Old Soul – New Toys: Drei Plug

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Old Soul – New Toys: Drei Plug
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Old Soul – New Toys:
Drei Plug-ins im Vergleich
Toontrack EZkeys Classic Electrics, XLN Addictive Keys Mark One,
AAS Lounge Lizard EP-4
Ein Fender Rhodes ist nicht nur schwer zu tragen, sondern auch schwer zu bekommen. Da passt es gut, dass die virtuellen
Klangsimulationen immer besser werden. Neben der neuen EP-4-Version des etablierten ASS Lounge Lizard haben nun
die beiden schwedischen Hersteller XLN Audio mit den Addictive Keys Mark One und Toontrack mit den EZkeys Classic
Electrics weitere Rhodes-Varianten ins Spiel gebracht, sodass sich ein Vergleich der drei Konkurrenten anbietet.
Autor: Wolfgang Wierzyk, Foto: Dieter Stork
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KEYBOARDS | 2.2013
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»DAS LOUNGE LIZARD
EP-4 KLINGT NOCH
EINMAL DEUTLICH
BESSER ALS DIE
VORVERSION EP-3«
www.
Klangbeispiele zum Artikel findest du
auf www.keyboards.de
Drei E-Pianos – drei Konzepte
Obwohl alle drei Kandidaten das Fender
Rhodes akustisch abbilden, verfolgen die
Hersteller unterschiedliche Konzepte: Das
XLN Audio Addictive Keys Mark One basiert
auf einem aufwendig mit Amps verstärkten
und diversen Mikros gesampelten Rhodes,
und es enthält eine Vielzahl von Edit-Möglichkeiten. Mit sehr ähnlichem Konzept bietet
XLN Audio auch ein Grandpiano und ein
Modern Upright Piano an.
Auch das Toontrack EZkeys Classic Electrics ist ein gesampeltes Instrument, das aus
den beiden umschaltbaren Komponenten
Rhodes Mark 1 und einem Wurlitzer 200A
besteht. In der gleichen Serie gibt es ein
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Grand- und ein Upright Piano, die im gleichen GUI genutzt werden können. Alle drei
Instrumente können auch als Essential EZkeys Pianos bezogen werden.
Ist das Alleinstellungsmerkmal des EZkeys Pianos ein ausgefuchstes Arrangiermodul, das fertige MIDI-Phrasen und Akkordprogressionen anbietet, sticht das ASS
Lounge Lizard EP-4 durch seine PhysicalModeling-Technik hervor, die ganz ohne
Samples auskommt. Auch hier ist als Zugabe ein Wurlitzer an Bord. Das Modeling erlaubt dramatische Eingriffe in den Klang, da
der Sound von Grund auf berechnet wird
und somit unabhängig von einem gesampelten Basisklang ist.
Allen gemeinsam ist, dass sie sowohl
standalone wie auch als VST-Plug in in einer
DAW genutzt werden können. Alle drei Hersteller bieten Demoversionen zum Download.
Vergleiche und spiele
Um den Sound vergleichen zu können,
bekommen alle drei Kandidaten das gleiche
Klangfutter. Dieses wird praktischerweise von
Toontrack in Form des eingebauten Arrangiertools in den EZkeys gleich mitgeliefert.
Und weil die Licks und Patterns sehr gut klingen, habe ich Ausschnitte aus den MIDI-Files
in Noten übertragen, dadurch kann man
diese Patterns als Audiodemos auf unserer
Homepage anhören und bei Bedarf per Noten
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Das Arrangieren mit Chord- und Riff-Bausteinen ist das herausragende Merkmal an
Toontracks EZkeys. Damit lassen sich sehr schnell gut klingende Piano-Backing erstellen. Ein Klick auf einen der Stile im
Browserfenster führt zu den Song-Parts Intro, Verse, Pre-Chorus, Chorus und Bridge, die das eigentliche Material enthalten.
Die Library lässt sich mit MIDI-Packs von Toontrack, aber auch durch eigene MIDI-Riffs erweitern.
01
Toontrack
EZkeys Classic Electrics:
€ 139,– (falls Grand- oder Upright Pianio
bereits vorhanden sind: € 69,–)
Essential EZkeys Pianos (Grand Piano,
Upright Piano und Rhodes&Wurlitzer):
UvP: € 249,– / Straßenpreis: € 199,–
Vertrieb:
Toontrack Music
Internet:
www.toontrack.de
als Spielmaterial nutzen. Alle drei Kandidaten wurden in Cubase als Plug-in geladen
und dort mit den Patterns der Toontrack EZMIDI-Packs gefüttert. Beim Erstellen der
Audiodemos kam vor allem das neue EZkeys
„Jazz MIDI-Pack“ zum Einsatz (Preis: € 25,–).
