Wissen 03 Branding

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Wissen 03 Branding
McK
www.mckinsey.de McK Wissen 03 1. Jahrgang 2002 15 Euro C 59113
www.mckinsey.de McK Wissen 03 1. Jahrgang 2002 15 Euro C 59113
McK
Das Magazin von McKinsey
Branding
„… ist das gewollte und bewusste Erzeugen einer dauerhaften Narbe mit heißem Metall.“
Wissen 03 BRANDING
Wissen 03
Muse
Markenrelevanz
Aphrodite
Karstadt
Taschenmesser
Informationseffizienz
Bier
Märchen
Werbemonitoring
Weihnachtsbutter
Jägermeister
Kultmarkenfetischist
Markendiamant
Mythos
Glaubwürdigkeit
Käsebrötchen
Ingredient Brands
Nachfragesog
Demokratie
Guerilla-Marketing
Auge in Auge
Peter Geringhoff hat es kürzlich sehr treffend formuliert. „Mal ganz
ehrlich“, sagte der Geschäftsführer des Kaufhaus-Konzerns Strauss Innovation anlässlich der Eröffnung der jüngsten Filiale bei Hamburg, „wir
können doch nicht ernsthaft behaupten, dass der Kunde unsere Produkte
wirklich braucht. Das vierte Teegeschirr? Die siebte Tischdecke? Das
dreißigste Paar Socken? … Der wirkliche Bedarf ist längst gedeckt.“
Wenn es nur das wäre. Tatsächlich ist der Kunde ja nicht nur satt, er kann
all das, was er ohnehin nicht braucht, auch kaum noch unterscheiden. Die
Qualität taugt als Kaufargument immer weniger. Inhaltlich oder technisch
sind bei den meisten Produkten kaum noch Unterschiede auszumachen.
Auch der Preis ist innerhalb eines Segments nicht mehr das entscheidende
Kriterium.
Was also bleibt? Genau. Die Marke – oder besser: das, was der Kunde mit
ihr verbindet – wird zum Erfolgsfaktor. Marketing heißt immer weniger
Verkaufen. Marketing bedeutet Kundenansprache auf höchstem Niveau.
Der Trendforscher Matthias Horx nennt die neue Form des Werbens
„Kommunizieren auf Augenhöhe“ und meint damit das, was so mancher
Marketing-Experte seit geraumer Zeit mühsam lernt: Erfolgreiche Marken
stehen nicht mehr für ein Produkt. Sie stehen für ein Lebensgefühl, bilden
die Welt des Konsumenten ab, transportieren Werte, verkörpern Emotionen
und Sehnsüchte, suggerieren Sicherheit und Vertrauen.
Wo dieser Spagat gelingt, ist der Verbraucher treu und kaum noch von der
Marke abzubringen, wie das Beispiel AEG belegt. Das Unternehmen, das
sich einst hinter den drei Buchstaben verbarg, ist schon lange tot, die Produkte, die inzwischen unter dem Label verkauft werden, stammen von
unterschiedlichen Lizenznehmern. Und doch hat sich AEG, aus Erfahrung
gut, so tief in die Seelen der Kunden gegraben, dass die Marke auch ihrem
heutigen Besitzer Electrolux satte Umsätze beschert (Seite 36).
Wie aber geht das? Wie baut man heute eine Marke? Wir haben auf die
Fragen ganz unterschiedliche Antworten gefunden. Die Kosmetikserie La
Editorial
Text: Susanne Risch
Mer hat neben einem zweifellos exklusiven Produkt vor allem eine unschlagbare Geschichte mit
ihrer Creme angerührt (Seite 30). Frosch mixte
mit kleinem Budget und großem Engagement
aus Ökologie und Scheuermitteln seine Marke
(Seite 8). Gore und Intel sind sogar ganz ohne
Endprodukt aufgestiegen – und heute als Ingredient Brand weltweit bekannt (Seite 52).
Bekanntheit allein allerdings sichert noch keinen
Erfolg, das musste Karstadt gerade neu lernen.
Zwar ist das Warenhaus fast jedem Deutschen
ein Begriff, ein guter sogar, aber das heißt noch
nicht, dass er bei Karstadt auch kauft (Seite 14).
Den Stromanbietern ging es diesbezüglich nicht
anders. Die Energiekonzerne haben sich mit
Millionenaufwand große Namen aufgebaut –
aber nur wenige neue Kunden. Weil Markenbildung zwar entscheidend ist, aber nicht in jeder
Branche und nicht für jedes Produkt (Seite 78).
Branding ist kompliziert, und die simple Kampagne so mancher Agentur wird dem Thema auf
Dauer sicher nicht gerecht. Der Kunde war nie
einfältig, auch wenn ihn die Werbung oft gern so
darstellte. Der Konsument der Wissensgesellschaft ist es schon gar nicht. Informiert und
wertorientiert wie er ist, macht er die schwierige
Markenbildung künftig noch ein wenig komplizierter: Er will das verbindende Label – bei
größtmöglicher Individualität. Das geht nicht?
Geht nicht, gibt’s nicht.
Foto: Britta Max
McK Wissen 03
Susanne Risch,
Chefredakteurin
[email protected]
Zitat auf der Titelseite: Branding-Experte Jerry Tatoo
Seiten: 2.3
Inhaltsverzeichnis
McK Wissen 03
Seiten: 4.5
1
Branding-Definitionen
Eine immaterielle Summe. Eine bewusst erzeugte Narbe. Hört sich gefährlicher an, als es ist.
Seite: 6
2
Marketing für Arme
Kein Budget für aufwändige Kampagnen? Machen Sie Ihre Marke doch mit Guerilla, Viren und Ideen.
Seite: 8
3
Noch einmal mit Gefühl
„Alles unter einem Dach“ hieß die Karstadt-Devise in der Vergangenheit.
So wurde die Marke groß und bekannt – und flach. Jetzt stellt sich der Warenhauskonzern ganz neu auf.
Seite: 14
4
Mega-Momentum
Kopf oder Bauch? McKinsey-Director Hajo Riesenbeck und Werbeagenturchef Holger Jung im Gespräch.
Seite: 22
5
Die Mär von La Mer
Die Produkte sind toll, die Geschichten noch besser. Die Mythen, die sich um die Creme de La Mer
ranken, klingen wie Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Liegt darin das Geheimnis ihres Erfolgs?
Seite: 30
6
Untergang überlebt
Das Unternehmen AEG verstarb 1996. Die Marke erfreut sich bis heute bester Gesundheit.
Seite: 36
7
Olympische Spiele
Welche Berühmtheit zu welchem Produkt passt, verrät das Brand Personality Gameboard.
Seite: 44
8
Paarlauf mit Tücken
Sie sind nur als Bestandteile von Produkten zu kaufen, nicht allein. Doch die Beispiele Intel,
Goretex oder NutraSweet zeigen, dass auch Ingredient Brands zu Weltmarken werden können.
Seite: 52
9
Was wirklich zählt
Rüdiger Schmitz-Normann über die Tristesse eines Lebens ohne Marken.
Seite: 60
10 Marke, streck dich!
Maggi-Wasser? Marlboro-Joghurt? Die Versuchung, eine etablierte Marke auf immer mehr Produkte
auszudehnen, ist groß. Doch Brand Stretching hat seine Grenzen.
Seite: 72
11 Von 40 auf 80
Das kleine Branding-Einmaleins: So viel Potenzial hat Ihre Marke.
Seite: 76
12 Alles nichts, oder?
Marken sind das Größte. Aber längst nicht für jede Branche und für jedes Produkt.
Seite: 78
13 Wussten Sie, dass …
… M&M’s ein Produkt des Spanischen Bürgerkriegs sind? Mehr Überraschungen.
Seite: 84
14 Minister für Markenqualität
Seine ersten Kunden waren die Beatles, heute macht er Nationen zu Marken.
Ein Gespräch mit Branding-Legende Wally Olins.
Seite: 88
15 Marken-Politik
Wie inszeniert man Bürgerbeteiligung? Wie Demokratie? Ein Wettbewerb.
Seite: 96
16 Mutter. Rostfrei.
Gleich zwei Firmen haben die Lizenz, das Schweizer Messer herzustellen und zu vermarkten.
Seite: 100
17 Grün war die Hoffnung
Stell dir vor, Beck’s gehört den Belgiern, und keiner kriegt es mit: In aller Stille wechselte die
Bremer Brauerei Beck & Co 2001 den Besitzer. Der Weltmarke hat die Übernahme nicht geschadet.
Seite: 104
18 Frieden an der Fettfront
Margarine oder Butter? Ein Glaubenskrieg. Er wütet seit Jahrzehnten.
Seite: 112
19 Eine Frage der Zeit
Global Branding in Reinform ist nur ein schöner Traum, behauptet der Marketingexperte Heribert Meffert.
Seite: 118
20 Schlechte Zeiten, gute Zeiten?
Einst Kult, dann tot. Jetzt feiert die deutsche Brause Afri-Cola gleich ein doppeltes Comeback.
Seite: 120
Köpfe
Seite: 128
Impressum
Seite: 130
Inhalt
Begriffsklärung
McK Wissen 03
Seiten: 6.7
1 Branding-Definitionen
„Branding (to brand = einem Rindvieh den Stempel des Eigentümers einbrennen) ist der Prozess, bei dem eine für
beide Seiten förderliche und nützliche beziehungsweise Gewinn bringende Beziehung zwischen der gastronomischen
Marke und dem Gast hergestellt, verstärkt und aufrechterhalten wird. Eine erfolgreiche Marke bietet ein so hohes
Maß an Qualität, ist so anziehend und vertrauenswürdig, dass sie Gefühle der Zuneigung und Loyalität hervorruft und
Gäste bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen, als dem Produkt an sich angemessen wäre.“
www.abseits.de/branding.htm
„Branding ist ein neuer Trend, der sich seit ein paar Jahren immer weiter
bei uns durchsetzt. Es hört sich gefährlicher an, als es ist.“
www.body-temple.de
„Um mit Gertrude Stein zu sprechen: Eine Marke ist eine Marke, ist eine Marke.“
Al Ries, US-Marketing-Experte
„First Law of Media Hype: Just because you’ve heard about it doesn’t mean it’s well-branded.
Branding and awareness are not the same thing.“ Rob Frankel, US-Branding-Spezialist
„Ich habe kein Marketing gemacht. Ich habe immer nur meine Kunden geliebt.“
Zino Davidoff (1906–1994), Schweizer Zigarrenhersteller
„In der Fabrik stellen wir Kosmetikartikel her; aber über die Ladentheke verkaufen wir Hoffnung.“
Charles Revson (1906–1975), Gründer von Revlon
„Branding ist die immaterielle Summe der Attribute eines
Produkts: sein Name, Verpackung und Preis, seine Geschichte, seine
Reputation und die Art, wie es beworben wird.“
David Ogilvy (1911–1999), Mitbegründer von Ogilvy & Mather
„Brand ist das proprietäre, visuelle, emotionale, rationale und kulturelle Image, das jemand mit einem Unternehmen
oder einem Produkt assoziiert.“ www.brand.com
„Die meisten neuen Marken sind aus markentechnischer Sicht
Rohrkrepierer.“
Professor Franz-Rudolf Esch, Institut für Marken- und Kommunikationsforschung, Justus-Liebig-Universität Gießen
Marken = im Geschäftsverkehr benutzte Mittel zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten
Unternehmens mit dem Ziel, diese Produkte von denen anderer zu unterscheiden. Der Große Brockhaus in einem Band
„Es wird in Zukunft wieder eine Menge No Names geben, Produkte,
die sich über andere Eigenschaften verkaufen als über Marken.“
Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher, Gründer des Zukunftsinstituts in Kelkheim bei Frankfurt am Main
Alternativer Markenaufbau
Text: Ralf Grauel
2
McK Wissen 03
Seiten: 8.9
Marketing für Arme
Am Anfang dieses Artikels lesen Sie, wie Sie mit Guerilla-Technik, Virus-Marketing und guter Werbung
für vergleichsweise wenig Geld relativ viel Marke machen.
Am Ende steht, was Sie mit 30 Cent und einer wirklich genialen Idee erreichen.
Alternativer Markenaufbau
Text: Ralf Grauel
Foto: Jägermeister / Britta Max
Damit wird man Chef von Ibiza: Jägermeister-Devotionalien
McK Wissen 03
Seiten: 10.11
Wenn es auch einfach geht, schlägt Uwe Deese Kapriolen. „Wir sind
euphorische Kultmarkenfetischisten“, sagt er ins Telefon. Die Frage war,
wieso seine Agentur Megacult so gern für Jägermeister arbeitet. Kurze
Pause, dann merkt er selbst: „Eigentlich hätte ich auch Fans sagen
können, oder?“
Fünf Minuten später hat man den Eindruck, man könne auch seine
Großmutter kaufen. Ab der sechsten Minute landet der Geschäftsführer
der Kölner Agentur regelmäßig auf dem Fußballplatz und gibt sich als
beinharter Borussia-Dortmund-Fan zu erkennen. Und so entspannt man,
taucht in den Verbalkarneval zwischen Ruhrgebiet und Rheinland ein und
merkt, Deese will einfach nur nicht langweilen. Andere nicht, und am
wenigsten sich selbst.
Im Moment lässt er es für Jägermeister krachen. Seit fünf Jahren rührt
Ex-Tchibo-Syndikus Hasso Kaempfe als Vorstandsvorsitzender der MastJägermeister AG die Marketing-Mischung des Kräuterlikörs mit neuen
Zutaten an. „Mal mit einer Marke bis auf den Boden durchdringen“, sagt
Kaempfe. Und 2001, beim Schlager-Move in Hamburg, der norddeutschen
technofreien Love Parade, „haben wir die komplette Flöte gefahren“, sagt
Uwe Deese.
Jägermeister nahm mit einem eigenen Wagen am Umzug teil. Megacult
vermittelte den Hamburger Veranstaltern geeignete TV-Partner und
gestaltete die Plakate und Anzeigen markenkompatibel um. Auf dem
Heiligengeistfeld stand ein orangefarbener dreigeschössiger Partykubus,
der so genannte Hochsitz, „den wir als vordergründiges Event-Tool
entwickelt haben“. Das Tool „füllten“ sie „auf der zweiten und dritten
Ebene mit PR-Inhalten“, sprich in einer ebenfalls orangefarbenen, von
Rudolph Moshammer entworfenen Lounge konnten „VIPs und JägermeisterVerwender“ die Marke entdecken, also trinken.
Dann kam der Orange Raid, der orangefarbene Überfall. Der kam so gut,
dass die Veranstalter sich überrollt fühlten, denn unter dem angemeldeten
Sampling hatten sie sich etwas anderes vorgestellt. Statt kleiner Fläschchen
verteilten die „Jägerettes“, so heißen die Promotion-Leute, dermaßen viele
Mützen, T-Shirts und Pullis an die Menge, dass Bilder und Berichte keinen
Schlager-Move mehr dokumentierten, sondern eine riesige JägermeisterFete. Eine Woche später schickten die Veranstalter der Berliner Love Parade
eine präventive Abmahnung, falls man ähnliches Guerilla-Marketing im
Tiergarten plane.
Mehr als 70 Prozent seines Marketing-Etats gibt
Jägermeister weltweit für Promotions aus, schätzt
Kaempfe, damit liegt er im Trend ganz vorn. Die
Werbeetats entfernen sich nämlich stetig von
Above-the-Line (z. B. Print, TV, Radio), sie gehen
zurück in den Markt, Below-the-Line. Und das
macht Megacult. Marketing hart an der
Zielgruppe.
Einmischen, untermischen, Pröbchen verteilen,
Skandale ansetzen, Beziehungen stiften, Kult
anzetteln, den Fan zum Werbeträger umfunktionieren und ihn „richtig packen“, wie die
Branche für sich selbst wirbt. Werbung unter der
Gürtellinie. Laut, direkt, auf Vollkontakt. „Belowthe-Line im Aufwind“, vermeldet das Fachblatt
Absatzwirtschaft im November 2002, mitten in
der Werbeflaute.
Und so gewinnen PR und ein paar illustre
Seitenarme der Verkaufsförderung an Etatbedeutung. Da gibt es das Virus-Marketing, ansteckende
Werbung, die der Verbraucher überträgt. Erfolgreich: die Kampagne für den Film „The Blair
Witch Project“ und die millionenfach heruntergeladenen „Wassup“-Spots von Budweiser.
Wirksam, aber gefährlich: selbst eingefädelte
Skandale (Angela Merkel im Sixt-Cabrio). Die
Mechanik ist immer die gleiche, nämlich minimaler Einsatz für maximale Wirkung.
Dabei sieht der Jägermeister-Mix gar nicht so
minimal aus. Der Likör mit dem Hirsch und
dem Kreuz im Logo sponsert Feuerwehrfeste,
tourt durch Kneipen, präsentiert die deutsche
Meisterschaft für Hirschrufer, fördert NachwuchsBands (in den USA mehr als hundert, die mittlerweile erfolgreichen Gruppen Slayer, Nickelback und Bloodhound Gang profitierten davon),
veranstaltet Konzerte und lässt vom SMS-
Leuten, die man auf einer Liste eintrug. Der Rabatt wurde jedoch erst dann
wirksam, wenn die Freunde ebenfalls MCI-Kunden wurden. Der Clou:
Nicht der Kunde selbst, sondern ein Mitarbeiter der Telefongesellschaft
telefonierte die Liste ab und fragte die Freunde, ob sie nicht MCI-Kunden
werden wollten, um ihrem Bekannten einen Rabatt zu ermöglichen. „Das
funktionierte in neun von zehn Fällen“, gestand ein MCI-Vertreter dem
US-Magazin Consumer Reports.
In seinem Buch „Der Tipping Point – Wie kleine Dinge Großes bewirken
können“ beschrieb der amerikanische Autor Malcolm Gladwell minutiös,
wie Krankheitswellen, Selbstmord-Epidemien und Trendkampagnen
denselben Mustern folgen. Spätestens seit Seth Godins Nachfolgetitel
„Unleashing the Ideavirus“ dreschen US-Marketer soziobiologische Metaphern, und es grassiert eine neue Epidemie: Virus-Marketing.
Gerade testet Procter & Gamble (P & G) im US-Markt die neue Marketing-Einheit Tremor, um mit Mundpropaganda und One-to-One-Marketing
jugendliche Massenmärkte zu erreichen. P & G arbeitet noch an der Liste
mit 200 000 Multiplikatoren im Teenager-Alter, die Produkt-Coupons und
Auch für Viren gibt es Grenzen
Informationsmaterial erhalten. Den Rest soll Mutter Natur erledigen:
Nun gut, mag man einwenden, Jägermeister „fährt die ganze Flöte“ und „Wenn wir alles richtig machen“, so Tremor-Chef Steve Knox, „werden
spart Werbegeld durch Guerilla-Marketing. Aber was tun, wenn man die Jugendlichen aus freien Stücken über unsere Produkte sprechen. So sind
statt Schnaps Töpfe oder Haushaltsreiniger produziert? Kult ist da die Jugendliche, das steckt in ihren Genen.“
Antwort. Es geht um den Hebel, also darum, die Mittel der Marke Dennoch gibt es Grenzen, auch für Viren. Unreife Produkte werden bei
punktgenau dort anzusetzen, wo sie gesellschaftlich bereits vorhandene der Fortpflanzung scheitern. Im Kern des Erfolges steckt immer eine
Eigenkräfte umlenken. Manche Produkte sind da so auf dem Punkt, dass Innovation. Ein Bruch, eine Rekombination, die Vermählung zweier
sie fast kein Marketing benötigen. Das ist immer dann der Fall, wenn Komponenten, die zu kreuzen bisher niemand wagte. Gelingt diese Kreuzung, geht das Produkt seinen Weg fast von allein. Eine additivfreie ZigaVertrieb, Produkt und Marke verschmelzen.
Beispiel Tupperware, die wohl größte Konsum-Community weltweit mit rette über Bioläden zu vertreiben zum Beispiel, wie im Fall von
einem geschätzten täglichen Umsatz von drei Millionen US-Dollar. Es gibt Natural American Spirit. Anfang 2002 verkauften die Gründer ihre vor
keine Werbung, kaum Marketing. Das Prinzip Tupperware wird vor allem allem in den vergangenen fünf Jahren stark gewachsene Marke an den
bestimmt durch den sozialen Druck, sich für den Kaffee, den Kuchen und Zigarettenkonzern R. J. Reynolds. Der Kaufpreis betrug 354 Millionen
die Gastfreundlichkeit der Gastgeberin irgendwie revanchieren zu müssen. US-Dollar, fast das Dreifache des Jahresumsatzes.
Tupperware vereint Vertrieb, Zielgruppe und ihre sozialen Regeln zu einem Oder die Marke Frosch, der Joschka Fischer unter den Haushaltsreinigern.
perfekten Plastikvirus. Das Einzige, was der Hersteller ins System einspeist, 1985 ließ sich der spätere Außenminister im hessischen Landtag in
ist Ware. Und die Spielregeln, nach denen sie verteilt wird. Alle 2,7 Turnschuhen vereidigen. Ein Jahr darauf platzierte die Muttergesellschaft
Erdal ihren Frosch als neuen Regalfreund sympathisch und selbstbewusst
Sekunden findet irgendwo auf der Welt eine Tupper-Party statt.
Zweites Beispiel MCI. Mit dem Produkt MCI Friends And Family Calling zwischen den dominanten Hausgeistern Meister Proper und Ajax. „Frosch:
Circle schuf die amerikanische Telefongesellschaft 1991 ein raffiniertes Das kleine grüne Wunder“ lautete der Claim damals. „Wir reduzierten das
Verpackungsmaterial, das haben wir als Preis weitergegeben. Die
Rabattsystem: 20 Prozent Ermäßigung gab es auf Ferngespräche mit
Wettbewerb bis zum Radioformat mit Großschnauze Nils Ruf nichts aus,
um euphorische Fusionen mit der Zielgruppe zu initiieren und „qualitativ
hochwertige Kontakte“ („Was haben wir gefeiert!“) für die Marke zu
produzieren.
Der Clou liegt woanders: Jägermeister steckt durch den Markenkarneval
nach all den Jahren so tief drin, dass die Kundschaft nicht nur „Hier!“
schreit, wenn es Mützen regnet, sondern selbst zahlt, um Werbung für den
Magenbitter zu laufen. Badelatschen, Bademäntel und Snowboards,
Thermoskannen, orangefarbene Perücken, röhrende Wecker, Bettwäsche,
sogar Java-Scripte zum Herunterladen gibt es im Hirschdesign. „Auf Ibiza
jogge ich im orangefarbenen Trainingsanzug über den Strand und bin der
Chef“, sagt Uwe Deese. Mehr als 50 verschiedene Fan-Artikel gehen von
Wolfenbüttel aus in die Welt, in drei Jahren eine halbe Million. Ende
November hat dort der erste Jägermeister-Shop eröffnet. 1,5 Millionen
Euro Umsatz macht Jägermeister mit Merchandising, Tendenz steigend.
Alle 2,7 Sekunden auf einer
Party: Tupperware
Alternativer Markenaufbau
Text: Ralf Grauel
Werbung war schwarz-weiß gehalten, immer etwas billig, wir haben
höchstens Viertelseiten geschaltet“, beschreibt Senior-Brand-Managerin
Brigitta Hay-Hüter die Mikrokampagne. Kleiner Frosch, kleines Budget,
große Glaubwürdigkeit.
Heute irrt jeder, der meint, er greife zu einer Underdog-Marke, wenn er
Frosch kauft. Frosch ist seit Jahren Marktführer im Segment Haushaltsreiniger. Der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) belohnte
den Markencharakter dieses Jahr mit einem silbernen Effie, dem Preis für
effiziente Werbung. „Es ist immer der Charakter“, sagt Oliver Hoffmann,
Geschäftsführer der Consell Gruppe, die die Frosch-Kampagne ersann.
„Der Frosch war schon immer ein Sympathieträger, klassisches Kindchenschema“, sagt Hoffmann.
Besser, billiger oder glänzender zu sein sind heute die Hausaufgaben für
jedes Produkt. Darüber hinaus muss sogar ein Spülmittel radikal anders
sein. Und das auf eine Weise, die gefällt. Jede erfolgreiche Marke besetzt
eine emotionale Nische im Herzen der Verbraucher. Der Frosch, allein
durch sein Dasein, verkörpert diese Nische im Regal. Im Direktvergleich.
Öko und Spaß versus Glanz und Kontrolle. Die Auslöser für Konsum
bleiben konstant: Durst, Sucht, Partylaune, Sozialneid oder Spaghettireste
am Teller. Die Entscheidung fällt der Bauch. Marken kämpfen nicht um
Aufmerksamkeit. Marketing ist ein Kampf um Liebe. Um Bindung.
Das weiß man auch beim Spieleentwickler Acclaim: „Im Vordergrund
stehen immer Titel wie Lara Croft“, sagt Jean Marc Behle, Marketingleiter
für Deutschland, Österreich, Schweiz. „Um sich gegen starke Lizenzen
durchzusetzen, müssen Sie mit Ideen dagegengehen.“ Acclaim setzt auf
Skandale. Das adoleszente Publikum steht darauf. In England übernahm
Acclaim zur Einführung des sinistren Videospiels Shadow Man die
Kosten für Bestattungen, wenn die Angehörigen dafür der Werbung auf
Grabsteinen zustimmten. Für das Steinzeit-Ballerspiel Turok suchte das
Softwarehaus Freiwillige, die ihren Namen ein Jahr lang in Turok ändern
lassen. Der Lohn: 785 Euro, eine Xbox und ein paar Spiele. „Das ging
durch die ganze Yellow Press“, erzählt Behle. Die Produkte werden auch
ganz normal in Spielemagazinen beworben. Die Skandal-PR aber trägt den
Namen des Spiels und des Herstellers in den Mainstream. Die Spiele sind
nicht nur gut oder cool, sie werden rebellisch. Der Nimbus des Rebellen
ist immer gut. Damit schafften es auch Nike und unzählige andere.
McK Wissen 03
Seiten: 12.13
Heute baut Acclaim die Skandale direkt in die Spiele ein. Beim FunsportVideospiel BMX XXX kann sich der Spieler je nach Punktestand extra
dafür gedrehte Strip-Shows angucken. In den USA stiegen Wal-Mart,
Toys’R’Us und KB Toys natürlich sofort aus dem Vertrieb aus. Diese
Reaktion ist für Acclaim ähnlich wertvoll wie der schwarz-weiße Aufdruck
„Parental Advisory: Explicit Lyrics“ auf HipHop-Platten, die glaubwürdig
sein wollen. Ein Ereignis inszenieren und die Marke reinsetzen, lautet das
Gebot. Besonders beliebt war die Skandal- und Guerilla-PR in den Anfangstagen der Internet-Start-ups. Da verflog sich zum Beispiel ein Fallschirmspringer über einem Stadion und landete versehentlich nicht auf dem Parkplatz davor, sondern auf dem Rasen, mitten im Spiel Borussia Dortmund
gegen 1860 München.
der Geschäftsführer der PR- und Below-the-LineAgentur Zucker Kommunikation. „Wenn die
Aktionen nichts mit der Marke zu tun haben,
bringt das überhaupt nichts.“
Zucker Kommunikation sei da schon weiter. Die
Firma hat etwas entwickelt, das man auch
„Mystery Branding“ nennen könnte: Die Agentur
verteilt Gegenstände an öffentlichen Orten. Ein
wenig gebrandet, doch immer so subtil, dass sie
für private Fundstücke gehalten werden. Mehr
will Kottwitz nicht erzählen. Nur so viel: Die
Aktion ist sehr langfristig, aber leider nicht ganz
billig. Dafür wirksam.
„Aber wissen Sie, was die billigste Aktion aller
Zehn Millionen Euro für ein Käsebrötchen
Zeiten gewesen sein muss?“, fragt Kottwitz.
Oder man denke an Prinz Ernst August, dessen Konterfei in der Hochphase „Das Käsebrötchen bei Ebay!“ Ein User namens
seiner Prügelskandale in einer Anzeige für ein Handy-Auktionshaus auf- e-nike wollte im März über das Internettauchte. Ernst August verklagte das Start-up wie erhofft über seinen Auktionshaus ein halbes Käsebrötchen versteiStaranwalt Matthias Prinz. Die Kosten für die außergerichtliche Einigung gern. Nach zwölf Stunden waren zehn Millionen
dürften jedoch weit unter dem Wert der Medienberichterstattung gelegen Euro geboten, und Ebay musste die Notbremse
ziehen. Die Geschichte ging um die ganze Welt,
haben. Die erreichte über RTL, Sat.1 und Pro Sieben nämlich Millionen.
Hinter beiden Aktionen stand 12Snap. Ein Jahr später änderten die durch Presse, Funk und Fernsehen. Im Kern der
Münchener ihren Geschäftszweck von Handy-Auktionen zu Mobile Storys stand die Begeisterung für InternetMarketing, sodass ihnen die damaligen Flausen heute zugute kommen. versteigerungen. Am Rande konnte Ebay klar„Ach, Sie waren das damals“, hören sie bei Geschäftskunden. Die Guerilla- stellen, wie solide das Geschäftsmodell sei und
Aktionen waren zwar durch die Presse gegangen, dennoch hatte sich wie solche Ausbrüche bei ihnen gehandhabt
kaum einer den Namen des Unternehmens gemerkt. Und hier liegt das werden. „Hundert Prozent auf die Marke einProblem: Solche Aktionen fallen zwar auf, sie verschleiern aber nur allzu gezahlt“, schwärmt Kottwitz: „Und das für, na,
oft ein lahmes Produkt. Und wenn die Überfälle nicht von dauerhaften sagen wir 30 Cent.“
Kampagnen begleitet werden, verblitzen sie am äußeren Rand des
Blickfeldes der Verbraucher. Guerilla-PR ist kurzlebig. Folgt kein Gespräch,
gibt es auch keine Beziehung.
„Ach, es ist schlimm. Uns rufen dauernd irgendwelche Produktmanager
an, weil sie 10 000 Euro übrig haben, mal was über Skandal-PR und das
Blair Witch Project gelesen haben und jetzt auch mal was mit GuerillaMarketing machen wollen“, nörgelt Oliver Kottwitz ins Telefon, einer
Karstadt
Text: Harald Willenbrock
McK Wissen 03
Seiten: 14.15
Noch einmal
mit Gefühl
3
Der Karstadt-Konzern steht vor einer Herausforderung. Fast jeder Deutsche kennt die Marke –
aber zu wenige kaufen in einem der rund 190 Warenhäuser ein. Der Marke fehlt es an emotionalem
Wert. Das ist nicht gut, denn gerade Gefühle entscheiden über Kauf oder Nichtkauf. Ein neues
Markenkonzept soll nun den Umschwung bringen.
Karstadt
Text / Foto: Harald Willenbrock
Was nur, was?
Der Teenager in Sneakers und Cargo Pants, der in der Multimediaabteilung Außerirdische killt; die Versace-kostümierte Mittfünfzigerin –
Arztgattin? –, die in der Dekogalerie Stoffe befühlt, als wären es unreife
Früchte; der Trenchcoat-Aktentaschen-Budapester-tragende Geschäftsmann, der in seiner Mittagspause die Rolltreppe zur Herrenoberbekleidung
hochflitzt; und, natürlich, all die anderen.
Was bewegt sie? Was treibt sie hierher?
Anders gefragt: Was saugt 2,5 Millionen Bundesbürger aus allen Bevölkerungsschichten, Altersgruppen, sozialen Milieus Tag für Tag in die rund 190
Karstadt-Häuser der Republik? Was suchen sie dort, was finden sie und,
fast noch wichtiger: Wieso geht der Rest zur Konkurrenz?
Michael B. Prothmann würde einiges für die Antwort geben. Das heißt,
im Prinzip kennt er das Problem, jetzt muss eine Lösung gefunden
werden, und das sagt sich leichter, als es ist. „Karstadt hat ein Markenproblem“, erklärt der Karstadt-Marketingdirektor und faltet die Hände im
Nacken. Um ihn herum gletscherweiße Wände, ein strahlend weißer
Konferenztisch und transluzide Paravents, die seinen Arbeitsplatz von der
Stechpalmen-Raumteiler-Wuselei draußen abschirmen. Einziger Schmuck
im Büro des 41-Jährigen sind ein Quadratmeter monochromes Blau an der
Wand („Yves Klein, selbst gemacht“) sowie eine Batterie polierter Steine,
die Papierstapel niederhalten.
Prothmann hat diese Denkerzelle vor eineinhalb Jahren bezogen, als er
von der Markenagentur Grey in Düsseldorf zur Karstadt-Hauptverwaltung
in ein Essener Gewerbegebiet wechselte. Seitdem erfährt er jeden Morgen
auf dem Weg zum Fahrstuhl, wie es um seinen neuen Arbeitgeber gerade
steht. „Aktueller Aktienkurs 17,27 Euro (12-Monats-Hoch: 44,74 Euro)“,
flimmerte es heute über den Großbildmonitor in der Lobby, und:
„Umsatz: -2,8 Prozent.“
Prothmann muss das ändern, schnell, und deshalb hat sich der ehemalige
Grey-Geschäftsführer die Marke Karstadt vorgenommen. „In unsicheren
Zeiten wie diesen“, erklärt er, „sucht der Verbraucher nach Ikonen, die ihm
Halt geben, und da sind Marken der Fels in der Brandung.“ Marken
wirken wie Magneten, die viele Menschen magisch anziehen, einige
McK Wissen 03
Seiten: 16.17
abstoßen, die meisten aber unberührt lassen, weil ihre Kraftfelder sie
nicht erreichen. Je schwächer eine Marke, desto härter der Kampf mit der
Konkurrenz. Eine stärkere Marke wiederum bedeutet: ein größeres
Magnetfeld, mehr Umsatz, höheren Gewinn.
Wie nachhaltig solche Magneten wirken, könnten zum Beispiel die
Manager von PepsiCo berichten, deren Brause in Blindtests häufig besser
als Coca-Cola abschneidet, trotzdem aber nicht einmal auf die Hälfte
des Coca-Cola-Marktanteils kommt. Und wieso – wenn nicht dank der
Marke – verkauft sich der VW Sharan in Deutschland so viel besser als
der Seat Alhambra, obwohl beide technisch fast identisch sind? Für
Professor Andreas Herrmann von der Universität St. Gallen ist das
Konzept Marke die logische Fortsetzung des (Umsatz-)Krieges mit anderen Mitteln. „Auf der Ebene der Facts and Features lassen sich heute
einfach kaum noch Wettbewerbsvorteile erzielen“, erklärt der Markenexperte, „und selbst wenn ich mir heute noch einen Produktvorteil
erarbeite, hat ihn spätestens morgen auch mein Konkurrent. Also versucht
man, etwas um den Produktkern herumzuspinnen.“
Was wäre Gucci minus Marke? Nichts
Dieses Etwas sind Marken, und die haben derzeit Hochkonjunktur. Einer
Umfrage unter 400 deutschen Unternehmen zufolge verkörpern wirkungsvoll gesteuerte Marken im Schnitt mehr als 50 Prozent des Gesamt-Unternehmenswertes. Die Marke Coca-Cola zum Beispiel ist (wenn man dem
aktuellen Interbrand-Ranking glauben darf) aktuell knapp 70 Milliarden
Dollar und damit fast so viel wert wie die Marken General Electric und
Intel zusammen. Volkswagen dagegen kommt auf einen relativ geringen
Markenwert von nur 7,2 Milliarden, Apple auf 5,3 und Armani auf 1,5
Milliarden Dollar.
Klar ist: Starke Marken schlagen sich besser an der Börse, schwache
geraten eher unter die Räder einer Rezession. Gelingt es einem Unternehmen, eine starke Marke zu etablieren, winkt ein deutlich höherer
Umsatz, wenn sich das positive, einzigartige Bild der Marke, das die
Konsumenten vor Augen haben, anschließend in konkretem Kaufverhalten
niederschlägt. „Die Assets sind in die Köpfe gewandert“, umschreibt es
Andreas Herrmann, „was zum Beispiel wäre das Unternehmen Gucci
minus die Marke Gucci? Nichts.“
Literatur:
David A. Aaker/Erich Joachimsthaler:
Brand Leadership. Financial Times Prentice
Hall, München, 2001; 352 Seiten;
49,95 Euro
Heribert Meffert: Marketing – Grundlagen
marktorientierter Unternehmensführung.
Gabler Verlag, Wiesbaden, 2000;
1472 Seiten; 39,90 Euro
Philip Kotler/Friedhelm Bliemel:
Marketing-Management – Analyse, Planung
und Verwirklichung. Schäffer-Poeschel
Verlag, Stuttgart, 2001; 1361 Seiten;
39,95 Euro
Andreas Herrmann: Produktmanagement.
Verlag Vahlen, München, 1998;
587 Seiten; 35 Euro
Oliver Hupp (links), Projektleiter bei der Gesellschaft für Konsumforschung hat die Vorlage geliefert.
Die Befragung von 2000 Konsumenten sorgte für „schöne, runde Ergebnisse“ – und bildete
die Basis für das neue Karstadt-Markenkonzept, das Marketingdirektor Michael B. Prothmann ab
Frühjahr 2003 umsetzen will.
Karstadt
Text: Harald Willenbrock
Weil sich der Inhalt von Köpfen schwer ermessen lässt, kursieren über den
Mythos Marke viele Vermutungen und kaum Gewissheiten. Was genau,
zum Beispiel, ist eigentlich eine Marke? „Der zentrale, das Unternehmen
steuernde Gedanke“, wie Alexander Luckow von der Markenberatung
Enterprise IG glaubt? Oder der „inkrementelle Nutzen“ („die imaginärsymbolischen Nutzen-Komponenten eines Produkts, die über die praktischfunktionalen hinausgehen“ – so David Aaker, einer der führenden
Markentheoretiker der USA)? Sind es „Eigenschaften, die nicht zwingend
aus der Funktionalität eines Produktes hervorgehen, aber das Pendant zu
einer Persönlichkeit ergeben“ (Professor Andreas Herrmann)? Oder ist es
das „in der Psyche des Konsumenten verankerte, unverwechselbare Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung“, wie Deutschlands Markenpapst Professor Heribert Meffert meint?
Die Marke Karstadt, das sind zig Millionen Marken-Facetten
Überschneidet man die zahllosen Definitionen, kommt man etwa auf das,
was der Designer Verner Panton einmal über Farben gesagt hat:
„Subjektive, physische Wahrnehmungen – sie existieren überhaupt nicht.“
Gelb zum Beispiel sei nur in unseren Gedanken gelb, meinte Panton.
Genauso steht Nike beim Teenager für etwas anderes als für den
Geschäftsmann; die Mittfünfzigerin hingegen verbindet möglicherweise
nicht einmal etwas mit dem Namen. Umgekehrt ist es mit Gucci, Nintendo,
Tupperware und all den anderen, ungezählten Marken, die um die
Aufmerksamkeit der Verbraucher rangeln.
Wofür aber steht Karstadt? In der Essener Theodor-Althoff-Straße 2, dem
Hauptsitz des Konzerns, war das bis vor ein paar Monaten nicht so klar.
„Es sind unheimlich viele Untersuchungen zur Marke Karstadt gemacht
worden – aber entweder im sehr abstrakten oder fundamentalen Raum“,
erinnert Prothmann. Hinzu kommt, dass Warenhausmarken im Gegensatz
zu Produktmarken „brutal komplex“ sind, wie Prothmann vorrechnet:
Wenn man einmal berücksichtige, dass eine Marke wie Karstadt in rund
190 Filialen, mehr als 100 Sortimenten, von 48 000 Mitarbeitern gelebt werde und man diese Faktoren miteinander multipliziere, komme man auf zig
Millionen Marken-Facetten.
