Johannes Raetz

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Johannes Raetz
Abschlussarbeit
zur Erlangung
des Magister Artium
im Fachbereich
Sprach- und Kulturwissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik
Thema:
Populäre Livemusik in Deutschland
Aktuelle Studien zur Ökonomie des Konzerts
1. Gutachterin: Dr. Gisa Jähnichen
Vorgelegt von Johannes Raetz
aus: Dessau
Einreichungsdatum: 02. März 2009
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1
1.1. Methodischer Aufbau
2
1.2. Expertenbefragung
3
2. Musikwirtschaft in Deutschland
10
2.1. Musik als Ware
10
2.2. Live-Musikbranche und Tonträgermarkt
12
2.2.1. Die Märkte der Musikwirtschaft
12
2.2.2. Vergleich der Märkte
15
3. Veranstaltungen von Konzerten und Tourneen
21
3.1. Akteure
21
3.2. Das Zusammenspiel der einzelnen Akteure
28
3.3. Die Organisation eines Konzertes
31
3.3.1. Produktionsplanung
31
3.3.2. Personal
40
3.3.3. Material
47
3.3.4. Ämter und Behörden
52
4. Neue Marktteilnehmer
56
4.1. Live im Internet
57
4.2. Sponsoring und Corporate Events
59
4.3. 360°- Modell in der Live-Musikbranche
60
5. Ökonomie der Konzertwirtschaft
70
5.1. Angebot und Nachfrage eines einzelnen Konzertes
71
5.2. Steigende Nachfrage
77
5.3. Steigende Preise
81
5.4. Steigende Kosten
83
5.5. Steigende Preise in den USA
86
5.6. Stabilität des Marktes
89
6. Der Markt für Konzerttickets
6.1. Ticketdistribution
6.2. Zweithandel
94
94
100
6.2.1. Rechtliche Problematik
101
6.2.2. Wirtschaftliche Problematik
108
6.2.3. Umgang mit dem Zweithandel
118
7. Dynamische Preisfindung für Konzerttickets
127
7.1. Vorbetrachtung
127
7.2. Konzeption
129
7.3. Anforderungen und Eignungsprüfung
131
8. Implikationen für die weiterführende Forschung
134
Anhang
Glossar
Abbildungsverzeichnis
Verwendete Gesetzestexte
Literaturverzeichnis
Interviews
Oskar „Ossy“ Hoppe
Christopher Noodt
Fritz Rau
Ralf Scheich
II
IV
V
IX
XIII
XIII
XVII
XX
XXIV
1. Einleitung
Rockonomics lautet der Titel einer amerikanischen Studie über die Ökonomie der
populären Musik.1 Hierbei handelt es sich um eine durchaus gelungene Wortschöpfung,
da sie neben der thematischen Synthese die normwidrigen Besonderheiten der
Musikindustrie in sich trägt. Demnach wird ein Teilgebiet der
Wirtschaftswissenschaften betrachtet, welches durch die Verbindung zur Musik auf den
Namen Rockonomics getauft wurde.
Als populär wurde dabei diejenige Musik definiert, die von einer breiten Masse
konsumiert und von zeitgenössischen Künstlern geschaffen und interpretiert wird.
Weiterhin wurde nur Musik betrachtet, deren massenhafte Reproduktion keine
öffentlichen Subventionen erfordert. Demnach gehören Rock- und Popmusik ebenso
zum Gegenstandsbereich der Rockonomics wie Jazz, Musicals und viele andere Genres.
Für die ökonomischen Studien der populären Livemusik soll diese Definition
ausschließlich auf die Rock- und Popmusik begrenzt werden. Diese Reduzierung
1
Connolly, Marie und Alan B. Krueger: Rockonomics: The Economics of Popular Music. Hrsg.
Princeton University – Industrial Relations Section. http://www.irs.princeton.edu/pubs/pdfs/499.pdf.
Zuletzt besucht am 28. Oktober 2008.
1
ermöglicht eine detailgetreuere Beobachtung, deren Ergebnisse einen Bezug zur
praktischen Anwendung ermöglichen.
1.1. Methodischer Aufbau
Obwohl der deutsche Konzertmarkt kontinuierlich wächst und sich in den letzten
Jahrzehnten zu einer Industrie mit Umsätzen in Milliardenhöhe entwickelt hat, gibt es
keine ausführlichen Studien über dessen Ökonomie.
Die Rockonomics-Studie ist bislang die einzige wissenschaftliche Untersuchung über
Livemusik, die deren wirtschaftlichen Zusammenhänge elementar erfasst.
Für den deutschen Konzertmarkt sollen die Grundlagen analysiert und dargelegt
werden. Dabei können mikroökonomische Modelle marktspezifische Eigenheiten
zweckdienlich ergründen. Die Begriffe von Nutzen- und Tauschwert erläutern die
Entwicklung von Musik als Ware. Die Betrachtung eines Konzertes erfolgt durch das
Modell von Angebot und Nachfrage, wobei der Markt nur begrenzt rational reagiert und
kein Gleichgewicht findet. Zum gleichen Ergebnis kommt ebenfalls die Untersuchung
des Marktes für Konzerttickets mit Hilfe der Preistheorie. Die einzelnen Theorien
werden, sollten sie für das Verständnis nötig sein, an entsprechender Stelle erläutert.
Da es sich um eine personenbezogene Branche handelt, kann die einseitige Beurteilung
durch starre Modelle dem Konzertmarkt nicht gerecht werden.
Daher wurden, neben der theoretischen Analyse, Personen interviewt, die den Markt der
Livemusik in Deutschland prägen und von ihm leben. So konnten zusätzliche
Informationen gesammelt werden, die einen eingehenden Blick auf die Branche
zulassen. Die Methodik zu den Experteninterviews sei im Kapitel 1.2. separat und etwas
ausführlicher erläutert.
Das darauf folgende, zweite Kapitel beschreibt die Musikwirtschaft. Der Vergleich der
unterschiedlichen Segmente, Tonträger- und Konzertmarkt, ermöglicht erste Aussagen
über deren Zusammenhänge.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit Konzerten und Tourneen, ihrer Organisation und
den beteiligten Akteuren in dieser Branche. Weitere Marktteilnehmer werden
anschließend im vierten Kapitel vorgestellt.
2
Warum dem Konzertmarkt ebenfalls eine Krise, vergleichbar der des Tonträgermarktes,
drohen kann, wird am Ende des fünften Kapitels gezeigt.
Kapitel sechs erklärt am Beispiel der Konzerttickets, mit einem Schwerpunkt auf den
Sekundärmarkt, die Ineffizienz des Marktes. Anschließend wird mit dem Konzept der
dynamischen Preisfindung eine Lösungsstrategie vorgestellt. Es folgen Implikationen
für weiterführende Forschungen.
Im Anhang befinden sich neben den Abschriften der Interviews auch eine Aufführung
der benutzten Gesetzestexte sowie ein Glossar. Alle dort beschriebenen Fachbegriffe
werden im Text mit KAPITÄLCHEN gekennzeichnet.
1.2. Expertenbefragung
Die Expertenbefragung ermöglicht den Zugang zu exklusivem Wissen und persönlichen
Meinungen von Personen aus der Live-Musikbranche. Diese speziellen Informationen
sind ohne den persönlichen Kontakt schwer zu ermitteln. Aus diesem Grund wurde das
Experteninterview als Forschungsmethode gewählt. Ziel war es, persönliches
Fachwissen, Erfahrungen und Meinungen von den Interviewpartnern zu erlangen.
Daher kam die explorative Methode zur Anwendung.
Die zur Anwendung gekommene Methode soll näher erläutert werden. Es folgt eine
Definition des Expertenbegriffs und eine Vorstellung der ausgewählten
Interviewpartner. Die für ein Experteninterview maßgebenden Güterkriterien werden
anschließend aufgelistet und konkretisiert.
Der Begriff Experteninterview erscheint im wissenschaftlichen Diskurs über die Sozialund Marktforschung stark verwässert.2 Daher soll eine nähere Betrachtung der
angewandten Methode folgen. Im Anhang befinden sich alle Interviews in einer
gewissenhaft redigierten Abschrift.
2
Mey, Günter und Katja Mruck: Qualitative Interviews. In: Qualitative Marktforschung in Theorie und
Praxis – Grundlagen, Methoden und Anwendungen. Hrsg. von Eva Balzer und Gabriele Naderer.
Wiesbaden, Gabler 2007: 246 - 278: 254.
3
Allgemeine Methoden der Sozial- und Marktforschung
Sozial- und Marktforschung kann nach quantitativen oder qualitativen Merkmalen
unterschieden werden.
Dabei bemüht sich die quantitative Forschung, objektiv erfassbare Daten zu
untersuchen, die ein repräsentatives Bild des Ganzen wiedergeben. Die in Kapital 2.2.
vorgestellte Studie zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in
Deutschland ist ein Ergebnis quantitativer Marktforschung.
Die qualitative Forschung versucht in kleineren Fallzahlen zu ergründen, wie sich
Personen verhalten. Diese Methode liegt vor, wenn folgende Punkte gegeben sind:3
• Die Datenerhebung darf sich nicht auf vorliegende Daten beziehen, sie muss
also zu neuen Forschungszwecken initiiert werden.
• Die Erhebungs- und die Auswertungsmethode müssen qualitativen Charakter
haben. Dies bedeutet, dass bei der Datenerhebung Spielraum bei der
Antwortgestaltung vorhanden ist und, dass die Argumentation der Zielperson
bei der inhaltsanalytischen Auswertung im Mittelpunkt steht.
Innerhalb der qualitativen Sozial- und Marktforschung gibt es, neben der
Gruppendiskussion und der indirekten Befragung, das qualitative Interview. Wird dabei
auf eine standardisierte Befragung verzichtet und das Augenmerk auf Wissen,
Erfahrung oder Meinung des Befragten gelegt, handelt es sich um ein freies Interview.
Das Ziel solcher freien oder explorativen Interviews ist die umfassende Sammlung
individueller Sachinformationen. In Verbindung mit der explorativen Methode eignet
sich das qualitative Interview für die Befragung von Experten.
Wahl der Experten
Die Einführung der Kategorie des Experteninterviews in die wissenschaftliche
Forschung ist auf Meuser und Nagel zurück zu führen.4 Sie haben das akteurspezifische
3
Vorgaben des Bundesverbandes Deutscher Markt- und Sozialforscher. vgl.: Steinmetz, Peter und Hans
C. Weis: Marktforschung. 7. Aufl. Ludwigshafen, Kiehl 2008: 35.
4
Meuser, Michael und Ulrike Nagel: Experteninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag
zur qualitativen Methodendiskussion. In: Qualitativ-empirische Sozialforschung – Konzepte, Methoden,
Analysen. Hrsg. von Detlef Garz und Klaus Kraimer. Opladen, Westdt. 1991: 441 - 471.
4
Interview als Methode gewählt, um das spezialisierte Wissen des Interviewten zu
erfragen. Trotz wissenssoziologischer Fundierung ist dennoch keine einheitliche
Begriffsabgrenzung für den Experten vorhanden. Aus diesem Grund soll der
Expertenbegriff, wie er hier gebraucht wird, konkreter beschrieben werden:
Die ausgewählten Personen besitzen alle jahrelange Erfahrung in ihrem Metier. Daraus
resultieren ihr Fachwissen und ihre fachliche Kompetenz. Sie verfügen durch ihre
langjährige Tätigkeit in der Live-Musikbranche über exklusives und umfassendes
Wissen. Ihre Meinung, Erfahrung und Expertise soll dazu verhelfen, den Konzertmarkt
besser zu verstehen und in die konzeptionelle Entwicklung bei der dynamischen
Preisfindung von Konzertkarten einfließen.
Es wurden Interviews mit vier Fachleuten geführt, von denen jeder Einzelne die
typischen Merkmalsvoraussetzungen eines Experten erfüllt. Um eine Vielzahl an
Informationen und Blickwinkel zu erlangen, wurden die Interviewpartner bewusst in
unterschiedlichen Bereichen innerhalb der Live-Musikbranche gesucht.
Konkret setzt sich die Stichprobe aus folgenden Experten zusammen:
• Oskar „Ossy“ Hoppe ist Geschäftsführer und Mitbegründer der Wizard
Promotions Konzertagentur GmbH. Als Tourneeveranstalter richtet er
Konzerte von Künstlern wie U2, Bon Jovi, Sting oder Metallica aus. Zuvor
arbeitete er jahrelang im Management, wobei er auf vielen Welttourneen
Erfahrung im Veranstaltungsbereich sammeln konnte. Hoppe gilt als
Wegbereiter des Hard Rocks in Deutschland.
• Christopher Noodt ist freischaffender Musiker und Absolvent des
Kontaktstudienganges Popularmusik an der Musikhochschule Hamburg. Neben
Engagements als Studio- und Livemusiker wird er als Workshop-Leiter und
Arrangeur gebucht. In der Spielzeit 2002 / 2003 war er musikalischer Leiter
am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Noodt ist Mitglied der Band Ohrbooten
und mit dem Konzertbusiness aus Sicht des Musikers bestens vertraut.
• Fritz Rau hat für sein Lebenswerk als Konzertveranstalter den Live
Entertainment Award sowie einen Echo verliehen bekommen. Über Jahrzehnte
hinweg organisierte er die Konzerte der nationalen und internationalen Größen
5
aus Jazz, Blues, Entertainment, Rock und Pop. Duke Ellington, Jimi Hendrix,
Madonna, Miles Davis, Bob Dylan, die Rolling Stones und viele andere sind
durch ihn nach Deutschland gekommen. 2005 erschien Raus autobiografisches
Buch: 50 Jahre Backstage – Erinnerungen eines Konzertveranstalters.5
• Ralf Scheich ist im Vertrieb der CTS Eventim AG für den Bereich
Norddeutschland tätig. Eventim ist für die Vermarktung und die Distribution
von Eintrittskarten für alle Arten von Veranstaltungen zuständig. Über ein
computergesteuertes System werden die Kartenverkäufe über
Vorverkaufsstellen, Internetseiten und Telefonbestellservices synchronisiert.
Mit dem Verkauf von 80 Prozent aller Konzertkarten in Deutschland ist
Eventim Marktführer in der Ticketdistribution. Ebenso hält das Unternehmen
Mehrheitsbeteiligungen an Veranstaltungsfirmen. Als Vertriebsrepräsentant
hält Scheich Vorträge über modernes Ticket-Marketing.
Bei der Wahl der Experten ging es nicht darum, ein repräsentatives Ergebnis zu
erhalten. Vielmehr wurde die Typisierung genutzt, um inhaltliche und charakteristische
Merkmale, in Bezug auf die Problemstellung, zu erlangen. Neben Typisierung sind
Offenheit und Kommunikativität Prinzipien der qualitativen Forschung.6
Offenheit soll durch den Verzicht auf einengende Vorgaben von Seiten des
Interviewers entstehen. Dabei ist es dessen Aufgabe die Befragung nicht nach einem
vorgegebenen Fragenkatalog durchzuführen, sondern Bezug auf die genannten Aspekte
des Interviewten zu nehmen und auf diese zu reagieren. Die Auskunftsperson soll keine
vorgegebenen Antwortmöglichkeiten und genügend Freiraum erhalten, um die
Erzählbereitschaft zu fördern.
Dies ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikativität. Es wird versucht,
eine natürliche Gesprächssituation zu schaffen. Die passende Kommunikationsstrategie
zu wählen ist die Aufgabe des Interviewers. Bei der narrativen, also der maximal
5
Rau, Fritz: 50 Jahre Backstage – Erinnerungen eines Konzertveranstalters. Heidelberg, Palmyra 2005.
6
vgl.: Herrmann, Andreas und Christian Homburg: Marktforschung – Methoden, Anwendungen und
Praxisbeispiele. 2. Aufl. Wiesbaden, Gabler 2002: 161.
6
offenen Erzählung, soll der Fragende eine zurückhaltende, interessierte Rolle
einnehmen.
Die problemzentrierte Technik nutzt dagegen provozierende
Kommunikationsstrategien. Dabei kann der Interviewer gezielte Zwischenfragen
stellen, um so Begründungen, Erklärungen, Urteile und Meinungen des Befragten zu
erlangen.7
Als Gesprächstechnik wurde hauptsächlich die narrative Vorgehensweise gewählt. Bei
Fragestellungen, welche die Problematik der Ticketdistribution und der dynamischen
Preisfindung für Konzertkarten beinhalteten, kamen aber auch kritischere Inhalte zur
Sprache, die dieses Thema betrafen, so dass zeitweilig auch die problemorientierte
Technik Anwendung fand.
Güterkriterien nach Mayring
Da bei den Experteninterviews die statistische Repräsentanz aus Gründen der kleinen
Stichprobe nicht als Kriterium der qualitativen Güte herangezogen werden kann,
müssen andere Gütekriterien gewählt werden. Für die qualitative Datenerhebung schlägt
Mayring sechs Kriterien vor, welche deren Güte bewerten sollen:8
1. Die Verfahrensdokumentation muss eine detaillierte Beschreibung des
Forschungsprozesses beinhalten. Dabei müssen das Vorverständnis, die angewandte
Methodik, die Durchführung und die Auswertung beschrieben werden.
Die zur Anwendung gekommene Methodik wurde erklärt. Die Durchführung wird bei
den folgenden Güterkriterien beschrieben. Nach den Güterkriterien folgt ein Hinweis
zur methodischen Auswertung.
7
Kepper, Gaby: Qualitative Marktforschung – Methoden, Einsatzmöglichkeiten und
Beurteilungskriterien. Wiesbaden. DUV und Dt. Univ. 1994: 44ff.
8
Mayring, Philipp: Einführung in die qualitative Sozialforschung. 5. Aufl. Weinheim, Beltz 2002: 144ff.
7
2. Bei der argumentativen Interpretationsabsicherung müssen alle Deutungen der
Interviewaussagen schlüssig und argumentativ begründet sein. Weiterhin ist die
Möglichkeit alternativer Deutungen zu prüfen.
Alle Antworten der Interviewpartner waren deutlich und unmissverständlich. Eine
alternative Deutung war nicht erforderlich.
3. Das systematische Vorgehen und die sinnvolle Unterteilung des Materials sind die
Voraussetzungen für das Einhalten der Regelgeleitetheit. Diese Verfahrensregeln
müssen trotz des freien Charakters der qualitativen Forschung eingehalten werden.
Bei der Erstellung eines Interviewleitfadens wurde der Schwerpunkt jeweils auf die
fachliche Expertise des Befragten ausgelegt.
Schon bei der Anfrage der Experten, ob sie zu einem Interview bereit wären, wurden
diese soweit wie möglich über den Inhalt der Befragung informiert. Neben dem
thematischen Hintergrund dieser Forschungsarbeit, wurden auch die Methodik und die
Themen, welche im Interview angesprochen werden sollten, genannt. Diese Themen
basierten auf den Kapiteln Ökonomie der Konzertwirtschaft, Veranstaltungen von
Konzerten und Tourneen und Ticketdistribution. Zusätzlich wurden Fragen über ein
mögliches Konzept zur dynamischen Preisfindung von Konzerttickets gestellt.
4. Mit der Nähe zum Gegenstand ist der Grad der Natürlichkeit der
Untersuchungssituation gemeint. Künstlich geschaffene Umgebungen sind zu
vermeiden.
Um eine natürliche Untersuchungssituation zu schaffen, erfolgten persönliche Besuche
jedes einzelnen Interviewpartners. Das Gespräch mit Fritz Rau fand in dessen Wohnung
in Bad Homburg statt. Die Wohnung ist voll mit Erinnerungsstücken aus seiner
langjährigen Karriere als Konzertveranstalter und gleicht einem Museum.
Oskar Hoppe wurde in seinem Büro besucht, welches einen faszinierenden Einblick in
die Geschichte des Hard Rocks bot.
Mit Christopher Noodt wurde das Interview vor einem Auftritt in der Frankfurter
Jahrhunderthalle gehalten und Ralf Scheich folgte einer Einladung in ein Hamburger
8
Café. Viele seiner Kundengespräche führt er in Restaurants oder Cafés, so dass auch
dieses Treffen in einer natürlichen Umgebung stattgefunden hat.
Weiterhin wurde ein schematisches Abfragen der einzelnen Themengebiete vermieden
und in dieser Weise versucht, ein natürliches, individuell gestaltetes Gespräch zu
führen.
5. Die Prüfung der Ergebnisse wird mit Hilfe der kommunikativen Validierung
vorgenommen. Dabei werden die Ergebnisse den Befragten vorgelegt und mit ihnen
diskutiert. Durch die Bestätigung der Ergebnisse werden Missverständnisse
vermieden und die Ergebnisse verifiziert.
Die kommunikative Validierung wurde gewährleistet, indem jedem Interviewpartner
eine revidierte Abschrift des Gespräches zukam. So konnten anhand der
Rückmeldungen gegebenenfalls Änderungen vorgenommen werden.
6. Durch die Triangulation kann die Gütequalität gesteigert werden. Dabei werden
anhand mehrerer Interpreten oder Methoden die voneinander unabhängigen
Ergebnisse verglichen. Der Einsatz und der Vergleich verschiedener Analysen kann
Aufschluss über die Güte der Erhebung geben.
Auf die Triangulation wurde im Rahmen der durchgeführten Befragung verzichtet.
Auswertung
Aufgrund ihrer besonderen Eignung für die Auswertung von Experteninterviews, wurde
die qualitative Inhaltsanalyse9 genutzt. Die Mitschnitte wurden zuerst transkribiert,
dabei redigiert und wiederholende Aussagen der Interviewpartner ausgelassen. Die
Transkription konnte dann systematisch zusammengefasst werden.
Die Auswertung erfolgt innerhalb der thematisch passenden Kapitel.
9
vgl.: Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Technik. 10. Aufl. Weinheim und
Basel, Beltz 2008: 58ff.
9
2. Musikwirtschaft in Deutschland
In diesem Kapitel soll Musik als wirtschaftliches Gut dargestellt werden. Dabei wird
das Geflecht der Musikwirtschaft umrissen und dessen beiden Kernbereiche, Tonträgerund Konzertmarkt, einander gegenübergestellt. Zuvor erfolgt eine kurze Betrachtung
inwiefern Musik als Ware im Laufe der Zeit gehandelt wurde.
2.1. Musik als Ware
Musik hat einen Nutzen. Die Nützlichkeit ist für jeden Hörer unterschiedlich und im
Gegensatz zum Nutzen materieller Güter, nicht greifbar. Ein wesentlicher Aspekt,
warum mit Musik gehandelt wird, liegt in ihrem unterhaltenden Charakter, der ein
entsprechendes Bedürfnis nach Ablenkung, Ermunterung oder emotionaler Vertiefung
einer persönlichen Verfassung befriedigen kann. Dies gilt nicht nur für die heutige
Rock- und Popmusik.
Die ersten professionellen Musiker in einem warenwirtschafltichen System arbeiteten
unter anderem an den Höfen ihrer Regenten. Sie wurden ausschließlich für ihre
Tätigkeit als Komponisten, Sänger und Instrumentalisten bezahlt. Hofmusiker waren
Luxus. Die Anzahl der Musiker, die sich ein Monarch hielt, war in gleicher Weise
10
Statussymbol wie die Größe und Ausstattung des Herrschersitzes. Denn Musiker sollten
in erster Linie für die Unterhaltung ihres Arbeitgebers sorgen.
Dadurch erhielt Musik, neben ihrer Nützlichkeit, auch einen Tauschwert. Der Regent
brauchte die Musiker, um sein Bedürfnis nach Unterhaltung und Repräsentation zu
stillen. Dies war sein Nutzen.
In der klassischen Ökonomie wird der Nutzen auch als Gebrauchswert bezeichnet. Die
Musiker wurden für ihre Arbeit entlohnt. Der Lohn war der Tauschwert und die
Gegenleistung zu ihrer Arbeit. Durch die Existenz von Gebrauchs- und Tauschwert
wurde Musik zur Ware.
Neben den Hofmusikern gab es auch Gaukler und umherziehende Theatergruppen, die
ihren Lebensunterhalt ebenfalls durch Musik und Unterhaltung verdienten. Spielleute
musizierten auf Jahrmärkten, Festen, in Schenken und auf der Straße.10
Ab dem 14. Jahrhundert wurden einige Spielleute von den Städten angestellt. Diese
Stadtpfeifer besetzten die Wach- und Signalposten der städtischen Befestigungsanlagen
und wurden zur musikalischen Unterstützung der kirchlichen Feiertage in den
Gottesdienst berufen.11 Bei großen Festen waren die nicht-sesshaften Spielleute immer
noch gern gesehene Gäste, allerdings hatten sie keinerlei Recht, längere Zeit in der Stadt
zu bleiben. Dieses Privileg stand den Stadtpfeifern zu, die keine Konkurrenz zu
befürchten hatten.
Die Erfindung des Druckverfahrens im 15. Jahrhundert machte unter anderem auch die
kommerzielle Verbreitung von Musik möglich. Zuvor mussten Noten abgeschrieben
werden. Spielleute und Stadtpfeifer konnten jedoch lange Zeit keine Noten lesen, so
dass die marktwirtschaftliche Bedeutung des Notendrucks erst durch dessen
Industrialisierung relevant wurde. Durch sinkende Druckkosten wurden Noten für eine
breitere Masse erschwinglich und die Gabe des ´nach Noten Spielens` löste das freie
Spiel ab.
10
vgl.: Krickeberg, Dieter: Spielmann. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Hrsg. von Friedrich
Blume. 2. Aufl. Sachteil Bd. 8, Kassel / Basel / London, Bärenreiter 1998: 1684 - 1692.
11
vgl.: Greve, Werner: Stadtpfeifer. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Hrsg. von Friedrich
Blume. 2. Aufl. Sachteil Bd. 8, Kassel / Basel / London, Bärenreiter 1998: 1719 - 1732.
11
Die Ausweitung der Musikökonomie wurde durch die Möglichkeit der akustischen
Konservierung potenziert. 1877 erfand Thomas Edison den Phonographen, der in der
Weiterentwicklung durch Emil Berliner zur Verbreitung von Musik auf Tonträgern
führte. Der Hörfunk brachte Musik auch in die Wohnzimmer der schlechter Situierten.
Mit wachsendem technischem Fortschritt veränderten sich die Tonträger. Auf die
Schelllackplatte folgten die Vinyl-Schallplatte, die Kassette und schließlich die CD.
Nach dem Notendruck und der akustischen Konservierung ist die Digitalisierung die
dritte gravierende Veränderung in der Musikgeschichte, die erneut eine Potenzierung
der Musikverbreitung zur Folge hat.
Musik wurde zunehmend immaterialisiert und dennoch hat sich die Kultur des
Musizierens vor Publikum erhalten. Musik, ob live oder technisch reproduziert, ist ein
allgegenwärtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Sie hat einen kulturellen Stellenwert
in unserem Leben und hat ihren Nutzen nicht verloren, ideell und fassbar.
2.2. Live-Musikbranche und Tonträgermarkt
Der erfassbare Wert von Musik drückt sich in dessen Preis aus. Werden die Verkäufe
zusammengefasst, bildet dies einen Markt ab. Die Märkte in der Musikwirtschaft sollen
nachfolgend differenziert werden. Anschließend erfolgt ein Vergleich zwischen dem
Tonträgermarkt und der Konzertbranche mit besonderer Berücksichtigung der
nationalen und internationalen Rock- und Popmusik.
2.2.1. Die Märkte der Musikwirtschaft
Der Oberbegriff Musikwirtschaft kann in zwei Bereiche geteilt werden, der
Tonträgerbranche und dem Live-Musikmarkt. Beide Bereiche sind in sich geschlossene
Märkte, die durch gewisse Gemeinsamkeiten in Wechselbeziehung zu einander stehen
und weitere angrenzende Märkte aufweisen.
Der Kernbereich des Tonträgermarktes liegt in der Aufnahme, der Vervielfältigung und
der Distribution von Musik. Dabei sind es die Tonstudios und Plattenfirmen, die diese
Aufgaben übernehmen.
12
Auf dem Markt der Livemusik agieren Konzertveranstalter, Agenturen und
Ticketdistributoren. Zusätzlich gibt es weitere angrenzende Märkte.
Im Gegensatz zu den vorgelagerten Märkten, welche die Vorraussetzungen für die
Konzert- und Tonträgerindustrie schaffen, profitieren die nachgelagerten Märkte aus
den daraus entstandenen Gütern.
Es gibt aber auch Märkte, die mit der Musikindustrie Synergien bilden. Diese werden
Komplementär- beziehungsweise Substitutivmärkte genannt. Beispielsweise helfen
Fanartikel aus dem Merchandising, den Bekanntheitsgrad des Künstlers zu erhöhen. Ein
bekannter Künstler wiederum wird höhere Umsätze im Merchandising erzielen.
Nebengelagerte Märkte ergänzen die Kernbereiche, haben aber nur geringen Einfluss
auf die Musikindustrie. So profitieren zwar Gastronomiebetriebe vom
Veranstaltungsmarkt, jedoch wäre ein Konzert auch ohne Gastronomie realisierbar.
Oft sind die Übergänge der Märkte fließend und je nach Intention können weitere
Strukturierungen erfolgen. Der Hersteller von Leermedien ist beispielsweise im
vorgelagerten wie auch im substitutiven Markt aktiv. Rohlinge werden einerseits für die
Pressung von Alben benötigt. Neben den Plattenfirmen sind aber andererseits auch
Musikkonsumenten in der Lage CD-Rohlinge zu beziehen und sich Musik eigenständig
zu vervielfältigen. Der Tonträgermarkt wurde im letzten Fall umgangen. Jedoch kann
der Konzertmarkt durch die zusätzliche Verbreitung der Musik profitieren.12
In der Abbildung 1 werden die Kernbereiche der Musikindustrie und die angrenzenden
Märkte dargestellt.
12
vgl.: Interview Christopher Noodt.
13
Abbildung 1
Vermarktungsbereiche von Musik13
Die Größe der Märkte wird durch Umsatzzahlen bestimmt. Dabei kann nicht jeder
Markt genau erfasst und eingegrenzt werden. Zum Beispiel ist der Wert der Fachpresse
oder des Rundfunks nicht anhand der Umsatzzahlen zu ermessen.
Andere Märkte werden direkt gemessen. So ist beispielsweise bekannt, dass 90 Prozent
der Konzertbesucher Geld für Gastronomie ausgeben. In der Summe entsprach dies 760
Millionen Euro im Jahr 2007.14
Im Jahr 2006 verkaufte der Einzelhandel 500 Millionen CD-Rohlinge, von denen jeder
Zweite mit Musik bespielt wurde.15 Im selben Jahr haben die Tonträgerhersteller 150
Millionen Alben verkauft.16
13
vgl.: Kulle, Jürgen: Ökonomie der Musikindustrie: eine Analyse der körperlichen und unkörperlichen
Musikverwertung mit Hilfe von Tonträgern und Netzen. Frankfurt am Main, Lang 1998: 119.
vom Autor modifiziert.
14
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 16.
15
Brenner-Studie 2007. Hrsg. vom Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft und der
Gesellschaft für Konsumforschung.
14
Der Vergleich der Märkte lässt Rückschlüsse auf deren wirtschaftliche Verknüpfung zu.
So ist die Korrelation von verkauften Rohlingen und CD-Alben ein wichtiger Indikator
für die Tonträgerwirtschaft.
2.2.2. Vergleich der Märkte
Durch den Vergleich der beiden Kernbereiche der Musikwirtschaft soll untersucht
werden, welche Einflüsse der Tonträgermarkt auf die Konzertbranche hat.
Grundlagen sind die GfK-Studie 2007 zum Konsumverhalten der Konzertbesucher17 und
der Jahresbericht 2007 des Bundesverbandes Musikindustrie, IFPI.18 Die GfK-Studie
befragte 3.000 repräsentativ ausgewählte Personen und ist nach den Jahren 1995, 1999
und 2003 zum vierten Mal erschienen.
Das gemeinsame Volumen des Musikveranstaltungs- und Tonträgermarktes betrug
2007 viereinhalb Milliarden Euro. Die Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Märkte
ab 1995.
http://www.musikindustrie.de/uploads/media/ms_branchendaten_brennerstudie_2007_02.pdf. Zuletzt
besucht am 15. Dezember 2008.
16
Musikindustrie in Zahlen – Jahreswirtschaftsbericht 2007. Hrsg. vom Bundesverband Musikindustrie
IFPI.
http://www.musikindustrie.de/uploads/media/ms_branchendaten_jahreswirtschaftsbericht_2007_02.pdf.
Zuletzt besucht am 14. Februar 2009.
17
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 8.
18
Musikindustrie in Zahlen – Jahreswirtschaftsbericht 2007. Hrsg. vom Bundesverband Musikindustrie
IFPI.
http://www.musikindustrie.de/uploads/media/ms_branchendaten_jahreswirtschaftsbericht_2007_02.pdf.
Zuletzt besucht am 14. Februar 2009.
15
Abbildung 2
Musik-Veranstaltungsmarkt und Tonträgermarkt im Vergleich.19
In der Abbildung 2 ist deutlich zu erkennen, dass der Rückgang des Gesamtmarktes
durch den Einbruch im Tonträgergeschäft verursacht wurde.
Über den Betrachtungszeitraum verlor der Tonträgermarkt jährlich knapp vier Prozent
seines Umsatzes.20 Sein Volumen schrumpfte zwischen 1999 und 2004 um fast ein
Drittel. Der Gesamtmarkt verringerte sich dadurch, trotz des kontinuierlichen
Wachstums der Livebranche, um etwas über einen Prozent pro Jahr.
19
Abbildung vom Autor erstellt.
Datenherkunft: Tonträgermarkt 1999 - 2007 Musikindustrie in Zahlen – Jahreswirtschaftsbericht 2007.
Hrsg. vom Bundesverband Musikindustrie IFPI.
http://www.musikindustrie.de/uploads/media/ms_branchendaten_jahreswirtschaftsbericht_2007_02.pdf.
Zuletzt besucht am 14. Februar 2009: 13.
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 21.
20
p = (n√(Ut ÷ Ut-n) − 1) × 100%; wobei p die Wachstumsrate, n die Anzahl der Betrachteten Perioden
und (Ut ÷ Ut-n) den Quotienten aus Anfangs- und Endumsatzes darstellen. Mit dieser Rechnung werden
auch alle nachfolgenden jährlichen Wachstumsraten ermittelt.
16
Selektion nach Repertoiresegmenten
Innerhalb der Studien sind die Darstellungen der Märkte nach musikalischen
Stilrichtungen sortiert.
Um einen aussagekräftigen Vergleich führen zu können, werden die Daten qualitativ
unterschieden. Lediglich 37 beziehungsweise 55 Prozent der Umsätze 2007 sind für die
Untersuchung interessant. Dies entspricht den kumulierten Anteilen der Rock- und
Popmusik.
Auf dem Veranstaltungsmarkt wurden die Musiksparten klassische Musik, Oper /
Operette, Musicals, Volksmusik, Schlager, Liedermacher / Chanson und Jazz nicht
berücksichtigt. Klassische Musik und Opern werden vom Staat subventioniert. Der
Vergleich mit einem freien Markt würde bei der Betrachtung der Kosten- und
Preisrelation zu Verzerrungen führen. Musicals haben ebenfalls eine andere
Kostenstruktur, welche mit der eines Rockkonzertes nicht zu vergleichen ist. Steigende
Gagenforderungen, aufgrund der schlechten Umsatzzahlen des Musikverkaufs, sind in
diesem Segment unwahrscheinlich. Musicals beziehen ihre Einnahmen aus den
Kartenverkäufen. Die Preise sind mit durchschnittlich 60 Euro auch die Höchsten der
Livebranche.
Subventionierte Konzerte und Musicals kommen zusammen auf einen Marktanteil von
knapp 50 Prozent. Deutscher Schlager und Volksmusik nehmen weitere sieben Prozent
ein. Aufgrund anderer Konsumentengruppen und einer anderen Kalkulation werden
diese Konzerte ebenfalls nicht berücksichtigt. Dies ist insofern zulässig, da diese
Bereiche auch separat in der Struktur des Tonträgermarktes aufgeführt werden. In
beiden Fällen können Schlager und Volksmusik ausgeklammert werden. Ähnlich verhält
es sich mit der Jazzmusik.
Die Sparte Liedermacher / Chanson kann nicht mit dem Tonträgermarkt verglichen
werden. Bei dem Jahresbericht des Bundesverbandes der Musikindustrie gibt es keine
entsprechende Sparte. Mit lediglich zwei Prozent des Umsatzes der Livemusik kann
dieses musikalische Genre vernachlässigt werden.
Damit verbleiben die Bereiche Rock / Pop international mit zwölf Prozent und Rock /
Pop national mit acht Prozent, sowie Hard Rock / Heavy Metal mit drei Prozent und die
17
Musikfestivals mit 14 Prozent. Konzerte dieser Bereiche haben 2007 über eine Milliarde
Euro eingespielt.
Die Daten für die Rock- und Popkonzerte im Jahr 2003 sind unvollständig. Bekannt ist,
dass der Anteil der internationalen Künstler leicht gestiegen ist.21 Der Anteil der
Nationalen hat sich hingegen nicht verändert. Die Festivals und der Hard Rock Bereich
werden als gleich bleibend angenommen.22
Bei den Tonträgerverkäufen verzeichnen die Repertoiresegmente Pop und Rock mit 55
Prozent an der Gesamtsumme, einen Umsatz in Höhe von 900 Millionen Euro.23 2003
generierten diese Segmente noch deutlich über eine Milliarde Euro.
