“ nicht unterzeichnet werden. Beziehen wir die erwähnte Mitteilung von Kwizinsky in
die Betrachtung ein, der sich erinnert hatte, dass schon Perwuchin Ulbricht in Berlin über
Chruschtschows Entscheidung zur Abriegelung informiert hatte, können wir annehmen, dass
die eigentliche Entscheidung wenige Tage vor dem 31. Juli in Moskau gefallen war. Aus dem
Verlauf der Gespräche Chruschtschows mit dem Direktor der USA-Abrüstungskommission,
John J. McCloy, lässt sich die Vermutung ableiten, dass die Entscheidung am 27. Juli 1961
fiel. Darüber, dass Chruschtschow diese Entscheidung fällte, besteht kein Zweifel mehr. Er,
der die Mauer für eine hässliche Sache hielt und der die Gefühle des deutschen Volkes
verstand, hatte dazu gegenüber Botschafter Hans Kroll geäußert: „Ich möchte Ihnen auch
nicht verhehlen, dass ich es gewesen bin, der letzten Endes den Befehl dazu gegeben hat.
Ulbricht hat mich zwar seit längerer Zeit und in den letzten Monaten immer heftiger gedrängt,
aber ich möchte mich nicht hinter seinem Rücken verstecken. Er ist viel zu schmal. Die
Mauer wird, wie ich schon gesagt habe, eines Tages wieder verschwinden, aber erst dann,
wenn die Gründe für ihre Errichtung fortgefallen sind.“13
Vom 3. bis 5. August 1961 fand in Moskau eine Beratung der Ersten Sekretäre der
kommunistischen und Arbeiterparteien statt, die sich mit der Vorbereitung eines
Friedensvertrages und der Regelung der Westberlinfrage befasste. Jan Sejna, einer der
Konferenzteilnehmer, der Parteisekretär im Verteidigungsministerium der ČSSR, hat nach
seiner Flucht im Westen über Details dieser Beratung berichtet. Seiner Schilderung zufolge
soll Ulbricht noch einmal die Kontrolle der Luftkorridore, die Luftsperre, gefordert haben.
Diese Forderung wurde aber zurück gewiesen. Chruschtschow habe auf einer weniger
radikalen Lösung zur Unterbindung des Flüchtlingsstromes bestanden. Sejna berichtete:
„Ulbricht sagte schließlich: ‚Danke, Genosse Chruschtschow, ohne Ihre Hilfe können wir
dieses schreckliche Problem nicht lösen.’“ Chruschtschow habe daraufhin noch einmal
eindringlich Ulbricht in die Grenzen gewiesen: „Ja, ich bin einverstanden – aber keinen
Millimeter weiter!“
Am 7. August traf der gefeierte Held des Zweiten Weltkriegs, der „Befreier von Prag und
Dresden“, von 1956 bis 1960 Oberkommandierender der Vereinten Streitkräfte der Staaten
des Warschauer Vertrages, Iwan S. Konew, in Ostberlin ein. Im Auftrage von Chruschtschow
übernahm er den Oberbefehl der in der DDR stationierten sowjetischen Truppen. Am selben
Tage stellte Chruschtschow in einer Rundfunkrede zur Deutschland- und Berlinfrage die
Verstärkung der Sowjetarmee an den Westgrenzen und die Einberufung von Reservisten in
Aussicht. Ihm ging es aber nicht mehr um das Durchpeitschen eines separaten
Friedensvertrages oder das Erzwingen einer „Freien Stadt“, obwohl er auch darüber scheinbar
in der alten und gewohnten Weise sprach. Das eigentliche Signal, das er in dieser Rede dem
Westen gab, lautete, dass ein separater Friedensvertrag mit der DDR, das war neu, keine
legitimen Rechte der Westmächte antasten werde: „Es ist von keinem Verbot des Zugangs
nach Westberlin, von keiner Blockade Westberlins die Rede.“
Diese Botschaft wurde im Westen verstanden. Am 10. August erfolgte in Zossen bei Berlin
die Information der westlichen Militärgouverneure durch den sowjetischen Marschall Konew.
Ein westlicher Teilnehmer fragte den Marschall nach den erhöhten militärischen Aktivitäten
in der DDR. Konew antwortete: „Meine Herren, Sie können beruhigt sein, was immer in
nächster Zukunft geschehen mag, Ihre Rechte werden unberührt bleiben. Nichts wird sich
gegen West Berlin richten.“ Die Details der vorgesehenen Maßnahmen blieben indes bis zum
13. August streng geheim.
18
Was am 13. August geschah, war das Ergebnis eines historischen Kompromisses zwischen
der UdSSR und den USA. Nikita S. Chruschtschow hatte Botschafter Kroll die
Gesamtkonstellation wie folgt erläutert: „Es gab nur zwei Arten von Gegenmaßnahmen: die
Lufttransportsperre und die Mauer. Die erstgenannte hätte uns in einen ernsten Konflikt mit
den Vereinigten Staaten gebracht, der möglicherweise zum Krieg geführt hätte.“14
----------------1 Vortrag auf dem Grenzer-Treffen der GRH am 30.10.2010. Nicht alle Zitate wurden belegt.
Bei Bedarf können die Belege beim Vf. erfragt werden.
2 Vgl. Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke: Die Todesopfer an der Berliner Mauer
1961–1989. Ein biographisches Handbuch, Berlin 2009, S.9 f.
3 Vgl. Geständnis. Sarrazin wollte Berlin der DDR schenken, in: Berliner Morgenpost,
23.04.2009.
4 Mattias Uhl: Mauerbau. „Ein eiserner Ring um Berlin.“ Chruschtschow diktierte Ulbricht
1961, die Mauer zu bauen, in: Zeit ONLINE, 8.6.2009.
5 Neues Deutschland, 22./23.Okt. 2010.
6 Neue Zeit, Moskau 1988, Nr. 37, S. 39.
7 Die Darstellung von hier an stützt sich auf Siegfried Prokop: Die Berliner Mauer
(1961-1989). Fakten, Hintergründe, Probleme. Berlin 2009.
8 Vgl. Lucius D. Clay: Entscheidung in Deutschland. Frankfurt a.M. 1950, vorderer
Innendeckel.
9 Vgl. Klaus Körner: Kein Asyl für Deutsche, in: Die Woche vom 8. Juni 1993, S.24.
10 Wilhelm G. Grewe: Rückblenden 1976-1951. Frankfurt/Main, Berlin, Wien 1979, S. 480.
11 Franz Josef Strauß: Die Erinnerungen. Berlin 1989, S. 388.
12 Rolf Steiniger: Der Mauerbau. Die Westmächte und Adenauer in der Berlinkrise
1958-1963. München 2001, S. 241.
13 Hans Kroll: Lebenserinnerungen eines Botschafters. Köln/Berlin 1967, S. 512.
14 Kroll, S. 512.
19
Begrüßungsansprache des Soldatenverbandsvorsitzenden der Polnischen Streitkräfte
der Lubusker Wojewotschaft und langjährigen Kommandeur der 11. PzKavDiv in
Zagan, General der Reserve Szupa – vorgetragen von Oberst a.D. Seynik
Sehr geehrte Mitglieder der GRH, liebe Freunde,
im Namen der polnischen Delegation, die zu leiten ich die Ehre habe, danke ich herzlich auf
altpolnisch für Ihre Einladung zu dem alljährlichen Treffen Ihres Verbandes.
Am Anfang möchte ich sagen, dass es für uns eine große Ehre ist, an Ihrem Kongreß
teilzunehmen. Persönlich ist es mir eine Freude, dass ich heute bei Ihnen den Vorstand des
Soldatenverbandes der Polnischen Streitkräfte der Lubusker Wojewotschaft repräsentieren
kann.
Im Zusammenhang damit, dass mein Verband zum ersten Mal offiziell an Ihrem Treffen
teilnimmt, lassen Sie mich ein paar Sätze darüber sagen, für was unser Verband da ist und
womit wir uns beschäftigen.
In der Lubusker Wojewotschaft wirken 21 Kreise des Soldatenverbandes der Polnischen
Streitkräfte, die 950 Angehörige vereinigen. Der Sitz vom Wojewotschftsvorstand befindet
sich in der Stadt Zielena Gora (zu deutsch: Grünberg). Wir funktionieren als Organisation des
Gemeinwohles mit einer Satzung und einer Zentralbehörde in Warszawa. Insgesamt zählt
unser Verband ca. 19.000 Mitglieder.
Der Verband hat laut unserem Statut folgende Hauptaufgaben:
Das Integrieren der Gemeinschaften der Ehemaligen und Aktiven innerhalb der
Verteidigungsaufgaben der Republik Polen und der Kampftraditionen des polnischen
Volkes um Freiheit, Unabhängigkeit und Souveränität.
Die Unterstützung der ehemaligen und der aktiven Soldaten bei der Verteidigung ihrer
Rechte, die sie während ihres Dienstes und ihrer Arbeit erworben haben sowie die
Hilfeleistung im Recht- und Sozialbereich.
Die Aufrechterhaltung und Entwicklung der kameradschaftlichen Bindungen der
ehemaligen und aktiven Soldaten.
Der Soldatenverband der Polnischen Streitkräfte der Lubusker Wojewotschaft hat lebhaftes
Interesse an jeder Form der Zusammenarbeit mit Ihrer Organisation. Ich hoffe, dass wir uns
in der nächsten Zeit über die Zusammenarbeit beraten und verständigen und die dazu
erforderlichen schriftlichen Festlegungen treffen werden. Das um so mehr, da bereits in vier
unserer Soldatenkreise in den Städten Slubice, Gubin, Tublice und Krosno praktische
Kontakte bestehen. Die genannten vier Kreise vereinigen ausschließlich die ehemaligen
Grenzschutz- oder Grenzpolizeiangehörigen.
In den letzten Monaten dieses Jahres befand sich die Republik Polen, insbesondere ihre
politischen und militärischen Eliten, in einer schwierigen Situation, weil im Zusammenhang
mit dem Flugzeugabsturz bei Smolensk am 10. April 2010 unser Präsident mit Ehefrau und
94 der wichtigsten Personen unseres Staates, darunter die höchsten und wichtigsten Generale
der polnischen Streitkräfte, ums Leben kamen. In dessen Folge hat zuerst die vorgezogene
Präsidentenwahl stattgefunden und zur Zeit bereiten sich die lokalen Gemeinschaften auf die
Selbstverwaltungswahlen auf allen Ebenen vor.
Die Situation entwickelt sich sehr dynamisch, aber meiner Meinung nach nur zwischen den
politischen Eliten. In diesen sehr schweren Zeiten verhalten sich unser Staat und seine
Einwohner sachlich. Sie werden im Ergebnis dieser Herausforderungen wachsen.
Zum Abschluß möchte ich allen Beratungsteilnehmern eine erfolgreiche Diskussion zu den
Ihre Gemeinschaft betreffenden lebenswichtigen Fragen und die Annahme von Lösungen zur
Erfüllung Ihrer ehrgeizigen Ziele und Träume wünschen. Ich wünsche Ihnen vor allem gute
Gesundheit, viele Erfolge und alles Gute in der Verbandsarbeit und im persönlichen Leben.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
20
Begrüßungsansprache von Oberst a.D. Dr. Milan Richter, Leiter der tschechischen
Delegation
Liebe Freunde, Genossinnen und Genossen, ehemalige Waffenbrüder, heute Brüder im
Kampf für die historische Wahrheit!
Zu Beginn möchte ich dem Vorsitzenden der GRH, dem Genossen Hans Bauer, aufrichtig für
die Einladung zur heutigen Zusammenkunft der Grenzsoldaten der DDR sowie für den
herzlichen Empfang unserer Delegation gestern danken. Immer wieder komme ich gern zu
Euch, um neue Kräfte für den Kampf um die historische Wahrheit zu sammeln. Ich sage das
so, wie ich tatsächlich empfinde. Ich fühle mich bei Euch wie unter den eigenen Genossen.
Alle vier Mitglieder unserer Delegation, ehemalige Grenzer, gehören zur ersten Reihe
derjenigen, die gegen die Verfälschung der Wahrheit unserer Vergangenheit kämpfen. Aktiv
beteiligen sie sich an der Erarbeitung und Herausgabe von Publikationen zur tatsächlichen
Geschichte der Verteidigung der tschechoslowakischen Staatsgrenzen, treten vor
Jugendlichen in Schulen auf (soweit ihnen das von den Herren Direktoren gestattet wird),
sprechen auf Bürgerversammlungen und nehmen an einer Vielzahl anderer Veranstaltungen
teil. Das jüngste Mitglied unserer Delegation, Stanislav Kvasnička, hat vor zwei Jahren seine
Diplomarbeit an der Hochschule verteidigt. Er hat nachgewiesen, dass die Sicherung der
Staatsgrenzen der CSSR kein Verbrechen des Kommunismus war, sondern eine objektive
Notwendigkeit und Pflicht eines sozialistischen, international anerkannten Staates, eines
anerkannten Mitglieds der UNO, der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik.
Aktiv hat er sich an Gesprächen in Schulen in Bayern beteiligt, und seine überzeugenden
Auftritte fanden Zustimmung seitens der deutschen Schüler, Studenten und Pädagogen.
Gestattet Freunde, daß ich Euch ganz persönliche Grüße von Genossen zu Genossen des
Vorsitzenden des Nationalrats des Klubs des Tschechischen Grenzlandes, Genossen Ing.
Karel Janda, und vom ehemaligen Chef der Grenztruppen der CSSR, Genossen Generalleutnant Ing. František Šákek, übermittle. Gen. Šákek wird zu Weihnachten 89 Jahre und
kann leider nicht mehr reisen, aber uns Grenzern gibt er im Kampf gegen Lügen und
Verleumdungen unserer Feinde Kraft und Mut.
Gestattet mir, dass ich von dieser Stelle aus den Gen. Hans Bauer, Günter Leo, Karl-Heinz
Karthert, Hermann Bosch sowie Karl-Heinz Wendt für deren aktive Teilnahme am VIII.
Nationalkongress des Klubs des Tschechischen Grenzlandes am 14. und 15. August dieses
Jahres in Strakonice danke. Ihr Auftreten wurde von den Delegierten sehr gut aufgenommen
und trug in bedeutendem Maße zur weiteren Festigung der freundschaftlichen Beziehungen
zwischen den Grenzern der DDR und der CSSR, zum gemeinsamen Kampf für die
wahrheitsgetreue Darstellung unserer gemeinsamen Geschichte bei.
Ich möchte auch darüber informieren, daß der VIII. Nationalkongreß des Klubs des Tschechischen Grenzlandes nicht nur Beschlüsse zur weiteren Verstärkung seines Einflusses auf die
gesellschaftliche Entwicklung in unserem Lande gefaßt hat, sondern auch zu den Aufgaben
zur weiteren Verstärkung unserer freundschaftlichen, internationalistischen Beziehungen zu
fortschrittlichen Organisationen anderer Staaten, insbesondere zur GRH. Eine Änderung der
Satzung des Klubs des Tschechischen Grenzlandes hat die Voraussetzungen dafür geschaffen,
daß auch Bürger und gesellschaftliche Organisationen als Ganzes aus Ländern der Europäischen Union dem Klub beitreten können.
21
Freunde!
Wir erachten es als überaus richtig und notwendig, wenn Ihr Euch auf der diesjährigen
Herbsttagung mit Ereignissen beschäftigt, die die europäische und Weltgeschichte in der 2.
Hälfte des XX. Jahrhunderts entscheidend beeinflußten: dem 50. Jahrestag der Sicherung der
Staatsgrenze zwischen der DDR und der BRD. Das ist um so wichtiger, weil an dieser
Tagung Genossen teilnehmen, die an diesen Maßnahmen direkt teilgenommen haben.
Genossen, die sich in jener komlizierten Situation, als die DDR nicht geringe Schwierigkeiten
beim Aufbau des ersten tatsächlich demokratischen Staates in der deutschen Geschichte zu
überwinden hatte, bewußt waren, daß es ohne eine konsequente Verteidigung der qualitativ
neuen Staatsordnung nicht möglich sein würde, im Lande eine sozial gerechte Gesellschaft
aufzubauen.
Wir,die ehemaligen tschechoslowakischen Grenzsoldaten, sind zu Eurem Treffen gekommen,
um Euch allen, die ihr vor 50 Jahren den Mördern, Terroristen, Agenten und Saboteuren ihre
Schleichwege abriegelten, unsere Ehrerbietung und hohe Anerkennung auszusprechen. Denn
Euer Dienst an der Grenze erleichterte den Dienst auch der tschechoslowakischen Grenzsoldaten und der Grenzer der anderen sozialistischen Länder erheblich.
Die Entscheidung der Partei- und Staatsorgane der DDR zur Verstärkung der Sicherung ihrer
Grenzen hatte deshalb nicht nur große Bedeutung für die DDR selbst, sondern auch für das
gesamte sozialistische Weltsystem. So haben wir, die tschechoslowakischen Grenzsoldaten,
das verstanden und so verstehen wir das auch heute.
Wir hatten zu jener Zeit auch schon unsere Erfahrungen mit dem Eindringen von Terroristen,
Agenten und Saboteuren aller Couleur und mit dem Eindringen von Agentengruppen der USArmy auf unser Territorium, mit Verletzungen der Staatsgrenzen in beiden Richtungen.
Spezialdienste westlicher Staaten versuchten im Zusammenwirken mit einheimischen
Kollaborateuren nach dem Sieg des werktätigen Volkes im Februar 1948 das Rad der
Geschichte in unserem Land zurück zu drehen. Sie haben vor keinen Mitteln
zurückgeschreckt. Auch bei uns floß das Blut von Funktionären der KPTsch, von
Bürgermeistern, leitenden Wirtschaftsfunktionären der Industrie und von LPG‘n, von
Angehörigen des Sicherheitsdienstes und der Grenztruppen. Heute bekennen sie sich offen zu
ihren Verbrechen und erhalten dafür hohe staatliche Auszeichnungen.
Sie bekennen sich auch ohne Scham dazu, daß sie sich gewünscht hatten, wenn sie für ihre
konterrevolutionäre Tätigkeit keine Unterstützung bei der Bevölkerung finden würden, daß
der Westen den Koreakrieg zu Beginn der 50er Jahre auf Mittel- und Osteuropa ausdehnt und
das, obwohl sie wußten, daß beide Weltsysteme zu jener Zeit über Kernwaffen verfügten. Das
alles im Interesse ihres Verständnisses von Freiheit und Demokratie. So war ihre Moral
damals und so ist sie heute. Leider sind sich heute viele Menschen dieser Wahrheit nicht
bewußt und glauben naiv, daß sich der Kapitalismus zu einem humanen
gesellschaftsökonomischen System mit menschlichem Antlitz reformieren läßt. Einer der
Gründe für diese Tatsache ist leider darin zu suchen, daß es bisher nicht gelungen ist, die
öffentliche Meinung der Leute zum richtigen Verständnis unserer Geschichte grundlegend zu
verändern. Und was noch schlimmer ist, daß sich nicht einmal diejenigen politischen Kräfte
damit befassen, die dazu berufen sind und dafür auch die legalen, realen Möglichkeiten
haben.
Die Maßnahmen der Partei- und Staatsorgane der DDR am 13.08.1961 wurden vom progressiven Teil der Bürger der CSSR und von den tschechoslowakischen Grenzsoldaten mit
22
Verständnis aufgenommen und unterstützt. Wir verstanden, daß die Durchsetzung des
strategischen Ziels des Westens, d. h. die Liquidierung der Welt des Sozialismus, durch die
schrittweise Abspaltung einzelner Staaten vom sozialistischen Weltsystem erreicht werden
sollte.
Das war so 1956 in Polen, in Ungarn, 1961 war die DDR an der Reihe und 1968 die CSSR.
Genau so, wie die Volksdemokratie der Tschechoslowakei zu Beginn der 50er Jahre des XX.
Jahrhunderts gezwungen war, entschiedene Maßnahmen gegen aggressive Aktionen der
äußeren und inneren Feinde für den zuverlässigen Schutz der Staatsgrenzen zu ergreifen, war
auch die DDR zu Beginn der 60er Jahre aus den gleichen Gründen gezwungen, wirksame
Maßnahmen zum Schutz der staatlichen Souveränität, für die erfolgreiche gesellschaftliche
und wirtschaftliche Entwicklung eines qualitativ neuen Staatstyps zu ergreifen.