Eine umfassende Markenanalyse, die der Konzern im Sommer 2001 unter
Leitung von Marketing- und Vertriebsvorstand Ralf Pohl gemeinsam
McK Wissen 03
Seiten: 18.19
Die Einkäufer
121 Jahre nach der Eröffnung des „Tuch-, Manufacturund Confectionsgeschäft Karstadt“ im mecklenburgischen
Wismar durch den Einzelhandelskaufmann Rudolph
Karstadt – Keimzelle des heutigen Karstadt-Imperiums –
teilen sich die Karstadt-Erben und die zum MetroKonzern gehörenden Kaufhof-Häuser gut die Hälfte des
deutschen Warenhausmarkts fast brüderlich. Karstadt
erwirtschaftete im Jahr 2001 rund 6,9 Milliarden Euro
Umsatz, Kaufhof vier Milliarden Euro Umsatz. Die weiteren
Konkurrenten – etwa Woolworth – spielen nur eine
untergeordnete Rolle.
Allerdings herrschen die beiden Großen über einen stetig
schrumpfenden Markt: Mit 3,5 Prozent Anteil am gesamten
Einzelhandelsumsatz sind die Warenhäuser heute etwa
wieder da angelangt, wo sie 1949 begannen (nachdem sie
zwischenzeitlich auf den dreifachen Anteil kamen;
1973 lag ihr Umsatzanteil bei 10,5 Prozent). Schuld, so die
Karstadt-Manager, seien vor allem Discounter und
Spezialisten wie Zara oder Douglas, die das klassische
Warenhaus heute von zwei Seiten bedrängten.
Immerhin: 96 Prozent der Deutschen kennen Karstadt, das
mit rund 190 Warenhäusern (inklusive Hertie, KaDeWe,
mit McKinsey auf den Weg bringt, ist der Versuch, dieses Mosaik abstrakt
und zugleich exakt zu ergründen. Erstmals sollen die Konturen der
Marke skizziert werden, und zwar nicht im Groben und Ganzen, sondern
für jedes Sortiment detailgenau im Vergleich mit den jeweiligen Wettbewerbern. „Unsere stärksten Konkurrenten“, erklärt Marion Steffen, die
Leiterin des Strategischen Marketings bei Karstadt, „sind nicht Warenhäuser, sondern Spezialisten wie Zara, H & M oder Douglas.“
Im Herbst 2001 schwärmen dann die Interviewer der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus und befragen gut 2000 Menschen
an 50 Karstadt-Standorten nach einem ausgefeilten Procedere. Wie
Röntgenapparate, die Freiwillige durchleuchten, scannen sie ihre Motive,
notieren ihre Wünsche und registrieren ihre Abneigungen. Lösen typische
Kunden aus der Masse der Karstadt-Käufer. Addieren sie zu Konsumenten-Typologien. Am Ende stehen „schöne, runde Ergebnisse“, wie es
Oliver Hupp, Projektleiter bei der GfK nennt, weil die Daten schlüssig,
plausibel und nachvollziehbar sind.
96 Prozent der Deutschen kennen Karstadt – aber sie
kaufen dort zu wenig
Für Prothmann und Steffen sind die Resultate indes alles andere als
erfreulich. Zwar ist die Marke Karstadt sensationellen 96 Prozent der
Deutschen bekannt (Steffen, stolz: „Da sind wir auf einem Niveau mit
Coca-Cola und McDonald’s“), und ein hoher Anteil von ihnen schaut auch
regelmäßig im Kaufhaus vorbei – aber, und das ist die Stelle, an der
Steffen die Stirn in Falten legt, sie kaufen dort verhältnismäßig wenig ein.
Mit anderen Worten: Karstadt hat ein gigantisches Potenzial – aber nutzt
es nicht. Wie ist das möglich? Auch darüber liefert die Markenanalyse
detaillierte Erkenntnisse. „Die Marke ist gewachsen, aber es sind ihr
keine emotionalen Werte eingelebt worden“, erklärt Steffen, „dummerweise sind emotionale Werte exakt jene, die über Kauf oder Nichtkauf
entscheiden.“
Die Ursache: Das Verhältnis von Karstadt zu den Deutschen, diesen mehr
als 120 Jahre alten Bekannten, war erkaltet, entfremdet, blass geworden.
Karstadt wusste nicht viel mehr über seinen Kundenstamm, als dass er
ziemlich genau den Bevölkerungsschnitt der Bundesrepublik abdeckte.
Wie aber soll man jemanden ansprechen, der in der Masse aufgeht? Im
Prinzip blieb dem Kaufhaus gar nichts anderes übrig, als die Republik
Wertheim und Alsterhaus) sowie gut 280 Spezialhäusern
(wie Runner’s Point, Wehmeyer und WOM – World of
Music) und insgesamt gut 55 000 Mitarbeitern in diesen
Bereichen als Europas größter Warenhauskonzern gilt.
Konzernmutter ist die KarstadtQuelle AG mit Sitz in Essen,
die durch die Fusion mit Deutschlands Universalversender
Nummer eins entstand. Dessen vormaliger Eigner, der
Pool „Madeleine Schickedanz“, hält mit 36,4 Prozent den
größten Anteil am Konzern.
Seit einiger Zeit expandiert Karstadt ins Immobilien- und
Financial-Services-Geschäft und ist (zusammen mit
der Deutschen Lufthansa) Eigner von Europas zweitgrößtem
Reiseveranstalter Thomas Cook. Jüngstes Baby des
Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Urban ist die Karstadt
Coffee GmbH, ein Joint Venture mit der US-Kaffeehauskette Starbucks, die Deutschlands Innenstädte
mit einem Netz von Kaffee-Trinkhallen überziehen soll.
Karstadt
Text: Harald Willenbrock
Charts: McKinsey & Company
regelmäßig und flächendeckend mit Prospekten zu bestreuen, in denen
sich für jeden immer irgendwo irgendetwas fand. Jene, die daraufhin bei
Karstadt vorbeischauten, suchten häufig vergeblich, denn auch die Kaufhäuser waren als Generalisten konzipiert und ähnelten eher Warenlagern
als Präsentationsräumen. Prothmann: „Dieses Konzept des ,Alles unter
einem Dach‘, das von uns lange penetriert wurde, führte zu einer Vermatschung des Markenbildes.“
Die Parfümabteilung zum Beispiel: Die Marke Douglas, härtester Konkurrent der Karstadt-Parfümerien, wurde von den Befragten mit so ziemlich
allem assoziiert, was eine gute Parfümerie ausmacht – Verführung, Wertigkeit, Individualität und so weiter. „Unser Profil hingegen“, so Prothmann,
„ist flach. Das ahnten wir auch schon vor der Markenanalyse, aber jetzt
wissen wir’s.“
Im Prinzip hätte Prothmann also an der Analyse der Karstadt-Schwächen
verzweifeln können – wenn sie ihm nicht auch gezeigt hätte, wie sie sich
in Stärken verwandeln lassen. Jetzt, da er die Kontur der Hausmarke
genau kennt, kann er sein Heer von Kommunikationsexperten mit einer
Kampagne beauftragen, die ihre Stärken stützt, die Schwächen ausbügelt.
In Zukunft können die Marketingmittel zielgenau statt mit der Gießkanne
verteilt werden. Sortiment, Warenpräsentation, Shop-Konzept, Architektur – alles wird, soll, muss sich ändern, wenn der Magnet Karstadt wieder
an Zugkraft gewinnen soll. Und natürlich müssen die 48 000 WarenhausMitarbeiter den Glauben an ihn wiederfinden.
An unglaublich vielen Schräubchen drehen
Klar ist für alle: Karstadt muss wärmer, menschlicher werden, vom
entfernten Bekannten zum Freund wachsen, der jeden Wunsch im Voraus
ahnt. „Staunen und Begeistern, dieses Nasen-Plattdrücken an der
Schaufensterscheibe wie in den Anfängen des Warenhauses, das wird auch
unsere Unique Selling Proposition sein“, sagt Prothmann. Wie so etwas
funktioniert, macht Volkswagen vor: Der Konzern hat für fast jeden
automobilen Wunsch ein spezielles Angebot – aber immer mit dem
Qualitätsversprechen „Volkswagen“ obendrauf. „Was wir überall und
immer geben müssen, ist der Grund-Mehrwert ,Karstadt‘. Um den zu
kommunizieren, drehen wir derzeit an unglaublich vielen Schräubchen“,
sagt Prothmann.
McK Wissen 03
Seiten: 20.21
Der McKinsey-Ansatz: Art – Science – Craft
Wie beschreibt man ein Phantom? Anders gefragt: Wie projiziert man eine diffuse
Vorstellung auf Papier? Und mehr noch: Wie verwandelt man dieses Phantombild in einen
funkelnden Diamanten, der Menschen bewegt, berührt, begeistert?
Wie eine solche Metamorphose aussehen könnte, haben Wissenschaftler vom
Marketing Centrum Münster, Deutschlands wohl renommiertestem Marketing-Forschungsinstitut, zusammen mit einem McKinsey-Projektteam erforscht. Ergebnis der Zusammenarbeit ist ein Set von Werkzeugen, mit denen sich erstmals nicht nur die Konturen
einer Marke nachzeichnen und ihre Umsatzpotenziale belegen, sondern auch Mittel und
Wege identifizieren lassen, mit denen sich das Potenzial effektiv ausschöpfen lässt.
Impact-based Brand Management nennt sich dieses neuartige System der Markenanalyse
und -führung, das unter anderem bei Karstadt zum Einsatz gekommen ist.
Am Anfang jeder Markenanalyse steht eine umfassende Konsumentenbefragung, wobei
nicht direkt nach der Marke gefragt (was angesichts des diffusen, in Teilen unbewusst
wirkenden Markencharakters zu verzerrten Ergebnissen führen würde), sondern um
die Ecke geforscht wird. Statt beispielsweise zu fragen, „Halten Sie VW für eine starke
Automarke?“, würden Marktforscher ihren Probanden fünf Automarken vorstellen und
fragen, welche Charakteristika sie mit jeder von ihnen verbinden.
Aus den Antworten lassen sich zuverlässige Aussagen über Relevanz, Wert und
Ausprägung einer Marke extrahieren. Zusammengefasst werden die Ausprägungen einer
Marke im so genannten Markendiamanten, einem Modell, das ein ganzes Set
aus rationalen und emotionalen, tangiblen und intangiblen Charakteristika abbildet.
Wer dieses Markenprofil an die fünf Stufen anlegt, die üblicherweise zu einer Kaufentscheidung führen, kann exakt feststellen, wo im Kaufprozess die Marke scheitert. Ist
sie schlicht zu unbekannt – oder kennt man sie zwar, aber vertraut ihr nicht? Was
ist mit jenen, die sie schon mal gekauft haben – warum entscheiden sie sich nicht ein
zweites Mal für sie? Und so weiter.
Zusammen mit den gewonnenen Erkenntnissen über Käufer-Typologien und empirischen
Daten lässt sich so eine effektive Strategie entwerfen, die Schwächen einer Marke
gezielt ausgleicht und ihre Stärken herausstellt. Dabei lassen sich genau jene Faktoren
– die so genannten relevanten Treiber – identifizieren, die das Markenbild am
Und damit die Deutschen auch etwas davon mitbekommen, soll im
kommenden Frühjahr eine neue Markenoffensive gestartet werden, wie
der Marketingdirektor ankündigt – eine breit angelegte, millionenschwere
Werbekampagne, neue Sortimente, neue Store-Konzepte und besseres
„Visual Merchandising“, mit der sich die Marke Karstadt besser, stärker,
neu präsentiert. Ein erneuertes Freundschaftsangebot, wenn man so will.
Ist das dann die Antwort?
Prothmann winkt ab. „Auch im nächsten Frühjahr wird sicher keine
Welle fröhlichen Konsumrausches durch Deutschland schwappen.“ Wenn
Karstadt aber jetzt nicht anfange, aus dem ewigen Preisvergleich, dem
ewigen Kampf mit Rabatten herauszukommen, werde es für Konzern und
Marke sehr schwer. „Markenbildung ist ein Prozess ohne Anfang und
Ende“, sagt der Marketingdirektor lächelnd. Und klingt dabei nur ein
bisschen müde.
effektivsten voranbringen, es in die Köpfe der Menschen zurückspiegeln. Werbung,
Sortiment, Präsentation, Mitarbeiter – alle Faktoren, die ein Markenbild erzeugen, lassen
sich so strategisch nachjustieren.
So weit jedenfalls die Theorie.
In der Praxis entscheidet sich der Erfolg jeder Marke letztlich an der Konsequenz, mit der
sie gelebt wird. „Erfolgreiche Markenführung“, so McKinsey-Berater Jesko Perrey,
„besteht aus dem Dreisprung Art, Science und Craft, wobei Science für das Erschließen
der Potenziale und das Entwerfen wirksamer Konzepte, Art für die kreative
Umsetzung steht. Craft meint die Übersetzung der Strategie in alle Einheiten des Unternehmens. Mit anderen Worten: Craft verlangt einen langen Atem.“
Streitgespräch Jung / Riesenbeck
4
Text: Ralf Grauel
Foto: Jens Wiemann
McK Wissen 03
Seiten: 22.23
MegaMomentum
Die kreativen Ideen der Werber oder die objektiven Zahlen der Marktforscher – was zählt beim Branding?
Darüber diskutierte McKinsey-Director Hajo Riesenbeck (Foto links) mit Werbepapst Holger Jung.
McK: Herr Jung, Herr Riesenbeck, wussten Sie eigentlich, dass Sie beide
bei Unilever angefangen haben?
Holger Jung: (zu Hajo Riesenbeck) Ach. Wann waren Sie denn da?
Hajo Riesenbeck: Von Anfang 1976 bis 1979. In welcher Abteilung
waren Sie?
Jung: Ich war bei Union Deutsche Lebensmittelwerke, heute Unilever Best
Foods.
Riesenbeck: Ich war bei Lever Sunlicht, heute Lever Fabergé, zuletzt als
Produktmanager auf Sunil: „Gutes kann so preiswert sein“. (lacht)
McK: Was haben Sie damals gelernt?
Jung: Die Basis des Handwerks.
Riesenbeck: Ich habe gelernt, das Produktmanagement kritisch zu sehen.
Jeder neue Produktmanager, der sich profilieren will, macht einen Relaunch.
Jung: Darunter leiden wir heute am meisten: dass jeder neue Mann gleich
wieder alles verändert. Das ist das größte Problem. Ständig haben wir es
mit Leuten zu tun, die Nein sagen dürfen. Aber keiner darf Ja sagen.
McK: Sie beide beraten Unternehmen in Bezug auf Markenbildung –
allerdings von unterschiedlichen Seiten. Zentrale Arbeitsgebiete von
McKinsey sind Strategieentwicklung und Strukturierung von Organisationen. Jung von Matt entwickelt Kommunikation. Auch wenn sich beides
aufeinander zu bewegt: Werber sind etwas anderes als Unternehmensberater. Fangen wir vielleicht beim Thema Konkurrenzausschluss an.
Streitgespräch Jung / Riesenbeck
Text: Ralf Grauel
Foto: Jens Wiemann
Riesenbeck: Konkurrenzausschluss bei Agenturen ist meines Erachtens
kontraproduktiv. Wir sagen unseren Klienten: „Sucht euch die Agentur
danach aus, wie ihr mit deren Mitarbeitern harmoniert und wie sie in
einem analogen Fall das Kommunikationsproblem gelöst hat.“ Das ist sehr
viel effektiver als die gängige Wettbewerbspraxis, ein paar schöne Pappen
zu zeigen, um den Kunden zu überzeugen. Das wäre so, als müssten wir
als Berater die Antwort geben, bevor wir überhaupt begonnen haben, die
Probleme zu analysieren.
Jung: Es ist lächerlich, wenn wir einen Kunden wie Jever verlieren, weil
wir Diebels gewonnen haben. Obwohl wir beide an unterschiedlichen
Standorten betreuen und Jever unseren Spot nach sieben Jahren und
mehrfachen Agenturwechseln immer noch schaltet. Ein Riesenproblem ist
sicher auch die Kompetenzausweitung von Produkten, so dass Sie, wenn
Sie für Mars Viersen arbeiten, bis zur Erdnuss gesperrt werden. Wenn Sie
aber zum Thema Pitch kommen, sehen Sie den Unterschied zu Ihrem
Business. Bei Ihnen geht es größtenteils um sinnvolle Prozesssteuerung. Wir
müssen ein Produkt kreieren. Und dieses Produkt, die Kampagnen-Idee,
die einer Marke wahnsinnig nützen kann, entsteht manchmal besser
unter dem brutalen Druck einer Pitch-Situation.
Riesenbeck: Aber könnte man diesen Druck nicht vielleicht auch anders
erzeugen?
Jung: Es ist manchmal wie beim Boxkampf. Im Ring kommt es zu einer
Adrenalin-Extraausschüttung, und mit der klappt es besser.
Riesenbeck: Das Problem ist, dass im Pitch oft losgelöst von strategischen
Vorgaben gearbeitet wird. So sind wir als Unternehmensberater überhaupt
zum Thema Branding gekommen. Wir leisten strategische Vorarbeit,
definieren die Value Proposition und vieles mehr. Dann kommt der
Agentur-Pitch, es treten vier Agenturen an – und am Ende entscheidet der
Klient rein auf Basis der kreativen Leistung. Warum steigt man nicht
gemeinsam in den Ring, nach dem Motto: Gelenkte Kreativität ist besser
als freie Kreativität?
Jung: Ich gebe Ihnen nur bedingt Recht. Eine geniale Idee, die der Marke
wirklich etwas bringt, setzen Sie nicht mal eben so in die Welt. Bei einer
zu engen Prozesssteuerung bleiben die Juwelen gern mal links und rechts
am Wege liegen.
Riesenbeck: Das ist natürlich die Kunst. Wenn Sie die Korsettstangen zu
eng ziehen, entstehen langweilige Anzeigen: Die Aussagen sind zwar
McK Wissen 03
Seiten: 24.25
GLOSSAR
Awareness:
Auf Deutsch: Bewusstsein. Damit bezeichnet man ganz allgemein die Bekanntheit und
Wahrnehmung einer Marke innerhalb einer Zielgruppe.
Best Practice:
Der beste Weg, eine Leistung zu erbringen. In der Kommunikationsbranche, deren
Sparten wenig interdisziplinäre Standards kennen, ein Problem.
Cost Plus:
Internes Werkzeug bei Jung von Matt zur Erfassung der Werbewirkung und erfolgsabhängigen Vergütung der Agentur. In Zusammenarbeit mit dem Kunden werden vor Beginn
einer Kampagne quantifizierbare demografische Ziele für die Marke festgelegt. Über einen
Zeitraum von mindestens zwei Jahren wird die Werbewirkung der Kampagne (Image und
Bekanntheit) gemessen. Und bei Erreichen der Ziele entsprechend vergütet.
Effie:
Preis des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen (GWA) für effiziente Werbung,
der die Werbewirkung einer Kampagne belohnt. Berücksichtigt werden Verkauf,
Marktanteile und Imagewerte der beworbenen Marke. Gewinnt für Kreativagenturen
zunehmend an Bedeutung. Goldene Effies gingen dieses Jahr an Saatchi & Saatchi
für Audi und an Heimat für ihre Kampagne für die Baumarktkette Hornbach.
Value Proposition:
Das Werteversprechen einer Marke. Damit werden allgemein die immateriellen,
emotionalen und oft bindenden Faktoren einer Marke bezeichnet. In Produktgruppen,
deren Qualität sich immer mehr angleicht, übernimmt die Value Proposition
die Funktion des USP, der Unique Selling Proposition: „Alleinstellungsmerkmal“ und
„Verkaufsargument“ einer Marke.
Werbe-Monitoring, Imagetracking:
Zwei Begriffe aus der Werbewirkungsforschung. Der erste bezeichnet den Mediaeffekt,
also ob, wann und wie oft eine Kampagne überhaupt in der Zielgruppe wahrgenommen
wird. Der zweite Begriff verfolgt die Entwicklung der Beliebtheit einer Marke.
Beides kann über quantitative wie qualitative Methoden erhoben werden. Die Befragungen sollten jedoch getrennt voneinander stattfinden.
richtig, aber nicht faszinierend. Blättern Sie mal Wirtschafts- oder
Nachrichtenmagazine durch, da finden Sie reihenweise solche Anzeigen.
Man fragt sich, warum sie derart langweilig sein müssen.
McK: Was ist nun besser? Gemeinsam planen und entwickeln? Oder Druck
ausüben und auf die Kreation hoffen?
Jung: Schwer zu sagen. Wenn Sie sich einmal die beeindruckendsten
Markenleistungen anschauen, werden Sie feststellen, dass die kreativen
Köpfe dahinter immer auch geniale Strategen waren. Sixt, das Schulbuchbeispiel Nummer eins, war nur deshalb so perfekt, weil dort alles aus
einer Hand kam. Erich Sixt traf die strategische Grundentscheidung,
indem er sagte: „Ich setze auf Geschäftsreisende als mein Potenzial der
Zukunft.“ Das war die entscheidende Feststellung. Danach haben wir
losgelegt. Ohne diese Grundentscheidung wäre alles nichts geworden.
Riesenbeck: Und ohne Ihre kreative Leistung auch nicht. Insofern kam
eines zum anderen. Es gibt immer den einen Genialen, der in der
Badewanne die Superstrategie erfindet. Das kennzeichnet zwar viele
Unternehmer, aber wir wollen auch aus dem normalen Menschen einen
guten Strategen machen und ihm zu guter Werbung verhelfen. Dem
Mittelmaß zur Exzellenz zu verhelfen, das muss auch der Anspruch der
Agenturen sein.
Jung: Die Sache hat nur einen Haken, nämlich den Produktmanager, von
dem wir eingangs sprachen. Der wartet an der Schnittstelle von Strategie
und Inszenierung mit einer Liste von dem, was er darf und was er nicht
darf. Hollywood hat es zwar geschafft, per Marktforschung bis zu sechs
unterschiedliche Filmenden zu entwickeln, hat damit aber die Floprate
nicht verringert.
McK: Der Trend bleibt: Controlling verankert sich in den Marketingabteilungen. Herr Riesenbeck prognostiziert Strukturwandel. Macht Ihnen
das Angst, Herr Jung?
Jung: Im Gegenteil. Wenn ein Unternehmen aus unserem Kundenkreis das
Thema Markenführung bis ins Detail definiert und den Vorständen klar
macht, welchen konkreten, bewertbaren Beitrag Markenführung zum Wohl
der Organisation leistet, dann bedeutet das eine rationale und emotionale
Wertschätzung unserer Arbeit. Wir gehen daher mit dem Versprechen in
den Markt: „Wenn du mit uns eine Kampagne machst, bezahlst du gemessen nach Aufmerksamkeit weniger als bei anderen Agenturen.“
McK: Awareness ist aber nur eine von vielen messbaren Größen. Die
unterschiedlichen Werkzeuge der Werbewirkungsforschung sprechen nicht
einmal dieselbe Sprache, geschweige denn passen sie in die Bilanz. Wie
können Sie als Präsident des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen
(GWA) helfen, die Verwirrung zu beheben?
Jung: Der Markt der Demoskopie, auf dem die Werbewirkungsforschung
tätig ist, ist ja auch ein Markt, auf dem es ein großes Differenzierungsbedürfnis gibt. Gleichzeitig behaupten die Anbieter, Sicherheit zu verkaufen.
Das schürt vor allem die Unsicherheit. Der zweite Punkt ist, dass der GWA
bereits ein Instrument zur Messung der Werbewirkung besitzt, den
Streitgespräch Jung / Riesenbeck
Text: Ralf Grauel
Foto: Jens Wiemann
Effie. Den müssen wir bezüglich seiner Validität und Anwendungsvielfalt
mit Blick auf das Thema Integrierte Kommunikation allerdings sicherlich
noch mal abprüfen.
Riesenbeck: Das müssen Sie tatsächlich. Wenn Dinge schon messbar sind,
sollte man sich auf eine Messgröße einigen. Nichts ist schlimmer, als wenn
jeder einen anderen Sextanten benutzt und dann alle in unterschiedliche
Richtungen fahren. Hier denken Demoskopen und Agenturen zu wenig in
integrativen Zusammenhängen.
Jung: Alles, was den Markenmehrwert erhöht, ist uns recht. Aber alle
Schablonen, die die Aufgabe nicht präziser machen, alles Ausbalancieren
im Vorwege, hassen wir. Das erstickt Kreativität. Was Kreative lieben, sind
präzise Vorgaben.
Riesenbeck: Das sehen wir bei Branding-Projekten als unsere Aufgabe an.
Wir wollen und können keine Kreativität liefern. Für den GWA scheint es
mir nicht verkehrt, Best-Practice-Standards zu definieren. Wenn ich
überhaupt ein Problem mit Agenturen habe, dann, dass sie zu viel Wert
auf Awareness legen und zu wenig auf die anderen Stufen des Kaufentscheidungsprozesses. Der daraus resultierende ineffektive Einsatz von
Werbemitteln ist für viele Kreative immer noch attraktiver als zum Beispiel
die Käufertreue mit anderen, weniger spektakulären Kommunikationsmitteln zu verstärken.
McK Wissen 03
Seiten: 26.27
Jung: Auf der Rückseite der Visitenkarte, die ich Ihnen gegeben habe,
steht „Momentum“. Das ist der Titel unseres Buches. Wir haben uns dort
bemüht, eine Definition für den Moment zu finden, an dem ein Interesse
umgemünzt wird in einen Aha-Effekt. Ein Beispiel dafür ist unser alter
Film für Audi: „Wo ist der Tank?“ Der wäre beinahe nicht produziert und
gesendet worden. Erst lehnte ihn der Kunde ab, dann gefiel er den Testern
nicht. Weil ihn angeblich niemand verstehen würde. Dabei war die Botschaft völlig klar: Der verbraucht wenig Sprit, ist ein Diesel. Und siehe da:
Am Ende strahlte der Spot auf die Gesamtmarke ab. Audi wurde mit
Sparsamkeit assoziiert.
Riesenbeck: Das Instrument Marktforschung liefert keine Lösungen. Es
veranlasst Sie aber zum Beispiel, über Ihre Ziele nachzudenken. Es bestätigt
oder entkräftet Hypothesen. Vor der Marktforschung müssen Sie eine
gewisse Anzahl intelligenter Antworten festlegen. Kreativität können Sie
nicht testen. Ich würde bis zur strategischen Vorgabe an die Kreativen testen.
Damit sie nicht völlig frei kreativ sind, sondern in gewissen Bahnen denken.
Am Ende muss ein Entscheider sagen, ob Briefing und Wertversprechen der
Marke in der Werbung konsistent wiedergegeben wurden.
McK: Die globalen Holdings wollen sich von den klassischen Angeboten
der Werber unabhängig machen. Der Trend geht zur Kommunikationsdienstleistung. Das wird neue Abrechnungsmodelle nach sich ziehen.
Jung: Für ein globales Agentur-Network geht es nicht darum, welche
Markenerfolge seine einzelnen Standbeine produzieren. Es geht darum,
welche Marge sie abliefern. Ich behaupte, die klassische Werbung ist nicht
gut genug bezahlt. Wissen Sie, dass wir die einzige Kommunikationsdisziplin sind, die seit Jahren ständig mit den Margen runtergeht?
McK: Es gibt schon sonderbare Modelle. Allein die Koppelung des
Agenturhonorars an die Dimension des Mediaetats erscheint fragwürdig.
Riesenbeck: Im Grunde genommen funktionieren nur input- oder
output-orientierte Modelle. Modelle, die sich an der reinen Etatgröße
festmachen, halte ich für problematisch.
Jung: Ich würde auch überall Cost Plus machen, wenn es nicht einen Punkt
gäbe, der mich stört. Das ist noch ein Unterschied zwischen unseren Jobs:
Wir kreieren etwas, das einer Marke dauerhaft etwas mitgibt. Das ist
etwas anderes, als Arbeitszeit nach Sollgröße abzurechnen. Aber inwieweit
partizipiere ich von der Wertschöpfung dieser Erfindung? Wenn sich ein
Kunde von uns eine Top-Kampagne machen lässt und uns dann nach
einem Jahr rausschmeißt, um sie für zehn Prozent weniger von jemand
anderem weiterführen zu lassen – was durchaus passiert –, aber die ganze
Wertschöpfung einkassiert, ist das höchst unfair. Das ist der Punkt.
Riesenbeck: Verstehe ich. Man müsste eine Art Copyright-System auf das
geistige Eigentum einführen.
Jung: Das ist schwierig für Agenturen.
McK: Procter & Gamble schließt Verträge, die an Verkaufserfolge
gekoppelt sind. Ist es vorstellbar, dass eine Agentur für die MarkenwertSteigerung honoriert wird?
Jung: Das ist ein noch junges Feld und viel zu schwammig. Wir wollen in
einer Art Bonussystem an den Leistungen gemessen werden, die wir selbst
beeinflussen: also an der Kommunikation. Wir sagen nicht, dass Marktforschung blöd ist. Man muss aber damit umgehen können. Die meisten
Menschen können das nicht.
McK: Wie berechnen Sie Ihr Bonussystem?
Jung: (geht zum Flipchart und zeichnet zwei Säulen auf) Wir verlangen
grundsätzlich zwei Dinge, bevor Sie mit uns arbeiten. Machen Sie bitte ein
Werbe-Monitoring und ein Imagetracking. Getrennt voneinander. Fragen
Sie nie die gleichen Leute, denn sonst verknüpft sich das im Kopf und wird
zum Werbeleitersyndrom. Es dauert ein, zwei Jahre, bevor Sie mit so einem
Instrument umgehen können, aber wenn Sie das bei null starten, können
Sie prognostizieren, wo Sie mit Ihrer Markenkommunikation landen.
Hajo Riesenbeck
Holger Jung
studierte Wirtschaftswissenschaften in
Münster und begann nach dem Diplom
1976 als Trainee bei Unilever in Hamburg.
Bis 1978 arbeitete er für Lever Sunlicht,
1979 wechselte er zur Unternehmensberatung McKinsey & Company.
Seit 1991 ist er Director und einer der
Leiter der europäischen MarketingPractice. Seine Beratungsschwerpunkte
sind funktionale Marketing-Projekte in
diversen Branchen, etwa in der
Konsumgüterindustrie, im Handel und in
der Medien- und Transportindustrie.
studierte Jura in Hamburg und Münster
und begann 1979 als Kontakter bei Lintas.
1980 wechselte er zu Unilever, kehrte aber
zwei Jahre später zu Lintas zurück. 1984
wurde er Managing Supervisor bei Scholz
& Friends und wechselte 1987 als
geschäftsführender Gesellschafter zu
Springer & Jacoby. Im Juli 1991 gründete
er zusammen mit Jean-Remy von Matt die
Agentur Jung von Matt, die heute zu den
führenden Kreativhäusern in der deutschen
Werbebranche zählt. Im Frühjahr 2002 veröffentlichten die beiden das Buch „Momentum – Die Kraft, die Werbung heute
braucht.“ Seit Oktober 2002 ist Jung
Präsident des Gesamtverbands
Kommunikationsagenturen (GWA).
Streitgespräch Jung / Riesenbeck
Text: Ralf Grauel
Wir hatten bereits Kunden, mit denen wir in Abstimmung mit Budget und
Zeitraum bestimmte Bekanntheits- und Imagewerte als Ziele vereinbart
haben. Wenn Sie die erreichen, gibt es Geld obendrauf.
Riesenbeck: (nimmt den Stift und malt eine Stufenfunktion darüber)
Wir würden noch einen Schritt weitergehen. Der Kaufentscheidungsprozess ist eine Art Treppe, deren Stufen sich messen lassen. Von der
Bekanntheit über die engere Auswahl, den Erstkauf bis hin zur Loyalität.
Für uns ist es wichtig, die Ausgangspunkte festzuhalten und dann nach
Zielen und Mitteleinsatz zu fragen. Wir reden hier also über integrierte
Kommunikation.
McK: Seit 20 Jahren bieten Agenturen nun integrierte Kommunikation.
Und Kunden sehnen sich noch immer nach dem einen Berater.
Jung: Sie haben auch auf Kundenseite mit verschiedenen Menschen zu tun.
Aber selbst wenn: Diesen omnipotenten, supererfahrenen Typen, den Sie
nach vorn schieben könnten, gibt es einfach nicht. Und wenn, könnte ich
ihn nicht bezahlen. Der Kunde gibt mir das Paket so auch gar nicht, denn
er zweifelt ja zu Recht an meiner Omnipotenz.
Riesenbeck: Dennoch ein Riesenproblem. Im Mobilfunk-Bereich werden
beispielsweise Promotion-Aktivitäten entfaltet, die nichts mit dem Produkt
zu tun haben, das gerade in der klassischen Werbung europaweit beworben wird. Da gibt es Sponsoring-Aktivitäten, bei denen der Markenname
am Ende anders dargestellt ist als auf dem Produkt und der Verpackung.
Weder beim Klienten noch auf Agenturseite wird die Kommunikation in
irgendeiner Form integriert geführt. Deshalb sind ja häufig kleine Unternehmen so erfolgreich, in denen der Chef selbst die Marke führt.
McK: Herr Riesenbeck, was sind derzeit die Probleme Ihrer Klienten?
Riesenbeck: In den vergangenen Jahren kommen zu uns vermehrt
Unternehmen mit typischen Fusionsproblemen nach Mergers & Acquisitions. Sie finden etwa schlagartig mehrere Marken in ihrem Portfolio, die
sich überschneiden. Die Fragen sind: Behält man alle Marken, wie entzerrt
man die Kommunikation, welche Wertversprechen werden für welche
Zielgruppen definiert, integriert man eine Marke in eine andere? Wir
beantworten die Fragen systematisch und quantitativ mit Hilfe von
Marktforschung und Analysen. Hier beziehen wir die Mitarbeiter genauso
ein wie die Kunden. Gerade die interne Seite wird gern vergessen. Wenn aber
der Außendienstmitarbeiter oder die Filialmannschaft einer Bank die Marke
ablehnt, dann ist sie zum Tode verurteilt.
McK Wissen 03
Seiten: 28.29
McK: Interne Kommunikation, Herr Jung: für Sie ein Thema?
Jung: Das ist grundsätzlich ein wichtiges Thema. Wer nicht motiviert ist,
kann nicht mitspielen. (zu Riesenbeck:) Stellen Sie sich vor, Sie kommen
zu einem Klienten und sagen, wir machen aus einem ehemalig breiten
Organisationsaufbau eines Unternehmens eine schlagkräftige Truppe mit
Jasagungs-Gewalt in den einzelnen Funktionen. Das machen Sie mit Ihrer
Beraterkompetenz. Und wir sehen zu, dass wir ein Produkt gebären, das
mit der Kraft einer Idee alles mit sich zieht, was an Integrations- und
motivatorischen Möglichkeiten vorhanden ist. Wenn das so aufeinander
träfe, das gäbe eine Urgewalt.
Riesenbeck: (lacht) Eine Art Mega-Momentum. Dann müssen Sie aber
neue Visitenkarten drucken.
McK: Aber für den ersten Job reichen die alten. Sie haben ja welche ausgetauscht. Herr Jung, Herr Riesenbeck, vielen Dank für das Gespräch.
„Wenn Dinge messbar sind, sollte man sich auf eine
Messgröße einigen. Nicht dass jeder einen
anderen Sextanten benutzt, und dann alle in verschiedene
Richtungen fahren.“
Hajo Riesenbeck
La Mer
Text: Katrin Wilkens
McK Wissen 03
Seiten: 30.31
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Die Mär von La Mer
Produkte allein locken den Konsumenten heute keinen Cent mehr aus dem Geldbeutel. Es sind die Geschichten und
Mythen, die um das Produkt herumgesponnen werden, die über Erfolg oder Misserfolg einer Marke entscheiden.
Eine der erfolgreichsten dieser Geschichten erzählt von einem schrecklichen Unfall, einem altruistischen Genie, von
kosmischen Klängen und dem Pazifik bei Vollmond.
La Mer
Text: Katrin Wilkens
Die Muse Lucienne Countess von Doz (oben) gehört
genauso zur Creme-Geschichte wie die fleißigen Frauen in
Florida, die La Mer per Hand abfüllen und jedem Tiegel
ein letztes Lebewohl mit auf die weite Reise nach Europa
oder Asien geben.
Foto: La Mer
McK Wissen 03
Seiten: 32.33
Die Märchen aus Tausendundeiner Nacht verdanken wir der Jungfrau
Scheherazade. In der Nacht, bevor sie hingerichtet werden sollte, erzählte
sie dem Sultan von Persien eine so spannende und bewegende Geschichte,
dass er Aufschub gewährte, um mehr davon zu hören. So erfand sie Nacht
für Nacht die prächtigsten Abenteuer, und der Sultan wurde nicht müde,
ihr zuzuhören. Tausendundeine Nacht lang immer neue, fantastische
Begebenheiten, bis er sie schließlich begnadigte.
Die Faszination, die von einer guten Geschichte ausgeht, ist uralt. Auch
wenn die Kunst der mündlichen Überlieferung im Zeitalter von DVD,
E-Mail und SMS an Bedeutung verloren hat, sind die Menschen für eine
gute Geschichte nach wie vor bereit, große Opfer zu bringen und viel Geld
zu zahlen.
Um eine solche gute Geschichte geht es hier. 1953 zog sich der NASARaketenphysiker Max Huber bei einer Explosion von Raketentreibstoff
schwere Verbrennungen und Verätzungen zu. Sein Gesicht war entstellt.
Therapien, Salbenkuren und Regenerationscremes halfen ihm nicht
weiter. Für den lebenslustigen Wissenschaftler, der viele Freundschaften in
Hollywood pflegte und sich neben der Ehefrau eine Muse hielt, war das
eine Katastrophe. Er verließ die NASA mit einer großzügigen Abfindung
und widmete sich ganz seiner neuen Leidenschaft, dem Entwickeln von
Hautcremes. 6000 Experimente und zwölf Jahre später hatte Huber
schließlich eine Creme, die seine Narben beseitigte und bei Verbraucherinnen heute noch immer „das Wunder“ genannt wird.
Dies ist die Geschichte einer der teuersten Hautcremes der Welt – Creme
de La Mer. Aus Seetang, Vitaminen und Mineralien, ein bisschen Eukalyptus, etwas Weizenkeimöl. 60 Milliliter kosten 205 Euro, 500 Milliliter
1370 Euro. Was diese Zahlen verschweigen: Die Geschichte um La Mer
gehört mittlerweile zu den Mythen der Gegenwart. Dabei ist nicht wichtig, ob sich tatsächlich alles genauso zugetragen hat, im Laufe der Zeit hat
der Mythos eine subjektive Wahrheit bekommen.
Wer La Mer kaufen will, muss teilweise monatelang auf sein Töpfchen
warten, die Nachfrage ist größer als die Produktion. Stars wie Sharon
Stone, Cher und Naomi Campbell, das verkündete die Bunte, warten,
zahlen und salben geduldig. Karl Lagerfeld, Udo Jürgens und Sylvester
Stallone tun es laut Welt am Sonntag auch. Alle. Die Pressestelle kann auf
Wunsch Lobpreisungen der Wirkung von La Mer Creme, Eye Balm, Oil
Absorbing Lotion oder Peeling-Maske mit echtem Diamantenstaub von
zahllosen anderen Persönlichkeiten besorgen.