Toontrack EZkeys Classic Electrics
Aber werfen wir zunächst einen Blick auf
die Sounds: Das Grundkonzept der beiden
E-Pianos bilden Samples, wobei der Speicherbedarf mit insgesamt ca. 550 MB im Vergleich
zu anderen, samplebasierten virtuellen Instrumenten erfreulich gering ausfällt.
Schaltet man die insgesamt 10 Presets
durch und landet z. B. bei der „Retro Funk“Variation, stehen WAHWAH (regelt die Intensität des Auto-WahWah), PHASE (regelt die
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02
03
01 Einfaches Handling
Um sich nicht im Gestrüpp vieler Parameter zu verlieren, hat EZkeys nur vier Drehregler. Im Standardklang lassen sich LINE-AMP, BITE, REVERB und der bei jedem Rhodes
kritische BASS-Anteil regeln.
02 Komponieren per Mausklick
Die MIDI-Patterns und -Licks der Toontrack EZkeys Classic Electrics lassen sich bequem
per Drag&Drop auf eine Spur der Host-DAW ziehen und dort weiter bearbeiten.
03 Riffs im Quintenzirkel
In der Standalone-Version der Toontrack EZkeys werden die MIDI-Phrasen ins Arrangierfeld gezogen – sie erscheinen dort als blauer Part. Die vorgegebenen Akkordwechsel
können mithilfe des virtuellen Quintenzirkels geändert werden. Die Anpassung an die
eingestellte Tonart geschieht automatisch, und außerdem erscheinen die entsprechenden Akkordangaben über dem Block. Das Verlinken von fertigen Bausteinen geht ratzfatz und klingt auf Anhieb erstaunlich professionell.
Geschwindigkeit des Phasers), REVERB und
BASS zur Verfügung. Aus dieser 4-ReglerKonstellation ergeben sich ein paar Einschränkungen: Der Phaser kann z. B. nicht in
der Intensität geregelt werden, und andere
Parameter wie z. B. eine leichte Verzerrung
oder ein EQ stehen bei diesem Preset nicht
zur Verfügung.
Gut gelöst wurde die wichtige Schnittstelle
zwischen Spieler, Tastatur und dem Programm:
Hinter einer Klappe im Deckel ist die „VELOCITY CONTROL“-Steuerung: Die mit fünf Anfasspunkten versehene Velocity-Kurve erlaubt
eine gute individuelle Anpassung an den eigenen Anschlag.
Soundbewertung: Der Bassbereich kommt
ein wenig schwülstig und undefiniert daher,
da hilft der Bassregler nur bedingt weiter. Das
Umschalten auf ein anderes Velocity-Sample
ist manchmal deutlich hörbar und pusht vor
allem den Hammer-Kick – eine Zunahme der
Schärfe bzw. einer gewissen Aggressivität in
den Mitten bleibt leider aus.
Brauchbar ist der Gesamtsound aber allemal, für Demozwecke oder zum Erstellen von
Songskizzen reicht die Qualität aus. Gerade
in diesem Zusammenhang darf man das Arrangier-System des EZkeys nicht außer Acht
lassen – ein Powertool fürs Songwriting.
XLN Audio Addictive Keys Mark One
Gleich beim Öffnen leuchten die Augen:
Die Addictive Keys sind optisch ansprechend
gestaltet, und in der Gallery kann man (soweit vorhanden) zwischen den Instrumenten
Grand, Upright und Mark One umschalten.
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Das Addictive Keys Mark One besitzt lediglich einen Basissound. Dieser aber wurde mit verschiedenen
Aufnahmekonstellationen gesampelt, die sich im Plug-in beliebig mischen lassen. Vielleicht gefällt ja das unverfälschte DISignal als Basisklang? Oder lieber das rotzige Amp-Signal ...?
01
XLN Audio
Addictive Keys Mark One: € 79,95
Addictive Keys Studio Collection (Studio
Grand, Modern Upright und Rhodes Mark
One): € 119,–
Angebot bis Ende April: € 99,–
Vertrieb:
XLN Audio
02
01 Rhodes-Engineering
Im Edit-Fenster kann der Klang des XLN Audio Addictive Keys Mark One wirkungsvoll modifiziert werden. Hier kann zwischen den Aufnahmemikrofonen und deren Positionen umgeschaltet werden. Außerdem lassen sich bis zu drei Aufnahmesignale zu einem eigenen Sound mischen.