Das Kommando der Grenztruppen der CSSR und der einzelnen Grenzbrigaden ergriffen nach
dem 13. August Maßnahmen zu Verstärkung der Sicherung der Staatsgrenzen mit dem
Schwerpunkt der Grenze zur BRD. Ich möchte unterstreichen, daß all diese Maßnahmen
Verteidigungscharakter trugen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Verhinderung des
Eindringens gegnerischer Agenturen gelegt. Durchgesetzt wurden Pläne des Zusammenwirkens der Grenztruppen mit der Tschechoslowakischen Volksarmee. In den wahrscheinlichen Panzerangriffsrichtungen der NATO-Armeen wurden in den Abschnitten ausgewählter
Grenzkompanien Panzerabwehrmittel der Tschechoslowakischen Volksarmee disloziert, über
die die Grenztruppen nicht verfügten. In der Gefechtsausbildung der Grenzsoldaten wurde die
Taktikausbildung und der Schutz gegen Massenvernichtungswaffen verstärkt.
Die politische Ausbildung der Grenzsoldaten orientierte auf das Verständnis der Gründe und
der möglichen Folgen der aktuellen Situation und auf die Vorbereitung der Grenzsoldaten zur
Erfüllung von Aufgaben nicht nur zur Sicherung sondern auch zur Verteidigung der
Staatsgrenzen. Maßnahmen des Zusammenwirkens mit den Grenztruppen der DDR wurden
verstärkt, die Verbindung zwischen den einzelnen Führungsebenen der Grenztruppen der
DDR und der CSSR wurden verbessert sowie die gegenseitige Information über die
Sicherheitslage in beiden Ländern vertieft. Gemeinsame Maßnahmen wurden operativ
abgestimmt und präzisiert.
In dieser komplizierten internationalen Situation bewährte sich die internationalistische
Einheit der Grenztruppen der DDR und der CSSR, deren Westgrenzen gleichzeitig die
Westgrenzen des sozialistischen Lagers waren. Wie so oft in der Vergangenheit, erfüllten die
Grenzsoldaten auch in dieser Zeit ihren Auftrag. Zuverlässig schützten und verteidigten sie
die Grenzen ihres Vaterlandes, die für sie ein unerschütterliches Gut waren. Sie trugen damit
in bedeutendem Maße zur Erhaltung des Weltfriedens bei direkter Berührung mit den
aggressiven Kräften des Imperialismus an den Grenzen der sozialistischen Welt bei, wo zu
jeder Minute der kalte Krieg in einen heißen Krieg unter Anwendung von Massenvernichtungswaffen umschlagen konnte.
Es ist gerechtfertigt, gerade zu einer Zeit, da wir des 50. Jahrestages der Sicherung der
Staatsgrenzen der DDR zur BRD gedenken, diese nicht leichte Entscheidung der Partei- und
Staatsführung der DDR hoch zu würdigen und daraus die Gründe und Schlußfolgerungen als
Lehren abzuleiten. Und auch alle von Euch zu ehren, die Ihr diese Entscheidungen praktisch
umgesetzt habt, oft unter großen Opfern.
23
Genossinnen und Genossen,
vor 50 Jahren haben wir Schulter an Schulter gestanden bei der Verteidigung der Interessen
unserer Länder und der Warschauer-Vertrags-Staaten. Es liegt in unserem gemeinsamen
Interesse, auch jetzt Schulter an Schulter zu stehen bei der Verteidigung der historischen
Wahrheit über unsere Grenzervergangenheit, über die Etappe des Aufbaus einer sozial
gerechten Gesellschaft in unseren Ländern. Die Wahrheit ist und wird nur dann immer eine
starke Waffe in unseren Händen sein, wenn sie die objektive Realität der außerordentlich
komplizierten Geschichte von Klassenpositionen aus widerspiegelt. Dann wird sie auch zur
Quelle für die Erziehung künftiger Generationen, die das Banner einer sozial gerechten
Gesellschaft und ihrer Verteidigung nach uns erheben werden. Die tschechoslowakischen
Grenzsoldaten, die in der Organisation des Klubs des Tschechischen Grenzlandes
zusammengefunden haben, gehen schon seit Jahren diesen Weg und sind bereit und darauf
vorbereitet, gemeinsam mit den Grenzsoldaten der DDR den Kampf für die historische
Wahrheit fortzuführen.
Wir finden es gut, daß sich an der Schaffung des Denkmals für alle gefallenen Schützer und
Verteidiger der tschechoslowakischen Staatsgrenzen vor zwei Jahren an unserer
gemeinsamen Staatsgrenze in Zinnwald sich auch auch so mancher von Euch finanziell
beteiligt hat, daß deutsche Grenzsoldaten aktiv an regionalen und gesamtstaatlichen
Konferenzen der tschechoslowakischen Grenzer und auch an der Enthüllung eines weiteren
Denkmals für alle tschechoslowakischen Grenzsoldaten teilnehmen werden, die am 2. Juli
2011 in Asch anläßlich des 60. Jahrestages der Verabschiedung des Gesetzes über den Schutz
der Staatsgrenzen durch die Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik
stattfinden wird. Sehr hoch schätzen wir die Zusammenarbeit zwischen der ehemaligen 5.
Grenzbrigade in Cheb und dem 4. Grenzregiment in Heiligenstadt ein, die auf die Initiative
von OSL Hermann Bosch zurückgeht. Dafür, daß das Vermächtnis der NachwendeZusammenarbeit von Generaloberst Klaus Dieter Baumgarten und Oberst Peter Freitag
weiter lebendig ist und sich weiter entwickelt, möchte ich in aller Form besonders dem
Vorsitzenden der GRH, Hans Bauer, und seinen Mitarbeitern, Oberst Günter Leo, Oberst
Manfred Kleemann, Oberst Karl-Heinz Kathert, OSL Hermann Bosch und ihren Ehefrauen
danken, bei denen sie für ihre aufopferungsvolle Arbeit volles Verständnis finden, der Genn.
Hannelore Baumgarten und Euch allen, die wir bei gemeinsamen Maßnahmen treffen.
Ich wünsche Euch, liebe Freunde, im Namen des Klubs des Tschechischen Grenzlandes und
der tschechoslowakischen Grenzsoldaten bei der Erfüllung unserer gemeinsamen Aufgaben
gute Gesundheit, viel geistige und körperliche Kraft und historischen Optimismus. Seien wir
stolz auf unsere Grenzervergangenheit, auf unseren Dienst fürs Vaterland und eine Welt des
Sozialismus und des Friedens. Unsere Wahrheit wird im Kampf über die Geschichtsfälscher
siegen!
Gestattet mir, Euch abschließend darüber zu informieren, daß der Vorsitzende der GRH,
Genosse Hans Bauer, auf dem VIII. Kongreß des KCP mit der Medaille des KCP für
herausragende Verdienste um die Vertiefung unserer Freundschaft und seinen steten Kampf
für die historische Wahrheit über unseren Dienst ausgezeichnet wurde. Gestattet mir, aus
gleichem Anlaß im Auftrag der Leitung des Nationalrates des KCP und auf der Grundlage
des Vorschlages der Führung der GRH die Plakette des Klubs des Tschechischen
Grenzlandes folgenden Genossen zu überreiche:
OSL a.D. Siegfried Hanning, OSL a.D. Walter Schneider und OSL a.D. Werner Wagner.
24
Dr. Rolf Ziegenbein
Zum 13. August 1961 im Spiegel der Zeitgeschichte
Liebe Freunde und Genossen,
zunächst eine Vorbemerkung:
bekanntlich mahnte ich beim Grenzertreffen im Jahre 2009 einen etwas kritischeren und auch
selbstkritischeren Umgang mit unserer eigenen Geschichte an, als wir ihn bisher auf unseren
Zusammentreffen pflegten. Das löste teils Zustimmung, teils aber auch heftige
Gegenreaktionen aus. Insofern bin ich natürlich erfreut, daß einerseits inzwischen trotz
einiger Widerstände eine Gesprächsrunde zur Debatte unter den ehemaligen Angehörigen der
Grenztruppen zustande gekommen ist. Erfreut bin ich besonders, daß im Gegensatz zu Tönen
in manchen ausgetauschten Briefen die Diskussion in der Runde am 3. September dieses
Jahres sehr sachlich und von gegenseitiger Achtung getragen war. Wenn die Debatte sachlich
bleibt und nicht ins Persönliche gezogen wird, dann kann sie nützlich sein, und es
verschwände auch die Gefahr, daß wir uns über den Umgang mit unserer eigenen Geschichte
zerstreiten. Ich jedenfalls habe keine Absicht, ehemalige Mitstreiter in irgendeiner Weise zu
verletzen. Sollte sich allerdings jemand allein schon dadurch verletzt fühlen, daß ich von der
Aussage abweiche, daß wir an dieser Grenze alles immer richtig gemacht hätten und es
keinerlei Alternativen zu unserem Tun gegeben hätte, so kann ich ihm nicht helfen. Es ist
nicht zu leugnen, daß das sowjetische Modell des Sozialismus in Europa eine Niederlage
erlitt. Die starken Sicherheitskräfte konnten und wollten letztlich wohl auch diese Niederlage
nicht verhindern. Sie waren Teil des Systems und allein schon dadurch auch an den Ursachen
der Niederlage beteiligt. Das trifft auch auf die Grenztruppen der DDR zu, sicher sogar in
einem besonderen Maße, darüber ist wirklich weiter nachzudenken.
Nun zum Thema selbst. Ich möchte mich zu drei Aspekten äußern.
Ich glaube, in der Literatur ist inzwischen hinreichend dargestellt, daß die doch in einem
gewissen Sinne rigorosen Maßnahmen des 13. August 1961 einerseits für die DDR damals
leider zwingend notwendig und andererseits mit dem damals geltenden Völker- und
Staatsrecht auch vereinbar waren. Untersucht ist auch, von welchen Positionen aus sowohl
die Sowjetunion und ihre Verbündeten als auch die Westalliierten die damalige Lage
einschätzten, wobei hervorgehoben wird, daß die Westalliierten die Maßnahmen des
Warschauer Vertrages letztlich akzeptierten. Für bedeutsam und lesenswert halte ich in
diesem Zusammenhang zwei Veröffentlichungen: Im Buch von Baumgarten/Freitag aus dem
Jahre 2004 hat Joachim Schunke unter dem Thema „13. August 1961- die Sicherung der
Staatsgrenze“ die Probleme vor allem aus der Sicht der Warschauer Vertragsstaaten sehr
begründet dargestellt und in dem uns weniger wohlgesonnenen Buch „Europas Eiserner
Vorhang/ Die deutsch- deutsche Grenze im Kalten Krieg“, erschienen 2008, ist ein Beitrag
von Prof. Reiner Pommerin enthalten zum Thema: Akzeptanz und Kooperation,
Voraussetzungen für Mauerbau und Mauerfall im bipolaren System.“ (Pommerin war bis vor
kurzem Leiter des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der TU Dresden)1 Auch das ist eine sehr
akzeptable Recherche. Schon der Titel „Akzeptanz und Kooperation“ weist auf die
Grundaussage hin, wobei für den 13. August 1961 eben vor allem die Akzeptanz zutrifft,
weniger die Kooperation. Beide Beiträge basieren auf intensivem Quellenstudium. Will man
1
Schunke, Joachim, 13. August 1961- die Sicherung der Staatsgrenze, In: Baumgarten, Klaus-Dieter, Freitag,
Peter (Hrsg.): Die Grenzen der DDR, Berlin 2004, S. 158- 199
Pommerin, Reiner, Akzeptanz und Kooperation: Voraussetzungen für Mauerbau und Mauerfall im bipolaren
Staatensystem. In: Thoß, Hendrik (Hrsg.): Europas Eiserner Vorhang, Berlin 2008, S. 203- 226
25
sich heute begründet äußern, so darf man sich eben nicht nur auf die eigene Erinnerung
verlassen, sondern muß schon lesen, was Zeitgeschichtler in den Quellen gefunden haben
oder, noch besser, man muß die Quellen selbst unter die Lupe nehmen, denn sehr viele
Hintergründe waren uns nicht zugänglich, wurden der Öffentlichkeit oft auch bewußt nicht
mitgeteilt. Das betrifft beide Seiten im Kalten Krieg. So ist das eigene Erinnern immer auch
nur ein Teil der historischen Wahrheit. Und die Quellen selbst zu lesen ist auch deshalb
besser, weil man dann nicht den Fehlinterpretationen mancher Autoren ausgesetzt ist.
Die Maßnahmen zum 13. August 1961 waren sehr ambivalent. Diese Ambivalenz haben
Lothar Schröter und Joachim Schunke in ihrem 2004 bei „Helle Panke“ erschienenen Abriß
der Geschichte der Militärpolitik beider deutscher Staaten versucht, deutlich auszudrücken.
Ich will sie zitieren, weil wohl beide aus der NVA stammen. Sie schreiben: „Der 13. August
war für beide Seiten Niederlage und Sieg zugleich. Er war eine Niederlage für den
„Ostblock“, weil sich hier schon das Scheitern seines Staats- und Gesellschaftsmodells
andeutete, wenn nicht die Chance der Reformen an Haupt und Gliedern genutzt werden
würde. Er war ein Sieg für den Westen besonders deshalb, weil er sich in dieser Hinsicht
damals überlegen erwies und weil er am Ende die erfolgreiche, nämlich politische
Konzeption zur Überwindung des Realsozialismus entwickeln konnte. Er war ein Sieg für den
Westen aber auch, weil er seine Positionen in Westberlin und die Verfügung über die
Zugangswege behielt und weil er ein hervorragendes Argument der psychologischen
Kampfführung gegen die „Mauer“ und die DDR erhielt. Der 13. August war ein, freilich
zeitlich begrenzter, Sieg für den „Ostblock“, weil er Jahre relativ ungestörter Entwicklung vor
sich hatte, weil die DDR erhalten werden konnte und weil damit ein nachfolgender
Dominoeffekt ausblieb und weil die Atombewaffnung der BRD verhindert werden konnte.
Und in diesen drei Punkten lag zugleich die Niederlage des Westens. Es war ein Ergebnis, mit
dem sich die Mächtigen beider Seiten arrangierten.“2 So richtig hier die Widersprüchlichkeit
des Ereignisses umrissen wird, so ist es doch stark vom Ende her, vom Zusammenbruch des
Realsozialismus her beurteilt. Versetzt man sich in die damalige Situation zurück, so schien
der Wettbewerb der Systeme noch glaubhaft offen. Der DDR standen fast zwei Jahrzehnte
enormer Entwicklung bevor, in denen sie zwar ökonomisch nie mit der BRD gleichziehen
konnte, in denen die ökonomische Anziehungskraft der BRD zwar erhalten blieb (und damit
auch der Strom in den „Goldenen Westen“ , der bis heute nicht versiegt ist,) in denen aber
alte soziale Forderungen und Träume der arbeitenden Menschen in einem Umfang realisiert
wurden, die die sozialistische Gesellschaft mit ihren immer auch vorhandenen Mängeln als
schützenswert, als verteidigenswert erschienen ließen. Der Historiker Prof. Dr. Heinz
Niemann gibt nach Quellenstudium an, daß noch 1975 etwa 80% der DDR- Bürger für die
Verteidigung der DDR im Angriffsfalle eintraten.3 Nun war die Unterstützung für die Art
und Weise unseres praktizierten Schutzes der Staatsgrenze sicher nicht gleich hoch (leider
liegen dafür keine belastbaren Zahlen vor), aber unsere eigenen Erfahrungen in den
Grenzgebieten, also bei Menschen, die ziemlich genau wußten, was an der Grenze geschah,
bestätigen, daß eine Mehrheit der DDR- Bevölkerung den Maßnahmen zum Schutz der
Staatsgrenze zumindest bis weit in die 70er Jahre hinein zustimmte. Es gab eine große
Hoffnung, daß uns ein anderes Deutschland ohne Herrschaft des Kapitals doch gelingen
könnte. Das will man heute vergessen machen. Wenn man die Delegitimierung der DDR will,
darf man die beweisbare Aussage nicht zulassen, daß sie selbst nach dem Mauerbau
mindestens über zwei Jahrzehnte von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen wurde. Heute
füttert man uns mit einer Fülle von Einzelschicksalen, die das Gegenteil beweisen sollen.
Können sie aber nicht, da es bezogen auf die Mehrheit der Bevölkerung einfach nicht den
2
Schröter, Lothar, Schunke, Joachim, Zur Geschichte der Militärpolitik in beiden deutschen Staaten, hefte zur
ddr- geschichte, „Helle Panke“ e. V. Heft 90, 2004
3
Niemann, Heinz, Meinungsforschung in der DDR, Köln 1993, S. 247 ff
26
historischen Tatsachen entspricht. Darauf sollten wir in Vorbereitung auf die 50. Wiederkehr
des Tages des Mauerbaues in der Argumentation Wert legen. Sie ist nämlich die Achillesferse
der heutigen Propagandaschlacht. Wenn im Zusammenhang mit der krisenhaften
Entwicklung in der DDR und im gesamten RGW die Bevölkerung der DDR ihrer Regierung
in den 80er Jahren zunehmend das Vertrauen entzog, so gilt das eben nicht für die gesamte
Zeit der Existenz gleichermaßen. Auch die „Mauer“ wurde mindesten über zwei Jahrzehnte
von der Mehrheit der DDR- Bevölkerung akzeptiert und die vielfältigen persönlichen
Einschränkungen, die nahezu alle Bürger betrafen, wurden lange in Kauf genommen. Falsch
war, daß wir uns hinter der Mauer sozusagen auf Dauer einrichteten. Hier gilt, was Hans
Modrow in einem Erinnerungsbuch 2002 sinngemäß schrieb: „Es war der größte Fehler der
politischen Klasse der DDR, daß sie nicht darüber nachdachte, die Maßnahmen des 13.
August 61 schrittweise zurückzunehmen.“
Ein zweiter Aspekt.
Häufig werden die mit dem 13. August 1961 getroffenen Maßnahmen mit dem Übergang zur
militärischen Sicherung der Staatsgrenze der DDR gleichgesetzt. Das stimmt aber nur
insofern, daß dieser Übergang damit sozusagen seinen Abschluß fand. Wie wir wissen, wurde
dieser Übergang bereits 1955 durch die Sowjetunion veranlaßt. Heute wird nicht nur in der
Boulevard- Presse sondern auch in der sich seriös und wissenschaftlich gebenden
zeitgeschichtlichen Literatur unterstellt, daß der Übergang zum militärischen Schutz der
Staatsgrenze ausschließlich ein Vorwand gewesen sei, um entschiedener die
„Fluchtverhinderung“ zu betreiben. Die DDR habe ansonsten überhaupt keinen ernsthaften
Grund gehabt, zum militärischen Schutz ihrer Grenze überzugehen. Wörtlich schreibt Peter
Joachim Lapp, der als ausgewiesener Kenner der Geschichte der Grenztruppen gehandelt
wird, in dem bereits genannten Buch „Europas Eiserner Vorhang“ (2008): „Aus der DGP eine
schlagkräftige, militärische Truppe zu machen, wie es einigen SED- Politikern und hohen
Grenzoffizieren vorschwebte, scheiterte an den verfügbaren Ressourcen und vielleicht auch
daran, weil die politisch Verantwortlichen in Moskau und Ostberlin wußten, daß
westdeutsche bewaffnete Kräfte niemals in die DDR eindringen würden und die Westmächte
keinen Angriffskrieg führen durften. Es gab zu keiner Zeit eine Bedrohung aus dem Westen,
mit der eine militärische Grenzsicherung der DDR begründet werden konnte.“4 Mit einem
solchen Satz wird der ganze Kalte Krieg zum Phantom erklärt, aber leider gab es ihn wirklich
und über Jahrzehnte fühlten sich beide Seiten gegenseitig extrem bedroht und bedrohten sich
ja auch tatsächlich gegenseitig. Ich muß jetzt hier nicht den Kalten Krieg erklären. Hier wird
mit einem Satz eine ganze historische Epoche verdreht. Leider findet man solche
Unterstellungen vielfach. Ich könnte weiter zitieren. Ich will aber nur auf unmittelbares
Geschehen an der Grenze kurz eingehen, das zumindest in diesem Zusammenhang von
solchen Autoren bewußt ausgeblendet wird.