In dem Wirtschaftsbericht des Bundesverbandes der Musikindustrie wird die Herkunft
von Pop- und Rockmusik nicht unterschieden. Jedoch gibt es eine Auflistung über die
prozentuale Verteilung der nationalen und internationalen SINGLE- und LONGPLAYProduktionen, die ab 1994 in den Top 100 Charts vertreten waren. Mit Hilfe der
Umsatzzahlen kann das Verhältnis der in- und ausländischen Musik ermittelt werden.24
Die Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Umsatzzahlen der Rock- und Popmusik auf
dem Konzert- und Tonträgermarkt. Dabei wurde zwischen nationalen und
internationalen Künstlern unterschieden. Der prozentuale Anteil der Segmente am
Umsatz der Märkte wurde ebenfalls angegeben.
21
Köller, Achim: Concertbooking. Redigierte Mitschrift einer Ringvorlesung 2005/2006 am Institut für
Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik und Theater Hannover. In:
Musikwirtschaft und Medien: Märkte - Unternehmen - Strategien. Hrsg. von Beate Schneider und Stefan
Weinacht. München, R. Fischer 2007: 197.
22
Die Schätzung scheint wahrscheinlich, da sich die beiden großen Segmente Klassik (+/−0%) und
Musicals (−2%) nicht oder nur geringfügig verändert haben.
23
Dies beinhaltet auch den non-phyischen Musikvertrieb via Downloads und MOBILE MUSIK.
24
Die Berechnung erfolgte über ein Gewichtungsverfahren mit der Annahme, dass der Mittelwert der
Chartpositionen nationale und internationale Künstler gleichen Verkaufszahlen entspricht.
18
Abbildung 3
Umsatzzahlen und Herkunft von Rock- und Popmusik im Vergleich25
Überraschend ist die Umsatzsteigerung der nationalen Tonträger. Der Bereich
DOMESTIC
hat sich gegen den Trend entwickelt und ist mit einem Umsatzplus von
siebeneinhalb Prozent zum wichtigsten Bereich der Tonträgerindustrie geworden.
Für Konzerte einheimischer Künstler wurde ebenfalls mehr Geld ausgegeben. Zwar
stagnierte der Anteil innerhalb des gesamten Konzertmarktes bei acht Prozent, jedoch
stiegen durch die allgemeine Verbesserung des Konzertmarktes auch die Umsätze
nationaler Musik.
Es scheint einen Trend deutscher Musik zu geben. Internationale Künstler hatten es auf
dem deutschen Musikmarkt hingegen schwerer. Der Konzert- und der Tonträgermarkt
verzeichnen deutliche Verluste in diesen Bereichen.
Währendessen sich der Tonträgermarkt seit 2003 zu stabilisieren schien, ist der Bereich
´internationale Produktionen` weiter eingebrochen. Der Umsatz der internationalen
Musikverkäufe hat innerhalb von fünf Jahren ein Viertel seiner Größe verloren.
25
Abbildung vom Autor erstellt.
19
Die Gründe dafür können vielseitig sein. So könnten sich die Deutschen verstärkt mit
ihrer eigenen Musik identifiziert haben. Dies würde einen reellen Nachfragerückgang
bedeuten. Es könnte aber auch sein, dass Musik internationaler Künstler stärker über
Netzwerke getauscht wurde. Die Konsumenten würden den Tonträgermarkt in diesem
Bereich einfach umgehen. Die Nachfrage hätte sich dabei zwar nicht verändert, durch
das alternative Angebot ist jedoch das Marktergebnis verzerrt.
Eine genauere Betrachtung, welche die Ursachen erläutert, warum gerade die
internationalen Künstler weniger Tonträger verkaufen, soll hier jedoch nicht erfolgen.
20
3. Veranstaltungen von Konzerten und Tourneen
Die Komplexität der Konzert- und Tourneeveranstaltungen erfordert eine
Untergliederung des zu beschreibenden Gegenstandes. In den Kapiteln 3.1. und 3.2.
werden die Akteure, deren jeweiliger Aufgabenbereich und ihre Beziehungen
zueinander besprochen. Es folgt eine Betrachtung der Konzertplanung mit genauerem
Blick auf die Personal- und Materialplanung.
Der Aufwand einer Veranstaltung ist abhängig von der erwarteten Besucherzahl und
den Verhältnissen vor Ort. Daher erfolgt keine Anleitung für die Durchführung eines
Konzertes oder einer Tournee, sondern eine Zusammenfassung der notwendigen
Elemente einer Veranstaltung.
3.1. Akteure
Um ein Konzert oder eine Tournee zu spielen, benötigen Musiker in der Regel Hilfe
von weiteren Personen. Die Berufsbezeichnungen dieser Helfer sind selten eindeutig
definiert und je nach Produktionsgröße können die unterschiedlichen Aufgabenbereiche
mal von einer, in anderen Fällen von mehreren Personen wahrgenommen werden.
Im Gegensatz zu den Aufgaben eines MAJORLABELS oder eines Verlages, bei denen die
Akteure und Positionen eindeutiger zu unterscheiden sind, ist dies in der Live21
Musikbranche etwas undurchsichtiger. Um diesen Umstand übersichtlicher darstellen
zu können, wird von einer großen Produktion mit über 10.000 Besuchern ausgegangen,
da in dieser Größenordnung jedem Akteur eine Kernaufgabe zugeordnet werden kann.
Es soll an dieser Stelle dennoch darauf hingewiesen werden, dass ein erheblicher Teil
der Live-Musik im kleineren Rahmen abläuft und hier oftmals nur wenige Helfer zur
Verfügung stehen. Bei kleinen Bands ohne Platten- oder Managementvertrag werden
alle Aufgaben unter den Musikern verteilt oder ehrenamtlich von Freunden
übernommen.
Management
Ist die Karriere eines Musikers oder einer Band erfolgreich angelaufen, ist ein
professionelles Management unverzichtbar. Das Management berät und vertritt seinen
Künstler. Der Künstler hat in einem Dienstvertrag dem Management bestimmte
Vollmachten erteilt.
Im Regelfall verteilen sich die Aufgaben im Management erfolgreicher Künstler auf
verschiedene Personen. Meist werden die finanziellen Bereiche von einem
BUSINESSMANAGER übernommen. Er erledigt die Buchhaltung und –prüfung,
kontrolliert die Zahlungsströme auf den Künstlerkonten und erledigt die
Steuerangelegenheiten seines Mandanten. Für diese Arbeit erhält er bis zu fünf Prozent
des Bruttoumsatzes.
Neben dem BUSINESSMANAGER agiert der PERSONALMANAGER. Seine Hauptaufgabe ist
es, die Entwicklung des Künstlers zu fördern. Er berät seinen Schützling, erarbeitet ein
künstlerisches und wirtschaftliches Konzept, vermittelt Platten-, Verlags-, Agentur- und
Lizenzverträge und kümmert sich um alle anderen Geschäftszweige. Die Vertrautheit
zwischen dem Künstler und dem PERSONALMANAGER ist entscheidend für eine
erfolgreiche Zusammenarbeit. Der PERSONALMANAGER wird als „Schlüsselfigur im
Leben des Künstlers“ und sogar als dessen „Beichtvater, Mutter und Freund zugleich“
bezeichnet.26
26
Lyng, Robert: Die Praxis im Musikbusiness: Musterverträge, Promotion, Booking, Management, Label
und Verlag, GEMA/GVL. 9. Aufl. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 20.
22
Andreas Welskop, der Manager, des Künstlers Clueso hat nach eigener Aussage27 eine
Beziehung zu seinem Künstler aufgebaut, die durch gegenseitigen Respekt, Vertrauen
und Transparenz gekennzeichnet ist. Welskop investierte innerhalb mehrerer Jahre über
40.000 D-Mark in seinen Künstler. Als Clueso wirtschaftlich erfolgreich wurde, dankte
dieser es seinem Manager und arbeitete weiterhin mit ihm zusammen. Bis heute
bestehen keine schriftlich fixierten Verträge zwischen den Beiden. Welskop, der auch
die Rolle des BUSINESSMANAGERS übernommen hat, führt die komplette Buchführung
einsichtbar für alle Teammitglieder. Angst von seinem Künstler im Stich gelassen zu
werden, habe er nicht. „Wenn das Verhältnis zwischen dem Künstler und seinem
Manager nicht mehr stimmt, nütze auch ein Vertrag nichts, um noch anständig
miteinander arbeiten zu können.“28
In der Regel werden jedoch Verträge geschlossen. Diese laufen über einen Zeitraum
von mehreren Jahren und beinhalten, neben den Vollmachtregelungen und den Rechten
und Pflichten beider Parteien, auch die Entlohnung für das Management. Ein
persönlicher Vollzeitmanager verdient zwischen 15 und 25 Prozent des Bruttoumsatzes
seines Künstlers. Von diesen Einnahmen bezahlt der Manager sein Team, welches aus
Assistenzen, Presse- und PR-Mitarbeitern, Web- und Medienredaktionen, Art Director
und weiteren Mitarbeitern bestehen kann.
Es gibt auch Modelle in denen ein limitiertes Management ausgehandelt wird. Bei
solchen Abstufungen des Managementvertrages, welche vor allem für Newcomer
geeignet sind, wird die Entlohnung entsprechend angepasst.
Agent
Der Agent, in Deutschland auch oft als BOOKER bezeichnet, sucht Arbeit für den
Künstler. Während die Bezeichnung BOOKER vor allem bei Konzerten gebraucht wird,
ist der Agent für alle Arten von Auftritten zuständig. Dazu zählen neben den
Musikkonzerten auch weitere Auftritte, die von einer größeren Öffentlichkeit
wahrgenommen werden.
27
Aus einem Gespräch mit Andreas Welskop vom 25. September 2008. Verifiziert per e-Mail am 18.
Januar 2009.
28
ebd.
23
Während diese Vermarktungsprozesse in Deutschland nur zögerlich wahrgenommen
werden, ist dies in den USA schon ein fester Bestandteil einer Musikerkarriere. Neben
Gastrollen in Filmen, sind auch Fernsehauftritte in Talkshows oder Exklusivauftritte bei
Galen typische Mittel, um die Öffentlichkeit zu gewinnen. Für diese vermittelnde
Tätigkeit erhält der Agent in der Regel eine zuvor festgelegte Provision.
Je nach Reichweite des Künstlers agiert dessen Management auf lokaler, nationaler oder
internationaler Ebene. Handelt es sich um einen international bekannten Künstler, der
eine Tournee plant, wendet sich dessen Management an eine internationale Agentur.
Dabei ist ein Mitarbeiter dieser Agentur für die gesamte Tournee des Künstlers
verantwortlich. Dieser Agent sucht dann auf regionaler Ebene kleinere Agenturen,
welche wiederum alle Konzerte des Künstlers in ihrem Gebiet einem Agenten zuteilen.
Dieser wiederum sucht auf lokaler Ebene einen örtlichen Veranstalter.
Der örtliche Veranstalter führt das Konzert durch und trägt das Risiko im Falle einer
geschäftlichen Enttäuschung.
Es gibt zwei entgegengesetzte Vorgehensweisen, von der internationalen zur lokalen
Ebene und umgekehrt. So kann ein örtlicher Veranstalter ebenso einen BOOKER
engagieren und diesen beauftragen, einen passenden Künstler zu finden. Dazu spricht
der BOOKER die entsprechende regionale Agentur an.
Auch zwischen regionalen und internationalen Agenturen wird auf zwei Wegen
kommuniziert. Eine national bekannte Band kann über ihren Manager und Agenten
auch Kontakt zu anderen regional agierenden Agenturen aufbauen. Dies geschieht
wieder über die internationale Agentur. Oft sind diese Umwege erforderlich, da
zwischen den nationalen und regionalen Agenten noch keine Kontakte bestehen.
Die folgende Abbildung soll exemplarisch noch einmal die Zusammenhänge
verdeutlichen.
24
Abbildung 4
Das Verhältnis zwischen Künstler, Management, Agenturen und
örtlichen Veranstaltern29
Bei international agierenden Künstlern kommt es vor, dass die regionale Agentur als
Veranstalter fungiert. In diesem Fall trägt die Agentur das Risiko und der örtliche
Veranstalter bekommt von der Agentur den Auftrag, das Konzert durchzuführen.
Tourmanager
Eng mit der Agentur ist auch der Beruf des Tourmanagers verbunden.
Er kann von der Bookingagentur gestellt oder vom Künstler angeheuert werden. Der
Tourmanager begleitet den Künstler auf seiner Tour und kümmert sich während dieses
Zeitraums um die logistischen und organisatorischen Angelegenheiten. Er ist im
Auftrag des Künstlers die Kontaktperson zum Veranstalter, Techniker, Presse und den
29
vgl.: Köller, Achim: Concertbooking. Redigierte Mitschrift einer Ringvorlesung 2005/2006 am Institut
für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik und Theater Hannover.
In: Musikwirtschaft und Medien: Märkte - Unternehmen - Strategien. Hrsg. von Beate Schneider und
Stefan Weinacht. München, R. Fischer 2007: 199.
vom Autor modifiziert.
25
Fans. Der Tourmanager schützt den Künstler vor sämtlichen Ablenkungen und ist der
Ansprechpartner für alle Belange während einer Tour.
Zu seinen Tätigkeiten zählt unter anderem die Reise- und Unterkunftsplanung des
Künstlers und seiner Crew. Dazu gehören die Beschaffung und Buchung von
Fahrzeugen, die Bereitstellung und Überprüfung von Übernachtungen, aber auch die
Sicherung der Verpflegung. Der reibungslose Ablauf des Auftrittes liegt ebenfalls in der
Verantwortung des Tourmanagers, vom Aufbau und dem Soundcheck, der Sicherung
des Künstlers durch den Ordnungsdienst, der Einhaltung des RIDERS30 bis hin zur
Überprüfung der Abrechnung.
Bei internationalen Tourneen ist der Tourmanager auch für die Pässe sowie die
Kranken- und Reiseversicherungen der Crew verantwortlich.
In der Regel werden die Einnahmen hälftig zwischen dem Veranstalter und dem
Künstler geteilt. Der Tourmanager wird von den Einnahmen des Künstlers entlohnt und
erhält zwischen zehn und 20 Prozent von dessen Anteil. Ist der Tourmanager von einer
Agentur gestellt, bekommt er sein Gehalt von der Agentur und diese wird mit rund 20
Prozent der tourrelevanten Künstlereinnahmen entlohnt.
Veranstalter
Eine Veranstaltung im Sinne eines Konzertes, ist „eine Zusammenkunft mehrerer
Menschen zum Hören oder Ansehen künstlerischer Darbietungen.“31
30
Der Rider ist der Anhang des Gastspielvertrages, welcher zwischen Künstler und Veranstalter
geschlossen wurde. Die Anforderungen, die der Künstler im Rider stellt, können stark variieren. In einem
Rider werden alle Vertragspunkte und möglicherweise auftretende Situationen genau geregelt. Bei einem
international erfolgreichen Künstler kann der Rider sehr detailliert werden. Lyng gibt ein 21 Seiten
umfassendes Beispiel eines Riders. Folgende Vertragspunkte werden darin geregelt: Absage / höhere
Gewalt, Genehmigungen / Lizenzen / Zertifikate, Versicherung / Entschädigung, Zusätzliche Künstler,
Werbung, Tickets, Zahlung, Ausgleich, Sicherheit, Transport, Zufahrtswege / Parken, Strom, Crew,
Gewerkschaftsbestimmungen, Bühnen- und Haus-Mischpultplatzierung, Produktionsbüro,
Umkleideräume, Catering, Soundcheck, Beleuchtung, Öffnung des Veranstaltungsortes, Merchandising,
Kameras / Aufnahmen, Ankündigungen, Konzertbeginn bei Open-Air-Veranstaltungen, zusätzliche
Bestimmungen; außerdem werden ein Bühnenplan und ein Zeitplan beigeführt.
vgl.: Lyng, Robert: Die Praxis im Musikbusiness: Musterverträge, Promotion, Booking, Management,
Label und Verlag, GEMA/GVL. 9. Aufl. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 342 - 362.
31
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 9.
26
Der Initiator des Konzertes ist der Veranstalter. Er trägt das wirtschaftliche Risiko. Der
Veranstalter kann eine private oder eine juristische Person sein.
Wird das Konzert von einer Firma oder einer Gesellschaft, also einer juristischen
Person durchgeführt, muss im Schadensfall die Firma haften und nicht die Privatperson.
Deshalb sind bei großen Produktionen immer Gesellschaften Veranstalter. Der
Geschäftsführer einer Gesellschaft entscheidet über Geschäfts- und Vertragsabschlüsse.
Ist die Firmenstruktur sehr groß, stellt der Geschäftsführer Vollmachten aus. Diese sind
auch nötig, damit beispielsweise der Produktionsleiter ohne ständige Unterbrechungen,
die durch das Einholen des Einverständnisses entstehen würden, seine Aufgaben
erledigen kann.
Produktionsleiter
Der Produktionsleiter plant und führt die Veranstaltung durch. Er ist für den
reibungslosen Ablauf und die technische Struktur eines Konzertes verantwortlich.
Die Aufgabe des Produktionsleiters ist die Koordination von Material und Personal.
Weitere Bezeichnungen für den Produktionsleiter sind Projektleiter, örtlicher
Veranstalter, technischer Leiter, Event Manager und für die Behörden ist er der
Verantwortliche vor Ort.
Ein Produktionsleiter kann über seine Vergütung frei verhandeln. Sein Gehalt ist
abhängig von der Größe des Gesamtbudgets, der Veranstaltungart und seinem
Leistungsspektrum. Wird der Produktionsleiter nur für die Durchführung vor Ort
engagiert, so ist ein Tagessatz von 300 bis 600 Euro netto üblich. Bei einer
Komplettproduktion mit ungefähr einem Monat Planungszeit, richtet sich sein Gehalt
am Einkommen mittlerer Führungskräfte. Es variierte in den Jahren 1999 bis 2003
zwischen 2000 und 6000 Euro netto.32
32
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 16.
27
3.2. Das Zusammenspiel der einzelnen Akteure
Beschließt ein Künstler, auf Tournee zu gehen, wird er seine Pläne als Erstes mit
seinem PERSONALMANAGER besprechen.
Die weiteren Abläufe sind stark davon abhängig, wie bekannt der Künstler ist. Daher
soll erst eine kurze Kategorisierung des Bekanntheitsgrades erfolgen, anhand derer das
weitere Zusammenspiel der Akteure skizziert werden kann.33
1. National agierende Künstler haben ihre ersten Aufnahmen veröffentlicht. Sie werden
bei einigen Radiostationen gespielt und über sie wird in den Printmedien häufig als
Newcomer berichtet.
2. Künstler, die in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland agieren zählen zur
zweiten Kategorie. Sie hatten meist Charterfolge, laufen regelmäßig im Radio und
ihre Clips werden von den Musikfernsehsendern gespielt.
3. Etablierte Künstler im deutschsprachigen Raum haben mehrere Alben in hohen
Stückzahlen verkauft und weitere Veröffentlichungen sind vorhersehbar. Hohe
Chartplatzierungen und mehrere Tourneen geben den Künstlern ein gewisses Maß an
Erfahrung. Konzerte mit etablierten Künstlern sind nur von erfahrenen und ebenfalls
etablierten Veranstaltern realisierbar.
4. Internationale Stars sind in Europa und meist auch in Nordamerika bekannt. Sie
spielen selten unter 10.000 Besuchern und haben an alle Akteure hohe Ansprüche.
Internationale Stars werden ausschließlich über internationale Agenturen angeboten.
Dabei verhandelt das Management mit der Agentur den Angebotsrahmen. Dieser
beinhaltet einen Verfügbarkeitszeitraum und die angestrebte Größe der Tournee.
Die Agentur plant den Ablauf der Tournee und bespricht diese im besten Fall mit der
Plattenfirma. So kann ein gemeinsamer Marketingplan für die Tournee und die CDVeröffentlichung erarbeitet werden.34
33
vgl.: Köller, Achim: Concertbooking. Redigierte Mitschrift einer Ringvorlesung 2005/2006 am Institut
für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik und Theater Hannover.
In: Musikwirtschaft und Medien: Märkte - Unternehmen - Strategien. Hrsg. von Beate Schneider und
Stefan Weinacht. München, R. Fischer 2007: 200.
28
Die internationale Agentur sucht nun regionale Partner, welche die Organisation in
ihrem Gebiet übernehmen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder die nationale
Agentur wird selbst zum Veranstalter und engagiert einen Produktionsleiter, der das
Konzert organisiert und durchführt oder sie bieten den Konzertveranstaltern den
internationalen Star an.
Plant ein Veranstalter ein Konzert in der Größenordnung eines internationalen Stars,
beginnt er ungefähr acht bis zwölf Monate vor dem Konzerttermin mit der Suche nach
einem passenden Künstler. Dazu schickt er seinen BOOKER zu den regionalen
Agenturen und lässt recherchieren, welche Künstler eine Tournee planen.
Bei Internationalen Stars herrscht hundertprozentige OFFER-PRAXIS. Dies bedeutet, dass
der Künstler von den nationalen Agenturen angeboten wird und die Veranstalter ein
Angebot abgeben müssen. Der Künstler kann dann mit seinem Manager entscheiden,
welches Angebot er annimmt. In der Regel bestehen diese Angebote aus einer
Garantiegage und einer Beteiligung an der Gewinnsumme.
Einige Agenturen bieten der internationalen Agentur auch eine Garantiesumme an.
Wird diese vom Künstler und der internationalen Agentur angenommen, kann die
regionale Agentur den Künstler eigenständig vermarkten. Dabei trägt sie das finanzielle
Risiko.
Der Produktionsleiter, welcher dann von der regionalen Agentur für die Durchführung
beauftragt wird, bekommt eine Festgage oder eine prozentuale Beteiligung der
Einnahmen.
Egal ob die regionale Agentur selbst zum Veranstalter wird oder nicht, sie regelt und
finanziert die Werbemaßnahmen und bestückt den örtlichen Veranstalter mit PRInformationen und Werbemitteln. Dieser ist dann für die lokale Werbung
verantwortlich. Der örtliche Veranstalter bedient die regionalen Medien und kümmert
sich um den Kartenverkauf an der Tageskasse.
34
Dies ist in der Praxis nur teilweise üblich.
vgl.: Busdorff, Reimer und Bernie Schick, Dieter Schubert, Jörg Tresp: Podiumsdiskussion 360° Modell.
Kiez Kongress 2008 - Musikwirtschaft erleben. http://www.ligx.de/de/hamburg/kulturhaus73/events/2008/9/26/podiumsdiskussion/905. Zuletzt besucht am 10. Februar 2009.
29
Ist die regionale Agentur für mehrere Konzerte des Künstlers verantwortlich, kümmert
sie sich um den Ticketvertrieb. Mittlerweile sind die Grenzen zwischen regionaler
Agentur und Konzertveranstalter fließend, so dass eine genaue Aufgabenverteilung
nicht mehr beschrieben werden kann und je nach Konstellation unterschiedlich ausfällt.
Die OFFERING-PRAXIS wird in den meisten Fällen auch bei etablierten Künstlern in
Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Dabei wendet sich der Manager
der Künstler direkt an eine regionale Agentur.
Plant der Künstler im fremdsprachigen Ausland Konzerte zu geben, organisiert die
regionale Agentur den Kontakt zu einer internationalen Agentur. Diese wiederum
kümmert sich um die Vertretung in den geplanten Ländern. So lange die Künstler im
Ausland einen geringeren Bekanntheitsgrad haben, wird auch die Gagenvereinbarung
anders geregelt. Ähnlich wie bei den Künstlern, die in Deutschland, Österreich und der
Schweiz agieren, aber noch nicht etabliert sind, wird eine prozentuale Beteiligung der
Einnahmen zwischen Veranstalter und Künstler vereinbart.
Ein Beispiel der Band Die Happy:35 Die Happy agieren im gesamten deutschsprachigen
Raum. Sie haben beachtliche Erfolge in den Charts gehabt, sind dort aber nicht
regelmäßig vertreten. Die Band hat ihrer ragionalen Agentur Extratours ihre
Tourneepläne offenbart. Extratours sucht nun für den vereinbarten Zeitraum
Veranstalter und koordiniert einen Tourneeplan. Für den Raum Hannover Braunschweig konnte der örtliche Veranstalter Hannover Concerts gefunden werden.
Hannover Concerts mietet für den Auftritt das Capitol, welches für 1.800 Besucher
Platz bietet. In diesem Fall muss Hannover Concerts die Kosten der Miete der Halle
sowie der Ton- und Lichttechnik, der Hotelunterbringung, des Caterings, des Personals
und der Werbung tragen. Extratours muss dagegen für die Kosten des Büros, des
eigenen Personals, welches unter anderem den Tourmanager der Band einschließt, für
Fahrzeuge sowie für Versicherung und Promotion aufkommen. Der von Hannover
35
vgl.: Köller, Achim: Concertbooking. Redigierte Mitschrift einer Ringvorlesung 2005/2006 am Institut
für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik und Theater Hannover.
In: Musikwirtschaft und Medien: Märkte - Unternehmen - Strategien. Hrsg. von Beate Schneider und
Stefan Weinacht. München, R. Fischer 2007: 202.
30
Concerts kalkulierte Eintrittspreis liegt bei 20 Euro. Das Konzert ist ausverkauft. Die
Einnahmen belaufen sich auf 36.000 Euro. Der geschlossene Vertrag zwischen
Extratours und Hannover Concerts sieht eine 60 zu 40 Teilung der Einnahmen vor.
Damit erhält die Agentur 21.600 Euro, zieht ihre Provision ab und zahlt die Band aus.
Die Happy erhalten ungefähr 15.000 Euro.
3.3. Die Organisation eines Konzertes
Bei der Organisation eines Konzertes sind die Faktoren Zeit, Material und Personal
Hauptbestandteil der Planung.
Dabei ist eine Veranstaltung von der Idee bis zum Abbau ein dynamisches Gebilde,
welches parallel auf mehreren Betrachtungsebenen dargestellt werden kann. Für die
Darstellung wurden die Ebenen Produktionsplanung, Personal und Material gewählt.
Abschließend erfolgt ein Blick auf die notwendigen Anträge und Genehmigungen, die
für ein Konzert in Deutschland erforderlich sind.
Mehr noch als bei der Zusammenarbeit der Akteure zeichnet sich die
Konzertorganisation durch ihre Vielfalt und ihren Ideenreichtum aus. Daher treffen die
Beschreibungen der folgenden Kapitel nicht auf jedes Konzert in gleichem Maße zu.
Grundlegend wurde von einem mehrtägigen Festival ausgegangen, da die
organisatorische Planung solcher Open-Air-Veranstaltungen sehr umfangreich ist. So
soll ein Überblick über die Strukturierung und die erforderlichen Elemente eines
Konzertes im Allgemeinen wie im Speziellen gegeben werden.
3.3.1. Produktionsplanung
Die Planung eines Konzertes kann in drei aufeinander folgende Phasen eingeteilt
werden. In der ersten Phase, der Konzeptionsphase, wird ein Gesamtkonzept inklusive
eines Zeitplans erstellt. Es folgt die Planungsphase, in der vor allem der Bedarf von
Material und Personal festgelegt wird. In der dritten Phase, der Vor-Ort-Phase, werden
Aufbau, Durchführung und Abbau koordiniert.
31
Konzeptionsphase
Die Konzeption eines Konzertes übernimmt in der Regel der Veranstalter. Besteht
bereits ein Vertrag mit einem Produktionsleiter, wird dieser zur Ausarbeitung des
Konzeptes mit einbezogen. Dies sorgt für Stabilität der Veranstaltung, da der
Produktionsleiter seine Arbeitsbedingungen in seinem Interesse mitgestalten kann.
In der Grundkonzeption sollten die Art der Veranstaltung sowie deren Thema und
Größenordnung geklärt werden. Dies schließt auch die Anzahl der zu erwartenden
Besucher sowie eine Zielgruppenbestimmung mit ein. Ist die gewünschte Zielgruppe
festgelegt, kann auch über eine Auswahl der gewünschten Künstler nachgedacht
werden.
Bei wiederkehrenden Ereignissen, etwa bei einem Festival, werden Künstler
entsprechend der Zielgruppe gesucht. Bekommt der Veranstalter den Auftrag, ein
Konzert für einen Künstler zu organisieren, wird das Grundkonzept den Wünsche des
Künstlers angepasst. Dies ist dann der Fall, wenn beispielsweise eine Agentur zum
Veranstalter wird.
In die Konzeption gehören auch die notwendigen Spezifikationen, eines idealen
Veranstaltungsortes, sowie die Dauer des Events, ein möglicher Termin und eventuelle
Ausweichtermine. Der vielleicht wichtigste Punkt in der Konzeptgestaltung ist die
Erstellung eines Finanzierungskonzeptes. Das vorhandene Budget wird in Teilbudgets
eingeteilt und muss die Gage der Künstler, die Produktionskosten und die örtlichen
Kosten decken.
Welche Anteile den einzelnen Posten zugesprochen werden, ist von der Art und der
Größe der Veranstaltung abhängig. Als Orientierung können circa 40 Prozent für das
Material, 30 Prozent für das Personal und 20 Prozent für die öffentlichen Kosten wie
Miete, Versicherung und Unterbringung gerechnet werden. Neben den Einzelbudgets
sollte immer ein Puffer in Höhe von zehn Prozent des Gesamtproduktionsbudgets
existieren.
Die Abbildung 5 zeigt ein Beispiel für einen ersten Budgetierungsplan.
32
Abbildung 5
Beispiel eines Budgetierungsplan für die Produktion36
Planungsphase
Wann mit der Planung begonnen werden sollte, hängt maßgeblich von der Größe der
Veranstaltung ab. Dabei gilt: Je größer das Produktionsvolumen, desto detaillierter die
Planungsschritte und desto eher muss mit der Umsetzung des Konzeptes begonnen
36
vgl.: Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 18.
vom Autor modifiziert.
33
werden. Bei einer zu erwartenden Konzertgröße von etwa 1.000 Gästen sind zwei
Monate, bei 50.000 Gästen etwa sechs Monate Vorlaufzeit nötig. Die einzelnen
Planungsschritte sind bei kleineren und größeren Konzerten gleich, nur die Zeitfenster
unterscheiden sich.
Im Grundkonzept wurden die nötigen Bedingungen für einen Veranstaltungsort bereits
ausgearbeitet. Das erste Auswahlkriterium ist die Kapazitätsgröße. Sie berechnet sich
aus der Personendichte und der Veranstaltungsfläche. Die Personendichte variiert
zwischen einem Gast pro Quadratmeter bei bestuhlten Veranstaltungen und zwei bis
vier Gästen pro Quadratmeter bei unbestuhlten Konzerten.37 Die Veranstaltungsfläche
ist die Grundfläche abzüglich der Bauten und gesperrten Bereiche.38
Bei der Wahl des richtigen Veranstaltungsortes sollten als nächstes die äußeren
Bedingungen betrachtet werden. Dazu zählen die demografische Lage des
Einzugsgebietes, sowie die Entfernung und Quantität der vorhandenen Infrastruktur.
Nicht nur Bahnhöfe des Regionalverkehrs, Zufahrtsstrassen und ausreichend Parkplätze,
sondern auch Polizei- und Rettungsstellen, Baumärkte und Versorgungsbetriebe
könnten wichtig werden. Während der Vor-Ort-Phase kann beispielsweise ein Baumarkt
Materialausfälle kompensieren. Wichtig ist auch die Anwohnersituation. In dicht
besiedelten Gebieten wird es Probleme geben, alle nötigen Genehmigungen von den
Ämtern zu erlangen. Außerdem könnten sich Anwohner durch die Lautstärke eines
Konzertes gestört fühlen.
Auch die Erschließung des Ortes ist von Bedeutung. Nicht vorhandene Wasser-, Stromund Telefonanschlüsse sowie Sanitäranlagen müssen mühsam und kostenintensiv
organisiert werden. Außerdem muss ein Veranstaltungsort genügend Platz für
Gastronomiestände und BACKSTAGEBEREICHE für Künstler und Crew bieten.
Beliebt für große Konzerte sind Fußballstadien oder Sportarenen.39 Sie sind ausgerichtet
für viele Besucher, verfügen über gute Anbindungen des öffentlichen Nahverkehrs und
37
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 24.
38
Maximalkapazität = Personendichte x Veranstaltungsfläche
= Personendichte x (Gesamtfläche – Bauten – gesperrte Bereiche)
39
Interview Fritz Rau
34
des Straßennetzes, bieten ausreichend Parkmöglichkeiten sowie Strom, Wasser und
Telefonanschlüße.
Die O2-World in Berlin liefert durch ihre Multifunktionalität vielleicht das schönste
Beispiel für die Eignung als Konzertveranstaltungsort und Sportstätte. In der 17.000
Zuschauer fassenden Arena wurden innerhalb der ersten drei Monate über 40
Veranstaltungen durchgeführt. Neben den Bundesligaspielen der Berliner Eishockeyund Basketballmannschaften waren es hauptsächlich Konzerte, welche die O2-World
füllten. Dabei wurde allein in die Akustik der Halle über eine Million Euro investiert.40
Investor und Besitzer der Erlebnis-Welt ist die Anschutz Entertainment Group, die
mitunter auch als Veranstalter fungiert.
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Spielstätten unterschiedlicher Größe. Gute
Open-Air Bedingungen bieten auch Bühnen deren Aufbau an ein Amphietheater
erinnert. Zu nennen sind die Waldbühne in Berlin, Ferropolis bei Gräfenhainichen oder
die Loreley-Bühne bei Wiesbaden. Allerdings ist die Konkurrenz zwischen den
Spielstättenbetreibern hoch und viele stehen an der Grenze zum wirtschaftlichen
Exitus.41 Dies liegt auch an den Budgetmöglichkeiten des Veranstalters. Die durchaus
gerechtfertigten Mietpreise der voll ausgestatteten Spielstätten zwingen den
Veranstalter oft nach Alternativen zu suchen.42
Der nächste Schritt innerhalb der Planungsphase betrifft die Technik und das Material.
Auf der Veranstaltungsfläche muss mit Hilfe des Grundrisses des Veranstaltungsortes,
des RIDERS der Künstler und des Budgets eine Bühne konzipiert werden.
Auch die Größe und Qualität der Licht- und Tonanlage wird jetzt geplant. Dieser Schritt
zeigt, welche Technik und Materialien noch benötigt werden und von externen Firmen
gekauft oder geliehen werden müssen. Bei einem Leihvertrag werden in der Regel 50
Prozent der Kosten mehrere Wochen im Voraus verlangt. Direkt nach Abbau wird dann
die zweite Hälfte des Mietpreises fällig.
40
Leue, Gunnar: Vor dem Ansturm. O2 World bereitet sich auf mehrtägiges Eröffnungsprogramm vor.
In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 50. Jg., 2008, Heft 29:
16.
41
Brill, Michael: Die Phantasie ist scheinbar unbegrenzt – MM-Gespräch mit Michael Brill, SMG
Deutschland. In: Musikmarkt special – spielstätten & ticketing. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG.
2005: 8f.
42
vgl.: Kapitel 5.4.
35
Die Personalplanung richtet sich an der Materialplanung und der im Grundkonzept
festgelegten Größe des Konzertes aus. Oft arbeiten die Produktionsleiter mit einem
festen Grundstock an Arbeitskräften. Diese haben den Vorteil, dass sie im eingespielten
Team schon Erfahrung gesammelt haben und schneller auf organisatorische
Überraschungen reagieren können. Einige Materialverleihfirmen haben auch kleine
Datenbanken mit geschultem Personal. Anbieter von Ordnungs- und
Sicherheitsdiensten stellen eigenes Personal. Personalvermittler helfen bei noch zu
besetzenden Stellen aus.
Sobald alle relevanten Informationen zum geplanten Konzert vorliegen, sollten die
nötigen Anträge43 bei den Behörden gestellt werden. Die Bearbeitungszeiten können bis
zu sechs Wochen betragen und sich verdoppeln wenn einige Unterlagen nachgefordert
oder korrigiert werden müssen. Bei jedem Amt ist es möglich, eine Auskunft über die
ungefähre Bearbeitungszeit zu erlangen. Zusätzlich kann im Vorfeld geklärt werden,
welche Unterlagen eingereicht werden müssen. Dies hilft, die Bearbeitungszeit zu
senken.
Ebenfalls muss den Behörden ein Plan vorliegen, aus dem die Anzahl notwendiger
Rettungskräfte und Brandschutzwachen hervorgeht. Vier Wochen vor dem Konzert
müssen auch Institutionen, wie die Feuerwehr und beispielsweise das Rote Kreuz eine
Anmeldung erhalten.
Während der Planungsphase sollte immer wieder mit der regionalen Agentur, welche
die Schnittstelle zwischen Künstler und Veranstalter ist, kommuniziert werden. Steht
das LINE-UP fest, sollte der Produktionsleiter die RIDER der auftretenden Bands erhalten.
Dieser beinhaltet unter anderem die Maßgaben und Wünsche der Künstler an die
Produktion und ermöglicht eine effizientere BACKLINE-Planung.
Bei großen Produktionen mit einer Vielzahl an Künstlern wird dieser Weg teilweise
umgekehrt. Hier wird den Künstlern ein GENERAL RIDER von der Produktion zugesandt.
In ihm werden die zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten sowie einige
organisatorische Angaben aufgelistet.
43
vgl.: Kapitel 3.3.4.
36
Die Genauigkeit in der Planungsphase bestimmt die Arbeitsbedingungen während der
Vor-Ort-Phase. Werden entscheidende Punkte vergessen oder nur ungenügend
durchdacht, droht Zeitverzug während des Aufbaus, was im schlimmsten Fall zur
Absage der Veranstaltung führen kann.
Die Vor-Ort-Phase kann in drei weitere Phasen unterteilt werden: dem Aufbau, der
Durchführung der Veranstaltung und dem Abbau.
Aufbauphase
Die Aufbauphase ist zeitlich klar definiert. Sie beginnt mit der Übergabe des
Veranstaltungsortes an die Produktion und endet mit dem Einlass der ersten Gäste auf
das Konzertgelände beziehungsweise in die Konzerthalle.
Vor Ort wird ein Produktionsbüro eingerichtet. Es dient bis zum Abbau als Zentrale für
den Führungsstab und dem Personalleiter.
