Old Soul – New Toys: Drei Plug
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Old Soul – New Toys: Drei Plug
T_Rodes_Virtuell_T_Rodes_Virtuell 03.04.13 16:08 Seite 068 Old Soul – New Toys: Drei Plug-ins im Vergleich Toontrack EZkeys Classic Electrics, XLN Addictive Keys Mark One, AAS Lounge Lizard EP-4 Ein Fender Rhodes ist nicht nur schwer zu tragen, sondern auch schwer zu bekommen. Da passt es gut, dass die virtuellen Klangsimulationen immer besser werden. Neben der neuen EP-4-Version des etablierten ASS Lounge Lizard haben nun die beiden schwedischen Hersteller XLN Audio mit den Addictive Keys Mark One und Toontrack mit den EZkeys Classic Electrics weitere Rhodes-Varianten ins Spiel gebracht, sodass sich ein Vergleich der drei Konkurrenten anbietet. Autor: Wolfgang Wierzyk, Foto: Dieter Stork 068 | TEST – SOFTWARE-E-PIANOS KEYBOARDS | 2.2013 T_Rodes_Virtuell_T_Rodes_Virtuell 02.04.13 11:37 Seite 069 »DAS LOUNGE LIZARD EP-4 KLINGT NOCH EINMAL DEUTLICH BESSER ALS DIE VORVERSION EP-3« www. Klangbeispiele zum Artikel findest du auf www.keyboards.de Drei E-Pianos – drei Konzepte Obwohl alle drei Kandidaten das Fender Rhodes akustisch abbilden, verfolgen die Hersteller unterschiedliche Konzepte: Das XLN Audio Addictive Keys Mark One basiert auf einem aufwendig mit Amps verstärkten und diversen Mikros gesampelten Rhodes, und es enthält eine Vielzahl von Edit-Möglichkeiten. Mit sehr ähnlichem Konzept bietet XLN Audio auch ein Grandpiano und ein Modern Upright Piano an. Auch das Toontrack EZkeys Classic Electrics ist ein gesampeltes Instrument, das aus den beiden umschaltbaren Komponenten Rhodes Mark 1 und einem Wurlitzer 200A besteht. In der gleichen Serie gibt es ein 2.2013 | KEYBOARDS Grand- und ein Upright Piano, die im gleichen GUI genutzt werden können. Alle drei Instrumente können auch als Essential EZkeys Pianos bezogen werden. Ist das Alleinstellungsmerkmal des EZkeys Pianos ein ausgefuchstes Arrangiermodul, das fertige MIDI-Phrasen und Akkordprogressionen anbietet, sticht das ASS Lounge Lizard EP-4 durch seine PhysicalModeling-Technik hervor, die ganz ohne Samples auskommt. Auch hier ist als Zugabe ein Wurlitzer an Bord. Das Modeling erlaubt dramatische Eingriffe in den Klang, da der Sound von Grund auf berechnet wird und somit unabhängig von einem gesampelten Basisklang ist. Allen gemeinsam ist, dass sie sowohl standalone wie auch als VST-Plug in in einer DAW genutzt werden können. Alle drei Hersteller bieten Demoversionen zum Download. Vergleiche und spiele Um den Sound vergleichen zu können, bekommen alle drei Kandidaten das gleiche Klangfutter. Dieses wird praktischerweise von Toontrack in Form des eingebauten Arrangiertools in den EZkeys gleich mitgeliefert. Und weil die Licks und Patterns sehr gut klingen, habe ich Ausschnitte aus den MIDI-Files in Noten übertragen, dadurch kann man diese Patterns als Audiodemos auf unserer Homepage anhören und bei Bedarf per Noten SOFTWARE-E-PIANOS – TEST | 069 T_Rodes_Virtuell_T_Rodes_Virtuell 02.04.13 11:37 Seite 070 Das Arrangieren mit Chord- und Riff-Bausteinen ist das herausragende Merkmal an Toontracks EZkeys. Damit lassen sich sehr schnell gut klingende Piano-Backing erstellen. Ein Klick auf einen der Stile im Browserfenster führt zu den Song-Parts Intro, Verse, Pre-Chorus, Chorus und Bridge, die das eigentliche Material enthalten. Die Library lässt sich mit MIDI-Packs von Toontrack, aber auch durch eigene MIDI-Riffs erweitern. 