Das erste Grenzsicherungsorgan, das an der deutsch- deutschen Grenze zum militärischen
Schutz überging, war Jahre vor der Deutschen Grenzpolizei der Bundesgrenzschutz der BRD.
Er wurde 1951 als Polizeitruppe in einem Bestand von 10 000 Mann gegründet, 1953 auf
20 000 Mann, später auf 30 000 Mann aufgestockt, militärisch gegliedert, kaserniert
untergebracht und vor allem mit Infantriebewaffnung ausgerüstet. Er verfügte über
Maschinengewehre, 1954 bereits über 60mm Granatwerfer, ab 1955 über 81 mm
Granatwerfer , über Handgranaten und gepanzerte (geschützte) Fahrzeuge, teils mit 2 cm
Bordkanone bewaffnet. Er war so schnell und konsequent militärisch befähigt worden, daß er
1956 den Grundstock für die Formierung von drei Bundeswehrdivisionen bilden konnte, zu
einem Zeitpunkt also, als die Deutsche Grenzpolizei gerade mit der militärischen
4
Lapp, Peter- Joachim, Von der Grenzpolizei zur Grenztruppe (1946- 1961). In: Thoß, Hendrik, Europas
Eiserner Vorhang, Berlin, 2008, S. 45
27
Aufgabenstellung überhaupt konfrontiert wurde. Auch Adenauer hielt es nämlich für
möglich, daß es an dieser Grenze zu militärischen Konflikten kommen könnte, aus denen sich
die Alliierten zunächst bewußt heraushalten könnten. Wieso ist also etwas, was eine Seite
damals als legitim betrachtete, für die andere Seite, die später ähnliches praktizieren mußte,
nur Vorwand, nur Ideologie?5 Mehr noch. Die Sowjetunion übergab 1955 in einem
Staatsvertrag die Verantwortung für den Grenzschutz an die DDR und zog sich tatsächlich
mit Ausnahme der Kontrollpunkte für die Alliierten von der Grenze zurück. Die
Westalliierten aber hatten zu diesem Zeitpunkt bereits starke Panzeraufklärungskräfte in
Form von damals drei Panzeraufklärungsregimentern der US- Streitkräfte und britischen
Aufklärungsbataillonen unmittelbar an der Grenze stationiert und dachten überhaupt nicht
daran, sie abzuziehen. Sie handelten bis 1990 mit schwerer Militärtechnik an dieser Grenze,
was heute durch die Bundesregierung als „Dienst für die Freiheit“ gefeiert wird, was aber
damals praktisch nichts anderes als die Verwirklichung des Kalten Krieges in vorderster Font
war. Erst kürzlich bezeichnete die Bundeskanzlerin bei einer Preisverleihung am Point Alpha
der US- Streitkräfte diesen als „heißesten Punkt im Kalten Krieg“, was auch immer das
heißen mag. Vorsätzlich wird uns nachträglich das Recht auf Selbstverteidigung
abgesprochen, das man aber selbst in brachialer Form in Anspruch nahm. Gegen diese
Geschichtsfälschung, die direkt darauf ausgerichtet ist, das Recht und die Notwendigkeit zum
militärischen Schutz der Staatsgrenze der DDR zu negieren, sollten wir uns gerade auch
angesichts des bevorstehenden 50. Jahrestages der Schließung der Grenze entschieden zur
Wehr setzen.
Ein dritter Gedanke:
Mit der Zuordnung militärischer Aufgaben nach 1955 erhielt das Grenzsicherungsorgan eine
Doppelfunktion, denn die polizeilichen Aufgaben zur Durchsetzung der Grenzordnung, später
des Grenzgesetzes als innerstaatliche Aufgabe blieben erhalten. Als 1960 ein vormaliger
Kommandeur einer Panzerdivision der NVA die Führung der Deutschen Grenzpolizei
übernommen hatte - und ganz und gar nach Unterstellung unter das MfNV - wurde von
polizeilichen Aufgaben an dieser Grenze nicht mehr gesprochen. Sie waren aber damit nicht
verschwunden. Sie wurden als Grenzdienst, manchmal als tägliche Sicherungsaufgaben,
später als hoheitliche Aufgaben bezeichnet, nie als polizeiliche und damit innerstaatliche
Aufgaben von den militärischen Aufgaben deutlich abgegrenzt. Der militärische Schutz der
Staatsgrenze wurde mit allen seinen Bestandteilen als einheitliche Aufgabe der
Landesverteidigung verstanden. Damit rutschten die vormals polizeilichen Aufgaben in
militärische Aufgaben hinein. Der Grenzdienst wurde zum Frontdienst im Frieden. Mit der
Unterstellung des Grenzsicherungsorgans unter das MfNV im Jahre 1961, die selbst im
Warschauer Vertrag Ausnahme war und blieb, wurde jedenfalls eine Weichenstellung
vollzogen, die bis zum Ende der DDR nicht wieder rückgängig gemacht werden konnte. Erst
1988 hieß es in einem mir vorliegenden Konzept der Politischen Verwaltung der
Grenztruppen vorsichtig: „Militärische Praktiken werden in der Grenzsicherung der konkrethistorischen Situation immer weniger gerecht.“ Wir gehen meist davon aus, daß die Gründe,
die 1961 zu den Maßnahmen des 13. August führten, auch zum Ende der DDR hin, also in
den 80er Jahren noch gleichermaßen Bestand hatten. Das ist ein Irrtum. Mit und nach dem
Abkommen von Helsinki 1975 hatten sich bedeutende Veränderungen vollzogen, die
zumindest in längerer Folge auch zu wesentlichen Veränderungen bezüglich der Freizügigkeit
der Bürger der DDR und auch bezüglich der Maßnahmen zur Grenzsicherung hätten führen
müssen, erheblich über den tatsächlich erfolgten Abbau der Minen hinaus. Ich will hier aus
5
Anzumerken ist, daß der rasante Aufbau des BGS mit paramilitärischem Charakter nahezu ausschließlich
durch ehemalige höhere Offiziere der faschistischen Wehrmacht und der Nazi-Polizei erfolgte. Eine Aufhellung
ist hier ebenso dringend, wie die jetzt bezüglich des Auswärtigen Amtes erfolgte. Die jetzige Bundespolizei, in
die der BGS aufging, will von ihren Wurzeln jedenfalls nichts wissen.
28
einer Veröffentlichung unseres heutigen Redners, also von Prof. Prokop, zitieren: „Honecker
fehlte die eigentliche Einsicht in die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels. der den
Bruch mit dem sowjetischen Modell erfordert hätte. Zu stark klebten er und das ganze
Politbüro der SED an den alteingefleischten Dogmen. Honeckers Problemlösung war letztlich
kontraproduktiv: Ausbau des Sicherheitsapparates und Verstärkung der Zentralisierung. Das
beschleunigte den Niedergang.“6 Das betraf in starkem Maße auch die Grenztruppen der
DDR, die letztlich für ungelöste gesamtgesellschaftliche Probleme gerade zu stehen hatten.
So blieben die im Zusammenhang mit dem 13. August 1961 getroffenen, durchaus
notwendigen Maßnahmen auch für das Grenzsicherungsorgan der DDR auf die Dauer sehr
ambivalent. Dessen war sich die Parteiführung und dessen waren wir letztlich auch uns selbst
nicht hinreichend bewußt. Und manchen fehlt ein solches Bewußtsein bis heute, wenn sie
immer und immer wieder die Frage stellen, warum wir es für nötig erachten, unsere eigene
Geschichte nochmals kritisch zu befragen. Für manchen war und ist und bleibt alles einmalig
geklärt. Dem kann und will ich mich nicht anschließen, und dazu ist das letzte Wort sicher
noch nicht gesprochen.
Fritz Streletz
Mit großer Aufmerksamkeit habe ich die Ausführungen von Prof. Dr. Prokop und die
bisherigen Diskussionsbeiträge verfolgt.
Von 1971 bis 1989, fast 20 Jahre, war ich Sekretär des NVR der DDR und halte es für meine
Pflicht, vor diesem Forum einiges zu der viel diskutierten und umstrittenen Problematik
„Der 13. August 1961“
aus der Sicht eines sozialistischen Militärs darzulegen, denn im kommenden Jahr, dem 50.
Jahrestag des so genannten Mauerbaus, müssen wir mit einer wüsten Hetzkampagne
rechnen.
Bei meinen Ausführungen stütze ich mich auf einige Originaldokumente, die in der
Mittagspause durch Interessenten gern eingesehen werden können.
Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich unterstreichen:
Keiner von uns hat das Recht, dem anderen vorzuschreiben wie er politisch zu denken,
oder zu handeln hat;
keiner von uns hat die Wahrheit gepachtet;
Auch bin ich mir darüber im Klaren, dass die Wahrheit nur ganz selten, oder fast nie,
populär ist.
Nicht um sonst gibt es die alte Volksweisheit:
Jede Geschichte hat drei Seiten:
DEINE
MEINE
und
DIE WAHRHEIT
Der 13. August 1961 hatte ein wichtiges politisches Vorspiel, was leider oft nicht genügend
berücksichtigt wird.
6
Prokop, Siegfried, Vom versäumten Paradigmenwechsel in den Abgrund. In: Von den Schwierigkeiten der
DDR, „Helle Panke“ e. V. hefte zur ddr- geschichte, Heft 121, Berlin 2010, S. 30
29
Bekanntlich erlitten die kubanischen Konterrevolutionäre, unterstützt von den USA vom 17.
bis 19. April 1961 in der Schweinebucht auf Kuba eine vernichtende Niederlage. Kurz nach
diesem politischen Ereignis trafen sich am 3. und 4. Juni erstmals der sowjetische
Ministerpräsident Nikita Chruschtschow und US-Präsident John F. Kennedy in Wien.
Chruschtschow kam durch den kubanischen Sieg gestärkt und Kennedy geschwächt
nach Wien.
Drei Themen standen auf der Agenda:
1. Einstellung der Kernwaffenversuche
2. Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland und die
3. Regelung der Westberlinfrage
Bei dieser Begegnung drohten sich Chruschtschow und Kennedy gegenseitig mit Krieg. Die
Verhandlungen wurden erfolglos abgebrochen.
Chruschtschow hatte bei dem Wiener Treffen mit Kennedy sehr hoch gepokert.
Bis Dezember 1961 wollte er mit der DDR einen Friedensvertrag abschließen.
Ab diesem Zeitpunkt wollte er den Organen der DDR die volle Kontrolle über die
Zugangswege nach Westberlin zu Lande, zu Wasser und in der Luft übertragen.
Die Partei- und Staatsführung der DDR war nur Zaungast bei diesem brisanten Spiel.
Schlußfolgernd muß festgestellt werden:
Nach den Gesprächen in Wien ging es um die Autorität und Glaubwürdigkeit von
Chruschtschow und damit von der Sowjetunion. Entweder musste in den nächsten sechs
Monaten ein Friedensvertrag mit der DDR abgeschlossen werden oder für den Krisenherd
Westberlin musste eine andere Lösung gefunden werden, ohne das Gesicht zu verlieren.
Das waren die Maßnahmen des 13. August 1961.
Zur Verantwortung für die Grenzsicherungsmaßnahmen am 13. August 1961.
In Deutschland und im Ausland herrscht noch immer die Ansicht, dass die so genannte
„Berliner Mauer“ auf Initiative von Walter Ulbricht zustande kam.
Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus.
Maßgeblichen Anteil und einer der Hauptinitiatoren der so genannten „Berliner Mauer“ war
nach den vorliegenden Unterlagen „Chruschtschow“ und die sowjetische Partei- und
Staatsführung.
Gestatten Sie mir, diese Behauptung anhand von einigen Fakten zu beweisen.
Im 3. Band der Memoiren von Chruschtschow, unter dem Titel „Epoche, Menschen und
Macht“, der in Moskau erschienen ist, lesen wir, wie Chruschtschow auf die Idee kam, die
Trennung zwischen Ost- und Westberlin durchzuführen.
Er forderte von dem sowjetischen Botschafter in Ost-Berlin, Perwuchin eine Stadtkarte.
Doch diese war Chruschtschow nicht detailliert genug.
Daraufhin verlangte er von dem Militärstab der sowjetischen Streitkräfte in Berlin, gemeint
ist Wünsdorf, eine operative Karte.
Während des Urlaubs im Kaukasus skizzierte er auf dieser Karte den Verlauf der
Trennungslinie und die Standorte der kontrollierten Übergänge.
Schließlich zog er zur Beratung den Außenminister Gromyko und den für Deutschland
zuständigen Vizeaußenminister Semjonow hinzu.
30
Nachdem sie die Einzelheiten ausgearbeitet hatten, ist der Plan der Berliner Mauer dem
Präsidium des Zentralkomitees der KPdSU in einer geschlossenen Sitzung unterbreitet
worden.
Vom 3. bis 5. August 1961 lud Chruschtschow die KP-Führer und die Regierungschefs der
Mitgliedstaaten des Warschauer Vertrages nach Moskau ein und bat sie, seinen Plan zu
akzeptieren.
Soweit zu den Memoiren von Chruschtschow.
Wenn man die Rolle der DDR bei den Aktivitäten zum 13. August 1961 nach den
vorliegenden Unterlagen der führenden Politiker der Sowjetunion
- den langjährigen Außenminister Gromyko,
- den über 17 Jahre in der DDR tätigen Botschafter Abrassimow und
- den langjährigen Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer
Vertrages, Marschall der Sowjetunion Kulikow,
objektiv einschätzen will, dann kommt man zu folgenden Schlussfolgerungen:
1. Die DDR war ein souveräner Staat, Mitglied der UNO und von 138 Staaten
diplomatisch anerkannt.
Sie war auf vielen Gebieten souverän, aber nach unserer Einschätzung nicht auf militärpolitischem und militärischem Gebiet.
2. Alle wichtigen Entscheidungen, die mit den Problemen der Verteidigung der DDR
einschließlich der Grenzsicherung im Zusammenhang standen, wurden unter
Berücksichtigung der Interessen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages
getroffen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache war die politische und militärische
Führung der DDR nicht frei in ihren Entscheidungen.
Deshalb hatte auch die sowjetische Seite das militärische Sagen auf dem Territorium der
DDR.
3. Deshalb konnte die Führung der DDR an der Grenze zur BRD und zu Westberlin
eigenständig nichts unternehmen. Deshalb waren auch die Grenzsicherungsmaßnahmen
vom 13. August 1961 in Berlin das Ergebnis eines Beschlusses des Politisch Beratenden
Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages.
Soweit zu den Einschätzungen führender sowjetischer Politiker und Militärs zur Souveränität
der DDR.
Noch einige Erläuterungen zum so genannten Mauerbau:
Ich habe hier den „Moskauer Entwurf“ für die „Erklärung der Regierungen der Warschauer –
Vertragsstaaten“ mit der Sperrfrist bis 12. 08. 1961.
Allein zu diesem „Entwurfsdokument“ aus Moskau zum 13. August 1961 gab es von Seiten
der DDR 31 Veränderungen, Korrekturen und Richtigstellungen.
Der bekannte russische Professor Igor Maximitschew, Mitglied der Akademie der
Wissenschaften Russlands und Gastprofessor an der Freien Universität Berlin äußert sich zum
so genannten Mauerbau wie folgt:
„Dass die Entscheidung zum Mauerbau in Moskau und von Moskau getroffen wurde, pfiffen
die Spatzen von allen Dächern. Letzten Endes wurde in der sowjetischen Öffentlichkeit die
Nachricht vom Bau der Mauer mit gewaltiger Erleichterung aufgenommen – übrigens genau
wie in anderen Hauptstädten der Welt.“
31
Maximitschew war bis 1990 Botschaftsrat in Berlin.
Der uns allen bekannte Egon Bahr äußert sich zu dieser Problematik wie folgt:
Damals 1961, hätte niemand das groteske Märchen verbreiten können, dass Ulbricht
verantwortlich für die Mauer sei.
Der amerikanische Präsiden Ronald Reagen am Brandenburger Tor:
Er sagte nicht etwa: “Mister Honecker beseitigen Sie diese Mauer“ – nein:
Er sagte: „Mister Gorbatschow beseitigen Sie diese Mauer.“
Der sowjetische Botschafter Kotschemasow rief nach der Öffnung der Güst am 10. November
1989 Genossen Krenz an und fragte: „ … wer hat ihnen das Recht gegeben, die
Grenzübergangsstellen nach Westberlin zu öffnen?“
Einige Bemerkungen zur aktiven Kriegsgefahr im Sommer 1961
Auf Grund der brisanten militär-politischen Lage im Zusammenhang mit Westberlin wurde
Anfang 1961 als Bevollmächtigter von Chruschtschow Marschall der Sowjetunion Konjew,
ein bekannter Heerführer des 2. Weltkrieges und erster Oberkommandierender der Vereinten
Streitkräfte des Warschauer Vertrages als Oberkommandierender der GSSD eingesetzt.
Gegenüber dem Westen sollte dies´ eine Drohung sein: Wir warnen euch - Wir machen
ernst.
Auch Kennedy hat als militär-politische Schlussfolgerung zu der sich anbahnenden Krise in
Zentraleuropa als seinen Bevollmächtigten den erfahrenen Weltkriegsgeneral und
kampflustigen Helden der Luftbrücke, General Clay, entsandt.
Er dokumentierte ebenfalls damit: wir sind zu allem bereit!
Praktisch gab es für die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) von
Anfang 1961 bis Mitte April 1962 zwei Oberkommandierende.
Einmal Marschall Konjew als Sonderbeauftragten Chruschtschows für alle militär-politische
Entscheidungen und Maßnahmen.
Zum anderen Generaloberst Jakubowski für die Gefechtsbereitschaft und Ausbildung der
Truppen der GSSD.
Oder – nach außen: Konjew ; nach innen: Jakubowski.
Die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg zwischen den beiden Großmächten hatte im
Sommer 1961 auch erhebliche Auswirkungen auf bestimmte ökonomische und militärische
Maßnahmen durch die militärische Führung der DDR.
Bereits am 15. Juli 1961, also 4 Wochen vor der Grenzschließung in Berlin, erhielt Minister
Hoffmann vom Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte, Marschall der Sowjetunion
Gretschko, einen Befehl mit folgendem Inhalt:
1.Alle Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen, dass innerhalb von 2 bis 3 Tagen aufgestellt
werden können:
2 Brücken-Bau-Brigaden,
3 Straßen-Kommandantendienst-Brigaden,
4 Flugplatz-Pionier-Bataillone.
2.Die Registrierung der Kfz mit je 2 Kraftfahrern
32
von 40 Kfz.- Kolonnen (Bataillonen) mit insgesamt 10. 000 LKW und
von 6 Kfz.-Sanitäts-Transport-Kompanien mit 600 Sanitäts-Kfz.
Diese Kräfte und Mittel müssen so vorbereitet sein, dass sie im Verlaufe eines Tages an
die GSSD übergeben werden können.
3.Vorzusehen, die Bereitstellung von 500 Kfz. mit Kraftfahrern am ersten Einsatzsatztag für
Lazarette der GSSD und die Bereitstellung von 20. 000 Betten für die GSSD.
4.Vorzusehen, die Bereitstellung für die GSSD
von 40. 000 bis 50. 000 Tonnen Autobenzin sowie von 60. 000 bis 70. 000 Tonnen
Dieselkraftstoff.
Diese Weisung des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer
Vertrages, Marschall der Sowjetunion Gretschko, vom 15. Juli 1961 an den Minister für
Nationale Verteidigung der DDR, Armeegeneral Hoffmann, beweist anschaulich:
1. Wie die militärische Lage im Sommer 1961 durch die sowjetische Partei- und
Staatsführung und durch das Oberkommando des Warschauer Vertrages eingeschätzt
wurde und wie groß die Kriegsgefahr in Europa war.
2. Dokumentiert die Aufgabenstellung anschaulich, wer das militärische Sagen
auf dem Territorium hatte, welche Rolle die DDR für die Sowjetunion spielte und welchen
Spielraum es für die Partei- und Staatsführung der DDR und das Ministerium für
Nationale Verteidigung auf dem Gebiet der Militärpolitik und der Landesverteidigung
gegeben hat.
3.Die Rolle der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte auf dem Territorium der DDR als die
Hauptschlaggruppierung der Sowjetarmee. An dieser Befehlslage und den
Verpflichtungen der DDR gegenüber der Gruppe der Sowjetarmee, und das kann ich aus
über 25 – jähriger Tätigkeit im MfNV bestätigen, hat sich bis 1989 nichts geändert.