Die Materiallieferungen sind zeitlich zu koordinieren und möglichst nahe am Einsatzort
zu entladen. Dabei ist zu beachten, dass die Lastkraftwagen problemlos von den
öffentlichen Straßen an die Entladungsstelle gelangen. Es ist einfacher auf dem Gelände
von innen nach außen zu entladen. So stehen die Materialien später nicht im Weg. Bei
jedem Entladungsvorgang sollten genügend Helfer und, wenn nötig, auch ein
Gabelstapler vorhanden sein. Ideal ist es, wenn gelieferte Materialien sofort aufgebaut
werden können. So stehen sie nicht im Weg herum und lassen schneller eine Struktur
am Veranstaltungsort erkennen. Absperrzäune, die rings um das Gelände positioniert
sind, bieten Sicherheit und sparen einen Teil des Ordnungspersonals ein, das ansonsten
den Bauschutz übernehmen müsste.
Wie viel Zeit für den Bühnenaufbau eingeplant werden muss, kann beim Hersteller
erfragt werden. Steht die Bühne, kann die Bühnentechnik montiert werden. Ton- und
Lichttechniker können den Einbau parallel durchführen.
Zuletzt werden die Merchandisingstände postiert und wenn alle Kleinarbeiten erledigt
sind, muss das Gelände gereinigt und vom überflüssigen Material befreit werden.
37
Danach erfolgt die Abnahme der behördlichen Auflagen durch einen Mitarbeiter des
zuständigen Ordnungsamtes.
Zum Ende der Aufbauphase treffen immer mehr Personalgruppen ein. Es werden Pässe
und weitere Funkgeräte ausgegeben. Hinzu kommt ein finales Briefing aller beteiligten
Bereichsleiter. Die Künstler sind in der Regel schon da und führen ihren Soundcheck
durch.
Wenn es das Budget zulässt, können auch noch Pufferzeiten eingeplant werden. Je nach
Produktionsgröße und Personalzahl können diese aber sehr teuer und damit
unverhältnismäßig werden. Eine gute Planung im Vorfeld und Improvisationstalent sind
für den pünktlichen Abschluss des Aufbaus zwingende Voraussetzung.
Veranstaltungsphase
Der Einlassbeginn der Gäste markiert sogleich den Beginn der Veranstaltungsphase.
Dieser kann sich leicht verzögern, wenn zum Beispiel der Soundcheck noch nicht
abgeschlossen ist oder die Sicherheitskräfte noch nicht auf ihren Posten sind.
Das Kommando DOORS-OPEN wird vom Produktionsleiter gegeben. Zwischen dem
Einlassbeginn und dem Auftritt des ersten Künstlers sollte genügend Zeit sein, damit
sich die Besucher vor der Bühne sammeln können. Viele erkunden das Gelände und
suchen den Gastronomiebereich auf.
Das Konzert sollte pünktlich beginnen und während des ersten Auftrittes arbeitet die
Bühnencrew bereits an dem Aufbau der BACKLINE für den nächsten Künstler. Die
Dauer der Umbauphasen und die Einhaltung der Auftrittszeit sind entscheidend für den
Zeitplan. Ist dieser einmal in Verzug, ist es so gut wie unmöglich, die verlorene Zeit
wieder einzuholen.
Neben den Zusatzkosten, die durch die längeren Arbeitszeiten beim Personal entstehen,
sind es vor allem die behördlichen Auflagen, welche die Einhaltung des Zeitplans
erfordern. Ein Konzertabbruch wegen Ruhestörung wird beim Künstler wie auch bei
den Besuchern eine negative Erinnerung hinterlassen.
38
Während der Veranstaltungsphase sollte der Produktionsleiter so oft wie möglich im
Produktionsbüro sein und anfallende Probleme an seine Mitarbeiter delegieren. Seine
wichtigste Aufgabe ist es den Überblick zu behalten und auftretende Probleme zügig
beheben zu lassen.
Nachdem der letzte Künstler von der Bühne gegangen ist, dauert es eine Weile, bis auch
die letzten Besucher gegangen sind. Das Gelände muss jetzt bis zum vollständigen
Abbau durch den Ordnungsdienst gesichert werden. Bei mehrtägigen Veranstaltungen
sind Nachtwachen für Bühne, Technik, BACKSTAGE und an den Gastronomieständen zu
postieren. Bei Open-Air-Veranstaltungen sind diese Bereiche vor der Witterung zu
schützen. Absenkbare Bühnendächer und Regenplanen verursachen zusätzliche Kosten.
Viele Veranstaltungen werden für einen Zeitrahmen geplant, der ein Einschichtsystem
beim Personal vorsieht. Sollte die Veranstaltungsphase zu lang sein, bedarf es
zusätzlichen Personals. Dies kann auch geschehen, wenn die Aufbauphase zu kurz
geplant ist und zusätzlich nachts gearbeitet werden muss. In beiden Fällen kosten die
Schichtübergaben viel Zeit, da die neuen Arbeitskräfte ebenfalls eingewiesen werden
müssen.
Abbauphase
Der Abbau kann mit dem Verlassen des letzten Gastes und der Sicherung des
Veranstaltungsgeländes beginnen. Dazu wird der Aufbauplan in umgekehrter
Reihenfolge durchgegangen. Es wird sozusagen von außen nach innen abtransportiert.
Der Abbau dauert ungefähr ein Drittel der Aufbauzeit.45 Ist das gesamte
Produktionsmaterial geräumt, wird der Veranstaltungsort gereinigt. Wird dabei keine
Firma engagiert, müssen genügend Reinigungskräfte und -material vorhanden sein.
Auch um einen Ort für die Entsorgung des angefallenen Mülls muss sich gekümmert
werden.
Ist das Gelände geräumt und gereinigt, kann die Übergabe an den Vermieter erfolgen.
Bei Schäden ist ein Protokoll mit Bilddokumentation anzufertigen, um Anspruch auf
Versicherungsschutz geltend zu machen.
45
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 154.
39
3.3.2. Personal
Die Personalstruktur bei einer Konzertproduktion kann auf unterschiedliche Weise
gebildet werden.
Der Produktionsleiter ist für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung
verantwortlich und alle Aufgaben, die er nicht delegiert, fallen auf ihn zurück.
Deswegen wird die Hierarchie innerhalb des Personals pyramidenförmig aufgebaut.
Jedem Produktionsbereich wird ein Leiter zugeteilt. So ist beispielsweise der
Sicherheitschef ausschließlich für das Personal des Ordnungsdienstes verantwortlich.
Zu den Vorteilen einer solchen Struktur gehört, dass der Produktionsleiter die
Gesamtstruktur besser überblicken und sich um grundsätzliche Dinge kümmern kann,
da für die Einweisung der Arbeitskräfte sowie die Behebung von Problemen die
Bereichsleiter verantwortlich sind. Ein Nachteil liegt in der Aufteilung der Bereiche. Es
können sich Überschneidungen ergeben. Ist die Struktur zu verzweigt droht zusätzlich
die Gefahr, dass Informationen und Anweisungen verloren gehen oder ungenau werden.
Um eine schnelle und einfache Kommunikation zu gewährleisten, werden Funkgeräte
ausgeteilt. Einige Funkanlagen ermöglichen die Aufteilung in verschiedene Kanäle.
Dabei wird für den Ordnungsdienst und den Gastronomiebereich je ein separater Kanal
verwendet. Der Produktionsleiter hört alle Kanäle mit und kann über das Funkgerät
auch alle Bereichsleiter erreichen.
Ähnlich wie die Funkkanalzuweisungen funktionieren die Pässe. Jeder Mitarbeiter
erhält einen Pass. Dieser dient der Identifizierung und den Zugangsrechten für die
verschiedenen Bereiche des Geländes. Die Pässe werden in der Regel in Security, Artist,
Presse, Crew, Gastronomie, Stand und Alle Bereiche aufgeteilt, so dass nur
zugangsberechtigte Personen die jeweiligen Zonen betreten können. So kann sich
beispielsweise ein Techniker beim Bühnenzugang ausweisen und Einlass in den
BACKSTAGEBEREICH erhalten.
Die Aufteilung der Bereiche und die Anzahl des benötigten Personals hängen von der
Größe und Art der Veranstaltung ab. Bei Heinze ist ein Überblick über eine prozentuale
40
Personalverteilung zu finden,46 welche zwar nicht repräsentativ ist, aber eine
Orientierung gibt. Dabei enthält der Führungsstab, in dem auch der Produktionsleiter
agiert, rund zehn Prozent der gesamten Personalstärke. 30 Prozent gehen an Techniker
und deren Mitarbeiter, rund 20 Prozent des Personals besteht aus Kräften des
Ordnungsdienstes. Eine ähnliche Größe erreicht die Personalstärke der Gastronomie. 15
Prozent sind Helfer und die verbleibenden fünf Prozent werden durch Rettungskräfte
wie Feuerwehr und Sanitäter besetzt.
Die folgende Abbildung zeigt diese Personalverteilung und ein Beispiel für die
Zuordnung der einzelnen Bereiche.
46
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 113.
41
Abbildung 6
Personalstruktur bei der Durchführung eines Konzertes47
Produktionsassistenz
Die Produktionsassistenz arbeitet direkt dem Produktionsleiter zu. Bei großen
Konzerten gehört sie seit der Planungsphase in das unmittelbare Team des
Produktionsleiters. Zu den Aufgabenbereichen gehören die Datenverwaltung und die
Büroorganisation, Schreibarbeiten, Berechnungen und das Einholen von
Kostenvoranschlägen. Die Assistenz kann auch ganze Bereiche übernehmen, wobei die
47
Abbildung vom Autor erstellt.
42
Haftung und die Vertretungsrechte, die dem Produktionsleiter vom Veranstalter
übertragen wurden, in der Verantwortung des Produktionsleiters bleiben. Die
Bezahlung eines Assistenten ist frei verhandelbar und hängt von dessen Erfahrungen
und dem vereinbarten Arbeitsumfang ab.
Stagemanager
Der STAGEMANAGER ist für die Bühne verantwortlich. Dabei sollte bei Veranstaltungen
mit mehreren Bühnen jede Bühne ihren eigenen STAGEMANGER haben. Seine wichtigste
Aufgabe ist die Einhaltung des Zeitplans durch zügige Umbaupausen. Dazu koordiniert
er seine Helfer und die Techniker, die für das Licht und den Klang, auf und vor der
Bühne, zuständig sind. Ebenso benötigt er Fachwissen bezüglich Equipment und
Mikrophonierung. Ein guter STAGEMANAGER regelt die Geschehnisse und klärt alle
Probleme auf der Bühne. Er kann den Produktionsleiter dadurch entlasten und wird mit
einem Tagessatz in Höhe von 300 bis 600 Euro, ähnlich wie dieser, entlohnt.
Techniker
Die Techniker unterteilen sich in Ton- und Lichttechnik. Bei der Tontechnik sind der
FOH-TECHNIKER und der Techniker für den MONITORMIX zu nennen. FOH steht für
FRONT OF HOUSE und bezeichnet, im Gegensatz zu BACKSTAGE, den gesamten Bereich
vor der Bühne. Der FOH-TECHNIKER ist also für den Klang der Tonanlage im
Zuschauerraum verantwortlich. Mit FOH ist während einer Produktion meist nur der
abgesperrte Bereich gemeint, welcher neben dem Mischpult für den Ton auch die
Steuerung für das Licht beinhaltet. Neben dem FOH-TONTECHNIKER gibt es bei
größeren Produktionen noch einen Bühnen- oder MONITORMISCHER. Er ist nur für den
Klang auf der Bühne verantwortlich und versucht die individuellen Wünsche der
Musiker zu erfüllen.
Der Lichttechniker ist für die Einleuchtung der Bühne und die Lichteffekte während der
Show verantwortlich. Oft werden die Techniker zusammen mit der Anlage vermietet.
Viele Bands bringen ihr eigenes Personal mit, welche für die Zeit des Soundchecks und
der Auftrittszeit die Aufgaben der Techniker übernehmen. Bei großen Produktionen
wird das Konzert auf Videoleinwänden übertragen. Zusätzlich können
Videoeinspielungen in die Show integriert werden. Dafür sind wiederum eigene
43
Techniker verantwortlich, die neben den Anweisungen für das Kamerateam auch den
Schnitt koordinieren. Techniker werden nach Tagessätzen ab 200 Euro bezahlt.
Hands
Erfahrene Helfer mit handwerklichen und technischen Fähigkeiten werden als HANDS
bezeichnet. Es wird zwischen den STAGEHANDS und der SIDECREW unterschieden.
Die STAGEHANDS arbeiten während der Veranstaltung direkt an oder auf der Bühne. Sie
helfen den Technikern und dem STAGMANAGER.
Die SIDECREW ist vor allem während des Auf- und des Abbaus tätig. Sie übernehmen
die meist körperlich anstrengenden Bauarbeiten, die für die Produktion notwendig
werden. Dies beinhaltet das Be- und Entladen von Produktionsmaterial, den Auf- und
Abbau der Bühne und der Technik und die Montage sämtlicher Hardware. Der Bereich
der SIDECREW wird von einem HANDCHEF geleitet, der direkt mit dem Produktionsleiter
in Kotakt steht. HANDTEAMS können über Agenturen gebucht werden. Ihr Stundensatz
pro Arbeitskraft liegt zwischen zehn und dreißig Euro.
Rigger
Rigger sind Fachkräfte, die den Traversenbau übernehmen. Sie arbeiten eng mit dem
Lichttechnikern zusammen. Aber auch fliegende Boxen werden von Riggern
aufgehangen. Sie müssen sich mit der Ton- und Lichttechnik sowie der Bühnenstatik
auskennen. Oft agieren einige Rigger gleichzeitig als HANDS. Sie werden allerdings
höher entlohnt. Tagessätze ab 150 Euro sind üblich.
Elektriker
Das Stromteam besteht aus einem Stromchef und einigen fachkundigen Kräften aus
dem Bereich der Elektrik. Sie kümmern sich um die Energieversorgung der gesamten
Produktion. Der Stromchef sollte gelernter Elektroingenieur sein oder eine
vergleichbare Ausbildung haben.
Nicht bei jeder Produktion ist ein Stromteam notwendig. Dies hängt von der
Komplexität der Energieverhältnisse und dem Verbrauch der Veranstaltung ab. Eigen
44
akquiriertes Personal ist dabei meist erheblich günstiger, als die Bestellung bei einer
Firma.
Ordnungsdienst
Der Ordnungsdienst sorgt für die Sicherheit während des Konzertes. Neben autoritärem
Auftreten gehört das Erkennen und frühzeitige Unterbinden von Konfliktsituationen zu
den Grundvoraussetzungen eines guten Ordnungsdienstes.
Die Sicherheitskräfte sind für die Einlasskontrolle verantwortlich. Sie bewachen die
gesperrten Bereiche und überprüfen die Pässe des Personals. Ihre Präsenz schreckt vor
Gewalttaten, Diebstählen und Drogenkonsum ab. Patrouillierende Sicherheitskräfte
können das ganze Veranstaltungsgelände überwachen und Unregelmäßigkeiten schnell
über Funk kommunizieren.
Neben dem Einlass sollten auch immer an der Bühne, dem Produktionsbüro, der
Technik, den VIP-Bereich, an den Lagerräumen und im BACKSTAGEBEREICH genügend
Sicherheitskräfte positioniert sein. Diese Grundposten sind durchgehend zu besetzen.
Im schlimmsten Fall ist der Ordnungsdienst für die Bekämpfung von Ausschreitungen
verantwortlich.
Es wird ungefähr eine Fachkraft für 100 Gäste benötigt.48 Dabei ist dieser Richtwert
von der Gesamtgröße der Produktion abhängig. Durch die notwendige Besetzung der
Grundposten steigt der Wert bei kleineren Veranstaltungen und sinkt bei Größeren.
Der gesamte Ordnungsdienst wird von einem Einsatzleiter befehligt. Dieser gibt seine
Anweisungen an die Teamleiter, von denen jeder ungefähr zehn Kräfte koordiniert. Der
Stundensatz einer Sicherheitskraft liegt zwischen zehn und vierzig Euro.49
Künstlerbetreuer
Der Künstlerbetreuer sorgt sich ausschließlich um das Wohlergehen der ihm zugeteilten
Künstler. Er geleitet den Künstler pünktlich zur Bühne und kümmert sich um den
48
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 119.
49
ebd.
45
BACKSTAGERAUM, das CATERING und um spezielle Wünsche. Personal, welches für die
Betreuung der Künstler zuständig ist, sollte im Service geschult sein und gute
Sprachkenntnisse besitzen.
Runner
RUNNER erledigen die Arbeit eines Kuriers. Vor allem der Transport von
Kleinmaterialien und Dokumenten gehört zu ihrem Aufgabenbereich.
Neben Materialtransporten können RUNNER auch als Chauffeurdienst eingesetzt
werden. Die Vorraussetzungen für RUNNER sind der Besitz eines gültigen Führerscheins
und Ortskenntnisse. RUNNER werden mit zehn bis dreißig Euro die Stunde plus einer
Nutzungsgebühr, für den Fall dass sie mit ihrem Privatauto fahren, entlohnt.
Gastronomie
Der gastronomische Bereich läuft meist autark. Er ist unterteilt in das BACKSTAGECATERING und die Kundengastronomie.
Weitere Kräfte, die sich durch ihre Bezeichnung erklären, sind Rettungskräfte wie
Feuerwehr und Sanitäter, das Kassenpersonal, die Verkäufer an den Ständen für das
Merchandise, der Hostessservice für Sponsoren und VIP, Parkplatzeinweiser, die
zusammen mit den Zeltplatzpersonal zum Bereich OUTDOOR zählen, Garderobiere
sowie der Pressechef.
Während der Auf- und der Abbauphase gibt es noch weitere Arbeitskräfte. Etwa den
Bereichsleiter für den Fuhrpark, die Fahrer, ein Dekorationsteam und ein
Reinigungsteam.
Die Kosten für das Personal sollten ein Drittel der Produktionskosten nicht übersteigen.
Zu den Lohnkosten kommen noch die Mehrwertsteuer und die Cateringkosten hinzu.
Bei den professionellen Kräften fallen oftmals noch Hotel- und Transportkosten an.
Viele Agenturen und Profis werden im Voraus bezahlt.
46
3.3.3. Material
Bühne
Die Bühne steht im Mittelpunkt jedes Konzertes. Allerdings hat nicht jeder
Veranstaltungsort eine fest installierte Bühne parat. Darum gehört die Beschaffung der
Bühnentechnik auch in die Materialplanung.
Die Größe der zu installierenden Bühne hängt von den Anforderungen der Künstler und
dem vorhandenen Platz ab. Bei der Einmessung müssen Unebenheiten sowie die
eventuelle Neigungen des Bodens beachtet werden. Auch die Beschaffenheit des
Bodens kann beim Bühnenbau erhebliche Schwierigkeiten verursachen. Bei weichen
oder sandigen Böden kann die Bühne wegsacken und ist dann nicht mehr bespielbar. Im
Notfall muss der Boden vor dem Bühnenaufbau mit Beton- oder Stahlplatten ausgelegt
werden.
Zur Dimensionierung der Bühne gehört neben der Breite und Länge auch die Höhe
sowie die Art und Größe der Überdachung. Es gibt verschiedene Konstruktionssysteme:
Das Baukasten- und das Komplettprinzip.
Beim Baukastenprinzip werden Einzelelemente nach belieben kombiniert. Ein
Grundelement besteht aus einer zwei Quadratmeter großen Platte, die mittels variablen
Füßen auf die gewünschte Höhe gebracht werden kann. Von diesen Platten können
dann beliebig viele miteinander verschraubt werden. Die Vorteile dieses Systems sind
die modulare Bauweise, welche die einfache Montage von zusätzlichen Podesten und
Stegen ermöglicht und der einfachere Transport. Zusätzlich können mit diesem System
auch Tribünen für die Zuschauer oder ein erhöhter Platz für Rollstuhlfahrer errichtet
werden.
Bei dem Komplettsystem wird ein bestimmter Bühnentyp in Einzelteilen geliefert und
vor Ort wie ein Gerüst aufgebaut. Der Transport und der Aufbau sind meist
komplizierter, dafür sind diese Bühnen sehr stabil. Durch die vorgegebenen
Bühnengrößen ist eine Anpassung an die Platzbedingungen vor Ort nicht mehr möglich.
Zusammen mit der Bühne wird ein Bühnenbauer vermietet. Dieser kann schon bei der
Planung konsultiert werden und eine genaue Einschätzung, über Aufwand und Zeit für
47
den Bau geben. Er kennt auch die im Bühnenbuch geführten Aufbaurichtlinien und
Sicherheitshinweise.
Das Bühnenbuch enthält ebenfalls Angaben über die Statik der Bühne und muss auf
Verlangen dem Ordnungsamt vorgelegt werden.
Steht die Bühne, können Licht- und Tontechnik installiert werden.
Tontechnik
Die Tontechnik für ein Konzert setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Die
meisten Mietkosten verursachen Verstärker, Boxen, Mischpult und MONITORANLAGE.
Hinzu kommen unzählige Kabel, Mikrophonierung und Effektgeräte.
Boxen und Verstärker werden als PA bezeichnet. PA steht für ´Public Address`,50 wird
aber auch als Abkürzung für ´Power Amplifier` genutzt. Die benötigte
Verstärkerleistung hängt von der Größe des zu beschallenden Geländes ab. Bei OpenAir-Veranstaltungen wird ein höherer Schalldruck von etwa 20 Watt pro Person
benötigt.51
Zur Verbesserung der Klangqualität werden bei großen Veranstaltungen LINE ARRAYS
und DELAY-LINIEN verwendet.
Bei LINE ARRAYS werden die MITTEL- und HOCHTÖNER übereinander und mit einem
bestimmten Abstrahlwinkel zum Publikum positioniert. Dies geschieht meist über eine
fliegende Konstruktion, die nur von Spezialisten montiert werden kann. Der Vorteil der
LINE ARRAYS liegt in der Charakteristik der abgestrahlten akustischen Wellen. Der
Raum vor der Bühne wird, im Gegensatz zu nebeneinander positionierten Boxen,
gleichmäßiger beschallt.52
50
Pieper, Frank: Das P.A. Handbuch – praktische Einführung in die professionelle Beschallungstechnik.
3. Aufl. München, GC Carstensen 2005: 37.
51
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 81.
52
vgl.: Goertz, Anselm: Theoretische Grundlagen und die praktischen Anwendung von Line-Arrays in
der Beschallungstechnik und ihre Berücksichtigung in Simulationsprogrammen.
http://www.anselmgoertz.de/Page10383/Anselm_Goertz_dt/Veroffentlichungen_dt/Cavis2002Goertz.PDF. Zuletzt besucht am 22. Januar 2009.
48
Bei der Umsetzung von DELAY–LINIEN werden zusätzliche Boxen mit einem größeren
Abstand zur Bühne montiert. Dies ist bei großen Veranstaltungsorten notwendig, um
die zeitliche Verzögerung des Schalls über größere Entfernungen auszugleichen.
Ebenso können in großen Hallen ungewünschte Raumreflexionen mit DELAYBOXEN
unterdrückt werden.
Ein großer Vorteil, bei einem Konzert mit DELAY-LINIEN, ist die gleichmäßigere
Beschallung des Publikums. Durch die verschiedenen Beschallungspunkte kann die
Gesamtlautstärke reduziert werden. Für alle Zuhörer herrschen dadurch in etwa gleiche
Lautstärke und gleicher Klang.
Lichttechnik
Während die Tontechnik an die Größe der Veranstaltung angepasst werden muss, kann
die Lichttechnik in Größe und Ausstattung stark variieren.
Bei Veranstaltungen im Freien und am Tag werden die Effekte der Lichtanlage kaum
wahrgenommen. Kommt die Lichttechnik aber zur vollen Geltung, wird sie die
emotionalen Momente eines Konzertes verstärken und zum Veranstaltungserfolg
beitragen.
Das Maß der benötigten Lichttechnik ist nicht nur vom Budget abhängig, sondern
oftmals auch eine Frage des persönlichen Geschmacks. Bei einer Grundbeleuchtung
werden nur wenige statische Lampen in Position gebracht, hingegen kann ein
Beleuchtungskonzept, welches die technischen Möglichkeiten nahezu ausschöpft, die
künstlerisch-musikalische Darbietung stören.
Unbedingt muss der Stromverbrauch der Lichttechnik beachtet werden. Daher sollte
neben dem Lichttechniker auch der Bereichsleiter für den Strom bei der Planung zu
Rate gezogen werden.
Eine einfache Lichttechnik besteht aus mehreren PAR-LEUCHTEN und einem Mischpult.
PAR-LEUCHTEN können nach ihrer Leistung und ihrer Charakteristik beschrieben
werden. Dabei reicht das Spektrum von SPOT bis FLOOD mit bis zu 1000W. Ein SPOT
ist ein Lichtstrahl, der nur einen kleinen Ausschnitt, meist den Künstler ins richtige
Licht setzt. FLOODS ´überfluten` die Bühne mit ihrem Lichtstrahl. PAR-LEUCHTEN
besitzen eine Halterung für hitzebeständige Folien. Werden bunte Folien vor die
49
Lampen gesetzt ist eine Beleuchtung mit unterschiedlichen Farben möglich. Die
Steuerung der Lichttechnik geschieht über die Dimmerpulte, die mit Schiebereglern die
Möglichkeit haben, jede Lichtgruppe in ihrer Stärke zu variieren.
Aufwendiger ist die Bedienung von MOVING LIGHTS. Dabei handelt es sich um
Lampen, die Lichter aller Farben in verschiedenen Winkeln abstrahlen und über ein
Lichtpult bedient werden können. Bewegliche SPOTS, Nebelmaschinen und
STROBOSKOP gehören ebenfalls zum Repertoire eines ausgeklügelten Lichtkonzeptes.
Auch Lasershows und Pyrotechnik werden bei einigen Konzerten eingesetzt. Diese
Aspekte eines Konzertes müssen ebenfalls von Fachleuten gesteuert und vom
Lichttechniker koordiniert werden.
Neben der Bühnenbeleuchtung ist auf dem ganzen Veranstaltungsgelände auch eine
ausreichende Grundbeleuchtung notwendig. Diese, wie auch die Notbeleuchtung,
müssen auch in das Konzept der Lichttechnik eingebaut werden.
Fuhrpark
Je nach Größe des geplanten Konzertes sind verschiedene Fahrzeuge notwendig.
Bei kleinen Veranstaltungen reichen meist die privaten PKW um Kleinmaterialien,
Dokumente und Personen zu transportieren. Oft sind auch Kleintransporter hilfreich.
Sie können kleine Tonanlagen oder auch Personengruppen befördern.
Bei großen Produktionen werden für Bühne und Anlage das Ladevolumen von LKW
benötigt. Ebenfalls unerlässlich bei größeren Produktionen sind Gabelstapler und
Arbeitsbühnen. Diese Fahrzeuge können nur durch ausgebildete Fahrer bedient werden.
Unter den HANDS ist es üblich, dass einige einen Gabelstapler-Schein besitzen.
Dennoch müssen Lastkraftfahrer meist separat angefordert werden.
Container
Container bieten sich als zusätzliche Räume wie zum Beispiel als Produktionsbüro,
Arbeitsraum, Kassenhäuschen, Materiallager oder Sanitäreinrichtung an.
50
Je nach Verwendung benötigen die Container Strom- und Wasseranschlüsse, die
zusätzlich zu planen sind. Stromaggregate, Wasserpumpen und -tanks und die
Verbrauchskosten sind in der Kostenplanung zu kalkulieren.
Für den Sanitärbereich einer Eintagesveranstaltung kommen Mobiltoiletten zum
Einsatz. Sie sind durch ihr geringes Gewicht und die schmalen Abmaße leicht zu
platzieren und benötigen durch ihre Trocken-Chemie Lösung, keine Anschlüsse. Eine
Damen- und eine Herrentoilette für je einhundert Besucher gelten als ausreichend.
Zäune
Zäune dienen zum Absperren verschiedener Flächen. Mit Hilfe von Bauzäunen können
große Bereiche kostengünstig voneinander abgetrennt werden. Neben den Bauzäunen
gibt es auch noch eine zweite Art von Zäunen: die Barricades. Barricades sind schwere
Absperrungen mit nur einem Meter Höhe. Sie werden zum Errichten des Bühnengraben
oder eines Wellenbrechers eingesetzt. Sie sind durch ihr Gewicht schwerer zu platzieren
und verursachen höhere Mietkosten.
Funk
Funkgeräte dienen der veranstaltungsinternen Kommunikation. Dabei sollte der
Produktionsleiter und dessen Assistenz, der STAGEMANAGER, die Bereichsleiter, jede
zweite Sicherheitskraft, die Künstlerbetreuer und je ein Vertreter der Rettungskräfte
über Funk in Verbindung stehen.
Bei größeren Veranstaltungen sollten mehrere Funkkanäle geschaltet werden. So kann
beispielsweise je ein Kanal für den Ordnungsdienst, den Gastronomiebereich und die
Produktion benutzt werden. Jedem Kanal wird eine Funkfrequenz zugewiesen. Die
Frequenzen werden vom Verleiher beantragt. Die Zuweisung dauert mehrere Tage,
daher ist die rechtzeitige Bestellung von Funkgeräten mit in die Planung einzubeziehen.
Der Tagessatz für die Miete eines Gerätes liegt zwischen fünf und zehn Euro.
Je nach Veranstaltungsort sind weitere Materialien notwendig. So können mit Zelten
weitere Räumlichkeiten geschaffen werden. Je nach Jahreszeit sind Heiztechnik oder
Klimageräte notwendig. Küchentechnik erleichtert das Catering. Pässe für verschiedene
51
Zugangsbereiche müssen ebenso vorhanden sein, wie jede Menge an Kleinmaterialien
vom Werkzeug bis zum Aschenbecher, dessen Auflistung hier nicht weiter fortgeführt
werden soll.
3.3.4. Ämter und Behörden
Bei jedem Konzert sind Richtlinien und Gesetze zu beachten, welche regional sehr
unterschiedlich sein können. Einige Grundlagen sollen trotz der lokalen Unterschiede
dennoch dargestellt werden.
Eine allgemeine Veranstaltungserlaubnis ist die Grundvoraussetzung für die
Durchführung eines Konzertes. Diese kann beim Ordnungsamt beantragt werden. Auf
jeden Antrag gehören bestimmte Grundangaben, dazu zählen Name, Datum und Ort der
Veranstaltung, außerdem die Anschrift des Veranstalters sowie die erwartete
Besucherzahl.
Neben der allgemeinen Veranstaltererlaubnis ist das Ordnungsamt auch für die
Besucherzahlbegrenzung, die Sicherheitsauflagen, die Prüfung der Gesamtkonzeption,
der Stellflächen und die Toilettenanzahl verantwortlich. Beim Ordnungsamt werden die
Sonderanträge für die Überschreitung der Schallgrenzwerte und der zulässigen
Spielzeiten gestellt.
Das Bauordnungsamt ist für die Errichtung der Bühne zuständig. Auch Zelte und andere
fliegende Bauten sowie die dazugehörigen Sicherheitsauflagen unterliegen dem
Bauordnungsamt.
Bei der Nutzung von öffentlichen Flächen muss das Grünflächenamt aufgesucht werden
und für den Fall notwendiger Straßensperrungen, Umleitungen oder
Neuausschilderungen ist das Verkehrsamt zuständig.
Alle Ämter benötigen eine Bearbeitungszeit von mehreren Wochen. Wird eine große
Veranstaltung geplant, bei der viele Ämter konsultiert werden müssen, lohnt es sich, ein
Treffen zwischen Veranstalter, Produktionsleiter und Vertretern aller beteiligten
Behörden einzuberufen. Dies spart Zeit und kann helfen, mögliche Probleme frühzeitig
zu erkennen.
52
Brand- und Lärmschutz
Die Brandschutzrichtlinien bestimmen die zu erfüllenden Auflagen für ein Konzert.
Diese sind abhängig von der Art und Größe des Konzerts. So sind die
Brandschutzbestimmungen bei Hallen- oder Clubkonzerten strenger als bei
Freiluftveranstaltungen.
Meist wird ein Brandschutzkonzept verlangt. Dieses muss unter anderem einen
Rettungswegplan mit ausreichender Beschilderung, eine Kennzeichnung aller nötigen
Feuerlöscher, die Positionierung der Feuerwehrkräfte und ein Notbeleuchtungsplan
beinhalten. Dabei ist die Verwendung von schwer entflammbaren Materialen und
Baustoffen vorgesehen. Erhebliche zusätzliche Kosten können entstehen, wenn ein
Brandschutzgutachter eingesetzt werden muss.
Die Lärmminderungsplanung wird im Bundesimmissionsschutzgesetz geregelt. Dort
werden die einzelnen Gemeinden und Behörden für die Regelung des Lärmschutzes
beauftragt.53
Prinzipiell gilt zwischen 22 Uhr abends und sechs Uhr morgens die Nachtruhe.
Während der Nachtruhe darf der Schalldruck einen halben Meter vor dem nächsten
bewohnten Haus 45 Dezibel nicht überschreiten. Beim Ordnungsamt kann ein
Sonderantrag auf eine höhere Schallabstrahlung während der Nachtruhe, gestellt
werden.
Der Innenschallpegel darf 110 Dezibel nicht überschreiten. Ein höherer Schalldruck
kann gesundheitsschädigend sein und neben Kopfschmerzen und Übelkeit auch zu
bleibenden Hörschäden führen.
Rettungskräfte
Wurde eine Veranstaltungserlaubnis erteilt, werden Polizei und Feuerwehr, in der Regel
vom Ordnungsamt, informiert. Zusätzlich müssen ausreichend Sanitäter während der
Veranstaltung vor Ort sein.
53
Die Gemeinden erarbeiten ihre Regelung des Lärmschutzes nach dem Gesetz zum Schutz vor
schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche
Vorgänge. Sechster Teil – Lärmminderungsplan.
53
Das Brandschutzamt legt das Aufgebot fest, welches von der örtlichen Feuerwehr
mindestens gestellt sein muss. Diese Anzahl an benötigten Feuerwehrpersonal und
Fahrzeugen muss bei der Feuerwehr angefordert werden. Die Kosten einer Brandwache
liegen zwischen acht und zwanzig Euro pro Einsatzstunde. Fahrzeuge der Feuerwehr
können mehrere hundert Euro pro Stunde kosten.54
Die sanitätsdienstliche Absicherung liegt in der Verantwortung des Veranstalters und
muss konzeptionell dem Ordnungsamt vorgestellt werden. Ersthelfer, Notärzte und
Krankentransportwagen können beim Roten Kreuz, Johannitern, Maltesern oder dem
Arbeiter-Samariter-Bund gemietet werden. Die Kosten variieren zwischen den
Vereinen. Nach welchen Entscheidungskriterien die Größe der sanitätsdienstlichen
Absicherung erfolgt, stellt Heinze in einem Punktemodell dar. Bei einem Open-Air
Rockkonzert mit 10.000 erwarteten Besuchern sind nach diesem Modell ein Notarzt,
zwei Rettungswagen, drei Krankentransportwagen und 20 Sanitäter notwendig.55
Die Polizei sollte in jedem Fall verständigt werden. Geschieht dies nicht über das
Ordnungsamt genügt ein Fax. Im Gegensatz zur Feuerwehr oder den Sanitätern kann
die Polizei nicht bestellt werden. Vielmehr entscheidet das zuständige Präsidium über
die Präsenz von Polizeikräften. Die Kosten werden dem Veranstalter nicht auferlegt.
Gastronomie
Die Konzession für den gastronomischen Betrieb wird vom Gewerbeamt erteilt. Den
Antrag kann nur eine Person stellen, die durch die Industrie- und Handelskammer im
Umgang mit Lebensmitteln unterrichtet wurde. Daher wird der Antrag meist in
Vertretung des Gastronomiebetriebes, welcher für die Veranstaltung gemietet wurde,
gestellt. Zu beachten sind die Gewerbeordnung, das Gaststättengesetz, das
Bundesseuchengesetz und die lebensmittelhygienischen Vorschriften. Außerdem
müssen alle Mitarbeiter des Gastronomiebereiches ihren Gesundheitsausweis mitführen.
54
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
technisches und wirtschaftliches Know-how. Bergkirchen, PPVMedien 2003: 56
55
ebd.: 62.
54
Amtliche Abnahme
Die amtliche Abnahme sollte am Ende der Aufbauphase stattfinden. Meistens müssen
Vertreter der Polizei und Feuerwehr, des Ordnungs-, Bauordnungs- und Hygieneamtes
anwesend sein. Dabei sind alle Brandschutzmaßnahmen, Fluchtwege und
Zufahrtskonzepte zu erläutern. Außerdem müssen alle gastronomischen und sanitären
Einrichtungen, die Bühne und alle anderen Aufbauten sowie die Einsatzzentralen und
Stützpunkte der Feuerwehr und der Sanitäter gezeigt werden. Ein Zeitfenster sollte
einkalkuliert werden um kleinere Mängel zu beseitigen. Gibt es aufgrund erheblicher
Mängel keine Genehmigung, kann die Veranstaltung nur noch abgebrochen werden.
Die amtliche Abnahme ist teilweise gebührenpflichtig.
Wird die amtliche Freigabe erteilt, können die ersten Gäste eingelassen werden.
55
4. Neue Marktteilnehmer
Nachdem die traditionellen Akteure vorgestellt wurden, soll nun ein Blick auf neue
Marktteilnehmer folgen, welche die Konzertlandschaft erweitern oder sie in einen neuen
Kontext stellen.
An die Möglichkeit, Konzerte live im Internet zu verfolgen, war vor einigen Jahren
nicht zu denken. Auch dass ein Konzertbesucher bei der Heimreise bereits eine
Aufnahme des gerade erlebten Konzertes gekauft hat, ist recht neu.