01 Toontrack EZkeys Classic Electrics: € 139,– (falls Grand- oder Upright Pianio bereits vorhanden sind: € 69,–) Essential EZkeys Pianos (Grand Piano, Upright Piano und Rhodes&Wurlitzer): UvP: € 249,– / Straßenpreis: € 199,– Vertrieb: Toontrack Music Internet: www.toontrack.de als Spielmaterial nutzen. Alle drei Kandidaten wurden in Cubase als Plug-in geladen und dort mit den Patterns der Toontrack EZMIDI-Packs gefüttert. Beim Erstellen der Audiodemos kam vor allem das neue EZkeys „Jazz MIDI-Pack“ zum Einsatz (Preis: € 25,–). Toontrack EZkeys Classic Electrics Aber werfen wir zunächst einen Blick auf die Sounds: Das Grundkonzept der beiden E-Pianos bilden Samples, wobei der Speicherbedarf mit insgesamt ca. 550 MB im Vergleich zu anderen, samplebasierten virtuellen Instrumenten erfreulich gering ausfällt. Schaltet man die insgesamt 10 Presets durch und landet z. B. bei der „Retro Funk“Variation, stehen WAHWAH (regelt die Intensität des Auto-WahWah), PHASE (regelt die 070 | TEST – SOFTWARE-E-PIANOS 02 03 01 Einfaches Handling Um sich nicht im Gestrüpp vieler Parameter zu verlieren, hat EZkeys nur vier Drehregler. Im Standardklang lassen sich LINE-AMP, BITE, REVERB und der bei jedem Rhodes kritische BASS-Anteil regeln. 02 Komponieren per Mausklick Die MIDI-Patterns und -Licks der Toontrack EZkeys Classic Electrics lassen sich bequem per Drag&Drop auf eine Spur der Host-DAW ziehen und dort weiter bearbeiten. 03 Riffs im Quintenzirkel In der Standalone-Version der Toontrack EZkeys werden die MIDI-Phrasen ins Arrangierfeld gezogen – sie erscheinen dort als blauer Part. Die vorgegebenen Akkordwechsel können mithilfe des virtuellen Quintenzirkels geändert werden. Die Anpassung an die eingestellte Tonart geschieht automatisch, und außerdem erscheinen die entsprechenden Akkordangaben über dem Block. Das Verlinken von fertigen Bausteinen geht ratzfatz und klingt auf Anhieb erstaunlich professionell. Geschwindigkeit des Phasers), REVERB und BASS zur Verfügung. Aus dieser 4-ReglerKonstellation ergeben sich ein paar Einschränkungen: Der Phaser kann z. B. nicht in der Intensität geregelt werden, und andere Parameter wie z. B. eine leichte Verzerrung oder ein EQ stehen bei diesem Preset nicht zur Verfügung. Gut gelöst wurde die wichtige Schnittstelle zwischen Spieler, Tastatur und dem Programm: Hinter einer Klappe im Deckel ist die „VELOCITY CONTROL“-Steuerung: Die mit fünf Anfasspunkten versehene Velocity-Kurve erlaubt eine gute individuelle Anpassung an den eigenen Anschlag. Soundbewertung: Der Bassbereich kommt ein wenig schwülstig und undefiniert daher, da hilft der Bassregler nur bedingt weiter. Das Umschalten auf ein anderes Velocity-Sample ist manchmal deutlich hörbar und pusht vor allem den Hammer-Kick – eine Zunahme der Schärfe bzw. einer gewissen Aggressivität in den Mitten bleibt leider aus. Brauchbar ist der Gesamtsound aber allemal, für Demozwecke oder zum Erstellen von Songskizzen reicht die Qualität aus. Gerade in diesem Zusammenhang darf man das Arrangier-System des EZkeys nicht außer Acht lassen – ein Powertool fürs Songwriting. XLN Audio Addictive Keys Mark One Gleich beim Öffnen leuchten die Augen: Die Addictive Keys sind optisch ansprechend gestaltet, und in der Gallery kann man (soweit vorhanden) zwischen den Instrumenten Grand, Upright und Mark One umschalten. KEYBOARDS | 2.2013 T_Rodes_Virtuell_T_Rodes_Virtuell 02.04.13 11:37 Seite 071 Das Addictive Keys Mark One besitzt lediglich einen Basissound. Dieser aber wurde mit verschiedenen Aufnahmekonstellationen gesampelt, die sich im Plug-in beliebig mischen lassen. Vielleicht gefällt ja das unverfälschte DISignal als Basisklang? Oder lieber das rotzige Amp-Signal ...? 