Dass die Führungsmacht der NATO , die USA, die Lage in Europa im Sommer 1961
genauso brisant einschätzte, geht aus Folgendem hervor:
Am 19.Juli 1961 hat der amerikanische Präsident nach 6 Wochen intensiver Arbeit seine
Entscheidungen bekannt gegeben: (fast der gleiche Zeitpunkt wie die Weisung Gretschkos)
1. Zusätzliche Forderungen zugunsten des Militärhaushaltes von 3,2Milliarden Dollar.
2. Sonderermächtigung für die Einberufung von Reservisten ohne Mobilmachung.
3. Die Einberufungsquote soll mehr als verdreifacht werden.
4. Westberlin sollte in den Bereitschaftszustand versetzt werden.
Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als hätte die DDR, die Partei- und
Staatsführung, die militärische Führung, nichts mit dem 13. August 1961 zu tun.
Das Gegenteil ist der Fall.
Die Partei- und Staatsführung der DDR hatte diese Maßnahmen des 13. August 1961 nicht
nur begrüßt, sondern sie allseitig unterstützt, zielgerichtet verwirklicht und für richtig und
notwendig empfunden.
33
Für die DDR hatte die Lösung der „Westberlinfrage“ im Zusammenhang mit den vielen
Republikflüchtigen und den gewaltigen ökonomischen Verlusten eine erstrangige politische
Bedeutung.
Auf diese Frage ist aber Prof. Dr. Prokop bereits ausführlich eingegangen.
Ich habe bei meinen Auftritten, auch vor dem bundesdeutschen Gerichten, immer
unterstrichen: Zu meiner Verantwortung und zu meiner Biografie stehe ich.
Es geht nicht darum, die Verantwortung für die Grenzsicherungsmaßnahmen und
die Ereignisse an der Grenze auf Dritte zu schieben.
Es kommt darauf an, der historischen Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen.
-
Deshalb habe ich mich so ausführlich mit dieser wichtigen Frage des 13. August 1961
befasst.
Bevor ich zu einigen Schlussfolgerungen komme, gestatten Sie mir eine Bemerkung zur
Grenzsicherung beider deutscher Staaten:
1. Bis 1990 gab es in beiden deutschen Staaten keine Souveränität auf dem Gebiet der
Grenzsicherung. Laut Potsdamer Abkommen trugen hierfür die 4 Siegermächte die
Verantwortung.
2. Erst ab dem 12. September 1990, nach Beendigung der 2 plus 4 Gespräche, wurde in
Grenzfragen die uneingeschränkte Souveränität eines deutschen Staates, der BRD, durch
die vier Siegermächte anerkannt. Bis zu diesem Zeitpunkt standen die Grenzsicherung,
die Grenzüberwachung und der Grenzschutz unter dem Vorbehalt der alliierten
Siegermächte.
Aus meiner Sicht war die Lösung der Westberlin – Problematik keine Angelegenheit der
beiden deutschen Staaten.
Hier ging es um weltpolitische Probleme, um eine Kraftprobe zwischen den beiden
Großmächten.
Beide deutsche Staaten waren nach meiner Einschätzung „Zaungäste“ bei der Lösung dieses
Problems, bei dem Spiel mit dem Feuer.
Beide deutsche Staaten handelten nach den Vorgaben, die sie von den Führungsmächten
erhalten haben.
Für uns ergibt sich aus meiner Sicht im Zusammenhang mit dem 13. August 1961
folgende Schlussfolgerung:
Die militärische Grenzsicherung der Staatsgrenze der DDR zur BRD und zu Westberlin
erfolgte in der 40-jährigen Periode des Kalten Krieges im Auftrag des Warschauer Vertrages,
im Interesse des Warschauer Vertrages und zum Schutze der Staaten des Warschauer
Vertrages.
Diese Maßnahmen waren ein wichtiger Beitrag zur Friedenserhaltung in Europa.
Jeder Angehörige der Grenztruppen der DDR kann auch heute erhobenen Hauptes und mit
Stolz auf seinen geleisteten Ehrendienst zurückblicken. Er hat seine Aufgaben nach dem
Recht und den Gesetzen des Staates erfüllt, der von 138 Staaten dieser Welt anerkannt war
und der in der UNO einen geachteten Platz eingenommen hat.
Die internationale Autorität der DDR war nicht schlechter als die der BRD.
Keiner von uns hat in einem „Unrechtsstaat“ gedient!
34
Ich bin fest davon überzeugt:
Trotz der vielen Verleumdungen, Diskriminierungen und Kriminalisierungen wird die
Geschichte ein gerechtes Urteil über den Beitrag der Grenztruppen der DDR zur
Erhaltung des Friedens in Europa fällen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Hans Bauer
Liebe Freunde, Gäste, Genossinnen und Genossen!
Auf Euern Plätzen findet Ihr eine Wortmeldung von Repräsentanten der DDR zum 20.
Jahrestag, darunter auch führenden Militärs. „Auferstanden aus Ruinen“, beginnt sie „und der
Zukunft zugewandt“ endet sie. Sie ist an alle führenden Politiker der BRD gegangen, vor
allem auch an über 50 Botschaften. Hunderte von Bürgern haben inzwischen unterschrieben;
wer von Euch möchte, kann dies auch tun.
Diese Wortmeldung hat sehr viel mit unserem Thema zu tun. Ohne die Sicherung der Grenze
hätte es, nachdem im Westen ein eigener Staat errichtet worden war, kein „Auferstehen aus
Ruinen“ mit den Errungenschaften der DDR gegeben.
Und weil das so ist, steht die Grenzsicherung der DDR besonders auf den Angriffsobjekten
des Gegners. Seit Monaten erleben wir ein wahres Trommelfeuer von Diffamierungen und
Hetze, mit denen die so genannten Jubiläen begangen werden. Ähnliches wird auch 2011,
dem 50. Jahrestag der Maßnahmen der Grenzsicherung auf uns zukommen. Und weil wir das
wissen, wollen wir nicht erst abwarten, was der politische Gegner sagt, wollen nicht nur reagieren, sondern rechtzeitig agieren.
Deshalb möchte ich aus meiner Sicht Einiges zum Herangehen der GRH an diese Fragen
inhaltlich wie auch schlussfolgernd sagen:
Als Erstes: Nur der Klarheit wegen betone ich hier, die grundsätzliche Position der GRH zu
den Grenzsicherungsmaßnahmen generell wie zu den Maßnahmen des 13. August 1961 im
Besonderen, zu ihren Ursachen, Notwendigkeiten und Maßnahmen sind eindeutig und klar.
Die politischen und militärischen Entscheidungen zur Sicherung der Staatsgrenze dienten
dem Schutze der DDR und des sozialistischen Lagers. Dazu waren auch einschneidende
Maßnahmen gegenüber den DDR-Bürgern notwendig. Im Interesse aller Bürger des Staates.
Aber gerade dies rechtfertigte zu keinem Zeitpunkt, der DDR das Recht auf eine Art Notwehr
abzusprechen. Und gar die Handlungen zu kriminalisieren. Nichts von dem, was die
Mehrzahl unserer Genossen, die in Gerichtsverfahren angeklagt und verurteilt wurden, dort
vorgebracht haben, wird zurückgenommen oder etwa unter dem Gesichtspunkt allein der
Verteidigung relativiert. Ich meine sogar, wir müssen ihnen dankbar sein, dass sie so
standhaft unser aller Interessen und Ehre vertreten haben und nicht – wie einige wenige – zur
Rettung ihrer eigenen Haut kleinlich beigegeben haben. Damit haben sie bereits einen
wertvollen Beitrag zur historischen Wahrheit geleistet.
Zweitens: Über das Anliegen der Grenzsicherung besteht in unseren Reihen völlige
Übereinstimmung. Es war sozusagen mehrdimensional, von der Friedenssicherung bis zur
ökonomischen Aufgabe. Ja, es ist eben eine völlige Entstellung durch westliche Propaganda,
wenn es dort immer wieder heißt: „Hauptzweck war die Verhinderung der Flucht aus der
DDR durch deren Einwohner, die dort als „ungesetzlicher Grenzübertritt“ (Republikflucht)
unter Strafe stand“. Für jeden logisch Denkenden ist wohl klar, die Verletzung eines Gesetzes
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muss eine Ahndung nach sich ziehen. Und hier ging es um existentielle Fragen der DDR.
Abgesehen davon, dass die Friedenssicherung in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt
wird, wird ignoriert, dass auch bei der Verhinderung ungesetzlichen Grenzübertritts u.a.
handfeste ökonomische Interessen der DDR dahinter standen.
Drittens: Der Westen tönt: „Die DDR-Propaganda bezeichnete die Mauer, wie auch die
gesamte Grenzsicherung zur Bundesrepublik, als antifaschistischen Schutzwall". Selbst
LINKE betrachten die Bezeichnung „antifaschistischer Schutzwall“ oft als falsch bzw.
überhöht. Ich meine, diese Einschätzung lässt die konkrete damalige Situation außer Betracht.
Tatsächlich war die Situation Ende der 50-er / Anfang 1960 von faschistoiden Merkmalen in
der BRD gekennzeichnet. Ich erinnere an die Kommunistenverfolgung in der BRD, an die
Faschisten und Nazis in höchsten Ämtern (der Globke-Prozess 1964 in der DDR markierte
diese Entwicklung besonders deutlich), an die Unzufriedenheiten progressiver Kräfte,
besonders der Studenten, gegen die Wiederbelebung militaristischer und faschistischer
Entwicklungen. Hüten wir uns also davor, selbst der Anti-DDR-Propaganda zu erliegen.
Viertens: Ich bin davon überzeugt – und der bisherige Verlauf des Treffens bestätigt es –
dass das Thema noch lange nicht erschöpft ist. Auch die Prozesse waren nicht geeignet – wie
oft behauptet wird – die Geschichte aufzuarbeiten. Allgemein anerkannt: Historische Prozesse
lassen sich nicht mit dem Strafrecht aufklären. Dazu dient kein StGB, notwendig ist
wissenschaftliche Arbeit. Es bleibt die Forderung, Erkenntnisse zu vertiefen und um weitere
Wahrheiten zu bereichern. Falsch wäre es auch aus unserer Sicht zu sagen, es ist alles gesagt.
Mehrfach wurde in verschiedenen Diskussionen die Frage nach der Kompetenz aufgeworfen.
Wer ist kompetent? Da, liebe Freunde und Genossen, sollte niemand die Wahrheit allein für
sich beanspruchen. Schutz der Staatsgrenze war, wie unsere Verfassung forderte,
gesamtgesellschaftliches Anliegen. Damit war dies weder nur eine Aufgabe der Grenztruppen
oder gar nur einzelner Verantwortlicher. Für uns ist jeder, der sich um die Wahrheit bemüht,
wichtig. Deshalb legen wir auf jede Meinung und Position, die uns weiter helfen, wert. Aber
wichtig: Überlassen wir das Feld nicht der Gegenseite.
Fünftens: Aus dem Gesagten ergibt sich für mich zwangsläufig, dass wir uns dem Thema
weiter widmen müssen. Unter uns und vor allem offensiv und überzeugend nach außen. Das
bedeutet, dass wir als GRH das Thema Sicherung der Staatsgrenze in geeigneter Weise weiter
bearbeiten werden und jeder aufgerufen ist, sich aktiv zu beteiligen. Beabsichtigte
zielgerichtete Gespräche zum Thema müssen offen und tolerant geführt werden. Wo, wenn
nicht unter uns, ist das Gremium, in dem wir um Klarheit und Festigkeit in unseren
Argumenten ringen.
Welche Schlussfolgerungen ergeben sich insbesondere 2011 für uns?
1. Die von der AG Grenze der GRH initiierten Gespräche zur Grenzsicherung sollte mit
Beteiligung vieler Interessierten fortgesetzt werden.
2. Weitere Publikationen zur Problematik sind unbedingt notwendig. Der Verleger Frank
Schumann forderte kürzlich im OKV mehr Publikationen zu diesem Thema. Bereits
vorhandene Veröffentlichungen sind intensiver zu nutzen. Ja, Aufklärung unter
Ausschöpfung aller Möglichkeiten ist dringend gefragt. Das betrifft generell unsere
Öffentlichkeitsarbeit. Sie muss sich stärker auf diesen Gegenstand beziehen. In der
Auseinandersetzung nimmt die Grenzsicherung einen zentralen Platz ein. Nicht zufällig
standen die Verfahren zu diesem Gegenstand mit am Anfang der Verfolgungen. Das erste
Urteil des BGH erfolgte gegen einen Grenzer. Die Staatsgrenze der DDR war für die
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BRD der neuralgischste Punkt ihres Anspruchs auf ganz Deutschland. Hier wurden dem
deutschen Imperialismus im wahrsten Sinne des Wortes Grenzen gesetzt.
3. Die strafrechtlichen Verfolgungen sind systematisch auszuwerten. Eine große Hilfe dabei
wird das in Kürze erscheinende Buch von Erich Buchholz „DDR-Strafrecht unterm
Bundesadler“ sein. Darüber hinaus sind aber viel stärker oder aber überhaupt erst einmal
die Prozessdokumente – Anklagen, Erklärungen, Urteile u.a. – auszuwerten. Wir würden
es sehr begrüßen, wenn sich auch Historiker und andere Wissenschaftler damit befassen.
Unsere Archive sind offen.
4. Erfahrungen und Erkenntnisse unserer Insider, also der Grenzer im weitesten Sinne,
müssen noch systematischer festgehalten werden. Zu viele Freunde haben ihr Wissen
leider schon mit ins Grab genommen. So dass manches Wertvolle – wie es sich unser
Gegner wünscht – dem Vergessen anheim fällt. Bei allen Bemühungen der GRH seit
1993, personell und aus anderen Gründen, sind uns Grenzen gesetzt. Wir danken der
Initiative der IGRA, die sich auf diesem Felde engagiert und verdient macht.
5. Bei all unseren Betrachtungen und Argumenten müssen wir Internationale, auch
völkerrechtliche Aspekte stärker beachten. In den Verfahren wurde deutlich, dass diese
Fragen von den Gerichten weitgehend ausgeblendet blieben. Bekanntlich wurden
entsprechende Anträge abgelehnt, Aussagen dazu gering geschätzt. Das ist erklärbar, hätte
doch deren Berücksichtigung die Sicherung der Staatsgrenze in einem anderen Lichte
erscheinen lassen. In diesem Zusammenhang verdienen Rolle und Status Westberlins
besondere Beachtung. Bis heute wird zu dem Sonderstatus Westberlins öffentlich kaum
etwas gesagt. Dabei ist die BRD bemüht, auch nachträglich Westberlin wie ein weiteres
Bundesland darzustellen.
6. Die begonnene internationale Zusammenarbeit, besonders mit unseren früheren
Waffenbrüdern, sollte weiter gestärkt werden. Besonders die tschechischen Grenzer
standen ja an der gleichen Frontlinie wie wir. Hier ist Zusammenarbeit unverzichtbar. Der
internationalen Verflechtung von Kapital und Reaktion ist unser Internationalismus
entgegenzusetzen.
7. Genossen! Vergessen wir nicht unsere Solidarität mit den Verfolgten und Verurteilten.
Nach wie vor haben Grenzer, Angehörige der Sicherheitsorgane und Politiker Kosten aus
ihren Verfahren, der „Strafe nach der Strafe“, zu zahlen. Wenn wir im nächsten Jahr das
Thema „Staatsgrenze“ zu einem Hauptthema unserer Arbeit machen, dürfen Respekt vor
und Solidarität mit jenen, die die Hauptlast der Verfolgungen nach 1990 getragen haben,
nicht fehlen. Und, liebe Genossen, vergessen wir jene Mitkämpfer nicht, die an der
Grenze für die DDR ihr Leben gelassen haben. Geschichte lebt von Erinnern. Welche
Rituale gibt es inzwischen zum Gedenken an Grenzverletzer, die beim gesetzwidrigen
Handeln an der Grenze leider ums Leben kamen. Hunderte von Kreuzen u.a.
Gedenkstellen wurden errichtet. Wir haben uns gestern mit den tschechischen und
polnischen Freunden einen aktuellen Eindruck verschafft. Wo ist das ehrende Gedenken
an unsere getöteten Grenzer? In Tschechien gibt es bereits Erinnerungsstätten. Wäre es
nicht längst Zeit, solche in geeigneter Weise auch hier zu schaffen? Der Getöteten jährlich
vielleicht an einem bestimmten Tag und Ort zu gedenken? Über Vorschläge aus Euern
Reihen wären wir dankbar.
8. Liebe Freunde! 2011 muss für uns ein Jahr der Offensive auf diesem Gebiet werden. Wir
beabsichtigen, mit Hilfe von Verbündeten im Frühsommer eine größere Veranstaltung in
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Südthüringen vorzubereiten, die sich mit den Grenzsicherungsmaßnahmen befasst. Das
Grenzertreffen 2011 muss ein weiterer Höhepunkt beim Thema „Schutz der Staatsgrenze
der DDR“ werden.
Karl-Heinz Kathert
Lieber hätte ich vor der Mittagspause gesprochen. Warum sage ich später.
Mit Rücksicht auf die Zeit und weiterer Diskussionsredner möchte ich mich kurz zu drei
Problemen äußern.
Erstens: Zunächst danke ich Genossen Prof. Dr. Siegfried Prokop für seine überzeugende
Darstellung der politischen Umstände, die zu unseren grenzsichernden Maßnahmen am
13. August 1961 führten.
Es stimmt: Die historische Einordnung und Wertung kann und darf nicht nur anhand der an
diesem Tag vollzogenen Einführung eines Grenzregimes zu Westberlin und der militärischen
Sicherung der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin und zur BRD erfolgen.
Auch ich habe Verständnis dafür, dass er sich nicht zu den damaligen Handlungen der
Deutschen Grenzpolizei und der anderen beteiligten bewaffneten Kräfte äußerte.
Als Zeitzeuge möchte ich als Ergänzung und zur Erinnerung sagen: Grenzsicherung gab es
nicht nur gegenüber Westberlin und an der Grenze zur Bundesrepublik. Die DDR hatte auch
Grenzen im Osten gegenüber der Volksrepublik Polen, im Süden gegenüber der CSSR und
im Norden die Seegrenze.
Ich war in der Zeit um den 13. August 1961 Stellvertreter des Kommandeurs und Leiter des
Politorgans der damaligen 7. Grenzbrigade der Deutschen Grenzpolizei. Diese Grenzbrigade
hatte die Aufgabe, den gesamten Abschnitt der Oder-Neiße-Friedensgrenze mit einer Länge
von 460,608 Kilometern zu sichern.
Der Stab der Grenzbrigade mit dem Standort Frankfurt/Oder war für die Führung der
Grenzbereitschaften Görlitz und Löcknitz, der selbständigen Grenzabteilung Frankfurt/Oder,
dem selbständigen Kontrollpassierpunkt Frankfurt/Oder, der Unteroffiziersschule
Frankfurt/Oder und der Ausbildungseinheit Oderberg verantwortlich.
Sie wirkte in freundschaftlicher Verbundenheit eng mit dem befreundeten Grenzschutzorgan
WOP der Volksrepublik Polen zusammen; konkret mit den drei polnischen Grenzbrigaden
Lubin, Krosno und Szczecin.
Ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der Grenzsicherung an der Ostgrenze der DDR
war die Umgruppierung, de facto Auflösung der 7. Grenzbrigade, in der zweiten Hälfte des
Jahres 1961. Kern dieser Umgruppierung war die Reduzierung der Grenzsicherungskräfte zu
einer Grenzüberwachung sowie die Versetzung der Hauptkräfte zur neu gebildeten
5. Grenzbrigade (Kalbe/Milde) an der Staatsgrenze zur Bundesrepublik und von Teilen zum
Ring um Berlin.
Zur Gewährleistung der dann erfolgten Grenzüberwachung des gesamten Grenzabschnittes
wurde die 18. selbständige Grenzbereitschaft Frankfurt/Oder unter Leitung von
Oberstleutnant Gustav Gaing neu gebildet.
Im Abschlussbericht vom 13. September 1961 konnte eingeschätzt werden, dass die
Umgruppierung reibungslos und die Märsche zu den neuen Standorten ohne Vorkommnisse
erfolgte. Das diese Ergebnisse erreicht werden konnten verdanken wir dem aktiven
Mitwirken der vielen Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere aus den Stäben und Einheiten.