Musik wird zunehmend präsenter. Eine Tendenz, die auch Marketingspezialisten
erkannt haben. Das Geschäft mit Musiksponsoring hat an Bedeutung gewonnen. In den
letzten fünf Jahren haben sich die Einnahmen aus Sponsorenverträgen bei der
Livemusik verdreifacht.56 Warum die Werbenden selbst zu Veranstaltern werden, wird
im Kapitel 4.2. untersucht. Als Abschluss soll eine knappe Analyse des vieldiskutierten
360°-MODELLS erfolgen. Dabei wird vordergründig der Einfluss auf die LiveMusikbranche betrachtet.
56
Vogt, Lars-Oliver: Trend zur Eigenveranstaltung. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg., 2007, Heft 43: 19.
56
4.1. Live im Internet
Mit der stetig wachsenden Übertragungsgeschwindigkeit von Daten, ist das Internet zu
einem neuen Kanal innerhalb der Live-Musikbranche geworden.
Mittlerweile ist es möglich, Konzerte in guter Qualität zu STREAMEN. Dabei werden
Bild und Ton aufgenommen und auf der Internetseite des jeweiligen Anbieters
wiedergegeben. Neben dem LIVESTREAM wird oft die Möglichkeit gewährt, das
entsprechende Konzert, noch im Nachhinein anzuschauen.
Die Produktion der Aufnahmen übernehmen meist die Anbieter der Internetseiten.
Allerdings gibt es auch Seiten, auf denen Mitschnitte eingestellt werden können. Diese
werden dann durch eine Redaktion, die Mindestanforderungen an die Qualität stellt,
freigegeben.
Im Gegensatz zu den Seiten, die nicht ´User-Generated` sind, kommen hier die
Musiker, Veranstalter und Plattenfirmen auf den Anbieter zu und nutzen den
STREAMING-SERVICE als Werbemedium.
Andere Anbieter von Livekonzerten im Netz produzieren die Aufnahmen selbst. Dabei
müssen sie die Rechte der Content-Inhaber einholen. Konkret müssen Komponist,
Texter, Interpret und der Veranstalter ihr Einverständnis geben. Dies kann vor allem
dann kompliziert werden, wenn der auftretende Künstler Stücke von verschiedenen
Komponisten spielt. Während bei einem Konzert der Komponist durch den Apparat der
GEMA entlohnt wird, ist die Lage bei einem STREAMING- oder Downloadangebot
schwieriger.
Im Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte wird keine Aussage über das
STREAMEN getroffen. Allerdings kann durch das Recht der öffentlichen
Zugänglichmachung57 davon ausgegangen werden, dass die Lizenzinhaber, sich
ebenfalls das Recht zum STREAMEN gesichert haben. Bei den üblichen Lizenzverträgen
sind in der Regel sämtliche Möglichkeiten der Verbreitung über das Internet
eingeschlossen.
57
§ 19a UrhG.
57
Auch der Veranstalter muss sein Einverständnis zu einer Übertragung geben. Denn der
Schutz des Veranstalters58 beinhaltet ebenso das ausschließliche Recht für die
Aufnahme59 und die Sendung60 seines Konzertes.
Sind alle Rechte eingeholt, steht der zeitgleichen oder versetzten Veröffentlichung im
Internet nichts mehr im Wege. Viele der Angebote sind kostenpflichtig. Zwischen
sieben und fünfzehn Euro werden im Durchschnitt für einen Konzertmitschnitt verlangt.
Das zusätzliche Angebot hat in mehrfacher Hinsicht potential wirtschaftlich erfolgreich
zu sein. Alle, denen es nicht möglich war, auf ein Konzert zu gehen, haben so die
Chance einen Eindruck von der Veranstaltung zu bekommen. Dies schließt nicht nur
diejenigen ein, die keine Karten mehr erwerben konnten, sondern auch all jene, die das
Konzert sonst nie besucht hätten. Sei es, dass die Anreise zu aufwendig wäre, dass sie
die Menschenmassen nicht mögen oder aus anderen Gründen. Vor allem bei sehr
seltenen und begehrten Konzerten61 kann ein solcher Dienst auf eine große Nachfrage
stoßen.
Der nachträgliche Download kann bei den Besuchern des aufgenommenen Konzertes
auf Interesse treffen. Das Bedürfnis etwas von der Emotionalität des Konzertes zu
konservieren, ist bei vielen Besuchern vorhanden. Dies wurde auch von Veranstaltern
und Plattenfirmen erkannt. Bei der Abschiedstour von Fury in the Slaughterhouse
wurden Mitschnitte am Ende des Konzerts auf USB-Sticks verkauft.62 15 Prozent der
Besucher nahmen sich diese Erinnerung mit nach Hause.
Der Mitschnitt und direkte Verkauf einer Aufführung ist noch recht neu, wird aber sehr
wahrscheinlich eine wachsende Bedeutung innerhalb der Live-Musikbranche erhalten.
Nicht zuletzt durch die Reichweite des Internets sind es vor allem die
KONZERTSTREAMS und –downloads, die eine weitere Vermarktungsmöglichkeit für
Künstler bieten.
58
§ 81 UrhG.
59
§ 77a UrhG.
60
§ 78 (1) UrhG.
61
so zum Beispiel beim Berliner Barbra Streisand Konzert. vgl.: Kapitel 5.5.
62
vgl.: Busdorff, Reimer und Bernie Schick, Dieter Schubert, Jörg Tresp: Podiumsdiskussion 360°
Modell. Kiez Kongress 2008 - Musikwirtschaft erleben. http://www.ligx.de/de/hamburg/kulturhaus73/events/2008/9/26/podiumsdiskussion/905. Zuletzt besucht am 10. Februar 2009.
58
4.2. Sponsoring und Corporate Events
Sponsoring ist für die Finanzierung eines Konzertes wichtig. Durch Sponsorengelder
können zusätzliche Einnahmen generiert werden.
Vor allem mehrtägige Festivals sind für die Präsentation von Markenartiklern geeignet.
Diese Veranstaltungen haben eine attraktive Zielgruppe: 90 Prozent der
Festivalbesucher sind zwischen 19 und 29 Jahre alt und überdurchschnittlich gebildet.63
Zusätzlich lässt sich Sponsoring sehr gut im Rahmenprogramm aktivieren. Das Umfeld
eines mehrtägigen Festivals erhält vom Publikum mehr Aufmerksamkeit als jenes einer
Eintagesveranstaltung.
Ungefähr zehn Prozent aller Sponsoreneinnahmen kommen von Tabakherstellern,
weitere vierzig Prozent von Brauereien.64 Dabei sind es hauptsächlich kleinere Clubs
und Festivals, die auf solche Sponsoren angewiesen sind. Problematisch wird diese Art
der Werbung im Sinne des Jugendschutzes. Ob der Gesetzgeber Tabak- und
Alkoholwerbung im Kultur- und speziell im Musikbereich verbieten sollte, soll hier
nicht diskutiert werden. Kleine Veranstalter und Clubs deren Existenz davon bedroht
wäre, sollten daher rechtzeitig ihr Sponsoring weiter fächern.
Die Hersteller von Markenartikeln treten aber nicht nur als Sponsoren auf. Mittlerweile
gibt es in Deutschland eine Reihe von Veranstaltungen bei denen Softdrink- oder
Mobilfunkanbieter selber zum Veranstalter werden. Dabei tritt der Sponsor nicht nur als
PRESENTER auf, wie es oft im Sport der Fall ist, sondern übernimmt immer häufiger die
ganze Veranstaltung. Die Kosten werden als Marketingausgaben der Unternehmen
abgeschrieben. Die Eintrittspreise decken dabei nur einen geringen Teil der
Aufwendungen ab.
Bei den T-Mobile Extreme Playgrounds werden nur etwa zehn Prozent der Kosten
durch die Ticketeinnahmen gedeckt. Die Preise liegen dabei zwischen 15 und 20 Euro.
Die Veranstaltung ist in ihre Gesamtheit auf Unterhaltung ausgelegt. Neben dem
Konzert von national und international agierenden Künstlern werden auch Wettkämpfe
63
Vogt, Lars-Oliver: Trend zur Eigenveranstaltung. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg., 2007, Heft 43: 18.
64
Vogt, Lars-Oliver: Sponsoring auf dem Prüfstand. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 50. Jg., 2008, Heft 17: 21.
59
in jungendlich-trendigen Sportarten ausgetragen. Beim BMX, Mountainbiking, Skateoder Wakeboarding treten Profisportler gegeneinander an.
Ob die Veranstaltungen nun T-Mobile Extreme Playgrounds, Jägermeister Rockliga
oder Coca-Cola Soundwave heißen, alle sind auf eine bestimmte Zielgruppe
ausgerichtet und versuchen effektives Marketing zu betreiben.
Sponsoring wird auch in Zukunft ein interessantes Feld im Konzertgeschehen bleiben.
Allerdings sollte kein Engagement langfristig auf Sponsoreinnahmen aufgebaut werden.
Ändern sich die strategischen Ziele eines Unternehmens oder gerät es in eine Krise,
kann ein Sponsor schnell wegfallen. Dies geschieht bei Konzertveranstaltungen ebenso
wie bei Plattenfirmen.
Das Kaffeehaus Starbucks hatte sein eigenes LABEL mit dem Namen Hear Music
gegründet. Paul McCartney war der erste Künstler, der bei der neuen Plattenfirma einen
Vertrag unterschrieb.65 Als die Umsatzzahlen des Kaffeeverkaufs sanken, wurde sich
bei Starbucks wieder mehr um das Kerngeschäft gekümmert. Die Anstrengungen das
LABEL Hear Music auszubauen, wurden eingestellt.66 Dies kann auch eine
Veranstaltungsreihe betreffen.
Dennoch sind die Anstrengungen branchenfremder Unternehmen, Musik als
Werbemedium zu nutzen, keinesfalls negativ zu bewerten. Sie sind eine wichtige
Einnahmequelle für alle Veranstalter. Selbst die ´Corporate Events`, bei denen der
Sponsor zum Veranstalter wird, müssen von Fachkräften durchgeführt werden. Diese
kommen in der Regel aus der Musikbranche.
4.3. 360°- Modell in der Live-Musikbranche
„Management statt Plattenfirma“ fordert Tim Renner in seinem Buch „Kinder, der Tod
ist gar nicht so schlimm! Ueber die Zukunft der Musik- und Medienindustrie“.67 Es
65
Paul McCartney soll für Starbucks arbeiten. In: SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wirtschaft.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,471386,00.html. Zuletzt besucht am 06. Februar 2009.
66
vgl.: Busdorff, Reimer und Bernie Schick, Dieter Schubert, Jörg Tresp: Podiumsdiskussion 360°
Modell. Kiez Kongress 2008 - Musikwirtschaft erleben. http://www.ligx.de/de/hamburg/kulturhaus73/events/2008/9/26/podiumsdiskussion/905. Zuletzt besucht am 10. Februar 2009.
67
Renner, Tim: Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm! Ueber die Zukunft der Musik- und
Medienindustrie. Frankfurt am Main / New York, Campus 2004: 269.
60
wird schon im Titel klar, dass für ihn das Modell der klassischen Plattenfirma
ausgedient hat. Renner schlägt stattdessen ein umfassendes Management vor, welches
unter anderem die Aufgaben der Plattenfirma und die des Musikverlages übernimmt.
Diese Idee hat Renner mit der Motor Entertainment GmbH68 umgesetzt.
Die Firmengruppe Motor beinhaltet mit Motor Music ein eigenes PLATTENLABEL,
welches auch die Aufgaben des Verlages übernimmt. Dabei fungiert Motor Music auch
gleichzeitig als Management. Für das Tourgeschäft wurde unter dem Namen Motor
Tours eine BOOKINGAGENTUR gegründet, die im JOINT VENTURE mit Four Artist
arbeitet. Außerdem gehören zur Motor Entertainment GmbH auch der Radiosender
Motor FM, der Musikvideosender Motor TV und die Social Community Plattform
Motor.de.
Diese Komplettbetreuung des Künstlers wurde später unter dem Synonym 360°MODELL bekannt. Verschiedene Seiten der Branche, etwa Plattenfirmen, Agenturen
oder Konzertveranstalter, versuchen ein solches Modell umzusetzen. Antrieb für die
Erweiterung des Aufgabenbereiches ist die Partizipierung an den vielseitigen Umsätzen,
die ein Künstler erwirtschaftet. Die Gründe, für die einzelnen Marktteilnehmer zum
360°-MODELL zu wechseln, sind verschieden. Oft ist es nicht die Gier, sondern die
Notwendigkeit nicht Bankrott zu gehen, welche zur Erweiterung des eigenen
Geschäftsmodells führt. Durch die massiven Einbrüche bei den CD-Verkäufen,
versuchen vor allem die großen Plattenfirmen stärker von der Wertschöpfungskette zu
profitieren. Warner Music69 unterteilt ihr 360°-ANGEBOT in neun Segmente:
Recorded Music, Publishing, Live, Ticketing, Merchandise, Synch, Brands /
Sponsorship / Testimonial / Endorsement, Management, Action / Non Music
Performances.70
68
Motor Entertainment GmbH. Hrsg. von Tim Renner.
http://www.kommunikationskongress.de/_files/presentations_2007/renner_tim.pdf. Zuletzt besucht am
12. Januar 2009.
69
Warner Music Group Germany Holding GmbH.
70
vgl.: Lazimbat, Sascha: 360 Grad aus der Sicht eines Majors. Kiez Kongress 2008 - Musikwirtschaft
erleben. http://www.ligx.de/de/hamburg/kulturhaus-73/events/2008/9/26/sascha-lazimbat/903. Zuletzt
besucht am 10. Februar 2009.
61
Die Rückflüsse aus dem Segment der Recorded Music werden durch den digitalen und
physischen Musikverkauf erzielt. Dies entspricht der Kernkompetenz einer
Plattenfirma.
Das Publishing beschreibt die ursprüngliche Aufgabe eines Verlages, die sich mit der
kommerziellen Verwertung von Musiktiteln beschäftigt. Dazu zählen die
Wahrnehmung der Rechte, wie dem Urheber-, Verlags- und Verwertungsrechten, sowie
die Vermittlung zwischen Komponisten, Texter und Bearbeiter, der Ton- und
Bildtonträgerindustrie, den Sendeanstalten und den Verwertungsgesellschaften.
Das Segment Live umfasst die Einnahmen durch die Konzerte des Künstlers. Mit
Ticketing werden die Gebührengewinne der Eintrittskartendistribution beschrieben.
Dem Merchandise kommt in der Musikbranche eine immer bedeutendere Rolle zu.
Meist sind es Kleidungsstücke, die mit dem Namen oder dem Logo des Künstlers
bedruckt werden. Bei einem Marktvolumen von knapp 350 Millionen Euro71 liegt die
Überlegung nahe, die Merchandise-Artikel in Eigenregie zu produzieren. Allerdings
geht es beim Merchandise um die Vermarktung von Persönlichkeitsrechten. Damit
verdient hauptsächlich der Künstler an seinen eigenen Merchandise-Artikeln.
Synch ist die Abkürzung für Synchronisationsrecht und ist Teil des Lizenzgeschäftes.
Es beschreibt das Recht der Verbindung zwischen Musik und Film. Dem Urhebergesetz
nach handelt es sich dabei um die Einräumung des Verfilmungsrechtes an einem
Musikwerk.72
Die Begriffe Brands, Sponsorship, Testimonial und Endorsement kommen aus dem
Marketing. Dabei soll der Künstler für ein bestimmtes Produkt werben.
Durch Branding soll eine Marke aufgebaut werden. Diese kann sich auf ein
Unternehmen wie auch auf ein einzelnes Produkt beziehen. Wirbt der Künstler für die
Marke, hilft er dabei, diese in die Köpfe der Konsumenten zu ´brennen`.
Ein Sponsorship hilft einem Unternehmen Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu
erlangen. Sponsoren unterstützen den Künstler mit Geld-, Sach- oder Dienstleistungen
71
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 16.
72
vgl.: § 88 UrhG.
62
und erhoffen sich durch die Nennung eine Erweiterung ihrer marketing-politischen
Reichweite.
Testimonial und Endorsement sind sich ähnlich. Beim Testimonial spricht sich der
Künstler für ein bestimmtes Produkt aus. Der Bekanntheitsgrad und das Image des
Künstlers wird dabei zur Vertrauensbildung und der Schaffung von Glaubwürdigkeit für
das beworbene Produkt genutzt. Im Endorsement-Vertrag wird festgelegt, dass der
Künstler das Produkt in der Öffentlichkeit benutzt. Bei Musikern werden solche
Werbeverträge meist mit Herstellern von Musikinstrumenten geschlossen.
Das Segment Management partizipiert am Einkommen des Künstlers. Allerdings kann
hier nicht von einem Spitzensatz von 25 Prozent ausgegangen werden. Da beim 360°MODELL alle Bereiche der Wertschöpfungskette in einer Hand liegen sollen, sich die
Entlohnung eines konventionellen Managers aber nach dem Einkommen des Künstlers
richtet, würde eine zusätzliche Managerentlohnung im 360°-MODELL zum Nachteil für
den Künstler ausfallen. Einnahmen, die er bereits geteilt hat, würden ein weiteres Mal
geteilt. Die Vertragsgestaltung einer Komplettbetreuung ist dementsprechend
ausgerichtet.
Das neunte Segment beinhaltet die Non Music Performances. Hier geht es um
Fernseh- und Filmeinsätze des Künstlers. Diese Form ist vor allem in den USA sehr
verbreitet. Während es in Deutschland oft Soapstars sind, die eine Karriere in der
Musikbranche finden, sind es in Amerika die Musiker, die zusätzlich in der
Filmbranche arbeiten. Natürlich gehören in dieses Segment auch die Einnahmen,
welche aus dem Print-, Radio- oder New Media-Bereich kommen.
Zusammen mit den Werbeverträgen Brands, Sponsorship, Testimonial und
Endorsement bildet Action beziehungsweise Non Music Performances den typischen
Aufgabenbereich eines Promotors73 ab.
Alle MAJORS wechselten in den letzten Jahren vom Vier-Konfigurationen-Modell hin
zum Multikanal-Modell.74
73
Eine ausführliche Besprechung des Aufgabenbereiches eines Promotors findet sich in: Reichert,
Jürgen: Promotion. Redigierte Mitschrift einer Ringvorlesung 2005/2006 am Institut für Journalistik und
Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik und Theater Hannover. In: Musikwirtschaft
und Medien: Märkte - Unternehmen - Strategien. Hrsg. von Beate Schneider und Stefan Weinacht.
München, R. Fischer 2007: 95 - 108.
63
Das Vier-Konfigurationen-Modell beinhaltet den physischen Tonträgerverkauf, der
durch die vier Medien Vinyl-Schallplatte, Kassette, CD und DVD beziehungsweise
VHS vertrieben wurde. Neu ist der Wunsch, an allen Gliedern der Wertschöpfungskette
zu partizipieren. Es gibt drei Möglichkeiten: M&A, die Lizenzierung der
Verwertungsrechte mit Partnern und die eigenständige Realisation, beispielsweise die
Gründung einer Sparte für die Konzertorganisation.
M&A steht für MERGERS AND ACQUISITIONS, was in etwa mit Fusion und Übernahme
übersetzt werden kann. So ist es für Plattenfirmen möglich, durch hohen
Kapitalaufwand Unternehmen zu kaufen, welche erfolgreich innerhalb der
Musikindustrie bestehen.
Eine weniger aggressive Strategie ist die Kooperation mit Partnern. Warner hat sich in
den letzten Jahren in Europa verstärkt nach Partnern innerhalb der Live-Musikbranche
umgeschaut.75 Get In aus Spanien, Talent Distribution aus Frankreich und Friends &
Partner aus Italien arbeiten mit Warner zusammen. In Deutschland wurde Christian
Gerlach, der jahrelang bei der Karsten Jahnke Konzertdirektion GmbH gearbeitet hatte,
verpflichtet. Gerlach ist für Neuland Concerts, einem Geschäftsbereich von Warner,
verantwortlich und übernimmt das BOOKING und die Rolle des TOUR-PROMOTERS.
Das 360°-MODELL beinhaltet nicht nur die Erweiterung der Plattenfirma im Bereich der
Livemusik. Vielmehr sind es alle Bereiche der Musikindustrie, die durch die neun
Punkte, welche Warner aufgestellt hat, für jeden MAJOR zutreffen. Die Plattenfirmen
werden sich zu einem Multiprodukt- und Multikanalunternehmen weiterentwickeln.76
Das Partizipieren an mehreren Elementen der Wertschöpfungskette fordern auch Jakob
und Stein77. Die größten Einnahmen der Künstler werden, neben dem Verkauf der
Recorded Music, bei den Konzert- und Merchandiseeinnahmen gesehen.
74
Lazimbat, Sascha: 360 Grad aus der Sicht eines Majors. Kiez Kongress 2008 - Musikwirtschaft
erleben. http://www.ligx.de/de/hamburg/kulturhaus-73/events/2008/9/26/sascha-lazimbat/903. Zuletzt
besucht am 10. Februar 2009.
75
ebd.
76
Briegmann, Frank und Hubert Jakob: Management der Wertshöpfungskette. In: Ökonomie der
Musikindustrie. Hrsg. von Michael Clement, Oliver Schuster und Dominik Papies. 2. Aufl. Wiesbaden,
Gabler 2008: 98.
77
Thomas M. Stein war 2001-2004 Präsident der BMG Europe.
64
Als Beispiel wird das Bruttoeinkommen der Rolling Stones im Zeitraum von 1989 bis
2002 betrachtet. Von insgesamt eineinhalb Milliarden US-Dollar wurden 865 Millionen
Dollar durch den Verkauf von Tickets und 136 Millionen Dollar durch Merchandising
erwirtschaftet. 522 Millionen Dollar wurden durch den Verkauf von Platten eingespielt
und 22 Millionen Dollar durch Sponsorchips.78 Seit 2002 sind jedoch die
Plattenverkäufe eingebrochen und die Ticketpreise explodiert, was die Gewichtung der
Einnahmen deutlich verschoben haben müsste.
Lazimbat79 vergleicht ebenfalls die Einnahmen aus dem Tonträgergeschäft mit denen
aus Konzert und Merchandise:80 Bei einem Konzert der Band Linkin Park auf der
Berliner Waldbühne wurden 22.000 Karten zwischen 50 und 70 Euro verkauft. Durch
das Merchandising wurden allein bei diesem Konzert rund 90.000 Euro eingenommen.
Das Album der Band kostet 15 Euro, ein T-Shirt dagegen 19 Euro.
Diese Beispiele beziehen sich jedoch auf Umsatzzahlen und nicht auf Gewinnzahlen, so
dass ein Vergleich immer ungenau ist. Die Produktionskosten einer Tournee sind
ebenso wenig vergleichbar mit denen der CD-Herstellung, wie die Vertriebskosten von
*.mp3-Dateien und Ticketversand. Fraglich bleibt auch, auf welcher Seite der
Einnahmen ein 360°-MODELL partizipieren soll.
Etablierte Künstler werden keinen Eingriff in ihre Einnahmen dulden und
Merchandiseartikel- Hersteller und Veranstalter haben keinen Grund, eine Kooperation
einzugehen, welche zu ihrem Nachteil ausfällt.
Die Bemühungen der Plattenfirmen, in den Konzertmarkt einzusteigen, treffen bei den
deutschen Veranstaltern auf wenig Begeisterung. Lieberberg81 steht einer Lizenzierung
durch Plattenfirmen kritisch gegenüber. Er wolle „unabhängig und vertragsoffen“
78
Jakob, Hubert und Thomas M. Stein: Schrumpfende Märkte und neue Vertriebswege als
Herausforderung für die strategische Unternehmensführung in der Musikindustrie. In: Handbuch Medienund Multimediamanagement. Hrsg. von Bernd W. Wirtz. Wiesbaden, Gabler 2003: 480.
79
Sascha Lazimbat ist verantwortlich für Managing Director Business & Corporate Development Central
Europe bei Warner Music.
80
Lazimbat, Sascha: 360 Grad aus der Sicht eines Majors. Kiez Kongress 2008 - Musikwirtschaft
erleben. http://www.ligx.de/de/hamburg/kulturhaus-73/events/2008/9/26/sascha-lazimbat/903. Zuletzt
besucht am 10. Februar 2009.
81
Marek Lieberberg Konzertagentur GmbH & Co. KG.
65
bleiben und hält es für „Eskapismus“ wenn Plattenfirmen plötzlich europäische
Tourneen koordinieren und promoten wollen.82
Bönisch83 hält das 360°-MODELL für kritisch, da jahrelange Erfahrungen nicht ersetzt
werden könne. Die einzelnen Marktteilnehmer besitzen ihre Kernkompetenzen und
sollten in Kooperation miteinander arbeiten. Außerdem bringt Bönisch die Lage neuer
Künstler auf den Punkt:
„Es wird darauf hinauslaufen, dass die jungen Leute Verträge unterschreiben
müssen, mit denen sie quasi alle Rechte abtreten. [...] Wie soll denn mein Manager,
wenn er auch meine Plattenfirma ist, meine Interessen vertreten und meine Rechte
sichern? Das geht ganz und gar nicht. Diese Version des 360-Grad-Modells in der
Hand einer Person, ob juristische oder natürliche Person ist egal, ist ein absolutes
Ding der Unmöglichkeit.“84
Folkert Koopmann85 sieht im 360°-MODELL einen Angriff auf den Markt der
Tourneeveranstalter, kann aber die Intention der Plattenfirmen verstehen. Er bietet sein
Unternehmen Scorpio als gleichberechtigten Partner an.86 Ähnlich äußert sich auch
Bisping:87
„Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass ein Investor, der viel Geld in ein
junges, neues Thema steckt, [...] an diesem auch auf allen Ebenen mitverdienen
möchte. Der Versuch nun aber alles aus einer Hand selbst bewerkstelligen zu
wollen, erscheint mir jedoch zum Scheitern verurteilt. Auf der anderen Seite ist
aber sicherlich die Zeit der klaren Trennung der verschiedenen Sparten der
Musikindustrie vorüber, und ich denke, wir alle werden uns daran gewöhnen
82
Nebelkerze 360-Grad-Modell? – Sony BMGs Tourneepläne ab 2008 stoßen in der Live-Branche auf
geteiltes Echo. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg.,
2007, Heft 50: 13.
83
Klaus Bönisch Konzertdirektion GmbH.
84
Bönisch, Klaus: Macht heute Nacht München zu!. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 50. Jg., 2008, Heft 15: 24f.
85
FKP Scorpio Konzertdirektion GmbH.
86
Nebelkerze 360-Grad-Modell? – Sony BMGs Tourneepläne ab 2008 stoßen in der Live-Branche auf
geteiltes Echo. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg.,
2007, Heft 50: 13.
87
a.s.s. concert & promotion GmbH.
66
müssen, das Mischformen und neue Kooperationen an der Tagesordnung sein
werden.“88
Mischformen und neue Kooperationen sind durchaus realistisch. Allerdings gibt es auch
andere Institutionen, die mit ausreichend finanziellen Mitteln Marktmacht erlangen. So
sind Plattenfirmen nicht die einzigen Marktteilnehmer, die im 360°-MODELL ihre
Zukunft sehen.
Live Nation hat Künstler, die zuvor unter anderem bei Warner unter Vertrag standen,
abgeworben. Madonna, Nickelback, Jay-Z und Shakira haben sich von ihren
Plattenfirmen abgewandt und sind einen 360°-DEAL mit Live Nation eingegangen. Vor
allem der Fall Madonna hat Aufsehen erregt. Für einen Vertrag über zehn Jahre erhält
die Sängerin 120 Millionen US-Dollar.89 Dafür verpflichtete sie sich zur Produktion von
drei Alben und zu mehreren Tourneen. Zusätzlich umfasst der Vertrag die kompletten
Vermarktungsrechte der Künstlerin. Dies beinhaltet auch die Segmente Merchandising,
Filmprojekte, Internetauftritte und Werbung.
Live Nation ist ein Unternehmen, welches Entertainmentveranstaltungen weltweit
produziert und vermarktet. 2008 wurden Konzerte von 1.500 Künstlern in 57
verschiedenen Ländern von Live Nation produziert. Dabei wurden auf 16.000
Veranstaltungen, 45 Millionen Tickets verkauft.90 Live Nation bietet nicht nur die
Komplettbetreuung ihre Künstler an, sondern ist auch Eigner, Betreiber oder
Lizenzinhaber von über 150 Veranstaltungsorten in Nordamerika und Europa.91
Im Februar 2009 fusionierte Live Nation mit Ticketmaster Entertainment.92
Ticketmaster ist der weltweite Marktführer bei der Distribution von Eintrittskarten.
88
Bisping, Michael: Bandaufbau hat Priorität. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 50. Jg., 2008, Heft 20: 18f.
89
Madonna verlässt Warner für Konzertveranstalter. In: SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Kultur.
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,511887,00.html. Zuletzt besucht am 05. Februar 2009.
90
Investor Relations. Hrsg. von Live Nation, Inc.. http://phx.corporateir.net/phoenix.zhtml?c=194146&p=irol-irhome. Zuletzt besucht am 04. Februar 2009.
91
Willard, Kathy: 2007 Annual Report – Live Nation. Hrsg. von Live Nation, Inc..
http://media.corporate-ir.net/media_files/irol/19/194146/AR/2007_Annual_Report.pdf. Zuletzt besucht
am 04. Februar 2009.
92
Löffler, Magaretha: Jetzt ist es offiziell: Live Nation und Ticketmaster Entertainment fusionieren. Hrsg.
von Musikmarkt & Musikmarkt Live!. http://www.musikmarkt.de/site/start.php. Zuletzt besucht am 10.
Februar 2009.
67
Durch die Fusion ist das neu entstandene Konglomerat, mit dem Namen Live Nation
Ticketmaster, das erste Unternehmen, welches tatsächlich in allen Bereichen der
Musikwirtschaft vertreten ist. Die Expansionsanstrengungen von Live Nation werden
wahrscheinlich auch bald den deutschen Markt erreichen.
Die Abgabe ihrer Verwertungsrechte hält Madonna für einen Fortschritt. Erstmals in
ihrer Karriere könne ihre Musik ihre Fans direkt erreichen,93 so die Künstlerin. Was
auch immer sie mit dieser Aussage gemeint hat, es ist davon auszugehen, dass sie
weiterhin genügend Einfluss hat, ihre künstlerischen Entscheidungen eigenständig zu
treffen.
Problematischer wird dies bei neuen Künstlern. Künstler, die bereits einen Vertrag mit
einer Plattenfirma unterzeichnet haben, werden in der Regel selbstständig entscheiden
können, ob und welche Aufgaben sie von wem übernehmen lassen wollen. Etablierte
Künstler haben zusätzlich noch Verhandlungsmacht und können ihren Forderungen
Gewicht verleihen.
Neue Künstler hingegen, werden in vielen Fällen nur noch ein 360°-ANGEBOT
bekommen. Wie auch das Beispiel Madonna zeigt, werden solche Verträge über einen
langen Zeitraum geschlossen. Bei unbekannten Künstlern sind Verträge meist einseitig,
jedoch nie von Seiten des Künstlers, kündbar. Entwickelt sich der Künstler nicht wie
erhofft, wird er aus dem Vertrag entlassen, ist er jedoch erfolgreich, wird der
Vertragszeitraum ausgeschöpft.
Für einige Künstler kann eine 360°-Vereinbarung eine hervorragende Chance sein,
Andere hingegen werden entmündigt. Die freie Wahl der Partner, ermöglicht es dem
Künstler nach seinem eigenen Ermessen seine Laufbahn zu gestalten. Wird ihm diese
Wahl genommen, muss er hoffen, dass das Unternehmen, welches ihn vermarkten will,
auch alle Bereiche bewerkstelligen kann.
Fraglich ist auch, wie und von wem die Interessen des Künstlers fachgerecht vertreten
werden. Dies übernimmt eigentlich das Management, welches ausschließlich in
Absprache mit dem Künstler agiert. Ist das Management jedoch gleichzeitig in der
Rolle der Plattenfirma und des Promoters werden Interessenskonflikte auftreten.
93
Madonna verlässt Warner für Konzertveranstalter. In: SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Kultur.
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,511887,00.html. Zuletzt besucht am 05. Februar 2009.
68
Wahrscheinlich wird das 360°-MODELL in seiner Reinform nur in Ausnahmefällen, wie
bei Motor oder Live Nation, auftreten. Jedoch scheint eine weitere Veränderung der
traditionellen Geschäftsfelder innerhalb der Musikindustrie realistisch. Die Branche
wird dadurch komplexer und undurchsichtiger.
Jede Marktbewegung bietet neue Möglichkeiten. Wer die Bedürfnisse der jungen
Musiker erkennt und diese am Besten bedient, wird langfristig den Markt prägen. Im
Grunde übernehmen viele INDEPENDENT LABELS seit Jahren die Inhalte des 360°MODELLS. Jedoch ist dies in der Regel ein Serviceangebot, aus welchem die Künstler
frei wählen können. Kleinen Plattenfirmen fehlt es oft an Erfahrungen, so dass sie nur
bedingt alle Punkte des Musikgeschäftes abdecken können.
Fehlt es nicht am Know-How, sind es oft die finanziellen Möglichkeiten, welche die
INDEPENDENTS hemmt. Es gibt aber auch Beispiele bei denen zumindest Verlag,
Plattenfirma und Management in einer Hand liegen. Die Toten Hosen zusammen mit
JKP94 oder auch Die Ärzte mit Hot Action95 haben Strukturen geschaffen, welche sich
um die Interessen der Künstler gruppieren. Dabei werden von den Managern, die
Tonaufnahmen und deren Vermarktung, das Merchandising und die Tourneeplanung
übernommen. Auch die Aufgaben eines Verlages und die Sponsorsuche werden intern
organisiert und die Musiker bei allen Entscheidungen mit einbezogen.
Eine Innovation wäre die Gründung einer unabhängigen Management- und
Serviceagentur, in der alle Bereiche der Musikindustrie bedient und maßgeschneiderte
Betreuungsangebote für Künstler realisiert werden könnten.96 Die Vorraussetzungen
dazu wäre ein flächendeckendes Netzwerk von Spezialisten, die auf Wunsch des
Künstlers bestimmte Bereiche dessen Karriere mitgestalten. In Zeiten, in denen
Plattenfirmen viele kompetente Mitarbeiter entlassen, sollte der Aufbau einer solchen
Agentur möglich sein.
94
JKP GmbH & Co. KG.
95
Hot Action Records GmbH.
96
vgl.: Busdorff, Reimer und Bernie Schick, Dieter Schubert, Jörg Tresp: Podiumsdiskussion 360°
Modell. Kiez Kongress 2008 - Musikwirtschaft erleben. http://www.ligx.de/de/hamburg/kulturhaus73/events/2008/9/26/podiumsdiskussion/905. Zuletzt besucht am 10. Februar 2009.
69
5. Ökonomie der Konzertwirtschaft
Die Begriffe Gebrauchswert und Tauschwert, wie sie von den klassischen Ökonomen
verwendet werden, können die Situation der Musikökonomie zwar oberflächlich
beschreiben,97 stoßen jedoch recht bald an ihre Grenzen. So ist beispielsweise der
Gebrauchswert eine subjektive Größe, die aber keinen Marktwert wiederspiegelt.
Alternativ kann der Markt der Livemusik über Angebot und Nachfrage erfasst werden.
In der neoklassischen Mikroökonomie wird davon ausgegangen, dass das
Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage den wesentlichen
Funktionsmechanismus von Marktwirtschaften kennzeichnet.
In diesem Kapitel sollen Angebot und Nachfrage eines einzelnen Konzertes erläutert
werden. Es folgt eine Betrachtung des gesamten Konzertmarktes, wobei die
Entwicklung von Nachfrage, Preis und Kosten im Fokus stehen. Abschließend wird die
gesamte Branche untersucht.
97
vgl.: Kapitel 2.1.
70
5.1. Angebot und Nachfrage eines einzelnen Konzertes
Eine genaue Ermittlung der Nachfragefunktion des Konzertmarktes ist nicht möglich,
da das nachgefragte Gut nicht homogen ist. Alle Konzerte unterscheiden sich
voneinander, so dass es den Besuchern nicht möglicht ist, die Angebote rational zu
bewerten. Daher kann die Nachfragekurve nur von einem einzelnen Konzert
beschrieben werden.
Typischerweise unterscheiden sich die Nachfrager durch ihre Zahlungsbereitschaft für
ein bestimmtes Gut. Das Gut, welches nachgefragt wird, ist ein Konzert. Dabei ist den
Nachfragern bekannt, welcher Künstler spielt und wann und wo das Konzert stattfindet.
Werden nun einige Nachfrager befragt, wie viel Geld sie bereit sind für das Konzert zu
bezahlen, wird die individuelle Zahlungsbereitschaft bestimmt. Die gesammelten Daten
können in ein Koordinatensystem eingetragen werden. Es ergibt sich eine absteigende
Treppe, wie sie in Abbildung 7 zu sehen ist, wobei die Abszisse die Nachfragemenge
und die Ordinate den Preis darstellt.
Abbildung 7
98
Herleitung der Nachfragefunktion98
Abbildung vom Autor erstellt.
71
Die Summe der nachgefragten Mengen aller individuellen Nachfrager entspricht der
Gesamtnachfrage eines Konzertes. Ist die Zahl der betrachteten Nachfrager groß genug,
wird die Nachfragefunktion zu einer fallenden Kurve. Bei einem geringeren Preis steigt
die Gesamtnachfrage. Erhöht sich der Preis, werden weniger Karten verkauft.
Neben dem Preis gibt es weitere Faktoren, welche die Nachfragefunktion beeinflussen:
Wie gerne möchte der Zuschauer den Künstler sehen? Wie hoch ist das Einkommen des
Nachfragers und kann er sich eine Eintrittskarte überhaupt leisten? Gibt es ähnliche
Konzerte, die besucht werden können und wie teuer sind diese?
