T_Wersi Pegasus Wing

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text: Heinz Schaller, fotos: Dieter Stork
Himmelstürmer
Wersi Pegasus Wing – Entertainer Keyboard
Nach schweren Zeiten soll es mit der Firma Wersi nun unter den Fittichen des Kölner Music Store wieder aufwärts gehen. Bestes Pferd im Stall ist das Pegasus Wing – ein klassisches Entertainer-Keyboard, das auf PCBasis in seinem Genre einzigartige Möglichkeiten bieten kann.
profil
Hersteller / Vertrieb:
Wersi / Music Store Köln
Internet:
www.wersi.net /
www.musicstore.de
Preis:
E 2.590,–
KEYBOARDS 4.2011
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er Audiorechner ist in den Studios und
Musikzimmern ein unverzichtbarer Baustein
geworden: Komfortable Recording-Umgebungen, Audio-Editing für die Produktion einer CD
und, nicht zu vergessen, eine schier endlose
Welt von Plug-ins und Software-Instrumenten.
Alles prima, solange man mit diesem System
im Heimstudio bleibt. Soll es auf die Bühne
gehen, ist eine Audiorechner natürlich nicht
das richtige Instrument. Warum also nicht alles
in einem System?
Das Pegasus Wing ist dabei nicht vergleichbar
mit Hardwarelösungen wie z. B. dem Muse
Research Receptor, der ausschließlich VST-Plugins in einer Rackhardware verfügbar machen
soll. Dennoch könnte das Pegasus Wing so
etwas grundsätzlich, und es ist sogar möglich,
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Software-Instrumente aus der Hauptanwendung
des Pegasus anzusteuern. Das Wing ist aber in
erster Linie – dieses vermittelt schon die Optik
des Instruments – ein klassisches EntertainerKeyboard, verpackt in ein robustes, gut verarbeitetes Metallgehäuse. Das Bedienfeld ist
übersät mit Tastern und Reglern und – hier
schlägt das Entertainerherz höher – mit: richtigen Zugriegeln! Und hier wurde nicht gespart,
denn es sind neun Zugriegel für die UPPER-Sektion vorhanden, während für die LOWER-Sektion sieben Riegel an Bord sind. Wie es sich für
eine Orgel gehört, sind diese beiden ZugriegelSektionen so platziert, dass man die UpperRiegel beim Spielen bequem mit der linken
Hand und die Lower-Riegel mit der rechten
Hand bedienen kann. Die sechs Zugriegel ganz
links dienen zur Justage der Lautstärken der
Klangsektionen: Upper 1&2, Lower 1&2, Pedalbass und Begleitautomatik (ACC.).
Dass das Pegasus Wing auf einer PC-Hardware basiert, sieht man eigentlich nur
beim Hochfahren des Systems. Nachdem
Start des Windows-Betriebssystems wird auch
schon die Wing-Oberfläche eingeblendet, und
nach etwa einer Minute ist das Instrument
spielbereit. Von Windows ist von nun an keine
Spur mehr zu sehn, denn der große Touchscreen zeigt die Bedienelemente, wie man sie
auch von anderen Entertainer-Keyboards kennt.
Man sieht den angewählten STYLE, die Situation der Lower- und Upper-Klanggruppen,
Pedal-Bass und Tempo. Die Styles und Sounds
können über das Display angewählt werden,
wobei man zunächst im Bedienfeld die Soundbzw. Rhythmuskategorie anwählt, im Display
dann die Klanggruppe und den dort gewünschten Sound/Style.
Alles ganz einfach, allerdings sollte man stets im
Auge behalten, wie die angewählte Klanggruppe
(rechts im Bedienfeld), die jeweils angestellte
Lautstärke (Zugriegel links) und zusätzlich die
Klanggruppe im Display für die Klanganwahl eingestellt ist. Das ist zunächst gewöhnungsbedürf-
tig, aber man hat den Bogen eigentlich schnell
heraus. Lobend erwähnen muss man, dass die
Funktionen (und auch viele der Presets) weitgehend in deutscher Sprache benannt sind. Und
wenn man die ersten Styles und Sounds anspielt, weiß man auch, welche musikalische Zielgruppe hier im Fokus steht: Es geht eindeutig
um gepflegte Unterhaltungsmusik des deutschen
Sprachraumes.