01 XLN Audio Addictive Keys Mark One: € 79,95 Addictive Keys Studio Collection (Studio Grand, Modern Upright und Rhodes Mark One): € 119,– Angebot bis Ende April: € 99,– Vertrieb: XLN Audio 02 01 Rhodes-Engineering Im Edit-Fenster kann der Klang des XLN Audio Addictive Keys Mark One wirkungsvoll modifiziert werden. Hier kann zwischen den Aufnahmemikrofonen und deren Positionen umgeschaltet werden. Außerdem lassen sich bis zu drei Aufnahmesignale zu einem eigenen Sound mischen. Mit Tremolo, Compress&Distort, Chorus, Phaser und parametrischem 3-Band-EQ sind dann auch die klassischen Effekte für die wichtigsten Rhodes-Sounds an Bord. 02 Der Klang des XLN Audio Addictive Keys Mark One entstand durch aufwendige Mikrofonierung eines Fender Combo-Verstärkers. Internet: www.xlnaudio.com Das Mark One basiert auf Samples (ca. 1 GB), die Entwickler von XLN sind ausgewiesene Experten in der Mikrofonierung von Instrumenten. Ein Fender Combo-Amp sorgte für die Verstärkung, davor wurden u. a. ein Neumann SM6, Telefunken U47, Shure SM 57 und die Grenzflächenmikrofone Sennheiser MKE 212 postiert, aber auch ein direktes Line-In-Signal ist vorhanden. Wen interessieren diese Details? Alle die, die auf der EditSeite das virtuelle Studio betreten – und da öffnet sich ein kleines Eldorado an Editierparametern. Der eigentliche Clou ist, dass alle Mikro-Aufnahmen gleichzeitig zur Verfügung stehen und dass man sich wie ein Toningenieur nachträglich für den am besten geeigneten Sound entscheiden kann – es lassen sich sogar bestimmte Geräusche wie TUBE oder MUFF etc. hinzufügen. Man sollte sich zunächst mit den verschiedenen Mikrofonaufnahmen vertraut machen, 2.2013 | KEYBOARDS denn weisen sehr unterschiedliche Klangcharakteristiken auf und geben sogar den Dynamik-Spielraum unterschiedlich wieder. Das aufgenommene Line-Signal ist erwartungsgemäß etwas charakterlos und eher etwas dumpf. Das Tube SM69 transportiert dann aber viel Biss und Glocke, es klingt etwas dünner und gepresster – das wäre ein guter Ausgangspunkt für funkige Varianten. Schön ausgewogen ist der Sound des Tube TF U47 – mit einem wohl temperierten Glockenanteil und einer Prise Tremolo bekommt jede Ballade den einschmeichelnden Klang. Das Shure SM 57 vermittelt zwischen beiden Klangwelten und hat im oberen Bereich ein wenig mehr Biss – mein persönlicher Favorit. Am vollsten und wärmsten klingt das Ribbon 4038 – für mich im Bandkontext fast schon wieder zu voll. Und da sind noch ein paar Mikros mehr, die ausprobiert und kombiniert werden wollen ... Soundbewertung: Das Einstellen eines originalen Rhodes’ ist ein langwieriger und individueller Prozess und hängt stark von der Musikrichtung ab. Bei XLN Audio hat man einen guten Kompromiss gefunden zwischen nicht zu glockig, aber auch nicht zu gedeckt und Suitcase-mäßig. Wie bei einem richtigen Instrument klingen nicht alle Lagen gleich ausgewogen oder reagieren in gleicher Weise auf den Anschlag – in puncto Authentizität und Dynamik hat mich das Rhodes aber überzeugt. AAS Lounge Lizard EP-4 Das Lounge Lizard gilt unter den E-PianoPlug-ins schon als Klassiker, allerdings wurde das Software-Instrument mit jeder Version immer besser. Einen deutlichen Schritt in der Klangqualität macht das neue EP-4, das unübersehbar einen Facelift bekommen hat. Nicht nur das GUI sieht nun anders aus, es SOFTWARE-E-PIANOS – TEST | 071 T_Rodes_Virtuell_T_Rodes_Virtuell 02.04.13 11:37 Seite 072 Die Besonderheit des Lounge Lizard EP-4 ist Physical-Modeling. Es werden keine Samples verwendet, sondern der Sound entsteht durch Echtzeitberechnung, was eine viel detailliertere Umsetzung der Klangdynamik erlaubt – komplett ohne Sprünge zwischen Velocity-Zonen etc. Das hört und spürt man! 01 ASS Lounge Lizard EP-4: € 209,– Vertrieb: Sonic-Sales Internet: www.sonic-sales.de www.applied-acoustics.com sind auch neue Elemente hinzugekommen wie Compressor, Limiter und Equalizer. Ob es an der kompletten Überarbeitung der über 200 Presets liegt oder an der Summe der Einzelteile – das Lounge Lizard EP-4 klingt noch einmal deutlich besser als die Vorversion EP-3. Die Sounds klingen detailreicher und lassen sich auch viel griffiger