Bei der Erstellung der Gesamtnachfrage spielen all die individuellen Entscheidungen
eine Rolle und bestimmen neben der absoluten Größe der Nachfrage auch deren
Steigung. Zum Beispiel wird die Nachfrage eines Künstlers, welcher ein junges
Publikum mit durchschnittlich geringer Kaufkraft anspricht, einen flacheren
Funktionsverlauf haben. Das Konzert eines anderen Künstlers, der weniger bekannt ist,
wird insgesamt eine geringere Nachfrage haben. Die Nachfragekurve verschiebt sich
dadurch zum Ursprung des Koordinatensystems.
Die Nachfragekurven werden als Geraden dargestellt. Dies ist insofern zulässig, da das
Modell von Angebot und Nachfrage den Markt durch das Marginalprinzip erklärt.
Dabei werden kleinste Änderungen an der Ausgangssituation vorgenommen, um zu
erforschen, wie sich das Resultat verändert. Bei der Betrachtung eines Konzertes genügt
es, die Nachfragekurve als linear anzunehmen. Die ordinale Reihenfolge der Werte
bleibt unverändert. Dadurch können bei der Untersuchung des Marktes Aussagen
getroffen werden, ob sich eine Marktsituation verbessert oder verschlechtert. Allerdings
kann nicht gesagt werden, um wie viel besser oder schlechter eine Veränderung ist.
Die Abbildung 8 zeigt zwei verschiedene Nachfragefunktionen. Die Funktion A
entspricht der abstrahierten Nachfragekurve aus Abbildung 7. Die Funktion B bildet
eine geringere Nachfrage ab.
72
Abbildung 8
Linearisierte Nachfragefunktionen99
Die Nachfrage eines Konzertes kann mit diesem Modell der Mikroökonomie dargestellt
werden.
Die Angebotskurve wird im Normalfall spiegelbildlich ermittelt. Dabei bestimmen die
Anbieter den Preis, zu dem sie bereit wären, ihr Produkt zu verkaufen. Die
Angebotsfunktion würde in dasselbe Diagramm eingezeichnet werden und einer
steigenden Geraden entsprechen.
Auf dem vollkommenen Markt führt der Konkurrenzkampf der Anbieter zur
Preisfindung. Die Annahme, dass bei einer kleinen Änderung des Preises alle
Nachfrager beim günstigeren Anbieter kaufen, bewirkt so lange eine Preisunterbietung,
bis die Erlöse, welche die Anbieter erzielen, genau den Kosten entsprechen. Dies ist der
Punkt an dem sich Angebot und Nachfrage schneiden. Er beschreibt das Gleichgewicht
des Marktes.
99
Abbildung vom Autor erstellt.
73
Bei der Betrachtung des Konzertmarktes muss davon ausgegangen werden, dass der
Veranstalter und nicht etwa der Künstler, der Anbieter ist. Der Künstler und das von
ihm gespielte Konzert ergeben das Gut, für welches der Nachfrager bezahlt.
Der Künstler wiederum erhält seine Gage vom Veranstalter. Dieser trägt die örtlichen
Kosten und die Produktionskosten.100 Die örtlichen Kosten sind die Ausgaben für die
Miete und Herrichtung des Veranstaltungsortes. Auch die Aufwendungen für die
Organisation des Konzertes, sowie für Werbung und Promotion zählen zu den örtlichen
Kosten. Die Produktionskosten beinhalten die Ausgaben für die Ton- und Lichtanlage,
sowie die Lohn-, Reise- und Aufenthaltskosten aller Beteiligten. Der Veranstalter muss
also für die komplette Produktion aufkommen. Er trägt das finanzielle Risiko.
Zur Ermittlung des Eintrittspreises wird eine einfache Rechnung aufgestellt. Alle
Kosten müssen bei 80 Prozent Auslastung gedeckt sein.101 Dieser Punkt wird auch
BREAK-EVEN genannt. Erst ab diesem Punkt verdient der Veranstalter. Werden weniger
als 80 Prozent der Karten verkauft, macht er Verlust.
Der Erlös eines Konzertes berechnet sich aus dem Produkt der verkauften
Eintrittskarten und dem Einzelpreis. Die Zusammensetzung der Kosten muss genauer
betrachtet werden. Neben den örtlichen Kosten und den Produktionskosten ist die Gage
des Künstlers für die Kalkulation entscheidend. Dabei bieten alle, an dem Künstler
interessierten Veranstalter, dem Künstler eine Garantiesumme. Dieser kann sich für das
beste Angebot entscheiden. Sind alle Rahmenbedingungen gleich, wählt der Künstler
das höchste Angebot. Dies führt dazu, dass die Veranstalter, in Konkurrenz zu einander
stehen.
Letztendlich wird nur ein Veranstalter das Konzert ausrichten. Dennoch handelt es sich
nicht um ein Monopol, da der alleinige Anbieter über den freien Wettbewerb ermittelt
wurde. Wird davon ausgegangen, dass jeder Veranstalter die gleichen
Produktionskosten und örtlichen Kosten hat, ist die genaue Kenntnis der Nachfrage für
ein Gagenangebot entscheidend.
100
vgl.: 3.3.1.
101
Interview Oskar „Ossy“ Hoppe, Interview Fritz Rau.
74
Wäre die Nachfragefunktion den Konzertveranstaltern bekannt, würden sie sich bei den
Gagenangeboten solange überbieten, bis sie trotz maximalen Erlöses beim Nullgewinn
angekommen wären. In der Realität ist die Nachfragefunktion nicht bekannt. Die
Schätzungen der Veranstalter beinhalten einen Puffer und rechnen bei der Ermittlung
der Zuschauereinnahmen nur mit einer Auslastung in Höhe von 80 Prozent.
Die Abbildung 9 zeigt Angebot und Nachfrage eines einzelnen Konzertes. Bei der
Kalkulation schätzt der Veranstalter zuerst die Nachfrage.102 Dann sucht er anhand der
geschätzten Nachfragefunktion ein optimales Preis-Mengen-Verhältnis.103 Dies steht in
Abhängigkeit zur Veranstaltungsgröße, da mit der Erhöhung der Angebotsmenge auch
die Produktionskosten steigen.
Ist die Menge ermittelt (xmax), kann der Eintrittspreis festgelegt werden.104
Der Eintrittspreis ist für alle Besucher gleich groß, deshalb muss die Angebotsfunktion
in der Abbildung eine Waagerrechte sein. Da die Nachfrage geschätzt wurde, wird zur
Sicherung ein Puffer eingeplant. In der Abbildung beträgt dieser Risikoabschlag
(RA)105 20 Prozent. Der BREAK-EVEN-Punkt liegt demnach bei 80 Prozent. Bei diesem
Punkt müssen, nach den zuvor getroffenen Annahmen, die Gesamtkosten106 des
Veranstalters den Einnahmen entsprechen.107
102
Die Nachfragefunktion wird aus Sicht des Anbieters auch Preisabsatzfunktion (PAF) genannt. Eine
lineare PAF hat folgende Funktion: x = a + b × p; b<0; Wobei x die Nachfragemenge, a den
PROHIBITIVPREIS und b die (negative) Steigung darstellen.
103
Es gibt mehrere mathematische Lösungen für die Ermittlung der optimalen Größe in Abhängigkeit der
Kosten. Jedoch wird die Berechnung kein genaueres Ergebnis liefern, als die Methode, die in der Praxis
gewählt wird. Dies liegt an der Komplexität der sich ergebenen Nebenbedingungen und an der bedingten
Teilbarkeit der Angebotsmenge. Jeder Veranstaltungsort bietet andere Vorraussetzungen für und
Anforderungen an den Veranstalter. (vgl.: Kapitel 3.3.1.) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass
ein Besucherplatz durchschnittliche Kosten verursacht. Eher ist es genau anders herum, nämlich dass die
Grenzkosten eines zusätzlichen Besuchers sehr gering sind. Erreicht der Veranstaltungsort allerdings sein
Kapazitätsmaximum, muss ein größerer Veranstaltungsort gesucht werden. Die Kosten steigen also
sprunghaft und bleiben bis zur nächst größeren Kapazität annähernd gleich. In der Praxis werden die
möglichen Veranstaltungsorte auf ihre Eignung für das geplante Konzert geprüft. Aus allen geeigneten
Spielorten, wird das beste Kosten-Leistungs-Verhältnis bevorzugt. Der gewählte Veranstaltungsort gibt
mit seiner Besucherkapazität die Maximalmenge xmax vor.
104
Die PAF wird nach p umgestellt und die Optimalmenge xmax für x eingesetzt. p = (xmax − a) ÷ b.
105
In der Entscheidungstheorie bezeichnet der Risikoabschlag die Differenz des Erwartungswertes zum
Sicherheitsäquivalent.
106
K = kö + kP + kG; Gesamtkosten = örtliche Kosten + Produktionskosten + Kosten für die Gage.
107
K = 0,8xmax × p = E = Einnahmen.
75
Abbildung 9
Angebot und Nachfrage eines Konzertes108
Dem Veranstalter sind nach der Wahl des Veranstaltungsortes seine voraussichtlichen
Einnahmen, sowie Produktionskosten und örtlichen Kosten bekannt. Nun kann er die
maximale Gage, die er zu zahlen bereit ist, bestimmen.109
Bei besonders großen Produktionen sind die 20 Prozent über BREAK-EVEN, absolut
gesehen, sehr groß. Im besten Fall werden diese letzten 20 Prozent der Tickets verkauft
und bilden, multipliziert mit dem Preis, den Gewinn des Veranstalters. Ist der
spekulative Gewinn sehr hoch, kann es dazu kommen, dass die Veranstalter ihren
BREAK-EVEN-Punkt verschieben. Der Risikoabschlag wird dadurch geringer. In sehr
optimistischen Fällen steigt der BREAK-EVEN-Punkt bis zu 95 Prozent.110
Die zweite Möglichkeit bei den Gagenangeboten mitzuhalten, ist die Erhöhung des
Eintrittspreises. Dabei würde die Angebotsfunktion parallel nach oben verschoben
108
Abbildung vom Autor erstellt.
109
kG = 0,8xmax × p − kö − kP.
110
Interview Oskar „Ossy“ Hoppe.
76
werden. Das Kostenviereck würde solange nach oben wachsen bis dessen rechte obere
Ecke die Angebotsfunktion tangiert.
Egal ob der BREAK-EVEN-Punkt oder der kalkulierte Preis steigt, in beiden Szenarien
erhöht sich das unternehmerische Risiko. Wurde die Nachfrage dabei überschätzt,
drohen große Verluste.
Die wichtigste Vorraussetzung für ein erfolgreiches Konzert ist demnach die genaue
Einschätzung der Nachfrage. Die Nachfrage richtet sich nach dem Marktwert des
Künstlers. Vor einigen Jahren waren Chartplatzierungen und die Zahl der
Plattenverkäufe Hinweise, welche Rückschlüsse auf den Marktwert zuließen.
Mit dem Einbruch des Tonträgerhandels wurden diese Indikatoren verwässert.
Stattdessen wird von Erfahrungswerten ausgegangen. Dabei werden frühere Konzerte
als Vergleich herangezogen. In welchen Städten ist der Künstler bereits aufgetreten?
Wie teuer waren dort die Tickets und wie viele Nachfrager haben das Konzert besucht?
Die Medienpräsenz eines Künstlers ist ebenfalls ein Indiz für dessen Marktwert.
5.2. Steigende Nachfrage
Der Marktwert eines Künstlers wurde oft unterschätzt. Dies lag im Wesentlichen daran,
dass dessen Nachfrage falsch beurteilt wurde. Vor allem die Auftritte etablierter
Künstler sind in den letzten Jahren schnell ausverkauft gewesen. Dies musste auch Fritz
Rau, der jahrelang Veranstalter für die Rolling Stones war, erkennen. Bei den
Verhandlungen zur Voodoo-Lounge-Tournee 1994 konnte er das Millionenangebot
eines anderen Veranstalters nicht überbieten:
„Ich habe die Stones verloren als ihnen von einem anderen Veranstalter eine
Garantiesumme angeboten wurde, an die sie nie gedacht hätten. 28 Millionen Mark
für zehn Open-Airs. Ich habe gerechnet und gerechnet und mir wurde klar, dass die
Karten über 100 Mark kosten werden. 80 Mark war für mich die Grenze. Die
Stones wollten bei ihrem Fritz bleiben, dafür hätte ich aber das Angebot des
Konkurrenten, welches mir unsinnig hoch erschien, übernehmen müssen. Ich habe
es nicht gemacht und die Band gewarnt, dass die Leute nicht mehr als 100 Mark
zahlen würden und die Stadien halb leer bleiben würden. Der neue Veranstalter hat
77
im Schnitt über 120 Mark genommen und die Tournee war innerhalb von drei
Tagen ausverkauft.“111
Die Gründe für die steigende Nachfrage, sieht der Konzertveranstalter Klaus Bönisch in
der Erweiterung der Konsumentenschicht. Neben den heranwachsenden
Konzertbesuchern, die Bönisch als „natürlichen Nachwuchs“ bezeichnet, sei es vor
allem die Elterngeneration, die auch weiterhin zu Konzerten ginge.112 Auch Rau hat
beobachtet, dass die Konzerte der „Rockklassiker“ von bis zu drei Generationen besucht
würden. Lange Zeit herrschte ein „Jugendwahn“ in der Branche, der eine ganze
Generation von Nachfragern ignoriert habe.113
Tatsächlich ist der Musikveranstaltungsmarkt zwischen 1995 und 2007 mit einer
durchschnittlichen Rate von 1,2 Prozent pro Jahr gewachsen. 2007 wurden in
Deutschland 2,8 Milliarden Euro für den Kauf von Eintrittskarten ausgegeben.114
Einige Experten führen die positive Entwicklung auf eine steigende Anzahl von
Konzerten und damit auf einen erhöhten Gesamtticketverkauf zurück.115 Diese
Annahme würde bedeuten, dass durch die Erhöhung des Angebotes ebenfalls die
Nachfrage gestiegen ist, was bei dem vorgestellten Marktmechanismus von Angebot
und Nachfrage nur möglich wäre, wenn der Preis sinkt. Jedoch gibt es keine Anzeichen
für eine Preisminderung. Es wird noch erläutert, warum sich die Experten, die sich in
der Studie äußerten, zumindest in diesem Punkt geirrt haben.
Ein weiterer Grund für die steigende Nachfrage, könnte im Wandel des
gesellschaftlichen Ansehens der Konzertbranche liegen. Die Pluralität der wirtschaftlich
erfolgreichen Musikrichtungen und deren Akzeptanz beim Publikum beschreiben diesen
Wandel. So werden beispielsweise Hard Rock Bands wie Black Sabbath, AC/DC oder
Guns N´ Roses von vielen als Klassiker verehrt. Die Veränderung der Hörgewohnheiten
111
Interview Fritz Rau.
112
Bönisch, Klaus: Macht heute Nacht München zu!. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 50. Jg., 2008, Heft 15: 24.
113
Rau, Fritz: 50 Jahre Backstage – Erinnerungen eines Konzertveranstalters. Heidelberg, Palmyra 2005:
260.
114
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 24.
115
vgl.: Fischer, Corinna: Einfluss von Live-Musikveranstaltungen auf den Tonträgerkonsum: eine
explorative Studie. Aachen, Shaker 2006.
78
führte dazu, dass diese Musik bei jungen Konzertbesuchern auch nicht mehr als Hard
Rock bezeichnet wird. Werden die Programme der großen Festivals verglichen, fällt die
Pluralität der Musikrichtungen auf. Neben den Klassikern der Rockmusik und neuen
Rockbands treten auch Songwriter, Popsängerinnen, HipHop-Musiker oder Metalbands
auf, um das Publikum zu unterhalten. Jedoch ist ein Festival lediglich auf eine
Zielgruppe ausgerichtet.
Vor wenigen Jahrzehnten sorgte Musik regelmäßig für Spannung zwischen den
Generationen. Mittlerweile wurde die Gesellschaft an provozierende oder vermeintlich
chaotische Musik und deren Interpreten gewöhnt. Elvis Presley, The Beatles oder
Madonna haben durch ihre betont sexuellen Auftritte Skandale ausgelöst; The Sex
Pistols, Jimi Hendrix oder The Who fungierten als Sprachrohre rebellierender
Jugendbewegungen; der Auftritt von Bob Dylan auf dem Newport Folk Festival wurde
von einigen Fans bis heute nicht verkraftet. Dylan ließ sich am Ende des Konzerts
elektronisch verstärken und von einer Band begleiten.
Dylans folgende Konzerte 1965 und 1966 wurden zum Spießrutenlauf. Er wurde eine
ganze Tournee lang von vielen Fans ausgepfiffen. Dennoch konnte er sich und seine
Musik weiter entwickeln. Nachdem er von der Folkbewegung ausgestoßen wurde,
avancierte er zum Rockstar.
All diese Künstler gehören längst zu wichtigen musikalischen Vertretern des
zwanzigsten Jahrhunderts.
Heutzutage sind die Erwartungen der Konzertbesucher an den Künstler angepasst.
Überraschende Stilwechsel eines Künstlers sind längst vor dem Konzert bekannt. Stößt
der neue Stil auf Desinteresse, sinkt die Nachfrage. Skandalträchtige Schlagzeilen
beinhalten nur noch Details aus dem Privatleben der Künstler und erhöhen eher dessen
Marktwert, als dass sie ihnen schaden. Provokationen auf der Bühne, wie etwa bei
Marilyn Manson oder der Bloodhound Gang wirken meist inszeniert und gehören zur
Show. Das Publikum will unterhalten werden und hat an jeden Künstler eine gewisse
Erwartungshaltung.
Diese Form der Inszenierung hat den gesamten Musikmarkt beschleunigt. Künstler
wurden zunehmend gewinnbringend vermarktet und nachhaltige Talentförderung blieb
aus. Musiker nutzten die anstößigen Elemente vergangener Künstler um mediale
79
Aufmerksamkeit und ein marktkonformes Image zu erhalten. Die Überschüttung des
Marktes mit solchen Inszenierungen ließ die zu Grunde liegende Ideologie, die in den
skandalösen Auftritten zum Ausdruck kam, verblassen.
Neben diesem, auch weiterhin anhaltendem, Wertewandel, welcher die Rock- und
Popmusik zur Inhaltslosigkeit führt, gibt es einen gesellschaftlichen Wandel im
Freizeitverhalten der Konsumenten, von dem die Livemusik profitiert.
Das Bedürfnis nach Unterhaltung und gemeinschaftlich emotionalem Erlebnis der
Konsumenten nimmt zu.116 Der Wert eines Konzertes beruht im Wesentlichen auf
dessen Emotionalität. Mit dem Kauf der Eintrittskarte verbindet sich die
Erwartungshaltung, die sich in der Hoffnung ausdrückt, etwas Einmaliges zu erleben.
Die Einmaligkeit eines Konzertes beschreibt der Musikmanager und BOOKER Achim
Köller:
„Live-Events sind nicht reproduzierbar. Zwar kann zum Beispiel ein DVD-LiveMitschnitt gemacht werden, aber jeder Besucher erlebt eine einmalige Atmosphäre
und das Gefühl des ´Dabeiseins`, das nicht auf Datenträgern konserviert werden
kann. Deshalb leben Festivals, aber auch Einzelkonzerte, im Besonderen von ihrer
einzigartigen Atmosphäre. Diese zu schaffen, ist eine wichtige Aufgabe der
Veranstalter.“ 117
Rau beschreibt das Konzert ebenfalls als gesellschaftliches Ereignis. Er erkennt, dass
die Emotionalität ein wichtiger Bestandteil einer gelungenen Veranstaltung ist.
„Entscheidend ist für mich das bei großen Konzerten entstehende Gemeinschaftsgefühl, das wahrscheinlich ein wichtiges Geheimnis des Erfolgs dieser Veranstaltungen ist. Jeder Besucher weiß, dass er tausende und abertausende von
Gleichgesinnten trifft, die wie er ihre Rolling Stones verehren oder ihren Peter
Maffay. [...] Doch nur wer im Innenraum oder auf den Rängen das Geschehen ganz
konzentriert und wenn möglich aus nächster Nähe mitverfolgt und ein Teil der
begeisterten Masse wird, kann das Konzert musikalisch und gesellschaftlich voll
116
vgl.: Fischer, Corinna: Einfluss von Live-Musikveranstaltungen auf den Tonträgerkonsum: eine
explorative Studie. Aachen, Shaker 2006.
117
Köller, Achim: Concertbooking. Redigierte Mitschrift einer Ringvorlesung 2005/2006 am Institut für
Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik und Theater Hannover. In:
Musikwirtschaft und Medien: Märkte - Unternehmen - Strategien. Hrsg. von Beate Schneider und Stefan
Weinacht. München, R. Fischer 2007: 203f.
80
erleben und danach die Erinnerung an ein unvergesslichen Tag mit nach Hause
nehmen.“118
Dass ein Konzert zum gesellschaftlichen Ereignis wird, belegt auch eine Studie über das
Konsumverhalten der Konzertbesucher.119 Demnach gehen 78 Prozent der Befragten
gern mit Freunden oder dem Partner zu Veranstaltungen. Dies ist der zweithöchste Wert
und findet mehr Zuspruch als „Ich möchte einen Künstler / das Programm live auf der
Bühne sehen“. Das Treffen von Gleichgesinnten ist jedem zweiten Konzertbesucher
unter 30 Jahren wichtig. Den meisten Zuspruch erhielt die Aussage, dass Eintrittskarten
ein schönes Geschenk seien.
5.3. Steigende Preise
Es gibt keine Studien, die sich näher mit der Preisentwicklung des deutschen
Konzertmarktes beschäftigen. Jedoch ist auch ohne Studien unübersehbar, dass die
Ticketpreise in den letzten Jahren spürbar gestiegen sind. Oft wird der eingebrochene
Umsatz im Tonträgergeschäft als Grund genannt. Die Künstler würden mit ihren
Konzerten die fehlenden Einnahmen kompensieren. Dies ist zu untersuchen.
Bönisch meint, dass vor allem die Spitzenwerte bei den Ticketpreisen „explodiert“ sind.
Aber auch der Durchschnittspreis sei stark gestiegen. Er schätzt die Preissteigerung
innerhalb von sechs Jahren auf 100 Prozent. Seiner Meinung nach hat sich bis 2008 der
durchschnittliche Ticketpreis seit der Einführung des Euros verdoppelt.120
Die GfK-Studie zum Konsumverhalten der Konzertbesucher, die unter anderem vom
Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft herausgegeben wird, hat die Ticketpreise
nach Musikrichtungen sortiert. In der Studie ist die Tabelle der Eintrittspreise mit
118
Rau, Fritz: 50 Jahre Backstage – Erinnerungen eines Konzertveranstalters. Heidelberg, Palmyra 2005:
85.
119
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 15.
120
Bönisch, Klaus: Macht heute Nacht München zu!. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 50. Jg., 2008, Heft 15: 24.
81
„Gefühlte und tatsächliche Ticketpreise“ überschrieben.121 Der durchschnittliche Preis
aller Tickets für Musikveranstaltungen lag bei 33,20 Euro, der für fremdsprachige
Rock- und Popkonzerte bei knapp 44 Euro.122 „Die teuersten Eintrittskarten [..., die]
gerade Kulturjournalisten gerne bei Superstars“ kritisieren, seien Einzelfälle.123
Dass die Spitzenpreise spürbar gestiegen sind, ist nicht von der Hand zu weisen.
Rekordverdächtig war die Europatournee von Barbra Streisand. Die Eintrittspreise für
ihr Berliner Konzert im Sommer 2007 lagen zwischen 100 und 550 Euro.124 Die
Waldbühne war mit über 17.000 Plätzen ausverkauft.
Dieses Beispiel kann wirklich als Einzelfall bezeichnet werden. Streisand gibt wenige
Konzerte und der Auftritt in Berlin war das erste Deutschlandkonzert in ihrer Karriere.
Zudem wurde die Sängerin von 60 Orchestermusikern begleitet.
Dennoch sind Ticketpreise über 100 Euro keine Seltenheit. Durch unterschiedliche
Preisklassen liegen die Spitzenwerte sogar deutlich darüber.125
Die Konzertkarten für The Police, U2, Metallica, Madonna, Elton John, Celine Dion,
Genesis oder Georg Michael kosteten in den letzten drei Jahren im Durchschnitt 100
Euro oder mehr. Dass etablierte Künstler jedoch nicht immer auf die erhoffte Nachfrage
stoßen, zeigten die letzten Konzerte der Rolling Stones.
Fritz Rau gab 1994 die Voodoo-Lounge-Tour der Stones ab. Er befürchtete, dass die
Nachfrage bei einem Preis über 100 Deutsche Mark nicht groß genug sein würde. Die
Tournee war erfolgreich. Hingegen war das Nachholkonzert der A-Bigger-BangTournee 2007 in Frankfurt ein wirtschaftlicher Misserfolg. Im Vorverkauf wurden
ausschließlich Sitzplatzkarten zwischen 80 und 190 Euro angeboten. Von den 35.000
121
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 8.
122
ebd.: 2.
123
ebd.: 8.
124
Heidböhmer, Carsten: Barbra-Streisand-Konzert – 500 Euro sind noch nicht zu viel. Hrsg. von
stern.de. http://www.stern.de/unterhaltung/musik/:Barbra-Streisand-Konzert-500-Euro/592133.html.
Zuletzt besucht am 12. Januar 2009.
125
Einige Tickets sind Bestandteile von Eventreisen, die neben dem Konzertbesuch auch die Kosten für
Übernachtung, Anreise und Verpflegung beinhalten. Diese Tickets können je nach Rahmenangebot bis zu
1.000 Euro und mehr kosten. Diese Ticketangebote werden hier nicht betrachtet. Alle genannten Preise
beinhalten nur die Eintrittskarte.
82
Tickets126 wurden nur 70 Prozent, teils stark verbilligt, verkauft.127 Bricht die Nachfrage
bei solch kostspieligen Konzerten weg, muss der Veranstalter mit Abschreibungen in
Millionenhöhe rechnen. Das Beispiel der Rolling Stones Konzerte zeigt, dass die
Nachfrage durchaus auf die Höhe der Preise reagiert.
Die Ticketpreise für die Konzerte internationaler Stars sind gestiegen. Dies lässt aber
keine Rückschlüsse auf den Gesamtmarkt zu. Dieser muss aber betrachtet werden, da
der Vergleich der Ticketpreise anhand weniger ausgewählter Künstler über eine gewisse
Zeitspanne unzulässig ist. Die Rolling Stones hatten 1994 einen ähnlichen
Bekanntheitsgrad wie 2007, andere Künstler hingegen, haben sich in dieser Zeit
etablieren können. Ihre Eintrittspreise sind aufgrund ihres wachsenden
Bekanntheitsgrades und der damit wachsenden Nachfrage überdurchschnittlich
gestiegen.
5.4. Steigende Kosten
Die Erhöhung der Eintrittspreise ist auf eine Erhöhung der Kosten zurückzuführen.
Internationale Künstler verlangen ihre Gagen in US-Dollar. Fällt der Wert des Euros,
steigen damit auch die Gagenkosten in Europa. Dies erklärt allerdings lediglich eine
mögliche Schwankung der Preise und wird angesichts der Kursentwicklung des Euros
zum Dollar, kaum Einfluss auf eine Preiserhöhung gehabt haben. Andersherum ist es
bei einem niedrigen Dollarkurs für amerikanische Künstler sehr profitabel in Europa auf
Tour zu gehen.128
Trotz der Begünstigung der Konzertbranche durch den schwachen Dollar der letzten
Jahre sind die Gagen stark gestiegen. Konzertveranstalter Karsten Jahnke behauptete in
126
Die genaue Kapazitätsmenge für dieses Konzert ist nicht bekannt. Bei anderen Konzerten im selben
Stadion kamen über 55.000 Besucher. Kurzfristig wurde bei den Rolling Stones die Bühne längs gestellt.
Ebenso wurden anfangs keine Stehplätze verkauft. Daher ist die Kapazitätsmenge wahrscheinlich auf
35.000 Plätze gesunken. Etwa 25.000 Besucher kamen zum Frankfurter Konzert. Es gab zwei weitere
deutsche Nachholkonzerte in Düsseldorf und Hamburg, die ebenfalls katastrophale Vorverkaufszahlen
aufwiesen.
127
Kreitling, Holger: Tournee: Stones bekommen Arena in Frankfurt nicht voll. Hrsg. von Welt Online.
http://www.welt.de/vermischtes/article933878.ece. Zuletzt besucht am 13. Januar 2009.
128
Seit der Einführung des Euros ist dessen Wert im Verhältnis zum Dollar stark gestiegen. 2001: 1 $ =
0,80 €; 2008 schwankte der Dollar zwischen 1,23 € und 1,60 €.
83
einem Interview, dass im Jahr 2000 die Gagenpreise vergleichbarer Künstler von
100.000 US-Dollar auf 300.000 Euro im Jahr 2008 gestiegen wären.129 Neben den
sinkenden Umsatzzahlen aus den Tonträgerverkäufen, würden die Showelemente eines
Auftrittes immer kostspieliger werden. Diese Kosten schlagen sich in den
Gageforderungen nieder.
In Deutschland gehören vergleichsweise viele Veranstaltungsorte den Kommunen. Die
Verwaltungen dieser Spielstätten sind nicht auf Einnahmen durch Konzerte angewiesen.
Die Mieten und der Service von kommunal geführten Hallen werden im Allgemeinen
von Veranstaltern kritisiert. Service und Preise würden auf einem freien Markt zum
Wettkampf der Eigentümer führen und letztendlich auch zu geringeren örtlichen
Kosten. Hoppe vergleicht die Situation der deutschen Spielstätten mit denen in
Amerika:
„Die örtlichen Kosten sind in Deutschland mit am höchsten. Viele Hallen hier sind
nicht in Privatbesitz. Die Mietpreise werden vorgeschrieben. Es interessiert
manche Hallenbesitzer nicht ob 2.000 oder 10.000 Leute in die Festhalle kommen.
In Amerika ist es anders. In einigen Städten gibt es drei oder vier Hallen in
Privatbesitz. Bei den Ausweichmöglichkeiten stehen die Betreiber in starker
Konkurrenz zu einander und müssen dann entsprechend günstigere Angebote
geben.“130
Die Zahl der unternehmerisch geführten Veranstaltungsorte nimmt auch in Deutschland
zu. Einige Experten befürchten regionale Überangebote. Vor allem in schwach
besiedelten Gegenden ist der Bau von großen Konzerthallen umstritten.131
Nach Aussagen der Veranstalter tragen die gestiegenen örtlichen Kosten ebenfalls zur
Preiserhöhung bei. Gestiegene Mieten und die Einhaltung behördlicher Anforderungen
seien die größten Verursacher.132 Zudem sind die Nebenleistungen der Veranstalter in
129
Busdorff, Reimer und Bernie Schick, Dieter Schubert, Jörg Tresp: Podiumsdiskussion 360° Modell.
Kiez Kongress 2008 - Musikwirtschaft erleben. http://www.ligx.de/de/hamburg/kulturhaus73/events/2008/9/26/podiumsdiskussion/905. Zuletzt besucht am 10. Februar 2009.
130
Interview Oskar „Ossy“ Hoppe.
131
Brill, Michael: Die Phantasie ist scheinbar unbegrenzt – MM-Gespräch mit Michael Brill, SMG
Deutschland. In: Musikmarkt special – spielstätten & ticketing. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG.
2005: 8f.
132
Bönisch, Klaus: Macht heute Nacht München zu!. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 50. Jg., 2008, Heft 15: 24.
84
den letzten Jahren professioneller geworden. Komfortablere Sanitärbereiche,
Parkplatzflächen und geschultes Personal sind einige Beispiele, die zwar von vielen
Besuchern als selbstverständlich angenommen werden, aber auch höhere Kosten
verursachen.
Auch die Werbung wird zu den örtlichen Kosten gezählt. Die Preise urbaner
Werbeflächen sind für viele Konzertveranstalter kaum mehr zu finanzieren.
Eine weitere deutsche Besonderheit ist die hohe Besteuerung in der Konzertbranche.
Vor allem die Ausländereinkommenssteuer wurde heftig kritisiert. Dabei handelte es
sich um eine Bruttobesteuerung der Künstlergage mit 20 Prozent. Der entsprechende
Artikel aus dem Einkommenssteuergesetz ist Ende 2008 nach langem Streit
weggefallen.133 Zwar gab es die Möglichkeit auf Steuerbefreiung, diese war aber nicht
einheitlich geregelt. Der Konzertveranstalter Marcel Avram wurde 1997 wegen
´Steuerhinterziehung zugunsten Dritter` zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die
Steuerzahlungsfreistellungen, die er für seine Künstler beantragt134 und erhalten hatte,
wurden vom Finanzamt rückwirkend aberkannt.135
Auch wenn diese Steuer nicht mehr existiert, war sie in der Vergangenheit ein weiterer
Kostenfaktor. Rau, der ein Partner von Avram war, ließ 1998 in einem Interview mit
der Süddeutschen Zeitung erkennen, wie er zur deutschen Steuerpolitik und dessen
Einfluss auf die Ticketpreise steht:
„Wir Konzertunternehmer schaffen die wirtschaftliche Vorraussetzung für
Ereignisse, die Kulturgeschichte sind – ohne Subventionen der öffentlichen Hand,
ohne Verschwendung von Steuergeldern. Aber wir zahlen Millionen und
Abermillionen Steuern und andere öffentliche Abgaben auf dem Rücken unseres
Publikums, das alles durch den Kauf einer Eintrittskarte finanziert.“136
Auch ohne die Ausländereinkommenssteuer ist das deutsche Steuergesetz im
internationalen Vergleich hochgradig komplex. Die Steuern, die für Veranstaltungen
gelten, machen da keine Ausnahme.
133
§ 50a Abs. 4 EStG.
134
§ 50 EStG.
135
Rau, Fritz: 50 Jahre Backstage – Erinnerungen eines Konzertveranstalters. Heidelberg, Palmyra 2005:
143.
136
ebd.: 149.
85
Jedwede Steuer wird vom Veranstalter getragen. Der Künstler entscheidet sich für das
beste Angebot. Dabei vergleicht er seine Nettoerlöse. Steuern, die vom Künstler
abgeführt werden müssen, werden auf den Veranstalter abgewälzt. Steigen zudem die
Gagenforderungen, erhöhen sich die zusätzlichen Kosten der Steuern im gleichen Maße.
5.5. Steigende Preise in den USA
Den Ursprung der Preissteigerung sieht Hoppe in den USA.137 Um Rückschlüsse für
den deutschen Markt zu ziehen, sollen die Ergebnisse der Rockonomics-Studie zum
Vergleich herangezogen werden. 138
Marie Connolly und Allen Krueger gelang es, die Preissteigerung des Konzertmarktes
zu beziffern. Dazu werteten sie die Daten der Fachzeitschrift Polstar aus.
Polstar sammelte zwischen 1981 und 2003 Konzertberichte mit Angaben zu
Ticketverkäufen und –preisen. Insgesamt stehen die Kennzahlen von 233.000 Rockund Popkonzerten zur Verfügung. Als Gegenprobe wurden bei einigen Berechnungen
nur Künstler berücksichtigt, die in The Rolling Stone Encyclopedia of Rock & Roll
genannt sind. Dies sollte große Fluktuationen der Erhebungsbasis vermeiden. Die Basis
umfasst 1.300 Künstler, die 75 Prozent der Polstar-Umsätze repräsentieren.
Für alle Berechnungen wurden die Nominalpreise benutzt. Dies bedeutet, dass weder
Vorverkaufsgebühren noch Preise auf dem Sekundärmarkt berücksichtigt wurden. Aus
Sicht der Anbieter ist dies durchaus sinnvoll, da so die Rückflüsse aus den Konzerten
erfasst werden können. Die eigentliche Preisentwicklung für den Nachfrager bleibt aber
tendenziell unterbewertet.
Von 1996 bis 2003 wuchs der durchschnittliche Ticketpreis jährlich um neun Prozent.
Bei der Gegenprobe waren es elf Prozent. Die Inflationsrate der Vereinigten Staaten
betrug im gleichen Zeitraum 2,3 Prozent pro Jahr. Diese Gegenüberstellung hat
lediglich eine geringe Aussagekraft. Deswegen wurde die Preisentwicklung der
Konzertkarten zusätzlich mit einem Preisindex für andere „live entertainment events“
137
Interview Oskar „Ossy“ Hoppe.
138
Connolly, Marie und Alan B. Krueger: Rockonomics: The Economics of Popular Music. Hrsg.
Princeton University – Industrial Relations Section. http://www.irs.princeton.edu/pubs/pdfs/499.pdf.
Zuletzt besucht am 28. Oktober 2008.
86
verglichen. Dabei wurden aus dem CPI-U139 die Bereiche Film, Sportveranstaltungen
und Theater separiert. Die Preise der Unterhaltungsbranche wuchsen zwischen 1997
und 2003 um 32 Prozent, die der Konzerte um 64 Prozent.
Connolly und Krueger untersuchten ebenfalls die Streuung der Ticketpreise. Dabei
wurden jeweils die höchste und die niedrigste Preisklasse analysiert. 2003 gab es nur
bei 57 Prozent der Konzerte Preisunterschiede. Der Preis der besten Plätze korreliert mit
den Durchschnittspreisen, wobei die teuren Plätze eine sehr deutliche Steigung in der
absoluten Betrachtung aufwiesen. Die günstigsten Preise verteuerten sich um jährlich
6,7 Prozent. Dementsprechend wurde die Spanne zwischen den Preiskategorien größer.
Die Abbildung 10 zeigt die durchschnittlichen Eintrittspreise der Jahre 1996 bis 2003,
die Entwicklung der teuersten und der günstigsten Ticketkategorien sowie den CPI-U
SUB-INDEX für Film-, Theater- und Sportveranstaltungen.