Viktoria Lauterbach beispielsweise benutzt demnach das Peeling und liebt „das frische Gefühl
danach“. Victoria Beckham nennt La Mer ihren
„Favoriten“. Die Rapperin Sabrina Setlur verriet
der Komikerin Anke Engelke über La Mer im
Interview: „Du kriegst Babyarsch-Haut“.
Als 1999 die Creme erstmals auch in Deutschland
verkauft wurde, war allein das Warten auf La Mer
für die Bunte ein „IN-Faktor“. Im KaDeWe in
Berlin warteten 480 Frauen, in Düsseldorf waren
es 400, in München 350. Wenn alle nur den
kleinsten Tiegel gekauft haben, sind das zu
damaligen Preisen rund 209 000 Euro. Die meisten kaufen aber zur Gesichtscreme auch noch die
Augencreme für 134 Euro und das Face Serum
für 230 Euro.
Ein Rätsel: warum ausgerechnet La Mer?
Warum warten Modemacher wie Karl Lagerfeld
oder Donatella Versace angeblich wochenlang
auf eine Creme und schmieren sich innerhalb
eines Jahres den Gegenwert einer Einbauküche
ins Gesicht? Und erzählen das auch noch jedem
Klatschblättchen, als würden sie dafür bezahlt?
Warum wächst eine Marke, die nahezu ohne
Werbung vertrieben wird, zwischen 25 und 40
Prozent pro Jahr?
Nach dem Tod von Max Huber im Jahr 1991
verkaufte seine Tochter Marley 1995 die La Mer
Division an Estée Lauder. Seitdem brummt das
Geschäft endlich. Friedhelm Paul, Geschäftsführer der La Mer Division, rechnet auch in den
nächsten Jahren „mit einem zweistelligen Umsatzwachstum“. Was das Rätsel nicht kleiner macht:
warum La Mer?
„Weil es ein unheimlich gutes Gefühl ist, mir so etwas Wertvolles leisten
zu können“, sagt beispielsweise Frauke Simmling. Die 37-jährige Kundin
kauft Creme La Mer und Oil Absorbing Lotion, macht 390 Euro. „Weil
meiner Haut diese Wirkstoffe gut tun. Ich meine, wenn sie schon bei
Verbrennungen helfen …“, sagt Christina Feißelbach, 55. Die Hamburgerin kauft regelmäßig das ganze Sortiment, 740 Euro. Will sagen: Weil
Frauen viel mehr wollen als eine Creme, wenn sie eine Creme kaufen. Und
weil die Geschichte von La Mer gut ist – wenn man sie richtig erzählt.
Handabfüllung, Astrologie und ein letztes Lebewohl
Max Huber soll seiner Muse Lucienne Countess von Doz empfohlen
haben, La Mer verschwenderisch zu benutzen. Er selbst habe sie sich ins
Essen gerührt, wird berichtet. Heute verbraucht Lucienne fünf Töpfe pro
Woche, reist quer durch die Welt und wird nicht müde, den Erfinder von
La Mer zu preisen, der so kongenial zur Creme passt, als hätte ihn ein
Marketingexperte konzipiert.
„Er war so eine positive Person, er sah immer die schöne Seite des Lebens“,
schwärmt Lucienne, wenn man sie fragt, wer Max Huber war. In ausgesuchten Städten werden ausgewählte Kundinnen zu einer Kaffeerunde
mit der Muse des Meisters geladen. Statt Print- oder TV-Werbung investiert La-Mer-Hersteller Estée Lauder in Kanapees und Anekdoten über
Max Huber: „Er liebte die Oper, er liebte Geschichte“, gibt Lucienne dann
Auskunft, „er war jeder Zoll ein Gentleman. Und er war mehr Wissenschaftler als Geschäftsmann, er hat die Creme nicht fürs Geldverdienen
entwickelt, sondern um sich und anderen Menschen zu helfen. Oft verschenkte er sie einfach, weil er so großzügig war. Max hatte ein Faible für
Astrologie und für Ökologie. Die Zukunft der Umwelt lag ihm immer sehr
am Herzen, und er achtete darauf, was wir essen. Er sagte: Das, was du
isst, sieht man deiner Haut an.“ Von seiner Frau und den Kindern erzählt
die Muse nicht. Die gehören nicht zur Mär von La Mer.
Doch die Geschichte geht noch weiter. Da ist zum Beispiel das Detail der
Handabfüllung. Fleißige Frauen stehen in den Produktionshallen der
La-Mer-Division in Florida und geben jedem Tiegelchen ein letztes
Lebewohl mit auf den Weg, bevor es nach Europa oder Asien verschifft
wird. „Max wusste, dass die Handabfüllung viele Vorteile gegenüber der
maschinellen Methode hat. Die Konsistenz ist druckempfindlich“, erklärt
die Pressesprecherin von La Mer. Sie hat wunderschöne Haut.
Die Verpackung ist schlicht, der Inhalt dafür umso effektvoller:
La Mer besteht aus Seetang, Vitaminen, Mineralien, Eukalyptus,
Weizenkeimöl, geheimnisvollen Klängen, einer guten Portion
Glauben, ein wenig Mystik und einer unschlagbaren Geschichte.
La Mer
Text: Katrin Wilkens
Foto: La Mer
München, Ludwig Beck am Rathauseck. Kosmetikabteilung. Die erste und
einzige La-Mer-Wellness-Oase in Deutschland. In einer Ecke schwimmen
bunte Fische in einem blau getönten Aquarium. Petra Seibel, 62, sucht in
Begleitung ihrer Tochter Sandra eine Gesichtscreme. Das „Ich tue was für
mich“-Timbre klingt an. Goldschmuck, wohl frisierte Haare, Garderobe,
die nach Escada aussieht. Die Verkäuferin, genauso faltenfrei wie Sauer
junior, nimmt einen Tiegel La Mer in die Hand. „Was wissen Sie denn von
La Mer?“, fragt sie. Die Kundin antwortet mit den richtigen Schlagworten:
„… Wissenschaftler, starke Verbrennungen, selber eine Creme entwickelt.“
„Aha“, sagt die Verkäuferin, „das ist ja schon eine ganze Menge.“ Dann
erzählt sie von dem „einzigartigen, biotechnologischen Fermentierungsprozess“, den La Mer durchlaufe, weswegen die Herstellung auch gut drei
bis vier Monate dauere, von dem speziellen Seealgentang aus dem Nordpazifik, der nur zweimal im Jahr und nur bei Vollmond geerntet werden
könne, und von der Handabfüllung und den empfindlichen Wirkstoffen.
Frau Seibel nickt und fragt nach dem Preis. Die Antwort: „La Mer hat ganz
wenig Konservierungsstoffe.“
Wir kaufen das Produkt – aber vor allem eine gute Geschichte
Zuletzt erzählt die Verkäuferin von dem einmaligen Herstellungsverfahren,
der „Sonochemistry“. Als Estée Lauder nach dem Tod von Max Huber
das Produkt kaufte, wurde die Creme zunächst schweigend angefertigt.
Das Ergebnis sei niederschmetternd gewesen. Erst als man „kosmische
Klangkassetten“ in seiner Garage fand und so mit Hilfe von Licht und
Klängen noch mehr Energie gewinnen konnte, hatte man das ursprüngliche Ergebnis.
Bei Cremes dieser Preisklasse ist es üblich, die Verfahren schützen zu
lassen. Aber man müsste die Wirkung, das Versprechen der Creme,
wissenschaftlich beweisen. La Mer hat kein Patent.
„Ich nehme die Creme.“ Das Gespräch hat keine zehn Minuten gedauert.
„Gibt es dazu auch noch etwas zum Nachlesen?“, fragt Petra Seibel.
Selbstverständlich. Jede Creme wird mit einem ausführlichen Beipackzettel verkauft, der alle nötigen Eckdaten für die Mythenbildung auflistet:
schreckliche Narben, reichhaltiger Seetang, vollmondbeschienener Nordpazifik. Die Kundin zahlt 205 Euro nicht nur für die Inhalte der Creme.
Sie zahlt vor allem für die Geschichte, die ihr dazu mitgeliefert wird.
McK Wissen 03
Seiten: 34.35
Der Zukunftsforscher, Buchautor und Berater Rolf Jensen beschreibt in
seinem Aufsatz „Die Ära der Geschichtenerzähler“ das Geheimnis schöner
Erzählungen: „Gehen wir in einen Supermarkt und sehen uns die Regale
mit Eiern an. Die billigsten werden von Hühnern produziert, die in Käfigen
sitzen, die teuersten stammen von frei laufenden Hühnern. Eier von frei
laufenden Hühnern sind natürlich teurer in der Produktion, doch der springende Punkt ist, dass es sich – chemisch und inzwischen auch sensorisch
– um ein und dasselbe Produkt handelt. (…) Der Preisunterschied ergibt
sich daraus, dass die Geschichte von den frei laufenden Hühnern besser
ist. Es ist die Geschichte von Tierliebe und Landromantik, und dafür
bezahlen wir gern extra. (…) Der moderne Verbraucher kann sich mehr
als nur die Funktion, mehr als den materiellen Wert leisten.“
Wir kaufen die gute Geschichte einer Marke – das Produkt selbst wird zur
Dreingabe. Die unterschiedliche Qualität der diversen Cremes, Gels,
Salben und Tinkturen ist für den Verbraucher nicht zu messen, so dass eine
Firma daraus keinen Wettbewerbsvorteil mehr ziehen kann. Allergien kann
man gegen teure wie günstige Produkte entwickeln und Faltenreduktion
dauerhaft schlecht belegen. Hauptsächlich verkaufen sich Cremes durch
Geruch, Schmierbarkeit und Image.
Wer Wildrosen-Pflege von Weleda benutzt, trägt auch den Geruch
wadenlanger Anthroposophen-Röcke auf. Nivea riecht nach geborgener
Kindheit, nach Nichtzweifel und „Dürfen wir noch ,Wetten, dass …‘?
gucken?“ Hormocenta vertraut auf die uralte Hebammenweisheit, dass es
nichts Besseres gäbe als die Plazenta des geborenen Kindes, weil darin alle
Wirkstoffe enthalten seien, die für das Wachstum eines neues Wesens
nötig sind.
Und La Mer? Wissen die Kunden, wie Sonochemistry funktioniert? Was
Fermentierungsprozesse sind? Und dass es Konservierungsmittel gibt, die
trotz geringer Konzentration funktionieren, als fröre man das Produkt ein?
Der Verbraucher will diese Informationen trotzdem: Weil sich Sonochemistry nach Mystik anhört, Fermentierung nach Wissenschaft, Konservierungsstoffe nach Sicherheit. Und weil sich alles zusammen miteinander
verbindet zu einem Märchen wie aus Tausendundeiner Nacht. Mondphasen, Forscher-Altruismus, Hollywood-Glamour und Ökologiebewusstsein – was für eine einzigartige Rezeptur!
Literatur:
Rolf Jensen: Die Ära der Geschichtenerzähler. Aus: Michael Kühlen (Hrsg.): Was
kommt nach der Informationsgesellschaft?
11 Antworten. Verlag Bertelsmann
Stiftung, Gütersloh, 2002; 272 Seiten;
20 Euro
AEG
Text / Foto: Oliver Driesen
McK Wissen 03
Seiten: 36.37
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Untergang
überlebt
Die Firma tot, die Marke quicklebendig: Seit dem Ende des AEG-Konzerns 1996 führen die drei Buchstaben
A E G ein Gespenster-Dasein – als virtuelles und zugleich als sehr reales Logo. Anatomie einer Marke, die zu
stur ist zum Sterben.
AEG
Text / Foto: Oliver Driesen
Im Leichenschauhaus der Industriegesellschaft liegen die sterblichen Überreste einer nach
langem Leiden mit 113 Jahren Verblichenen. Das
heißt, eigentlich lagert hier nur ihr Erbe, und das
wirkt ziemlich derangiert. Die Halle ist spärlich
von weißem Neonlicht erleuchtet. Billige Metallregale, einige Glasvitrinen für die Wertsachen,
unsortierte, unausgeräumte Kartons. In Nischen
und Fächern türmen sich mehr als 600 verschiedene Fernsehgeräte, Staubsauger, Kühlschränke,
Eierkocher und Küchenuhren, Messgeräte und
Schlagbohrer, Lampen und Filmprojektoren aus
fast allen Jahrzehnten, die der produktiven alten
Dame namens AEG beschieden waren.
Reservatenkammer mit Staubsaugern
und vielen anderen Kostbarkeiten
„Das müsste hier unbedingt mal alles abgestaubt
werden“, sagt Diana Spiller von der Produktionsund Haushaltstechnik-Abteilung des Deutschen
Technikmuseums (DTM) Berlin. Trotz schwerer
Erkältung und freiem Tag zeigt die junge Frau
dem Besucher gern das Depot im alten Postbahnhof, ein paar hundert Meter vom Museum
entfernt. Hierher wurde nach dem Ende des
AEG-Konzerns 1996 der Produktbestand des
zentralen Frankfurter Firmenarchivs ausgelagert.
Eigentlich sollte die Halle für die Öffentlichkeit
hergerichtet werden. Doch Geld- und Personalmangel verhinderten das bisher, und so bewahrt
nur gelegentliches Medieninteresse einen Lagerbestand vor dem Vergessen, der dem Kenner wahre
Kostbarkeiten bietet: „In dieser Vitrine ist jedes
Stück 2000 bis 3000 Euro wert“, sagt Spiller
und entnimmt mit weißen Schutzhandschuhen
einen der berühmten kantigen Teekessel mit
McK Wissen 03
elektrischer Beheizung, die der legendäre Architekt, Grafiker und Formgestalter Peter Behrens
Anfang des 20. Jahrhunderts entworfen hat.
Wer nicht glaubt, dass von einem schlichten
Markennamen echte Magie ausgehen kann,
sollte sich all diesen stummen Zeugen aus der
großen Zeit der Industrialisierung aussetzen.
Oder er sollte im Archiv des DTM jenen
englischsprachigen Brief entfalten, der mit rotem
Siegellack und blauem Band eine staatsmännische
Aura verströmt.
Plötzlich taucht unter den Fingern die mit schwarzer Tinte hingeworfene Unterschrift Thomas Alva
Edisons auf und dokumentiert, dass in New York
am 7. April 1883 ein Vertrag über die Nutzung
der Lizenzen für das Prinzip elektrischen Lichts
beglaubigt wurde, den die Edison Electric Light
Company mit einem deutschen Bankenkonsortium geschlossen hatte. Nutznießer war die eigens
gegründete Deutsche Edison-Gesellschaft für
angewandte Elektricität, die sich vier Jahre
später in Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft
umbenannte – der Name AEG war geboren.
Erweiterter Zweck der Gesellschaft laut Paragraf
3 der Satzung von 1887: „Jede Art gewerbliche
Ausnutzung der Elektrotechnik, insbesondere die
Einrichtung, der Betrieb und die Verwerthung
elektrischer Anlagen und die Herstellung sowie
der Vertrieb der dazu dienenden Maschinen,
Apparate und Utensilien.“ Von der Glühbirne bis
zum Atomkraftwerk: Die Marke AEG hat Wort
gehalten.
Sie tut es immer noch – als nahezu virtuelle
Marke, die ihr Stamm-Unternehmen überlebt hat,
und unter der jetzt ein Dutzend neue Produzenten
und Lizenznehmer erfolgreich Hausgeräte,
Lampen, Mobiltelefone, Elektrowerkzeuge
Seiten: 38.39
oder Fernseher mit den berühmten drei Buchstaben verkaufen.
An dieser einzigartigen Überlebenskraft ist Peter
Behrens, der mit den Teekesseln, nicht unschuldig. In seiner Zeit als künstlerischer Berater der
AEG zwischen 1907 und 1914 entwickelte er die
historisch erste echte Corporate Identity, indem
er das Erscheinungsbild von Markenzeichen,
Briefköpfen, Katalogen und Werksschildern
vereinheitlichte. Mit seiner Schrifttype Behrens
Antiqua durchdrang er wie niemand vor ihm das
kollektive Bewusstsein. Das legte den Grundstein
für einen nahezu perfekten Markenauftritt nach
außen und ein ausgeprägtes Wir-Gefühl der
AEG-Belegschaften nach innen.
Nicht einmal der beispiellose Abstieg des Konzerns
in den achtziger und neunziger Jahren konnte der
Strahlkraft etwas anhaben. „Die AEG hatte ein
hervorragendes Marketing“, sagt der Historiker
und ehemalige AEG-Sprecher Peter Strunk,
Autor des Buches „Die AEG. Aufstieg und
Niedergang einer Industrielegende“: „Wenige
Konzerne haben eine so konsequente Markenpflege betrieben. Die Firma verstand es, den Namen
von der Krise zu entkoppeln. Während in der
Wirtschaft die Krise der AEG geradezu sprichwörtlich war, ist sie bei der breiten Öffentlichkeit
gar nicht angekommen.“
Buchstaben mit Strahlkraft
Das gilt für die Produktmarke genauso wie für
den Firmennamen. Selbst als Anfang der achtziger Jahre gerade der erste dramatische Einbruch
des Traditionsunternehmens überstanden war
(siehe Chronologie), war das alte Kürzel noch für
Impulse gut. Denn statt dem geretteten und
1883
Der Berliner Maschinenbau-Ingenieur Emil
Rathenau gründet zur Verwertung der Glühlampen-Patente des Amerikaners Thomas Alva
Edison die Deutsche Edison-Gesellschaft für
angewandte Elektricität (DEG). 1886 gibt es
erste elektrische Hausgeräte der DEG.
1887
Die DEG firmiert um zur Allgemeinen
Elektricitäts-Gesellschaft (AEG). Bald darauf
werden die ersten elektrischen Bahnen und
Drehstrom-Motoren gebaut.
1895
Das erste AEG-Warenzeichen wird vorgestellt.
Bis 1907 steigt die AEG in den Schreibmaschinenbau (Olympia), die Funk-Telegrafie (Telefunken zusammen mit Siemens & Halske)
und in den Automobilbau ein.
1907
Der Architekt Peter Behrens wird künstlerischer Berater der AEG und entwickelt die
weltweit erste Corporate Identity. Die AEG
beginnt bald mit dem Bau von Flugzeugen; die
Elektronenverstärkerröhre wird patentiert.
1919
Aus Werken der AEG, der Auergesellschaft und
Siemens & Halske entsteht die Glühlampenfabrik Osram GmbH KG.
1935
Die AEG stellt das erste Tonbandgerät der
Welt vor, das Magnetophon K1. 1941 übernimmt die AEG Telefunken vollständig.
Literatur:
Peter Strunk: Die AEG – Aufstieg und Niedergang einer Industrielegende. Nicolai-Verlag,
Berlin, 2002; 264 Seiten; 19,90 Euro
AEG
Text / Foto: Oliver Driesen
umgekrempelten Konzern – wie heute üblich – einen zeitgemäß klingenden
Retorten-Namen zu verpassen, tauchten die Werber lediglich Behrens’ drei
Buchstaben in frische Farbe: „Da wurde das Pantone Warm Red geboren“,
erinnert sich Horst Rosentreter, zum Schluss Leiter der zentralen Werbeabteilung der AEG. „Und es ging noch einmal ein Ruck durch die Firma.
Die Leute sahen das helle, frische Rot, und wir in der Werbung versuchten,
aus den einzelnen Bereichen einen Guss zu machen.“
Dennoch – am Ende, 1996, implodierte ein ins Uferlose gewachsener und
weit diversifizierter Mischkonzern, über alle Grenzen verschuldet und zu
Tode verwaltet, der „mehr als 20 Jahre keine eigenverdiente Dividende
bezahlt“ hatte, wie es sein letzter Vorstandsvorsitzender Ernst Georg Stöckl
auf den Punkt bringt. Doch es war kein Ende in Teilnahmslosigkeit –
dafür steckte in den drei Lettern des Markennamens zu viel Historie, meint
Historiker Strunk: „Wir sind alle, die wir in der Zentrale saßen, traumatisiert.
Mein Trauma habe ich mir mit einem Buch von der Seele geschrieben und
kann seither wieder ruhig schlafen. Aber wenn man einen Konzern mit
noch 45 000 Mann nach 113 Jahren zusammenkrachen sieht, das geht
unter die Haut. Da endet ein Stück Kulturgeschichte.“
Tugenden wie eh und je
Die drei Buchstaben leben derweil munter weiter. Das liegt auch an
Menschen wie Reinhard Wiegand, dem geschäftsführenden Gesellschafter
der AEG Kondensatoren und Wandler Holding GmbH in Berlin. Der Konzern mochte am Ende sein, aber seinen früheren Geschäftsbereich wollte
Wiegand zusammen mit seinem Partner und einigen Anlegern nicht
aufgeben und kaufte den eigenen Betrieb. Er täuschte sich nicht im
vermuteten Potenzial. Durch Expansion in die Märkte Asiens und
Lateinamerikas, nach Werksgründungen in Niedriglohnländern wie der
Tschechischen Republik und Slowenien wuchs unter dem roten Logo ein
neues Unternehmen mit 1400 Mitarbeitern.
Verankert in einer der Kernbranchen der Alt-AEG und angesiedelt im
historischen Berliner Backsteinbau einer Osram-Leuchtenfabrik von 1905,
steht die Marke heute wie eh und je für die klassischen AEG-Tugenden
Präzision und Langlebigkeit: „Wir garantieren bei den Kondensatoren
weniger als 50 Fehler oder Ausfälle bei einer Million produzierten Einheiten.
Und bei Wandlern wird fast unbeschränkte Lebensdauer erwartet, weil
McK Wissen 03
Seiten: 40.41
im Energiegeschäft unter keinen Umständen mal das Licht ausgehen soll.“
Heute kann Wiegand jedoch zusätzlich etwas bieten, das dem trägen
Konzern fehlte: Kundenorientierung. Der Geschäftsführer sieht die Marke
AEG als Symbol für „perfekten Service und Logistik: tagesgenau ans Band,
bis hin nach China und Nordamerika“.
Im Treppenhaus, das zu den lärmenden Werkshallen führt, prangt wie zur
Bestätigung riesig die Vision 2000: „Wir wollen mit unserem Wissen und
unserer Veränderungsfähigkeit weltweit erfolgreicher Technologieführer
werden.“ Hier zumindest lebt die Firma AEG, denn Tote haben keine
Visionen.
Kein Föhn ohne AEG
„Die AEG hatte einen ungeheuren Ruf wegen der Qualität ihrer Produkte“,
weiß Konzern-Werbefachmann Horst Rosentreter, „der ist hundert Jahre
lang gewachsen.“ Die Speerspitze dieses Images waren die Hausgeräte:
„Es gab keines, das weniger als 20 Jahre hielt, das vererbte sich von der
Mutter auf die Tochter. Heute, wo ein normaler Mensch kaum noch
durchblickt, wer auf dem Weltmarkt gerade wen kauft, brauchen die Leute
solche Orientierungspunkte. Wenn da AEG draufsteht, wird es schon gut
sein.“ Die Hausgeräte wurden gar so populär, dass sich der seit 1959
geschützte AEG-Markenname Foen umgangssprachlich zum Synonym für
Haartrockner entwickelte. Bis heute darf niemand, der nicht die Rechte an
der Marke AEG hat, seine Gebläse als Foen oder Föhn vermarkten.
Das darf nur Electrolux. Der Stockholmer Konzern kaufte 1994 den Bereich
AEG-Hausgeräte AG samt Marke aus dem Daimler-Benz-Verbund heraus.
Heute produzieren noch rund 5200 Mitarbeiter im alten AEG-Werk
Nürnberg und in Rothenburg für die Schweden Waschmaschinen und
Geschirrspüler, Highend-Herde und Kochmulden. Dazu kommt weiße
Ware Marke AEG aus den meisten der anderen europäischen ElectroluxWerke. „In den vielen hundert Millionen Mark, die Electrolux für die
Hausgerätesparte bezahlt hat, war neben der Produkttechnologie der
Markenwert ein wesentlicher Kaufpreisbestandteil“, sagt Ex-AEG-Chef
Stöckl, der heute in New York lebt.
Und erinnert an weitere magische Worte, die der Traditionskonzern in die
Werbeschlacht warf: So habe die AEG-Hausgerätesparte Begriffe wie
„Energie sparen“, „umweltfreundlich“ oder einfach „öko“ am Markt
1955/56
Der Umsatz der AEG liegt erstmals über
einer Milliarde Mark. Das Unternehmen baut
seine Produktpalette weitreichend aus und
steigt in das Geschäft mit Waschvollautomaten (Lavamat), Digitalrechnern und Kernkraftwerken (spätere Kraftwerks-Union KWU mit
Siemens) ein.
1962
Die AEG erhält den Auftrag zum Bau des Atomkraftwerks Grundremmingen. In den folgenden
Jahren beginnt die AEG mit dem Bau von
automatisierten Brieftransport-Systemen.
1970
Der Konzern, der inzwischen in AEG-Telefunken umbenannt wurde, ist auf seinem Höhepunkt angelangt: 178 000 Mitarbeiter und
zwölfter Platz der Elektro-Unternehmen weltweit. Entwicklung von Mikrowellenherden und
Bildplattenspielern.
1974
Die AEG weist erstmals einen Jahresfehlbetrag aus: Das sind bereits in diesem ersten
Jahr 664 Millionen Mark. Im folgenden Jahr
werden die Firmenzentrale in Frankfurt und
das Telefunken-Hochhaus in Berlin verkauft.
Siemens übernimmt die Osram-Anteile.
1978
AEG kündigt erste Schließung von Werken im
Hausgerätebau an. Im folgenden Jahr beträgt
der Fehlbetrag dann schon fast eine Milliarde
Mark. Es kommt zu weiteren Schließungen
und Verkäufen.
eingeführt. Ganz abgesehen von einem der erfolgreichsten deutschen
Werbesprüche aller Zeiten: „Aus Erfahrung Gut“. Der soll, so erzählt es
die Legende, der Gattin eines AEG-Hausgeräte-Managers am Frühstückstisch eingefallen sein – was Historiker Strunk zwar leise bezweifelt,
doch der Spruch wird wohl trotzdem noch auf Jahrzehnte in den
Synapsen des kollektiven Gedächtnisses aufflackern, sobald der Name
AEG fällt.
Vielleicht auch deshalb verblüfft die virtuelle Marke AEG seit Jahren mit
konstanten Spitzenwerten in der Kommunikationsanalyse von Gruner +
Jahr, die jährlich von der Frauenzeitschrift Brigitte veröffentlicht wird. Auch
2002 liegen die elektrischen Hausgeräte der AEG in allen drei Disziplinen
(Bekanntheit, Sympathie, Verwendung) prozentual auf dem ersten Platz –
mit 97 Prozent, 71 Prozent und 70 Prozent. Konkurrent Siemens kommt
als Zweiter auf 94 Prozent, 62 Prozent und 55 Prozent. Ironischerweise
folgt die neue AEG-Muttermarke Electrolux, in Deutschland eher
unbekannt, mit 58 Prozent, 12 Prozent und noch einmal 12 Prozent erst
unter ferner liefen.
Relaunch der Marke –
nicht als Revolution, sondern als Evolution
Für die Schweden sind solche Zahlen kein Problem. Penibel analysieren
und positionieren die Brand-Manager von Stockholm aus die diversen
Hausgerätemarken des Konzerns mittels so genannter Scorecards. Mats
Rönne, Vice President of Brand Management in der Electrolux-Zentrale,
erklärt die Disziplinen, für die Punkte verteilt werden: „Für unsere Brands
haben wir eine Marken-Pyramide mit drei Bestandteilen konstruiert:
Markencharakter – wie benimmt die Marke sich? Markenanspruch – was
tut die Marke für die Käufer? Und die Markeneigenschaften – was hat sie
in Bezug auf Merkmale und Produkte zu bieten, die den Anspruch
glaubwürdig machen?“ Abschließend wird auf der Scorecard auch die
Performance hinsichtlich der Markenbindung verfolgt.
Resultat der Analysen: Es wird in Zukunft unter dem europäischen
Electrolux-Dach weniger, aber stärker fokussierte Marken geben. Dabei hat
im teuren Premium-Segment auch die AEG Überarbeitungsbedarf. Eine
Umfrage unter 2000 europäischen Verbrauchern ergab, dass die Marke
zwar bekannt ist und für gut befunden wird, aber auch als etwas langweilig
und verstaubt gilt.
AEG
Text: Oliver Driesen
Europaweit werden Auftritt und Claim nun angespitzt und vereinheitlicht.
Kein „Aus Erfahrung Gut“ mehr, die neue Botschaft heißt: „Perfekt in
Form und Funktion“. Die Leistung in den Mittelpunkt zu stellen passt so
gut zum deutschen Image, dass der Claim sogar in Italien auf Deutsch
präsentiert wird. Im Schlüsselmarkt Deutschland soll der Startschuss im
Januar fallen.
Auch das rote Behrens-Logo wird nach längerer Zeit mal wieder angepasst.
Es rutscht zurück in die traditionelle Waagerechte und wird Schwarz unterlegt – die Farbe von „Leistung und Wertigkeit“. Von einem Relaunch will
Jan Filip Depauw, Brand and Marketing Director AEG bei Electrolux in
Brüssel, jedoch nicht sprechen: „Es ist keine Revolution, sondern eine
Evolution der Marke.“ Das rote Zauberwort brauche keine schlagartige
Veränderung.
Eine Marke mit Herzblut –
und eine letzte Sleeping Beauty
Die Manager der Hausgeräte-Marke AEG sitzen heute in Stockholm und
Brüssel, die Herren über die Lizenzen des restlichen AEG-Imperiums
jedoch nach wie vor in Frankfurt. Die EHG Elektroholding GmbH ist
eine Tochterfirma der DaimlerChrysler AG. Sie fungiert mit rund 30
Mitarbeitern als Rechtsnachfolgerin der AEG, als Nachlassverwalterin und
– über ihre eigene Tochter Licentia Patent-Verwaltungs-GmbH – als
Anlaufstelle für Produzenten, die die Marke AEG für Produkte in den noch
verbliebenen Bereichen lizenzieren möchten.
Viel ist nicht mehr zu holen, die Sahnestücke sind längst vergeben. So
übertrug die Licentia die AEG-Markenrechte unter anderem für Telefonapparate, Fernsehgeräte, Kleinkameras und digitale Fieberthermometer an
die Eggensteiner ITM Technology AG, die über Versandhäuser und Einzelhandelsketten ihre Kleingeräte als AEG-Produkte verkauft. Die EHG
achtet bei der Vergabe in strikten Lizenzierungs-Richtlinien auf Qualitätsstandards und Marktchancen der Produkte, damit nicht einzelne Ausrutscher das Gesamtbild der Marke beeinträchtigen.
McK Wissen 03
Seiten: 42.43
Reinhard Siepenkort, im alten AEG-Konzern zuletzt Leiter des Vorstandsbüros und heute bei der EHG auch mit der Markenpflege beschäftigt,
kennt da kein Pardon: „Wir haben schon merkwürdige Anfragen
gehabt, zum Beispiel für eine Art Elektroroller. Da haben wir abgelehnt,
weil wir das nicht aussichtsreich fanden.“
Eine Sleeping Beauty unter den AEG-Marken wäre allerdings womöglich
wieder zu haben. Telefunken wurde Anfang der achtziger Jahre an die
französische Thomson-Brandt-Gruppe verkauft, wird dort aber heute
nicht mehr genutzt. In bestimmten Nischen würde die EHG über eine
Vergabe mit sich reden lassen. Denn das Qualitäts- und TraditionsImage, das Telefunken mit der Muttermarke AEG teilt, könnte ansehnliche Umsätze generieren, die auch die Lizenzkasse der EHG klingeln
ließen.
Siepenkort, mehr als 30 Jahre AEG-Mann, verbindet aber auch ein emotionales Interesse mit der Vergabe derart klangvoller Namen in gute Hände:
„Ich bin an die Marke AEG gebunden bis an mein Lebensende und die
ganze Familie auch. Mein Haus ist komplett mit AEG-Hausgeräten ausgerüstet, Staubsauger, Herd, Kühlschrank, alles. Sogar der Fernseher ist
noch von Telefunken. Da ist schon ein bisschen Herzblut dabei.“
1982
Vergleichsantrag von AEG-Telefunken. Der
Vergleich wird nach öffentlicher Hilfe ein Jahr
später aufgehoben, doch das Unternehmen
kommt nicht aus den roten Zahlen.
1988
Daimler-Benz übernimmt die Kontrolle über
die AEG, die unter Daimler-Chef Edzard Reuter
zum Mobilitätskonzern mit Schwerpunkt in der
Bahntechnik umgebaut werden soll.
1990
Der Hausgerätebereich der AEG wird rechtlich
selbstständig und zur AG umgewandelt. Die
Fehlbeträge des Konzerns wachsen in den
folgenden Jahren trotz Umstrukturierung
sowie der Schließung und der Verkäufe von
Produktionsbereichen wie Kabelbau, Elektrowerkzeuge, Bürotechnik.
1994
Der Bereich AEG-Hausgeräte AG wird mitsamt
den Markenrechten an den schwedischen
Electrolux-Konzern verkauft, die Lichttechnik
geht an Philips. In den beiden folgenden Jahren werden alle restlichen Konzernbereiche
entweder geschlossen oder verkauft.
1996
Am 20. September endet die 113-jährige
Geschichte des AEG-Konzerns durch die Verschmelzung der übrigen Unternehmensteile
mit der Daimler-Benz AG. Die Verwaltung der
Markenrechte und Lizenzen fällt an die
Daimler-Benz-Tochter EHG Elektroholding in
Frankfurt.
Brand Personality Gameboard
Text: Judith-Maria Gillies
McK Wissen 03
Seiten: 44.45
7
Olympische
Spiele
Prominente bevölkern die Werbung, ganz egal, ob die Person zur Marke passt oder nicht. Oft genug
passt sie nicht. Um geeignete Kombinationen im Vorfeld bestimmen zu können, hat ein
Beraterteam in der griechischen Mythologie recherchiert. Ergebnis: das Brand Personality Gameboard.
Brand Personality Gameboard
Text: Judith-Maria Gillies
Charts: McKinsey & Company
Kennen Sie den? Franz Beckenbauer steht vor einer Almhütte, blickt
in den Nachthimmel und entdeckt einen Stern mit langem Schweif. Dann
fragt er: „Ja, is’ denn heut’ scho’ Weihnachten?“ Okay, okay, den E-PlusSpot kennen Sie natürlich. Ist ja Kult geworden.
Aber wie ist es mit dem? Derselbe Kaiser Franz, diesmal beim Golfen. Er
steigt in sein elektrisches Golfwägelchen, fährt damit bis nach Hause und
sagt … Ja, was sagt er denn? Eben. Den kennen Sie nicht. „Man muss
sparen, wo man kann.“ Dieser Satz aus der TV-Werbung ist kein Kult,
sondern schlicht vergessen.
Kein Wunder, meint Ansgar Hölscher, Berater der McKinsey Marketing
Practice in Hamburg. Das liegt nicht nur am geringen Werbedruck.
„Beckenbauer passt eben nicht zu jedem Produkt.“ Missratene Promi-Spots
– da fallen Hölscher noch eine Menge Beispiele ein, und sein Urteil hat
wenig mit Geschmacksfragen zu tun. Mit einem fünfköpfigen Team hat
McKinsey ein Markenführungsinstrument entwickelt, das genau zeigen
soll, welche Persönlichkeit zu welcher Marke passt – und umgekehrt. Mit
dem Brand Personality Gameboard (BPG) sollen die emotionalen
Attribute einer Marke gesteuert werden können.
Verbraucher schreiben jeder Marke und jedem Menschen bestimmte
Charaktereigenschaften zu, etwa „Mercedes ist vornehm und zuverlässig“
oder „BMW ist temperamentvoll“. Diese persönlichen Merkmale macht das
Gameboard in einem mehrdimensionalen Raum sichtbar. Marken und
Menschen, die ähnliche Persönlichkeitsprofile aufweisen, passen gut
zueinander. Wo die Merkmalsausprägungen stark differieren, ist aus Beratersicht Vorsicht angebracht. So testet das Instrument, welche Prominenten-Kampagnen Erfolg versprechend sind, oder welche Celebrities gute
Werbeträger für welche Marke abgeben und auch, wie weit man das
Image einer Marke mit einer Persönlichkeit ziehen kann.
Von Antiwerbung und herausgeworfenem Geld
Der Bierbrauer Krombacher etwa tat gut daran, Millionärsmacher Günther
Jauch als Werbegesicht zu wählen. Denn beide, Mann und Marke, gelten
als intelligent und charmant. Wäre hingegen der Konkurrent Radeberger
auf der Suche nach einem neuen Werbeträger, sollten die Marketingleute
lieber Persönlichkeiten wie Alfred Biolek ansprechen. Genau wie die
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Seiten: 46.47
Biermarke kommt der Senior-Moderator besonders vornehm und
wohlerzogen daher. Schade nur, dass Biolek bekennender Weintrinker ist.
Mit dem BPG hat der Bauch als Ratgeber für den Werber ausgedient. Und
das sei höchste Zeit, meinen Markenexperten. „Heutzutage schmücken
sich viele Unternehmen aus rein persönlichen Liebhabereien mit einem
Prominenten“, sagt Christoph Ewert, Professor für Betriebswirtschaft an der
Fachhochschule Karlsruhe und Autor des Fachbuchs „Personality
Marketing“.
Promi-Werbung erzeugt Aufmerksamkeit. Doch davon profitiert die Marke
erst, wenn die Eigenschaften der Persönlichkeit auch auf die Marke übertragen werden. Verbreiteter scheint allerdings die Annahme zu sein, für
einen guten Spot reiche schon ein bekanntes Gesicht. Wie sonst ließe sich
erklären, dass Beckenbauer seinen Kopf nicht nur für Strom und Sportschuhe hinhält, sondern auch für Weißbier und Mobilfunk? Oder dass
Verona Feldbusch, die „mit dem Blubb“, außer für Iglo-Rahmspinat auch
für so unterschiedliche Marken wie Telegate, Schauma-Shampoo, den OttoVersand, die Expo oder die SOS-Kinderdörfer wirbt? Und Günther Jauch:
War es stimmig, dass er für Beton, für den Euro oder die SKL Lotterie warb
und Claudia Schiffer für H & M, L’Oréal, Jacobs Kaffee und Citroën?
Inflationäre Promi-Werbung: „Fünf bis zehn Prozent aller Kampagnen sind
mit Prominenten besetzt“, schätzt Henning von Vieregge, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen GWA
e. V. Doch Promis allein seien kein Garant für den Werbeerfolg, mahnt von
Vieregge. „Werbetreibende wären häufig gut beraten, ohne Prominente zu
werben.“ Die große Gefahr der VIP-Werbung: Passt der Star nicht zur
Marke, geht die Wirkung verloren. „Im schlimmsten Fall kann sie sogar
kontraproduktiv sein“, warnt BWL-Professor Ewert. „Wenn Testimonials
unglaubwürdig sind, schlägt das negativ auf die Marke zurück.“ So kann
Celebrity-Reklame zum teuren Vergnügen werden, und das passiert oft
genug. „Bestimmt die Hälfte der Werbung mit Prominenten ist herausgeschmissenes Geld“, schätzt Ewert. Aber das sagt man über fast jede
Werbeausgabe. Nur weiß niemand, welche Hälfte.
Mit der Geldverschwendung soll jetzt Schluss sein – das verspricht
zumindest das BPG. Die Brand Personality – die Markenpersönlichkeit –
wird zum wichtigen Differenzierungsmerkmal im Kampf um die Kunden.