spielen. Unverändert finde ich dennoch die Simulation des Rhodes’ besser gelungen als die des Wurlitzer-Pianos. Die Presets enthalten alles, was man an Piano-Klassikern kennt, und locken einem authentische Riffs nur so aus den Fingern. Ob glockig perlend, knochentrocken, rotzig angezerrt oder ganz einfach smooth jazzig mit schönem Tremolo – erste Sahne. Soundbewertung: Modeling-Instrumente haben im Vergleich zu gesampelten Instrumenten generell ein wenig die Tendenz, zu sauber zu klingen. Mit der neuen Version hat das Lounge Lizard erfreulicherweise etwas mehr Mojo bekommen – für meinen Geschmack kann es immer noch etwas mehr davon vertragen. Nichtsdestotrotz: Im Zusammenhang gespielt klingt das EP-4 sehr 072 | TEST – SOFTWARE-E-PIANOS 02 01 Flexible Klanggestaltung Für beide Pianotypen – Rhodes (Tine-Modell) und Wurlitzer (Reed-Modell) – lässt sich das gesamte Klangverhalten detailreich einstellen. Ein großer Vorteil für diejenigen, die neben den guten Presets auch Sounds mit individueller Note erstellen möchten. Das EP-4 ermöglicht dabei sogar stark verfremdete E-Piano-Sounds. 02 Authentische Sounds Zu jedem E-Piano-Sound gehören auch die typischen Effekte und klangformende Prozessoren wie Kompressor, Preamp und Amp. Hier hat das EP-4 einige Neuzugänge bekommen, die an den authentischen Sounds hörbar beteiligt sind. überzeugend und funktioniert eingebettet in einen Track wirklich extrem gut. Außerdem erfreulich: Das EP-4 ist bzgl. der Leistungsanforderung an den Audiorechner äußerst moderat. Fazit Im Grundsound können die EZkeys mit den beiden anderen Kandidaten nicht ganz mithalten. Das eingeschränkte Editieren kann aber in einer DAW mit deren Parametern weitgehend ausgeglichen werden. Ein ganz dickes Plus ist das mitgelieferte intuitive Arrangiertool, hier gibt es hochwertige TastenLicks und Patterns. Da die MIDI-Pack-Serie ständig erweitert wird, gibt es musikalischen Input ohne Ende. Das Addictive Keys Mark One überzeugt durch seinen charmanten und authentischen Grundsound – er ist sehr lebendig und gibt die Nuancen, aber auch Unzulänglichkeiten eines echten Instrumentes wieder. Eine Vielzahl von Parametern erlaubt weitreichende Bearbeitungsmöglichkeiten bis hin zu völlig neuen Klangmutationen. Das Nutzen aller Parameter setzt jedoch auch eine gewisse Einarbeitung voraus – Addictive-Drums-User haben hier einen Know-how-Vorteil. Der Grundcharakter des eigentlichen RhodesSounds bleibt stets die Ausgangsbasis aller Editierungen. Wer gezielt eine Prise mehr Stimmgabel oder Hammer wünscht und den Klang exakt nach seinen Vorstellungen designen möchte, hat mit dem ASS Lounge Lizard EP 4 den idealen Partner zur Hand. Dieses virtuelle Piano ist in der Klanggestaltung außerordentlich flexibel und klingt sehr definiert– allerdings entwickelt es nicht ganz den Charme des Addictive Keys Mark One und wirkt eventuell ein wenig steril – aber das ist Klagen auf allerhöchstem Niveau. Noch ein Tipp am Ende: Das Rhodes ist ein Band-Instrument, und da gelten u. a. die Gesetze der Durchsetzungsfähigkeit und des stimmigen Gesamtsounds – viele Details und Einstellungsoptionen verlieren hier vor allem hinsichtlich des Dynamikverhaltens an Wichtigkeit. Hier hat bereits aufgrund der flexibleren Klangerzeugung das Lounge Lizard EP-4 die Nase eindeutig vorn. ⎮⎮ KEYBOARDS | 2.2013 T_Rodes_Virtuell_T_Rodes_Virtuell 02.04.13 11:37 Seite 073 Die E-Piano-Parts der vergleichenden Klangbeispiele habe ich für alle ausnotiert, die sich an authentischen Riffs selber versuchen möchten. Ich kann das Nachspielen sehr empfehlen: Es schult natürlich und lässt einen die Qualität der EZkeys MIDI-Packs fühlen. Die Notenbeispiele kannst du dir auch als PDFs von www.keyboards.de herunterladen. 2.2013 | KEYBOARDS www. SOFTWARE-E-PIANOS – TEST | 073