139
Der Consumer Price Index for All Urban Consumers (CPI-U) ist der Verbraucherpreisindex der
amerikanischen Stadtbevölkerung und spiegelt ungefähr 80 Prozent der US-Amerikaner wieder.
87
Abbildung 10
Preisentwicklung von Konzertkarten und anderen LiveVeranstaltungen in Amerika. 1996 - 2003.140
Somit ist der Verdacht der Preissteigerung, zumindest für den amerikanischen Markt,
bestätigt. Aber auch in Deutschland gibt es genügend Hinweise auf eine derartige
Entwicklung.
Die GfK-Studie gibt keine Auskunft über die Entwicklung der Ticketpreise.141
Jedoch kann aus der Anzahl verkaufter Konzertkarten und dem Umsatz ein
Durchschnittspreis von 33 Euro bestimmt werden. 2003 lag dieser Wert bei 19 Euro.
Dies entspricht einer jährlichen Wachstumsrate in Höhe von 15 Prozent. Deutlich höher
140
vgl.: Connolly, Marie und Alan B. Krueger: Rockonomics: The Economics of Popular Music. Hrsg.
Princeton University – Industrial Relations Section. http://www.irs.princeton.edu/pubs/pdfs/499.pdf.
Zuletzt besucht am 28. Oktober 2008.
vom Autor modifiziert.
141
Die vergangenen Studien liegen nicht vor und sind vergriffen. Trotz einer Anfrage beim Verlag ergab
sich keine Möglichkeit einer Einsicht. Die Studien sind auch nicht Bestandteil der Sammlung der
Deutschen Nationalbibliothek. Der Gesellschaft für Konsumforschung und dem statistischen Bundesamt
liegen keine Daten zur Preisentwicklung vor (vgl. Fischer). Auch die Veranstalter können nur
Vermutungen anstellen. Allerdings berichten Fischer und Köller von der 2003 erschienenen Studie.
Einige Daten konnten so zum Vergleich herangezogen werden. Bekannt ist ebenfalls, dass es 1995 und
1999 keine segmentspezifischen Preisbefragungen gab.
88
als die Preisentwicklung bis 2003 in den USA. Die Zahlen bestätigen die Vermutung
der Experten. Demnach hat sich der Preis von 2002 bis 2008 mehr als verdoppelt, die
Schätzung von Bönisch war also keineswegs übertrieben.
Die Preisentwicklung von Rock- und Popkonzerten kann nicht genau ermittelt werden.
Die GfK-Studie gibt aber Auskunft über die Preise im Jahr 2007. Es wurden 27
Millionen Tickets zum Durchschnittspreis von 39 Euro gekauft.142 Die Ticketpreise für
Rock- und Popmusik sind überdurchschnittlich hoch angesetzt.
5.6. Stabilität des Marktes
Die Umsatzzahlen der Konzertbranche deuten auf ein stabiles Wachstum hin. Jedoch
zeigt die Betrachtung der Ticketpreise eine starke Dynamik des Marktes. Werden die
Kennzahlen der Musikveranstaltungen aus den Jahren 2003 und 2007 verglichen, fallen
ebenfalls große Veränderungen auf.143 Die Anzahl verkaufter Tickets ist von 142
Millionen auf 82 Millionen gesunken. Dies ist ein Rückgang von 13 Prozent pro Jahr.
Dieser Rückgang wird nur durch die Erhöhung der Preise retuschiert.
Warum gehen einige Experten jedoch von einer steigenden Nachfrage aus?144
Vermutlich liegt diese Fehleinschätzung in der Wahrnehmung des Marktes. Mediale
Aufmerksamkeit wird vor allem den mittleren und großen Konzerten geschenkt und
142
Bekannt sind die Durchschnittspreise und die Umsätze der Sparten. Werden die einzelnen
Umsatzanteile mit den entsprechenden Preisen dividiert ist die Ticketmenge bekannt. Die bereinigten
Daten (nur Rock- und Popmusik gemäß der in der Einleitung getroffenen Definition) werden als Basis auf
den Wert 100 gesetzt. Nun kann der Anteil der einzelnen Sparten zur Basis ermittelt werden. Dieser
Anteil wird mit dem Sparten-Durchschnittspreis multipliziert. Die Summe aller Produkte ergibt den
Durchschnittspreis für alle Rock- und Popkonzerte.
143
2003 haben 34 Millionen Besucher im Durchschnitt 80 Euro für durchschnittlich vier Konzerte
ausgegeben. 2007 waren es nur noch 27 Millionen Personen, die zu Konzerten gegangen sind. Sie
bezahlten für drei Konzerte über einhundert Euro.
vgl.: GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 2.
und
Köller, Achim: Concertbooking. Redigierte Mitschrift einer Ringvorlesung 2005/2006 am Institut für
Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik und Theater Hannover. In:
Musikwirtschaft und Medien: Märkte - Unternehmen - Strategien. Hrsg. von Beate Schneider und Stefan
Weinacht. München, R. Fischer 2007: 197f.
144
vgl.: Kapitel 5.2.
89
derer gab es in den letzten Jahren zunehmend mehr. Die Nachfrage dieser Künstler war
ungebrochen hoch, jedoch bewirkte der starke Anstieg der Preise, dass die
Besuchsintensität gesunken ist.
Viele Konzertgänger leisteten sich Tickets für etablierte Künstler und verzichteten auf
den Besuch kleinerer Konzerte. Tatsächlich wurden 2003 in den USA 85 Prozent des
Umsatzes von lediglich fünf Prozent der Künstler eingespielt.145 Der Löwenanteil der
Ticketausgaben wird auch in Deutschland an wenige Künstler mit Star-Charakter
gehen. Dies hatte zur Folge, dass kleine Clubs oft leer blieben und unbemerkt
verschwanden.
Die erhöhten Ticketpreise können aber auch zur Gefahr für etablierte Künstler werden.
Wird davon ausgegangen, dass sich die Einnahmen der Tonträger nicht regenerieren,
sind die Künstler auch in Zukunft auf erfolgreiche Konzerte angewiesen. Dies bedeutet,
dass die Besucher wieder kommen müssen. Umso höher die Preise, desto geringer ist
die Wahrscheinlichkeit, dass ein Besucher erneut ein Konzert des Künstlers besucht.146
So wird trotz der hohen Preise das Angebot von der aktuellen Nachfrage gedeckt,
jedoch sinkt dadurch die zukünftige Nachfrage überproportional.
Etablierte Künstler haben einen verhältnismäßig hohen Anteil von Besuchern, die nur
gelegentlich zu Konzerten gehen. Fallen diese Konsumenten weg, wird in erster Linie
ihnen geschadet. Sieben Millionen Besucher sind innerhalb von fünf Jahren aus dem
Markt gefallen.147
Das Frankfurter Rolling Stones Konzert148 bestätigt diese Theorie. Sollte dieses
Szenario für die gesamte Branche eintreten, brechen in der Konzertindustrie die
Umsätze ein.
145
Connolly, Marie und Alan B. Krueger: Rockonomics: The Economics of Popular Music. Hrsg.
Princeton University – Industrial Relations Section. http://www.irs.princeton.edu/pubs/pdfs/499.pdf.
Zuletzt besucht am 28. Oktober 2008: 19f.
146
Die Problematik kann mit Hilfe der Kunden-Lebenswert-Analyse erfasst werden. Der KundenLebenswert wird berechnet, indem alle erwarteten Netto-Einnahmen addiert und über den betrachteten
Zeitraum abgezinst werden. Dadurch kann der Kapitalwert der Ertragsrückflüsse, die mit einem
bestimmten Konzertgänger über die Dauer des Betrachtungszeitraums erzielt wird, bestimmt werden. Die
im Text geäußerte Vermutung besagt, dass der durchschnittliche Kunden-Lebenswert durch die hohen
Preise sinkt.
147
vgl.: Fußnote 143.
148
vgl.: Kapitel 5.3.
90
Es gibt zwei Gründe, warum diese Entwicklung erst in den letzten Jahren einsetzte.
Zum einem ist der Konzertmarkt zur wichtigsten Einnahmequelle etablierter Künstler
geworden,149 daher ist die Frequenz ihrer Tourneen gestiegen. Der Zweite Grund liegt
in der Liberalisierung des Marktes:
Die Konzertbranche ist ein sehr personenbezogenes Business. Künstler und Veranstalter
verbindet meist mehr als die reine Geschäftsbeziehung. Fritz Rau und Oskar Hoppe
berichteten in den Interviews von engen Freundschaften zwischen ihnen und vielen
Künstlern. Dies führte dazu, dass die Künstler auch nur mit diesen Veranstaltern
zusammenarbeiteten. Die Gagen wurden ausgehandelt.
Die Einnahmen, welche die Veranstalter durch erfolgreiche Konzerte verdient hatten,
wurden genutzt, um unbekannte Künstler langfristig aufzubauen. Das finanzielle Risiko
wurde gern in Kauf genommen, da sich so Partnerschaften entwickelten, die jahrelang
hielten.
Durch die Entwicklung zu einem Markt, welcher durch Angebot und Nachfrage
reguliert wird, verändert sich die Preisfindung. Viele Künstler sind dazu übergegangen,
ihre Tourneen komplett von internationalen Agenturen planen zu lassen. Diese
´Entpersonalisierung` hat zur Folge, dass sich die Veranstalter gegenseitig überbieten
müssen. Ihr Risiko steigt und ihre Gewinne sinken.
Da den Veranstaltern weniger Geld zur Verfügung steht, werden risikoreiche
Investitionen strenger bewertet. Die Nachfrage an unbekannter Musik ist stark
zurückgegangen und ein ehemals ungeschriebenes Gebot der Loyalität, zwischen
Künstler und Veranstalter, verblasst. Langfristige Verträge sind in der Konzertbranche,
bis jetzt, nicht üblich.
Neue Musik wurde in der Vergangenheit immer durch die Einnahmen bereits
erfolgreicher Künstler finanziert. Plattenfirmen haben bei den SINGLE-Auskopplungen
eine Erfolgsquote von ungefähr zehn Prozent.150 Die Gewinne dieser Verkaufserfolge
wurden in der Vergangenheit genutzt, um junge Künstler aufzubauen. Ähnlich
149
vgl.: Kapitel 2.2.2.
150
Cordes, Johannes: Artist-And-Repertoir, Majorlabels und Musikmanagement. Redigierte Mitschrift
einer Ringvorlesung 2005/2006 am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der
Hochschule für Musik und Theater Hannover. In: Musikwirtschaft und Medien: Märkte - Unternehmen Strategien. Hrsg. von Beate Schneider und Stefan Weinacht. München, R. Fischer 2007: 36.
91
funktionierte der Konzertmarkt. Ein überzeugter Veranstalter konnte durch sein
Engagement, den Grundstein einer erfolgreichen Künstlerkarriere legen.
Es scheint paradox, dass jene Künstler, die zuvor die Nachwuchsförderung finanzierten,
nun die Ursache eines drohenden Marktversagens sein sollen.
Der Tonträgermarkt scheint, in der andauernden Absatzkrise, nicht mehr in der Lage zu
sein, Künstler nachhaltig aufzubauen. Die Zahl der Musiker, die sich etablieren und
über Jahre hinweg erfolgreich sind, wird geringer und internationale Superstars werden
älter.151
Nachwuchs wird es trotzdem geben, heutzutage wahrscheinlich mehr als je zuvor. Tim
Renner macht die „Demokratisierung der Musikproduktion“152 für diesen durchaus
positiven Effekt verantwortlich. Durch die digitale Technologie könne eine CD bereits
mit einem Mikrofon und einen Laptop produziert werden. Jedoch ist fraglich, wie diese
Künstler in den Markt kommen sollen. Das Internet kann dies nur in Ausnahmefällen
leisten. In vielen Fällen fehlt die redaktionelle Plattform, so dass die Musiker in der
Masse untergehen werden.
Die Gefahr besteht demnach nicht im fehlenden Nachwuchs, sondern im Verlust der
marktspezifischen Infrastruktur. Dies wird durch die GfK-Studie bestätigt. So gingen
2007 nur noch elf Prozent aller Konzertbesucher zu Veranstaltungen mit Künstlern, die
sie noch nicht kannten.153
In wiefern dieses Szenario zum ernsthaften Problem werden kann, ist nicht mit
Sicherheit vorherzusagen. Ein Blick auf den amerikanischen Markt läst aber wenig
Grund zum Optimismus. Nach den spürbaren Preiserhöhungen ab 1996 sind die
Umsatzerlöse der etablierten Künstler bis zum Jahr 2000 um 40 Prozent gestiegen,
151
Hoppe meint, dass es so gut wie keine Künstler unter 50 Jahren mehr gäbe, die eine Open-AirWelttournee spielen könnten. vgl.: Interview Oskar „Ossy“ Hoppe.
152
Renner, Tim: Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm! Ueber die Zukunft der Musik- und
Medienindustrie. Frankfurt am Main / New York, Campus 2004: 271.
153
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 15.
92
danach jedoch wieder gesunken. Die Zahl der verkauften Konzertkarten ist zwischen
2000 und 2003 um 20 Prozent gefallen.154
154
Connolly, Marie und Alan B. Krueger: Rockonomics: The Economics of Popular Music. Hrsg.
Princeton University – Industrial Relations Section. http://www.irs.princeton.edu/pubs/pdfs/499.pdf.
Zuletzt besucht am 28. Oktober 2008: Abbildungen 4.3.a - 4.3.c.
93
6. Der Markt für Konzerttickets
In diesem Kapitel werden die Grundlagen für den Ticketverkauf behandelt. Dabei
werden die Distributionswege, einige Kennzahlen zur Wirtschaftlichkeit des Konzertes
sowie zum Kundenverhalten besprochen. Danach folgt ein Blick auf den
Sekundärmarkt und dessen Problematik.
6.1. Ticketdistribution
Hat ein Veranstalter seine Kalkulation aufgestellt und einen passenden Ort für sein
Konzert gefunden, muss er dafür Sorge tragen, dass der Kartenverkauf beginnt.
Die Konzertkarten können am Veranstaltungsort oder über eine Ticketagentur verkauft
werden. Der Verkauf am Veranstaltungsort ist meist auf die Abendkasse reduziert.
Einige Veranstalter bieten die Karten zu ihren Konzerten auch schon im Vorverkauf
über Tageskassen an. Tageskassen werden meistens bei Spielstätten mit häufigem
Konzertbetrieb eingerichtet. In der Regel bieten Opern und Theater, aber auch einige
Clubs oder Mehrzweckhallen diesen Service.
Drei Viertel aller Karten werden über Ticketagenturen verkauft, denen eine Vielzahl an
Distributionsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Neben den klassischen
94
Vorverkaufsstellen sind es vor allem die Ticketverkäufe über das Internet, die in den
letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben.
Die Ticketagenturen erheben eine System- und eine Vorverkaufsgebühr. Die
Systemgebühr ist unabhängig von der Veranstaltung und besteht aus einem Fixbetrag
zwischen einem und drei Euro. Die Vorverkaufsgebühr beträgt ungefähr zehn Prozent
des Kartenpreises.
Eine weitere Möglichkeit des Ticketbezuges ist der Sekundärmarkt. Auf dem
Sekundärmarkt werden Tickets angeboten, die bereits über die regulären
Vorverkaufsstellen ausgegeben wurden. Der Sekundärmarkt stellt keine institutionelle
Einrichtung dar und ist somit nicht eindeutig reglementiert. Es gibt unterschiedliche
Motive, gekaufte Konzertkarten ein zweites Mal zu verkaufen. Einige Konsumenten
können beispielsweise den Konzerttermin nicht wahrnehmen und sind aufgrund der
fehlenden Rückgabemöglichkeiten zum Verkauf ihrer Tickets gezwungen.
Der Handel mit Konzerttickets, die sich bereits im Umlauf befinden wird immer
beliebter, da sich bei diesem Geschäft mitunter hohe Gewinnmöglichkeiten bieten.
Anhand der folgenden Abbildung sollen die soeben dargestellten Bezugsströme noch
einmal verdeutlicht werden:
95
Abbildung 11
Ticketmarkt155
Im Jahr 2007 wurden im Bereich der Rock- und Popmusik Konzerttickets im Wert von
über eine Milliarde Euro gekauft.156 Bei einem Durchschnittspreis von 39 Euro
entspricht dies 27 Millionen Konzertkarten. 157
Konkret setzt sich der Kartenverkauf wie folgt zusammen:158 40 Prozent der Karten
werden über die klassischen Vorverkaufsstellen vertrieben, weitere 29 Prozent über die
offiziellen Verkaufsstellen im Internet. An der Abendkasse werden rund 22 Prozent der
Eintrittskarten verkauft. Einen vergleichsweise geringen Stellenwert nimmt dagegen die
telefonische Kartenbestellung mit sieben Prozent ein. Die verbleibenden zwei Prozent
der Karten werden auf dem Sekundärmarkt gehandelt.
155
vgl.: Courty, Pascal: Some Economics of Ticket Resale. Hrsg. London Business School - Department
of Economics. http://www.iue.it/Personal/Courty/Pub/JEP.pdf. Zuletzt besucht am 29. Oktober 2008.
vom Autor modifiziert.
156
vgl.: Kapitel 2.2.2.
157
vgl.: Kapitel 5.5.
158
Die prozentualen Angaben basieren auf den gleichen formalen Berechnungen wie beim
Durchschnittspreis (Fußnote 142). Die Daten, die zur Berechnung nötig waren, stammen aus:
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 10.
96
Auch wenn die aufgeführten Teilmengen des Kartenvertriebs in ihrer Summe 100
Prozent ergeben, muss auf eine Ungenauigkeit hingewiesen werden. Da die Karten auf
dem Sekundärmarkt bereits einmal auf dem Primärmarkt gekauft wurden, müssen sie
zwangsläufig doppelt in der Statistik auftreten. Diese Verzerrung ist bei zwei Prozent
des Mengen-Gesamtvolumens hinzunehmen, darf aber nicht zu der falschen Annahme
führen, dass der Zweitmarkt keinen Einfluss auf die Wertschöpfungskette nimmt.
Die kurzfristigen Einnahmen, welche, abzüglich der System- und Vorverkaufsgebühren,
dem Veranstalter und damit auch dem Künstler zugute kommen, werden durch den
Sekundärmarkt nicht verändert. Allerdings schaltet sich in die Wertschöpfungskette ein
zusätzliches Glied. Dies ist der Grund für die erhöhten Preise auf dem Sekundärmarkt,
welche zu einer Verzerrung des Konzertangebotes führen können.159
Welcher Anteil genau über die Tageskasse verkauft wird, ist in der Gesamtbetrachtung
nicht bekannt. Bei der Rock- und Popmusik ist die Unterscheidung zwischen Tagesund Abendkasse zu vernachlässigen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass bei
kleinen Konzerten der Verkauf vermehrt über die Abendkasse abgewickelt wird. Hier
lohnt es sich in den seltensten Fällen, eine Agentur mit der Abwicklung der
Ticketdistribution zu beauftragen.
Bei sehr großen Produktionen hingegen, wird die Abendkasse prozentual eher wenige
Karten verkaufen. Durch die stärkere Medienpräsenz und dem Starstatus des Künstlers
gehen viele Konsumenten von einer vermeintlich hohen Nachfrage aus. Dies kann dazu
führen, dass Konsumenten die falsche Annahme treffen, es würde sich nicht mehr
lohnen zum Veranstaltungsort zu fahren. Verbleibende Karten werden trotz einer
bestehenden Nachfrage nicht verkauft.
Große Konzerte sind mit einem höheren finanziellen Risiko, seitens des Veranstalters,
behaftet. Durch einen frühzeitigen Vorverkaufsstart und einem raschen Abverkauf der
Tickets wird das Risiko verringert. Um das Risiko besser zu kalkulieren, will der
Veranstalter schon am Anfang der Planungsphase ein Abbild der Nachfrage erhalten.
159
vgl.: Kapitel 6.2.2.
97
An dieser Stelle ergibt sich jedoch ein Interessenkonflikt zwischen den Konsumenten
und dem Veranstalter.
Zwei Drittel der Konsumenten würden ihre Tickets gerne kurzfristig kaufen. Dennoch
kaufen über 60 Prozent der Konzertbesucher ihre Karten drei bis zwölf Monate im
Voraus.160 Grund für den Unterschied ist erneut die Unsicherheit: Ist zu befürchten, dass
das Konzert vorzeitig ausverkauft ist, werden die Karten frühzeitig erworben.
Konzertveranstalter sind auf eine Ticketagentur angewiesen. Um die Zielgruppe
möglichst breitflächig abzudecken, kann auf die Distributionsmöglichkeiten moderner
Ticketvertreiber kaum noch verzichtet werden. Neben der klassischen Vorverkaufsstelle
und der telefonischen Kartenbestellung sind es vor allem moderne Kommunikationswege, die Einzug in die Ticketdistribution halten.
Internetticketshops sind bei den Konsumenten bis zum Alter von 40 Jahren sehr beliebt.
Bis zu 41 Prozent der Konzertbesucher dieser Alterstufen würden ihre Karten gern im
Internet bestellen und per Post zugesandt bekommen.161 Der Onlinekauf wird in
Zukunft einen höheren Stellenwert einnehmen, da das Alter der Nutzer steigt.
Neben dem Postversand gibt es die Möglichkeit des PRINT@HOME-Bezugs. Durch einen
Bar- oder Zahlencode können Karten über den heimischen Computer bestellt und
anschließend direkt ausgedruckt werden. Diese Vertriebsart hat den Vorteil, dass der
Postversand entfällt, was Kosten spart und auch den spontanen Kartenkauf noch kurz
vor Veranstaltungsbeginn ermöglicht.
Der ausgedruckte Barcode kann mittels eines Scanners am Veranstaltungsgelände
erfasst werden. Bei Zahlencodierungen müssen die ausgedruckten Karten am Eingang
mit einer Referenzliste abgeglichen werden. Dies dauert etwas länger und empfiehlt
sich nur für kleinere Veranstaltungen.
160
vgl.: GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in
Deutschland. Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin
Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 13.
161
vgl.: GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in
Deutschland. Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin
Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 12.
98
Ebenfalls für Spontankäufer geeignet, ist die Zusendung der Eintrittsberechtigung auf
das Mobiltelefon.162 Dies wird in Deutschland bisher eher selten praktiziert. Ein
Beispiel in dem diese Kaufmöglichkeit angeboten wurde, ist das Melt! Festival. Durch
einen SMS-Newsletter erhielten die Besucher zusätzlich Informationen zu Programm,
Wetter und Parksituationen. Die Mobiltelefone der Kunden wurden nicht nur als Ticketund Informationsträger sondern auch als Marketinginstrument genutzt.
Insgesamt wird bei den Ticketdistributoren auf eine Mehrkanalstrategie gesetzt. Dabei
gilt es, alle zur Verfügung stehenden Medien zu nutzen. Die physischen Vorverkaufsstellen sind über ein computergestütztes System mit den Onlineangeboten verbunden.
So ist es stets möglich, den aktuellen Verfügbarkeitsstatus eines Konzertes einzusehen.
Dadurch können beispielsweise bestimmte Sitzplätze jederzeit und über alle Kanäle
bestellt werden.
Der Vollständigkeit halber sei noch eine weitere Form des Ticketverkaufs genannt.
Diese ist nicht neu, aber mittlerweile auch in der Rock- und Popmusik angekommen:
das Abonnementkonzert. Dabei werden mehrere Konzerte einer Reihe zusammen
verkauft. Diese Konzerte sind an einen bestimmten Veranstalter oder eine bestimmte
Spielstätte gebunden.
Das Konzerthaus Dortmund bietet Popkonzerte im Abonnement an. Dort spielen
bekannte Pop- und Rockmusiker Unplugged-Konzerte. Die Abonnementenzahlen sind
innerhalb von zwei Jahren um 15 Prozent gestiegen.163 Ein weiterer Vorteil dieser
Variante liegt in der Förderung neuer Künstler. Da der Eintritt bereits gezahlt wurde
und keine weiteren Kosten entstehen, kommen auch Zuhörer zu unbekannten Künstlern,
die der Standardwerbung folgend, wahrscheinlich nicht zum Konzert gegangen wären.
162
vgl.: Kruse Brandão, Jacques: Sicherer als jedes Papierticket!. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!.
München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 50. Jg., 2008, Heft 19: 16f.
163
Laumann, Jörg: Popmusik im Konzerthaus. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg., 2007, Heft 47: 19.
99
6.2. Zweithandel
In diesem Kapitel sollen die verschiedenen Formen des erneuten Verkaufs von
Konzertkarten dargestellt werden. Dabei wird zwischen privater und gewerblicher
Motivation unterschieden. Um einen Überblick der Dimensionen des Zweithandels zu
erlangen, werden kurz einige Kennzahlen des Marktes genannt. Es folgt eine
Betrachtung rechtlicher und wirtschaftlicher Probleme.
Mit Zweithandel ist der nicht lizenzierte Weiterverkauf von Eintrittskarten gemeint. Im
allgemeinen Sprachgebrauch werden auch die Begriffe Schwarz- oder Schleichhandel
verwendet, allerdings ist die mit diesen Begriffen implizierte Illegalität nur bedingt
gegeben. Sachgerechter ist die Bezeichnung des Grauhandels.
Es ist oftmals nicht zu unterscheiden, ob der Weiterverkauf aus privaten oder
gewerblichen Gründen vollzogen wird. Jedoch ist genau dies der entscheidende Aspekt
der allgemeinen Rechtsempfindung. Vor der Besprechung der juristischen Problematik
sind die Formen des Zweithandels zu klären. Es soll dabei zwischen Offline- und
Onlinehandel unterschieden werden.
Der Offlinehandel findet in den meisten Fällen in unmittelbarer zeitlicher wie
räumlicher Nähe zum Konzert statt. Die Karten werden also kurz vor
Veranstaltungsbeginn in der Nähe zum Veranstaltungsort angeboten. Dies setzt
dauerhafte Strukturen voraus. Der Anbieter muss es für wahrscheinlich halten,
Abnehmer für seine Karten zu finden. Andersherum wird kein Käufer zu einem
ausverkauften Konzert gehen, wenn er nicht erwartet, vor Ort noch eine Karte zu
bekommen.
Der Onlinehandel ermöglicht vielfältigere Erfolgsaussichten. Die hohe Reichweite des
Internets bietet einen Multiplikator bei der Erreichbarkeit möglicher Interessenten und
die Anonymität im Netz sorgt für den nötigen Schutz vor Rechtsverfolgung. Über
spezielle Plattformen können Konzertkarten angeboten und ersteigert werden.
Um die Akteure genau voneinander abzugrenzen, seien hier die Begriffe Plattformbetreiber und Zweithändler genutzt. Mit Plattformbetreiber ist der Anbieter einer
Online-Ticketbörse gemeint, wohingegen Zweithändler die Person beschreibt, welche
Tickets zum Wiederverkauf anbietet. Die zusätzlich in der Literatur verwendeten
100
Begriffe Reseller, Secondary-Ticketing-Anbieter, Touter, Broker und Scalper sind
teilweise mehrdeutig und werden hier nicht verwendet.
2007 wurden 1,6 Millionen Tickets im Bereich der Musikveranstaltungen über
Weiterverkaufsplattformen verkauft. Dies entspricht ungefähr zwei Prozent aller
Karten.164 Dabei ist bei den Käufern die Affinität zum Internet entscheidend. Es fällt
auf, dass der Zweithandel mit Tickets in den Altersgruppen dominiert, in denen die
regulären Tickets auch über den lizenzierten Onlinehandel bezogen werden. In der
Gruppe der 20- bis 29-Jährigen werden bereits 34 Prozent aller Tickets im Ersthandel
über das Internet bestellt. Der Zweithandel liegt bei drei Prozent. Im Vergleich die
Altersgruppe der ab 60-Jährigen: 53 Prozent kauften ihre Tickets an den
Vorverkaufstellen, nur neun Prozent im Internet, dabei weniger als ein Prozent auf
Weiterverkaufsplattformen.
Bei der Masse und der steigenden Bedeutung des Internets für den Ticketverkauf ist der
Sekundärhandel ein lohnendes Geschäft, welches von branchenfremden Unternehmen
mit jährlichen Umsatzzahlen im dreistelligen Millionenbereich betrieben wird. Das
Phänomen des Zweithandels ist in Deutschland recht neu. Lange Zeit bildete eBay die
einzige Online-Möglichkeit, Tickets erneut zu verkaufen. Mittlerweile wurde das
Potential, welches im Zweitmarkt steckt, auch in Deutschland erkannt.
6.2.1. Rechtliche Problematik
Der Weiterverkauf von Konzertkarten befindet sich in einer rechtlichen Grauzone.
Die Gründe, welche aus Sicht der Veranstalter zu einem Verbot des gewerblichen
Zweithandels führen sollten und die Komplexität der Rechtslage, werden dargestellt.
Dazu soll stellvertretend die Problematik im Profifußball betrachtet werden, da hier die
Vereine der deutschen Fußballbundesligen in einem größeren Umfang als die LiveMusikbranche vom Weiterverkauf ihrer Karten betroffen sind. Außerdem gelten die im
164
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 9.
101
Fußball erfochtenen Rechtssprechungen in allen Bereichen, in denen mit Eintrittskarten
gehandelt wird.
Bei erfolgreichen Veranstaltungen liegt der Wiederverkaufspreis von Eintrittskarten bei
einem Vielfachen des Originalpreises. Dies verträgt sich wenig mit der sozialen und
gesellschaftspolitischen Funktion von Kultur und ist umso ärgerlicher, da sämtliche
Gewinne des Zweitmarktes an den Künstlern und Veranstaltern vorbei fließen.
Wieso kann der Zweitmarkthandel dann aber nicht rechtskräftig eingeschränkt werden?
Für eine genauere Betrachtung muss zwischen dem Anbieter der Karten und der
Plattform, die für die hohe Marktdurchdringung sorgt, unterschieden werden. Wird der
Plattformbetreiber reglementiert, trifft jede Beschränkung nicht nur den gewerblichen,
sondern auch den privaten Verkäufer.
Für alle Eintrittskarten gilt, dass die Erstkäufer als Gläubiger vorleistungspflichtig sind.
Bevor ein Ticket ausgegeben wird, müssen jedwede Zahlungsansprüche bereits erfüllt
sein. Mit dem Ticket hat dessen Inhaber das verbriefte Recht auf den Einlass zum
Konzert. Dies bedeutet, dass nach dem Kauf der Karte der Veranstalter keine Kontrolle
mehr über deren Verbleib hat. Der Erstkäufer ist nicht verpflichtet auf das Konzert zu
gehen. Das Recht an der Karte hat dessen Inhaber. Dabei ist es egal ob die Karte
verschenkt, weiterverkauft oder sogar gestohlen wurde.
Eintrittskarten gelten im Sinne des § 807 BGB als kleine Inhaberpapiere. Mit dem
Verkauf sichert der Veranstalter (Aussteller) dem jeweiligen Inhaber zu, eine
Gegenleistung zu erbringen. Der Inhaber der Karte kann das durch die Karte verbriefte
Recht der Gegenleistung geltend machen.165 Diese Schuldverschreibung gilt
ausdrücklich für den Inhaber, nicht für den Käufer. Denn diejenige Person, die eine
Karte vorlegt, ist gleichzeitig materieller Inhaber der Forderung.166 Beim Einlass zeigt
der Inhaber seine Karte vor, diese wird von ihm ausgehändigt167 und er macht sein
165
§§ 807, 793 Abs. 1 Satz 1 BGB.
166
Gutzeit, Martin: Handelsbeschränkungen für Eintrittskarten. In: Betriebs-Berater. Frankfurt am Main,
Recht und Wirtschaft. 62. Jg., 2007, Heft 3: 113.
167
Eintrittskarten werden in der Regel nicht wieder abgegeben sondern entwertet. Dies entspricht dem i.
S. d. BGB § 797 (Leistungspflicht nur gegen Aushändigung).
102
Recht auf Eintritt geltend. Der Aussteller wird gleichzeitig von seiner Leistungsverpflichtung frei.168
Es liegt im Interesse des Veranstalters den Zweithandel nach Möglichkeit
einzudämmen. Kleine Inhaberpapiere dürfen wie bewegliche Sachen übertragen
werden.169 Damit ist der Weiterverkauf von Eintrittskarten prinzipiell rechtens.
Untersagt ist aber der gewerbliche An- und Verkauf auf der Straße. Laut
Gewerbeordnung betreibt ein Straßenhändler ein Reisegewerbe.170 Der Vertrieb von
Tickets, welche als kleine Inhaberpapiere zu den Wertpapieren zählen, wird als
verbotene Tätigkeit für das Reisegewerbe aufgelistet.171
So entschied 1979 auch das Bayerische Oberlandesgericht. Es verurteilte einen
Straßenhändler, der an einem Tag für 2.000 Deutsche Mark Karten für ein Fußballspiel
kaufte und sie vor dem Stadion für 5.000 Deutsche Mark wieder verkaufte. In der
Begründung heißt es: “Eintrittskarten zu Veranstaltungen sind Wertpapiere im Sinne
von § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h GewO und dürfen daher im Reisegewerbe nicht
vertrieben werden.”172
Der gewerbliche Offline-Ticketverkauf ist demnach rechtskräftig untersagt. Der
Löwenanteil der nicht lizenzierten Tickets wird allerdings über das Internet gehandelt.
Die Online-Händler sind jedoch vom Verbot des Wertpapiervertriebes ausgeschlossen,
da sie rechtlich kein Reisegewerbe betreiben.
Zur Eindämmung des Online-Zweithandels helfen vertragliche Handelsbeschränkungen, wie sie beispielsweise in Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen (ATGB)
aufgeführt werden. Wenn die ATGB, in denen der Weiterverkauf untersagt wird, auf
168
§ 797 BGB.
169
§ 929 BGB.
170
§ 55, Abs. 1, Satz 1 GewO.
171
§ 56 GewO Abs. 1 Nr. 1 h.
172
Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen. Hrsg. von Mitgliedern d.
Gerichts. München, Beck 1979.
103
dem Ticket abgedruckt sind, darf dieses nicht erneut verkauft werden.173 Dies gilt für
Erstkäufer wie auch für Händler, die ihre Tickets über Dritte beziehen.174
Die Deutsche Fußball Liga GmbH hat Muster-ATGB verfasst und diese den Vereinen
empfohlen. Für die gewerbliche oder kommerzielle Veräußerung bedarf es der
schriftlichen Zustimmung durch den betroffenen Verein. Die Tickets dürften im
Rahmen der privaten Weitergabe weder in Internet-Auktionshäusern noch zu einem
höheren Preis, als dem Aufgedruckten verkauft werden.175
Die Übertragung der ATGB bilden damit eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der
Verfügungsfreiheit. Zweithändler sahen die Freiheit des Handels bedroht und klagten.
Die ersten Gerichtsurteile zu diesem Thema sind wiederum beim Fußball zu finden.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat eine einstweilige Verfügung gegen einen
Zweithändler verhängt.176 Dieser hatte Eintrittskarten für den 1. FC Nürnberg im
Internet mit erhöhten Preisen zur Versteigerung angeboten. In den allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) des Vereins wurde diese Form des Handels klar
untersagt. In der Urteilsbegründung wurde darauf hingewiesen, dass es Fans mit
geringerem Einkommen nicht verwährt werden dürfe, an Karten für Spitzenspiele zu
gelangen. Des Weiteren habe der Verein ein berechtigtes Interesse, dass sich keine
Schwarzmarktstrukturen bildeten.177
Wegen unlauteren Wettbewerbs hat das OLG Hamburg den gewerblichen Handel mit
Eintrittskarten untersagt.178 Grundlage war der Paragraph drei des UWG.179 Ein
Kartenhändler beeinträchtigt demnach den Wettbewerb zum Nachteil des Hamburger
Sportvereins und der Fans. In letzter Instanz hat der Bundesgerichtshof Karlsruhe dieses
173
§ 796 BGB.
174
Gutzeit, Martin: Handelsbeschränkungen für Eintrittskarten. In: Betriebs-Berater. Frankfurt am Main,
Recht und Wirtschaft. 62. Jg., 2007, Heft 3: 115.
175
vgl.: Gutzeit, Martin: Handelsbeschränkungen für Eintrittskarten. In: Betriebs-Berater. Frankfurt am
Main, Recht und Wirtschaft. 62. Jg., 2007, Heft 3: 113.
176
LG Nürnberg-Fürth, 12.07.2007 – 1 HK O 3849/07 –.
177
vgl.: Quentin, Andreas: Überteuerte Eintrittskarten für Heimspiel beim 1. FCN 24.Juli 2004
Pressemitteilung 24/07. Hrsg. vom Oberlandesgericht Nürnberg.
http://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/n/presse/archiv/2007/00711/. Zuletzt besucht am 13. November
2008.
178
OLG Hamburg, 05.04.2006 – 5 U 89/05 –.
179
§ 3 UWG.
104
Urteil teilweise revidiert.180 Demnach kann der HSV durch seine AGB den Handel mit
Eintrittskarten nicht verbieten, solange diese von Privatpersonen erworben wurden.181
Die AGB standen zum Anfang des Streits 2005 noch nicht auf den Tickets.182
Für die Live-Musikbranche bedeutet dies, dass die Auktion von Eintrittskarten im
Internet nicht untersagt werden kann. Ein Argumentationsgrund beim Fußball ist, dass
durch die Auktion das selektive Vertriebssystem untergraben wird. Gewaltbereite
Personen sollen keinen Einlass in die Stadien bekommen. An den offiziellen
Vorverkaufsstellen ist es Hooligans, deren Daten gespeichert sind, nicht möglich Karten
zu erhalten. Bei Auktionen hat der Verkäufer keine Entscheidungsgewalt, ob eine
Person, die aus Sicherheitsgründen nicht ins Stadion darf, die Karte erwirbt.183 Da es in
der Live-Musikbranche kein selektives Vertriebssystem gibt, ist es unwahrscheinlich,
dass ein Verbot, Tickets zu versteigern einer Prüfung standhalten würde.