Klangvoll
Die Kategorien der insgesamt fast 1.000
Sounds unterscheiden sich nicht sonderlich
von anderen Arranger-Keyboards, man findet sich hier wirklich schnell zurecht. Jede
Kategorie ist mit zehn Presets im Display vertreten. Die Auswahl ist jeweils gut getroffen
und aufeinander abgestimmt, man muss keine
bösen Überraschungen erwarten. Geboten werden akustische Klaviere, Vintage-E-Pianos,
Streicher von seidig weich bis zum markanten
Forte, mit Pizzicato-Anzupfer oder als Tutti-
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Das große Touchdisplay erlaubt beispielsweise
die Anwahl von Styles und Sounds.
Co. Aber auch die kultigen Sounds von Theaterorgeln sind hier als Samples verewigt.
Die Sounds – und das trifft für so gut wie
alle Kategorien zu – sind auf jenen Wohlklang getrimmt, den man für gepflegte
Unterhaltungsmusik braucht. Aggressive
Sounds sucht man hier vergebens. Dennoch
lassen die Vintage-Pianos doch ein wenig an
Durchsetzungsvermögen vermissen; mit den
E-Piano-Sounds der aktuellen Mitbewerber
kann das Pegasus Wing dann aber auch nicht
mehr mithalten. Zu bemängeln gibt es hier
wenig, nur tauchen hin und wieder Übergänge
bei Samplezonen sowie im Diskant Nebengeräusche wie Aliasing auf. Letzteres betrifft aber
dann meistens Tonbereiche, die es bei den jeweiligen Originalinstrumenten gar nicht gibt,
hier wurde der Tonumfang lediglich auf den
Tastaturumfang angepasst. Im Zusammenhang
also fällt dies völlig unter den Tisch.
Orchestra, das – krawumm – mit einer Pauke
garniert wird, wenn man richtig reinlangt.
Weiter geht es mit E-Gitarrren – von DireStraits-Pickings bis Ricky-King-Melodien (hier
bitte ordentlich Gebrauch vom Hawaii-Hebel –
sorry: Pitchbender – machen) sind hier alle
Klampfen für Hits und Evergreens vertreten.
Akustische Gitarren, ob konzertant mit Nylondraht oder als stahlbesaitete Westerngitarre:
Alles ist dabei.
Vollbesetzung bei der Abteilung Brass: Sei es
das Tenor-Sax mit viel Breath, das perkussiver
angeblasene Bariton oder das liebliche SopranSax – auch dieser Bereich ist mit schönen Exemplaren ausgestattet. Die Blechbläser begeistern
mit schönen, klaren Trompeten-Stimmen, Posaune und jeder Menge Ensemble-Sounds.
Sehr umfangreich vertreten sind die Orgelklänge – und hier hört man gleich, aus welchem Hause das Pegasus Wing stammt. Wer
den klassischen Sinus der Wersi-Orgeln schätzt,
wird hier voll und ganz auf seine Kosten kommen.
Kein schummrig-dreckiger Blues-Sound, sondern
strahlender Glanz ist hier zu hören, und der erinnert an glorreiche Zeiten von Franz Lampert &
Die Zugriegel sind sehr gut zugänglich, wobei man besonders den guten Sinus des Keyboards hervorheben muss, der sich mit den Drawbars zielsicher spielen lässt.
In guter Begleitung
Die Auswahl der Styles passt zu den
Sounds. Rhythmen, die ins Bein gehen,
liefern die über 200 Styles, die vornehmlich für den Bedarf in der Tanz- und Unterhaltungsmusik angepasst sind. Aufgeteilt in
24 Kategorien ist hier schon mal Vielseitigkeit
angesagt, obgleich die Bereiche der lateinamerikanischen Tänze leider etwas dünn besetzt
sind. Hier hätte ich deutlich mehr Auswahl erwartet. Vor allem an modernen Spielarten,
Mischungen aus Pop und Latin – z. B. die
aktuellen Santana-Sachen – vermisst man hier
völlig. Dafür gelingen die Evergreens der Tanzmusik auf Anhieb: Klassiker wie Tanze Samba
mit mir, Marina, Marina oder Tico Tico flutschen einem nur so aus den Handgelenken.
Aber wie schon angedeutet, ist das Pegasus Wing in den Festsälen deutscher Tanzund Unterhaltungsmusik zu Hause. Ob Foxtrott, Swing, Big Band, Jive – dies alles kommt
sehr authentisch rüber und berücksichtigt vornehmlich das Repertoire deutscher Entertainer.