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Hervorheben möchte ich, dass bis auf geringe Ausnahmen alle Genossen ihre Bereitschaft
erklärten, nunmehr auch ihrer Verantwortung zum zuverlässigen Schutz der Staatsgrenze der
DDR zur Bundesrepublik und zu Westberlin gerecht zu werden. Und das unter den
Bedingungen des freiwilligen Dienstes in der Deutschen Grenzpolizei. Hochachtung vor
diesen Grenzern.
Später traf ich viele meiner Genossen von der Ostgrenze an der Westgrenze wieder, als ich
Ende der 60er Jahre Stellvertreter des Kommandeurs und Leiter der Politabteilung der
damaligen 5. Grenzbrigade in der Altmark wurde.
Die Umgruppierung betraf damals auch die an der Grenze zur CSSR handelnde
8. Grenzbrigade und Teile der an der Seeküste der DDR eingesetzten 6. Grenzbrigade.
Ich wünsche mir, dass beim Schreiben der Geschichte der Grenzsicherungsorgane der DDR
diese großartigen Leistungen der Angehörigen der 6., 7. und 8. Grenzbrigade der Deutschen
Grenzpolizei gebührende Beachtung finden.
Zweitens: Nun zu dem, worüber ich gerne vor der Mittagspause sprechen wollte.
Zur Wahrung der ruhmreichen Traditionen unserer Grenztruppen gehört auch die Würdigung
besonders verdienstvoller Grenzer, voran derer, die bedeutende Funktionen ausübten.
Da ich in bisherigen Publikationen dazu wenig lesen konnte, bemühte ich mich mit
Oberstleutnant a.D. Günter Freyer den Anfang zu machen. Wir brauchten nicht lange zu
überlegen, mit wem wir beginnen wollen. Wir entschieden uns für Generalmajor Walter
Breitfeld. Deshalb, weil wir von 1957 bis 1962 als junge Offiziere der Deutschen
Grenzpolizei ihm in der Politischen Verwaltung direkt unterstellt waren und ihn als Mensch,
Genossen und Vorgesetzten schätzen und achten gelernt haben.
Dank der Unterstützung durch den Chefredakteur der Zeitschrift RotFuchs, Genossen
Steiniger, erscheint in der November Ausgabe 2010 auf der Seite 11 unser Artikel mit dem
Titel „Arbeitergeneral Walter Breitfeld. Vorbild als Mensch, Genosse und Kommandeur.“
Mitstreiter vom RotFuchs haben anlässlich des heutigen Tages die ersten Exemplare vorzeitig
zu unserem heutigen Grenzertreffen mitgebracht. An ihrem Bücherstand könnt ihr euch in der
nächsten Pause bedienen.
Möge unsere Publikation Ansporn dafür sein, weitere bewährte Grenzer aus unseren Reihen
persönlich zu ehren.
Drittens: Zu unserer Zusammenarbeit mit der Sektion der Grenzschützer im Klub ceskeho
Pohranici (KCP) verweise ich auf die Rede unseres tschechischen Freundes Oberst a.D. Dr.
Milan Richter. Das, was er zum Ausdruck brachte, kann ich unsererseits vollauf bestätigen.
Abschließend dazu noch ein kurzer Hinweis:
Unsere Zusammenarbeit hat bereits eine gute Tradition. Die in den zurückliegenden Jahren
erfolgten beiderseitigen Aktivitäten sind inzwischen in einer umfangreichen Chronik
veröffentlicht. Sie können auf unserer Internetseite unter www.grenztruppen-der-ddr.de
nachgelesen werden.
Ich bedanke mich.
39
Rechtsanwalt Jürgen Strahl
Die BRD hat in der Auseinandersetzung mit der DDR stets betont, dass sie der
Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches sei. Es versteht sich von selbst, dass wir bei diesem
Begriff an alle Begleiterscheinungen der vorangegangenen Staaten denken. Aus diesem
Grunde praktizierte sie auch die Hallstein-Doktrin, um zu verhindern, dass Drittstaaten die
DDR und damit ihre Friedenspolitik anerkannten.
In diesen Tagen lesen wir mit Überraschung, dass Joschka Fischer als Außenminister
plötzlich auffiel, dass das Auswärtige Amt der BRD von ehemaligen Nazis durchsetzt war
und an der faschistischen Außenpolitik des Rechtsvorgängers bis hin zur Judenvernichtung
mitwirkte. Bei positiver Betrachtungsweise könnte man zu dem Schluß kommen, dass die
Bundesrepublik nunmehr endlich mit der faschistischen Vergangenheit aufräumen möchte.
Dazu schlachtet sie selbst heilige Kühe, wie die Außenpolitik von Willy Brandt 1966 bis
1969 unter der Regierungszeit von Kurt-Georg Kiesinger. Der heutige Fraktionsvorsitzende
der SPD im Bundestag mit Namen Steinmeier geht so weit, dass er Willy Brandt wegen einer
Belobigung eines Mitarbeiters mit brauner Vergangenheit schilt. Er beweist damit, dass er für
seine Tätigkeit nur sehr wenig qualifiziert ist, wenn nicht gar dumm.
Unter Bundeskanzler Adenauer verabschiedete der Deutsche Bundestag 1952 das
Entnazifizierungsbeendigungsgesetz. Dies war der Beginn einer durchgreifenden
Durchsetzung des gesamten Staates bis hin zur Lehrerschaft mit braunen Gefolgsleuten.
Steinmeier leitete einmal das Auswärtige Amt. Dabei müsste ihm bekannt sei, dass der zweite
Außenminister, ein Gerhard Schröder, als ehemaliger SA-Mann Außenminister war, somit
vom Bundespräsidenten ernannt und vom Parlament bestätigt. Dieser baute das Auswärtige
Amt auf. Da er keine anderen kannte, musste er seine braunen Kumpanen von früher
verwenden. Sie hatten ja die gleiche Gesinnung und entsprechende Verdienste.
Nach der vorgestern veröffentlichten Studie über das Auswärtige Amt befanden sich bereits
1950 mehr ehemalige NSDAP-Mitglieder in leitenden Funktionen als während des Dritten
Reiches. Zum Namen Nüßlein wurde mitgeteilt, dass dieser, nachdem er als Leitender
Staatsanwalt in Prag für zahlreiche Todesurteile verantwortlich war, 1945 von den Tschechen
zu 20 Jahren Haft verurteilt und 1952 in die BRD entlassen wurde. Dort erhielt er eine
Haftentschädigung, obwohl seine Verurteilung in der CSR wegen Kriegsverbrechen erfolgt
war, und eine Anstellung im Auswärtigen Amt. Allein durch die Entschädigungsakte musste
bekannt sein, dass er eine faschistische Vergangenheit hatte. Dies nur beispielhaft dargestellt.
Nun wird versucht, den Eindruck zu erwecken, als seien dies Einzelbeispiele. Joschka Fischer
ging soweit, dass er das Auswärtige Amt des Dritten Reiches als verbrecherische
Organisation bezeichnete, die als Organisationsform im Widerspruch zum Potsdamer
Abkommen fortexistierte. Dies allerdings in der BRD. Dies gilt aus unserer Sicht mit
Sicherheit auch für das Bundeskanzleramt unter Globke, für das Bundesverteidigungsministerium unter Blank und Strauß, für die Bundeswehr insgesamt unter den Generalen
Speidel und Heusinger. Das Bundesjustizministerium kann schon deshalb keine Ausnahme
bilden, weil ja die Richter des Dritten Reiches ebenfalls weiter verwendet wurden. Zum
Bundesinnenministerium und dem Bundeskriminalamt sind gleichermaßen solche Tendenzen
bekannt. Man könnte behaupten, die Bundesrepublik befand sich von Gründung bis
zumindest 1968 in der Hand der alten faschistischen Kräfte. Wenn sie aber in ihrer
Gründungszeit von solchen Leuten geprägt wurde, werden ihre Erscheinungsformen auch
noch heute aufzufinden sein.
Die nachfolgenden Generationen, die von den Alten erzogen und profiliert wurde, bis hin zur
Richterschaft, folgten diesen Idealen und praktizieren diese gegenüber ehemaligen DDRBürgern. Bei dieser Sachlage wird uns im Nachhinein bestätigt, dass unser antifaschistisches
Feindbild berechtigt war. Auch die Bezeichnung „Antifaschistischer Schutzwall“ erfährt nun
eine bundesamtliche Bestätigung. Dies, obwohl wir schon lange Mauer dazu sagten. Es wird
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Zeit, dass für die entsprechenden Bundesbehörden ähnliche Analysen angefertigt werden. Das
Ergebnis wird erschreckend sein. Zum Bundesnachrichtendienst lagen solche Analysen schon
den Amerikanern vor Übergabe der Organisation Gehlen als Bundesnachrichtendienst an die
deutsche Regierung im ausreichenden Umfang vor. Auch hier erfolgte eine prinzipielle
Weiterverwendung wegen der Osterfahrung.
Unsere politische Aversion gegen die BRD hatte schon immer ihre eigentlichen Ursachen in
diesem Prozeß der Faschisierung. Im übrigen hat sich Adenauer öffentlich dazu geäußert,
dass seine Rehabilitierungspolitik für die alten Nazis ausschließlich deshalb stattfand, weil er
diese Leute für den Staatsaufbau der BRD dringend benötigte, denn mit Antifaschisten und
Kommunisten wollte das der rheinische Separatist nicht machen.
Erst in der Ära von Kiesinger konnte Willy Brandt Außenminister werden, da die alte
aggressive und antikommunistische Politik der BRD im Kern abgewirtschaftet hatte. Willy
Brandt wurde Außenminister unter dem Altnazi Kurt-Georg Kiesinger, der bekanntermaßen
wegen seiner braunen Vergangenheit von Beate Klarsfeldt öffentlich geohrfeigt wurde. Es ist
kaum anzunehmen, dass Kiesinger unter Neuausstattung des Auswärtigen Amtes mit
unbelasteten Mitarbeitern zugestimmt hätte, wenn seine braunen Kumpane plötzlich auf der
Straße gestanden hätten.
Und Filbinger bekam ein Staatsbegräbnis schon in diesem Jahrhundert, obwohl seine
faschistische Vergangenheit allgemein bekannt war. Ich erinnere daran, dass der heutige EUKommissar Öttinger ihn seiner Zeit zum Widerstandskämpfer umwidmen wollte. Ich hatte
dazu an dieser Stelle zeitnah Ausführungen gemacht.
Joschka Fischer hat als Außenminister eine Studie losgetreten, die wohl ein Alibi für
Vergangenheitsbewältigung BRD sein soll. Sie ist aber letztendlich nur ein Feigenblatt, um
die weitere Verfolgung ehemaliger DDR-Bürger zu rechtfertigen. Diese Verfolgung und
Diskriminierung dauert nunmehr schon 20 Jahre an, und es ist kein Ende abzusehen. So kann
die Einheit Deutschlands nicht hergestellt oder gestaltet werde. Vor diesem faschistoiden
Staat schützte die Mauer die Bürger der DDR, auch wenn sie für Alle große Erschwernisse
mit sich brachte. Es war der Garant für soziale Sicherheit in unserem Staat. Millionen
ehemaliger DDR-Bürger können auch heute nicht nach Mallorca reisen, weil sie kein Geld
haben und froh sein müssen, dass sie nicht zum Brückenpenner abgleiten.
Für das Plattmachen der sozialen Grundlagen unserer Existenz gibt es bereits zahlreiche
Literatur. Genannt seien hier „Raubzug Ost“ von Klaus Huhn und „Es reicht“ (beides edition
ost). Klaus Huhn erläutert uns die Machenschaften der Treuhand. Die dicksten Dinger hat er
nicht aufgeschrieben. Die Privatisierung von Schwedt und die Verschacherung der
Handelsbank AG 1990. Die Vernichtung unseres Volkseigentumes war zu keinem Zeitpunkt
der Unkenntnis oder Fahrlässigkeit der Wessis in der Treuhand geschuldet. Es war eine
vorsätzliche Aktion, die für alle Zukunft ausschließen sollte, dass der Einheitsprozeß wegen
der Enttäuschung der Menschen und ihrer Verelendung rückgängig gemacht wird.
Die Frage steht heute, nicht die Mauer wieder aufzubauen, sondern wie werden wir die BRD
wieder los?
Gerd Hommel
Liebe Freunde, Genossen Soldaten, Offiziere und Generale, Mitstreiter an unterschiedlichen
Kampfabschnitten für eine Zukunft in Frieden und im Sozialismus!
Ich danke herzlich für die Einladung zum Herbsttreffen der AG Grenze der GRH.
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Nun bin ich in einer Person dreimal hier:
• als Waffenbruder der Grenzer der DDR, ausgezeichnet mit der “Medaille für
vorbildlichen Grenzdienst“; d. h. konkret: für die Bekämpfung der
Menschenhändlerbanden mit den spezifischen Mitteln und Methoden des
Ministeriums für Staatssicherheit,
• als Vorsitzender der TAG Dresden der GRH die Satzungsziele der GRH in ihrer
Gesamtheit in der Region zu verwirklichen,
• als Bundesvorsitzender des „Revolutionären Freundschaftsbundes Ernst Thälmann
und Kameraden“ e. V. (RFB)
In meiner Verantwortung an der Spitze des RFB überbringe ich herzliche Grüße der engen
solidarischen Verbundenheit unserer tschechischen und deutschen Verbandsmitglieder mit
den ehemaligen Grenzern der DDR, die sich auch in dieser Zeit der Konterrevolution als
Kämpfer für die sozialistischen Ideale bewähren.
Seit 15 Jahren gibt es den RFB e. V. . Und seit 15 Jahren verteidigen unsere Mitglieder und
Sympathisanten das politische Vermächtnis Ernst Thälmanns, das den Machtinteressen der
Konzerne und Großbanken und ihren Politikern in den Parteien und Regierungen aller
Ebenen sowie den vielfältigen Interessenvereinigungen des Kapitals ein Dorn im Auge ist.
Die Interessen der Machtstrukturen des Kapitals und die Interessen der Werktätigen und
Schichten des Volkes, die den Reichtum schaffen und dafür immer mehr ausgebeutet und
unterdrückt werden, sind unversöhnlich. Daran ändern auch die vielfältigen Beschwörungen
der Sozialpartnerschaft und das ganze über die Medien verbreitete Lügengespinst nichts, mit
dem die Gesellschaftskrise schöngeredet und die sozialistischen Ideale verunglimpft werden.
Worin besteht das Problem?
Der Druck aus sozialer Ungerechtigkeit und die Angst vor Verlust der sozialen Sicherheit und
vor Repression bei Illoyalität beherrschen große Teile der Bevölkerung. Sie verhindern noch,
dass die Krisenerscheinungen als Systemkrise des Kapitalismus erkannt und bewusst werden.
So erklärt sich, dass der Widerstandswille noch zu schwach ausgeprägt und die Beteiligung
an Kampfaktionen noch nicht mit dem Bewusstsein verbunden ist, dass Kampferfolge gegen
unsoziale Maßnahmen als aktuelle Ziele wichtig sind, doch soziale Gerechtigkeit und
Achtung der Menschenwürde erst durch Veränderung der Machtstrukturen und Aufbau einer
sozialistischen Gesellschaft möglich sind.
Wie die Aufgabe lösen?
Die Klasse der Produktionsmittel Besitzenden handelt als Klasse. Die Ausgebeuteten sind
sich ihrer Lage zum großen Teil noch nicht bewusst und die bewussten Kräfte sind so
zersplittert und zum Teil desorientiert, dass sie vor allem mit sich beschäftigt sind und nicht
einheitlich so handeln, dass sie bedeutenden Einfluss in der Gesellschaft erlangen.
Getreu der Erkenntnisse der von Marx, Engels, Lenin begründeten Gesellschaftswissenschaften und der historischen Erfahrungen aus den Klassenkämpfen: erklären wir den Willen,
unsere Kräfte in SOLIDARISCHEN AKTIONEN gegen den gemeinsamen Feind, die
imperialistische Politik der Rüstung, der militärischen Interventionen und Okkupationen, des
Sozialabbaus und der politischen Unterdrückung zu vereinen mit dem Ziel, die ideologischen
Voraussetzungen für grundlegende gesellschaftliche, d. h. Machtveränderungen für eine
sozialistische Entwicklung zu entwickeln.
Diese Erkenntnis und Erfahrung heißt: die Aktionseinheit aller kommunistisch orientierten
Kräfte herstellen, unabhängig davon, in welcher kommunistischen Partei, Plattform,
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Organisation, Gruppierung sie organisiert sind. Diese Gemeinsamkeit wird unsere
Glaubwürdigkeit und unseren Einfluss vergrößern – eine Voraussetzung, die Aktionseinheit
gegen faschistische Entwicklungen, die Aktionseinheit gegen Kriegspolitik, die
Aktionseinheit in der Durchsetzung der sozialen Rechte der Werktätigen wirksamer zu
formieren. Das ist selbstverständlich in den Strukturen auch als eine Leitungsverantwortung
zu sehen.
Wer sich bekennt, Kommunist zu sein, kommt um diese Erkenntnis zum Handeln nicht
herum. So verstehen wir das politische Vermächtnis Ernst Thälmanns.
Und der Zusammenhang mit dem heutigen Thema „50. Jahrestag der militärischen Sicherung
der Staatsgrenze der DDR“ als Auftakt zu den zu erwartenden verschärften
Auseinandersetzungen?
Klasseninteressen stehen sich gegenüber! Das gilt es bewusst zu machen.
Die ehemaligen Grenzer der DDR wie die ehemaligen sozialistischen Grenzschützer der
Tschechoslowakei und Polens haben in Ausübung ihres Dienstes für das sozialistische
Heimatland und die sozialistische Staatengemeinschaft in vorderen Linien des
Klassenkampfes politische Erfahrungen erworben, die sie in hohem Maße befähigen, sich
auch heute mit an die Spitze zu stellen und im Geiste des proletarischen Internationalismus
für die Aktionseinheit überzeugend einzutreten.
Deshalb ist es wohl kein Zufall, dass die AG Grenze der GRH und die Abteilung
Grenzschützer des Klubs der tschechischen Grenzregionen KCP in der politischen
Klassenauseinandersetzung solche Aktivposten sind. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass
der RFB als internationale Organisation mit der deutschen und tschechischen Sektion bei der
Verteidigung des politischen Erbes Ernst Thälmanns in der GRH und im KCP aktive
Unterstützer findet. Dafür danken wir und wollen dieses Kampfbündnis weiter ausgestalten
und erweitern.
Heute sind hier deutsche und tschechische RFB – Mitglieder anwesend, die auch in
persönlichen Gesprächen meine Ausführungen bekräftigen können und werden, die schon bei
den jüngsten Höhepunkten Ausdruck fanden: beim internationalen Traditionstreffen
antifaschistischer Generationen in Malá Úpa (August 2010) und (Oktober 2010) in der
Jahresmitgliederversammlung des RFB mit Gästen in Teplice.
Mit einer Bitte schließe ich mein Grußwort:
Liebe Genossen und Freunde,
wer über den Erzgebirgskamm reist, sollte nicht versäumen mit Blumen zu einem Gedenken
am Grenzerdenkmal in Cinovec zu verweilen. Dieser Treffpunkt ist auch sehr geeignet für
kollektive Begegnungen. Die Jahresmitgliederversammlung des RFB z. B. klingt seit der
Weihe des Denkmals in neuer Tradition mit einem Treffen der tschechischen und deutschen
Teilnehmer aus.
Solche internationalen Begegnungen lassen sich kulturell eindrucksvoll gestalten und
erweisen sich als Kraftquell im politischen Klassenkampf.
Schließen wir unsere Reihen noch enger und gewinnen neue Mitkämpfer.
Unsere Feinde werden uns nichts schenken. Daher bleibt es dabei: dem Klassenfeind wird
nicht vergeben.
Alles Gute! Rot Front!
43
Horst Liebig
Gedanken zum Gesprächskreis „Geschichte der Grenztruppen der DDR“
Mit Bezug auf das Thema des heutigen Grenzertreffens will ich einige Initiativen, Gedanken
und Ideen hier vortragen, die vom Inhalt her sich unter anderem auch mit dem 13. August
1961 beschäftigen werden.