Auch das Verbot, ein Ticket zu einem höheren, als dem aufgedruckten Preis zu
verkaufen, ist nach Gutzeit unwirksam.184 Im Rahmen einer privaten Weitergabe
können die Kosten für Zeitungsannoncen, Versand- oder Fahrtkosten auf den Käufer
abgewälzt werden. Stellt man die unterschiedlichen Interessen der Parteien gegenüber,
würde durch ein stark eingeschränktes Abtretungsrecht der Erstkäufer unangemessen
benachteiligt.
180
BGH Karlsruhe, 11.09.2008 – I ZR 74/06 –.
181
„Schwarzhandel“ mit Bundesligakarten. Hrsg. von der Pressestelle des Bundesgerichtshofs.
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgibin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2008-9&nr=45177&pos=13&anz=22.
Zuletzt besucht am 13. November 2009.
182
Es ist fragwürdig, ob das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb den richtigen Ansatzpunkt bietet.
Die Bewältigung der zu behandelnden Problematik liegt eher im § 796 des BGB und nicht in § 3 des
UWG.
vgl.: Ensthaler, Jürgen und Herbert Zech: Verkehrsfähigkeit von Inhaberkarten nach § 807 BGB Abtretungsverbot für Fußball-Bundesliga-Karten. In: Neue juristische Wochenschrift. Hrsg. vom
Deutschen Anwaltsverein und der Bundesrechtsanwaltskammer. München / Frankfurt am Main, Beck 58.
Jg., 2005, Heft 47: 3390f.
183
vgl.: Ulbricht, Johannes: Was tun gegen Ticket-Touter? In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!.
München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg., 2007, Heft 42: 19.
184
vgl.: Gutzeit, Martin: Handelsbeschränkungen für Eintrittskarten. In: Betriebs-Berater. Frankfurt am
Main, Recht und Wirtschaft. 62. Jg., 2007, Heft 3: 118.
105
Die gewerbliche Veräußerung der Tickets kann dagegen durch ATGB rechtskräftig
untersagt werden. Damit werden weder die Interessen der Kunden noch die des
Veranstalters benachteiligt.
In der Praxis wird trotz dieser Beschränkung der gewerbliche Tickethandel ungehindert
fortgeführt. Möglich machen dies Ticketbörsen. Sie bilden leicht zugängliche
Plattformen für den legalen wie auch illegalen Zweithandel. Da die Verkäufer nach
außen komplett anonym auftreten, ist es unmöglich dem einzelnen Angebot eine Person
zuzuordnen. So kann auch nicht unterschieden werden, wer wie viele Karten anbietet
und gegebenenfalls gewerblich handelt.
In der E-Commerce-Richtlinie der EU185 wird im Artikel 15 klar gesagt, dass
Dienstanbieter nicht verpflichtet sind, Informationen, die von ihnen übermittelt und
gespeichert werden, zu überwachen. Für Deutschland wurde die Richtlinie im
Telemediengesetz umgesetzt.186
Die Plattformbetreiber können trotzdem für den gewerblichen Tickethandel auf ihren
Seiten verantwortlich gemacht werden. Wird ihnen eine rechtswidrige Tätigkeit auf
ihrer Seite bekannt, so sind sie verpflichtet diese unverzüglich zu unterbinden. Da es
keine Kontrollpflicht der Informationen Dritter auf der eigenen Internetseite gibt, kann
der Plattformbetreiber mit zivil- oder öffentlich-rechtlichen Unterlassungsansprüchen
darauf hingewiesen werden. Eine Abmahnung, die auf einen konkreten rechtswidrigen
Inhalt hinweist, genügt, um den Verantwortlichen der Internetseite zu verpflichten,
diesen Inhalt zu entfernen.
Der nicht lizenzierte gewerbliche Verkauf von Tickets, welcher einen solchen
rechtswidrigen Inhalt darstellt, kann aufgrund der Anonymität der Täter jedoch nur
vermutet werden. Eine, wenn auch begründete, Vermutung beweist jedoch keine
Rechtsverletzung. Allein der Plattformbetreiber könnte den gewerblichen Zweithandel
185
Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte
rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen
Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"). Hrsg. vom
Europäisches Parlament und des Rates. http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32000L0031:DE:HTML. Zuletzt besucht am 15.
September 2008.
186
§ 7 Abs. 2 TMG.
106
unterbinden. Dies steht jedoch im Widerspruch zu seinen eigenen Interessen. Denn
durch das zugrunde liegende Vergütungssystem steigen die eigenen Einnahmen mit der
Menge und den Preisen der weiterverkauften Tickets.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der gewerbliche Handel von Tickets durch
aufgedruckte ATGB verboten werden kann, gewerblich agierende Tickethändler aber
durch die Anonymität der Ticketbörsen geschützt sind. Die Folge ist eine hitzige
Debatte zwischen Veranstaltern und den Verantwortlichen der Ticketbörsen, wie im
Fall Seatwave gegen Lieberberg, geschehen.
Während Seatwave behauptet, durch den offenen und transparenten Marktplatz den
Spekulationshandel einzugrenzen und sich stark zu den Interessen der Fans
positioniert,187 hält Marek Lieberberg dies für eine Verschleierungstaktik. Tatsächlich
ginge es um eine Legalisierung von Vorgängen, die man früher mit den Begriffen
“Schwarzmarkthandel und -preise” gekennzeichnet hätte.188 Eine erste Abmahnung
gegen Seatwave wurde von deren Rechtsabteilung ignoriert.
Die MLK189 wollte nach dem Ausverkauf des Festivals Rock am Ring den weiteren
Tickethandel auf der Homepage von Seatwave mit einer anwaltlichen Abmahnung
untersagen. Auf den Tickets war deutlich zu lesen, dass der gewerbliche Weiterverkauf
nicht gestattet sei. Hunderte Tickets wurden weiterhin zwischen 140 Prozent und 250
Prozent über dem Nominalwert angeboten und verkauft. Eine außergerichtliche
Einigung scheint nicht möglich.
Ulbricht, der für den Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft als Justiziar arbeitet,
sieht keine rechtlichen Möglichkeiten für ein Verbot oder eine Einschränkung von
Ticketbörsen.190
187
Seatwave.de – Konzert-Tickets – Theater-Tickets – Sport-Tickets – Fußball-Tickets. Hrsg. Seatwave
Deutschland GmbH. http://www.seatwave.de/. Zuletzt besucht am 23. November 2008.
188
Löffler, Magaretha: Tickets auf Abwegen – Seatwave tritt hitzige Debatte um Ticket-Wiederverkauf
los. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg., 2007, Heft
16: 15f.
189
Marek Lieberberg Konzertagentur GmbH & Co.KG.
190
Ulbricht, Johannes: Was tun gegen Ticket-Touter? In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München,
Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg., 2007, Heft 42: 19.
107
6.2.2. Wirtschaftliche Problematik
Mit dem Kauf einer Eintrittskarte erwirbt der Konsument die Berechtigung zum Einlass
in das Konzert. Die Leistung für die er bezahlt hat, ist die künstlerische Darbietung der
Musiker und die Bereitstellung der veranstaltungsspezifischen Infrastruktur. Die
Eintrittskarte macht dieses Gut erst physisch handelbar.
Mit dem zeitversetzten Handel und der Vertretung des immateriellen Guts, durch eine
physisch existente Karte, werden die Grundbedingungen für den Zweithandel
geschaffen. Die vier Güterkriterien Knappheit, Verbrauch, Grad der Substitution
und Preiselastizität machen den Weiterverkauf von Tickets lukrativ.
Um diese Punkte genauer untersuchen zu können, werden folgende Annahmen
getroffen: Es wird ein einmaliges Konzert betrachtet. Dieses findet an einem festen Ort
zu einer bestimmten Zeit statt. Ferner soll es von einem bekannten und beliebten
Künstler gespielt werden, so dass von einer hohen Nachfrage ausgegangen werden
kann.
Die Knappheit ist durch die Kapazitätsgrenze des Veranstaltungsortes gegeben. Es
steht nur eine bestimmte Menge an Karten zur Verfügung. Ist diese erreicht, ist das
Konzert ausverkauft. Potenziellen Kunden kann keine Karte mehr angeboten werden.
Der Zweithandel ermöglicht es trotz offiziellen Ausverkaufsstatus am Konzert
teilzunehmen, daher ist er maßgeblich von der Knappheit des Gutes begünstigt.
Ähnlich deutlich ist die Überlegung Tickets als Verbrauchsgut einzustufen. Das
Konzert findet an einem bestimmten Tag statt. Wurde das Ticket beim Einlass entwertet
oder ist dieses Datum verstrichen, so ist die Eintrittskarte wertlos und damit verbraucht.
Die dritte getroffene Annahme beschreibt die Konzertkarte als Substitutionsgut.191 Ob
es adäquate Ersatzgüter gibt, hängt von den Bedürfnissen des einzelnen Konsumenten
ab. So können Veranstaltungen mit ähnlichem Inhalt Substitute darstellen. Ein
191
vgl.: Mankiw, Nicholas G.: Gründzüge der Volkswirtschaftslehre. 3. Aufl. Stuttgart, Schäffer-Poeschel
2004: 98.
108
Kinobesuch oder der Kauf einer DVD kann ebenfalls als Ersatz gelten. Umso geringer
und enger die Möglichkeiten nach Alternativen für einen Besucher ausfällt, umso
wichtiger ist es ihm, dieses Konzert mitzuerleben.
Aus der Sicht des Nachfragers kann der Wert einer Karte über den nominalen Preis
steigen. Da es sich bei einem Konzert um eine einmalige und unwiederbringliche
Leistung des Künstlers in einem bestimmten Moment handelt, sinkt die Nachfrage nach
einem möglichen Substitut. Je nach individueller Präferenz hat jeder Nachfrager seinen
persönlichen TRADE-OFF zu bestimmen. Bis zu einem bestimmten Preis wird er gewillt
sein, eine Karte zu kaufen. Wird dieser Preis überschritten, wählt er eine Alternative.
Eng mit der Überlegung nach dem Grad der Substitution ist auch die der negativen
Preiselastizität verbunden. Allerdings beschreibt sie nicht den individuellen TRADEOFF,
sondern die Veränderung der Gesamtnachfrage.
Eine negative Preiselastizität besagt, dass bei steigendem Preis eine geringere
Nachfrage entsteht. Dies kann bei einem Konzert intuitiv angenommen werden.
Die Preiselastizität gibt zudem die prozentuale Änderung der nachgefragten Karten an,
wenn sich der Preis um ein Prozent verändert.192 Sie beschreibt sozusagen die
Auswirkung einer Ursache. Ist die Auswirkung einer Preiserhöhung gering, gilt die
Nachfrage als relativ unelastisch.193 Erst dies macht den Zweitverkauf profitabel. Denn,
sobald trotz einer Erhöhung des Preises weiterhin viele Abnehmer vorhanden sind,
können hohe Gewinne mit dem Weiterverkauf von Tickets erzielt werden.
192
vgl.: Pindyck, Robert S. und Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Aufl. München / Boston,
Pearson Studium 2005: 63f.
193
Eine relativ unelastische Nachfrage wird mit einem Elastizitätenwert zwischen −1 und 0 dargestellt.
Die Elastizitätseinschätzung gilt nur in einem bestimmten Wertebereich. Bei ausverkauften Konzerten
und hoher Beliebtheit des Künstlers wird sie sich dem Wert Null nähern. Bei weniger bekannten oder
beliebten Künstlern wird eine Preiserhöhung einen größeren Effekt auf den Kartenverkauf haben. Die
Elastizität verschiebt sich vom Nullpunkt weiter in den Negativbereich.
Die genaue Stärke des Rückgangs zu untersuchen, wäre in der Konzertbranche nur durch eine grobe
Annäherung möglich. Um aussagekräftige Daten zu bekommen, müsste dasselbe Konzert zu
unterschiedlichen Preisen mit unbeschränkten Kapazitäten angeboten werden. Dies ist praktisch
unmöglich. Bei unterschiedlichen Spielstätten wären Faktoren wie Infrastruktur, lokales
Durchschnittseinkommen, Fandichte usw. nicht miteinander vergleichbar. Bei Beibehaltung der
Spielstätte wäre die Einmaligkeit nicht gegeben. Es würde schnell zu einer Übersättigung kommen.
109
Um dies klarer darzustellen, müssen die Ausgangsbedingungen des Veranstalters
verdeutlicht werden. Unter gewinnmaximierenden Annahmen194, versucht ein
Veranstalter mit einem möglichst hohen Eintrittspreis (p*) die maximal zur Verfügung
stehenden Karten (xmax) zu verkaufen. Die genaue Nachfragefunktion ist ihm nicht
bekannt. Aufgrund der negativen Preiselastizität muss sie aber fallen. Der Preis stellt die
einzige Variable dar, die der Veranstalter eigenständig beeinflussen kann.
Möglichkeiten der Preisdifferenzierung seien vorerst nicht gegeben. Der Preis wird nun
festgelegt (pfix). Bei einem ausverkauften Konzert ergibt sich folgende Grafik.
Abbildung 12
Nachfrage eines ausverkauften Konzertes195
Die Abbildung 12 zeigt, dass auch bei einem höheren Preis (bis p*) die gleiche Anzahl
an Karten (xmax) verkauft werden könnte.
194
vgl.: Kapitel 5.1.
195
Abbildung vom Autor erstellt.
110
Im Vorverkauf gilt das FIRST COME, FIRST SAVE-Prinzip. Daher kann nicht gesagt
werden, ob die Karten an Personen mit hoher (>pfix) oder gerade ausreichender (=pfix)
Zahlungsbereitschaft verkauft wurden.
Der Sekundärmarkt offenbart die Zahlungsbereitschaft derjenigen, die kein Ticket
bekommen haben. Besonders Online-Plattformen bieten sich für den Weiterverkauf an.
Sie erreichen eine große Bandbreite möglicher Nachfrager und bieten bislang eine
juristische Nische.196
Ein Zweithändler kauft, wie in Abbildung 13 zu sehen ist, einen Teil des
Kartenkontingentes (x`) auf. Für diese Karten muss er den Betrag A bezahlen (x´ × pfix).
Damit verknappt er künstlich das Angebot. Die noch zur Verfügung stehende
Kartenmenge beträgt somit xmax − x`. Sobald diese Karten vergriffen sind, kann der
Zweithändler seine Karten versteigern. Unter allen beteiligten Bietern wird derjenige
mit der höchsten Zahlungsbereitschaft den Zuschlag bekommen. Diese
Zahlungsbereitschaft muss oberhalb von pfix liegen, ansonsten wäre das Konzert nicht
ausverkauft.
B stellt den Gewinn des Zweithändlers dar, indem alle Auktionen miteinander summiert
und die Kosten für die gekauften Karten (A) abgezogen werden. B ist nach oben durch
die Nachfragekurve begrenzt. Die genaue Größe der Fläche kann jedoch nicht ermittelt
werden, da sie von x` und der Nachfrage potentieller Bieter abhängig ist.
196
vgl.: Kapitel 6.2.1.
111
Abbildung 13
Zweithandel eines ausverkauften Konzertes197
Bei einem ausverkauften Konzert wird ein Zweithändler ohne Risiko immer Gewinne
erzielen. Auch wenn der Veranstalter die Nachfrage genau kennen würde und seinen
Eintrittspreis auf p* setzt, würde durch das Aufkaufen von x` Karten eine Verknappung
des Angebots entstehen. Das neue Gleichgewicht würde bei xmax − x` und p` liegen. Der
Gewinn würde kleiner ausfallen, wäre aber nicht weniger sicher.198
Sollte das Kartenkontingent nicht ausgeschöpft werden, droht dem Zweithändler kein
großer Verlust. Wieder hat er x` Karten aufgekauft und dafür A bezahlt. Merkt er nun,
dass der Vorverkauf schleppend vorangeht, kann er die Karten für p`` verkaufen. Dabei
liegt p`` unterhalb von pfix. Die Nachfrager werden das günstigere Angebot solange
wählen bis es vergriffen ist. Der Verlust des Zweitanbieters beträgt C.199
197
Abbildung vom Autor erstellt.
198
Als untere Grenze würde p* dienen. Die vertikalen Grenzen wären die Ordinate und x`. Die maximale
obere Grenze wird durch die Nachfragekurve beschrieben.
199
Gewinn = Einnahmen - Ausgaben; hier: A − (x` × p``) = x` × (pfix − p`) = C; negativer Gewinn
entspricht einem Verlust.
112
Abbildung 14
Zweithandel eines nicht ausverkauften Konzertes200
Durch die flexible Preisgestaltung kann der Zweithändler auf die Nachfrage reagieren
und gegebenenfalls seinen Preis anpassen.
Ein wichtiger Aspekt beim Tickethandel ist die Zeit. An zeitlichen Dimensionen kann
der Marktwert von Tickets geschätzt werden. Auch die Preisgestaltung auf dem
Zweitmarkt ist stark von der Zeit abhängig.
Da das Konzert ein vergängliches Gut darstellt, unterliegt die Nachfragekurve einem
Lebenszyklus. Im Regelfall beginnt dieser mit der Ankündigung einer Tour oder eines
Auftrittes in einer bestimmten Region. Dies kann durch die Fachpresse oder auch auf
der Homepage der Künstler geschehen. Oftmals stehen weder Spielstätte noch Datum
fest. Erst wenn diese bekannt sind, kann der Vorverkauf beginnen. Mit begleitenden
Marketingaktionen werden gezielt Konsumenten geworben. Durch die
Vorberichtserstattung der Medien steigt die Gesamtnachfrage kurz vor dem Ereignis auf
ihren Höhepunkt. Ist sie größer als das Angebot, kann anhand der Zeitspanne zwischen
200
Abbildung vom Autor erstellt.
113
Vorverkaufsstart und Ausverkauf ein Wiederverkaufswert geschätzt werden. Dabei gilt,
je schneller ein Konzert ausverkauft ist, desto höher die Nachfrage und der
Wiederverkaufswert.
Courty hat ein Modell entwickelt, welches den Zweithandel mit Tickets anhand einer
Zeitschiene erläutert.201 Er unterscheidet zwischen zwei verschiedenen
Konsumentengruppen: den Früh- und Spätkäufern. Dabei spielt der Grad der
Substituierbarkeit keine Rolle, da die Bedeutsamkeit des Konzertmiterlebens für beide
Gruppen im Schnitt als gleich groß anzusehen ist, nur der Zeitpunkt des Ticketkaufs ist
zu unterscheiden.
Folgende Annahmen werden getroffen: Es gibt xf Frühkäufer, die bereit sind pf für das
Konzert zu zahlen und xs Spätkäufer, die ps zahlen. Außerdem sind die
Kapazitätsgrenze xmax und der Eintrittspreis pfix gegeben. Dabei müssen pfix < pf < ps
und xf > xs sein.
Mit dem Vorverkaufsstart bietet der Veranstalter xmax Tickets zu pfix an. Diese werden
von xf Frühkäufern und Zweitmarkthändlern bezogen. Die Zweitmarkthändler
verkaufen ihre Tickets dann für ps.
Courty zeigt, dass auch bei Preisdifferenzierung in Form zweier Verkaufsphasen, der
Veranstalter keinen zusätzlichen Gewinn erhält. In der ersten Verkaufsphase sollen nur
x1 Tickets zu p1 für die Frühkäufer angeboten werden. Die zweite Phase ist für die
Spätkäufer gedacht, es werden x2 Tickets zu p2 angeboten. Wobei x1 + x2 = xmax und p1
< p2 .
In diesem Modell werden die beiden Fallmöglichkeiten einer durchgeführten und einer
unterlassenen Preisdifferenzierung dargestellt, die beide zum gleichen Ergebnis aus
Sicht des Veranstalters, jedoch jedes Mal zu einem Gewinn für die Zweitmarkthändler
führen. Dies zeigt, dass beide Anbietergruppen nicht dieselben Vorraussetzungen
haben. Zweitmarkthändler können ihre Preise ohne Zeitverlust anpassen. Sie reagieren
flexibel auf die Nachfrage und der ihnen verbliebenen Anzahl an Tickets.
201
Courty, Pascal: Some Economics of Ticket Resale. Hrsg. London Business School - Department of
Economics. http://www.iue.it/Personal/Courty/Pub/JEP.pdf. Zuletzt besucht am 29. Oktober 2008: 9ff.
114
Durch den Informationsvorsprung der Zweitmarkthändler ist es dem Veranstalter
unmöglich, diesen zu verdrängen. Er muss stets als erster Marktteilnehmer p2 festlegen.
Der Händler kann seine Preise dann anpassen. Setzt er diesen gleich, ist der Spätkäufer
indifferent bei welchem Anbieter er kaufen soll. Unterbietet der Zweithändler p2
minimal, würden, nach Modellvorstellung, alle Spätkäufer bei ihm kaufen.
In der Konsequenz kann der Veranstalter p2 nicht durchsetzen. Da er als erster
Marktteilnehmer den Preis festlegen und dabei jedes mal mit niedrigeren Preisen auf
dem Zweitmarkt konfrontiert wird, muss er den Preis solange senken, bis p2 = p1.
Eine zweiphasige Preisdifferenzierung ist demnach nicht rational.
Die Abbildung 15 visualisiert den zeitlichen Ablauf der dargestellten Situation.
Abbildung 15
Model of Ticket Resale202
Courty behauptet, dass nur ein Gleichgewicht möglich ist. Dabei müsste der
Veranstaltungsort groß genug sein, um alle Nachfrager zu bedienen, das Konzert also
nicht ausverkauft sein. Entschied sich dann der Veranstalter gewinnmaximierend zu
handeln und zeitlich gestaffelte Preise anzubieten, würde er den Zweithändlern die
202
vgl.: Courty, Pascal: Some Economics of Ticket Resale. Hrsg. London Business School - Department
of Economics. http://www.iue.it/Personal/Courty/Pub/JEP.pdf. Zuletzt besucht am 29. Oktober 2008:
Fig2 Time Line: 19.
vom Autor modifiziert.
115
Möglichkeit lassen, in den Markt einzusteigen und Profite zu erzielen. Dem
Veranstalter wäre es unmöglich, die Gewinne des Zweitmarktes abzufangen und, was
Courty für überraschender hält, die Entstehung eines Zweitmarkts zu verhindern.203
Um den Zweitmarkt zu unterbinden und das Marktgleichgewicht zu erlangen, muss der
Veranstalter von seiner gewinnmaximierenden Strategie abweichen und zu jeder Zeit
den gleichen, niedrigeren Preis verlangen und genügend Tickets anbieten. Das mögliche
Gleichgewicht würde demnach bei pfix und xf + xs liegen, wobei (xf + xs) ≤ xmax.
Empirisch wurde das Modell bis jetzt weder bestätigt noch widerlegt. Der
Sekundärmarkt für Tickets ist ein diffuser Markt, der in seiner Gesamtheit schwer zu
erfassen ist.
Es gibt einzelne Untersuchungen, die sich auf den amerikanischen Ticketmarkt
beziehen. Dort ist der Zweithandel stärker verbreitet als in Deutschland, dennoch sind
grundlegende Ergebnisse übertragbar.
Beispielhaft wird eine Untersuchung aus dem Jahr 2002 betrachtet. Sie ermöglicht einen
Abgleich mit der theoretischen Darlegung, da die in der Einleitung des Kapitels
getroffenen Annahmen (Knappheit, relativ unelastische aber hohe Nachfrage, außerdem
gab es keinerlei Preisdifferenzierung) erfüllt sind.
Krueger204 hat vor einem Konzert von Bruce Springsteen and The E Street Band205 858
Fans über die Art ihres Ticketerwerbs befragt. Insgesamt wurden knapp 20.000 Tickets,
jedes für 75 US-Dollar zum Verkauf angeboten. Das Konzert war Teil der sehr
erfolgreichen Tour The Rising und nach kurzer Zeit ausverkauft. Es wurde mit einem
hohen Anteil von wiederverkauften Tickets gerechnet.
Das erste Ergebnis überraschte: nur 20 bis 25 Prozent der Konzertbesucher haben ihre
Tickets über den Zweitmarkt bezogen. Viele Experten hätten einen deutlich höheren
203
Courty, Pascal: An economic guide to ticket pricing in the entertainment industry. Hrsg. London
Business School - Department of Economics. http://www.iue.it/Personal/Courty/Pub/LER.pdf. Zuletzt
besucht am 05. November 2008: 9ff.
204
Connolly, Marie und Alan B. Krueger: Rockonomics: The Economics of Popular Music. Hrsg.
Princeton University – Industrial Relations Section. http://www.irs.princeton.edu/pubs/pdfs/499.pdf.
Zuletzt besucht am 28. Oktober 2008: 27ff.
205
Konzert vom 06.10.2002 Bruce Springsteen and the E Street Band im 19738 Besucher fassendem First
Union Center, Philadelphia.
116
Anteil erwartet. Der durchschnittliche Wiederverkaufswert lag bei 280 Dollar. Dabei
waren es eher die schlechteren Plätze, die erneut verkauft wurden.
Eine Erklärung für diesen Umstand könnte das Vergabesystem mit Hilfe von
Vorbestellungen sein. Fans konnten sich in Listen eintragen und bekamen ihre Tickets
entsprechend ihrem Listenplatz. Dabei wurden für die ersten Registrierungen die besten
Plätze ausgegeben. Fans die mit ihren schlechten Plätzen unzufrieden waren, verkauften
ihre Tickets an Zweitmarkthändler.
Dieser Verteilungsmechanismus ist unvorteilhaft, da im Endeffekt die schlechtesten
Plätze auch die Teuersten waren. Hier ist die Ineffizienz des Marktes deutlich zu
erkennen.
Ein weiteres überraschendes Ergebnis zeigt sich bei der Frage nach dem Zeit-PreisVerhältnis. Bei der Befragung stellte sich heraus, dass es keine Preissteigerung gab, je
näher der Konzerttermin rückte. Dies steht im Widerspruch zu Courtys Model of Ticket
Resale, welches eine Preissteigerung mit fortschreitender Zeit impliziert.206
Um die wirtschaftlichen Dimensionen des Zweithandels dieses einen Konzertes zu
verdeutlichen, werden noch einige Zahlen aufgeführt: 1,5 Millionen US-Dollar wurden
auf dem primären Ticketmarkt eingenommen. Von den 20.000 Besuchern haben
ungefähr 4.500 ihre Tickets über den Sekundärmarkt bezogen. Dabei wurden 1,3
Millionen Dollar ausgegeben. Nach Abzug der Anfangsinvestitionen wurde knapp eine
Million Dollar Gewinn im Zweithandel erzielt.
Da die Kapazitätsgrenze nicht unbegrenzt verschoben werden kann, müsste bei
Konzerten wie bei dem betrachteten von Bruce Springsteen der Eintrittspreis erhöht
werden. Die Gesamtnachfrage würde sinken, die Einnahmen für den Veranstalter
steigen und der Zweithandel würde eingeschränkt. Ist das Angebot minimal höher als
die Nachfrage, ist nach Courtys Modell das Gleichgewicht erreicht, in dem kein
Zweithandel existiert. Allerdings bleibt das Problem der unbekannten Nachfrage
weiterhin bestehen.
206
Courty, Pascal: Ticket Pricing Under Demand Uncertainty. Hrsg. London Business School Department of Economics. http://www.iue.it/Personal/Courty/Pub/jle.pdf. Zuletzt besucht am 11.
November 2008.
117
6.2.3. Umgang mit dem Zweithandel
Um den Sekundärmarkt effektiv einzudämmen, ist es notwendig, dass ein
Gleichgewicht gefunden wird. Marktgleichgewichte können auf natürlichem Weg
erzielt oder aber künstlich geschaffen werden.
Natürliche Gleichgewichte stellen sich durch das Zusammenspiel von Angebot und
Nachfrage ein. Der Ticketmarkt besteht aus vielen Nachfragern und nur einem Anbieter.
Aufgrund des fehlenden Konkurrenzkampfes kann sich kein Gleichgewichtspreis
bilden.
Künstliche Gleichgewichte werden durch Marktbegrenzungen geschaffen. Vor allem
gesetzliche Regelungen sind typische Ursachen für die Entstehung künstlicher
Gleichgewichte.
Nachfolgend wird an einigen theoretischen wie auch praktischen Beispielen gezeigt,
welche Erfolgsaussichten natürliche oder künstliche Gleichgewichte haben.
Kapazität und Preis
Bei der Suche nach einem natürlichen Gleichgewicht zwischen vielen Nachfragern und
einem einzigen Anbieter liegt die Überlegung nahe, dieses Problem mit Hilfe der
traditionellen Monopoltheorie zu betrachten.
Die Monopoltheorie geht davon aus, dass der Monopolist seinen Einfluss auf den Markt
geltend macht, indem er versucht, bei maximalem Gewinn den Preis festzulegen. Es
wird der Schnittpunkt zwischen den GRENZKOSTEN und dem GRENZERLÖS gesucht und
danach der Preis bestimmt.
Als GRENZKOSTEN werden dabei die Kosten bezeichnet, die durch die Produktion einer
zusätzlichen Einheit eines Produktes entstehen.
Der GRENZERLÖS ist der entsprechende Gewinn des zusätzlichen Produktes. Ist der
Erlös höher als die Kosten, ist es rational, ein weiteres Produkt zu produzieren.
Bezogen auf den Konzertmarkt sind GRENZKOSTEN gering. Ein zusätzliches Ticket
verursacht keine weiteren Kosten. Allerdings gibt es bei einer bestimmten Menge von
Zuschauern einen Sprung in den GRENZKOSTEN, da ein neuer, größerer
118
Veranstaltungsort gebucht werden muss. Die GRENZKOSTEN sind also nicht stetig und
eine beliebige Teilung der Angebotsmenge unmöglich.
Da die Nachfragefunktion nicht genau bekannt ist, der Veranstalter also nicht gewiss
sein kann, welche Veranstaltungsgröße optimal ist, führt die Betrachtung zu keinem
zufrieden stellenden Ergebnis.
Der Zweitmarkt profitiert von der Knappheit des Guts. Gelingt es dem Veranstalter
diesen Engpass zu überwinden, wird der Zweithandel eingeschränkt. Dies kann auf
zwei Wege geschehen. Über den Preis oder über die Angebotsmenge. Setzt der
Veranstalter den Preis hoch genug, wird die Nachfrage automatisch zurückgehen und
unterhalb der Kapazitätsgrenze liegen.
Die zweite Möglichkeit liegt in der Erweiterung der Kapazitätsgrenze. Liegt sie
unterhalb der Nachfrage kommt es zum selben Effekt, wie bei der Preiserhöhung.
Beide Eingriffe können aber weiterhin zu Situationen führen, die nicht optimal sind.
Eine zu starke Preiserhöhung kann je nach Elastizität zu einem unterschätzen Rückgang
der Nachfrage führen, ein zu großer Veranstaltungsort kann, aufgrund der zusätzlichen
örtlichen Kosten, unwirtschaftlich sein.
Preisdifferenzierung
Die Monopoltheorie bietet auch noch ein anderes Instrument, um den
Veranstaltergewinn zu erhöhen. Mit Hilfe von Preisdifferenzierung ist es möglich,
Kunden mit unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften anzusprechen.
Courtys Modell hat gezeigt, dass eine zweiphasige Preisdifferenzierung weder den
Zweitmarkt einschränkt, noch einen gewinnsteigernden Effekt birgt. Er hat aber zwei
Ansätze, die einzeln betrachtet, eine (Un-)Gleichgewichtsveränderung hervorrufen. Die
Zurückhaltung einiger Tickets und die Idee der Preisdifferenzierung. Dabei soll nicht
wie bei Courty nach dem Verkaufszeitpunkt unterschieden werden, sondern nach
qualitativen Merkmalen.
In der Theorie wird zwischen drei Graden der Preisdifferenzierung unterschieden.
Bei der DIFFERENZIERUNG ERSTEN GRADES zahlt jeder Konsument den Preis, der seiner
marginalen Zahlungsbereitschaft entspricht. Dies bedeutet, dass der Konsument genau
119
den Betrag zahlt, den er maximal bereit ist, für das Konzert auszugeben. Liegt dieser
über den Grenzkosten des Veranstalters, wird ihm die Karte verkauft. Diese Form der
Preisdifferenzierung ist praktisch kaum zu realisieren. Der Kunde wird seine wahre
Zahlungsbereitschaft nicht preisgeben, wenn ihm bewusst ist, dass er auch zu einem
niedrigeren Preis eine Karte bekommt.
Anders sieht es aus, wenn die Karten einzeln bei eBay versteigert werden. Die Form der
Versteigerung wie sie bei eBay praktiziert wird, eignet sich hervorragend, um die
Zahlungsbereitschaft der Kunden zu erfahren. Der Bieter gibt sein Höchstgebot ab.
Dieses ist für die Mitbieter nicht sichtbar. Derjenige mit dem höchsten Gebot erhält den
Zuschlag, bezahlt aber nur den Preis des zweithöchsten Gebotes. Diese SECOND PRICE
SEALED BID AUCTION lässt zwar nicht die maximale Zahlungsbereitschaft der Bieter
erkennen, zwingt sie aber zu einer wahren Angabe. Daher ist diese Form der Auktion
sogar effektiver als eine Erstpreisauktion.207 Bei der FIRST PRICE SEALED BID AUCTION
werden die Bieter weniger als ihre wahre Wertschätzung bieten, die sie dem zu
ersteigerndem Gut geben, um einen zusätzlichen Gewinn zu erlangen.
Bei der PREISDIFFERENZIERUNG ZWEITEN GRADES werden die Preise bezüglich der
Abnahmemenge unterschieden. Dies ist für die Betrachtung des Konzertmarktes
uninteressant. Schließlich soll es keine Mengenrabatte geben. Diese würden den
Zweitmarkt sogar noch unterstützen.
Auch die DIFFERENZIERUNG DRITTEN GRADES ist für die populäre Livemusik wenig
interessant. Hier werden die Kunden nach bestimmten Kriterien in verschiedene
Gruppen unterteilt und der Verkäufer verlangt für jede Gruppe einen unterschiedlichen
Preis.
Beispiele für die letzten beiden Arten der Preisdifferenzierung sind bei Konzert- und
Opernhäusern zu finden. Hier gibt es Rabatte für Auszubildende oder Gruppentarife.
Akzeptanz bei den Kunden werden die Formen der Preisdifferenzierung finden, wenn
zusätzlich auch die Form des Angebotes unterschiedlich ausfällt. Bessere Plätze können
teurer verkauft werden. Stehplätze direkt vor der Bühne oder auch Sitzplätze mit der
207
Vickery, William: Counterspeculation, Auctions and Competitive Sealed Tenders. In: Journal of
Finance. Hrsg. The American Finance Association. Malden / Oxford, Blackwell 15. Jg., 1961, Heft 16:
13-21.
120
besten Sicht können einen zusätzlichen Anreiz für Kunden bieten, die bereit sind mehr
zu zahlen. Aber auch Empfänge, ´Meet and Greet-Arrangements`, besondere
Shuttelservices bis hin zu Eventreisen, bei denen für die Gäste von der Anreise bis hin
zur Übernachtung alles organisiert wird, sind neue Formen der Preis- und
Produktdifferenzierung, die in den letzten Jahren zugenommen haben.
Ein großes und bis jetzt weitgehend unerschlossenes Feld findet sich bei den Festivals.
Bei mehrtägigen Festivals wird in Zelten übernachtet, was viele ältere Konsumenten
ablehnen. Gelingt es anständige Übernachtungsmöglichkeiten zu organisieren und im
Paket mit den Tickets anzubieten, erwächst dadurch sicher eine neue und
zahlungskräftige Kundensicht.
Eine Vielzahl an verschiedenen Angeboten würde die Zahlungsbereitschaft der Kunden
im größeren Maße abdecken, als ein fixer Preis. In der Abbildung 16 ist erneut die
Nachfrage bei einem ausverkauften Konzert zu sehen. Dabei wurden drei verschiedene
Angebote zu unterschiedlichen Preisen abgebildet.
Abbildung 16
208
Preisdifferenzierung bei einem ausverkauften Konzert208
Abbildung vom Autor erstellt.
121
Es ist klar ersichtlich, dass die Fläche zwischen Angebots- und Nachfragekurve bei
Preisdifferenzierung abnimmt. Die Fläche zwischen den beiden Kurven ist in diesem
Fall die Konsumentenrente (KR), welche die Summe aller Differenzen zwischen
Zahlungsbereitschaft und dem Marktpreis beschreibt. Der Vergleich zwischen der
Konsumentenrente vor der Preisdifferenzierung (beide grauen Flächen zusammen) und
jener mit verschiedenen Preisen (hellgraue Fläche) zeigt, dass die Zahlungsbereitschaft
der Nachfrager in einem stärkeren Maße abgeschöpft wurde und somit ein geringeres
Ungleichgewicht herrscht. Je geringer dieses Ungleichgewicht ausfällt, desto geringer
ist auch die Motivation für Zweithändler Tickets anzubieten, da die möglichen Gewinne
auf dem Sekundärmarkt niedriger ausfallen.
Zurückgehaltene Kontingente
Preisdifferenzierung nach Qualität der Plätze ist gerade bei kleineren Konzerten nicht
möglich. Grund sind die Bedingungen am Veranstaltungsort. Eine für alle
Größenordnungen realisierbare Möglichkeit, um einen überteuerten Zweitmarkt
einzudämmen, könnte in der Zurückhaltung von Tickets liegen. Anders als bei Courty
soll es aber nicht darum gehen Spätkäufer mit einem höheren Preis zu bedienen. Die
Verfügbarkeit der Tickets, soll genauer zu kontrollieren sein.