„Heute erfüllen die meisten Produkte die funktionalen Bedürfnisse
„Heutzutage schmücken
sich viele Unternehmen aus
rein persönlichen
Liebhabereien mit einem
Prominenten.“
BWL-Professor Christoph Ewert
gleichermaßen umfassend“, erklärt McKinsey-Berater Hölscher. Das
vernichtende Urteil „ungenügend“ fälle die Stiftung Warentest nur noch
selten. Und künftig, davon ist Hölscher überzeugt, werden die Marken
Konsumenten anziehen, die einen emotionalen Vorteil bieten.
Lässt sich dieser emotionale Vorteil erfassen, vielleicht sogar steuern?
Fabian Hieronimus, Berater von McKinsey, ist davon überzeugt. Im
Rahmen seiner Dissertation an der Universität Münster hat Hieronimus die
Relevanz der Markenpersönlichkeit für das Markenmanagement untersucht. Seine Erkenntnis: Menschen neigen dazu, Objekten menschliche
Eigenschaften zu verleihen, um die Interaktionen mit der nichtmateriellen
Welt zu vereinfachen. Gelingt es, einer Marke ein menschliches Antlitz zu
geben, kann sich der Verbraucher besser mit ihr identifizieren und wird ihr
gegenüber loyaler sein. „Auch für Markenmanager ist es einfacher zu
sagen, ,Meine Marke soll so sein wie Julia Roberts‘, als davon zu reden,
dass eine Marke überdurchschnittlich fröhlich, charmant, leidenschaftlich
und temperamentvoll sein soll“, meint Hölscher.
Leicht gesagt. Doch hinter den griffigen Ergebnissen des BPG verbirgt
sich ein kompliziertes Verfahren – und göttliche Hilfe. Der Reihe nach:
Zuerst einmal mussten für die Analyse geeignete Persönlichkeitsmerkmale her. Fündig wurden die McKinsey-Berater bei der amerikanischen
Marketing-Professorin Jennifer Aaker von der Stanford Universität.
Sie hatte 1997 erstmals 15 Facetten der Markenpersönlichkeit ermittelt,
die die Wahrnehmung von Marken im amerikanischen Kulturraum
beschreiben.
Diese Eigenschaften unterzog McKinsey einem Tauglichkeitstest für
Deutschland. Mehrstufige Marktforschungsverfahren waren notwendig.
Die Berater suchten zunächst nach unverwechselbaren charakterstarken
Typen, die durch herausstechende Merkmale gut voneinander abgrenzbar
sind – und fanden sie in den Archetypen der griechischen Mythologie.
Den Göttern und Helden der damaligen Zeit, Persönlichkeiten wie Zeus,
Herakles, Aphrodite oder Helena, so die Annahme, lassen sich bestimmte
Eigenschaften zuordnen und so Kernpersönlichkeiten definieren.
Dann der Versuch. 24 Probanden spielten mit. Nachdem sie sich in die
griechischen Sagen eingelesen hatten, sollten sie sich selbst nach
Ähnlichkeiten oder Verschiedenheiten in einem Raum positionieren. Zeus
in der Mitte. Dann Aphrodite, als nächstes Dionysos. „Je mehr Leute
hereinkamen, desto komplexer wurde die Lage“, erinnert sich McKinseyBerater Hölscher.
Brand Personality Gameboard
Text: Judith-Maria Gillies
Chart: McKinsey & Company
Am Ende brachte die Götteraufstellung Klarheit darüber, wie die einzelnen
Persönlichkeitsmerkmale als Ganzes wahrgenommen werden. Die Archetypen können treffsicher von robust bis ehrlich beschrieben werden. Je
nach der Ausprägung des bedeutendsten Merkmals ergab sich damit eine
unverrückbare Position der Kernpersönlichkeit in einem mehrdimensionalen Raum mit den vier Grunddimensionen Vernunft, Geist, Lust und Kraft.
Nach dem Spiel ging es zurück in die Gegenwart. Die Frage der Berater:
Haben die alten Griechen Äquivalente in der Moderne? Der Zeus der
Gegenwart heißt James Bond. Die moderne Aphrodite? Julia Roberts. Und
Thomas Gottschalk als Götterbote Hermes. 900 Befragte bewerteten in
repräsentativen Interviews Marken und Stars. Und gemeinsam mit der
Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fanden die Berater
zu jeder antiken Gestalt ein Pendant aus der heutigen Zeit.
Die Bewertungen der Interviewpartner verfeinerten und konkretisierten
die Positionen im Gameboard. Das Ergebnis ist jetzt ablesbar: Je ähnlicher
Marke und Mensch wahrgenommen werden, desto näher stehen sie beieinander. In den konstanten Raum des Gameboards können die Berater
heute jede beliebige Marke und jede Person plotten. Dabei kann das BPG
genutzt werden, um für eine gut positionierte Marke die geeignete Celebrity zu finden. Soll eine Marke entwickelt werden, wird ein Werbeträger
identifiziert, der die Marke in die richtige Richtung zieht. Rund 60 VIPs
und 40 Brands aus acht Produktkategorien haben im BPG bereits ihren
Platz. Im Gameboard werden die Mitbewerber direkt verglichen. Weitere
Brands sollen folgen – je mehr Marken, desto spannender wird das Tool.
Schon heute liefert das Instrument bei diversen Markenproblemen
Lösungsansätze. Es hilft nicht nur bei der richtigen Partnerwahl, sondern
bietet auch Orientierung: Hebt sich die Persönlichkeit der eigenen
Marke ausreichend von der Konkurrenz ab? Passt sie zur Dachmarke?
Welche Marken eignen sich als Partnermarken? Stimmt die Positionierung?
Keine Frage, das Gameboard von McKinsey ist ein Tool, das die Argumentation gegenüber den Werbetreibenden stützt. Als Allzweckwaffe für
die Markenführung taugt es allerdings nicht. „Für Strategieempfehlungen“,
sagt Berater Hölscher, „brauchen Sie immer noch vor allem Analytik,
Erfahrung und Fingerspitzengefühl.“
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Seiten: 48.49
Zeus (James Bond)
Herrscher über die olympischen Götter, über Himmel, Blitz und Donner; Beschützer der
Menschheit, Hüter des Gesetzes. Zeus ist immer verstrickt in vielfältige Liebesaffären
mit Göttern und Menschen. Zeusianer sind Machtmenschen mit Charisma, erworben
durch natürliche Autorität und Souveränität.
Helena (Evita Perón)
Die Königin von Sparta ist schön, aber treulos, was unter anderem den Trojanischen
Krieg verursachte. Stets fügt sie sich ihrem Schicksal. Helena-Persönlichkeiten werden
aufgrund ihrer starken Ausstrahlung verehrt. Auf ihren Vorteil bedacht, setzen sie ihre
Stärken intelligent ein – und erkennen oft zu spät, dass sie es zu weit getrieben haben.
Herkules (Lance Armstrong)
Starker, aber tragischer Held. Von klein auf beweist er einen unbändigen Überlebenswillen, um seinen Widersachern zu entkommen. Das Tragische: Im Wahn erschlägt
er drei seiner Kinder – und muss zur Strafe zwölf Jahre auf der Erde leben und schwere
Prüfungen bestehen. Dort wird er betrogen und vergiftet und ließ sich verbrennen, um
von seinen Qualen befreit zu werden. Herkules-Typen sind ausdauernd und stark, müssen
sich jedoch alles hart erarbeiten und enden oft als tragische Helden.
Dionysos (Mick Jagger)
Gott der Fruchtbarkeit, des Weins und der Ekstase. Dionysier geben sich überschwänglich den Sinnesfreuden hin, sind wankelmütig und streben nach den schönen Dingen des
Lebens.
Hermes (Thomas Gottschalk)
Der Götterbote stellt frühzeitig seinen Erfindungsreichtum, seine Unverfrorenheit und
seinen Vorwitz unter Beweis. Bereits an seinem ersten Lebenstag stiehlt er Vieh
von Apollon und leugnet den Diebstahl dreist. Hermes-Typen stehen für List, Witz und
Schlagfertigkeit. Sie finden sich dort, wo Seilschaften zählen.
Artemis (Alice Schwarzer)
Die Göttin der Jagd und der wilden Tiere. Als Heilerin tut sie viel Gutes. Ebenso wacht
sie mit Argusaugen über die Jungfräulichkeit ihrer Gefolgschaft aus Nymphen.
Artemis-Typen sind Menschen, die hehre Prinzipien pflegen. Moralische Integrität und
mutiger Idealismus machen sie zu Hütern von Anstand und Ordnung.
Ares (Bruce Willis)
Der Kriegsgott verführt zahlreiche Göttinnen und sterbliche Frauen und hat viele Kinder.
Er gilt als unzuverlässig, willkürlich, brutal und zerstörungswütig, aber auch als
mutig und tapfer. Ares-Typen sind Draufgänger, die sich durch Hemmungslosigkeit und
Aggressivität Respekt verschaffen. Sie handeln aus dem Bauch heraus.
Aphrodite (Julia Roberts)
Die Göttin der Liebe und Schönheit ist mit dem hinkenden Feuergott Hephaistos
verheiratet, betrügt ihn aber mit zahlreichen Göttern und Menschen. Wird sie herausgefordert, reagiert sie grausam und berechnend. Aphrodite-Typen meistern ihr Leben
trotz gelegentlicher Einfältigkeit und bauen dabei auf ihre Leidenschaft, Schönheit und
Sinnlichkeit, die sie berechnend einsetzen.
Prometheus (Robin Hood)
Wohltäter, Erzieher, Prophet. Als Vorkämpfer der menschlichen Zivilisation verschafft er
der Welt unter Einsatz seines Lebens Tiere und Feuer – und wird dafür auf Zeus’
Befehl an einen Fels geschmiedet. Ein Adler hackt dabei seine immer wieder nachwachsende Leber heraus. Prometheus-Typen sind Idealisten, die mit Eifer für die gute Sache
kämpfen und dabei klug und erfinderisch vorgehen.
Hephaistos (Nelson Mandela)
Der Gott des Feuers und der Schmiedekunst ist immer bemüht, aber glücklos. Aus Missmut über seine Schmächtigkeit wirft ihn seine eigene Mutter ins Meer, seine
Ehefrau betrügt ihn, Zeus schleudert ihn vom Olymp. Von Dionysos dort wieder aufgenommen, baut er herrliche Paläste und stellt viele gelungene Handarbeiten her.
Hephaistos-Typen sind Menschen, die körperliche Unzulänglichkeit auf einem Gebiet
durch Ehrgeiz und Meisterleistungen auf anderen Gebieten wettmachen. Durch
ihren eisernen Willen, ihre Energie und Unermüdlichkeit setzen sie sich schließlich durch.
Apollon (Goethe)
Er ist ein spielerischer Gott. Seine große Liebe zur Kunst zeigt sich, als er bei Hermes
die Lyra entdeckt. Kurzerhand handelt er sie ihm ab und lehrt Orpheus, den Sänger
der Unterwelt, das Saitenspiel. Apollon-Typen sind belesene und kultivierte Schöngeister,
interessieren sich für Kunst, Musik und Literatur.
Ingredient Brands
Text: Steffan Heuer
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Seiten: 52.53
Paarlauf
mit Tücken
Ein anonymes Verbrauchsgut zu einer Marke machen, die Verbraucher anspricht, ohne dabei die Marke
des Endproduktes zu überschatten? Wer sich als Ingredient Brand etablieren will, muss einen komplizierten
Spagat vollbringen.
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Ingredient Brands
Text: Steffan Heuer
Foto: Intel
Die Epidemie begann ganz unscheinbar. Pendler in Denver starrten
im Sommer 1989 im Morgenstau auf mysteriöse Plakatwände, auf die
sie sich keinen Reim machen konnten. „286“ stand da, in Rot darüber
gesprüht ein großes Graffiti-X. Unten rechts ein kleiner Firmenname: Intel.
Vandalismus auf einer Annonce für ein neues Auto? Oder vielleicht eine
neue Vorwahl für Denver? Die Verwirrung hatte Methode. Ausgetüftelt
hatte die mysteriöse Kampagne Dennis Carter, der damalige MarketingManager und spätere Vice President von Intel, mit einem fünfköpfigen
Team. Ziel war es, die Welt mit einer neuen Mikrochip-Marke zu infizieren.
Wegen des äußerst begrenzten Budgets blieb jedoch nur eine einzige
US-Metropole, um die Keime freizusetzen.
Personal Computer waren Ende der achtziger Jahre noch keine Gebrauchsgegenstände, um die sich Millionen von Endverbrauchern rissen, sondern
teure, relativ esoterische Geräte. Für die Frage, welcher Chip in den beigen
Kästen versteckt war, interessierte sich niemand. „Die wenigsten konnten
mit den Anzeigen etwas anfangen. Die meisten Kollegen im Haus bezweifelten, dass wir Erfolg haben würden“, erinnert sich Carter, der Intels
Aufstieg zur Weltmarke verantwortet. Aus seiner Guerilla-Taktik wurde
schließlich das Kringel-Logo Intel Inside, das heute mehr als 3000 Elektronikhersteller auf ihre Produkte kleben. Durchschnittlich alle fünf Minuten
ertönt irgendwo auf der Welt der dazugehörige Jingle, der im Firmenjargon
Bong heißt.
Dies ist eine Geschichte der normativen Kraft des Unsichtbaren. Bis heute
bekommen die wenigsten Menschen jemals zu Gesicht, wie Intel Inside
denn nun aussieht. Wer schraubt schon seinen Rechner auseinander und
sieht nach, was auf dem Prozessor steht, wer bemerkt den Unterschied
gegenüber dem Chip der Konkurrenz? Der Weg zum Erfolg führte über
bislang mehr als neun Milliarden Dollar Werbekosten. Er ist zum klassischen
Fallbeispiel geworden, wie sich ein gesichtsloser Komponentenhersteller
ins Rampenlicht schieben kann.
Im Jahr 2002 steht Intel in der Rangliste der wertvollsten Marken der Welt
auf Platz fünf. Das zumindest hat die Markenberaterfirma Interbrand in
ihrer Hitparade berechnet, die Business Week jährlich veröffentlicht.
Damit liegen die Siliziumtafel-Bedampfer von Santa Clara im Bekanntheitsgrad noch vor Nokia, Disney, McDonald’s oder Marlboro und nur
hinter Coca-Cola, Microsoft, General Electric und IBM. Wer seine
unscheinbaren Zutaten (engl. Ingredients) zu einer starken Marke
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Seiten: 54.55
auf- und ausbauen will, schaue auf Carters Marsch durch die Institutionen
der modernen Industriegesellschaft: klein anfangen, ein schlüssiges Image
entwickeln, das das Interesse der Endverbraucher emotional anspricht, und
mit den Herstellermarken eng zusammenarbeiten.
Beispiele für die enge Kooperation zwischen Zutatenherstellern und
Endproduzenten gibt es reichlich: der Süßstoff NutraSweet, dessen
rot-weißer Wirbel auf Kaugummiverpackungen und Coladosen prangt,
Aufnäher für das wasserdichte Synthetik-Laminat Gore-Tex, die an Jacken
und Wanderschuhen hängen, Gummisohlen von Vibram oder Bratpfannen,
die mit der Antihaft-Beschichtung Teflon werben. Dabei geht es um mehr
als nur darum, ein weiteres Etikett auf ein Produkt zu kleben.
Bloß raus aus der Verbrauchsgut-Falle
Ingredient Brands erlauben Zulieferern, aus der Austauschbarkeit auszubrechen und mit ihren Kunden in direkten Kontakt zu treten. So lässt sich
mit viel Beharrlichkeit eine Nische auf dem hart umkämpften Marktplatz
der Ideen und Versprechungen besetzen. „Die Geschichten, die Marken
erzählen, sind inzwischen zum kulturellen Gewebe unserer Zivilisation
geworden“, sagt Jim Twitchell. Der Englischprofessor an der Universität
Florida beschäftigt sich mit Marken aus der Sicht des Literaturwissenschaftlers. „Wer ein erfolgreiches Produkt haben will, ob Komponente oder
eigenständige Marke, muss mindestens ein paar Kapitel in den modernen
Roman unserer Konsumgesellschaft einflechten.“
Und wer mit der unscheinbaren Komponente zum Akteur in dieser nie
abgeschlossenen Erzählung aufsteigt, entkommt der „Verbrauchsgut-Falle“,
wie sie die Berater von McKinsey & Company nennen. Ingredient Branding
kann eine Überlebensstrategie sein in einer Welt, in der es von fast allen
Zutaten mehrere Anbieter gibt. Wer seine Zutat als Marke etabliert, kann sich
von der Konkurrenz abgrenzen, bessere Beziehungen zu Fertigungspartnern
aufbauen und einen Nachfragesog bei Endverbrauchern schaffen. So lassen
sich auf Dauer höhere Preise und bessere Margen erzielen.
Die Definitionen für Ingredient Brand sind schwammig. So viel ist jedoch
unumstritten: Der Begriff trifft nur auf Komponenten zu, die man nicht für
sich allein erwerben oder konsumieren kann, die oft sogar versteckt und
nur Eingeweihten bekannt sind. Schwieriger wird es, wenn Lebensmittelmarken ihre etablierten Produkte gemeinsam vermarkten – etwa wenn
Dennis Carter, ehemaliger
Marketing-Chef bei Intel, verwirrte
mit seinen mysteriösen Werbeplakaten die amerikanische Nation –
und weckte die Neugier.
Intel stieg zur Weltmarke auf.
Häagen-Dazs seiner Eiskrem den Sahnelikör Baileys beimischt. Oder wenn
die Tennis-Schwestern Serena und Venus Williams ihr Image für AvonKosmetika zur Verfügung stellen. „Prominente kann man auch als Zutat
betrachten, die für Qualität bürgen und so die Kaufentscheidung vereinfachen“, argumentiert Robert Gibralter, Bereichsleiter Strategie und Planung
bei Interbrand in New York. Allerdings nur, wenn Mensch und Marke
zueinander passen (siehe auch Seiten 44 bis 49).
Schokolade und Fertigkuchen: Hochzeit mit Idealen
Anders Bengtsson von der Universität Odense in Dänemark spricht wegen
dieser Definitionsprobleme lieber von Mixed Brands. In diesen gemischten
Marken geht eine Komponentenmarke mit einer Wirtsmarke eine je nach
Marktlage unterschiedlich geartete Symbiose ein. „Für den Endverbraucher
ist es egal, ob es sich um Co-Branding handelt oder um eine strategische
Allianz von Komponenten und Partnermarken. Der Erfolg lässt sich daran
messen, ob die Verbraucher letzten Endes ein neues Ganzes wahrnehmen,
dessen Summe größer ist als die Einzelteile.“
Die Geschichten, die die zwei verschiedenen Marken transportieren,
müssen zusammenpassen, damit sich die Assoziationen in den Köpfen der
Öffentlichkeit aufaddieren und nicht neutralisieren. Wie Bengtsson in
einer ausführlichen Studie zur Lebensmittelindustrie erklärt, ist die Beimischung von Schokolode aus dem Hause Hershey’s in die Fertigkuchenmischungen von Betty Crocker mehr als nur die Verbindung von zwei
Traditionsmarken, mit denen mehrere Generationen von Amerikanern
aufgewachsen sind.
„Mit einer strategischen Marken-Allianz ist es wie mit einem Paar, das sich
kennen lernt und heiraten will“, erklärt Bengtsson. „Am Anfang hat jeder
eine Idealvorstellung. Man geht von einer ebenbürtigen Beziehung aus.
Aber immer steht die Frage im Hintergrund, ob und wie lange das gut
gehen wird.“
Bis das Ja-Wort gesprochen wird, muss ein Komponentenhersteller erst
einmal die Braut schön machen. Die Ingredient Brand braucht eine
Mitgift – ohne Wertpotenzial lässt sich keine eigenständige Marke
entwickeln. Um beispielsweise erfolgreich Sand zu verkaufen, reicht es
nicht, sich als beste Sandgrube auszugeben. Eine emotional und rational
ansprechende Geschichte und ein Symbol für die eine Sorte Sand muss
erfunden werden.
Ingredient Brands
Text: Steffan Heuer
McK Wissen 03
Seiten: 56.57
Für den erfolgreichen Paarlauf gibt es vier Ausgangs-Szenarien, wie Ned
Pfeiffer von der weltweit tätigen Branding- und Design-Beratungsfirma
Landor Associates in San Francisco erläutert. Für ihn sind die Komponenten
nur eine Teilmenge von dem, was er „Attribute Branding“ nennt – die
Schaffung von Markenbewusstsein nicht nur für unsichtbare Bestandteile,
sondern auch für Form- oder Funktionskomponenten eines Produktes wie
etwa das Dolby-System zur Rauschunterdrückung in Stereoanlagen oder die
Oral-B-Technologie in den elektrischen Zahnbürsten von Braun.
Viermal Paarungsbedarf
Möglichkeit 1: Die Wirtsmarke ist neu oder bedarf einer stärkeren Identität.
Ein Bündnis mit einer bereits etablierten Komponentenmarke kann dabei
helfen, den nötigen Aufwind zu schaffen, um Bewusstsein, Vertrauen und
Käufervorlieben für das gemeinsame Produkt hervorzurufen. So könnte sich
beispielsweise ein junger, unbekannter Hersteller von Sportbekleidung mit
Gore-Tex rascher zum glaubwürdigen Outdoor-Anbieter aufschwingen.
Möglichkeit 2: Die Wirtsmarke weist Kompetenzlücken auf und braucht
eine starke Komponente, um mehr Glaubwürdigkeit herzustellen oder neue
Funktionen anzubieten. Etwa Orbit-Kaugummi, der sich seit langem als
zuckerfreies Naschwerk gegen Karies vermarktet. Jetzt verwendet Orbit die
Weißmacher-Chemikalien der Zahnpasta-Marke Crest, um eine neue
Sorte zahnfreundlicher Kaugummis auf dem Markt zu positionieren.
Möglichkeit 3: Die Wirtsmarke sucht einen Komponentenhersteller, um
im Wettbewerb relevant zu bleiben, da sie sonst in die oben beschriebene
Falle des austauschbaren Verbrauchsguts laufen würde. Diese Variante ist
in einem gesättigten Markt für die Produzenten von Komponenten wie für
weiterverarbeitende Hersteller interessant. Wenn sich Intel Inside oder
Gore-Tex zum De-facto-Standard entwickelt haben, kann kaum ein
Unternehmen auf eine solche Zutat verzichten. Pfeiffer vergleicht den Einsatz
einer solchen Ingredient Brand mit dem Mindesteinsatz, der benötigt wird,
um bei einer Partie Poker überhaupt mitspielen zu können.
Den US-Markt für Süßstoff bekam NutraSweet nach seiner Markteinführung fest in den Griff –
und wurde zu einer der erfolgreichsten Ingredient Brands: In ihren Blütezeiten diktierte
die Komponenten-Marke mit dem rotweißen Kringel ihren Partnerfirmen Preis und umfangreiche
Brand-Bestimmungen.
„Der Erfolg lässt sich daran messen, ob die Verbraucher letzten
Endes ein neues Ganzes wahrnehmen, dessen Summe größer
ist als die Einzelteile. Mit einer strategischen Marken-Allianz ist
es wie mit einem Paar, das sich kennen lernt und heiraten will.“
Anders Bengtsson, Universität Odense in Dänemark
Möglichkeit 4: Die Wirtsmarke ist nicht neu, muss aber ihr Image verjüngen
und bedarf zusätzlicher Argumente, um sich zu differenzieren oder
Konkurrenten vom Leib zu halten. Wenn also die Nobel-Automarke Lexus
ein Modell mit Sitzbezügen der ebenso teuren Ledermarke Coach auf den
Markt bringt, trifft sich Luxus mit Luxus zu einem neuen Ganzen.
Das Fallbeispiel Intel zeigt, wie die wenig ansprechende Zutat in einem
ebenso wenig ansprechenden Industrieprodukt zum Wunschpartner
aufsteigen kann, an dem fast sämtliche Hersteller einer Branche nicht mehr
vorbeikommen. „Dass wir Intel Inside als Marke schufen, war eigentlich
ein Unfall“, erinnert sich der ehemalige Marketing-Chef Dennis Carter.
Am Anfang stand die Notwendigkeit, eine neue Generation von Mikroprozessoren mit dem belanglosen Kürzel 80386 zu etablieren, weil der
erhoffte Nachfrageschub nach dem Vorgänger ausgeblieben war. Deswegen
die Denver-Kampagne, die den veralteten 286er-Chip mit einem dicken
roten Kreuz einfach wegstrich. „Wir hatten ein Marketing-Problem und
wollten nach besseren Wegen suchen, um Entscheider zu erreichen.“
Intel-Chef Andy Grove billigte Carters Truppe 1989 erst fünf Millionen
Dollar zu, bekam dann aber kalte Füße und stellte zunächst nur ein Zehntel
für ein Pilotprojekt in einer einzigen Stadt bereit.
Die mehrwöchige Kampagne auf Plakatwänden, in Lokalzeitungen und
Radiosendern steigerte den Bekanntheitsgrad des neuen Chips so sehr,
dass Grove die Restsumme freigab. Im Herbst 1989 überzog Carters
inzwischen auf zehn Leute angewachsene Truppe neun weitere Städte mit
Werbung für je eine halbe Million Dollar – aus Kostengründen verzichtete
er aber auf den Schlüsselmarkt New York. Und das sogar ohne Einbußen.
„Wir wollten eigentlich nur potenzielle Kunden über das neue Produkt
aufklären und stellten plötzlich fest, dass wir eine Marke geschaffen
hatten“, sagt Carter, der 2000 in den Ruhestand gegangen ist.
Es gab nur ein Problem. Da Intel ständig neue Chips mit neuen Namen
auf den Markt bringt, ließ sich das Graffiti-Konzept nicht für jede
Prozessoren-Generation wieder aufwärmen. Zudem stellte ein Gericht fest,
dass beliebige Zahlenfolgen wie 286 oder 486 nicht mit einer Trademark
zu schützen seien und damit kaum als Branding-Objekte taugten. Also
musste ein Dachbegriff her. Carter spielte mit dem Gedanken, für das
Schlagwort ISPAN zu werben, um technische Spannbreite zu suggerieren,
bevor er mit einer Agentur den Dachbegriff „Intel – the Computer Inside“
ersann, der dann noch einmal zu „Intel Inside“ eingedampft wurde.
Nachdem der Marketingchef landauf, landab Reaktionen der Computerhersteller auf eine gemeinsame Werbekampagne eingeholt und
Richtlinien entwickelt hatte, startete Intels Ingredient Brand im Juli 1991.
Hersteller der gerade in Fahrt gekommenen PC-Industrie waren so erpicht
auf das neue Intel-Siegel, dass IBM bereits drei Monate vor dem Startschuss
damit warb. „Das Problem war“, berichtet Carter, „dass wir noch gar nicht
wussten, was wir den Leuten eigentlich als Kernbotschaft erzählen wollten.“
Intel überließ den Herstellern die Werbung und definierte nur Leitlinien für
die Platzierung seines Logos. Die Kooperation lohnte sich für die Hersteller
dennoch von Anfang an. Intel erstattete ihnen die Hälfte der Kosten für
Printwerbung bis zu einer Obergrenze von drei Prozent ihrer jährlichen
Chipeinkäufe.
Erfolgsrezept Inside
Gut zehn Jahre nach Start der Branding-Kampagne hat sich das Modell zu
einem komplizierten Regelwerk entwickelt, bei dem die Erstattungsquote
von 25 bis 70 Prozent und die Obergrenze zwischen drei und sechs Prozent
schwanken. Ab einem fünfstelligen Werbebudget arbeiten Account-Manager
von Intel gezielt mit Herstellern und deren Agenturen zusammen, um
Inhalt, Format und Botschaft fein zu justieren. Die Co-Produktion hat
bisher mehr als neun Milliarden Dollar gekostet. Mittlerweile setzt Intel
vermehrt auf sein eigenes Branding mit hippen Fernsehspots, die einen
digitalen Lebensstil zeigen. Die Strategie ist offensichtlich so erfolgreich,
dass Konkurrent Advanced Micro Devices (AMD) inzwischen eine verblüffend ähnliche Kampagne namens „AMD me“ gestartet hat.
Intels Einsichten lassen sich auch auf andere Branchen anwenden, glaubt
Carol Barrett, die im Jahr 2000 die Verantwortung für das Intel-InsideProgramm von Carter übernommen hat. „Unser Erfolgsgeheimnis besteht
darin, dass wir vom ersten Tag an eine schlüssige Markenstrategie hatten,
die sich mit unserer Geschäftsstrategie deckt. Man sollte sich dabei immer
vor Augen halten, dass man eine Ingredient Brand ist und mit Partnern
arbeitet, die man nicht überwältigen sollte.“ Für sie ist Intel Inside zum
Gütesiegel geworden, das Verlässlichkeit, technische Kompetenz und
Sicherheit signalisiert. Je mehr das Markenbewusstsein für Prozessoren und
ihre Leistungsfähigkeit wächst, desto mehr Computer werden über die
Ladentheke gehen. Der Kuchen wird für alle größer.
Doch wenn der Partner zu stark wird, kann es Ärger geben: Partnerfirmen
von Intel und NutraSweet sehen diesen „Auftrieb“-Effekt nicht immer so
rosig. Schiebt sich nämlich die Komponente zu stark in den Vorder-
Ingredient Brands
Text: Steffan Heuer
grund, wird aus dem Lift schnell eine Reise im Windschatten. Der Marktanteil anderer Chiphersteller schrumpfte beispielsweise seit Beginn der
Intel-Branding-Strategie 1989 bis 1998 von 44 auf 17 Prozent. Sowohl IBM
als auch Compaq waren zeitweilig verstimmt oder kündigten sogar ihre
Lizenzen, weil sie befürchteten, dass ihre Marken von Intels Präsenz auf
allen Kanälen überschattet und sie preislich zu Geiseln der übermächtigen
Komponenten-Marke werden würden.
„Heute ist Intel Inside mehr ein Vehikel, mit dem Intel seine Vertriebskanäle kontrolliert“, urteilt Susan Fournier von der Harvard Business
School. „Der Konzern benutzt die Marke, um Lieferverträge mit den
Herstellern im Griff zu behalten.“ Für Fournier ist der Erfolg der Markenstrategie aus Verbrauchersicht zudem fragwürdig. US-Kunden suchen nach
wie vor im Laden nach Dell- oder Gateway-Rechnern – und eben nicht
nach einem Computer mit einem Intel-Prozessor.
Ähnliche Eheprobleme beutelten Aspartame, so der ursprüngliche Name
von NutraSweet, das seit seiner Entdeckung 1965 bei G. D. Searle & Company
zweimal den Eigentümer wechselte. Nach der Markteinführung 1981 besaß
die Chemikalie zunächst große Zugkraft für die Nahrungsmittelindustrie,
da sie das in Krebsverdacht geratene Saccharin als zuckerfreien Süßstoff
ersetzen konnte. In seinen Blütezeiten hatte NutraSweet mangels Konkurrenz und dank seines Patents den 700 Millionen Dollar großen US-Markt
für Süßstoff fest im Griff und konnte seinen Partnerfirmen Preis und BrandBestimmungen aufzwingen. Sobald das Patent im Schlüsselmarkt USA Ende
1992 ausgelaufen war, sprangen viele Hersteller ab und handelten Verträge
mit anderen, preiswerteren Aspartame-Anbietern aus. NutraSweet reagierte
und strich unter anderem seine Branding-Richtlinien von 80 auf zwei
Seiten zusammen.
Ingredient Branding von unten: das Beispiel Gore-Tex
Wie es gelingen kann, auch ohne Druck oder Milliarden-Budget eine Komponenten-Marke zu etablieren und in enger Partnerschaft mit Herstellern
zu pflegen, beweist Gore-Tex. Das wasserdichte, atmungsaktive Gewebe
wurde 1969 entdeckt. Der Chemie-Ingenieur Wilbert Gore hatte sich
1958 nach einer Karriere bei DuPont selbstständig gemacht, um neue
Anwendungen für Polytetrafluoräthylen (oder DuPontTeflon) zu finden.
Sein Sohn Robert Gore entdeckte die Eigenschaft des Stoffes, Wasser-
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Seiten: 58.59
tropfen abzuweisen, aber Wasserdampf oder Schweiß durchzulassen, wenn
die Faser gestreckt wird und die mikroskopischen Poren noch kleiner
werden. Gore-Tex musste sich seine Abnehmer unter Sportbekleidungsherstellern jedoch erst mühsam erschließen und wählte den direkten Weg
über den Verbraucher. „Hersteller sahen keinen Bedarf für eine solche neue
Faser. Wir schufen in Kleinarbeit einen Nachfragesog, so dass Kunden in
Geschäften nach unserem Produkt fragten“, berichtet Stephen Shuster, Brand
Manager im Gore-Hauptsitz in Delaware.
Die Kampagne an der Basis war ein Häuserkampf. Vertreter demonstrierten
die Vorzüge des neuen Gewebes unablässig auf Messen und in Fachgeschäften. Gore Associates schaltete eigene Anzeigen und machte zudem
1989 ein einzigartiges Versprechen, das den Kontakt zum Endverbraucher
enorm verstärkte. Der Komponenten-Produzent steht für die Qualität des
gesamten Kleidungsstücks gerade, egal von welchem Hersteller. Auch
Intel sah sich einmal zu einem solchen Schritt gezwungen. Allerdings nur
vorübergehend, als 1994 der neu eingeführte Pentium-Chip einen Rechenfehler aufwies und hunderttausende verunsicherter PC-Besitzer die Firma
anriefen. „Das war der Wendepunkt“, sagt Intel-Manager Carter. „Danach
fragte niemand mehr, ob wir uns als Marke etabliert haben. Für die Verbraucher waren wir eine – mit allen negativen Folgen, wenn es schief geht.“
Das bei Gore aus dem Differenzierungswunsch geborene Versprechen an
den Endkunden geht weiter als diese einmalige Umtauschaktion bei Intel.
Wer Mängel findet, kann seine Regenjacke oder sein Zelt direkt an Gore
einschicken. Um Pannen zu vermeiden, die die polygame Marken-Ehe in
den Abgrund ziehen können, hat das Unternehmen ein rigoroses Qualitätsprogramm entwickelt, das Details bis zu den zulässigen Schnürsenkeln
festlegt. Hersteller müssen Prototypen an ein Testlabor einschicken, wo sie
in einen Regenraum wandern. Außerdem besuchen „Field Service Teams“
regelmäßig Fabriken, um sich vom Fertigungsstandard zu überzeugen. Wer
durchfällt, wird abgemahnt oder fliegt ganz aus dem Programm.
„Ein Leck kann das ganze Schiff versenken. Man muss
seine Partner sorgfältig aussuchen.“
Stephen Shuster, Brand Manager im Gore-Hauptsitz in Delaware
Shuster nennt das einen der Grundsätze für erfolgreiches Management
einer Ingredient Brand: „Ein Leck kann das ganze Schiff versenken. Man
muss seine Partner sorgfältig aussuchen und sich auf die gesamte
Wertschöpfungskette konzentrieren.“
Die Pflege und der Ausbau einer Komponenten-Marke sind eine kontinuierliche Anstrengung, hat Shuster nach 20 Jahren in Gores Diensten
gelernt. Zumal, da im Laufe der Zeit Patente auslaufen und immer mehr
Konkurrenten ähnliche Produkte zu erheblich günstigeren Preisen anbieten.
Einmal im Jahr schwärmen 40 seiner Vertreter in den gesamten USA
für drei Tage in bis zu 100 Sportgeschäfte aus und demonstrieren mit
Plastikeimern und Stoffproben, was Gore-Tex so alles kann. Das Unternehmen nennt das „Retail Blitz“. Mit Erfolg. Im Unterschied zu Intel
verlangen viele Kunden inzwischen nach dem Material, wenn sie in
Wirklichkeit ein Kleidungsstück oder Wanderschuhe einer Wirtsmarke
kaufen wollen.
Dieser anhaltende Nachfragesog erlaubt es Gore, für sein Material zwischen
15 und 30 Dollar den Meter zu verlangen, während Imitate aus Taiwan für
sechs bis acht Dollar zu haben sind. Trotzdem muss Gore sich ständig neu
erfinden, um relevant zu bleiben, sagt Shuster. Im Windschatten der
berühmten Komponente wirbt das US-Unternehmen in seinem Retail Blitz
für zwei Gewebe „von den Machern von Gore-Tex“, die neue funktionale
Attribute betonen: mehr Winddichte, mehr Atmungsfähigkeit.
Es ist kein Zufall, dass erfolgreiche Beispiele für Ingredient Brands relativ
jungen Datums sind und vor allem aus den USA stammen. Der Markt muss
übersättigt sein, der Leidens- und Margendruck der Zulieferer groß genug,
um Zutaten zu einem Brand machen zu wollen. Marketing-Wissenschaftler
Bengtsson etwa hat vor 1992 so gut wie keine Erwähnungen von MarkenAllianzen in der Fachliteratur finden können. Früher, so vermutet er, waren
Zutaten in erster Linie firmeninterne Entwicklungen, die als Neuheit
beworben wurden, ohne dass man sich auf den komplizierten Paarlauf in
aller Öffentlichkeit einlassen wollte.
Dabei rührte Mars seine süßen Riegel schon in den dreißiger Jahren
mit Hershey-Schokolade an. Aber damals war man auch noch etwas
zugeknöpfter, wenn es ums Eheleben ging.
Siegeszug einer unsichtbaren Marke:
Die Kunden verlangen nach Gore-Tex, wenn sie Kleidungsstücke einer Wirtsmarke kaufen
wollen. Die beste Werbung für neue Gewebe wie Windstopper ist heute der Hinweis
„von den Machern von Gore-Tex“.
Was wirklich zählt
Text: Rüdiger Schmitz-Normann
McK Wissen 03
Seiten: 60.61
Kakaobutter, Emulgator, Magermilchpulver
9
Was wirklich
zählt
Nichts bleibt. Wer das erkennt, ist reif für Marken
Was wirklich zählt
Text: Rüdiger Schmitz-Normann
McK Wissen 03
Florian heißt zwar Florian, aber eigentlich ist er ganz in Ordnung. Er
macht es sich auf seiner Antonio-Citterio-Sitzgruppe bequem, sein Sohn
liegt seit einer halben Stunde im Bett, seine Frau ist auf einer Tagung, auf
den Schuhen hat er Wassertropfen vom Gang durch den Garten. Er schenkt
Rotwein nach. Die Zigarettenmarke sucht er nach der Farbe der Packung
aus. Er weiß, dass die Bretz Brothers mit ihren Plüschsofas zu den
Bäh-Marken gehören, so wie Helly Hansen, die ihre Jacken bei Wal-Mart
neben Bierkästen verkaufen. „Marken müssen ehrlich sein“, er murmelt
etwas vom Burberry-Overkill und zupft die Manschette seines Van-LaackHemdes über die günstig gekaufte Rolex Milgauss aus den Sechzigern.
Natürlich muss Florian einiges einstecken, wenn er sich als Markophiler
outet. Konsumkritik ist schick. Was bleibt, außer den Konsum zu kritisieren, heute, wo doch jeder alles darf? Mit Naomi Klein und Frédéric Beigbeder im Rücken führen sie ihm vor Augen, was für ein willenloser Wicht
im Konsumgetriebe er ist, die Familie ist doch wichtig und die Freunde –
politisch korrekt und ökologisch logisch und sterbenslangweilig. Wofür
arbeitet er denn, den ganzen Tag in seiner Agentur, pflegt die Geschäftspartner, manchmal sind die Tage wie Gummi, und abends ist er völlig
benommen im Kopf und braucht die halbe Stunde im Garten, um wieder
zu sich zu kommen. Wenn er sich dann umsieht in seinem Zuhause, wenn
er einen Blick wirft auf seine Jil-Sander-Frau und die SDR-Wand und die
Gropius-Drücker, dann weiß er, dass sich alles lohnt – die Stunden auf
Flughäfen und in schmutzigen Zügen, trostlose Nächte in trostlosen
Hotels, und aus dem Konferenzraum erscheint die fahle Sonne am
Himmel nur wie auf Folie gemalt.