Am 3. September 2010 fanden sich in Berlin auf Einladung der AG Grenze der GRH einige
Genossen aus den TAG und auch einige Sympathisanten zusammen, die über die Gründung
eines Gesprächskreises „Zur Geschichte der Grenztruppen der DDR“ berieten.
Schon in der wochenlangen Vorbereitung auf dieses Treffen wurde lebhaft das Für und Wider
dieses Projektes debattiert.
Der Gesprächskreis will gegen die allenthalben geübte Praxis der Geschichtsverfälschung, der
Verunglimpfung und der Diskriminierung der DDR und ihrer Grenztruppen durch den
Mainstream, getragen vom vorherrschendem Zeitgeist, offensiv Paroli bieten.
Warum gerade jetzt die Bildung eines solchen Gesprächskreises?
Bekanntlich existieren schon viele Publikationen verschiedener Art zum Thema. Ehemalige
Grenzer meldeten sich zu Wort, schrieben ihre Biografien, gaben Zeitzeugenberichte ab,
untersuchten bestimmte Entwicklungsperioden der Grenztruppen und des Grenzregimes,
setzten sich offensiv mit feindlichen Auffassungen auseinander. Kurzum, viel Richtiges und
sachlich Fundiertes liegt zur Geschichte der Grenztruppen und bestimmter Ereignisse an
unserer Staatsgrenze schon vor.
Einige aus unseren Kreisen meinen: Es ist ja schon alles gesagt.
Stimmt das? Ich meine nein.
Es gibt auch Stimmen, die machen uns den Vorwurf, wir wollten eine Kurskorrektur. Wir
wollten nur eine Fehlerdiskussion. Beides stimmt nicht. Wir wollen keine Kurskorrektur.
Eines steht doch fest: Geschichtsschreibung ist nicht für die Ewigkeit fixiert.
Es gibt immer wieder neue Erkenntnisse und Erfahrungen. Die Geschichte ist eben immer
wieder zu hinterfragen. Archive öffnen sich, wenn auch nur zögerlich, neue Zusammenhänge
und Hintergründe werden sichtbar.
Zwei Beispiele im Zusammenhang mit dem 13. August 1961:
• Auf der Grundlage bislang nicht zugänglicher amerikanischer, britischer und deutscher
Akten untersuchte Dr. Rolf Steiniger in seinem Buch „Der Mauerbau“ die Phase des
Ost/West-Konfliktes 1958-1963. Daraus ergaben sich zum Teil völlig überraschende und
aus deutscher Sicht in Ost und West oft auch deprimierende Erkenntnisse.
•
2009 machte Dr. Mathias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau das von
ihm im Moskauer Staatsarchiv für Zeitgeschichte entdeckte 20-seitige Wortprotokoll
eines langen Telefonats am 1. August 1961 zwischen Nikita Chruschtschow und Walter
Ulbricht öffentlich, das nach seiner Meinung die Rolle der UdSSR vor, während und nach
dem 13. August 1961 in neuem Licht erscheinen lässt.
Jeder kann sich selbst ausmalen, der an der historischen Wahrheit interessiert ist, daß solche
Forschungsergebnisse Anlass sein werden, neue Fragen dazu zu stellen.
Im Übrigen, die Geschichte der Antike wurde im Laufe der Zeit schon mehrmals neu
bewertet.
Eine Kurskorrektur hieße doch, die historisch - materialistische Sicht des Marxismus
aufzugeben. Und genau das wollen wir eben nicht.
44
Unser Ausgangspunkt bei der Betrachtung und Wertung der Geschichte der Grenztruppen
war und ist immer die marxistische, die dialektisch- historisch- materialistische Sicht. Auch
wenn seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts der Historische und Dialektische
Materialismus, die Theorie des Marxismus-Leninismus in gewissen Kreisen – leider auch
unter einigen Linken – als verpönt, altmodisch und überholt angesehen wird.
Dieser Standpunkt ist bestimmt vom Verständnis, das jederzeit ausgeht von der Illegitimität
der Herrschaft des Kapitals, seiner bürgerlichen Herrschaft und ihrer in Recht gegossenen
kapitalistischen Ausbeutung, und es ist das Verständnis, daß jederzeit die historische
Legitimität und Notwendigkeit des Kampfes für eine Gesellschaft ohne kapitalistische
Ausbeutung, ohne Not und Elend für eine friedliche Gesellschaft im Auge hat.
Wir wollen auch nicht die Geschichte der Grenzpolizei und der Grenztruppen etwa erneut
darstellen. Wir wollen eine objektivere Einschätzung der Vorgänge an der Staatsgrenze,
einschließlich der zu beklagenden Opfer versuchen.
Kritisch und selbstkritisch soll die Geschichte der Grenztruppen hinterfragt und die historisch
berechtigte vom Völkerrecht getragene Sicherung und der Schutz der Staatsgrenze der DDR
und die Wahrung von Ordnung und Sicherheit im Grenzgebiet dargestellt werden.
Dabei erfüllten die Grenztruppen der DDR einen berechtigten und historisch alternativlosen
Auftrag, den ihnen die vom Volke - in einer demokratischen Volksabstimmung 1968
bestätigten – Verfassung auferlegte.
Wir wollen auch nicht im Sinne des Wortes eine Fehlerdiskussion.
Wolfgang Harich sagte 1993 in einer Rede folgendes:
„Die alte SED folgte der Maxime, Fehler im Voranschreiten zu überwinden, möglichst ohne
darüber zu reden. Ein Verstoß gegen die Lehren Lenins. Es wäre schlimm, wenn das jetzt
wieder geschähe.“
Unser Kampf gegen die herrschende politische Klasse, ihrer Siegerjustiz über die DDR und
unsere berechtigte Forderung, Schluss zu machen mit der politischen Verfolgung,
Diskriminierung und Delegitimierung der DDR sollte mit einschließen, die Kritik an eigenen
Fehlern. Die fehlende öffentliche Diskussion von Fehlern, Irrtümern und Versäumnissen in
der Partei und mit den Bürgern war einer der Sargnägel der DDR. Das müssen wir uns
eingestehen, ob wir es nun wollen oder nicht.
Die Gründe für den Untergang der DDR nur bei deren Gegnern zu suchen, ist für jeden, der
vom marxistischen Standpunkt an diese Frage herangeht, abwegig. Ohne Zweifel sind
Irrtümer und Fehler beim Aufbau einer völlig neuen politischen und sozialen Ordnung nahezu
unvermeidlich.
Was sagte Lenin? „Das Verhalten einer Partei zu ihren Fehlern ist ein wichtiges Kriterium.“
Sollten wir nicht auch entsprechend unserer heutigen Lage die Worte Friedrich Engels
beherzigen, die er gleich zu Beginn seines Werkes „Revolution und Konterrevolution“
geschrieben hat:
„Eine schwerere Niederlage als die, welche die Revolutionspartei... auf dem Kontinent an
allen Punkten der Kampflinie erlitten hat, ist kaum vorstellbar. Doch was will das besagen?
… Sind wir also einmal geschlagen, so haben wir nichts anderes zu tun, als wieder von vorn
anzufangen. Und die wahrscheinlich nur sehr kurze Zeit, die uns zwischen dem Schluss des
ersten und dem Anfang des zweiten Aktes der Bewegung vergönnt ist, gibt uns zum Glück
die Zeit für ein sehr notwendiges Stück Arbeit: für die Untersuchung der Ursachen, die
unweigerlich sowohl zur letzten Erhebung wie zu ihrem Misslingen führten; Ursachen, die
nicht in den zufälligen Bestrebungen, Talenten, Fehlern, Irrtümern und Verrätereien einiger
Führer zu suchen sind, sondern in dem allgemeinen gesellschaftlichen Zustand und den
Lebensbedingungen einer von Erschütterung betroffenen Nation ...“ Er fügte hinzu, es gehe
45
darum, vernunftgemäße , auf unleugbaren Fakten beruhende Ursachen zu finden, die die
wichtigsten Ergebnisse, die entscheidenden Wendepunkte jener Bewegung erklären und uns
Aufschluss in die Richtung geben, in die der nächste, vielleicht gar nicht so ferne Aufbruch
das deutsche Volk lenken wird.“ (Geschrieben nach der Niederlage der Revolution 1848)
Wir wollen den harten und auch erfolgreichen Kampf an der Grenze darstellen, die Mühen
und Opfer widerspiegeln, den Einsatz der Grenzsoldaten würdigen. Wir wollen aber auch
Schwächen und Mängel, Versäumnisse, Irrtümer und Abweichungen benennen. Die Erfolge
sind uns dabei nie in den Schoß gefallen. Sie mussten immer hart, entbehrungsreich und im
zähen Kampf errungen werden.
Heute sind wir weitaus wissender und klüger als vor zehn oder zwanzig Jahren. Nichts ist ein
für alle mal festgeschrieben, alles bewegt und entwickelt sich.
Das bisher in der Betrachtung der Geschichte der Grenztruppen und des Grenzregimes
Geschaffene stellen wir dabei keineswegs in Frage.
Es hat manchmal den Anschein, als ob unsere Diskussion, warum und wie wir unsere
Geschichte interpretieren, der Hauptgegenstand unserer Arbeit ist. Das stimmt
gewissermaßen.
Vor allem ist doch eines immer zu beachten: Wir dürfen den Gegner nicht außer acht lassen,
genauer gesagt, den Klassenfeind nicht aus der Visierlinie nehmen.
Zurück zum Gesprächskreis.
Die Debatte im Vorfeld zur Gründung des Gesprächskreises war von vielen Fragen zum
Anliegen und auch von Zweifeln und Bedenken geprägt. Doch letzten Endes stimmten alle
Anwesenden diesem Projekt zu und erklärten ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Zehn Genossen,
die nicht an der Veranstaltung am 3. September teilnehmen konnten, erklärten telefonisch
ihre Bereitschaft am Gesprächskreis künftig teilzunehmen.
Die Diskussion zum Tagesordnungspunkt 1. war konträr und sehr kritisch. Einige brachten
Vorbehalte und Bedenken zur Sprache. Wir hatten das auch nicht anders erwartet.
Die Quintessenz war schließlich: Alle Teilnehmer stimmten der Bildung des
Gesprächskreises zu. Das ist ein Erfolg, auf dem wir die künftige Arbeit aufbauen können.
Der erste Tagesordnungspunkt benötigte viel Zeit. Deshalb mussten wir den zweiten
Tagesordnungspunkt zum Thema 13. August 1961, auf die nächste Veranstaltung
verschieben.
Zum Inhalt: Zwei Schwerpunkte kristallisierten sich aus der Debatte heraus:
Das war zum einen, haben wir eigentlich die Kompetenz, solch ein Vorhaben anzugehen,
Geschichte kritisch und auch selbstkritisch zu hinterfragen?
Zum anderen hörte man von verschiedenen Seiten immer wieder: Nur keine Fehlerdiskussion.
Zur Kompetenz nur so viel: Wir haben alle die Kompetenz uns zu diesen Fragen zu äußern.
Jeder hat seine persönliche Sicht auf das historische Geschehen, das muss erst einmal
akzeptiert werden.
Hans Bauer, unser Vorsitzender, unterstrich das in seinem Schlusswort ausdrücklich.
Der Vorstand der GRH stimmte dem Vorhaben der AG Grenze voll und ganz zu. Er brachte
seine Bereitschaft zum Ausdruck, auch weiterhin die Arbeit des Gesprächskreises aktiv zu
unterstützen.
Zur Fehlerdiskussion habe ich ja schon einiges gesagt.
In der Arbeitsgruppe Grenze werteten wir am 17. September und am 23. September diese
erste Beratung gründlich aus.
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Wie soll es nun weitergehen? Es wird ein wörtliches Protokoll geben. Das bekommen alle
Teilnehmer. Die AG Grenze schafft in der nächsten Zeit einen organisatorischen Rahmen.
Eine thematische Übersicht über für uns relevante zu diskutierende Fragen und Probleme
wird erarbeitet. Viele Vorschläge liegen dafür schon vor. Weitere erwarten wir auch aus dem
heutigen Teilnehmerkreis des 25. Grenzertreffens.
Im I. Quartal 2011 laden wir zu einem ersten Disput des Themas „Der 13. August 1961“ ein.
Da voraus zu sehen ist, dass wir dieses Thema in einer Beratung nicht bewältigen werden,
planen wir eine zweite Zusammenkunft im III. Quartal 2011.
Die Gesprächsrunden setzen sich je nach Thema und Interessen der Teilnehmer
unterschiedlich zusammen .
Nach der ersten Debatte eines historischen Themas wird der Teilnehmerkreis prüfen, was
sich für eine Veröffentlichung eignet, wer was schreibt und wo und wie wir es publizieren
können.
Das sind alles vorläufige Gedanken und Ideen. Vorschläge und Hinweise aus den TAG und
darüber hinaus von interessierten Genossen und Sympathisanten nimmt die AG jederzeit
entgegen.
Genossen, die bereit sind, im Gesprächskreis mitzuarbeiten, können sich bitte auch bei der
Arbeitsgruppe Grenze melden.
Die nachfolgenden Beiträge wurden zu Protokoll gegeben:
Frithjof Banisch
Ich habe ums Wort gebeten, weil mich besonders im zurückliegenden Jahr öffentlich
gemachte Beiträge von Grenzern im Zusammenhang mit unserer gemeinsamen Dienstzeit
beunruhigen. Hier und heute ist nicht die Zeit, sich mit einzelnen dieser Beiträge und der
daraus entstandenen Diskussion unter Grenzern auseinander zu setzen, obwohl das eigentlich
dringend nötig wäre! Außerdem muß ich annehmen, dass die meisten Anwesenden die
konkreten Inhalte der stattfindenden Diskussion noch nicht kennen.
Ich finde das bedauerlich, denn diese Inhalte betreffen irgendwie uns alle, vom General bis zu
Zivilbeschäftigten, es geht letztlich um unsere Biographien.
In Anbetracht der seit 20 Jahren in Politik und Medien Deutschlands dauerpräsenten Beiträge,
Dokumentationen und Filme zur Staatsgrenze der DDR im Kalten Krieg wird jede
Wortmeldung von Grenzern anderen Orts gierig registriert und wenn brauchbar, auch benutzt.
Denen, die das tun, geht es nicht um Sachkenntnisse sondern um das Sammeln von
Beispielen, die man für die weitere Diffamierung und Kriminalisierung unseres Berufsstandes
verwenden kann.
Die das tun, wie übrigens auch die hier offiziell und nicht offiziell Anwesenden mit Kamera,
Tonaufzeichner oder Stift machen das nicht, weil sie böse Menschen sind! Nein! Das sind,
von Ausnahmen abgesehen, einfache Handwerker. Die müssen ein Produkt herstellen, für das
es einen Markt gibt, um davon zu leben! Auf diesem Markt müssen sie ihr Produkt verkaufen
und was gekauft wird, bestimmt der, der das Geld hat. Und in diesem und im nächsten Jahr
gibt es besonders viel Geld für unser Thema auf dem Markt, weil Jahrestage anstanden und
anstehen. Also wird gesammelt, geschnitten, getrickst, falsch zitiert, bis das Produkt den
Bedürfnissen des Marktes entspricht. Das dabei ab und an Vertreter dieser Berufsstände ihre
Überzeugungen gleich mit verkaufen, liegt auf der Hand, ist aber nicht unser Problem.
Unser scheinbares Problem in diesem Zusammenhang liegt in der Fragestellung, äußere ich
mich öffentlich oder äußere ich mich nicht? Diese Frage stellt sich immer wieder neu.
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Übrigens ist auch ein im Internet zu findender Beitrag eine öffentliche Äußerung. Wer
schweigt, kann keine Fehler machen. Das ist aber nicht die Lösung. Dann ginge die
Verfälschung unserer Geschichte unwidersprochen weiter. Irgendeinen Leichtgläubigen oder
Wichtigtuer oder Charakterlumpen findet der eben benannte Berufsstand immer, um einen
„Experten“ zu zitieren. Schabowskis gibt es mittlerweile leider genug.
Unser Problem ist also vielmehr die Fragestellung: Wann, wo und wie setzen sich Grenzer
mit ihrer eigenen Geschichte öffentlich auseinander und was ist dabei unabhängig vom
gewählten Thema zu bedenken?
Eine grundsätzliche Antwort gab Generaloberst Streletz auf dem letzten Grenzertreffen mit
der Feststellung: „Ich bin bestrebt, bei meinen Auftritten nach Möglichkeit mich nur zu den
Fragen zu äußern, die ich persönlich erlebt habe, an denen ich persönlich mitgearbeitet habe,
bzw. die ich aufgrund meiner drei militärischen Funktionen sach- und fachbezogen
einschätzen kann.“ Damit verweist Genosse Streletz in der ihm eigenen klaren Sprache auf
die eigene Verantwortung, die der, der sich zu unserer Geschichte öffentlich äußert
automatisch übernimmt – ob er das will oder nicht!
Da ist kein Platz für Selbstdarstellung, für Befriedigung von Eitelkeiten, das Begleichen
vermeintlicher alter Rechnungen oder gar für Spekulationen, wie richtig doch dies oder jenes
gewesen wäre, wenn man demjenigen nur basisdemokratisch zugehört hätte. Wir waren ein
Truppenkörper und kein Freidenkerverein.
Im zurückliegenden Jahr findet man im Rahmen der GRH eine ganze Anzahl von öffentlichen
Wortmeldungen von Grenzern zu unserer Geschichte, darunter auch sehr, und jetzt will ich
höflich bleiben, kritische Positionen. Eine Vielzahl von Gegenreaktionen dazu gelangten
leider, wie eingangs schon festgestellt, kaum an die Öffentlichkeit. Über die Gründe möchte
ich hier nicht spekulieren. Scheinbar gehen die Thesen besonders von den Genossen
Ziegenbein und Liebig mit einer Aussage von Egon Krenz aus dessen Vortrag bei unserem
letzten Treffen konform.
Ich zitiere: „Wenn wir wollen, dass unsere Enkel es einmal besser ausfechten als wir, dann
müssen sie von uns erfahren, was wir gut gemacht haben, aber auch, was uns nicht gelungen
ist und warum.“
Stellen wir diese Worte jedoch zurück in den Zusammenhang der Ausführungen von Egon
Krenz, so erkennen wir die politische Dimension des von ihm Gesagten.
Seit Carl von Clausewitz es formulierte, gehört die Erkenntnis „Die Politik hat das Primat
gegenüber dem Militär“ zum Einmaleins militärischen Wissens. Wer also Entwicklungen in
den Grenztruppen und Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze der DDR kritisch bewertet,
ohne vorher die konkreten politischen, ökonomischen, völkerrechtlichen und juristischen
national-staatlichen und koalitionären Gegebenheiten zu beachten, aus denen die politischen
Vorgaben für den Schutz der Staatsgrenzen erwuchsen, geht in seinem Urteil zwangsläufig
fehl. Aber genau die Missachtung dieser Tatsache finden wir immer wieder in der bisherigen
Diskussion (Beispiel: letzte Reorganisation).
In den unterschiedlichen Entwicklungsetappen unserer Truppe waren immer Widersprüche zu
lösen. Diese Widersprüche ergaben sich aus der von der Politik bestimmten Aufgabenstellung
einerseits und den Problemen in der Umsetzung im jeweilig konkreten Zeitraum anderseits.
Und natürlich gab es individuelle Fehlentscheidungen, über die man heute trefflich
philosophieren kann. Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer und der Blickwinkel des
Einzelnen bestimmt dessen Urteil! Wir sind aber verpflichtet, historisch konkret zu bleiben!
Also wäre es für uns alle eine große Hilfe in der Auseinandersetzung, wenn wir auf gesicherte
Fakten zu den Entwicklungsetappen zugreifen könnten. General Hans Deim hat in „Die
Grenzen der DDR“ bereits eine solide Vorarbeit geleistet. Auch die jetzt erschienene
Niederschrift von Oberstleutnant Fromm gibt gute Anhalte.
Die IGRA, besonders Oberstleutnant Potstawa, ist zur Zeit dabei, dies mit weiteren Fakten zu
untersetzen. Dabei geht es nicht um Geschichtsschreibung, sondern um Zuordnung von
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Dokumenten zu den einzelnen Entwicklungsetappen der Grenztruppen mit dem Ziel, zur
Geschichte beweisbar argumentieren zu können.
Gestattet mir ein paar Gedanken über die Klarheit von Begriffen.