Mit Tremolo, Compress&Distort, Chorus, Phaser und parametrischem 3-Band-EQ sind dann auch die klassischen Effekte für die wichtigsten
Rhodes-Sounds an Bord.
02
Der Klang des XLN Audio Addictive Keys Mark One entstand durch aufwendige Mikrofonierung eines Fender Combo-Verstärkers.
Internet:
www.xlnaudio.com
Das Mark One basiert auf Samples (ca.
1 GB), die Entwickler von XLN sind ausgewiesene Experten in der Mikrofonierung von
Instrumenten. Ein Fender Combo-Amp sorgte für die Verstärkung, davor wurden u. a. ein
Neumann SM6, Telefunken U47, Shure SM 57
und die Grenzflächenmikrofone Sennheiser
MKE 212 postiert, aber auch ein direktes
Line-In-Signal ist vorhanden. Wen interessieren diese Details? Alle die, die auf der EditSeite das virtuelle Studio betreten – und da
öffnet sich ein kleines Eldorado an Editierparametern. Der eigentliche Clou ist, dass
alle Mikro-Aufnahmen gleichzeitig zur Verfügung stehen und dass man sich wie ein Toningenieur nachträglich für den am besten geeigneten Sound entscheiden kann – es lassen
sich sogar bestimmte Geräusche wie TUBE
oder MUFF etc. hinzufügen.
Man sollte sich zunächst mit den verschiedenen Mikrofonaufnahmen vertraut machen,
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denn weisen sehr unterschiedliche Klangcharakteristiken auf und geben sogar den Dynamik-Spielraum unterschiedlich wieder.
Das aufgenommene Line-Signal ist erwartungsgemäß etwas charakterlos und eher
etwas dumpf. Das Tube SM69 transportiert
dann aber viel Biss und Glocke, es klingt
etwas dünner und gepresster – das wäre ein
guter Ausgangspunkt für funkige Varianten.
Schön ausgewogen ist der Sound des Tube TF
U47 – mit einem wohl temperierten Glockenanteil und einer Prise Tremolo bekommt jede
Ballade den einschmeichelnden Klang. Das
Shure SM 57 vermittelt zwischen beiden
Klangwelten und hat im oberen Bereich ein
wenig mehr Biss – mein persönlicher Favorit.
Am vollsten und wärmsten klingt das Ribbon
4038 – für mich im Bandkontext fast schon
wieder zu voll. Und da sind noch ein paar
Mikros mehr, die ausprobiert und kombiniert
werden wollen ...
Soundbewertung: Das Einstellen eines
originalen Rhodes’ ist ein langwieriger und
individueller Prozess und hängt stark von der
Musikrichtung ab. Bei XLN Audio hat man
einen guten Kompromiss gefunden zwischen
nicht zu glockig, aber auch nicht zu gedeckt
und Suitcase-mäßig. Wie bei einem richtigen
Instrument klingen nicht alle Lagen gleich
ausgewogen oder reagieren in gleicher Weise
auf den Anschlag – in puncto Authentizität
und Dynamik hat mich das Rhodes aber
überzeugt.
AAS Lounge Lizard EP-4
Das Lounge Lizard gilt unter den E-PianoPlug-ins schon als Klassiker, allerdings wurde
das Software-Instrument mit jeder Version
immer besser. Einen deutlichen Schritt in der
Klangqualität macht das neue EP-4, das unübersehbar einen Facelift bekommen hat.
Nicht nur das GUI sieht nun anders aus, es
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Die Besonderheit des Lounge Lizard EP-4 ist Physical-Modeling. Es werden
keine Samples verwendet, sondern der Sound entsteht durch Echtzeitberechnung, was eine viel detailliertere Umsetzung
der Klangdynamik erlaubt – komplett ohne Sprünge zwischen Velocity-Zonen etc. Das hört und spürt man!
01
ASS
Lounge Lizard EP-4: € 209,–
Vertrieb:
Sonic-Sales
Internet:
www.sonic-sales.de
www.applied-acoustics.com
sind auch neue Elemente hinzugekommen
wie Compressor, Limiter und Equalizer.