Die Marken bringen Farbe in sein Leben. Natürlich weiß Florian, dass die
neulinken Galionsfiguren zu Recht beklagen, dass die Villa-Riba-Villa-BajoGeneration durch Marken den Sinn im Dasein finde, dass Marken heutzutage Ersatzreligionen seien und Unternehmen gleichzeitig die Dritte Welt
ausbeuteten und die Natur zerstörten, weil sie irgendwo die Gelder einsparen müssten, die sie für den Aufbau der Marke ausgeben – und dass all
dies, genau betrachtet, der Tod sei. Aber das ganze Leben ist ein Kampf
gegen den Tod, von der Geburt an verfallen die Körper, kämpfen wir uns
durch Krankheiten und Siechtum. Der Tod gewinnt immer, das Leben
selbst ist sinnlos, nichts bleibt, und wer das einmal erkannt hat, der bringt
sich entweder um oder genießt seine Zeit.
Seiten: 62.63
Was wäre das für ein armseliges Leben ohne Marken, sagt er, was bliebe
da an Vergnügungen? Wir würden lange schlafen, ausgiebig frühstücken,
ein wenig am Strand spazieren gehen und uns lieben bis in die Abenddämmerung, wir würden zuschauen, wie die Sonne im Meer versinkt und
noch irgendwo ein paar Cocktails trinken, in einer kleinen Bar am
Hafen, in der nur Einheimische sind, wir würden durch die laue Nacht
zurückgehen in unser Haus und ineinander verschlungen einschlafen, den
Sternenhimmel über uns.
Leben ist Vergeuden – oder eben Konsum
Doch Hand aufs Herz, wann würde uns das spätestens auf die Nerven
gehen? Das Paradies, seufzen wir, aber keiner will es wirklich, für zwei
Wochen vielleicht, all inclusive, aber dann? So sind wir halt, wir Menschen,
wir sehen das Glück, zucken mit den Achseln und drehen uns um. Lebe
sinnlos, flüstert die Stimme, zerstöre dich selbst. Das ist der Urtrieb,
Thanatos, die Sehnsucht nach dem Tode, das ist der Grund, warum Künstler, die sich zu Tode gesoffen, gefixt, gehurt haben, gerade deswegen verehrt werden, die Jim Morrisons, van Goghs und Elvis. Das Leben leben,
heißt es vergeuden – das ist die Währung, in der du zahlst. Vermeide alles
Sinnvolle, flüstert es. Uns Normalmenschen bleibt da nur der Konsum,
irgendwie müssen wir ja die Zeit totschlagen, die ganzen Jahre, bevor sie
uns endlich totschlägt.
In das Markenleben sind wir hineingeboren, da können wir nichts machen.
Denn weißt du noch, der Caramac-Riegel zum Beispiel, er versprach alles,
schimmerte golden im Regal, schmolz im Mund, in kurzen Hosen auf dem
Bürgersteig, und das war das Glück. Sunkist, Tipp-Kick und Yps, jeder
Name bringt Erinnerungen, gelebtes Leben, ganz real.
Im Kinderzimmer war die Carrera-Bahn der Gipfel der Träume, die
Stecker rutschten immer aus dem Trafo, und wenn der Wagen sich
festfuhr, roch es nach verbranntem Gummi, und die Leitplanken ließen
sich kaum einklinken. Auf der realen Straße war der Bonanza-Rad-Fahrer
der King, und das Schönste war nicht der Bananensattel oder der hohe
Lenker, sondern die Gangschaltung in der Mitte des Rahmens, mit einem
leichten Klacken rasteten die Gänge ein, und der Knauf lag so gut in
der Hand.
Schon damals ließ sich an der Marke die Persönlichkeit ablesen. Fischertechnik oder Metallbaukästen von Märklin, das war schon eine Grundsatzfrage. Die einen bevorzugten glatten Kunststoff mit Steckverbindungen,
sie verdienen heute als IT-Techniker ihr Geld. Die anderen schraubten grün
und rot lackierte Metallplatten zusammen – das waren die, die sich bis
zuletzt gegen Computer und CDs sträubten. Der Kampf Puma gegen Adidas, mehr Sportschuh-Marken gab es damals nicht, das war Günter Netzer
gegen Franz Beckenbauer, Rebell gegen Klassensprecher. Bei Geha gegen
Pelikan stand der blaue Füller für offene Charaktere, den grünen Geha
besaßen nur verschlagene Linkshänder. Die Cleveren hielten sich raus und
schrieben mit dem coolen Newcomer Lamy.
Oberfläche ist alles, der Rest ist Illusion
So war das damals, Velosolex gegen Herkules, Ente gegen Ford Capri, und
so ist es heute noch viel mehr. Marken trennen, Marken vereinen – jeder
definiert sich über Marken, in allen Schichten. Marken vermitteln Gewissheit, nicht wie beim Arzt, es könnte dieses oder jenes sein, oder in der
Beziehung, wie soll das nur werden, und was ist mit den Kindern, mein
Gott? Marken bürgen für ein überraschungsfreies Leben, in jedem Geschäft,
in jeder Stadt gleich, am besten weltweit, mit MTV und Hollywood als
globalem Katalog. Diese Sehnsucht, Teil von etwas zu sein, das größer ist
als man selbst, ist gewaltig.
Beim ewigen Kampf Oberfläche gegen Tiefe gewinnt mit den Marken
immer die Oberfläche, aber das ist nicht schlimm, denn das ganze Leben
ist Oberfläche, alles andere ist Illusion, der man sich ausliefern kann oder
nicht, das heißt dann Esoterik oder Naturliebe, und es ist schön, wenn man
dazugehört, da kann man sich regelmäßig mit Gleichgesinnten treffen und
Lieder singen, aber es ist immer eine Flucht. Wir sind Konsumenten, was
sonst, unser ganzes Leben, von der Geburt bis zum Tod. Je eher wir das
akzeptieren, desto eher können wir anfangen zu genießen.
Heutzutage liefern die Marken sogar das gute Gewissen gleich mit.
Ganz unzynisch spielen sie mit Ehrlichkeit, Verwurzelung und Idyll,
konzentrieren sich aufs Wesentliche. Benetton kämpft für mehr
Toleranz, die Autoindustrie verkauft religiöse Offenbarungen, und mit
jedem Kasten Krombacher rette ich ein Stück Regenwald. Überzeugung
allein bringt nichts, wenn man nicht auch aktiv wird, fordert Diesel in
seiner Action!-Kampagne, versuch die Welt ein bisschen besser zu machen.
Natürlich trage ich mit meinen Turnschuhen nicht zur Toleranz bei, aber
vielleicht rettet Krombacher mehr Bäume als die protestierenden Aktivisten, wer weiß das schon, ich jedenfalls nicht.
So kriegen sie uns nach und nach alle. Die Hardcore-Verweigerer sind
spätestens bei ihren Kindern dran, süßes, unschuldiges Leben, das sie mit
Wonne dem Markenuniversum zuführen. Brio-Bahn, Bobby-Car, Tripp
Trapp und Puky-Räder, da sparen sie an nichts, schließlich geht es um die
Sicherheit. Und die Markenfetischisten können beim Nachwuchs die
Fehler der Eltern ausbügeln, die auch schon mal was Gebrauchtes kauften:
Ist ja nur für den Übergang. Florian hat sich neulich einen Hesba-Kinderwagen zugelegt, ohne lustige Bärchen und Muster, der hat 517 Euro
gekostet. Aber das war es ihm wert. Er wollte nicht sparen und sich dann
an jeder Ampel für sein klappriges Teil schämen. Denn ist ja nur für den
Übergang stimmt nicht, den Übergang gibt es nicht, den gibt es nie, das
ist das Leben.
Was wirklich zählt
McK Wissen 03
Seiten: 64.65
Wasser, Zucker, Farbstoff E 160
Kohlenwasserstoff, Antiklopfmittel
Was wirklich zählt
McK Wissen 03
Seiten: 66.67
Pflanzliches Eiweiß, Salz, Geschmacksverstärker
Acetylsalcylsäure, Ascorbinsäure, Pufferstoffe
Was wirklich zählt
McK Wissen 03
Seiten: 68.69
Aqua, Panthenol, Eucerit
Äthanol, Kräuter
Brand Stretching
Text: Thomas Vašek
Foto: Britta Max
McK Wissen 03
Seiten: 72.73
10
Marke,
streck dich!
Brand Stretching mit Augenmaß führt zum Erfolg, Übertreibung in den Untergang.
Brand Stretching
Text: Thomas Vašek
Früher wussten die Marken, wo sie hingehören: Maggi in die Suppe,
Dove an den Waschbeckenrand, Camel in die Lunge und Virgin ins
Plattengeschäft. Eine Marke, ein Produkt. So einfach war die Welt.
Und heute? Maggi: ein Bauchladen von Kochhilfen und Fertiggerichten.
Dove: ein Körperpflege-Universum. Das Label Virgin umfasst inzwischen
Bücher, Finanzdienstleistungen und eine Fluglinie. Und wer die Marke
Camel nicht rauchen will, kann sie auch an den Füßen tragen.
Rund 80 Prozent aller Produkt-Neueinführungen laufen unter etablierten
Marken. Tendenz steigend. Brand Stretching oder Brand Extension (zu
Deutsch: Markentransfer) nennt sich die Übertragung eingeführter Marken
auf neue Produkte und Produkt-Kategorien. Und die macht durchaus Sinn.
Wozu überhaupt noch neue Marken erfinden?
Neue Marken zu etablieren erfordert nicht nur hohe Investitionen,
sondern birgt auch Risiken. In einer reizüberfluteten Konsumwelt fällt es
schwer, Aufmerksamkeit zu erreichen, Botschaften zu vermitteln, Emotionen zu wecken. Wer kann sich da noch neue Markennamen merken,
die plötzlich in der Werbung auftauchen? „Es wird immer teurer, ein Image
aufzubauen“, sagt Henrik Sattler, Professor für Betriebswirtschaftslehre
und Direktor des Instituts für Handel und Marketing an der Universität
Hamburg. Daher wird immer öfter zum Brand Stretching gegriffen.
Markenableger können von Bekanntheit und Image der Muttermarke
profitieren und sich dadurch schneller im Markt etablieren. Im Idealfall
steigert erfolgreiches Brand Stretching auch noch den Wert der Muttermarke. Mitunter kann ein neues Produkt sogar das Überleben einer in die
Jahre geratenen Marke sichern. Warum dann also überhaupt noch neue
Marken erfinden? Warum nicht einfach erfolgreiche Brands weiter ausdehnen? Warum nicht Maggi-Jeans, Nike-Suppenwürfel oder Boss-Toilettenpapier? Wenn es bloß so einfach wäre.
Es stimmt schon, Markentransfer klingt in der Theorie sehr einleuchtend.
Genau das ist das Problem. Tatsächlich ist Brand Stretching ein gefährliches Terrain: „Die Versuchung liegt nahe, eine Marke für kurzfristigen
Gewinn zu prostituieren“, weiß der Marketingdirektor eines Konzerns aus
leidvoller Erfahrung. Nach Schätzungen von BWL-Professor Sattler schlagen rund 50 bis 60 Prozent der Markentransfers fehl. Schlechte Transferprodukte können die Muttermarke schädigen. Und übertriebenes Brand
McK Wissen 03
Seiten: 74.75
Stretching kann zu Markenverwässerung führen, dem Albtraum aller
Marketing-Manager. „Der einfachste Weg, eine Marke zu ruinieren, besteht
darin, sie überall draufzupappen“, lautet eines der unverrückbaren
Branding-Gesetze der US-Marketing-Gurus Ries & Ries.
Schwache Marken zerreißt es, wenn man sie überdehnt. Und starke Marken
passen auch nicht zu allen Produkten. Meister Proper mag eine starke
Putzmittelmarke sein – für einen exklusiven Herrenduft taugt sie kaum.
Die berühmteste Hundefutter-Marke lässt sich schwerlich auf Feinkost
für Menschen stretchen. Zigarettenmarken hätten Probleme beim Markentransfer auf Fitness-Drinks.
Jede Marke lebt in ihrer eigenen Welt. Das Maggi-Terrain liegt am häuslichen
Herd. Die Welt von Dove ist das Badezimmer, die der Unilever-Marke
Bertolli Italien. Die Menschen mögen Olivenöl, hatte man bei Unilever
erkannt, und sie schätzen mediterrane Küche. Darum bietet Bertolli heute
ein ganzes Sortiment von typisch italienischen Olivenöl-Produkten – die
Palette reicht vom Brotaufstrich bis hin zu Pastasaucen. „Bertolli steht für
italienische Authentizität“, heißt es im Konzern. Die Pastasauce gelangt
deshalb in einem typisch italienischen Glas mit typisch italienscher
Beschriftung zum deutschen Verbraucher. Jedes neue Produkt müsse in die
mediterrane Bertolli-Welt passen. Bertolli-Mineralwasser dagegen wäre
keine gute Idee, davon sind die Unilever-Marketing-Manager überzeugt.
Es könne das Image der italienischen Authentizität nicht transferieren. „Ein
Mineralwasser würde der Marke nichts bringen.“
In gewissem Sinne kleiden auch Düfte
Ein Marken-Image beruht auf Qualitätseinschätzungen, aber auch auf
diffusen Assoziationen, Werten und Gefühlen. Mineralwasser mag für
Bertollis Italien-Image wenig Nutzen bringen. Doch umgekehrt steckt in
manchem Mineralwasser mehr Brand-Stretching-Potenzial, als man vermuten würde: So konnte der Danone-Konzern seine Mineralwasser-Marke
Evian sogar auf eine Kosmetiklinie ausdehnen. Das funktionierte offenbar
deshalb, weil das Marken-Image von Evian auf starken emotionalen Komponenten wie dem Gefühl von Reinheit beruht.
Andere Beispiele sind der Markentransfer von Modemarken wie Calvin
Klein, Lagerfeld und Boss auf Kosmetikprodukte. Bekleidung inszeniert
Lebensgefühl und Stil. Parfüms sind ebenfalls ein Instrument der Selbst-
darstellung – in gewissem Sinne lässt sich also auch ein Duft anziehen.
Nicht bloß ein Boss-Herrenanzug, sondern auch das Parfüm der HugoBoss-Premiummarke Baldessarini „Separates the Men from the Boys“, heißt
es im Werbespot. Jedes Brand Stretching ist eine Gratwanderung, Erfolg
oder Flop sind schwer vorauszusagen. Wie fragil ein Marken-Image sein
kann, zeigt das Beispiel Levi’s. Der Jeans-Hersteller Levi Strauss & Co.
brachte in den achtziger Jahren unter der Marke Levi’s Herrenanzüge und
andere edle Modeartikel auf den Markt. Was so einleuchtend schien, geriet zum Desaster. Niemand wollte die Anzüge mit Jeans-Label. Der Flop
führte zu einem zehnprozentigen Umsatzrückgang im Kerngeschäft und zu
einem Imageschaden für die Muttermarke. Ende der achtziger Jahre besann
sich Levi Strauss und stieg von der vornehmen Herrenmode um auf einen
legeren Stil: die Dockers-Linie – bequeme Khaki-Hosen mit Jeans-Appeal.
Das war glaubwürdig und funktionierte.
Fliegen mit der Plattenmarke
Menschen kaufen ein Markenprodukt, weil sie die Marke gut finden –
aber sie lassen sich nicht alles einreden. Die Betriebswirtin Grit Zatloukal,
eine ehemalige Mitarbeiterin von Professor Henrik Sattler an der Universität Jena, hat eine empirische Studie angefertigt. Dafür befragte sie
Studenten zu hypothetischen Markentransfers. Vor allem zwei Faktoren
entscheiden danach über die Erfolgswahrscheinlichkeit von Markentransfers: die Qualitätseinschätzung der Muttermarke und der Fit, die Ähnlichkeit zwischen Muttermarke und Transferprodukt.
Dove-Schaumbad beispielsweise ist glaubwürdig durch die Nähe zur
Seife, und die Creme-Idee hinter der Marke funktioniert bei beiden Produkten. Nescafé hingegen ist so etwas wie der Inbegriff des löslichen Kaffees.
Das Image ermutigte den Nestlé-Konzern vor einiger Zeit, für eine junge
Zielgruppe Nescafé Xpress auf den Markt zu bringen. Im Unterschied zum
pulvrigen Löskaffee ist das Produkt flüssig und als Kaltgetränk gedacht,
das der junge Mensch schnell mal vor oder nach dem Abtanzen hinunterkippt. Nescafé als Energy-Drink fürs mobile Volk. „Junge Leute finden das
Produkt cooler als den klassischen Nescafé“, sagt Silke Trösch, Sprecherin
von Nestlé Deutschland AG.
Aber Vorsicht: Wenn es ums Essen und Trinken geht, versteht der Kunde
keinen Spaß – da wird selbst ein vermeintlich logischer Markentransfer zum
Abenteuer. Vor einigen Jahren dachte man bei Maggi (Nestlé):
Warum nicht neben Suppenwürfeln, Würzmitteln und Fertiggerichten auch
Ketchup? Doch der Maggi-Ketchup kam nicht an. Es gelang offenbar nicht,
den besonderen Nutzen des Produkts gegenüber etablierten Marken wie
Heinz plausibel zu machen. Vielleicht war der Suppenwürfel vom Ketchup
doch eine Spur zu weit entfernt. Nestlé nahm das Produkt schließlich in
Deutschland wieder vom Markt.
Brand Stretching ist Wissenschaft und Kunst zugleich. Marken-Images auf
neue Produkte zu projizieren erfordert genaue Kenntnisse von Markt,
Marke und Produkt und viel Einfühlungsvermögen in den Kunden und
dessen Bedürfnisse. So können sich auch scheinbar aberwitzige Ideen
mitunter als goldrichtige Vision erweisen.
Vor 30 Jahren hätte wohl kaum ein Kunde eines Virgin-Plattenladens
gedacht, dass die Firma einmal eine Fluglinie gründen sowie Kosmetika und
Finanzdienstleistungen anbieten würde. Heute versammelt die britische
Unternehmensgruppe unter dem Markenzeichen ein Universum von
Produkten, die scheinbar nichts oder wenig miteinander zu tun haben.
Zwar erfreuten sich nicht alle Projekte der gleichen Beliebtheit – der
Virgin-Eisenbahnservice etwa kam nicht an –, doch im Grunde scheint das
Modell zu funktionieren. Die Marke Virgin steht eben nicht für ein
bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung, sondern für ein Image, für
einen Lebensstil. Die Virgin-Vision handelt von Nonkonformismus und
Rebellion. „Wir stehen auf deiner Seite“, lautet das Motto. Soll heißen: Wir
hauen dich nicht übers Ohr, wir sind anders als das Establishment.
Zumindest in Großbritannien kommt diese Botschaft bei vielen an.
Das Virgin-Modell zeigt, wie weit man Visionen treiben kann. Dennoch
ist es nicht auf jede beliebige Marke übertragbar. Maggi wäre sicherlich
schlecht beraten, ein derart universelles, hochfliegendes Marken-Image
aufzubauen. Maggi-Jeans brauchen wir ebenso wenig wie Maggi-Sneakers,
Maggi-Mobiltelefone oder Maggi-Fluglinien. Wie gut, dass Maggi letztlich
weiß, wo die Marke hingehört – vielleicht nicht nur in die Suppe, aber
jedenfalls in die Küche. Dort hat sie ihren Platz. Dort ist ihre Welt.
„Die Versuchung liegt nahe,
eine Marke für kurzfristigen
Gewinn zu prostituieren.“
Markenpotenzial
McK Wissen 03
Seiten: 76.77
11
Von 40 auf 80
Sie haben ein Produkt. Sie möchten daraus einen Markenartikel machen. Sie wollen wissen, ob sich das lohnt? Setzen
Sie einfach Ihre Werte in diese Formel ein. So erhalten Sie das Umsatzpotenzial, das in der Marke steckt. Ungefähr.
Markenrelevanz / Strom
Text: Jens Uehlecke
McK Wissen 03
Seiten: 78.79
Alles nichts, oder?
12
Warum kauft ein Kunde Produkt A und nicht Produkt B – obwohl sich beide in der Qualität kaum unterscheiden?
Die Marke macht den Unterschied, ist doch klar.
Und warum greift derselbe markenbewusste Kunde an anderer Stelle nicht zum Marktführer?
Weil die Marke zwar wichtig, aber eben nicht alles ist.
Markenrelevanz / Strom
Text: Jens Uehlecke
Die Marke zählt. Sie ist der Kern jedes Unternehmens. Sie symbolisiert seinen Wert. Das ist nicht nur oberstes Gebot in Wissenschaft und
Unternehmenspraxis, spätestens seit der Generation Golf propagieren es
auch die Verbraucher: Ohne Marke ist alles nichts.
Marken sind auch das Kernthema des Marketing Centrum Münster
(MCM), an dem sich Professoren wie Klaus Backhaus oder Heribert
Meffert einen Namen gemacht haben. Und ausgerechnet von dieser Institution kommt nun eine These, die so gar nicht in die Zeit zu passen scheint.
Markenbildung ist entscheidend, sagen die Experten – aber nicht in jedem
Fall und nicht für jedes Produkt. Ausgehend von der Frage, welche
Faktoren den Kauf von Markenprodukten tatsächlich beeinflussen, überprüften die Wissenschaftler gemeinsam mit McKinsey-Beratern längst
sicher geglaubte Erkenntnisse und gerieten auf eine abschüssige Bahn.
Irgendwann standen sie vor der Grundsatzfrage: Lohnen sich Investitionen in die Marke überhaupt?
Das klingt nach einem akademischen Problem. Die Praxis ist sich der
Bedeutung der Marke sicher. Erst kürzlich hat eine Umfrage unter britischen Führungskräften wieder ergeben, dass 94 Prozent der rund 190
befragten Vorstände glauben, ein starkes Branding sei der beste Schutz für
ein Unternehmen, gerade auch in schlechten Zeiten, wichtiger noch als
Mitarbeiter, Kapital, Produkt, Führungsteam oder Technologie.
In Deutschland wäre das Votum kaum anders ausgefallen. Wurden im
Fernsehen vor zehn Jahren noch rund 2000 Marken beworben, sind es
heute schon dreimal so viel. Zwischen 1995 und 2000 sind die Werbeausgaben jährlich um durchschnittlich acht Prozent gestiegen. Allein im Jahr
2000 wurden mehr als 86 000 Marken-Neuanmeldungen registriert.
Unternehmen mit schwachen Marken, das ergab eine Untersuchung in
den USA, mussten beim Wert ihrer Aktien zwischen den Jahren 2000 und
2001 einen Verlust von 6,9 Prozentpunkten hinnehmen. Unternehmen mit
starken Marken erwirtschafteten im selben Zeitraum einen Total Return
to Shareholders, der 2,6 Prozentpunkte über dem Durchschnitt lag. Allein
die Beiersdorf AG hat durch den konsequenten Ausbau der Marke Nivea
den Wert ihre Aktie seit 1990 verzehnfacht.
Beeindruckende Zahlen. Allerdings: Die Macht der Marke gilt längst nicht
für jedes Produkt und schon gar nicht für jede Branche. Der erste Schritt
zu dieser Erkenntnis war eine einfache Frage: Warum kaufen Kunden
eigentlich das eine Markenprodukt und das andere nicht? Forschungs-
McK Wissen 03
Seiten: 80.81
gegenstand für die Wissenschaftler des MCM sollten Produkte der unterschiedlichsten Branchen sein – von Konsumgütern über Dienstleistungen
bis hin zum Handel – insbesondere aber jene, bei denen besonders viel Geld
ins Marketing fließt, also Automobile, Telekommunikation oder Energie.
48 Produktmärkte des Business-to-Consumer-Bereichs (B2C) kamen
schließlich in die engere Wahl – die Palette reichte von Zigaretten und Bier
über PC, Mobiltelefone oder Waschmaschinen bis hin zu Kranken- oder
Kfz-Versicherungen.
Es zeigte sich: Produktmärkte unterscheiden sich gewaltig in puncto
Markenrelevanz. So hat beispielsweise die Marke beim Kauf von DesignerSonnenbrillen einen sehr hohen Stellenwert, gefolgt von Produkten wie
Zigaretten, Bier oder Mittelklassewagen. Mobiltelefone, Vitaminpräparate,
Autoreifen oder Fernseher bewegen sich nur noch im Mittelfeld, während
sich die Kunden beim Kauf eines Computers offenbar kaum vom guten
Namen leiten lassen.
Nicht jede Marke hat eine hohe Markenrelevanz
Die Herausforderung ist zunächst einmal für alle Marken gleich. Bevor
ein Produkt in der Tasche des Kunden landet, durchläuft es einen mehrstufigen Prozess, der bei der Bekanntheit beginnt, über die Auswahl sowie
den anschließenden Kauf geht und bei der Zufriedenheit und Loyalität
endet. Einigen Marken gelingt es, den Verbraucher über den gesamten
Kaufprozess zu halten. Bei anderen steigt der potenzielle Kunde irgendwo
auf dem Weg zwischen der Wahrnehmung und der Kaufentscheidung
aus. Geringe Markenrelevanz heißt das in der MCM-Analyse. Anders
ausgedrückt: Die Marke ist vielleicht vielen bekannt, aber nur wenigen
vertraut, sie kommt bei noch weniger Verbrauchern in die engere Wahl,
noch viel weniger kaufen das Produkt tatsächlich, und loyal ist am Ende
fast keiner mehr.
Dieses unerfreuliche Markenschicksal lässt sich besonders deutlich am
Strommarkt belegen.
Erinnern wir uns: Mitte 1999, gut ein Jahr nach der gesetzlichen Liberalisierung des deutschen Strommarktes, ging der Wettbewerb los. Die alten
Gebiets-Versorger, über die der Staat bislang seine schützende Hand
gehalten hat, standen plötzlich in Konkurrenz zueinander und zu dutzenden neuer Anbieter. Marktforscher prognostizierten einen Run auf die
Wie relevant sind Marken bei Produkten?
(auf einer Skala von 0 bis 5)
Rang
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Wert
Designer-Sonnenbrillen
Zigaretten
Bier
Mittelklassewagen
Kompaktwagen
Kopfschmerzmittel
Tafelschokolade
Waschmittel
Sportschuhe
Champagner
Softdrinks
Mobilfunkbetreiber
Duschgel
Jogurt
TV-Programmzeitschriften
3,73
3,68
3,44
3,28
3,25
3,11
3,08
3,08
3.07
3,07
3,02
2,96
2,90
2,82
2,80
billigste Kilowattstunde. Wer im Preiskampf nicht mithalten könne, so ihre
Botschaft, müsse bald einpacken. Dabei verwiesen sie auf den liberalisierten Telekommunikationsmarkt. Nach dem Fall des Telekom-Monopols
hätten Newcomer begonnen, den Kuchen des Riesen Deutsche Telekom
Stück für Stück anzuknabbern. Über Wochen seien die Zeitungen mit
Tarif-Tabellen gespickt gewesen. Begriffe wie „Call-by-Call“ und „Preselection“ seien über Nacht in die Umgangssprache eingegangen.
Genauso würden sich auch Vokabeln wie „Versorgungssicherheit“ und
„Durchleitungsgebühren“ durchsetzen.
Sensationell hohe Bekanntheit – aber nur wenige Kunden
Die Dramaturgie schien plausibel – und die Newcomer versuchten, sie
konsequent umzusetzen. Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW)
startete 1999 als eine der Ersten: Der Vorstandsvorsitzende Gerhard Goll
beauftragte den Düsseldorfer Werber Bernd Kreutz, aus Strom eine
Marke zu machen und die passende Kampagne für den Endkundenmarkt
zu erfinden. Am 4. August war im Fernsehen der offizielle Start. Bei
gelber Mattscheibe fragte die sonore Synchronstimme von Robert De Niro
die Zuschauer: „Was für eine Farbe hat eigentlich Strom?“, um sich dann
selbst die Antwort zu geben: „Also ich glaube, Strom ist gelb.“ Die Marke
Yello war geboren, und eine ganze Republik sah Gelb – auf Plakatwänden,
in Zeitungen, in Zeitschriften. Im Fernsehen brauste Ingolf Lück im
gelben Smart durch die Werbepausen und versprach den Zuschauern,
ihnen beim Sparen zu helfen. Die EnBW sparte nicht. Um die neue
Marke aufzubauen, investierte sie Million für Million in den Yello-Etat.
Die Konkurrenz auf dem Strommarkt nahm die Herausforderung an. Die
RWE AG legte sich für knapp 51 Millionen Euro ein blaues, die E.on Energie AG nach der Viag-Veba-Fusion für rund 97 Millionen Euro ein rotes
Image zu. Und alle drei Energieversorger konnten sich über Bekanntheitswerte freuen, die denen klassischer Konsumgüter in keiner Weise nachstehen: Die Marke E.on beispielsweise erreichte nur vier Monate nach der
Einführung in der Bevölkerung eine Bekanntheit von 93 Prozent – ein
Wert, den sich andere Unternehmen nicht selten erst nach einer langen
Firmengeschichte erarbeiten konnten.
Neue Kunden allerdings hat der Farbenrausch kaum gebracht. EnBW
beispielsweise hat für insgesamt rund 100 Millionen Euro Einsatz statt der
in zwei bis drei Jahren erhofften 1,3 Millionen neuer Kunden in vier
Jahren gerade einmal 700 000 gewonnen. Noch trister ist die Bilanz bei
E.on. Allein 22,5 Millionen Euro kostete die Kampagne „Mix it, Baby!“
mit Arnold Schwarzenegger – doch unterm Strich überzeugte der Terminator gerade einmal 1100 Kunden während der Kampagne für den Strom
aus dem Shaker.
Alles in allem trennten sich seit der Liberalisierung des Strommarktes
gerade einmal vier Prozent der deutschen Haushalte von ihren alten
Versorgern – also nur etwa 1,5 Millionen Kunden. Und das, obwohl die
meisten beim Vertragswechsel zu einem neuen Anbieter viel Geld hätten
sparen können.
Was da passiert ist, können die Forscher aus Münster inzwischen erklären:
„Drei Funktionen einer Marke sorgen dafür, dass Verbraucher sie nicht nur
wahrnehmen, sondern auch das entsprechende Produkt in den Warenkorb
legen“, resümiert MCM-Mitarbeiter Marcel Kranz. „Erstens bündeln Marken Informationen wie Hersteller und Inhalt von Produkten und bieten
damit Orientierung beim Kauf.“ Zweitens reduzierten sie das Risiko falscher Kaufentscheidungen, indem sie ein bestimmtes Maß an Qualität und
Verlässlichkeit signalisierten. Und drittens stifteten sie ideellen Nutzen, weil
sie ein bestimmtes Wunsch-Image verkörperten. „Zusammengefasst“, so
Kranz, „kann man damit eine Aussage über die Relevanz von Marken auf
bestimmten Produktmärkten treffen.“
Nur knapp vor den Papiertaschentüchern
Bestätigt wurden die MCM-Thesen durch eine Befragung der Gesellschaft
für Konsumforschung (GfK). Insgesamt 2500 Verbraucher gaben zu Protokoll, wie sehr sie sich beim Kauf der 48 definierten Konsumprodukte von
Marken leiten lassen – mit einem denkbar schlechten Ergebnis für die
Energiebranche. Strom landete in puncto „Informationseffizienz“ und
„Risikoreduktion“ abgeschlagen auf dem letzten Platz, beim Kriterium
„ideeller Nutzen“ konnte sich das Produkt nur knapp vor den Papiertaschentüchern auf den vorletzten Rang retten. Strom, so die Analyse der
Experten, ist für den Massenmarkt nur ein Low-Interest-Produkt und
schafft in keiner der drei wichtigen Funktionen einen besonderen Wert für
den Konsumenten. Die Folge: Er wechselt nicht.
Das gilt zumindest für den deutschen Markt. Im Ausland, beispielweise
in Kalifornien, wo Stromausfälle häufiger vorkommen, spielt etwa das
Markenkriterium Risikoreduktion durchaus eine Rolle. Die Strom-
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Freizeitbekleidung
Investmentfonds
Bankkonten
Handys
Linienflüge für Privatreisen
Versandhandel
Online-Banken
Drucker
Drogerien
Pauschalfernreisen
Werkstätten
Waschmaschinen
Vitaminpräparate
Reifen
Krankenversicherungen
Spiele-Software
Fast-Food-Restaurants
Telefonanbieter (Festnetz)
Kaufhäuser
Express-Zustelldienste
Discounter
Fernseher
Laptops
Baumärkte
Kfz-Versicherungen
TV-Kanäle
PCs/Computer
Kaffeemaschinen
Papiertaschentücher
Strom
Quelle: McKinsey/Marketing Centrum Münster
2,79
2,76
2,74
2,72
2,71
2,67
2,62
2,60
2,58
2,56
2,53
2,50
2,44
2,44
2,42
2,41
2,40
2,37
2,37
2,35
2,34
2,32
2,31
2,30
2,29
2,12
2,09
2,02
1,92
1,65
Markenrelevanz / Strom
Text: Jens Uehlecke
kunden dort wissen sehr genau, dass ihr Vertrauen in die falschen Energieversorger unter Umständen mit Dunkelheit bestraft wird.
Und was heißt das für die gebeutelten Marken-Architekten im Strom?
Hat ihnen die deutsche Energiesicherheit einen Strich durch die Rechnung
gemacht? Die MCM-Forscher sehen das Problem vor allem im Markenbild. Die Energie-Unternehmen haben ihre Brands primär auf emotionale
Werte gebaut. Aufgrund von Emotionen, da sind sich die Experten sicher,
wird jedoch so leicht kein deutscher Stromkunde den Anbieter wechseln.
Trost für die Zukunft spendet, kaum verwunderlich, Walter Brecht,
Geschäftsführer der Markenagentur Interbrand Zintzmeyer & Lux GmbH.
„Wir sind davon überzeugt, dass man auch im Energiesektor Marken
machen kann – aber man braucht Geduld.“ Die bisherige Strategie der
Stromanbieter hält der Fachmann allerdings auch für unzureichend, um eine
Marke nachhaltig aufzubauen: „Gerade bei einem Produkt wie Strom,
das man weder anfassen noch sehen kann, reicht eine riesige Werbekampagne nicht aus“, meint Brecht. Die Stromanbieter hätten die Chance
verpasst, eine zur Kampagne passende Erlebniskette aufzubauen. „Sie
haben die PS ihrer durchaus bekannten Marken nicht auf die Straße
bringen können.“
Partner, pfiffige Ideen und ein engmaschiges Vertriebsnetz
Und tatsächlich, die schlechten Konsumenten-Noten für Strommarken
bedeuten nicht, dass sich derzeit überhaupt kein Kunde zum Wechsel
bewegen lässt. „Man braucht allerdings die geeigneten Mittel“, sagt Frank
Steinbrenner, Bereichsleiter Marketing und Vertrieb der Best Energy GmbH
in Berlin. Ähnlich wie die EnBW in Karlsruhe überlegte auch der Berliner
Energieversorger Bewag AG nach der Liberalisierung, wie er vom anstehenden Wettbewerb profitieren könne. Anders als die Konkurrenz wagten
sich die Hauptstädter jedoch nicht allein in die Schlacht um Marktanteile
und fahndeten deshalb nach einem Verbündeten im Kampf um Zähler und
Leitungen. Sie fanden ihn zunächst in der Mobilcom AG, später in der
Deutschen Post AG – beides Unternehmen, die mit einem engmaschigen
Vertriebsnetz bereits den Zugang zum Kunden hatten.
Heute sitzt Frank Steinbrenner zufrieden in einem Konferenzraum über
einer Neuköllner Einkaufspassage. Dessen schlichter Charme erinnert
daran, dass die Konzernmutter Bewag vor nicht allzu langer Zeit noch
McK Wissen 03
Seiten: 82.83
in öffentlicher Hand war. Steinbrenner redet gern über den Strommarkt
im Allgemeinen und über geeignete Vertriebsstrategien im Besonderen.
Vertriebsstrategien wohlgemerkt, denn Vertrieb ist in seinen Augen auf
dem Strommarkt zunächst wichtiger als Marketing.
Die Bilanz gibt ihm Recht. Rund 200 000 Kunden hat Best Energy seit
dem Markteintritt im Februar 2000 geworben – bei Marketing-Ausgaben,
„die gegen null tendieren. Sicher haben wir es auch kurz mal mit PlakatKampagnen und Radiospots in Hamburg und Frankfurt versucht, aber die
haben rein gar nichts gebracht“, erinnert sich Steinbrenner. „Also haben
wir relativ schnell die Finger von klassischer Werbung gelassen und unsere
Energie in den Vertrieb gesteckt.“ Das Ergebnis ist ein Verteiler-Netz mit
rund 650 Partnern, die Best-Energy-Strom zum Beispiel über Wohnungsgesellschaften, karitative Verbände und Handy-Shops verkaufen.
Auch andere Newcomer sind ohne große Marke erfolgreich. Die Ares
Energie-direkt GmbH sorgte mit einer pfiffigen Vertriebsidee für Aufsehen.
Bei Abschluss eines zweijährigen Stromvertrags konnte jeder Neukunde
1999 für eine Mark einen Fernseher kaufen. Das gefiel der Konkurrenz gar
nicht; sie ließ Ares wegen Verstoßes gegen die Zugabeverordnung abmahnen. Aber bis dahin hatte die Firma immerhin bereits 3000 Fernseher
ausgeliefert – und 3000 neue Stromkunden geworben.
Ein Lichtblick im Strommarken-Markt ist auch das gleichnamige Unternehmen aus Hamburg. Der Newcomer hat bewiesen, dass Energieversorger sehr wohl eine Marke aufbauen können – wenn sie sich eine
Nische suchen. Die Lichtblick – die Zukunft der Energie GmbH hat
binnen drei Jahren fast 65 000 Kunden von ihrem Ökostrom-Angebot
überzeugt, und das mit minimalem Marketing-Budget. Der erfolgreiche
Markenträger der Hamburger: Mund-zu-Mund-Propaganda. Für die
Experten von MCM ist das ein Paradebeispiel für gutes ZielgruppenMarketing. Lichtblick ziele auf einen kleinen Konsumentenkreis, dem eine
Ökostrom-Marke ideellen Nutzen stifte und der die Marke deswegen auch
eigenständig weitertrage.
Der Erfolg jeder Markenpolitik steht und fällt mit der Relevanz einer
Marke für die Kaufentscheidung. Die bloße Wahrnehmung einer Marke, so
das Fazit der Wissenschaft, reiche noch nicht aus. Als relevant könne eine
Marke erst gelten, wenn sie den Konsumenten tatsächlich zu einer Kaufentscheidung führt. Der Praktiker würde es anders formulieren: Was nützt
mir die schönste Marke, wenn mein Markenprodukt keiner kauft?
Broschüren:
Lohnen sich Investitionen in die Marke?
Die Relevanz von Marken für die
Kaufentscheidung in B2C-Märkten
So lohnen sich Investitionen in die Marke.
Aufbau und Führung starker Marken
MCM Marketing Centrum Münster
(beide 09/2002)
Download:
www.mckinsey.de/kompetenz/cig
Meldungen
McK Wissen 03
Wussten Sie,
dass …
Seiten: 84.85
13
… M&M’s ihre Entstehung
dem Spanischen Bürgerkrieg
zu verdanken haben?