Nur eindeutige Begriffe verhindern Missverständnisse. Und wir hatten klare Begriffe für
klare Sachverhalte. Wer in der Diskussion allerdings unsere Fachsprache, die aus gutem
Grund auf Dienstvorschriften fußte, mit dem Sprachgebrauch der einstigen Bürgerbewegung
oder der Beliebigkeit der heutigen Politiksprache vermauschelt, der muß in seinen
Ausführungen mißverstanden werden und darf sich über harte Reaktionen nicht beschweren
(Beispiele: Schutz der Staatsgrenze, Grenzsicherung, Grenzdienst; Grenze, Staatsgrenze,
innerdeutsche Grenze). Bereits im Herbst 1989 haben sogenannte oppositionelle SEDMitglieder wie die Gebrüder Brie, Bisky, Markus Wolff, Gysi und andere
Begriffsverwirrungen geschaffen, um zu verschleiern, dass sie geistig bereits im Kapitalismus
angekommen waren. Vergessen werden dürfen hier nicht Leute der Militärakademie
„Friedrich Engels“ mit Prof. Scheeler an der Spitze.
Mehr noch, wer bei seinen Kommentaren zu unserer Geschichte nicht von Positionen des
Dialektischen und Historischen Materialismus ausgeht, landet für mich zwangsläufig auf der
anderen Seite! Das trifft besonders für Grenzer zu, die einer Neubeschreibung unserer
Geschichte den Mund reden.
Zitat: „Die Zeit ist gekommen – nach Beendigung der juristischen Verfolgung von
Angehörigen der Grenztruppen der DDR- uns von einem bisher vorgetragenen Geschichtsbild
frei zu machen, das von Militärs wie Kessler, Streletz, Baumgarten, Peter Freitag, um nur
einige zu nennen – geprägt wurde.“
Angesichts solcher Sprüche ist es wohl an der Zeit, daran zu erinnern, dass wir alle zu den
Verlierern der Systemauseinandersetzung zählen und seit 20 Jahren erst die vermeintlichen
Sieger und dann sehr schnell die tatsächlichen Sieger die Geschichte umzuschreiben bemüht
sind.
Was uns persönlich betrifft so geschah das in den Gerichtssälen und wir, die wir dort standen,
haben widersprochen. Heute läuft Geschichtsumschreibung und damit Interpretation durch
die Verunglimpfung unseres Dienstes auf allen gesellschaftlichen Ebenen letztlich mit dem
Ziel der Delegitimierung der DDR.
Aber wir haben bereits Geschichte geschrieben in den Jahren unseres Dienstes zum Schutz
der Staatsgrenze der DDR und zwar gemeinsam, auch mit den oben genannten Genossen. Die
Fakten sind dokumentiert. Wir haben beigetragen zur längsten Friedensperiode in Europa,
trotz aller Fehler und Mängel. Diese Periode war bekanntlich mit den auch von Deutschen
geführten Jugoslawien-Krieg zu Ende. Die Grenztruppen der DDR gibt es nicht mehr, weil
eine sozial-ökonomische Gesellschaftsordnung sich unter ganz konkreten Bedingungen nicht
gegen eine Konkurrierende durchsetzen konnte. Zu hinterfragen ist, warum sie unterging.
Diese Frage bewegt uns alle brennend. Das ist keine militärische, sondern zuerst eine
politische Frage! Aber ich bin überfordert angesichts der Komplexität der dabei zu
untersuchenden Fragestellungen! Eines allerdings weiß ich mit Sicherheit, ohne ein der
jeweiligen Lage entsprechendes strukturiertes, bewaffnetes, in Einzelleitung geführtes und
sichergestelltes Organ für die Grenzsicherung hätte unsere gesellschaftliche Ordnung schon
früher den Geist aufgegeben. Das ist für mich bestimmend! Eben deshalb werden wir so
scharf angegriffen! Wenn mir angesichts meines hier benannten Standpunktes nun irgendwer
vorhält, ich sei ein Betonkopf und lebe rückwärts gewandt, so ist das eine Diffamierung und
dient als Totschlagsargument. Im Dienst und auch danach habe ich anderes bewiesen, bei all
den Fehlern, die auch ich gemacht habe!
Wenn die Zeit reif ist, werden Historiker und Gesellschaftswissenschaftler sich zu Antworten
in der Geschichte durchgearbeitet haben und abgeklärt und ohne voraus eilenden Gehorsam
die Grenztruppen der DDR und ihr Tun bewerten. Dann werden auch die Dokumente der
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Bonner Republik freigegeben und die Bilder noch klarer sein. Bis dahin gibt es für mich zu
dem Thema auch Tabus aus verständlichen Gründen, denn immer neu stellt sich die Frage:
Wem dient welche Äußerung?
Noch einmal: Ich habe kein Interesse daran, der gegenwärtigen Geschichtsverdrehung Futter
zu liefern. Und ich wende mich gegen jeden, der solches Futter liefert, ob er nun aus der
eigenen Truppe kommt, oder von der anderen Seite. Wie schwer es ist, seinen Standpunkt
verantwortungsvoll zu äußern und was daraus gemacht wird, werden wir ab 7. November in
den Sendungen von Herrn Broder in der ARD erleben.
Ich bin fest davon überzeugt, dass vor uns als Grenzer heute wichtige Aufgaben stehen:
Wir haben unsere kameradschaftlichen und solidarischen Beziehungen zu pflegen, wo auch
immer das stattfinden kann. Und wir sollten uns über die vielen Formen kameradschaftlichen
Zusammenseins freuen und sie unterstützen. Nur so kann Solidarität leben und der Eine oder
Andere jetzt abseits Stehende zu uns finden. Jeder von uns sollte beherzt dort Position
beziehen, wo seine eigene Grenzerbiographie verunglimpft wird. Wenn man unsicher ist,
kann man sich in der Argumentation ja mit Fakten helfen lassen – nicht zuletzt gibt es dafür
die IGRA.
Wir sind keine Historiker aber wichtige Zeitzeugen. Unsere Erinnerungen und geistigen
Nachlässe sind subjektiv gefärbt, aber wichtig, denn sie unterlegen die Dokumente in den
Archiven mit Leben und verdeutlichen auch die natürlich vorhandenen gewesenen
Widersprüche und Konflikte. Die IGRA wartet auf eure Beiträge.
Ein Gesprächskreis zu ausgewählten Abschnitten unserer Geschichte bei der Arbeitsgruppe
Grenze ist sicher sinnvoll, vorausgesetzt, das Ziel wird klar definiert und der Kreis ernennt
sich nicht selbst zum Historikerkreis der Grenztruppen. Das steht ihm nicht zu! Warum? Das
habe ich zu begründen versucht.
Abschließend bedanke ich mich bei der GRH und somit besonders bei der Arbeitsgruppe
Grenze für die Arbeit in Vorbereitung des heutigen Treffens, und bei euch bedanke ich mich,
für die entgegengebrachte Aufmerksamkeit.
Prof. Dr. Wilfried Hanisch
Liebe Kameraden, Genossen und Freunde,
aus gesundheitlichen Gründen bin ich derzeit leider verhindert, am Herbsttreffen 2010
teilzunehmen. Das bedaure ich sehr, zumal mein Fachkollege Prof. Dr. Siegfried Prokop dort
zu einem Thema spricht, mit dem ich mich ebenfalls mehrfach intensiver beschäftigt habe,
und zu dem ich von zwei Randerlebnissen kurz etwas bemerken möchte.
Erstens: Es ist in diesem Kreise sicher unbestritten, dass die Ereignisse vom 13. August 1961
viel zu wenig in ihrer internationalen Verankerung betrachtet werden – nach Lesart des
„Zeitgeistes“ waren sie ein Werk von Ulbricht.
Eigenartigerweise kommt dabei kaum jemand auf die Idee, das rein sachlich allein schon aus
dem Kräfteverhältnis zu überprüfen, es für die USA und die übrigen Westmächte doch ein
leichtes gewesen wäre, schon die Anfänge der Sicherungsmaßnahmen zu stoppen. Natürlich
waren Partei und Regierung, aber auch nicht geringe Teile der arbeitenden Bevölkerung daran
interessiert, das „Ausbluten“ der DDR über die offene Grenze zu Berlin (West) zu beenden.
Aber unter den damaligen Bedingungen des Kalten Krieges hätten die dahinterstehenden
Krisenpotentiale bei ihrer möglichen Zuspitzung, selbst nach Überlegungen von USA-
50
Politikern - Unruhen in der DDR, Bundeswehr kommt „zu Hilfe“ – über die
Koalitionsmechanismen zu „den fatalen Schüssen des III. Weltkrieges“ führen können.
Deshalb waren beide Seiten der führenden Westmächte an einer Lösung interessiert, die
künftige Zuspitzungen möglichst ausschloß und bei der beide Seiten „ihr Gesicht“ wahren
konnten.
Aber selbst das Finden und Durchsetzen eines solchen Kompromisses war offensichtlich
nicht leicht und keineswegs mit der Abwiegelung Westberlins abgeschlossen. Warum geht
eigentlich kaum jemand noch der in der damaligen Presse nachzulesenden Linie nach, dass
das nach damaliger sowjetischer und DDR-Sicht nur der „erste Schlag“ sein sollte und durch
die Umwandlung Westberlins in eine „Freie Stadt“ über einen Friedensvertrag – notfalls auch
allein mit der DDR – ursprünglich die eigentlich dauerhafte Lösung noch folgen sollte?
Wie akut das noch nach den ersten Sicherungsmaßnahmen 1961 geblieben war, kann ich
durch ein eigenes Erlebnis unterstreichen. Ich war damals Geschichtslehrer an der
Parteischule der Deutschen Grenzpolizei in Weimar. Und dort wurde ich ab 18. September
1961 mit drei weiteren Lehrern dieser Schule ohne jede nähere Erläuterung zum Kommando
der Deutschen Grenzpolizei – inzwischen seit dem 15. September 1961 „Kommando Grenze“
der NVA – nach Pätz kommandiert. Mit noch einigen anderen Offizieren wurden wir in
einem Ferienheim der Reichsbahn bei Groß Köris untergebracht, um dort unter Leitung eines
Stabsoffiziers des Kommandos ein Grundsatzreferat zu einem Thema zu erarbeiten, das sich
mit den Konsequenzen allgemein und speziell für die Grenzsicherung nach einer derartigen
Umwandlung Westberlins zu beschäftigen hatte. Die jeweils frühmorgens im Kommando
stattfindenden Einweisungen waren so geheim, das daran nur der uns vorgesetzte
Stabsoffizier teilnehmen durfte. Uns als eigentliche Referat-Ausarbeiter sollte er nur gefilterte
Teilinformationen für den jeweiligen Schwerpunkt geben. Ihr könnt euch sicher vorstellen,
wie produktiv solche Arbeitsweise war, zumal die eigentlich konkreten Fakten später noch
eingefügt werden sollten.
Am 23. September 1961 wurde diese Kommandierung - so ominös, wie sie begonnen hatte –
beendet. Wir sollten uns jedoch für weitere Eventualitäten in unseren Dienststellen bereit
halten.
Es bleibt natürlich die Frage danach, was in diesen Tagen durch wen und wie entschieden
worden ist, sind Akten dazu jetzt zugänglich?
Kurz noch zu einem zweiten Problem: Auch die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen
vom 13. August 1961 war ursprünglich anders geplant – offensichtlich nicht nur unter
Führung, sondern auch unter Vorrang sowjetischer Streitkräfte vorn an der Grenze. Als ich
gegen Mitte der 60er Jahre im Militärgeschichtlichen Institut den Auftrag erhielt, die Zuarbeit
über die konkreten Aktivitäten der Grenz- und Bereitschaftspolizei bei den
Grenzsicherungsmaßnahmen vom 13. August 1961 anzuleiten (unter unmittelbarer Führung
des Ministers Hoffmann war eine GVS-Studie über den Einsatz nur der NVA erarbeitet und
der Parteiführung vorgelegt worden, was natürlich den Protest vor allem durch
Grenztruppenchef Peter ausgelöst hatte, woraus die Weisung für eine solche Zuarbeit
erwuchs) führte mich Oberstleutnant Grundmann im Ministerium des Innern zu einem
Dienstzimmer mit den Worten, hier sitze sonst der Offizier, der sagen könne, wie die
Sicherungsmaßnahmen ursprünglich geplant waren. Abgesehen davon, dass dieser zur Zeit
abwesend sei, würde er mir auch nicht sagen, denn er habe dafür höchste
Geheimhaltungsverpflichtung.
So viel erfuhr ich Anfang August 1961: Das MdI sollte kurzfristig einen Offizier zum
Sowjetischen Oberkommando schicken, der perfekt die russische Sprache und das
Abzeichnen von militärischen Entschlusskarten beherrschte. Das war damals im MdI
schwierig zu realisieren. Dieser schließlich gefundene Offizier habe ca. eine Woche aus
sowjetischen Karten Dislozierungen für die Grenzpolizei und andere Polizeikräfte
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abgezeichnet. Dann habe man ihn angewiesen, alles liegen zu lassen, es habe sich geändert
und er solle über das Gesehene schweigen.
Nach meiner Meinung hat man wohl – ebenfalls zur Minderung der Gefahren für eine
nichtgewollte internationale Zuspitzung – den Einsatz von Grenz- und Bereitschaftspolizei
und von Kampfgruppen vorn an der Grenze, gefolgt von NVA-Einheiten ca. 1.000 m
dahinter, für günstiger gefunden, um die Großmächte generell herauszuhalten. Bekanntlich
hat das so auch funktioniert. Vielleicht wird der Anteil der DDR-Grenzsicherungskräfte unter
diesem Aspekt, das heißt für das Gelingen eines letztlich entspannungsfördernden
Kompromisses der Großmächte einmal Eingang in spätere Geschichtsbücher finden. Es wäre
zu wünschen!
Klaus Eichner
Die Osterweiterung einer Jagdbehörde
Parallel zur Osterweiterung der Europäischen Union und der NATO bis an die Grenzen
Russlands erfolgte von der Öffentlichkeit weniger bemerkt die Osterweiterung einer dubiosen
Behörde, die sich die Jagd auf alle Funktionsträger des sozialistischen Systems in den
osteuropäischen Staaten und darüber hinaus weltweit auf ihre Fahnen geschrieben hat.
Offiziell hat diese Osterweiterung die Bezeichnung
„Europäisches Netzwerk der für die Geheimpolizeiakten zuständigen Behörden“
und wurde im Dezember 2008 in Berlin gegründet.
Die Birthler-Behörde
Die Bürger der DDR haben die dafür verantwortliche Behörde seit 1991 in ihrem unseligen
Wirken gegen die hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für
Staatssicherheit der DDR unter dem Namen ihres früheren Chefs, Pastor Joachim Gauck und
der heutigen Chefin, Katechetin Marianne Birthler kennen gelernt.
Mit gezielten Veröffentlichungen von dubiosen – d.h. unvollständigen oder willkürlich
zusammengestellten - Akten oder Zusammenstellung von angeblichen Akten über
Mitarbeiter der Sicherheitsorgane wurden in Tausenden von Fällen Berufsverbote ausgelöst,
linke politische Gegner mit öffentlichen Kampagnen diskriminiert oder auch juristische
Untersuchungen ausgelöst.
Damit hat die Gauck-/Birthler-Behörde einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass auch
heute noch Unfrieden in Deutschland herrscht, die so hoch gelobte „Einheit Deutschlands“
auch nach 20 Jahren nicht vollendet werden konnte – nicht vollendet werden wird.
Internationale Aktivitäten
Mit der Amtsübernahme durch Marianne Birthler forcierte diese zahlreiche Aktivitäten zur
Erhöhung des internationalen Einflusses ihrer Behörde.
Seit Jahren kämpft die „Bundesbeauftragte“ darum, ihren Führungsanspruch bei der
international organisierten und vernetzten Jagd nach hauptamtlichen und inoffiziellen
Mitarbeitern der Sicherheitsorgane der früheren sozialistischen Länder durchzusetzen.
Ihre Ansprüche gehen weit darüber hinaus. Sie kämpft um Zugang zu Geheimdienstakten im
Irak, sucht Kontakte bis nach Mittel- und Südamerika und zu vielen anderen Institutionen, die
sich mit der Aufarbeitung der Geschichte ihrer Länder oder Regionen beschäftigen.
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Wie speziell in Deutschland kämpft die Behörde darum, mit ihren Thesen bestimmenden
Einfluss auf die Geschichtsschreibung – und was noch viel schlimmer ist, auf die Vermittlung
des Geschichtsbildes für die junge Generation zu nehmen.
Politische Grundlagen für eine europäische Erinnerungspolitik unter dem Dach der
Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus wurden u.a. mit der Gründung eines
„Europäischen Netzwerkes Erinnerung und Solidarität“ Anfang 2005 geschaffen. Eine
entsprechende Gründungsvereinbarung unterzeichneten die Kulturminister Polens, der
Slowakei, Ungarns und Deutschlands.
Antikommunistischer Feldzug im Zeichen von NATO und EU
Dieser antikommunistische Feldzug wurde unter dem Motto einer „Dekommunisierung“ oder
„Entbolschewisierung“ in Form eines Austausches der Eliten der jeweiligen Länder
vorangetrieben und von den neuen politischen Eliten maßgeblich getragen. In einigen
osteuropäischen Ländern erhielten die Prozesse zur Säuberung der Verantwortungsträger
dieser Länder von allen sozialistisch/kommunistisch orientierten Personen die Bezeichnung
„Lustration“ (Durchleuchtung).
Im Vordergrund standen dabei generell die Vorwürfe einer Tätigkeit in oder mit den
Sicherheitsorganen der jeweiligen Länder oder vielfach auch einer Zusammenarbeit mit den
sowjetischen Geheimdiensten.
Eine deutliche Verschärfung dieser „Säuberungsprozesse“ war mit den Vorbereitungen der
genannten Staaten auf ihren Beitritt zur EU und vor allem zur NATO verbunden. Die
jeweiligen Gesellschaften und ihr neuer Sicherheitsapparat sollten „kommunistenfrei“,
„entsowjetisiert“ und somit gesäubert von bestehenden oder potentiellen „alten Seilschaften“
an die NATO angegliedert werden. Nur auf diesem Weg konnte ihnen von der NATO eine –
wenn auch eingeschränkte – „Zuverlässigkeit“ bescheinigt werden. Jede neue „Affäre“ der
Aufdeckung einer geheimdienstlichen Zusammenarbeit (natürlich nur mit östlichen
Geheimdiensten) führte sofort zur Drohung der Unterbrechung des Zugangs zu
Geheiminformationen der NATO-Strukturen - und das bedeutete für die herrschenden Eliten
ein Desaster!
In den osteuropäischen Ländern verlief der Austausch der Eliten nicht ohne Widersprüche
und Konflikte. Im Prinzip mussten die Funktionen auf allen Ebenen mit dem vorhandenen
Personal entsprechend ihrer Qualifikation besetzt werden. Es standen nur wenige Kader aus
der antisozialistischen Emigration für Führungsaufgaben zur Verfügung. Bestimmte
Strukturen, z.B. der Nachrichten- und Sicherheitsdienste brauchten auch den Rückgriff auf
die bisher angelegten Akten.
Für Ostdeutschland war die Lage etwas anders. Hier stand genügend westdeutsches Personal
der zweiten und dritten Garnitur bereit, um die Eliten der DDR zu ersetzten. Bei den
Geheimdiensten war es kein Problem, sie konnten ihre Außenstellen nach Ostdeutschland
erweitern. Umso erbarmungsloser der Kampf mit den Akten!
Eine öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Aktivitäten ist auch für uns in der GRH –
einschließlich unserer internationalen Partner – ein Beitrag zur Darstellung der historischen
Wahrheit.
Polen
Nirgendwo wurden gesetzliche Regelungen und Diskussionen über die „Durchleuchtung“ so
für den vordergründigen Machtmissbrauch, für die öffentliche Diskreditierung politischer
Gegner missbraucht, wie das in Polen seit 1989 geschah und heute noch geschieht.
Im Zusammenhang mit den Bemühungen Polens um Mitgliedschaft in der NATO waren
insbesondere in Polen die Herrschenden bestrebt, sich als „reingewaschen“ von allen
kommunistischen Überbleibseln zu präsentieren.