Ebenso Rock’n’Roll oder die vielen SchlagerRhythmen – hier ist alles vorhanden, was man
braucht.
Die Styles setzten sich jeweils aus zwei Intros
und Endings sowie vier Variationen (inkl. Fillins) und BREAK zusammen und werden von
insgesamt acht Spuren wiedergegeben: 2 ¥
Drums plus Bass plus 5 ¥ Acc.
Die Drum- und Percussion-Sounds wirken im
Vergleich zu den Top-Arranger-Keyboards anderer Hersteller ein wenig in die Jahre gekommen, was aber den Rhythmen keinen Abbruch
tut; im Gegenteil – dem insgesamt moderaten
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Sound des Keyboards kommt dies sogar zugute.
Auf Wunsch kann man die Begleitspuren auch
in der Lautstärke anders abmischen, wobei sich
das Display abermals als komfortable Eingabehilfe erweist. Über Schieberegler kann man die
Lautstärke justieren, und es gibt pro Spur einen
Solo- und einen Mute-Schalter. Die Akkorderkennung des Wersi Pegasus Wing ist recht
flexibel und setzt erweiterte wie verminderte
Akkorde bestens um, wenngleich bei LegatoSpiel in der linken Hand die Akkordwechsel
nicht immer korrekt sind. In diesem Fall hilft
ein kurzes Nachgreifen, und alles ist wieder im
Lot. Bei sehr schnellen Akkordwechseln könnte
auch das Timing der Automatik ein wenig präziser sein.
Praxis
Die einfache Handhabung des Wersi Pegasus Wing verdient großes Lob. Der große
Touchscreen ist eine Wucht, und die vielen Taster und Zugriegel vermitteln das sichere Gefühl, beim Spielen alles im Griff zu haben. Mit
der Begleitautomatik und den insgesamt vier
Klanggruppen für
Upper und Lower
erzeugt das Pegasus
Wing fulminanten Sound.
pflegte Tanz- und Unterhaltungsmusik Pflicht
sind.
Das Pegasus Wing ist sogar ein komplettes
Tonstudio, denn mit den integrierten Recording-Funktionen lässt sich eine Darbietung auf
der eingebauten Festplatte aufzeichnen und
mit dem CD-Brenner als Audio-CD finalisieren.
An die Beschaffenheit der Taster muss man
sich ein wenig gewöhnen, sie sind recht flach
und schalten manchmal nicht ganz präzise. Das
Display hingegen arbeitet einwandfrei – wirklich sehr komfortabel.
Resümee
Etwas schade finde ich, dass die Taster für die
Steuerung der Begleitautomatik und die Anwahl für Styles und Sound recht weit entfernt
von der Tastatur sind; wenigstens die TOTAL
PRESETS, die die 500 Komplettregistrierungen
des Instruments enthalten, hätte man vielleicht
unterhalb des Displays anordnen können. Einen
wichtigen Vorteil dagegen werden Organisten
direkt erkennen und zu schätzen wissen: Die
Zugriegel sind sehr gut zugänglich, wobei man
besonders den guten Sinus des Keyboards hervorheben muss, der sich mit den Drawbars
zielsicher spielen lässt. Hier zeigt sich, dass
Wersi seine Zielgruppe gut kennt, wovon auch
die anderen Sounds profitieren, die für die ge-
In diesem Preview konnten wir uns zunächst
den zentralen Funktionen widmen, mehr ins
Detail gehen wir beim ausführlichen Testbericht, den wir in einer der nächsten Ausgaben
nachreichen werden. Fürs Erste hinterlässt das
Wersi-Keyboard einen positiven Eindruck,
wenngleich einzelne Funktionen vielleicht noch
etwas Schliff vertragen könnten. Es zeichnet
sich aber jetzt schon klar ab, dass das Pegasus
Wing vor allem Entertainer und Hobbymusiker
gleichermaßen begeistern dürfte, die vor allem
nach einem Instrument suchen, bei dem der
Wohlklang und klassische Tanz-, Schlager- und
Unterhaltungsmusik im Vordergrund stehen.
Vor allem bei den typischen Wersi-Orgelsounds
zeigt das Pegasus Wing seine Stärken. ø
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