… der Falk-Plan aus Papiernot entstanden ist?
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ist Papier in
Deutschland ein knappes Gut. Als der Hamburger Kartograf Gerhard Falk 1945 einen Stadtplan
seiner Heimatstadt herausbringen will, teilt ihm
die Militär-Regierung nur Papierbögen von 40
mal 60 Zentimetern zu – viel zu klein zum
Abbilden der ganzen Stadt, der Betrachter hätte
eine Lupe gebraucht. Die Idee des findigen Unternehmers: ein verlaufender Maßstab. Der ermöglicht es, die eng bebaute Innenstadt in größerem
Maßstab darzustellen als die Außenbezirke. Falks
zweiter Coup: Durch eine ausgetüftelte patentierte Faltung, die den Plan sowohl quer als auch
längs knickt, passt er in jede Manteltasche. Das
erste Exemplar ziert ein Warnhinweis auf dem
Deckblatt: „Plan nicht auseinanderfalten.“ Der
besondere Kniff überzeugt Orientierungslose bis
heute. Mehr als 100 Millionen Exemplare gingen
insgesamt bereits über die Ladentheken. Mairs
Geographischer Verlag Kurt Mair, seit 1998
Eigentümer des Falk Verlags, setzt mit seinen
Falt-Plänen rund 25 Millionen Euro jährlich um.
In den dreißiger Jahren machten Hitzewellen dem
US-Süßwarenfabrikanten Forrest Mars schwer zu
schaffen. Wegen der Schmelzgefahr seiner Schokolade kämpfte er in heißen Sommern stets mit
Absatzflauten. Soldaten im Spanischen Bürgerkrieg brachten ihn auf den rettenden Gedanken.
Sie lutschten Schokostückchen, die mit Zuckerguss überzogen waren. Mars importierte die Idee.
1941 produzierte der Unternehmer mit seinem
Geschäftspartner Bruce Murrie Schokolinsen mit
brauner Glasur. Die Marke M&M’s steht für die
Initialen der beiden Partner Mars und Murrie.
1954 bringt ein Werbespruch den Produktvorteil
auf den Punkt: „The milk chocolate melts in your
mouth, not in your hand.“
Der Slogan ist – in diverse Sprachen übersetzt –
mittlerweile in mehr als 100 Ländern der Erde
verbreitet. Und darüber hinaus: Seit 1981 fliegen
die Schokolinsen mit den Shuttle-Astronauten
auf ihren Space-Missionen in den Weltraum.
Seitdem bestaunen Besucher eine Packung
M&M’s im Washingtoner Nationalen Luft- und
Raumfahrtmuseum.
… sich der Spielehersteller
Parker beinahe sein Erfolgsspiel Monopoly hat durch
die Lappen gehen lassen?
Die Geschichte des Millionen-Spiels reicht weit
zurück. Lizzie Magie, eine junge Quäkerin aus
Virginia, erdachte um die Jahrhundertwende ein
aufregendes Spiel, das sich um Reichtum und
Grundbesitz drehte. 1904 meldete sie „The Landlord’s Game“ zum Patent an – und vertrieb in
den folgenden Jahren einzelne Exemplare in
ihrem Bekanntenkreis. 20 Jahre später versuchte
sie, ihre Spiel-Idee George Parker zu verkaufen,
doch der lehnte ab: zu politisch.
Inspiriert von dem glücklosen Landlord’s-Game,
bastelt 1933, mitten in der Weltwirtschaftskrise,
der arbeitslose Heizungsbau-Ingenieur Charles
Darrow an seinem Küchentisch in Germantown,
Pennsylvania, ein Gesellschaftsspiel um Mieten,
Macht und Moneten. Fingerhüte, Garnrollen und
Radiergummis dienen ihm als Figuren, aus
Abfallholz sägt er Häuschen und Hotels.
Der Zeitvertreib lohnt sich: Sechs Spiele pro Tag
werden bestellt, und die große Nachfrage lässt
ihn hoffen. Auch er bietet der Spielefirma Parker
die Lizenz an. Inzwischen lenkt Robert Barton
die Firmengeschicke, aber auch der neue Chef
lehnt das Spiel ab, angeblich hat es 52 Fehler.
Zwei Jahre später ändert Barton seine Meinung,
angeblich, weil seine Frau Sally von Monopoly
schwärmt. Sein Glück. Mit dem Kauf der Rechte
rettet er die Firma vor dem Ruin. Schon im
ersten Jahr verkauft Parker mehr als eine Million
Spiele. Mittlerweile wanderte Monopoly mehr
als 200 Millionen Mal über den Ladentisch und
ist damit das meistverkaufte Gesellschaftsspiel
aller Zeiten.
McK Wissen 03
Meldungen
Seiten: 86.87
Wussten Sie, dass …
… Odysseus die
Geschäftsidee für Ohropax
lieferte?
… der Markenwert von
Coca-Cola größer ist
als das Bruttosozialprodukt
von Chile?
Der Wert der Marke Coca-Cola wird in diesem
Jahr mit 69,6 Milliarden Dollar beziffert. Damit
liegt er über dem Bruttosozialprodukt (BSP) von
Chile (66,5 Milliarden Dollar im Jahr 2001), übertrifft das BSP von Bulgarien um das Fünfeinhalbfache und das der Demokratischen Republik
Kongo um das 25,7-fache.
Der griechische Held Odysseus, so erzählt es die
Sage, will seine Gefährten auf den Irrfahrten nicht
dem betörenden Gesang der Sirenen aussetzen
und stopft ihnen deshalb Wachs in die Ohren.
Im Jahr 1907 entsinnt sich der aus Schlesien
stammende Maximilian Negwer dieser Methode
– um seine Mitmenschen vor dem zunehmend als
störend empfundenen Großstadtlärm zu bewahren. Der gelernte Apotheker tränkt für seine
„Geräuschschützer für Gesunde und Kranke“
Baumwolle mit Vaseline und Wachs. So entstehen weiche hautverträgliche Kügelchen, die sich
jedem Gehörgang anpassen und für Frieden,
lateinisch pax, sorgen. Die Ohropax GmbH produziert heute mit 38 Mitarbeitern im hessischen
Wehrheim rund 30 Millionen Wachsstopfen pro
Jahr und erwirtschaftet damit 3,3 Millionen Euro
Jahresumsatz.
… die Füller von Montblanc
ihren Markennamen
… die Marke Langnese
tatsächlich dem höchsten
1927 gerade mal
Gipfel der Alpen verdanken?
300 Reichsmark und ein
Die meisten Käufer halten ihn für das Produkt Abendessen kostete?
eines französischen Luxus-Herstellers. Dabei ist
der Montblanc-Füller ein waschechter Hanseat.
Der Hamburger Kaufmann Claus-Johannes Voss,
Gründer der Simplo Filler Pen Company, sah den
neuen Füller seiner Firma 1910 auf dem Spieltisch seiner Skatrunde liegen: schwarz mit weißer
Kappe. Er taufte den bis dahin Namenlosen
„Montblanc, weil er auch dunkel ist, oben weiß
und der höchste seinesgleichen“. Erst drei Jahre
später entwickelte die Firmendesignerin aus der
weißen Kappe das Markenzeichen, den Montblanc-Stern – Symbol für die schneebedeckte
Kappe des Bergs.
1994 erlebt die Marke eine Sternstunde. Das
Modell Solitaire Royal mit einem Wert von rund
125 000 Euro wird als teuerster Füller der Welt
ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen.
Das massiv goldene Meisterstück ist mit 4810
Diamanten besetzt, die Zahl entspricht der
Meterhöhe des Montblanc-Gipfels.
Der junge Importeur Karl Rolf Seyferth erwarb
im Jahr 1925 an der Hamburger Börse 5000
Kilogramm kalifornischen Honig. Ein Spontankauf, bis dahin hatte der Geschäftsführer der
Deutsch-Chinesischen Eiprodukten Gesellschaft
mit Honig nichts im Sinn. Und doch florierte
nach zwei Jahren der Handel – allerdings fehlte
für das neue Geschäft noch immer ein Name.
1927 suchte Seyferth über das Hamburger Fremdenblatt einen Firmenmantel. Das Angebot des
Exportkaufmanns Vincent Emil Hermann Langnese interessierte ihn am meisten. Schließlich verbarg sich hinter dem Namen eine Biskuit-Fabrik
mit hervorragendem Ruf. Langnese und Seyferth
trafen sich zum Essen. Bei Kaviar und Hummer
signalisierte der alte Herr Langnese seine Bereitschaft zum Namens-Deal. Der Preis? „Für Sie,
junger Mann, 300 Reichsmark und die Rechnung
für das heutige Essen.“
Interview Wally Olins
Text / Foto: Ralf Grauel
McK Wissen 03
Seiten: 88.89
Wally Olins gehört zu den Großen der Branche. 36 Jahre lang hat sich der Brite als Designer und
Marketing-Papst einen Namen gemacht, um Mitte 2001 noch einmal umzusatteln.
Jetzt berät der 71-Jährige Länder – und will aus Nationen Marken machen.
Minister für
Markenqualität
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Interview Wally Olins
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Text: Ralf Grauel
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Mr. Olins, Ihr Thema hieß bislang Corporate Identity oder Marketing.
Wieso jetzt National Branding?
Staaten haben schon immer ihren Bürgern und der Welt sehr klar gezeigt,
wer sie sind. Mit Parolen oder mit Symbolen wie Gebäuden oder Flaggen.
Wenn wir heute von National Brands reden, ist das nur eine andere
Bezeichnung der Art, wie Ludwig XIV. seine Vision von Frankreich
vermittelt hat oder Bismarck seine von Deutschland.
Was ist in der globalisierten Wirtschaft neu?
Neu sind die sprachlichen Mittel, der Wettbewerb der Staaten untereinander und die Gebiete, in denen dieser Wettbewerb ausgetragen wird.
Da gibt es Nationen wie die zentralasiatischen Republiken Usbekistan,
Kasachstan, Turkmenistan, Kirgisien oder Tadschikistan. Diese und
zahlreiche andere neue Staaten haben es kaum geschafft zu sagen, wer sie
sind und wofür sie stehen. Kaum eines dieser Länder hat ein klares
Markenbild etablieren können.
Aber wieso sollten sie? Die meisten der jungen Nationen sind kaum in der
Lage, sich politisch zu stabilisieren.
In einer globalisierten Wirtschaft konkurrieren Länder um Investitionen und
Marktanteile. Deswegen ist es für eine Nation durchaus wichtig, sich um
ein kohärentes Bild zu bemühen. Dieses Bild bestimmt auch die Möglichkeiten eines Landes, international politisch Einfluss zu nehmen. In meiner
früheren Firma, Wolff Olins, haben wir mal untersucht, was die Menschen
im Ausland mit Begriffen wie „Made in Britain“, „Made in Germany“ und
„Made in Italy“ verbinden. In jedem Fall war das Bild der Nation haarsträubend verzerrt.
Wie sahen diese Verzerrungen aus?
Deutschland zum Beispiel wurde mit Autos assoziiert: Effizienz, sehr hohe
Qualität, schlechtes Marketing, sehr teuer. Keinerlei emotionale Inhalte. Das
bedeutet, Hugo Boss und Jil Sander wurden nicht wahrgenommen, Pharmazie, Chemie und Frankfurt mit seinem Finanzbereich auch nicht.
Das allein ist schon ein Problem, aber das wird noch verstärkt. Weil das,
was wahrgenommen wird, kein klares Bild ergibt, keine wirkliche Marke.
Sport, Fluglinien, Filmindustrie, Essensgewohnheiten, Kultur oder auch
Exportgüter, all das ist natürlich Ausdruck dessen, was Sie als Nation sind.
Das Problem ist, dass diese Bilder völlig uneinheitlich sind.
Ganz Europa macht sich über die aktuelle wirtschaftliche Lage Sorgen.
Nationales Marketing erscheint da etwas luxuriös.
Seiten: 90.91
Wie brandet man ein Land?
Ein Plan in sieben Schritten
1. Gründen Sie eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von
Staat, Industrie, Kultur, Bildung und Medien.
2. Finden Sie heraus, wie die Nation von den eigenen
Bürgern und von anderen Nationen wahrgenommen wird.
Benutzen Sie qualitative und quantitative
Forschungsmethoden.
3. Etablieren Sie eine Beratungsrunde mit
Meinungsführern über nationale Stärken und Schwächen,
und vergleichen Sie das mit den Ergebnissen der internen
und externen Studien.
4. Entwickeln Sie zusammen mit professionellen Beratern
eine Kernidee, auf der die Strategie basieren soll. Eine
starke, einfache Idee, die die Einzigartigkeit der Nation
einfängt und als Basis für das gesamte Programm dient.
5. Suchen Sie Wege für die visuelle Umsetzung der
Kernidee. Dabei geht es weniger um Logos und traditionelle
Tourismuswerbung. Notwendig ist ein umfassender
Ansatz: Der beginnt beim Design des Flughafens, auf dem
Gäste ankommen, und endet bei den diplomatischen
Einrichtungen, die die Nation im Ausland repräsentieren.
Wally Olins:
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Sie dürfen das Thema nicht unter aktuellen Gesichtspunkten betrachten.
Die internationale Positionierung einer Nation ist ein Langzeitthema.
National Branding braucht zentrale Strukturen, um nationale Interessengruppen und Kompetenzträger zu organisieren. Die wenigsten Demokratien dürften dazu in der Lage sein.
Alles, was sie brauchen, ist eine gewisse Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Kultur, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Interessenvertretungen
müssen nicht einer Meinung sein. Sie müssen lediglich in der Lage sein,
sich an einen Tisch zu setzen.
Welches Land war das erste, das Sie beraten haben?
Darüber werde ich nicht reden. Den meisten Ländern ist das peinlich. Sie
behandeln diese Art von Information eher vertraulich.
Dann reden wir über Großbritannien. Sie haben Tony Blair beraten …
Ich war involviert. Mehr wird nicht verraten.
New Labour und Cool Britannia waren zwei Marketingkampagnen von
Tony Blair, eine für die Partei, die andere für das Land. Jetzt zieht der
Prime Minister vor jedem Treffen mit Journalisten sein Sakko aus und lässt
sich einen Teebecher als Requisite reichen, um hemdsärmelig und volksnah
zu wirken. Ist das nicht ein wenig hohl?
Das mag so aussehen. Man darf aber kurzfristige politische Gesten nicht
mit langfristigem Wandel verwechseln. Das Problem von New Labour ist,
dass sie dachten, sie könnten das Land grundsätzlich verändern, und zwar
schnell. Ohne eine Revolution dauert so was aber rund 20 Jahre.
Die USA beschäftigen seit 2001 eine hochkarätige Marketingleiterin. Die
Top-Werberin Charlotte Beers sitzt im Weißen Haus und berichtet direkt
an George W. Bush. Ihre Aufgabe ist es, das Bild der USA im Ausland
nachhaltig zu verbessern.
Das Image der USA zu entwickeln ist eine sehr schwierige Aufgabe …
Um mit Naomi Klein zu sprechen: „Die USA haben kein Problem mit
ihrer Marke, sondern mit ihrem Produkt.“
Naomi Klein sagt viele halb intelligente Sachen, die sich gut anhören. Das
Thema USA ist extrem komplex. Im Ausland werden vor allem drei
Bereiche wahrgenommen. Zuerst Freiheit, Grundrechte, Demokratie, dann
Technologie und schließlich Pop, Fastfood, Hollywood. Diese Stränge sind
sehr signifikant und sehr unterschiedlich. Aber sie sind miteinander
verknüpft. Wenn Leute über die USA reden, kommen Gefühle wie Neid
Eifersucht und Abscheu, aber auch Bewunderung und Zuneigung in
6. Untersuchen Sie, wie sich die Marketing-Aktivitäten der
Tourismusindustrie und der Exportwirtschaft
koordinieren lassen, damit Sie die jeweiligen Zielgruppen
im In- und Ausland einheitlich ansprechen können.
7. Starten Sie mit den Teilen des Programms, die
Regierungsaktivitäten betreffen, und schaffen Sie ein
Beziehungsgeflecht zwischen den ausführenden Organen.
Und starten Sie langsam. Ohne großen Wirbel.
nach Wally Olins: Trading Identities
Interview Wally Olins
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Text / Foto: Ralf Grauel
McK Wissen 03
einem einzigen Satz zusammen. Dass die USA solch einen Furor bewirken, liegt in der Natur dieses Landes. Dort herrschen freie Meinungsäußerung und eine ausgeprägte Kultur der Gegensätze.
„War against Terror“ ist ein sehr konkretes Motto. Ist das Marketing der
USA besser als ihre Politik?
Ich glaube, das hat mit Branding nichts zu tun.
Dennoch erklären die USA so gut wie jedem Thema den Krieg. Nehmen
Sie den „War against Drugs“. Das ist schon aus rein praktischen Gründen
nicht möglich.
Das ist Labeling. Marken jedoch bauen Sie über einen langen Zeitraum auf:
Werte, Images, Beziehungen. Wovon Sie reden, sind taktische Manöver
einer Regierung.
Ist es denn möglich, die USA zu branden?
Es ist sicher nicht möglich, dass alle Menschen in den USA sich einheitlich im Sinne eines gemeinsamen Markenverständnisses ausdrücken. Es
wäre aber möglich, den Vereinigten Staaten zu helfen, dass Menschen
außerhalb sie mit mehr Sympathie wahrnehmen, mit mehr Verständnis.
Während sich Nationen als Marken positionieren, befreien sich globale
Konzerne von ihren nationalen Images. So wurde zum Beispiel aus British
Telecom schlicht BT.
Die Assoziationen, die Großbritannien in Kombination mit Technologie
weckt, sind von Nachteil, daher nur noch die Abkürzung. Es gibt aber auch
Unternehmen wie die Deutsche Bank oder American Express, die ihre
Herkunft immer noch im Namen tragen, weil sie in ihrer Branche weltweit als Gütesiegel gilt.
Für viele Globalisierungsgegner sind globale Marken Ikonen eines sich
ausbreitenden imperialistischen Kapitalismus.
So denken Leute, die meinen, der Kapitalismus halte die Fäden in der Hand
und alle müssten tun, was er befiehlt. So ist es aber nicht.
Dennoch reagieren die globalen Unternehmen auf diese Vorwürfe. BP legt
sich eine Umwelt-Agenda zu, McDonald’s verkleinert die Bögen, aus
denen das Logo besteht …
Globale Marken werden vor allem attackiert, weil die Unternehmen
dahinter für kapitalistisch und ausbeuterisch gehalten werden. Die Angriffe
auf die Marken von Leuten wie Naomi Klein sind ja keine Angriffe auf die
Marken an sich, sondern Angriffe auf Symbole. Ziele sind in Wahrheit die
Unternehmen.
Seiten: 92.93
Mr. Marke: Wally Olins
„Was lecker ist, verkauft sich“, scheint Wally Olins zu denken. In den sechziger Jahren
gründete er zusammen mit seinem Partner Michael Wolff ein kleines Designbüro,
Wolff Olins. Zu ihren ersten Kunden gehörten die Beatles, die gerade eine eigene Plattenfirma ins Leben rufen wollten. Die Designer druckten Äpfel auf die Platten-Etiketten
und empfahlen, die Firma Apple Records zu nennen. Jahrzehnte später taufte Olins ein
britisches Telekom-Unternehmen auf den Namen Orange.
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Naomi Kleins Argument ist, dass Marken öffentlichen Raum erobern, der
ihnen nicht zusteht. Je leerer die Staatskassen, desto breiter machen sich
Marken.
Naomi Klein macht zwei Fehler. Zuerst nimmt sie an, die Leute wären so
dumm, dass sie nicht für sich selbst entscheiden können, dass man ihnen
quasi per Gehirnwäsche etwas andrehen kann, was sie nicht wollen.
Damit unterschätzt sie die Intelligenz der Verbraucher. Niemand kauft,
was er nicht will. Naomi Klein beklagt außerdem, dass alles, was Unternehmen machen, negativ und ausbeuterisch ist. Unternehmen sind aber
keine philanthropischen Institutionen. Sie wollen ihren Profit maximieren.
Das funktioniert aber nur in einer Gesellschaft, die das auch akzeptiert.
Naomi Klein hat enthüllt, wie sich etwa Nike in Ländern der Dritten Welt
benimmt. Darüber wurde nun zur Genüge diskutiert. Aber wieso hat sich
Nike überhaupt so verhalten?
Weil die Menschen eben so sind. Sie versuchen, ihr Produkt so billig wie
möglich herzustellen. Aber wenn Ihnen jemand nachweist, dass Sie bei der
Produktion die Arbeiter übervorteilen, wird das unvorteilhaft für Ihre Marke
sein. Die Realität sieht so aus: Wenn jemand seinen Profit auf eine inakzeptable Weise maximiert, wird sich das bald als kontraproduktiv erweisen.
Unternehmerische Verantwortung hat viel mit Eigennutz zu tun.
In Brasilien bauen globale Konzerne komplette Mikrostaaten mit Straßen,
Schulen und Krankenhäusern. So bieten sie ihren importierten Managern
einen hohen Lebensstandard und schieben den lokalen Markt an. Werden
Unternehmen zunehmend staatliche Aufgaben übernehmen?
Etwas mehr als heute, ja. Aber es wird auch Grenzen geben. Ein Konzern
ist nomadischer und beweglicher als jeder Staat, als jede Regierung. Viel
interessanter ist ein anderes Thema. Aktuell entstehen Organisationen, die
künftig noch mehr Bedeutung gewinnen werden: karitative Organisationen, soziale Stiftungen und Fonds.
Was haben Wohltätigkeitsstiftungen mit globalen Marken gemein?
Sie sind klassische Marken. Sie zielen auf Ihr Herz, damit Sie Geld für
kranke oder arme Leute ausgeben, statt sich selbst ein paar Schuhe zu
kaufen. Das ist lupenreines Branding. Diese Charities werden einflussreicher, kommerzieller, und sie werden sich mit großen Konzernen
verflechten. Sie brauchen die Marketing-, Werbe- und Branding-Power der
Konzerne. Das führt uns zum Konzern als soziales Unternehmen und zur
Rolle des Unternehmens innerhalb einer Nation. In dem Moment, in
Wolff Olins wuchs über die Jahrzehnte mit Kunden wie der Bank für Gemeinwirtschaft,
3i, Tate und Honda auf 150 Mitarbeiter an und hatte Filialen in New York, San Francisco,
Tokio, Madrid und Lissabon. 1989 veröffentlichte Wally Olins das Standardwerk
„Corporate Identity – Strategie und Gestaltung“. In Europa zählt er zu den Pionieren
der Branche.
30 Millionen Britische Pfund blätterte der US-Werbegigant Omnicom im Juni 2001 für
Wolff Olins auf den Tisch. Einen Monat später, 36 Jahre nach der Gründung, stieg
Wally Olins ganz aus dem Unternehmen aus. Er mietete eine schicke Altbauwohnung in
London, strich die Wände zitronengelb, kaufte gelbe Teppiche und gründete eine neue
Firma, Saffron, zu deutsch: Safran – eine Messerspitze genügt, und alles färbt sich ein.
Saffron konzentriert sich darauf, Marken zu entwickeln und Nationen zu positionieren.
Mit Wolff Olins hat Wally Olins bereits Großbritannien, die Niederlande, Spanien und
Portugal beraten.
Interview Wally Olins
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Wally Olins:
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Wally Olins:
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Wally Olins:
Text: Ralf Grauel
McK Wissen 03
dem sich ein Unternehmen sozial engagiert, wird es schwierig zu sagen,
wo die Stiftung endet und wo der Konzern beginnt. Wir sehen gerade erst
den Anfang einer neuen Bewegung. Und die Marke ist die Schnittstelle.
Das ist auch das Argument von Pro Logo, der Gegenbewegung zu No
Logo. Mit der Marke als Schnittstelle kann der Verbraucher gesellschaftliche Fehltritte von Unternehmen sanktionieren.
Marken sind Zeichen. Sie sind die gegenwärtige Version von Dingen, die uns
seit Jahrhunderten begleiten. Was Leute kaufen, wenn sie für Socken oder
T-Shirts viel Geld ausgeben, ist der Symbolismus, mit dem sie spielen können.
Gibt es Grenzen des Brandings?
Es wäre dumm zu sagen, es gäbe keine. Ich kann aber nicht behaupten, es
gäbe viele. Schauen Sie sich mal um: Es gibt nichts, was Sie nicht branden
können. Allerdings hat nicht jeder das gleiche Bedürfnis, Zugehörigkeit zu
demonstrieren. Manche demonstrieren auch Nicht-Zugehörigkeit und
wenden sich Nicht-Marken zu – die werden auf diese Weise zu Marken.
Es gibt jedoch Grenzen des kommerziellen Brandings. Wenn Sie zu viel
unternehmen, wenden sich die Leute ab.
Und wie geht das Branden dann richtig?
Sie müssen vor allem eine klare Reputation entwickeln, dann haben Sie ein
Werkzeug, mit dem Sie Ihre Entwicklung und Ihren Wandel steuern
können. Das gilt für alle Wissensunternehmen. Und für jede Nation.
Seiten: 94.95
Literatur:
Wally Olins: Trading Identities – Why Countries and Companies Are Trading Each on
Each Other’s Roles. The Foreign Policy Centre, London, 2000; 57 Seiten; 15,61 Euro
Philip Kotler/Somkid Jatusripitak/Suvit Maesincee: The Marketing Of Nations –
A Strategic Approach to Building National Wealth. The Free Press, New York, 1997;
451 Seiten; 45,62 Euro
Naomi Klein: Fences and Windows – Dispatches From the Front Lines of the
Globalization Debate. Picador USA, New York, 2002; 304 Seiten, 13 Dollar
(die deutsche Übersetzung erscheint im März 2003)
Naomi Klein: No Logo! Der Kampf der Global Players um Marktmacht. Riemann Verlag,
München, 2002; 544 Seiten, 14,50 Euro
Sameena Ahmad: Pro Logo – Why Brands are Good For You. In: The Economist,
8. September 2001
Branding Democracy
McK Wissen 03
Seiten: 96.97
15
Marken-Politik
Junge Leute interessieren sich mehr für Nike, Eastpak und Nokia als für Politik, heißt es. Wie wär’s also, wenn
man Politik als Marke etablierte? Die Bundeszentrale für Politische Bildung schrieb im Frühjahr den entsprechenden
Wettbewerb aus: Branding Democracy hieß die Aufforderung, die sich an Studenten aller deutschen DesignHochschulen richtete. Eine Jury aus Professoren, Werbern und Art Direktoren hat aus 180 Einsendungen inzwischen
die besten gewählt. McK Wissen stellt exklusiv die Sieger vor.
Platz 1: Magdalena Kallenberger, Berlin
Aus der Begründung der Jury: „Der Entwurf bezieht sich auf unsere alltägliche Lebenswelt als Basis eines
realistischen Demokratie-Verständnisses. Er lokalisiert Demokratie in der Mikropolitik des Alltags,
positioniert sich positiv zu demokratischer Auseinandersetzung und zeigt, dass der Weg zu Demokratie
über persönliche Toleranz und aktives Engagement führt. Die Differenz zwischen Text und Bild aktiviert
ein Wir-Gefühl, das sich deutlich gegen die Ellenbogenhaltung der Ego-AGs absetzt.“
Die Entwürfe von Magdalena Kallenberger werden Anfang 2003 als Plakatkampagne präsentiert.
Branding Democracy
McK Wissen 03
Seiten: 98.99
Platz 3: Nora Bilz, Berlin
Aus der Begründung der Jury: „Die Kampagne arbeitet auf intelligente
Weise mit weltbekannten Comic-Figuren, die generationsübergreifende
Sympathieträger sind. Die Charaktere, die für unterschiedliche
Lebenseinstellungen stehen, werden zielgruppenspezifisch inszeniert,
um vielfältige Facetten des Demokratiebegriffes vorzustellen.“
Platz 2: Carsten Trill, Düsseldorf
Aus der Begründung der Jury: „Eine Imagekampagne für Demokratie, gleichzeitig
auch eine zivilgesellschaftliche Aktionskampagne, die sich an Protestformen der
Straße anlehnt. Sie integriert sich in Szenen des alltäglichen Lebens und entwickelt
außerhalb klassischer Medienformate ein überraschendes Moment der Irritation.
Die Kampagne erzielt mit einfachen Mitteln eine große Wirkung.“
Schweizer Messer
Text: René Ammann
Mutter.
Rostfrei.
Eine zweischneidige Marke: das Schweizer Messer.
McK Wissen 03
Seiten: 100.101
16
Immerhin: Für den Schwyzertolch waren keine CI, kein Logo, keine
Marke, kein Spot und kein CD nötig, um in aller Munde zu kommen. Die
Schweizer Herren des 16. Jahrhunderts trugen das Allernotwendigste
allzeit bereit mit sich und steckten es wieder in die Scheide, nachdem sie
es benutzt hatten. Der Schwyzertolch war wie alle Tischmesser zu jener
Zeit spitz, denn nach dem Schneiden sollte er dazu dienen, die mundgerecht zugeschnittene Portion aufzuspießen und an die Lippen zu führen.
Am Tischtuch wurde der Dolch nach Gebrauch abgeputzt und dann
wieder weggesteckt.
Jeder Schweizer besaß damals wie heute ein Messer. Das fiel sogar Michel
de Montaigne auf, der 1580 vermerkte: „Auch isst niemals ein Schweizer
ohne Messer, mit dem sie alle Speisen nehmen, so dass sie die Schüsseln
nicht mit den Fingern berühren.“ Erst seit dem 19. Jahrhundert gilt das
Essen ausschließlich mit dem Messer in der Schweiz als unfein. Zumindest
bei Tisch. Kaum trägt der gemeine Schweizer heute aber eine Uniform,
Knickerbocker oder Töffklamotten, also Motorradkleidung, greift er in
den Hosensack und zieht ein Taschenmesser hervor. „En rächte Bueb hät
es Mässer im Sack!“, hören Schweizer Knaben, kaum sind sie den
Windeln entwachsen. Und sie vergleichen auch im Mannesalter das seit
der Kindheit gewachsene Werkzeug mit denselben Fragen: Wer hat die
größere Klinge? Wer hat mehr dran?
Das Swiss Army Knife. Niemand nennt das rote Ding in der Schweiz so.
Man kennt es als Sackmesser, Hegel, Militärhegel oder Soldatenhegel,
Soldatenmesser oder allenfalls als Offiziersmesser. Konsequenterweise ist
es für die Schweizer unnötig zu wissen, dass sich zwei Schweizer Firmen
die Marke Swiss Army Knife teilen: Wenger und Victorinox. Den Schweizern genügt die Ahnung, in der Hosentasche befände sich das Notwendigste, man wäre damit allem gewachsen. Der Schweizer Stadtwanderer
in Mexiko weiß wie der Bergsteiger im Bergell: Mann hat, was Mann hat.
Ein Griff ins emotionale Reduit, die gefühlsmäßige Rückversicherung für
den Härtefall.
Frage an Herrn Jacques Saucy von der Firma Wenger, die vor mehr als
hundert Jahren als Schweizer Besteckfabrik Delémont begonnen hatte:
Wem gehört nun die Marke Swiss Army Knife? Wenger oder Victorinox?
Schweizer Messer
Text: René Ammann
McK Wissen 03
Seiten: 102.103
Saucy: Weder noch. Die Marke gehört der Schweizerischen Eidgenossenschaft, also dem Staat. Der Schweizer Staat hat den zwei Herstellern
Victorinox, Ibach, und Wenger, Delémont, die ewige Lizenz erteilt.
Wir haben seit etwa 50 Jahren ein stilles Abkommen. Victorinox produziert das Original Swiss Army Knife, Wenger das Genuine oder Véritable
Swiss Army Knife.
Und was kostet die Lizenz?
Danke für Ihre Auskünfte. Damit ich das richtig notiert habe: Wie schreibt
sich Ihr Name korrekt?
Gar nichts.
J-A-C-Q-U-E-S S-A-U-C-Y.
Null?
Und Ihre Funktion, bitte?
Null.
Président.
Null? Das erstaunt mich nun doch. Warum null?
Die Eidgenossenschaft besitzt die Marke. Und die ist weltweit geschützt.
Aber es waren letztlich die beiden Schweizer Firmen Victorinox und
Wenger, welche die Marke erst geschaffen haben.
Und das gilt auch für andere Produkte, die das Markenzeichen Swiss Army
Knife tragen? Es gibt ja mittlerweile Uhren, Jacken, seit 1998 sogar Swiss
Army Cheese, Schmelzkäse in 70-Gramm-Dosen …
Nein. Die Messer und Scheren, alles, was schneidet, gehören in die Klasse
8 der internationalen Warenklassifikation. Dieser Brand gehört Wenger und
Victorinox gemeinsam. Allein. Exklusiv. Gratis. Und auf ewig. Andere, etwa
die Uhren, also Klasse 14, gehören zu 100 Prozent Victorinox. Für den
Käse ist hingegen nicht Victorinox zuständig.
Wie kommt ausgerechnet die Schweizer Armee zu solchen Ehren?
Es begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Besatzungssoldaten in
Deutschland – Amerikaner, Kanadier, Briten – hatten acht Tage Ferien und
kamen zur Erholung in die Schweiz. Dort haben sie die Messer gekauft,
die wir für die Schweizer Armee herstellten und noch immer herstellen.
Die Messer nahmen sie nach Hause mit. So entstand die Marke.
Und wie unterscheiden sich die beiden Firmen?
Wenger hält 15, Victorinox 85 Prozent des Weltmarktes. Zumindest des
Marktes an Original oder Genuine Swiss Army Knives. Denn zahlreich sind
die Nachahmer. Vor allem Fernost schneidet den Messermachern aus Ibach
und Delémont Stücke vom Umsatz weg. Mit Zahlen sind beide Firmen
eher kleinlich. Victorinox erzielte im Jahr 2000 einen Umsatz von rund 290
Millionen Franken, das sind etwa 190 Millionen Euro, beschäftigt etwa
1000 Menschen und bezeichnet sich selbst als „weltweit Nummer eins für
Taschenwerkzeuge“ und „größte Messerfabrik Europas“. Täglich verlassen
mehr als 100 000 Messer das Victorinox-Werk in Ibach im Kanton Schwyz.
34 000 Swiss Army Knives (100 verschiedene Modelle), 38 000 andere
Taschenwerkzeuge (300 verschiedene Modelle) und 38 000 Haushalts-,
Küchen- und Berufsmesser.
Seit mehr als 110 Jahren ist Victorinox ununterbrochen Lieferant des Soldatenmessers an die Schweizer Armee. Der Name Victorinox? 1909, nach
dem Tod seiner Mutter, wählte der Firmengründer Karl Elsener ihren Vornamen Victoria zur Fabrikmarke. Als der 1921 erfundene rostfreie Stahl
auch in Ibach verarbeitet wurde, fügte man der Marke Inox bei, das internationale Kennzeichen für rostfreien Stahl. Victoria Inox. Mutter. Rostfrei.
In Ibach sitzt Carl Elsener, Senior-Chef von Victorinox. Er ist unter
anderem bekannt dafür, dass seine Mitarbeiter einen Tag frei bekommen,
wenn sie nach Lourdes fahren möchten. Fragen und Antworten kommen
praktischerweise gleich im Paket von der PR-Stelle. Auszüge:
Sind Sie Alleinbesitzer, Präsident und Delegierter des Verwaltungsrates?
Ich muss präzisieren: Ich bin nicht Alleinbesitzer. Nur gut zehn Prozent
der Aktien sind noch im Privatbesitz der Familie Elsener. Der Großteil ist
in der Victorinox-Stiftung. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und deren
Erhaltung auch in Rezessionszeiten hatte bei der Victorinox schon seit der
Firmengründung stets höchste Priorität. Während der vergangenen 80 Jahre
ist wegen Rezession niemand entlassen worden.
Die Taschenmesser-Imitate aus Fernost verzeichnen eine riesige Umsatzsteigerung. Wie stark fühlen Sie sich durch die Nachahmer bedrängt?
Unsere größten Konkurrenten sind in China. Sie haben unser Taschenmesser einfach kopiert, ohne die hohen Kosten mitzutragen, die wir im
Laufe der Jahre für die Weiterentwicklung, die vielen Verbesserungen bis
zur heutigen Perfektion aufgewendet haben. Noch ist der Konkurrenzdruck erträglich. Mit unseren Taschenmessern bleiben wir eindeutig
Qualitäts- und Markt-Leader. Unsere Bestrebungen gehen dahin, die
Bedrohung durch Imitate mit markenstrategischen Maßnahmen zu
begrenzen. Die Qualitätsmerkmale der Victorinox-Messer müssen den
potenziellen Käufern noch besser vermittelt werden.
„Eine Studie über den Wert des Brands Swiss Army Knife gibt es nicht“,
schreibt Urs Wyss, Marketingdirektor von Victorinox. Aber eine national
angelegte US-Studie sage aus: Der Brand Swiss Army Knife erreicht einen
Bekanntheitsgrad von 92 Prozent. Der Brand wird zu 99 Prozent mit
Taschenmessern assoziiert und zu 71 Prozent mit Uhren.
Sie planten Dinge wie ein Swiss Army Telephone. „Da kam das Njet aus
Ibach“, sagt Hans Schorno, Victorinox-Medienverantwortlicher. VictorinoxChef Elsener unterbreitete den Aktionären ein derart „großartiges Angebot“
(Schorno), dass sie ihre Papiere gern aus der Hand gaben. Swiss Army Brand
Inc. soll sich wieder „auf die Kernkompetenzen konzentrieren“.
Die Firma Wenger hat ihr Swiss Business Tool auf den Markt gebracht. Es
kombiniert das Taschenmesser mit den Werkzeugen, die man braucht, um
Papiertiger niederzukämpfen. Einen Hefter. Einen Heftklammer-Entferner.
Einen Locher. Eine Schere. Eine Messerklinge. Vom Offiziersmesser mit
Pinzette und Zahnstocher ist nicht viel übrig geblieben. Und, allen sei es
geklagt, oh Jammer, nicht einmal der Korkenzieher – wir nennen den übrigens Zapfenzieher –, der Retter aller öden Betriebsfeste, hat überlebt. Der
moderne Manager lebt selbstverständlich alkoholfrei. Er braucht keinen
Zapfenzieher. Er braucht keinen Schraubenzieher. Keine Ahle. Keinen
Büchsenöffner. Keinen Flaschenöffner. Und das Messer wird ihm beim
Einchecken ebenso abgenommen wie die Nagelschere.
In Zeiten, da die Schweizer Armee massiv gestutzt wird und auch die
Schweizer Gewerkschafter die Fäuste nicht mehr in der Hosentasche
ballen, da Victorinox „unsere Marke“ fördern will und mit „A little bit of
Switzerland with you forever“ wirbt, statt mit dem „Original Swiss Army
Knife“, da Wenger lieber mit dem Business Tool ein Stück vom Kuchen
abschneiden will, befürchtet der traditionsbewusste Schweizer, dass der
Wert des Brands Swiss Army Knife bald dem entspricht, was die beiden
Lizenznehmer dafür bezahlen, nämlich null.
Aber so wird es nicht kommen.
Was sonst? „Es ist nicht üblich, dass zwei Konkurrenten den gleichen Brand
herstellen. Aber hier haben wir die Situation, dass durch die Namensgebung in den USA (Swiss Army Knife) ein Brand entstanden ist“, schreibt
Herr Wyss auf meine Fragen. „Die Firma Wenger und wir haben den Brand
in gewissen Märkten sogar gemeinsam geschützt. Unser Ziel ist es aber,
die Marke Victorinox zu fördern.“ Trotzdem hat Victorinox im August 2002
die börsennotierte Firma Swiss Army Brand Inc., seit 1972 exklusiver
Vertriebspartner der Victorinox in Nordamerika, übernommen. Die Amerikaner verkauften mit der Zeit immer weniger Taschenmesser.