Ob es an der kompletten Überarbeitung
der über 200 Presets liegt oder an der
Summe der Einzelteile – das Lounge Lizard
EP-4 klingt noch einmal deutlich besser als
die Vorversion EP-3. Die Sounds klingen
detailreicher und lassen sich auch viel griffiger spielen. Unverändert finde ich dennoch
die Simulation des Rhodes’ besser gelungen
als die des Wurlitzer-Pianos. Die Presets enthalten alles, was man an Piano-Klassikern
kennt, und locken einem authentische Riffs
nur so aus den Fingern. Ob glockig perlend,
knochentrocken, rotzig angezerrt oder ganz
einfach smooth jazzig mit schönem Tremolo
– erste Sahne.
Soundbewertung: Modeling-Instrumente haben im Vergleich zu gesampelten Instrumenten generell ein wenig die Tendenz, zu
sauber zu klingen. Mit der neuen Version hat
das Lounge Lizard erfreulicherweise etwas
mehr Mojo bekommen – für meinen Geschmack kann es immer noch etwas mehr
davon vertragen. Nichtsdestotrotz: Im Zusammenhang gespielt klingt das EP-4 sehr
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02
01 Flexible Klanggestaltung
Für beide Pianotypen – Rhodes (Tine-Modell) und Wurlitzer (Reed-Modell) – lässt sich das gesamte Klangverhalten detailreich einstellen.
Ein großer Vorteil für diejenigen, die neben den guten Presets auch Sounds mit individueller Note erstellen möchten. Das EP-4 ermöglicht
dabei sogar stark verfremdete E-Piano-Sounds.
02 Authentische Sounds
Zu jedem E-Piano-Sound gehören auch die typischen Effekte und klangformende Prozessoren wie Kompressor, Preamp und Amp. Hier hat das
EP-4 einige Neuzugänge bekommen, die an den authentischen Sounds hörbar beteiligt sind.
überzeugend und funktioniert eingebettet in
einen Track wirklich extrem gut. Außerdem
erfreulich: Das EP-4 ist bzgl. der Leistungsanforderung an den Audiorechner äußerst
moderat.
Fazit
Im Grundsound können die EZkeys mit
den beiden anderen Kandidaten nicht ganz
mithalten. Das eingeschränkte Editieren
kann aber in einer DAW mit deren Parametern weitgehend ausgeglichen werden. Ein
ganz dickes Plus ist das mitgelieferte intuitive
Arrangiertool, hier gibt es hochwertige TastenLicks und Patterns. Da die MIDI-Pack-Serie
ständig erweitert wird, gibt es musikalischen
Input ohne Ende.
Das Addictive Keys Mark One überzeugt
durch seinen charmanten und authentischen
Grundsound – er ist sehr lebendig und gibt
die Nuancen, aber auch Unzulänglichkeiten
eines echten Instrumentes wieder. Eine Vielzahl von Parametern erlaubt weitreichende
Bearbeitungsmöglichkeiten bis hin zu völlig
neuen Klangmutationen. Das Nutzen aller
Parameter setzt jedoch auch eine gewisse
Einarbeitung voraus – Addictive-Drums-User
haben hier einen Know-how-Vorteil. Der
Grundcharakter des eigentlichen RhodesSounds bleibt stets die Ausgangsbasis aller
Editierungen.
Wer gezielt eine Prise mehr Stimmgabel
oder Hammer wünscht und den Klang exakt
nach seinen Vorstellungen designen möchte,
hat mit dem ASS Lounge Lizard EP 4 den
idealen Partner zur Hand. Dieses virtuelle
Piano ist in der Klanggestaltung außerordentlich flexibel und klingt sehr definiert– allerdings entwickelt es nicht ganz den Charme
des Addictive Keys Mark One und wirkt eventuell ein wenig steril – aber das ist Klagen auf
allerhöchstem Niveau.
Noch ein Tipp am Ende: Das Rhodes ist
ein Band-Instrument, und da gelten u. a. die
Gesetze der Durchsetzungsfähigkeit und des
stimmigen Gesamtsounds – viele Details und
Einstellungsoptionen verlieren hier vor allem
hinsichtlich des Dynamikverhaltens an Wichtigkeit. Hier hat bereits aufgrund der flexibleren Klangerzeugung das Lounge Lizard EP-4
die Nase eindeutig vorn. ⎮⎮
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Die E-Piano-Parts der vergleichenden Klangbeispiele habe ich für alle ausnotiert, die
sich an authentischen Riffs selber versuchen möchten. Ich kann das Nachspielen sehr empfehlen: Es schult natürlich und
lässt einen die Qualität der EZkeys MIDI-Packs fühlen.
Die Notenbeispiele kannst du dir auch als
PDFs von www.keyboards.de herunterladen.
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