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Partner der Birthler-Behörde in Polen ist das
„Institut für Nationales Gedenken – Kommission zur Strafverfolgung von Verbrechen gegen
das Polnische Volk“ - (Instytut Pamieci Narodowej - IPN)
1999 wurde eine Novelle des Lustrationsgesetzes vom Sejm endgültig verabschiedet und die
Schaffung des „Instituts des nationalen Gedenkens – IPN“ beschlossen. Das Institut soll die
Geheimdienstakten verwalten und Bürgern, die sich überwacht fühlten, Einblick in diese
Akten gewähren. Das IPN nahm im Jahre 2000 seine Arbeit auf und hat jetzt Filialen in elf
Städten.
Für das Jahr 2001 hatte man für das IPN eine Mitarbeiterzahl von 1.000 Personen, darunter
150 Staatsanwälte und ein Budget von 15 Millionen DM anvisiert. Die Aktenbestände
wurden mit 97 Kilometern angegeben. Dem IPN ist eine Sonder-Staatsanwaltschaft direkt
angeschlossen. Das Institut soll von Anfang an auch „Jugend-Bildungsarbeit“ leisten.
2008 beschäftigte das IPN 2065 Mitarbeiter, darunter 135 Staatsanwälte und ist mit einem
Haushalt von 80 Millionen Euro ausgestattet.
Nach Schätzungen des IPN sind bis zu 700.000 Menschen von der „Durchleuchtung“
betroffen.
Einer der nachdrücklichen Befürworter der Aktenöffnung war der in den USA lebende
langjährige Direktor der polnischen Sektion von Radio Free Europe, Jan Nowak-Jezioranski.
Aus dem Institut geht die Mehrheit von Medienvertretern und Historikern hervor, die auf
streng antikommunistischer Grundlage die Geschichte der Volksrepublik Polen „bewerten“.
Besonders unter der Herrschaft der Gebrüder Kaczynski kam es zu einer beispiellosen Welle
des Antikommunismus in Polen, von vielen Beobachtern mit dem McCarthyismus in den
USA verglichen. Jeder positive Bezug auf linke, liberale Traditionen in der polnischen
Geschichte soll ausgelöscht werden, in Bildung und Lehre, bei Denkmälern und
Straßennamen.
In einer öffentlichen Debatte kündigte der bisherige Leiter des IPN, Janusz Kurtyka (beim
Flugzeugunfall in diesem Jahr bei Swerdlowsk mit umgekommen), an, demnächst werde das
Institut Listen über sämtliche Mitarbeiter der „kommunistischen Dienste“, bis zu untersten
Dienstgraden und technischen Mitarbeitern, veröffentlichen.
Die genannten und weitere Aktivitäten passen in die Wertung des Ministerpräsidenten
Jaroslaw Kaczynski: „Der Sozialismus war eben eine Gesellschaftsordnung vom Pack für das
Pack.“
Tschechische Republik
Die Auseinandersetzungen über die Geschichte der Tschechoslowakei waren von Anfang an
politisch instrumentalisiert und Knackpunkte der politischen Polarisierung.
1993 verabschiedete das Parlament ein Gesetz über den verbrecherischen Charakter des
kommunistischen Regimes und die Legitimität des Widerstandes gegen das Regime – eine
Grundlage der Rehabilitierung aller politischen Straftäter.
Parallel dazu wurde die Verjährungsfrist für „Verbrechen in der Zeit der kommunistischen
Diktatur“ aufgehoben und der Weg frei gemacht für die unbegrenzte Strafverfolgung von
Verantwortlichen in der CSSR.
Im Frühjahr 2002 wurde ein neues Gesetz über die Offenlegung der Akten des
Sicherheitsdienstes unterzeichnet, mit dem die Rechte der Bürger auf Einsicht in die Akten
erweitert wurden.
2002 veröffentlichte das Innenministerium Verzeichnisse mit den Namen von 75.000 StBAngehörigen. Jeder Bürger hat nun fast unbegrenzten Zugang zu den StB-Akten, auch wenn
diese sich nur über „andere Bürger informieren wollen“. Es kam zu vielen Fällen öffentlicher
Denunziation, da die Unterlagen unkommentiert veröffentlicht und die Beurteilung des
Wahrheitsgehaltes dem Leser überlassen wurden. Dagegen gab es Proteste auch von
Historikern und früheren Dissidenten.
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Von 1991 bis 2002 stellte das Innenministerium 365.000 „Lustrationszeugnisse“ aus; drei
Prozent der überprüften Personen wurde der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt.
Ausgeschlossen aus dem öffentlichen Dienst (einschließlich der zentralen Medien) waren
höhere und mittlere KP-Funktionäre, Mitarbeiter des StB, Mitglieder der Volksmilizen – alle
ohne Nachweis einer persönlichen Schuld.
1995 kam es zur Bildung des „Amt für die Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen
des Kommunismus“ (UDV). Erster Leiter wurde Vaclav Benda – ein Unterzeichner der
Charta77.
Das UDV entstand aus der Zusammenlegung von zwei Behörden: der Behörde für
Dokumentation und Untersuchung der Aktivitäten der Staatssicherheit im Innenministerium
und des Dokumentationszentrums Widerrechtlichkeit des kommunistischen Regimes im
Justizministerium und hat deren Vollmachten, u.a. auch zur Strafverfolgung übernommen.
Durch das UDV wurden bis 2005 Unterlagen für 190 Strafverfahren bereitgestellt, 29
Personen wurden verurteilt, in 54 Fällen wurden die Verfahren eingestellt.
Am 1. August 2007 trat das Gesetz über das „Institut zur Erforschung totalitärer Regime“
(ustav pro studium totalitnich rezimu – USTR) in Kraft. Das USTR wurde als
Nachfolgeorganisation des UDV unter Leitung von Pavel Zacek in Prag gegründet und soll
einen Personalbestand von 250 Mitarbeitern umfassen. Ein Bestandteil des Instituts ist das
„Archiv der Tschechischen Sicherheitsdienste (ABS)“ (www.abscr.cz). Es hat einen
Aktenbestand von rund 19 Kilometern. Dazu wurden weiterhin die Archivmaterialien des
Nachrichtendienstes des Generalstabes der tschechoslowakischen Volksarmee und des
Militärischen Abwehrdienstes übernommen. Institut und Archiv haben einen Personalbestand
von rund 250 Mitarbeitern.
Das „Amt für die Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus“
(UDV) existiert weiter, seine Kompetenzen sind auf die polizeiliche Untersuchungen
begrenzt. Seine bisherige Sektion für Dokumentation hat das USTR übernommen.
Die Aktivitäten des USTR gerieten weiterhin unter Kritik, vor allem in Kreisen früherer
Dissidenten. In Petitionen, die auch Havel unterzeichnet hatte, wurde dem USTR
vorgeworfen, die gemeinsame Geschichte nur auf der Grundlage von StB-Dokumenten zu
bewerten. Der linke Publizist und ehemalige trotzkistische Dissident Petr Uhl warf dem
Verfassungsgericht vor, eine Klage linker Abgeordneter auf Auflösung des Instituts abgelehnt
zu haben. Er verwies auf andere Enthüllungen des USTR über vorgebliche Informanten in
Kreisen der tschechischen Opposition. Außerdem hätte das Institut Namen von Offizieren des
tschechischen Nachrichtendienstes veröffentlicht, die nach 1989 im Ausland bei Anti-TerrorOperationen eingesetzt waren und nun um ihr Leben fürchten mussten. Uhl plädierte für die
Ablösung des USTR-Leiters Pavel Zacek, die Schließung des Instituts und die Übergabe der
Aktenbestände an das Institut für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften.
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Grußadressen an die Teilnehmer des Herbsttreffens 2010
www.kommunistische standpunkte. de
Grußadresse an die Teilnehmer
des 25. Treffens der Angehörigen der Grenztruppen der DDR
am 30.Oktober 2010 in Berlin
Unter dieser Adresse betreiben wir eine Webseite im Internet. Das Anliegen dieser
Seite ist es, unsere Standpunkte zur kommunistischen Theorie und Praxis marxistisch-leninistisch fundiert - darzustellen.
Wir wenden uns an alle Kommunisten, Sozialisten und im weitesten Sinne
antifaschistisch, demokratisch und humanistisch gesinnte Bürger, an Männer und
Frauen, an Junge und Alte, die für Frieden und soziale Gerechtigkeit und gegen
Demokratie- und Sozialabbau in Deutschland kämpfen.
Mit unseren Standpunkten wollen wir zur Mobilisierung und zur Stärkung aller
antikapitalistischen Kräfte beitragen. Insofern agieren wir für das Zustandekommen
und die Entwicklung der Aktionseinheit und der Bündnispolitik mit den politischen
Parteien der Arbeiterklasse sowie den gewerkschaftlichen Verbänden und weiterer
sozialer Vereinigungen von Lohnabhängigen.
Nicht zuletzt ist es unser Anliegen allen Lügen und Verleumdungen über die DDR
entgegenzutreten und die Wahrheit über unseren ersten Staat der Arbeiter und
Bauern auf deutschem Boden zu verbreiten.
Heute entbieten wir den ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen der DDR unsere
solidarischen Grüße zum traditionellen 25.Grenzertreffen am 30.Oktober 2010 in
Berlin.
Mit diesem kämpferischen Gruß verbinden wir unseren herzlichen Dank an alle
Angehörigen der Grenztruppen der DDR für ihren selbstlosen Einsatz zur Erhaltung
des Friedens und zum Schutze und zur Sicherung der Staatsgrenze unseres
Vaterlandes. Auch im Namen der ehemaligen Mitglieder der Kampfgruppen der
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Arbeiterklasse möchten wir Euch besonders dafür danken, daß Ihr Euer diesjähriges
Treffen unter das Motto „13.August 1961“ gestellt habt. Viele betrachten Euch als
Kampfgefährten und Waffenbrüder, mit denen sie in den Augusttagen 1961 als
Kämpfer in den steingrauen Uniformen der Kampfgruppen an der zuverlässigen
Sicherung der Grenzen der DDR mit Euch in einer Front standen und unseren
Klassenauftrag ehrenhaft erfüllten. Aus diesem Anlaß – dem bevorstehenden 50.
Jahrestages der Sicherung der Staatsgrenze der DDR - haben wir eine Bilderserie
über die Ausbildung und den Einsatz der Kampfgruppen auf unserer Internetseite
veröffentlicht. Diese Dokumentation stellen wir Euch auf der CD vor.
Mit den beiliegenden Auszügen
aus Veröffentlichungen und Briefen zur
Strafverfolgung von Angehörigen der Grenztruppen möchten wir einen Beitrag zu
schon vorhandenen Dokumentationen über das Unrecht gegen Bürger der DDR
leisten.
Allen ehemaligen Grenzern und ihren Familien entbieten wir unsere herzlichen
Grüße; für das persönliche Leben wünschen wir alles Gute und beste Gesundheit.
Dem 25. Treffen der Grenzer am 30. Oktober 2010 wünschen wir viel Erfolg und
weitere Impulse für die Verbreitung der Wahrheit über die Deutsche Demokratische
Republik.
Willi Opitz
Kurt Andrä
Günther Bandel
Gert Julius, Vorsitzenden des Bündnisses für Soziale Gerechtigkeit und
Menschenwürde (BüSGM)
Liebe Genossinnen, liebe Genossen,
ich bedanke mich recht herzlich für Eure Einladung zum heutigen Treffen der Gruppe Grenze
der GRH und übermittle Euch im Namen des Vorstandes des Bündnis für Soziale
Gerechtigkeit und Menschenwürde solidarische Kampfesgrüße.
Euer Treffen steht heute unter dem ;Motto“ Der 13. August 1961 – 50. Jahrestag der
Einführung eines Grenzregimes und Sicherung der Staatsgrenze der DDR.
Am 13. August 1961 war ich 25 Jahre alt. Ich will Euch schildern, wie ich auf westberliner
Seite die Grenzsicherung der DDR erlebt habe. Der Sportplatz des Sportvereins, in dem ich
Handball spielte, lag unmittelbar an der Staatsgrenze der DDR auf westberliner Seite am
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S-Bahnhof Wollankstraße. Die Mitgliedschaft des Vereins bestand zur Hälfte aus
Sportfreunden, die in der Hauptstadt der DDR zu Hause waren. An diesem Sonntag waren bei
uns in Westberlin Handballspiele ausgefallen, weil einige Mannschaften aufgrund der
Grenzsicherungsmaßnahme aus Personalmangel nicht antreten konnten. Die Grenzsicherung
hatte für uns die Folgen, dass wir von einem Tag auf den anderen viele gemeinsame Freunde
verloren hatten, die wir bis heute nicht wiedergesehen haben. Ich unterstelle, dass die
Mitglieder der grenznahen Vereine in der Hauptstadt der DDR ähnliche Probleme hatten.
Wir haben auch erlebt, dass die westberliner Medien zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen
gegen die DDR hetzten. Ich erinnere mich noch heute an die Überschriften in „Bild“ und
„BZ“ in der die Republikflucht gut ausgebildeter DDR-Bürger als Abstimmung mit den
Füßen für die sogenannte Freiheit des Westens proklamiert und die materiell besseren
Verhältnisse in Westberlin zum ideologischen Kampf gegen die DDR genutzt wurde. Wir
erinnern uns auch, dass es im III. Quartal 1961 zu einem sprunghaften Anstieg von
Abwerbungen und Fällen von Republikflucht aus der DDR kam.
Mir wurde nach und nach klar, dass sich die DDR vor terroristischen Angriffen der
Imperialisten schützen musste.
Wir erinnern noch gut, dass die Rede des USA-Präsidenten Harry Truman vor dem Kongress
am 12. März 1947 den Auftakt zur koordinierten Wühlarbeit gegen die sozialistischen Staaten
gegeben hatte. In New York wurde im Mai 1949 mit Hilfe der USA das antikommunistische
„Nationalkomitee für ein freies Europa“ gegründet.
Wir haben hautnah erlebt, dass für die Koordinierung der gegen die DDR gerichteten
Aktivitäten das Bundesministerium für „Gesamtdeutsche Fragen“ zuständig und dessen
Sprachrohr der Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) mit seinen Hetzparolen war. Die
Bonner Regierung resümierte später: „Es ging ihr darum, Maßnahmen zu ergreifen, um
den sowjetischen Herrschaftsbereich zu destabilisieren. Auch die psychologische
Kriegführung wurde intensiviert.“
Das Kontrollratsgesetz Nr. 32 wurde, genau wie heute internationale Konventionen, wie bei
Kapitalisten üblich, ignoriert. In der BRD tätige Politiker wie Lübke, Kiesinger, Globke u. a.,
die den Nazis aktiv gedient hatten, erhielten Spitzenfunktionen in der BRD und bereisten in
dieser Eigenschaft gesetzwidrig Westberlin. Parallel dazu wurde die Verfolgung der
Kommunisten in der BRD und das KPD-Verbot eingeleitet. Tausende Kommunisten wurden
angeklagt, von den Medien diskriminiert und ihnen durch politisch motivierte Urteile die
materielle Existenz entzogen
1952 unterbreitete die UDSSR das Angebot, „die Wiedervereinigung Deutschlands in den
damaligen Grenzen und aufgrund von 'freien Wahlen‘ zu akzeptieren, falls die
Bundesrepublik auf ein Bündnis mit dem Westen verzichten und sich mit einer rein
defensiven Armee begnügen würde.“ Die Ablehnung der BRD zeigte schon damals einmal
mehr die aggressive Ausrichtung der Politik.
Der Kalte Krieg wurde von der BRD-Seite aus mit allen Mitteln forciert. Am 9. Juli 1961
schrieb die „Bonner Rundschau“:
„Der Westen muss dazu in der Lage sein alle Mittel des Krieges, des Nervenkrieges, des
Schießkrieges anzuwenden. Dazu gehören nicht nur herkömmliche Streitkräfte und
Rüstungen, sondern auch die Unterwühlung, das Anheizen des inneren Widerstandes, die
Arbeit im Untergrund, die Zersetzung der Ordnung, die Sabotage, die Störung von Verkehr
und Wirtschaft, der Ungehorsam, der Aufruhr."
Damals wie heute wurde in den dem Kapitalismus willfährigen Medien eine regelrechte
Massenpsychose gegen die DDR geschürt.
Verstärker waren vermutlich zwei Vorgänge:
1. Die Ausdeutung der Worte Walter Ulbrichts, der am 15. Juli d. J. erklärte: „Niemand hat
die Absicht, eine Mauer zu errichten“, und
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2. der Beschluss der Regierung der DDR vom 4. August, alle Bürger, die in Westberlin einer
Beschäftigung nachgingen, zu registrieren.
Die herrschenden Kreise der Bundesrepublik und die Spionageorgane der NATO-Länder
benutzten die Verkehrslage an der Westberliner Grenze, um die Wirtschaft der DDR zu
unterhöhlen. Es gab auf der Erde keinen Ort, in dem so viele Spionage- und Wühlzentralen
fremder Staaten konzentriert waren und diese sich ungestraft betätigen konnten wie in
Westberlin.
Die DDR hat dazu beigetragen, dass in diesem Teil Deutschlands den Kapitalisten 40 Jahre
lang der Zugriff auf dass Eigentum an den Produktionsmitteln und am Grund und Boden
verwehrt wurde, dass die Faschisten keine Chance hatten und die Verfolgung von
Naziverbrecher fast Staatsdoktrin war. Die DDR hat vierzig Jahre lang keinen Krieg geführt
und an keiner Kriegshandlung teilgenommen. Diese Tatsachen allein waren Grund genug zur
Errichtung des Grenzsicherungssystems.
Lasst mich zum Abschluss noch ein paar Worte zum Rechtsstaat BRD sagen: Die politischen
Urteile der „Nachwendezeit“ gegen Verantwortungsträger der DDR ohne Rücksicht auf das
Rückwirkungsverbot der Gesetze der BRD und der Europäischen Menschenrechtskonvention
betrachten ist als reine Siegerjustiz zu betrachten. Dazu gehören auch die Verurteilungen von
DDR-Bürger wegen Rechtsbeugung, Wahlfälschung, sogenannter MfS-Straftaten,
Denunziationen, Misshandlungen, Amtsmissbrauch und Korruption, Wirtschaftsstraftaten,
Dopings und sonstigen Delikten. Bemerkenswert ist die hohe Zahl der Ermittlungsverfahren
von über 100 000 und die dagegen niedrige Zahl der Verurteilungen in 289 Fällen, in denen
abenteuerliche Rechtskonstruktionen bemüht wurden.
Obwohl die meisten Ermittlungsverfahren eingestellt und die meisten Angeklagten
freigesprochen wurden, mussten die über hunderttausend Beschuldigten lange unter dem
öffentlichen Verdacht leben, Straftäter zu sein. Die Verfahren liefen über Monate und Jahre.
Sie mussten Rechtsanwälte bemühen, Honorare zahlen und waren stigmatisiert. Ihr
wirtschaftlicher Ruin wurde vorsätzlich herbeigeführt. Die Familien mussten sich an den
Pranger gestellt sehen. Das ist keine Rechtsprechung, sondern Gesinnungsjustiz.
Die GRH, als Solidarorganisation war diesen Genossinnen und Genossen materielle und
moralische Hilfe, das verdient uneingeschränkte Anerkennung.
Lasst mich mit einem Zitat des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau schließen: „Wenn
nur die Sieger Geschichte schreiben, dann widerfährt den Verlierern selten Gerechtigkeit.“
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Impressum
Herausgeber:
Vorstand der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung
(GRH ) e.V.,
Mitglied des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden (OKV).
Vorsitzender: Rechtsanwalt Hans Bauer; Geschäftsführer: Dieter Stiebert
Geschäftsstelle des Vorstandes: Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin,
Tel./ Fax : 030/2978 4225
Internet: www.grh-ev.org & www.grenztruppen-der-ddr.org & www.sport-ddr-roeder.de
E-Mail: [email protected]
Öffnungszeiten der Geschäftsstelle: Dienstag & Donnerstag, jeweils 9.00 bis 16.00 Uhr
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Die „Informationen“ dienen der Unterrichtung der Mitglieder und Sympathisanten der
GRH e.V. und dürfen bei Behörden nicht als rechtsverbindliche Auskunft benutzt werden.
Spenden zur materiellen Unterstützung von Opfern der politischen Strafjustiz und zur Finanzierung weiterer humanitärer Tätigkeit der GRH e.V. werden erbeten auf das
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