PS: Die Damen sind bislang gar nicht zu Wort gekommen. Daher ein
kurzer historischer Nachtrag. Während die Schweizer Männer ihren Dolch
trugen, hängten sich die Schweizer Frauen den Besteckköcher mit ihren
Messerchen und einer Frühform von Gabel um. Und nebenan baumelte der
Ridikül. Sie wissen schon: der Handarbeitsbeutel.
Beck / Interbrew
Text: Markus Grill
McK Wissen 03
Seiten: 104.105
Grün war
die Hoffnung
Wäre der Deal nicht wochenlang durch die Presse gegangen, hätte vermutlich niemand etwas gemerkt.
Das norddeutsche Traditionsbier Beck’s heißt immer noch Beck’s, obwohl es inzwischen dem belgischen
Braukonzern Interbrew gehört. Auch sonst hat sich in der Bremer Traditionsbrauerei Beck & Co wenig verändert.
Gerade deshalb ist der Eigentümerwechsel ein gelungenes Beispiel für professionelles Markenmanagement.
17
Beck / Interbrew
Text / Foto: Markus Grill
Die neuen Herren sind unsichtbar. Wer heute eine Führung durch die
Brauerei Beck & Co in Bremen macht, erfährt viel über die Geschichte des
Biers, über obergärige und untergärige Braumethoden, über Fanartikel,
Marke und Umsatz. Nur den Clou erfährt er nicht. Auch auf der Homepage www.becks.de muss sich der Besucher weit durchklicken, bis er
endlich entdeckt, dass die Bremer Brauerei vor knapp einem Jahr von Interbrew gekauft wurde, dem drittgrößten Braukonzern der Welt mit Sitz in
Belgien. Gerade so, als ob der spektakulärste Deal der deutschen Zunft nie
stattgefunden hätte.
Das ist schon ungewöhnlich in einer Zeit, in der Fusionen und Übernahmen alltäglich sind und die neuen Hausherren sich in der Öffentlichkeit
nicht selten sofort als die besseren Markenmanager profilieren wollen.
Angesichts eines so sensiblen Produkts wie deutschem Bier ist die Zurückhaltung bei Beck und Interbrew besonders bemerkenswert – und klug.
Denn dass die Übernahme einer deutschen Brauerei durch einen ausländischen Konzern besonders argwöhnisch verfolgt wird, haben die Belgier erst
kürzlich wieder erlebt.
Im November dieses Jahres machte Interbrew der Brauergilde Hannover
AG ein Übernahmeangebot in Höhe von 491 Millionen Euro. Der Widerstand formierte sich sofort. Vom niedersächsischen Ministerpräsidenten
Sigmar Gabriel bis zum Brauergilde-Betriebsratsvorsitzenden Werner Brünig
protestierten mehr als 30 000 Menschen mit ihrer Unterschrift gegen den
Verkauf. Das 1609 gegründete Unternehmen dürfe nicht in fremde Hände
fallen. Die Stadt Hannover, die Anteile an der Brauergilde hält, wollte den
Verkauf gar gerichtlich anfechten. Dass Interbrew zuvor garantiert hatte,
die 850 Arbeitsplätze an den Standorten Hannover, Braunschweig und
Wernigerode zu erhalten, besänftigte die Protestanten nicht. Betriebsratschef Brünig fürchtete, nach der Übernahme würden Regionalmarken wie
Gilde Pilsener oder Wolters Pilsener über kurz oder lang vom Markt verschwinden. Inzwischen hat sich die Aufregung gelegt, die Stadt will ihren
Zehn-Prozent-Anteil an der Brauerei verkaufen, die Brauergilde Hannover
AG wird bald den Belgiern gehören.
Natürlich lässt sich über die Zukunft der Traditionsbrauerei nur spekulieren. Wie es scheint, werden sich Management und Mitarbeiter jedoch
kaum sorgen müssen. Dafür sprechen die Erfahrungen von Beck & Co und
deren jüngste Unternehmensgeschichte, die Experten nicht ohne Grund als
Paradebeispiel für gelungenes Markenmanagement anführen.
McK Wissen 03
Seiten: 106.107
Die Personen sind geblieben, am Produkt und an der Marke hat sich nichts geändert.
Neu sind nach der Übernahme nur die Positionen: Der frühere Marketing Director
Andreas Hilger (links) ist heute Global Brand Director, Dieter Ammer, einst Geschäftsführer von Beck & Co heißt inzwischen Interbrew Regional President Deutschland.
Und als Ausnahme, denn die Sorge um das Überleben eingeführter Brands
nach einer Firmenübernahme ist nicht unbegründet – ungeschicktes
Vorgehen bei Mergers & Acquisitions trifft häufig auch die Marke.
Ist der Zusammenschluss erst in trockenen Tüchern, wird der Herrschaftsanspruch gern unterstrichen. Das eingeführte Produkt erhält einen neuen
Namen. Oder es wird die Markenführung optimiert – durch vermeintlich
modernere Kampagnen, die den Käufer irritieren. Neigt das Management
zu Aktionismus, werden nicht selten auf die Schnelle Produkte verändert,
Verantwortungen verschoben, alte Experten durch neue ersetzt oder
Vertriebs- und Marketingbudgets beschnitten, um die hohen Investitionen
zu refinanzieren.
Dieter Ammer kennt viele dieser traurigen Geschichten und wird doch
nicht müde zu wiederholen, dass sie nichts, aber auch gar nichts mit dem
zu tun haben, was er seit einem Jahr erlebt. Interbrew, sagt der alte und
neue Vorsitzende der Geschäftsführung der Brauerei Beck & Co, habe
keinen einzigen dieser Fehler gemacht. „Wir sind absolut glücklich darüber, wie die Übernahme gelaufen ist.“
Der neue Besitzer ließ alles beim Alten
Die Fakten geben Ammer Recht. Nachdem Interbrew das deutsche
Premiumbier 2001 für die bis dahin in der Branche unvorstellbare Summe
von 1,8 Milliarden Euro gekauft hat, ließ der neue Besitzer nahezu alles
beim Alten. Die Arbeitsplätze in Bremen blieben ebenso erhalten wie alle
regionalen Biermarken. Interbrew bestätigte Ammer nicht nur in seinem
Amt, sondern ernannte ihn auch zum Regional President Deutschland und
übertrug ihm die Interbrew-Geschäftsbereiche Export und südliches
Europa. Der bisherige Marketing-Director Andreas Hilger avancierte zum
Global Brand Director Beck’s in der Konzernzentrale in Leuven. Die schon
vor der Übernahme auf den Weg gebrachten Innovationen, etwa ein
Bierkasten mit weichen Griffen, wurden fortgeführt. Das Bier selbst blieb
unangetastet. Alles in allem offenbar das richtige Rezept. Der Beck’sBierausstoß für den deutschen Markt wuchs im ersten Halbjahr 2002
um 17,8 Prozent.
Auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes in Bremen steht in großen
Leuchtröhren noch immer der alte Name. Und dort, bei Beck & Co,
residiert auch der Chef. Dieter Ammer, 52 Jahre alt, etwa 1,90 Meter groß,
Brille, Glatze, wirkt wie einer dieser jovialen Bosse aus US-Spielfilmen.
Und das Bild passt ja auch zu dem Mann, der den
spektakulärsten Deal der deutschen Brauereigeschichte eingefädelt hat.
Ammer kam vor fünf Jahren von Nordzucker zu
Beck & Co. Ex-Deutsche-Bank-Sprecher Hilmar
Kopper, beim Bierbrauer Chef des Beirats, hatte
den Neuen geholt. Der Brauerei ging es damals
ziemlich gut. Die Marken waren hervorragend
geführt, laut einer Umfrage aus dem Jahr 1998
ordneten 75 Prozent der Bevölkerung das grüne
Segelschiff der Marke Beck’s zu. Die Unternehmenszahlen konnten sich sehen lassen: Die Bremer
erwirtschafteten mit mehr als sechs Millionen
Hektoliter Bier einen Umsatz von 787 Millionen
Euro. Schon damals floss die Hälfte des Beck’sBiers ins Ausland – keine andere deutsche Brauerei exportierte mehr.
Nachdem Ammer seinen neuen Posten bezog,
merkte er jedoch bald, dass er sehr viel investieren musste, um das hohe Niveau zu halten
– schon damals sank der Bierverbrauch kontinuierlich. Zwar rangiert Deutschland weltweit mit
123 Litern Bierkonsum pro Kopf noch immer
auf Platz drei, nur die Iren (125 Liter) und die
Tschechen (159 Liter) trinken mehr. Aber 1993
trank jeder Deutsche noch knapp 136 Liter Bier
jährlich – ein Minus also von zehn Prozent.
„Wir hatten wenige Märkte, die hochprofitabel
waren, Deutschland, Großbritannien, die USA
und Italien“, erklärt Ammer, „dazu kamen etwa
120 Länder, in denen wir zwar profitabel arbeiteten, aber relativ kleine Mengen absetzten.“
Und in den hochprofitablen Märkten begann die
Konkurrenz die Vertriebswege zu kontrollieren.
Ein Kampf mit harten Bandagen: „In Italien kauften Carlsberg und Heineken unsere Importeure
auf“, erinnert sich Ammer. „Ich bekam immer
häufiger Briefe, in denen stand: ,Guten Tag,
Mr. Ammer, wir sind gerade gekauft worden‘.“ In Frankreich und Belgien
gehörten der Konkurrenz bereits so viele Großhändler, dass es selbst die
bekannte Marke Beck’s nur noch schwer in die Supermarkt-Regale schaffte.
Und in den USA schluckten sich die Großhändler gegenseitig – das Geld
für die Übernahmen stellten die Brauereien. Ammer musste zusehen, wie
die Vertriebsmärkte aufgeteilt wurden. „Und wir blieben außen vor.“
Um selbst auf Einkaufstour gehen zu können, fehlten Beck & Co die
Mittel. Von den Eignern war kein Geld zu erwarten. Über die 1873 von
den Braumeistern Lüder Rutenberg, Heinrich Beck und dem Kaufmann
Thomas May gegründete ehemalige Kaiserbrauerei entschieden mittlerweile 67 Eigentümer, darunter 25 Adlige ohne große Vermögen. Die meisten ließen sich in der Vergangenheit einen Großteil des operativen Gewinns
der Brauerei auszahlen. Manche lebten vom regelmäßigen Scheck.
Im Juni 2002 dachte Ammer an einen Börsengang, er plante, zunächst nur
24,9 Prozent der Aktien zu veräußern. Weil derartige Entscheidungen laut
Statut jedoch einstimmig gefällt werden mussten und einige Besitzer sich
dagegen sträubten, blieb nur der Verkauf der GmbH. Aber wer sollte sie
kaufen? Es sollte eine Brauerei sein, erklärt Ammer, die weltweit gute
Vertriebswege vorzuweisen und gleichzeitig kein Bier hatte, das Beck’s
zu ähnlich war. Andernfalls, fürchtete er, dass die neuen Eigentümer die
Marke nicht mit der „nötigen Sorgfalt und Liebe“ behandeln würden. In
einem ersten Schritt nahm er vier große Brauereien in die engere Wahl:
Anheuser-Busch (USA), South African Breweries (heute SAB Miller) und
Scottish & Newcastle, beide aus Großbritannien, und eben Interbrew.
Der belgische Konzern war der ideale Partner
Ammers Suche nach einem Käufer sprach sich in der Branche herum, und
es hagelte Anrufe von Konkurrenten, die mitbieten wollten. Einer, den
Ammer nicht in die engere Wahl gezogen hatte, bot an, die Marken nach
einer Übernahme auf verschiedene Länder aufzuteilen. Für Ammer keine
gute Idee: „Unsere Marken hätten viel zu nahe beieinander gelegen. Ein
defensives Angebot ist niemals ein gutes Angebot.“
Interbrew erschien dem Beck-Chef dagegen als idealer Partner. Die Belgier
haben zwar rund 200 Biermarken im Portfolio, darunter aber nur eine
globale Marke, die mit Beck’s vergleichbar wäre: Stella Artois, die Ammer
jedoch nicht als ernste Konkurrenz betrachtete. „Inhalt und Positionierung
sind in vielen Ländern völlig unterschiedlich“, sagt Ammer. „Wo wir
Beck / Interbrew
Text / Foto: Markus Grill
stark sind, zum Beispiel in den USA, ist Stella Artois sehr klein. In Großbritannien dagegen, dem zweitwichtigsten Markt, ist Stella fünfmal so groß
wie wir, das tut uns auch nicht weh. Stella ist außerdem in Belgien und
Frankreich stark, in beiden Ländern spielen wir fast keine Rolle. Bei Interbrew passt alles wunderbar.“
Interbrew: Die Brauerei mit Sitz im belgischen Leuven versteht sich als „The
World’s Local Brewer“ und trat bis vor drei Jahren international kaum in
Erscheinung. Erst seit September 1999, seit der in Indien geborene Manager Hugo Powell zum Vorstandsvorsitzenden bestellt wurde, expandiert
der Konzern. Im November 2000 brachte Powell Interbrew an die Brüsseler Börse, nahm Eigenkapital in Höhe von 2,9 Milliarden Euro ein und
ging im selben Jahr auf Einkaufstour. Er kaufte Diebels, Whitbread, Bass
und Beck’s und gab in kürzester Zeit weit mehr als sechs Milliarden Euro
aus. Unter Powell wurde Interbrew zum drittgrößten Braukonzern der Welt
mit 9,7 Millionen abgefüllten Litern Bier und 7,3 Milliarden Euro Umsatz
in 2001. Mehr Bier verkaufen nur noch Anheuser-Busch und SAB Miller.
Beck’s war für die Belgier reizvoll – zum einen als zweite Premiummarke
neben Stella, zum anderen aus Kostengründen. Interbrew erwirtschaftete
mit mehr als sieben Prozent zwar ordentliche Umsatzrenditen, auf Dauer
aber, das wusste Powell, würde der Konzern mit seinen 65 lokalen Brauereien nicht so effizient produzieren können wie etwa Heineken.
Die Macht bleibt bei der Brauerei vor Ort
Beck’s Bier war da genau das Richtige. „Eine Marke, die noch sehr viel
Potenzial hat“, sagt Interbrew-Sprecher Corneel Maes, zudem eine, um das
die meisten anderen Brauereien Interbrew beneiden dürften. Die Bremer
haben mit ihrem Segelschiff und der Farbe Grün ein Image geschaffen, das
mit jung, aktiv und frisch assoziiert wird. Ein Gute-Laune-Bier mit Lifestyle. Seit 1995 röhrt Joe Cocker den Marken-Song „Saaail awaaay“ so hingebungsvoll, dass man ihm zur Belohnung sofort eine Flasche aufmachen
möchte. Beck’s und Cocker sind ein Klassiker geworden, beständig und
zeitlos, akzeptiert von Vertretern aller Altersklassen.
Das mag ein Grund gewesen sein, weshalb sich die Belgier nach der Übernahme in Bremen nicht als neue Machthaber aufgespielt haben. Leises
Auftreten gehört jedoch auch zum Stil des Hauses. Es sei der Grundsatz
der Local-Brewer-Philosophie von Interbrew, die Macht über die
McK Wissen 03
Seiten: 108.109
Brauereien bei den lokalen Managern zu belassen,
erklärt Unternehmenssprecher Maes. Deshalb
sitzen in der Konzernzentrale in Leuven auch nur
400 Mitarbeiter, die sich um Finanzen, Personal
und Marketing der internationalen Biermarken
kümmern. Die restlichen 37 000 Interbrew-Mitarbeiter kümmern sich vor Ort um die Marken
des Konzerns. Und es sind jeweils die, die auch
schon vor einer Übernahme dort waren, „denn
die verstehen die Marke sowieso am besten“.
Autonomie statt Gängelung
Die Internationalisierungs-Strategie werde auch
künftig am lokalen Interbrew-Konzept nichts
ändern, versichert Maes. 90 Prozent des Bieres,
das weltweit getrunken wird, ist lokales Bier. Die
bekannten Marken machen nur zehn Prozent aus.
Wer das lokale Bier vernachlässige, grabe also am
eigenen Fundament.
Um den Konzernbereich in Bremen besser kennen zu lernen, richtete der neue Eigner allerdings
Projektgruppen ein, in die auch Kollegen aus
Belgien entsandt wurden. 21 Teams, erzählt
Beck-Chef Ammer, hätten sie gebildet – eine
Task Force zur Bestandsaufnahme, „um herauszufinden, was wir noch besser machen können“.
So wurden Einkauf, Marketing, Finanzen, Technik, Verkauf und Vertrieb durchforstet, aber, und
das hält Ammer für das Wichtigste, mit dem
Grundgefühl der Bremer: „Wir werden nicht
gestaltet, sondern wir gestalten uns selbst.“
Natürlich war Ammer zunächst besorgt, dass die
Traditionsmarke Schaden nehmen könnte. Ein
Berliner Student hatte auf einer eilig eingerichteten Website, www.rettet-becks.de, bereits eine
Unterschriftenkampagne gestartet, „um den
„Wer sich wehrt, wird nicht gekauft.
Feindliche Übernahmen
kommen für uns nicht in Frage.“
Interbrew-Unternehmenssprecher Corneel Maes
guten Qualitätsstandard des Bieres zu erhalten“. Aber Ammer fürchtete
noch mehr: „Dass nach der Übernahme vielleicht so ein übereifriger Neuling für die Marke verantwortlich gemacht werden würde.“ Einer, der
sagen könnte: Och, Segelschiffe sind out, lass uns doch mal was mit Skysurfing machen. Beck’s sei ja nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil man
seit fast 20 Jahren an der Segelschiff-Kampagne festgehalten habe.
Dass Interbrew-Chef Powell problemlos Ammers Vorschlag akzeptierte,
den Marketingmanager Andreas Hilger in die Leuvener Zentrale zu holen,
wertete er als positives Zeichen. Mit dessen Ernennung zum Global Brand
Director Beck’s und Ammers eigener Berufung ins Operating Committee
von Interbrew waren schließlich die letzten Zweifel ausgeräumt. Der neue
Eigentümer würde die Marke Beck’s nicht tangieren.
Als Marketingdirektor in Bremen verantwortete Hilger früher eine Abteilung mit 20 Mitarbeitern, in der belgischen Zentrale leitet er die
Marken-Geschicke mit zwei Kollegen. Sie achten darauf, dass die Marke
nicht zerfleddert, erklären den einzelnen Ländern, was Beck’s im Kern
ausmacht, laden die Mitarbeiter aus dem Ausland zum Werksbesuch nach
Bremen ein und versuchen, sie „grün einzutauchen“. Weil Hilger davon
überzeugt ist, dass die Mitarbeiter erst dann eine Beziehung zu Beck’s aufbauen, wenn sie die Brauerei besichtigt, mit dem Braumeister gesprochen
und den Begriff Reinheitsgebot kennen gelernt haben.
Interbrew-Chef Hugo Powell hält derweil schon wieder nach neuen
Marken Ausschau. Die Konsolidierungsphase auf dem deutschen Markt,
sagt er, habe nämlich gerade erst begonnen. Das klingt nur wie eine
Drohung: Wer sich wehrt, werde nicht gekauft, lässt sein Sprecher Maes
ausrichten, „feindliche Übernahmen kommen für uns nicht in Frage“.
Einen Dämpfer gibt es aber auch für die eine oder andere unter den knapp
1300 deutschen Brauereien, die vielleicht ganz froh wäre, eine ähnlich gute
Geschichte wie Beck’s zu erleben. „Wir rechnen sehr genau, ob sich eine
Investition rechnet.“ Mit einem so spektakulären Deal wie im Fall der
Bremer sollte lieber keiner kalkulieren. Denn Beck’s, das wusste man in
Belgien von Anfang an, ist eine ganz besondere Marke.
Ins Grün eintauchen: Seit der Übernahme durch Interbrew ist
das Bremer Werksgelände von Beck & Co häufig besucht. Vor Ort
sollen die neuen Kollegen die Traditionsmarke kennen lernen.
Margarine vs. Butter
Text: Christian Litz
McK Wissen 03
Seiten: 112.113
Frieden
an der
Fettfront
Butter- oder Margarine-Typ? Jahrzehntelang wurden um die Fettfrage erbitterte Gefechte geführt. Heutzutage haben die
Vertreter beider Lager gelernt, miteinander zu leben. Oder?
18
Margarine vs. Butter
Text: Christian Litz
McK Wissen 03
„Ein voll segmentierter Markt: genusstaugliche Fettstoffe tierischer
oder pflanzlicher Herkunft. Unentbehrlich auf deutschen Stullen.“
Seiten: 114.115
Der erste Eindruck: handfester Butter-Typ.
Rüdiger Ziegler, Pressesprecher der Unilever
Deutschland GmbH, der mit Inbrunst sagt, „wir
sind die Fettschmiede der Welt“, hat die Ärmel
seines blauen Hemdes aufgeknöpft und hochgeschoben, den Krawattenknoten weit gelockert. Er
wirkt, obwohl er schlank ist, bullig. Der Mann ist
zehn Jahre Radrennen gefahren. Wirkt nicht wie
ein Margarine-Konsument.
Jedenfalls ist so das Klischee: Margarine ist soft,
vor allem Frauen kaufen sie, und die essen sie
auch. Margarine-Intensivkäufer wurden oft befragt
und viel erforscht. Heraus kam unter anderem:
94,5 Prozent von ihnen sind Frauen, 14,4 Prozent
haben Abitur oder studiert. Rund 80 Prozent sind
zwischen 30 und 50 Jahre alt. Sie zeigen große
Affinität zu RTL und Sat.1, ihre liebsten Sendungen sind Arztserien.
Im 18. Stock des Unilever-Hauses, in Pieter
Notas Büro. Er ist Holländer und der Geschäftsführer Marketing für Margarine „und für noch
ein paar Produkte“ bei der Unilever Bestfoods
Deutschland GmbH in Hamburg. Zuvor war
er für Margarine des Konzerns in Polen zuständig, davor in England und in seinem Heimatland
Holland. In diesem Text wird sehr oft das Wort
Margarine auftauchen, Synonyme wie Kunstbutter oder Ersatzbutter hören Nota und Ziegler
nicht gern, denn die setzen Margarine herab.
Was an der Vergangenheit liegt. Früher war
Margarine eben nur Ersatz für „gute Butter“.
Aber das sei schon lange vorbei. Ganz lange,
sagt Nota.
Holland und Margarine gehören fast so eng
zusammen wie Holland und deutsches Fernsehen.
Die Nachbarn am Meer haben früh mit der
Produktion angefangen, immer viel hergestellt
und viel verkauft, ihre Butter nach England,
ihre Margarine nach Deutschland, Reste in die
ganze Welt. Das Margarinegeschäft ist etwas für
große Konzerne. In den USA hatte beispielsweise
Procter & Gamble lange die Patentrechte zur
Fetthärtung. Der größte Margarinehersteller aber
ist und war schon immer Unilever. „Sie kennen
die Unilever-Historie?“, fragt Nota. Im Herbst
1927 taten sich etliche Margarinehersteller zur
Margarine-Union zusammen und konkurrierten
in Europa nur noch mit Lever Brothers Ltd. 1929
wurden Union und Lever zu Unilever.
Härten, umestern, absättigen
Margarine ist Industrie, und zwar richtig. Schon
die Definitionen zeigen das. In dem Buch „Margarine. Die Karriere der Kunstbutter“ von Birgit
Pelzer und Reinhold Reith heißt es: „Margarine
ist heute ein industriell erzeugtes Produkt aus
den verschiedensten Zutaten tierischer und pflanzlicher Herkunft, die chemisch durch Härten und
Umestern verändert und mit Zusatzstoffen wie
Emulgatoren, Farbstoffen, Antioxidantien, Säuerungsmitteln und Vitaminen versetzt werden.“
Oder, um es richtig seifenähnlich zu sagen: „Margarine ist ein Wasser-in-Öl-Gemisch (Emulsion).“
Es gibt ein Margarine-Gesetz, das regelt, was in
die Margarine darf. Die erste Fassung stammt aus
dem Jahr 1897 und war damals so etwas wie der
Versuch der Butter-Lobby, die Margarinehersteller klein zu halten.
1893 brach der so genannte Berliner Butterkrieg
aus. Die hinterpommerschen Molkereigenossenschaften hatten losgeschlagen und Butteruntersuchungen gestartet. Die Margarine sei schuld an
Butterfälschungen. Die Industrie sei ein „Schädling des Molkereiwesens“. Zuvor war der Erfolg
der Margarine stetig gewachsen, weil die
Hersteller auf pflanzliche Basisprodukte gesetzt
und damit den Geschmack der Zeit getroffen
hatten. Die so genannte Lebensreformbewegung
propagierte eine ursprüngliche, einfache und
frugale Ernährung, Vegetarismus kam auf. Die
Lebensreformer warnten, dass „die gefährliche
Kuhbutter“ Tuberkulose und andere Krankheiten
übertrage. Die Butter-Lobby schlug mit Gegenattacken zurück. Was in anderen Ländern auch
sehr erfolgreich war. Kanada verbot Margarine
bis nach dem Zweiten Weltkrieg völlig. In einigen
US-Bundesstaaten gab es Regelungen, die an die
Prohibition erinnern. Es gab sogar so etwas wie
Margarineschmuggel in den USA. In der Schweiz
und in Norwegen galt Margarine als „Kuli-Fett“
oder „Neger-Fett“.
1985 gab es eine Neufassung des Margarinegesetzes: „Margarine im Sinne dieses Gesetzes
sind die durch Emulgieren aus genusstauglichen
Fettstoffen hergestellten Zubereitungen, deren
Gesamtfettgehalt mindestens 80 Prozent des
Gewichts beträgt. Der Anteil an Milchfett und
Milcheiweiß darf ein Prozent des Gewichts nicht
übersteigen.“ Fetthärtung, also Chemie, spielt
eine große Rolle, und der Vorgang lässt sich
genau steuern. Durch die Wahl geeigneter Reaktionsbedingungen kann man die gewünschten
Anteile von gesättigten, einfach und mehrfach
gesättigten Fettsäuren erreichen. Neben der
Schmelzpunkterhöhung verbessert man auch die
Haltbarkeit.
Für diese Erkenntnis gab es den Nobelpreis.
1912 bekam ihn der Chemiker Paul Sabatier, der
15 Jahre zuvor beschrieben hatte, wie man die
Doppelbindungen ungesättigter Kohlenwasser-
Margarine vs. Butter
Text: Christian Litz
stoffe absättigen konnte, indem man „organische
Verbindungen destilliert und die Dämpfe in Gegenwart eines reduzierten Metalls, Platin, Nickel
oder Kupfer, mit Wasserstoff“ anreichert.
Auch Nota ist auf den ersten Blick kein Margarine-Typ. Doch er macht wie Ziegler mit viel
Überzeugung in der Stimme klar: Margarine! Und
nichts anderes! Das ist natürlich berufsbedingt,
aber beide können das so glaubhaft vortragen, dass
es nichts zu zweifeln gibt an ihrem Margarinekonsum. Er gelte in Fachkreisen als fanatischer
Kämpfer für Margarine, rühmt sich Ziegler: „Ich
habe immer Sonnenblumenmargarine gegessen,
Sonnenblumen gefallen mir einfach.“ Nota: „Ich
esse nur Becel, schon immer, schon meine Eltern.“
Ziegler unterbricht den einige Jahre jüngeren
Nota: „Aber du bist eigentlich ein Lifestyle-Typ.“
Lifestyle, das hatten sie schon erklärt, bedeutet
Lätta. Becel bedeutet Gesundheit.
Ein werbeintensives Business
Zur besseren Übersicht jetzt mal eine Aufzählung der Unilever-Margarinen. Da ist Rama, die
gute, alte, der „moderne Klassiker“, Rama, die
„die Qualitätsführerschaft für sich claimt“. Lätta,
„die Lifestyle-Marke“, wobei, erzählt Rüdiger
Ziegler, viele Leute Lätta kaufen, „die älter
werden, aber sich noch gern in der Modernität
wiederfinden, Lätta hat diesen Porsche-Effekt“.
Lätta stehe für Singles. Allein die TV-Werbung:
Eine schöne Frau wacht in einem großen Bett
auf, mit einem schönen Mann. Sie hatten schönen Sex. Halt, was ist das? Noch ein Mann. Sie
hatten Sex. Zu dritt. Auch schön. Die Frau steht
danach auf, schreitet, nein, sie schwebt zum
Kühlschrank, strahlt nackt in göttlichem
McK Wissen 03
Licht, holt einen Becher Margarine namens
Lätta raus. Hält sich den an die Wange. Lächelt.
Das ist Lifestyle.
Die beiden Margarine-Fachleute sprechen viel
über „zentrale Marken“, „Marktsegmentierung“,
„Positionierung“, „Product Range“ und „Marktführerschaft“. Ihre Wortwahl zeigt: Das MargarineBusiness ist ein werbeintensives. War es schon
immer. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts
war Margarine der Motor der Werbebranche und
in der Weimarer Republik noch einmal.
Ziegler steht auf und holt eine Broschüre. Nota
klopft auf das Buch vor sich auf dem Konferenztisch. „Die Karriere der Kunstbutter, Margarine“,
lesen Sie das, sagt er, da steht alles drin. Und da
ist Ziegler auch schon wieder zurück und legt
das blaue Heft auf den Tisch: „Die Rama-Story.
Die 75-jährige Erfolgsgeschichte Deutschlands
beliebter Familien-Margarine“. Er will es wiederhaben, denn es ist eine Rarität, eine Darstellung
der Rama-Werbung, seit es sie gibt.
Margarine brauchte immer viel Werbung, was
auch daran lag, dass sie lange Zeit nur ein Ersatz,
die Butter des armen Mannes war, also Imageprobleme hatte. Bis kurz vor der Jahrhundertwende wurde Margarine gern genommen, um
Butter heimlich zu strecken. Und gepfuscht
wurde auch noch bei der Produktion. 1910
erkrankten nach dem Genuss der von der Altonaer Margarinewerke Mohr & Co. hergestellten
Margarinesorte Backa 200 Personen, vier starben
an den Folgen der Vergiftung.
Schauergeschichten, meist wohl Wandersagen,
über die Margarine-Industrie machten in den
nächsten Jahren immer wieder die Runde. Außerdem galt, wer wohlhabend sein wollte, musste
Butter essen. Das hat sich gehalten bis heute,
Seiten: 116.117
trotz der Werbeschlacht. „Aus Angst vor Verarmung: Unternehmer tötete seine Ehefrau“, stand
im März 2002 im Berliner Tagesspiegel. „Es geht
um den Vorwurf der Tötung auf Verlangen. Der
Textilgroßhändler soll seine drei Jahre jüngere
Ehefrau auf ihren Wunsch hin getötet haben.
Als es seiner Firma nicht mehr gut ging, habe sie
den Lebensmut verloren. ‚Sie konnte sich nicht
vorstellen, in kleineren Verhältnissen zu leben‘,
sagte Bernhard L. den Richtern. Hannelore L.
soll gesagt haben: ‚Wer einmal Butter gegessen
hat, der isst nie wieder Margarine.‘“
Zauberwort Segmentierung
Weiter mit den anderen Unilever-Margarinesorten, das Thema ist schließlich ernst. Und dreht
sich weiß Gott nicht nur um Vielfalt. Markenführung meint nicht nur Margarine für Jung und
Alt, Männer oder Frauen. Moderne MargarineManager müssen auch nach Einstellungen oder
Lebensstilen segmentieren. Also gibt es Bertolli,
zurzeit ein Stürmer am Margarinemarkt, mit
Olivenöl drin, einem Hauch von Mittelmeerdiät
und Feinschmeckertum. Sanella natürlich, auch
so ein Klassiker. Becel, die gesunde. „Ja, ich bin
gesundheitsbewusst“, sagt Nichtraucher Nota.
Ziegler ist natürlich auch Nichtraucher. Er sagt
voll Stolz: „Wir haben den Markt erfolgreich
segmentiert.“ Und zählt weitere Produkte auf.
Unilever hat noch Brotaufstriche wie Flora Soft
oder Brunch. Nota, als Holländer, erklärt noch,
dass Rama in Deutschland identisch ist mit Blueband in Holland. „Wird in einer Fabrik gemacht,
heißt Rama in Deutschland und Blueband in
Holland.“ In Vlaandingen, nahe Rotterdam, sagt
Nota, arbeiten mehr als tausend Leute in den
Literatur:
Birgit Pelzer/Reinhold Reith:
Margarine. Die Karriere der Kunstbutter.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2001;
192 Seiten; 24,50 Euro
Laboren von Unilever und forschen vor allem für
die Kunstbutter. Kunstbutter? Das Wort mögen
sie beide überhaupt nicht. „Von Kunstbutter zu
Fett nach Maß, zu Lifestyle“, beschreibt Ziegler
den Wandel.
Die Zeiten, in denen Butter und Margarine konkurrierten, seien vorbei. „Schon lange.“ Es gebe
noch weitere Labore des Konzerns, in Indien, in
England, in den USA, ergänzt Nota.
Der Markt habe sich stabilisiert, „Wertschöpfung“
erreiche man „nur noch mit Innovationen“. Unilever sei mit Becel pro-activ der einzige Anbieter
von wirklichem Functional Food in Europa. „Becel
pro-activ senkt den Cholesterinspiegel“, steht in
einem Becel-Prospekt. Cholesterin ist ein Kohlenwasserstoff, der Verbindungen mit Fetteiweißen
eingehen kann und so für Ablagerungen an den
Wänden der menschlichen Blutbahnen sorgt. Die
Folge sind Kreislaufprobleme bis hin zum Infarkt.
Cholesterin war das Zauberwort, mit dem die
Margarinehersteller in den siebziger und achtziger
Jahren ihr Pflanzenfett verkaufen konnten, als sie
noch gegen die Butter antreten mussten.
Auch heute ist Cholesterin noch ihr Stichwort,
da legen sie los. Ziegler setzt einen traurigen Blick
auf und klagt: „In diesem Land gibt es keine
Vorsorge mehr. Prävention kann sich dieses Land
nicht mehr leisten. Menschen mit CholesterinProblemen, in Deutschland sind das schon sehr
viele …“ Die ganze Arie. Inklusive ein paar Seitenhiebe auf die gute alte Butter. Nota erklärt,
dass es „nur in Deutschland diese Emotionalität
beim Thema Butter“ gebe. Ziegler macht: „Die
gute Butter, pfffffft.“ Waren das Zeiten früher!
„Wenn es Butterberge gibt, wird doch alles
versucht, das Konkurrenzprodukt in die Pfanne
zu hauen.“ Er macht noch mal „pfffft“ und sagt:
„Oder denken Sie an Weihnachtsbutter, so
ein Schwachsinn!“ Auf Nachfrage sagt er noch
mal, aber nein, man kämpfe nicht gegen Butter.
Der Markt sei endgültig aufgeteilt, der ButterMargarine-Krieg was Historisches. Und hackt
gleich wieder los: „Butter ist wie der Ottomotor,
hat sich nie verändert.“ Ganz anders Margarine,
die habe einen Weg hinter sich von der Kunstbutter zum Fett nach Maß samt Lifestyle. „Rama
ist ein Schrittmacher der Technologie.“ Nota
klopft mit der flachen Hand auf das Buch. In dem
steht, wie mehr als hundert Jahre Margarinehersteller und das Butter produzierende Agrargewerbe kämpften und keilten, mit harten Bandagen, mit Hufeisen in den Handschuhen.
Sanne und Ella, die vorbildlichen Hausfrauen
Dort steht auch der Name Mège Mouriès. Das
ist der Chemiker, der die Margarine erfand.
Napoleon III. von Frankreich hatte 1866 einen
Preis für die Entwicklung eines butterähnlichen
Speisefetts ausgeschrieben. Es sollte billig und
haltbar sein, ideal für die Armee, die Seestreitkräfte, die Armen. Chemiker Mouriès gewann,
sicherte sich das Patent. Nur: In Frankreich
wurde Margarine nie ein Erfolg. Sonst aber ging
es flott voran. Überall in Europa, vor allem in
Holland, Österreich und Deutschland, entstanden
Fabriken. Margarine war von entscheidender
Bedeutung für die Industrialisierung, Stichwort
Vesperbrot oder Klappstulle. Hatte aber immer
dieses Für-Arme-Problem.
1912 lief der erste Werbefilm für Margarine in
den Kinos. 58 Millionen Deutsche sollen ihn
gesehen haben. Sanella ist seitdem ein Begriff im
Land. Heftig getrommelt wurde auch für Rahma,
ab Mitte August 1924. „Die minutiös geplante
Werbekampagne stellte jede bis dahin lan-
cierte Werbung in den Schatten. Rahma war ein
großer Erfolg. Aber: Der Konsonant h musste
auf Druck der Milchwirtschaft entfernt werden,
damit Rahma nicht an Rahm erinnert“, erzählen
Birgit Pelzer und Reinhold Reith in ihrer Margarine-Bibel. Die Werbung zielte inzwischen auf das
Bürgertum. Erstmals wurde ein Garantiedatum
aufgedruckt.
Schrittmacher war später noch einmal Sanella,
„die Feine, preiswert wie keine“. Auch für sie
wurde mit allen Mitteln geworben: „Der SanellaFilm, ein Ufa-Tonfilm mit dem Titel ,Fortschritt‘,
lief nicht nur im Kino, sondern wurde auch in
einem Film-Vorführbus gezeigt“; schreiben Pelzer
und Reith. „Der dazugehörige Schlager ging als
,Sanella-Ruf‘ durch den Äther, und die beiden
,vorbildlichen deutschen Hausfrauen Sanne und
Ella‘ plauderten ab März 1932 jeden Freitagvormittag im Radio: ,Sie verraten praktische Winke,
Rezepte für zeitgemäßes Wirtschaften, kurze
Dinge, die jede tüchtige Hausfrau gerne noch
dazulernt‘, und forderten die Hausfrauen zum
Bestellen des Sanella-Kochbuches auf. 1932 soll
,diese wundervolle Margarine‘ bereits zwei Millionen Haushalte erobert haben. Unterstützt wurde
der Siegeszug durch Sammelbilder von Idolen des
Sports sowie ein dazugehöriges Handbuch des
Sports und ein Preisausschreiben.“
Ziegler betont noch mal beim Verabschieden im
Gang vor den Fahrstühlen – das Unilever-Haus,
die Margarinezentrale, hat sechs große –, dass
das Verhältnis zur Butter entspannt sei. Zum
Abschied sagt er noch: „Margarine ist gesünder.“
Er fragt nicht: „Essen Sie eigentlich Margarine?“,
denn er geht einfach davon aus. „Alles andere
wäre nicht klug.“
Meinung
19
Text: Heribert Meffert
McK Wissen 03
Seiten: 118.119
Eine Frage der Zeit
Professor Heribert Meffert übernahm im Oktober 2002 den Vorsitz des Präsidiums der
Bertelsmann Stiftung. Seinen Ruf als Marketingpapst begründete der Wissenschaftler
1969, als er an der Universität Münster das erste Institut für Marketing an einer
deutschen Hochschule aufbaute. Mit einer Reihe von Lehr- und Beratungsaufträgen
sowie hunderten wissenschaftlichen Publikationen erwarb sich Meffert, der mehreren
Aufsichtsräten und Beiräten angehört, zahlreiche Ehrungen und Ehrendoktorwürden.
Jugendliche im Jahr 2003: Mit einer Dose
Coke in der Hand stehen sie Schlange für den
neuesten Harry-Potter-Film, tragen Levi’s-Jeans,
Calvin-Klein-Shirts, Jacken von Tommy Hilfiger,
Turnschuhe von Adidas. Vertreiben sich die Zeit
mit Rap aus dem MP3-Player von Sony oder dem
Versenden von Nachrichten über ihr schickes
Nokia-Handy. Und sprechen amerikanisch …
oder japanisch … oder russisch … oder …
Für die Marketingmanager vieler Unternehmen
ist das seit Jahren die Wunschvorstellung: eine
Welt, in der sich Verbraucher hinsichtlich
Geschmack und Gewohnheit ähnlich sind. Schon
1983 prophezeite Theodore Levitt in seinem
Aufsatz „The Globalization of Markets“ die
Notwendigkeit weltweit vereinheitlichter
Marketingaktivitäten. Seine damalige These: Die
Weltmärkte werden sich zunehmend ähnlicher,
und das wird sich auch in einer Angleichung des
globalen Verbraucherverhaltens ausdrücken.
Levitts Idee einer zunehmenden Nachfragekonvergenz folgten schon Mitte der achtziger
Jahre zahlreiche Unternehmen. Sie erkannten die
beschriebenen Potenziale und positionierten ihre
Brands neu. Weltmarken wurden geboren.
Ein Blick in die jährlichen Reports der 100
stärksten Marken scheint den Erfolg dieses
„globalen Markenaufbaus“ zu bestätigen. Seit
Jahren nehmen weltweit präsente Marken wie
Coca-Cola, Nokia oder Marlboro in den Rankings die vorderen Plätze ein. Erfolgreiche Markenführung wird also offensichtlich ganz
wesentlich von Internationalisierung getrieben.
Die Strategie ist verständlich. Aus Unternehmenssicht geht der Aufbau globaler Marken mit
zahlreichen Effektivitäts- und Effizienzvorteilen
einher. So kann – eine weltweit einheitliche Produktqualität vorausgesetzt – ein positives Image
auf andere Produkte desselben Herstellers ausstrahlen und somit helfen, Markteintrittsbarrieren
zu umgehen. Durch einen weltweit standardisierten Auftritt sowie durch die Umsetzung von
Lern- und Erfahrungs-Effekten entstehen zudem
erhebliche Kostenvorteile.
Wie aber funktioniert Global Branding? Was
sind die Erfolgsvoraussetzungen des globalen
Marken-Aufbaus, und ab wann sind Marken
eigentlich global?
Tops und Flops globaler Markenführung
Die Strategie von Red Bull kann hier als nahezu
idealtypisch gelten. Die Erfolgsgeschichte des
Unternehmens begann vor 15 Jahren mit dem
Vertrieb des Energy Drinks in seiner Heimat
Österreich. Mittlerweile gilt Red Bull mit einer
Präsenz in mehr als 50 Ländern als Global Brand.
Das Produkt wird weltweit in einer einzigen
Geschmacksrichtung und nur in 0,25-LiterDosen mit einheitlichem Design verkauft – und
alle Gebinde werden bis heute ausschließlich in
Vorarlberg abgefüllt.
Die konsequente globale Ausrichtung schlägt sich
in beeindruckenden Zahlen nieder: Wurden im
Jahr 1987 noch eine Million Dosen verkauft,
erwartet das Unternehmen für 2002 einen weltweiten Absatz von 1,5 Milliarden Dosen. In
Deutschland hat der Konzern im Markt für
Energy Drinks einen Marktanteil von 76 Prozent.
Und wenig ernst zu nehmende Konkurrenz:
Mehr als 170 so genannte „Me-too“-Produkte
waren dem Vorreiter auf der Spur, die Mehrzahl
ist wieder vom Markt verschwunden.
Ein schöner Erfolg – und ein Beleg für die Frage
nach den Erfolgsvoraussetzungen des Global
Branding. Die Antwort ist nämlich denkbar
trivial: Die Führung einer globalen Marke unterliegt denselben – oft einfachen – Anforderungen,
die grundsätzlich an eine erfolgreiche Markenführung zu formulieren sind. Ausgehend von
einem klaren Verständnis der angesprochenen
Zielgruppen, braucht eine Marke ein widerspruchsfreies Leistungsversprechen, das über
sämtliche Marketing-Instrumente konsistent
umzusetzen ist. Denn jedes einzelne Instrument
– egal, ob Preis, Produktgestaltung, Qualität oder
Kommunikation – wirkt sich auf die Markenwahrnehmung des potenziellen Kunden aus.
Die Führung einer globalen Marke folgt dem
gleichen Prinzip und erfordert demnach die
(möglichst vollständige) Standardisierung aller
Marketing-Instrumente über sämtliche Ländermärkte hinweg. Denn die globale Marke kann
nur erfolgreich sein, wenn die Verbraucher sie
immer gleich wahrnehmen, und zwar länderübergreifend.
Erstaunlicherweise sind es nicht die zentralen
Marketing-Instrumente wie Preis oder Produkt,
die den globalen Markenaufbau in einzelnen
Ländern erschweren. Es sind viel häufiger die
vermeintlichen Kleinigkeiten wie etwa der
Markenname selbst, die den Weg zum neuen
Kunden versperren.
So blieb etwa die Einführung des Limonadengetränks Seven Up in China erfolglos, weil der
Name dort so viel wie „Tod durch Trinken“
bedeutet. Der Fiat Uno fand in Finnland keinen
Zuspruch, weil der Name für Trottel steht,
Lada Nova wird im Spanischen mit „funktioniert
nicht“ übersetzt, der Austin Metro erinnert die
Franzosen eher an eine U-Bahn in Paris.
Auch Procter & Gamble musste schon einmal
Lehrgeld bezahlen. 1992 führte der Konzern das
Spülmittel Fairy erfolgreich in den deutschen
Spülmittelmarkt ein. Zu Gunsten von Synergieeffekten in Produktion und Werbung beschloss
der Markenartikler Ende der neunziger Jahre, den
in den USA etablierten Markennamen Dawn
auch nach Deutschland zu transferieren. Der umgekehrte Weg verbot sich: Im Amerikanischen
steht Fairy für das Wort „Tunte“.
Der vermeintlich bessere Weg erwies sich jedoch
auch als Sackgasse. Dem Namenswechsel folgten
drastische Marktanteilsverluste. Dawn stieß bei
den deutschen Verbrauchern offenkundig auf
geringe Akzeptanz. 2002 wurde dem Spülmittel
in Deutschland deshalb sein alter Name wiedergegeben. Ein teurer Irrtum – und eine sichtbare
Abkehr von der globalen Markenstrategie.
Der weltweite Einheitskonsument
ist ein Marketing-Traum
Was also bleibt als wesentliche Erkenntnis für die
(globale) Markenführung?
Die viel zitierten Global Brands in ihrer Reinform
existieren höchst selten, der weltweite Einheitskonsument ist vor allem ein Marketing-Traum.
Auch die Musterbeispiele globaler Marken wie
McDonald’s oder Coca-Cola, stets gern als
Gegenargument angeführt, schaffen die Reinform
nicht. Bewusst: Beide Marken sind gerade
deshalb erfolgreich, weil sie lokale Unterschiede
zulassen. So gibt McDonald’s seinen regionalen
Niederlassungen zwar die Außengestaltung der
Restaurants und das Angebot bestimmter
Kernprodukte vor, lässt den Regionalmanagern
gleichzeitig aber zahlreiche Freiheiten, ihre
Spezialangebote auf nationale Gegebenheiten
abzustimmen (etwa der „Maharadscha Mac“ in
Indien). Pringles präsentiert seine Chips in weltweit einheitlichen Verpackungen, passt den
Geschmack jedoch an nationale Vorlieben an.
Visa bietet seine Kreditkarte auf allen Kontinenten an, agiert jedoch mit unterschiedlichen
Logos, und Coca-Cola schmeckt in einigen
Ländern Südeuropas süßer als zu Hause.
Ohne Anpassung der Marke an nationale
Kundenwünsche geht es nicht
Was daraus folgt? Die ständige Diskussion um
Pro und Contra des Global Branding greift zu
kurz. Angesichts der Frage internationaler Markenführung geht es für ein Unternehmen viel
weniger um das „Ob“ als um das „Wie“.
Dabei kann eine länderübergreifende Positionierung auf Grundlage eines gemeinsamen Markenkerns sicherlich als Erfolgsfaktor gesehen
werden. Letztlich werden jedoch nur die Unternehmen mit ihren Marken erfolgreich sein, die
kontinuierlich die Kundenvorlieben überprüfen
und ihre Marken an nationale Gegebenheiten
anpassen.
Der Vorzeigekandidat Red Bull wird sich über
kurz oder lang vermutlich auch mit dieser
Erkenntnis auseinander setzen müssen. Mit der
globalen Markenstrategie in Reinform lässt sich
auf Dauer sicher nicht genügend Wachstum
generieren. Lokale Anpassungen werden nötig.
Und sind vermutlich nur eine Frage der Zeit.
Afri-Cola
Text: Stefan Scheytt
Foto: Premium-Cola
McK Wissen 03
Seiten: 120.121
20
Schlechte Zeiten,
gute Zeiten?
1968 war Afri-Cola in, 20 Jahre später tot. Jetzt ist die deutsche Brause wieder da
und führt ein ungewöhnliches Doppelleben:
als Marke mit neuem Rezept – und als No Name mit altem Rezept.
Afri-Cola
Text: Stefan Scheytt
Foto: Afri-Cola
Als Afri-Cola mega-hip war, 1968 ff., war ich zu jung. Mein Vater,
hätte er mich damit erwischt, hätte gewarnt, dass der Koffeingehalt einen
Teenie umpusten könne, und vielleicht hätte er noch vorwurfsvoll gefragt,
ob ich ausgerechnet jenes Zeug trinken müsse, an dem sich jetzt all die
Hippies berauschten.
Als ich schließlich ins rauschberechtigte Alter kam, war Afri-Cola schon auf
dem absteigenden Ast. Ich wusste überhaupt nicht, dass es sie noch gab.
Jetzt ist Afri wieder in – und ich bin weit jenseits der Kernzielgruppe. Vor
mir eine Batterie Afri-Cola-Flaschen, wie sich das gehört für ein Gespräch
mit Afri-Leuten in der Afri-Zentrale. Der erste Afri-Schluck meines Lebens:
ganz okay. Noch weiß ich nicht, dass es nicht jenes Afri ist, das mir mein
Vater verboten hätte. Die Afri-Leute sind auch ganz okay, sehr unkompliziert, sehr redselig. Noch weiß ich nicht, dass sie in den Augen eines
anderen Afri-Experten Leute sind, gegen die man jetzt „wohl andere
Saiten aufziehen muss“, weil sie Afri angeblich zu einer „Mogelpackung“
gemacht haben, weil sie es „verraten“. „Wir hatten auch schon Äxte und
alles, was man so braucht“, schreibt wütend dieser andere Afri-Experte auf
seiner Website, „wir haben uns dann aber gemäßigt. Wenn nicht mit der
Mineralbrunnen AG, dann eben ohne …“
Die Mineralbrunnen Überkingen-Teinach AG, kurz MinAG, mit Sitz in
Bad Überkingen am Rand der Schwäbischen Alb, Konzernumsatz 168
Millionen Euro im Jahr 2001, produziert Mineralwasser, Heilwasser und
Süßgetränke – allesamt Märkte, die auf hohem Niveau stagnieren, wie es
im Geschäftsbericht 2001 heißt. Um 4,9 Prozent ist der Konzernabsatz im
Vergleich zum Vorjahr gefallen, doch Jammern gilt nicht bei der MinAG.
Mit einer beispiellosen Investitions- und Marketing-Offensive sei die Saat
ausgebracht, „jetzt muss sie keimen“. Und eine der am schnellsten
keimenden MinAG-Pflanzen – 31,5 Prozent Absatzplus in 2001 – ist die
Afri-Palme. Was erklärt, warum die Afri-Leute hinter der Afri-FlaschenBatterie einen sehr aufgeräumten Eindruck machen.
Birgit Eschenbruch, die PR-Frau der MinAG, und Peter Verhoff, freier
Markenberater, erst 34, aber „der dienstälteste Afri-Kämpfer überhaupt“,
haben eine schöne Geschichte zu erzählen. Die Geschichte vom Niedergang und Comeback einer Marke; die Geschichte eines Produkts, das
einmal so präsent war, dass halb Deutschland darüber sprach, und das
es 30 Jahre später wieder zu Harald Schmidt und Stefan Raab und
zu einem Werbesong schafft, der in die deutschen Charts rutscht;
McK Wissen 03
Seiten: 122.123
schließlich die Sympathie heischende Geschichte vom Kampf des Davids
Afri gegen den Goliath Coca-Cola. Noch weiß ich nichts vom anderen
David, für den die MinAG der Goliath ist.
Die Geschichte von Afri-Cola beginnt 1931 in Köln mit Karl Flach. Er ist
ein Hemdsärmelaufkrempler und Bauchentscheider, einer, der die Nase im
Wind hat und sich seinen Instinkt nicht durch Marktforschung kaputtforschen lässt. Die Firmenlegende will es, dass Flach in den zwanziger
Jahren von einer USA-Reise mit der Überzeugung zurückkehrt, dass er
auch kann, was die können: Er besorgt sich eine Cola-Rezeptur, kreiert
das Logo mit der Palme, schreibt Afri drunter, eine Abkürzung für Afrika,
das damals noch extrem für Exotik steht, und lässt die neue Marke international schützen. Das Problem der Distribution löst er ebenfalls nach
amerikanischem Muster: Mit kleinen Abfüllbetrieben und Brauereien baut
er eines der ersten Franchise-Systeme Deutschlands auf.
Sexy-mini-super-flower-pop-up-cola
1945 ist der Marktanteil von Afri-Cola noch ebenso groß wie der von
Hauptkonkurrent Coca-Cola, und doch kämpft Afri auf aussichtslosem
Posten. Während sich Flach nach dem Krieg mit den Alliierten um AbfüllLizenzen und Rohstoffzuteilung streiten muss, darf Coca-Cola acht neue
Getränkefabriken in Deutschland bauen.
Aber Flach bleibt am Ball. Kommt 1952 mit Bluna auf den Markt.
Expandiert 1954 nach Österreich. Steuert seine Marken mittels rühriger
Monatsfibeln, in denen er seine Franchise-Partner bis hin zur korrekten
Lackierung ihrer Lkw anleitet. Afri ist – trotz Coca-Cola – Teil des
deutschen Wirtschaftswunders. In den Zeichentrick-Werbespots für Afri
schlafen Sekretärinnen über ihrer Schreibmaschine ein, sitzen überarbeitete
Familienväter gähnend im Auto – bis sie dank der Afri-Koffeinladung
fröhlich weiter wirtschaftswundern können: „Überwindet den toten Punkt“.
„Man sieht da sehr schön den Zeitgeist“, sagt Peter Verhoff hinter der
Afri-Flaschen-Batterie. Ich trinke meine zweite Flasche: auch ganz okay.
Der Zeitgeist ändert sich, und Flach, der mittelständische Hemdsärmelaufkrempler im katholischen Köln, greift ihn haarscharf ab. 1968 beauftragt
er Charles Wilp, den wildesten Werbefilmer Deutschlands, mit einer neuen
Kampagne: „Sexy-mini-super-flower-pop-op-cola. Alles ist in Afri-Cola“.
Hinter Glasscheiben, auf denen Eis schlierig nach unten zieht, räkeln
sich Hippies, Soldaten, Halbnackte und junge Nonnen im Habit, im Kopf
längst Sünderinnen. Dazu abgedrehte psychedelische Musik, ein Krächzen
und Kreischen wie im Drogenwahn und Sprüche wie „Verschwenderisch
lüsterne Zungen werden befriedigt“. Afri schockt wie später vielleicht nur
noch Benettons blutgetränkte Soldatenkleider aus dem Jugoslawienkrieg.
Der Bayerische Rundfunk boykottiert den Spot, ein Kardinal schreit öffentlich „Verunglimpfung“. Von da an und bis heute ist die Marke in den Köpfen. Als Verführer. Als Kultgetränk. Als Rauschmittel kurz vor der Legalitätsgrenze: 250 Milligramm Koffein pro Liter. Mehr bietet kein anderer,
weil mehr das Lebensmittelgesetz verbietet. Afri bringt Power, die Konkurrenz nur süßes Wasser. Das ist der ewige Mythos. Meine dritte Flasche.
Wonach schmeckt sie eigentlich?
Nonnen, Affen, Halbstarke:
Afri-Werbung im Wandel der
Jahrzehnte (von oben nach
unten)
1968:
Drei Dienerinnen des Herrn
lassen sich versuchen.
Die Haltung, die Flasche, die Palme
Die Marke auf ihrem Zenit. Von da an geht’s langsam bergab. Für große
Kampagnen gegen die übermächtigen Gegner aus Übersee fehlt das Geld.
Die Franchise-Partner sind immer schwerer zu kontrollieren, es kommt
vor, dass Afri in Hamburg anders schmeckt als Afri in München. Zum
Markenlogo gehört eine rote Raute – die Farbe der Konkurrenz. Der AfriSlogan heißt: „Die deutsche Alternative“, aber die Deutschen singen
immer lauter das süße Lied der süßen Konkurrenz: „Enjoy Coca-Cola“.
1994 tritt Flachs Sohn Alexander, der 1988 die Geschäftsleitung übernommen hat, die Lizenzrechte für Bluna an die Mineralbrunnen AG ab.
Und gibt seinem geliebten Afri eine letzte Chance. Noch hat er Kraft zum
Kampf, wie Afri im TV-Spot: Eine Flasche pulsiert wie ein Herz –
„Genuss auf eigene Gefahr, Warnung vor Afri-Cola“.
Ab 1996: Lean Management in Köln. Den Lizenznehmern wird gekündigt,
Afri wird nur noch an einem Ort produziert. Der Berliner Werber Hendrick
Melle wird verpflichtet, Flach ist einer seiner ersten Kunden überhaupt.
Melles Diagnose: Die Marke ist „zerfleddert“, aber mit Differenzierungspotenzial gesegnet: „die Haltung, die Geschichte, die Rezeptur, die Flasche,
die Palme“. Sein Konzept: Afri muss wieder Kultcharakter bekommen, an
den Mythos anknüpfen. Der Afri-Express, eine kleine, feine Vertriebstruppe,
wird geboren. Keine Vertretertypen mit Alukoffer, die ihr Produkt mit
Listungsgeld in die Regale der großen Getränkecenter drücken. Die AfriAgenten verstehen sich als Szene-Scouts, die auch schon mal einer Gruppe
Raver auf dem Weg zur Loveparade eine Palette in den Bus laden.
1972:
Die britische Sängerin Marsha
Hunt dreht durch.
1987:
Affen amüsieren sich bei der
Blind-Verköstigung.
2002:
Entspannte Twens lassen die
Extremitäten kreisen.
Afri-Cola
Text: Stefan Scheytt
Foto: Britta Max, Stefan Scheytt
Im Fiat Cinquecento klappern sie die In-Kneipen der Großstädte ab, auf
dem Rücksitz Energizer, bunte Drinks und Afri. Die bunten Drinks und
Energizer kommen und gehen, Afri bleibt. Dass es wieder Kult wird,
merken die Agenten daran, dass der Leergut-Rücklauf hakt: Die Kundschaft
nimmt die Flasche lieber mit nach Hause. Melle textet: „Eine extreme
Cola für extreme Leute“ und „Der gute Rausch“. Noch steht auf dem
Flaschendeckel: „Für lange Tage und harte Nächte“. Fast wie früher.
Neue TV-Spots werden gedreht, auf Kuba, mitten in die große KubaWelle hinein, die nach Wim Wenders’ Film „Buena Vista Social Club“
losbricht. Wackelige Bilder auf Super-8-Film mit Musik aus dem Radio. Sie
zeigen die unperfekte, geheimnisvolle Welt von Einzelgängern, keine
choreografierten Massenaufmärsche mit großem Chorfinale ums Firmenlogo. Afri zielt auf die Nische, nicht auf Masse. Die Spots laufen auf MTV,
und zwar morgens um drei oder sechs, wenn die Raver nach Hause
kommen. Ein paar Stunden später laufen bei Afri-Mann Peter Verhoff
die E-Mails mit Kommentaren zum Spot auf. „Wir haben ganz früh
angefangen, das Internet zu nutzen“, sagt Verhoff, „so haben wir uns eine
richtige Community aufgebaut.“
Ein markentechnisches Desaster
In der Szene-Gastronomie macht Afri jetzt ordentliche Zahlen, aber für
den nächsten Schritt, den Vertrieb im Handel, reicht die Kraft nicht mehr.
1999 tritt Alexander Flach die internationalen Lizenzrechte an die Mineralbrunnen AG ab. Mit ihrem breiten Portfolio und ihrer nationalen Vertriebsstruktur soll sie der „starke Partner“ werden, ohne den Afri zum „Spielball
des Handels würde“. Die erste Amtshandlung der MinAG: Sie füllt Afri in
die Brunnenflasche, das ist die mit den Pickeln am Hals, in die auch süße
Limo und sprudeliges Wasser gekippt werden. Werbemann Hendrick Melle,
seit sieben Jahren an Afris Seite, fährt zu den neuen Lizenz-Inhabern ins
Schwäbische, er hält die Abfüllung in der Pickelflasche für ein „markentechnisches Desaster“. Dem Vorstandsvorsitzenden sagt er das damals
diplomatischer und dringt nicht zu ihm durch. Dass Afri weiter
wachsen soll, findet er in Ordnung, aber doch bitte behutsamer. Afri in
Pickelflaschen im Supermarkt? Die Wege trennen sich, Jung von Matt
übernimmt. Auch die Hamburger Werber probieren den Spagat, eine
„breitere Käuferschicht“ zu erreichen, ohne den Kultstatus zu torpe-
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dieren. Sie texten: „Habt Euch lieb und werdet durstig“. Auch diese Wege
gehen auseinander.
2001 übernimmt die Offenbacher Agentur Die Brut. Sie produziert einen
neuen Kino-Spot, Wim Wenders führt Regie. „Die Spots in den Jahren
zuvor waren ganz hart, ganz edgy, ganz vorn mit dabei“, sagt Peter
Verhoff, „der Spot mit Wenders sollte breiter sein, einen richtigen Aufschlag
haben, ein Echo.“ Er arbeitet mit Special-Effects, Unterwasseraufnahmen,
einer der modernsten Bildbearbeitungscomputer der Welt kommt zum
Einsatz. „Für den Slogan ,Alles ist in Afri-Cola …‘ muss man sich schon
etwas einfallen lassen“, begründet Wenders in einem Interview, „ein
bisschen reicht da nicht, es muss schon alles sein.“
Vielleicht steckt ja alles in dem Spot – aber in Afri nicht mehr: Nicht
lange nach der Übernahme, genaue Angaben unterliegen dem Rezeptgeheimnis, fährt die MinAG den Koffeingehalt drastisch nach unten.
Bad Überkingen. Die Afri-Flaschen-Batterie auf dem Tisch ist halb geleert.
Peter Verhoff, der lang gediente Afri-Mann: „Das Wichtigste, was man für
eine Marke braucht, ist Glaubwürdigkeit. Ohne die kannst du einpacken,
und wenn du noch so viel Geld für Kampagnen ausgibst. Die jungen
Leute schnallen es, wenn du sie verarschst. Wenn man glaubwürdig sein
will, muss man sich glaubwürdig verhalten, credible sein.“ Birgit Eschenbruch, die PR-Frau der MinAG: „Natürlich wollen wir Afri auf breitere Füße
stellen und mehr Absatz generieren, deshalb haben wir verschiedene
Rezepturänderungen angeboten und die Verbraucher in Tests entscheiden
lassen. Die krasseste Veränderung war eben die Reduktion des Koffeingehalts, auch wegen der Kinder, aber Koffein schmeckt man ja nicht, das
ist ja kein Geschmacksträger. Wir haben das nicht kommuniziert, aber die
Kenner, diese eingeschworene Afri-Gemeinschaft, die merkte schon:
Aha, da ist was anders.“
Köln. Meine letzte Afri-Flasche. Wie sie schmeckt, geht im Trubel
unter. Peter Verhoff besucht Uli Mücke, 30, Product Manager Pop und
Dance bei der Emi Music Germany GmbH & Co. KG. Verhoff verschlingt
zwar sämtliche Jugendzeitschriften und Metropolenmagazine von Prinz
bis Festival Guide und YAM und Bravo und Blond Magazine. „Aber
der wichtigste Partner für eine Marke wie Afri“, sagt Verhoff, „ist die
Musikindustrie. Weil die jeden Tag Kontakt mit der Zielgruppe hat.“ In
Mückes Büro herrscht flackernde Atmosphäre, nur die Selbstbeherrschung
hindert die beiden daran, einfach „yeah“ zu schreien und auf Mückes
Merchandising für Brausefreunde:
Darunter steckt
immer ein cooler Kopf.
Birgit Eschenbruch und Peter Verhoff, die
Afri-Kämpfer der MinAG in Bad Überkingen:
„Koffein ist kein Geschmacksträger“,
begründen sie die Veränderung der Rezeptur.
Uwe Lübbermann, Hamburger Koffein- und
Kotelettenfachkraft: „Wer unsere alte
Lieblings-Colamarke aufkauft und heimlich
schwachen Inhalt reinfüllt, kriegt es
mit uns zu tun“, lässt er auf das Etikett der
von ihm produzierten „Premium-Cola“
drucken.
Afri-Cola
Text: Stefan Scheytt
chaotischen Schreibtisch zu trommeln. Weil Afri in den Charts und
im Fernsehen ist. Natürlich nicht die Flasche mit dem Schriftzug und
der Palme, aber der Afri-Song. Alles ganz unbeabsichtigt, aber dafür jetzt
umso aufregender.
Zuerst war da, im Juni 2002, der neue TV-Spot mit dem Claim „… und
alles wird Afri“. Eine „lässige Afri-Clique groovt durch die triste Wartehalle
eines Bahnhofs und infiziert alle mit ihrem Afri-Feeling“. Schlackernde
Kniebewegungen, coole Blicke, dazu 30 Sekunden Musik, ein Refrain, ein
Jingle, nicht mehr. Doch bei Verhoff laufen wieder E-Mails auf: „Hey, super
Spot, von wem ist eigentlich die Musik?“
Bei der 800sten E-Mail denkt Verhoff: „Wenn so viele Leute nach dem Lied
fragen, dann sind da draußen mindestens zehn mal so viele, die nur zu faul
zum Schreiben sind.“ Also werden mit Hilfe des Plattenlabels Emi aus 30
Sekunden drei Minuten: „Everytime“, ein richtiges Lied. Es findet sich auch
die richtige Band: die Flames aus Mannheim, seit Jahren mit Rock ‘n’ Roll
in der Region unterwegs. „Kein gecasteter Act“, sagt Mücke, „die Jungs
sind seit Ewigkeiten im Proberaum und auf der Bühne, wir brauchen
keine vier Flaschen, die mit dem Afri-T-Shirt rumlaufen, das sind Künstler.“ Der Afri-Song ist ihr Durchbruch. Seit Wochen in den Charts, bis
hoch auf Rang 13. Bei den Airplay-Charts unter den Top Ten. Seit
September steht „Everytime“ in den Regalen der Musikhändler: die
Originalversion und drei Remixe, „ein grooviger House“, „ein amtlicher
Rock“, „ein spartanischer HipHop“. Und das neue Video zum Song läuft
auf Viva und MTV. Emi-Mücke und Afri-Verhoff schauen sich an: „Eine
Win-Win-Situation. So was kann man nicht planen.“
Auf der Afri-Internetseite gibt es den Afri-Bildschirmschoner und die AfriWollmütze, die Adventure Bag und den Fischerhut, den Kneipen-Guide,
E-Postkarten, SMS-Bilder und den Newsletter mit Trends für Szenetypen.
Auch Musikmann Mücke will den Follow-up für die Flames und
„Everytime“. Sitzt schon an weiteren Remixen. Jetzt sei natürlich auch die
Weihnachtsversion von „Everytime“ angesagt. Er überlegt: „Und könnte
nicht ein Zeichentrick-Männchen die schlackernden Kniebewegungen im
Video zum neuen Szenetanz machen?“ Wird jetzt wirklich alles Afri?
Hamburg. Meine erste Afri. Der Name steht nicht drauf, und es ist auch
nicht die geschwungene Flasche mit den Griffmulden. Aber es ist Afri drin.
Die alte Afri, die echte Afri. Die Afri, an der die Hippies hinter der Glasscheibe süffelten. Mit 250 Milligramm Koffein. Sagt Uwe Lübbermann,
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26, Werbekaufmann bei einer kleinen Hamburger Agentur, im Nebenberuf
Cola-Produzent. Sein Schädel ist rasiert, die Koteletten wachsen bis zum
Kinn, er trägt schwarze Kleider, skatet, spielt Billard und fährt einen alten
Daimler mit fest installierter Kaffeemaschine auf dem ausgeklappten
Handschuhfach. So gesehen, könnte Lübbermann problemlos mit der
„groovigen Afri-Clique“ im Werbespot mit den Knien wackeln. Was Afri
angeht, ist er ein Markengläubiger, wie sich ihn die Marketingleute der
MinAG nicht schöner träumen können.
Markenjünger nach Feierabend
Als er aber 1999 nach einer langen Nacht eine Afri-Flasche zum Wachbleiben trinkt, schläft er fast ein. Sein „Leuchtturm in der Nacht“ hat die
Strahlkraft verloren. „Das ist ungefähr so, als ob man einen Mercedes kauft,
und dann ist ein Lada-Motor drin – du setzt dich rein, aber es kommt
nichts.“ Er fährt zu Flach nach Köln, erfährt von der Rezepturänderung und
dass die Adresse jetzt Bad Überkingen heißt, fährt zur MinAG. Man spricht
mit ihm, mehrmals sogar, schließlich ist er ja ein Vertreter der Community. Nur ein bisschen überengagiert. Er will, dass Afri wieder Afri wird.
Mit dem korrekten Deckelspruch und in der korrekten Flasche. Er will,
„dass eine Marke so respektvoll wie ein Mensch behandelt wird“ und die
Menschen nicht wie „Konsum-Marionetten“. Er findet, dass auch ein
„dicker Konzern“ nicht heimlich ein Rezept ändern darf, weil er sonst
„inhaltlichen und kommunikativen Verrat“ begeht. Deshalb gründet er die
„Interessengruppe Premium“, die Druck machen soll.
Bei einem seiner Besuche in Bad Überkingen trifft Lübbermann – er sieht
aus wie immer, ist gekleidet wie immer – einen von ganz oben. Aber der
grüßt ihn nicht, und Lübbermann ist überzeugt: „Denen geht’s nur um die
Form, nicht um den Inhalt.“ Als die MinAG die Pickelflasche wieder aus
dem Verkehr zieht, keimt kurz Hoffnung in ihm, aber dann folgt gleich der
nächste Haken: Afri-Light kommt auf den Markt. Lübbermann reicht’s.
Und er sagt sich, wie Afri-Erfinder Karl Flach 1931: „Was die können,
kann ich auch.“ Er besorgt sich das Originalrezept und einen früheren
Abfüller. Nennt seine Brause „Premium-Cola“ und lässt sich den Namen
schützen. Die ersten 1000 Flaschen sind nach zwei Wochen ausverkauft.
Mittlerweile verkauft er 4000 Flaschen monatlich an zwei Dutzend
Hamburger Bars, Clubs und kleine Händler. Unkorrekte, unehrliche
Läden lehnt er ab. Das sind für ihn beispielsweise
solche, die ihre Mitarbeiter schikanieren oder ihre
Kellner mit Umsatzvorgaben pro Tisch unter
Druck setzen.
Lübbermanns Feierabend-Cola-Firma beschäftigt
ein paar freiwillige Markenjünger und wirft noch
keinen Gewinn ab. Das soll sie aber auch eigentlich gar nicht. Sie soll nur bis zu dem Punkt
wachsen, wo die Werte nicht in Gefahr sind. Das
Angebot von Jung von Matt/Main, ihm kostenlos kommunikativ zu helfen, hat Lübbermann
abgelehnt. Er hat da seine eigenen Ideen. Zum
Beispiel die, die Rückseite des Flaschenetiketts
mit Sprüchen zu bedrucken, etwa: „Wer einen
Störfall im AKW erst nach drei Wochen meldet,
hat seine Lizenz verwirkt“ – wenn die Flasche
leer getrunken ist, kommt die Wahrheit ans Licht.
Wie bei Afri. „In so einer Marke steckt mehr
kommunikative Kraft, als die meisten glauben“,
sagt Lübbermann.
Seine Premium-Cola schmeckt stark, würzig,
nicht sehr süß. Danach meint man, Herzklopfen
zu haben wie nach sechs Tassen starkem Kaffee.
Mir geht es jedenfalls so. Aber vielleicht ist das
auch nur der Mythos.
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Autoren / Consultants
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Köpfe
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Text
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1 René Ammann ist Autor des Kinderbuchs „Frau Holle verlor die Kontrolle“. Im Februar erscheint
„Mit Globi im Freien“. Er wohnt in Zürich und besitzt das Victorinox-Modell „Camper“, obschon
es ihm seit 20 Jahren nicht mehr in den Sinn gekommen ist, draußen in einem Zelt zu übernachten.
2 Oliver Driesen kam als Redakteur der Woche nach Hamburg, schreibt heute als Autor über Wirtschaftsthemen und wird immer wieder davon überrascht, dabei auf Menschen zu stoßen. Diesmal
machte er unverhofft Bekanntschaft mit Thomas A. Edison. 3 Judith-Maria Gillies schreibt als
freie Wirtschaftsjournalistin unter anderem für Capital, Welt am Sonntag, Trend und die Financial
Times Deutschland. Schwerpunktthemen der Diplom-Kauffrau sind Management und Marken.
4 Ralf Grauel entwickelte 1998 als Herausgeber das Lifestyle-Magazin Park und als Chefredakteur
den Jugendtitel Blond Magazine. Er lebt als freier Autor in Berlin, schreibt für brand eins, Allegra, Max
und das Süddeutsche Zeitung Magazin. 5 Markus Grill ist die eine Hälfte des Journalistenbüros
Grill & Scheytt in Stuttgart. Er volontierte bei der Badischen Zeitung, war als Korrespondent in
Straßburg und arbeitet heute als Wirtschaftsjournalist für den Stern. Die Beck’s-Bier-Recherche fand
er reizvoll, er schwört aber dennoch weiterhin auf „Wasseralfinger Löwenbräu“, das Bier aus dem
Örtchen, aus dem er stammt. 6 Steffan Heuer lebt seit 1994 in New York und schreibt von dort
für deutsche und Schweizer Publikationen. Seine Reportagen und Analysen von Silicon Valley bis
Wall Street erschienen unter anderem in brand eins, der Weltwoche, im Industry Standard und in der
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Neuen Zürcher Zeitung. 7 Christian Litz studierte Kommunikationswissenschaft in München und
arbeitete danach unter anderem bei der Stuttgarter Zeitung. Seit fast 15 Jahren ist er freier Journalist
und schreibt neben brand eins für Merian und Reader’s Digest. 8 Stefan Scheytt, SchmalspurBetriebswirt (Berufsakademie) und zweite Hälfte des Journalistenbüros Grill & Scheytt, schreibt seit
1995 als freier Journalist in Stuttgart für diverse Zeitschriften in Deutschland und der Schweiz. Für
sein nächstes Büro-Fest hat er sich fest vorgenommen, eine Runde Premium-Cola – die mit dem
alten Afri-Rezept – auszugeben. 9 Rüdiger Schmitz-Normann hat trotz Marketing-Studiums und
zwölf Jahren Odyssee durch Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen den Glauben an das Gute nicht
verloren. Er lebt und arbeitet als Autor in Köln. 10 Jens Uehlecke lebt als freier Autor in Hamburg und Berlin. Er schreibt unter anderem für brand eins, die Süddeutsche Zeitung, die Tageszeitung,
die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und den Stern. Seine 17 Steckdosen füttert er seit anderthalb Jahren nur noch mit Strom aus Öko-Kraftwerken in Freilandhaltung. 11 Thomas Vašek lebt
als freier Autor in Hamburg und schreibt vor allem über Technologie und Wissenschaft – unter
anderem für Geo, Die Zeit und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. 12 Katrin Wilkens
studierte Rhetorik in Tübingen, arbeitet seit 2000 selbstständig und schreibt für Die Zeit, den Spiegel und die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Sie lebt und cremt in Hamburg. 13 Harald Willenbrock
lebt als freier Autor (Süddeutsche Zeitung Magazin, NZZ-Folio, brand eins) in Hamburg.
Consulting
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1 Fabian Hieronimus ist Associate im Frankfurter Büro von McKinsey & Company und Mitglied
der deutschen Marketing Practice. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Mannheim und Berkeley
und berät seit 1999 vorwiegend Klienten aus dem Finanzdienstleistungssektor. Zurzeit promoviert
er an der Universität Münster. Sein Thema: Markenpersönlichkeit. 2 Ansgar Hölscher ist Marketing Expert bei McKinsey in Hamburg und Mitglied der europäischen Marketing Practice. Bevor er
zu McKinsey kam, war er für verschiedene Marktforschungsinstitute tätig. Heute leitet er den Funktionsbereich Customer Insight/Marketing Science und berät branchenübergreifend Klienten in den
Bereichen Branding, Marktforschung und Segmentierung. 3 Dr. Jesko Perrey ist Engagement
Manager im Düsseldorfer Büro. Nach vier Jahren Forschung und Lehre am Marketing Centrum
Münster ist er heute Mitglied der europäischen Marketing Practice von McKinsey. Dort leitet er
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den Funktionsbereich Branding und Marketing Spend Effectiveness und berät Klienten aus Industrie
und Handel zu Marketingstrategien und Markenführung. 4 Hajo Riesenbeck ist Director im Düsseldorfer Büro von McKinsey und einer der Leiter der europäischen Marketing Practice. Schwerpunkte
seiner Beratungstätigkeit sind Gesamtstrategien, Produkt-/Marketingstrategien und Organisation
sowie die operative Ergebnisverbessung in Industrie und Handel. 5 Dr. Jürgen Schröder ist
Principal im Düsseldorfer Büro von McKinsey. Er gehört zur europäischen Leadership Group der
Marketing Practice, ist Mitglied des europäischen Konsumgütersektors und Leiter der Packaged
Goods Practice in Deutschland. Zu seinen Klienten zählen vor allem Konsumgüter- und Dienstleistungsunternehmen in Europa und Südamerika.
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Rolf Antrecht, McKinsey & Company
Chefredaktion (verantwortlich)
Susanne Risch, [email protected]
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Katja Fössel, Alice Weigel, Art Direction
Redaktion
Timo Ahrens, Schlussredaktion
Detlef Diederichsen, Textredaktion
Kristina Haaf, McKinsey Communication Services
Renate Hensel, Schlussredaktion
Kathrin Lilienthal, Dokumentation
Nora Luttmer, Textredaktion
Katja Ploch, Dokumentation
Victoria Strathon, Dokumentation
Michaela Streimelweger, CvD / Organisation
Layout & Bildredaktion
Britta Max
Text
René Ammann
Oliver Driesen
Judith-Maria Gillies
Ralf Grauel
Markus Grill
Steffan Heuer
Christian Litz
Rüdiger Schmitz-Normann
Stefan Scheytt
Jens Uehlecke
Seiten: 130.131
Thomas Vašek
Katrin Wilkens
Harald Willenbrock
Redaktionsadresse
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