Es handelt sich dabei eher um einen psychologischen Trick, welcher mit gutem Timing
die Knappheit des Guts kaschiert. Sobald die Ticketpreise auf dem Zweitmarkt
ansteigen, könnten neue Kontingente freigesetzt werden um so die Kunden mit dem
Originalpreis bedienen zu können. Auf dem Zweitmarkt können keine hohen Preise
durchgesetzt werden, solange es noch günstigere Tickets gibt. Ist die Gesamtnachfrage
aber größer als das Ticketangebot, werden die Preise auf dem Zweitmarkt erneut
steigen, sobald die Resttickets vergriffen sind.
Hier hat der Veranstalter aber einen entscheidenden Vorteil. Die Gesamtnachfrage steigt
kontinuierlich bis kurz vor den Konzerttermin. Sollte die Nachfrage deutlich über dem
Angebot liegen, steigen der durchschnittliche RESERVATIONSPREIS der Nachfrager und
die Gewinnaussichten der Zweitmarkthändler. Diese können aber ihre Tickets nur bis zu
einem bestimmten Tag verkaufen, da sie einige Tage für den Versand einplanen
müssen.
122
Auf den Verkaufsplattformen liegen diese CLOSINGDATES fünf Werktage vor dem
Konzert. Also kann angenommen werden, dass die Preise in der vorletzten Woche auf
das höchste Niveau steigen.209 Bietet der Veranstalter seine Resttickets zu diesem
Zeitpunkt an, wird er die Preisspirale auf dem Zweitmarkt unterdrücken. Durch die
verschiedenen Distributionswege210 gelingt es dem Veranstalter, die Tickets länger
anzubieten als es auf den Plattformen möglich wäre. Mit der PRINT@HOME-Lösung
können Tickets sogar noch wenige Minuten vor Konzertbeginn am heimischen
Computer bestellt und anschließend ausgedruckt werden.
Dänische Lösung
In Dänemark ist der Ticket-Zweithandel an Gesetze gebunden, die den Wiederverkauf
regeln. Demnach dürfen Tickets bis maximal 115 Prozent des Nominalpreises erneut
veräußert werden. Diese Regelung legalisiert den Zweithandel, verringert aber die
Gewinnmöglichkeiten gewerblich agierender Verkäufer.
Die gesetzliche Vorschrift kann aber auch neue Probleme hervorbringen. Zum Einem
wird die Argumentation der moralischen Zweifelhaftigkeit des gewerblichen
Zweithandels mit der staatlichen Legitimation in Form eines Gesetzes unbrauchbar.
Händler könnten durch hohen finanziellen Einsatz ARBITRAGEGEWINNE erzielen.
Konzertkarten, deren Eintrittspreise zu niedrig kalkuliert sind, würden von Händlern
aufgekauft und für Privatpersonen nur über den Zweitmarkt bezogen werden können.
Hier wird auch die zweite zu überdenkende Folge einer gesetzlichen Lösung nach
dänischem Vorbild sichtbar. Der Markt würde sich nicht selbstständig regulieren. Ob
dies eine wünschenswerte Sache ist, hängt stark vom Betrachter ab, jedoch fördert ein
Ungleichgewicht den dann zu recht betitelten Schwarzmarkt mit Preisen über den
erlaubten 115 Prozent. Kontrollen und Ahndungen gegen Gesetzesverstöße wären nötig.
Leider liegen keine Messungen zur Effektivität dieses Gesetzes vor, so dass eine
Beurteilung schwer möglich ist.
209
Diese Annahme steht im Widerspruch zur Untersuchung von Krueger. vgl.: Kapitel 6.2.2.
210
vgl.: Kapitel 6.1.
123
Abgabe der Tickets
Im Gegensatz zur dänischen Lösung steht die uneingeschränkte Legalisierung und
Förderung des Zweitmarktes.
Durch den freien Wettbewerb zwischen den Händlern müsste sich der Preis auf dem
Zweitmarkt beruhigen. Ist der Originalpreis aus Sicht der Händler zu niedrig gesetzt,
würden die Karten schnell auf dem Primärmarkt vergriffen sein. Der Veranstalter hätte
nur noch die Funktion eines Zwischenhändlers.
Wird der vom Veranstalter gesetzte Preis überbewertet, wird es nicht zum
Ticketaufkauf kommen und in der Vorverkaufsphase wird sich zeigen, ob der Preis bei
den Konsumenten angenommen wird oder nicht.
Der offene Umgang mit dem Sekundärmarkt, würde bei der Annahme der
Unterbewertung des Ticketpreises zu einem Marktgleichgewicht durch Angebot und
Nachfrage führen. Die Profite der Händler würden sinken, da ein offener und
transparenter Markt den Wettbewerbsdruck erhöht. Auch die zeitlich bedingten
Unterschiede des Preises werden nicht auftreten. Viele Anbieter werden ihre Tickets
erst spät anbieten. Trifft große Nachfrage auf ein großes Angebot, bleibt der Preis stabil.
Der Unterschied zum Verkauf über einen einzigen Anbieter besteht in der Findung des
Gleichgewichtspreises. Dieser wird in der Regel über dem Abgabepreis des
Veranstalters liegen. Theoretisch könnte der Gleichgewichtspreis aber auch unter den
Abgabepreis fallen. Dies könnte dann daran liegen, dass viele Käufer den Originalpreis
als unterbewertet eingeschätzt haben und es durch einen externen Effekt, beispielsweise
durch einen Skandal, der zu einem Imageschaden des Künstlers führt, zu einem
Einbruch in der Nachfrage kommt.
Gilt der Abgabepreis im durchschnittlichen Marktempfinden als unterbewertet, werden
die Zweitmarkthändler zur Versicherung des Veranstalters. Hat er all seine Tickets
abgegeben, ist sein Konzert ausverkauft. Er kann mit festen und risikolosem Budget
kalkulieren. Der Mehrgewinn, welchen die Händler auf dem Zweitmarkt erzielen und
dem Veranstalter ausbleiben, steht somit im Wechsel zur sicheren Zahlung, die jener
erhält.
124
Personalisierte Tickets
Zur Fußballweltmeisterschaft 2006 hat die FIFA besondere Ansprüche an die
Ticketvergabe gestellt. Die Auflagen, seitens der FIFA, beinhalteten die Punkte der
Fälschungssicherheit, der Kontrolle über den Primär- und Sekundärmarkt und ein
flächendeckendes Netzwerk zum Vertrieb der Karten. Das Organisationskomitee
beauftrage Eventim211 mit der Abwicklung des gesamten Kartenverkaufs.
Mit Hilfe von RFID-CHIPS, die in den Karten integriert waren und Scannern an den
Stadioneingängen konnte jede Karte seinem Käufer zugeordnet werden. RFID steht für
RADIO FREQUENCY IDENTIFICATION. Bei dieser Technologie ist es möglich, Daten über
Funkerkennung auszulesen. Dabei kann ein Chip, welcher als Transponder dient, mit
Hilfe eines Lesegerätes eindeutig zugeordnet werden. Diese Zuordnung ermöglicht es,
über angefertigte Datenbanken den Chipträger zu identifizieren.212
Beim Kauf einer solchen Karte mit integriertem RFID-CHIP musste der Käufer seinen
Namen angeben. Dieser wurde gespeichert und die Daten mit dem Transponder
gekoppelt. Beim Stadioneingang wurden die Käufer der Karten identifiziert. Konnte
sich der Inhaber ausweisen, war eine eindeutige Ermittlung der Rechtmäßigkeit des
Karteninhabers gewährleistet.
Das Organisationskomitee war mit einer Stadionauslastung von über 99 Prozent und der
fast vollständigen Eindämmung des Zweitmarktes zufrieden.213 Allerdings bedurfte es
in allen Stadien der Installation von Scannern. Inwiefern die Installation von Scannern
und die Datenerhebung für den Konzertmarkt realisierbar sind, ist auf Grund der, mit
der Einführung des Systems verbundenen Kosten und rechtlichen Bedenken die
Datenspeicherung betreffend, fraglich.
Die vorgestellten Lösungsansätze basieren auf externen Regulierungen des Marktes. Bei
der Kapazitätserweiterung oder der Preiserhöhung wird auf Seiten des Anbieters nur die
211
CTS EVENTIM AG
212
vgl.: RFID Journal. Hrsg. von Tim Kröner. http://www.rfid-journal.de/rfid-systeme.html. Zuletzt
gesichtet 09. Dezember 2008.
213
Interview Ralf Scheich.
125
Ausgangsituation verändert. Ähnlich verhält es sich mit dem Zurückhalten von
Kartenkontingenten.
Auch bei der Preisdifferenzierung wird durch die Variation des verkauften Gutes nur
nach Kundengruppen unterschieden. Dabei wird der Markt nur in den Dimensionen
Zeit, Angebotsmenge oder Produktqualität gesteuert. Eine Änderung der grundlegenden
Problematik, dass ein Gleichgewichtspreis gefunden werden kann, der automatisch die
Grundvoraussetzungen des gewerblichen Zweithandels unterbindet, wird, wenn, dann
nur mit zusätzlich erhöhtem Risiko erreicht.
Die Legalisierung des Sekundärmarktes ist aus Sicht der Veranstalter unbefriedigend
und sowohl eine gesetzliche Regulierung, wie auch eine Personalisierung der Tickets,
lösen das Problem im Falle einer überhöhten Nachfrage nicht.
Keine der oben genannten Maßnahmen führt zu einem weitgehend befriedigenden
Resultat. Die grundsätzliche Problematik liegt im Preis-Mengen-Verhältnis. Da eine
Kapazitätsveränderung nur in einigen Fällen möglich und dies immer mit Aufwand und
Kosten verbunden ist, soll im folgenden Kapitel ein Konzept für ein Modell vorgestellt
werden, welches durch dynamische Preisfindung ein natürliches Gleichgewicht erlangt.
126
7. Dynamische Preisfindung für Konzerttickets
Es wird ein Modell konzipiert, indem der Ticketpreis nach variablen Vorgaben auf die
Nachfrage reagiert. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für
dieses Konzept. Anschließend wird geprüft, ob das Konzept der dynamischen
Preisfindung den spezifischen Ansprüchen der Marktteilnehmer standhält.
7.1. Vorbetrachtung
Der Konzertmarkt ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht effizient, aber
Verbesserungen für alle Marktteilnehmer sind möglich. Um sich dem Gleichgewicht zu
nähern, bedarf es eines Mechanismus, welcher jedem Beteiligtem genügend
individuelle Anreize schafft, damit sein Verhalten zum kollektiven Optimum beiträgt.
Ist ein Optimum erreicht, welches keinen Marktteilnehmer besser stellen kann, ohne die
Situation eines Anderen zu verschlechtern, wird von PARETOEFFIZIENZ gesprochen.
Dabei ist das Verhältnis von Angebotsmenge und Preis für den Konzertmarkt
entscheidend. Um den Markt langfristig zu festigen, sind die Verringerung der Preise
und die Erhöhung der Angebotsmenge notwendig. Damit werden die Konsumenten
besser gestellt als zuvor. Das PARETOKRITERIUM hat weiterhin Bestand.
127
Auch die Künstler profitieren von einer Verringerung der Ticketpreise, da die
Nachfrage langfristig nicht sinkt. Etablierte Künstler, die nur wenige Konzerte zu hohen
Preisen geben, werden in Zukunft geringere Erlöse erzielen.214 Daher sollten mehrere
Konzerte mit geringeren Eintrittspreisen angeboten werden. Der Tagesverdienst
verringert sich. Dennoch wird dieser Verlust durch die langfristigen Einnahmen
kompensiert, da die Bereitschaft der Nachfrager, in Zukunft erneut auf ein Konzert zu
gehen, steigt.
Durch den Mechanismus der Gagenbestimmung sind die Einnahmen auf der Angebotsseite sehr hoch. Die etablierten Künstler müssten bei niedrigen Preisen eine kurzfristige
Verschlechterung ihrer Situation hinnehmen. Dies würde eine Verletzung des
PARETOKRITERIUMS bedeuten.
Langfristig schadet dieser Mechanismus den Künstlern, sowie dem gesamten Markt.
Die ausgegrenzten Konsumentenschichten gehen dem Markt verloren. Der dadurch
verursachte Wohlfahrtsverlust wird zunehmend größer und könnte eine Krise
verursachen.
Einen zusätzlichen Anreiz der einzelnen Künstler liegt in der Möglichkeit, Teile des
unternehmerischen Risikos zu übernehmen. Werden die Gewinne, wie auch mögliche
Verluste, nach einem Schlüssel zwischen Veranstalter und Künstler aufgeteilt, verdient
der Künstler auch oberhalb des BREAK-EVENS mit. Der Veranstalter wird ebenfalls
besser gestellt, da er Teile des Risikos abgibt.
Wenige Künstler übernehmen bereits jetzt das unternehmerische Risiko ihrer Konzerte
vollständig, indem sie einen Konzertveranstalter als durchführendes Organ engagieren,
sie aber selbst zum Veranstalter werden.215
Durch die Erhöhung der Angebotsmenge und der Beteiligung am unternehmerischen
Risiko steigt der Gewinn der Künstler. Bei der Gegenüberstellung von Kosten und
Einnahmen werden weitere Gründe für eine Veränderung von Menge und Preis
deutlich.
214
vgl.: Kapitel 5.6.
215
Interview Oskar „Ossy“ Hoppe.
128
Die Kosten wachsen nicht proportional mit der Anzahl der Auftritte. Die örtlichen
Kosten bleiben für jeden Auftritt annähernd gleich, die Produktionskosten könnten aber
durch abnehmende Skalenerträge sinken. Somit erhöhen sich Fixkosten trotz
zusätzlicher Konzerte nicht. Dekoration und extra angefertigte Bühnenkonstruktionen
sind solche Einmalkosten. Diese Kosteneinsparungen werden jedoch nicht geringere
Eintrittspreise kompensieren können.
Neben dem langfristigen Erhalt der Nachfrage gibt es zusätzliche Einnahmen durch die
Verkäufe des Merchandisings. 2007 gab jeder Konzertbesucher durchschnittlich über
fünf Euro für Merchandise-Artikel aus.216 Durch zusätzliche Konzerte wird diese
Einnahmequelle konstant steigen.217
Die langfristigen Gewinne müssen steigen, damit das PARETOKRITERIUM erfüllt ist und
Künstler bereit sind, ihr Angebot zu verändern. Eine genaue Berechnung, die einen
Vergleich beider Strategien zulässt, wird durch die unbekannte Nachfragefunktion
diffus, jedoch ist der Grad des Risikos bei einer Erhöhung des Angebotes maßgeblich.
Die dynamische Preisfindung soll das Risiko minimieren.
7.2. Konzeption
Die zu Grunde liegende Konzeptidee beruht auf einem sich selbst regulierenden Preis.
Dabei wird in einem dynamischen Prozess der Preis eines bestimmten Konzertes,
dessen Nachfrage angepasst. Ursache für eine Preisänderung ist die Zeit sowie die
verbleibende Ticketmenge.
Die Preisbestimmung ist demnach durch zwei Funktionen gekennzeichnet, die als
Alpha und Beta bezeichnet werden sollen. Alpha und Beta stellen zwei
entgegenwirkende Mechanismen dar, wobei Alpha zu einem Preisverfall und Beta zum
Preisanstieg führt. Durch eine Gewichtung beider Funktionen wird der Verkaufspreis
ermittelt. Der Preis fällt, wenn die Änderung des Betrages der Variable Alpha größer ist
216
GfK-Studie 2007 – zum Konsumverhalten der Konzert- und Veranstaltungsbesucher in Deutschland.
Hrsg. vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) und dem Branchenmagazin Musikmarkt
& Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 2008: 17.
217
Neue Marktideen profitieren ebenfalls von einer Erhöhung der Angebotsmenge. So zum Beispiel die
Anbieter von Konzertmitschnitten. vgl.: Kapitel 4.1.
129
als die der Variable Beta. Verhalten sich die Änderungen spiegelbildlich von einander,
steigt der Preis.
Alpha beinhaltet eine Variation der holländischen Auktion. Die holländische Auktion
wird bei mehreren gleichartigen Artikeln angewandt. Dabei ruft ein Auktionator Preise
mit absteigender Wertigkeit aus. Bei dem absichtlich weit überteuerten Anfangsgebot
wird es keine Bieter geben. Der Preis fällt weiter, bis ein Interessent das Angebot
annimmt. Der Interessent erhält die Ware und die Auktion wird bei dem bezahlten Preis
fortgesetzt. Der letzte Bieter bezahlt den geringsten Preis, trägt aber zuvor das größte
Risiko leer auszugehen. Jeder Nachfrager muss also sein persönliches Verhältnis
zwischen Unsicherheit, den Zuschlag zu bekommen und Spekulationsgewinnen,
abwägen. Dabei gilt: Je knapper das Gut wird und je mehr Interessenten es gibt, desto
größer ist die Wahrscheinlichkeit, beim Warten auf niedrigere Preise leer auszugehen.
Es ist demnach rational, bei einem Preis, welcher der individuellen Zahlungsbereitschaft
entspricht, zu bieten.
Der Preis, welcher durch die Alphafunktion ermittelt wird, fällt bis zum Konzertbeginn
sukzessiv. Die Dynamik des Preisverfalls kann durch die Funktion bestimmt werden.
Ebenso kann eine Preisober- und eine Preisuntergrenze als Anfangs- und Endpreis
festgelegt werden.
Beta stellt eine gegensätzliche Funktion dar, wobei die Verknappung der TicketRestmenge zu einer Erhöhung des Preises führt. Ebenso wie Alpha, kann die BetaFunktion modifiziert werden. Durch einen modifizierten exponentiellen
Funktionsverlauf wird die Krümmung den Bedürfnissen des Marktes angepasst. In
Kombination mit einem anfangs schnell fallenden Alphawert wird der Preis mit dem
Vorverkaufsstart sehr sensibel auf Nachfrageänderungen reagieren. Der Konzertpreis
hätte sich demnach in den ersten Tagen des Vorverkaufs auf dem punktuellen
Marktgleichgewicht eingependelt. Im weiteren zeitlichen Verlauf wäre er zwar immer
noch variabel, aber weniger volatil.
130
Die Möglichkeiten der Funktionsmodifizierung und der Verwebungen von Alpha und
Beta ergeben unzählige Variationen, die den Bedürfnissen und Wünschen der
Veranstalter angepasst werden können.
Der Einfluss beider Komponenten kann durch einen intern ermittelten Hebesatz
gewichtet werden, so dass die Preisgrenzen nicht über- beziehungsweise unterschritten
werden. Die Preisuntergrenze schützt den Veranstalter vor einem zu großen Preisverfall,
die Preisobergrenze vor Wucher. Beide Schwellenwerte sind frei wählbar.
7.3. Anforderungen und Eignungsprüfung
Um die Effektivität dieses Konzeptes zu prüfen, müssen die Anforderungen der
Veranstalter und das Kaufverhalten der Konsumenten berücksichtigt werden. Daher
sind die Daten bisheriger Konzerte, bezüglich Kaufzeitpunkt, Kaufentscheidung und
Preisakzeptanz zu erheben. Veranstalter wollen frühzeitig wissen, ob ein Konzert
wirtschaftlich erfolgreich wird. Zudem benötigen sie eine Basis, die ihnen eine
Kalkulation ermöglicht. Die Konsumenten sollten ihre Kaufentscheidung nicht
spekulativ fällen. Starke Preisschwankungen, mittels geglätteten Durchschnittswerten,
sind zu vermeiden. Diese sollen gleichzeitig verhindern, dass sich Nachfrager, die einen
höheren Preis bezahlt haben, ungerecht behandelt fühlen.
Aus diesen Daten könnten beispielsweise Preiselastizitäten ermittelt werden, die ein
Verhältnis zwischen relativen Preis- und Mengenänderungen angeben. Unter
Berücksichtigung der Kostenstruktur einer Tournee ist es möglich, eine optimale
Angebotsmenge für einen Künstler zu ermitteln. Die Wohlfahrtsverluste des
Konzertmarktes werden so verringert.
Die zu überprüfende These besagt, dass die optimale Angebotsmenge aller etablierten
Künstler weit oberhalb ihres jetzigen Angebotes liegt.
Das Konzept ist variabel gestaltet, wodurch weitere Ausarbeitungen und Anpassungen
an den Markt möglich bleiben.
Es beinhaltet unter anderem die Möglichkeit, die monetären Rückflüsse eines Konzertes
zu kalkulieren. Anstatt des Risikoaufschlages wird die Spanne zwischen den
Grenzwerten die Folgen von Fehleinschätzungen abfangen. Jedoch hat die dynamische
131
Preisfindung den Vorteil, dass die Einnahmen immer höher sein werden, als bei einem
festen Preis. Es kommt zu einem punktuellen Gleichgewicht, da der Preis auf die
Nachfrage reagiert. Die Preisuntergrenze verhindert ein Abrutschen des Preises. Führt
die Nachfrage trotz des Minimalpreises nicht zum Ausverkauf, wäre das Konzert auch
ohne dynamische Preisfindung fehlerhaft kalkuliert worden. Der Verlust würde sogar
noch größer ausfallen.
Die Nachfragefunktion muss demnach nicht exakt abgeschätzt werden. Sie wird im
Laufe des Vorverkaufs automatisch ermittelt. Das unternehmerische Risiko eines
Konzertes verringert sich!
In dieser Möglichkeit liegt jedoch auch eine Gefahr. Theoretisch kann die gesamte
Konsumentenrente abgeschöpft werden. Die Tickets von beliebten Künstlern, die nur
wenigen Nachfragern ermöglichen, ihr Konzert zu besuchen, werden sehr hohe Preise
erzielen. Es hätte denselben Effekt, wie die Einzelversteigerung der Tickets. Dadurch
würde die Ineffektivität des Marktes verstärkt.
Ein Problem, welches charakteristisch für den Konzertmarkt ist, und in der Konzeption
der dynamischen Preisfindung berücksichtigt wurde, liegt in der zeitlichen Dimension
der Nachfrage. Durch den Vorverkauf kommt es zu einer bestimmten Zeitspanne,
welche mit dem Vorverkaufsstart beginnt und erst an der Abendkasse endet. Jedoch ist
eine zusammenfassende Nachfragefunktion durch die temporären Unterschiede stets
ungenau. Diese Tatsache wird durch die Gestaltung von Alpha und Beta berücksichtigt.
Der gewerbliche Sekundärmarkt wird bei einem hohen Startpreis und einer genügend
großen Angebotsmenge unterbunden. ABITRAGEGEWINNE, welche die Grundlage für
den Zweithandel bilden, fallen weg. Durch die Erhöhung des Angebotes und der
automatischen Regulierung des Preises befindet sich der Markt im Gleichgewicht. Das
Verhältnis der Risikoverteilung wird somit gedreht. Händler auf dem Sekundärmarkt
können sich nicht mehr sicher sein, ob sie ihre Tickets gewinnbringend weiter
verkaufen können.
Ist der Startpreis allerdings deutlich zu niedrig, besteht die Gefahr, dass mit dem
Vorverkaufsstart viele Tickets in den Sekundärmarkt gelangen und somit nicht nur das
Angebot verknappt wird, sondern auch der Preis der regulären Tickets steigt. Courty hat
132
gezeigt, dass der Veranstalter in diesem Fall keinen Einfluss mehr auf eine
Preisgestaltung hat.218
Die dynamische Preisfindung ist nicht im gleichen Maße für alle Veranstaltungen
geeignet. So ist es notwendig, dass der Vertriebsschwerpunkt im Vorverkauf liegt und
von einem exklusiven Anbieter organisiert wird. Dieser sollte über vielfältige,
untereinander vernetzte Distributionsmöglichkeiten verfügen. Die Inputmengen werden
so für die Berechnung des dynamischen Preises und die Preisänderungen zeitnah
übermittelt.219
Es besteht eine große Gefahr, dass dieses Instrument, würde es ohne eine
Mengenerhöhung der Angebotsseite eingesetzt werden, zur Verschärfung der Probleme
des Konzertmarktes führt.
Die ursprüngliche Intention bestand darin, eine Lösung zu finden, welche das Risiko
eines Konzertveranstalters verringern sollte. Durch die dargestellte Dekomposition des
Marktes wurde gezeigt, dass etablierte Künstler dieses Risiko an die Veranstalter
abgeben. Sollte, wie in der Theorie dargelegt, das Risiko deutlich verringert werden
können, ist eine Restrukturierung des Konzertmarktes wahrscheinlich, wobei die
Künstler eigenverantwortlicher handeln werden. Die Auswirkungen auf den
Gesamtmarkt sind keinesfalls vorhersehbar, jedoch wurden mögliche Szenarien
angerissen. Daher bedarf es insbesondere zur Marktentwicklung weiterer
Untersuchungen.
218
vgl.: Kapitel 6.2.2.
219
ein solches System bietet die CTS Eventim AG. Inwiefern eine Umsetzung der Konzeption der
dynamischen Preisfindung eine Monopolisierung dieses Anbieters begünstigt, ist spekulativ und kann
hier nicht untersucht werden.
133
8. Implikationen für die weiterführende Forschung
„Wir, die ´Älteren` haben zumindest das Glück gehabt, dass wir in einer Zeit den
Job machen durften, in der noch viele große Bands da waren. Wie lange dies aber
noch so sein wird, kann nur die Zukunft zeigen und da bin ich nicht so
optimistisch.“220
Die Konzertbranche wurde im Geflecht der Musikwirtschaft eingebettet und ist im
Gegensatz zum Tonträgergeschäft nicht von einem Umsatzrückgang betroffen. Jedoch
gibt es Anzeichen, dass auch dieser Markt instabil werden könnte. Die Preisgestaltung
der Tickets ist ökonomisch gesehen ineffizient, so dass Angebot und Nachfrage stets im
Ungleichgewicht stehen. Der Einfluss der Konzertveranstalter auf Gagenforderungen,
Kosten und Preise ist geschwunden.
Die ökonomische Forschungslage zur Konzertbranche ist knapp. Daher sollen die
gewonnen Erkenntnisse aufgeführt und Fragestellungen für weiterführende
Untersuchungen mitgegeben werden.
220
Interview Oskar „Ossy“ Hoppe.
134
Es wurde gezeigt, dass der Einbruch des Tonträgergeschäftes einen erheblichen Einfluss
auf die Angebotsmenge und die Preisentwicklung des Konzertmarktes hat. Die Erlöse
aus Konzerten wurden zur wichtigsten Einnahmequelle für Künstler.
• Vor allem nationale Künstler gewinnen an Beliebtheit. Wie ist diese Besonderheit
zu erklären?
• Kann die Konzertindustrie dauerhaft für eine Kompensation sorgen oder besteht
die Gefahr einer Übersättigung?
Ein großes Problem stellt der Sekundärmarkt für Konzertkarten dar. Rechtliche
Versuche den gewerblichen Zweithandel zu untersagen, sind wiederholt gescheitert.
Gewerblich agierende Tickethändler nutzen die Ineffizienz des Marktes aus und
erreichen auf Kosten der Konzertbesucher risikolose Gewinne.
• Wie haben sich die Preise und die Verkaufszahlen auf dem Sekundärmarkt
entwickelt? Welchen Schaden verursacht der nicht-lizenzierte Handel von
Eintrittskarten für die Künstler und Veranstalter?
Das Zusammenspiel der Akteure auf dem Musikmarkt ist komplex und kann nicht
vereinheitlicht werden. Jedoch ist festzuhalten, dass die unternehmerischen
Entscheidungen einer Künstlerkarriere zunehmend von Managern und Agenten
getroffen werden. Dadurch hat sich der Kontakt der Künstler zu anderen
Marktteilnehmern, wie beispielsweise Konzertveranstaltern, verringert, was zu einer
stärkeren Liberalisierung des Marktes führte.
• Können langfristige Verträge den Veranstaltern Sicherheit garantieren und
Nachwuchsförderung ermöglichen?
• Wie sollten die Anreize für beide Parteien gestaltet sein, ein solches Engagement
einzugehen?
Der Markt ist im Begriff sich zu wandeln. Neue Marktteilnehmer werden in Zukunft die
Konzertlandschaft prägen und die vorhandenen Strukturen verändern. Dabei wird die
Bandbreite der Akteure vielschichtiger. Die Unternehmen entwickeln
135
Mehrkanalstrategien, um an möglichst vielen Elementen der Wertschöpfung zu
partizipieren.
• Welche Rolle werden Konzertveranstalter in den neuen Marktstrukturen
einnehmen?
• Ist die flächendeckende Positionierung im Musikmarkt rational?
• Kann eine Spezialisierung innerhalb des Konzertmarktes effizienter sein?
Die Stabilität des Konzertmarktes scheint gefährdet. Einflussfaktoren wie
Gagenforderungen, örtliche Kosten und Produktionskosten auf der einen und eine
unbekannte Nachfragefunktion auf der anderen Seite, sind in einem dynamischen
Prozess miteinander verbunden. Die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen
den Faktoren könnte weitere Aufschlüsse über die Marktdynamik liefern.
Schwierigkeiten ergeben sich bei der Aggregation der Gesamtnachfrage. Aus dem
Konsumentenverhalten können, aufgrund der individuellen Präferenzen, keine
allgemeingültigen Folgerungen getroffen werden.
• Kann der Konzertmarkt in Teilmärkte gegliedert werden, die aussagekräftige
Untersuchungen zulassen?
• Ist es möglich die Instabilität des Marktes zu spezifizieren oder gar zu beheben?
Mit der Konzeption der dynamischen Preisfindung wurde ein theoretisches Konstrukt
geschaffen, welches zur Verbesserung aller Marktteilnehmer führen soll, indem es unter
anderem das unternehmerische Risiko eines Konzertes, welches in der Regel vom
Veranstalter getragen wird, verringert.
• Ist es durch ein Preisfindungsinstrument möglich, dass ein natürliches
Gleichgewicht eintritt und unter welchen Bedingungen verbessert es real die
Situationen der Marktteilnehmer?
Der Bedarf an neuen, wegweisenden Untersuchungen ist groß. Die gewonnenen
Erkenntnisse enthalten aktuelle Skizzen zur Ökonomie des Konzertes und sollen neuen
Studien als Grundlage dienen.
136
Anhang
Glossar
360°-Modell
A&R
Abitragegewinne
Act
AEG
Artist and Repertoire
Backline
Backliner
Backstage(-bereich)
Booker
Booking-Agentur
Break
Break-Even
Businessmanager
Catering
Closingdate
Delay
domestic
Doors-Open
First Come, First Safe
First Price Sealed Bid Auction
Flood
FOH
FOH-Techniker
Front of House
Grenzerlös
Grenzkosten
Hands
Independent-Labels
Independents
JKP
Joint Venture
Konzertstream
Label
Line Arrays
Line-Up
Livestream
Longplay
M&A
Major(-label)
Mergers and Acquisitions
hier: Idee, dass alle Rechte eines Künstlers von einem Akteur
vertreten werden
siehe: Artist and Repertoire
risikolose Gewinne durch ein Marktungleichgewicht
Künstler, Interpret, Band
Anschutz Entertainment Group Development GmbH
Abteilung eines Unternehmens, welche für die ´Entdeckung` neuer
Künstler zuständig ist
Verstärkeranlage eines Künstlers, einer Band
Verantwortlicher für die BACKLINE
abgesperrter Bereich hinter der Bühne
(Künstler-)Vermittler
Agentur die Auftritte für Künstler ´bucht`
siehe: BREAK-EVEN
Gewinnschwelle
Wirtschaftsberater eines Künstlers
hier: Verpflegung für Künstler und Crew
hier: letztes Einstelldatum bei Ticketbörsen
Verzögerung
inländisch, Beschriebt den deutschsprachigen Vertriebszweig bei
Plattenfirmen
Ausspruch für den Einlassstart
Verteilungsprinzip, ´Wer zuerst kommt, malt zuerst“
Erstpreisauktion
Beleuchtungskörper
siehe: FRONT OF HOUSE
Tonmischer
Bereich vor der Bühne
zusätzliche Erlös durch den Verkauf einer weiteren Einheit
zusätzliche Kosten durch den Verkauf einer weiteren Einheit
(Bühnen-)Hilfsarbeiter
siehe INDEPENDETS
unabhängige Plattenfirmen
Jochen`s Kleine Plattenfirma
Gemeinschaftsunternehmen
siehe STREAM
Plattenfirma
Typisierung für Lautsprecheranlagen
Aufstellung, Programm
siehe: STREAM
Langspielplatte
siehe MERGERS AND ACQUISITIONS
marktdominierende Plattenfirmen (Universal, Sony, EMI, Warner)
Fusion und Übernahme
II
Mittel- und Hochtöner
Mobile Music
Monitormischer
Monitormixer
Monitoring
Moving Lights
Offering
Offer-Praxis
OK
Outdoor
PA
PAR-Leuchten
Paratoeffizienz
Personalmanager
Preisdifferenzierung
Lautsprechertypen
hier: Musikvertrieb über mobile Endgeräte
Tontechniker für das MONITORING
Mischpult für das MONITORING
Beschallungssystem der Bühne
bewegliche Beleuchtungskörper
anbieten (einer Gage)
siehe O FFERING
Organisationskomitee
hier: außerhalb des Veranstaltungsgelände
Public Address oder Power Amplifier (Verstärkeranlage)
Beleuchtungskörper
Grad einer Marktsituation
Manager für den künstlerischen Bereich einer Künstlerkarriere
Preispolitik, bei der für ähnliche Leistung unterschiedlich Preise
verlangt wird
Presenter
Präsentator einer Veranstaltung, kein Veranstalter
print@home
Ticketvertriebsmöglichkeit bei dem die Tickets ausgedruckt werden
können
Prohibitivpreis
Preis, bei dem keine Nachfrage existiert
Promo
Abkürzung von Promotion, Verkaufsförderung
Reservationspreis
Preis der von einem Konsumenten maximal bezahlt wird
RFID-Chips
Transponder innerhalb der RFID-TECHNIK
RFID(-Technik)
Radio Frequenzy Identification = Identifizierung mit Hilfe
elektomagnetischer Wellen
Riders
Bühnenvertrag
Roster
hier: Künstlerbestand
Runner
flexible Einsatzkräfte
Second Price Sealed Bid Auction Zweitpreisauktion
Sidecrew
hier: Abteilung der HANDS
signen
unter Vertrag nehmen
Single
Tonträger mit einem (oder wenigen) Stücken
Spot
Beleuchtungskörper
Stagehands
Bühnenhilfsarbeiter
Stagemanager
Bühnenverantwortlicher
Streamen
hier: Übertragen von Datenströmen über das Internet
Stroboskop
Beleuchtungskörper, Blitzgerät
Ticketing
Ticketdistribution
Tour-Promoter
Verantwortlicher für die Verkaufsförderung einer Konzertreihe
Trade-Off
hier: Entscheidungskonflikt ob ein Ticket gekauft werden soll
Venue
Veranstaltungsort
III
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1
Vermarktungsbereiche von Musik
14
Abbildung 2
Musik-Veranstaltungsmarkt und Tonträgermarkt im Vergleich.
16
Abbildung 3
Umsatzzahlen und Herkunft von Rock- und Popmusik im Vergleich
19
Abbildung 4
Das Verhältnis zwischen Künstler, Management, Agenturen und örtlichen
Veranstaltern
25
Abbildung 5
Beispiel eines Budgetierungsplan für die Produktion
33
Abbildung 6
Personalstruktur bei der Durchführung eines Konzertes
42
Abbildung 7
Herleitung der Nachfragefunktion
71
Abbildung 8
Linearisierte Nachfragefunktionen
73
Abbildung 9
Angebot und Nachfrage eines Konzertes
76
Abbildung 10
Preisentwicklung von Konzertkarten und anderen Live-Veranstaltungen in Amerika.
1996 - 2003.
88
Abbildung 11
Ticketmarkt
96
Abbildung 12
Nachfrage eines ausverkauften Konzertes
110
Abbildung 13
Zweithandel eines ausverkauften Konzertes
112
Abbildung 14
Zweithandel eines nicht ausverkauften Konzertes
113
Abbildung 15
Model of Ticket Resale
115
Abbildung 16
Preisdifferenzierung bei einem ausverkauften Konzert
121
IV
Verwendete Gesetzestexte
BGB - Bürgerliches Gesetzbuch Stand: 12.08.2008
§ 793 Rechte aus der Schuldverschreibung auf den Inhaber
(1) Hat jemand eine Urkunde ausgestellt, in der er dem Inhaber der Urkunde eine Leistung verspricht
(Schuldverschreibung auf den Inhaber), so kann der Inhaber von ihm die Leistung nach Maßgabe des
Versprechens verlangen, es sei denn, dass er zur Verfügung über die Urkunde nicht berechtigt ist. Der
Aussteller wird jedoch auch durch die Leistung an einen nicht zur Verfügung berechtigten Inhaber
befreit. [...]
§ 796 Einwendungen des Ausstellers
Der Aussteller kann dem Inhaber der Schuldverschreibung nur solche Einwendungen entgegensetzen,
welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder dem Aussteller
unmittelbar gegen den Inhaber zustehen.
§ 797 Leistungspflicht nur gegen Aushändigung
Der Aussteller ist nur gegen Aushändigung der Schuldverschreibung zur Leistung verpflichtet. Mit der
Aushändigung erwirbt er das Eigentum an der Urkunde, auch wenn der Inhaber zur Verfügung über sie
nicht berechtigt ist.
§ 807 Inhaberkarten und -marken
Werden Karten, Marken oder ähnliche Urkunden, in denen ein Gläubiger nicht bezeichnet ist, von dem
Aussteller unter Umständen ausgegeben, aus welchen sich ergibt, dass er dem Inhaber zu einer Leistung
verpflichtet sein will, so finden die Vorschriften des § 793 Abs. 1 und der §§ 794, 796, 797 entsprechende
Anwendung.
§ 929 Einigung und Übergabe
Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die
Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. Ist der
Erwerber im Besitz der Sache, so genügt die Einigung über den Übergang des Eigentums.
EStG - Einkommenssteuergesetz Stand 17.12.2008
§ 50 Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige
(4) Die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden können mit
Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen die Einkommensteuer bei beschränkt
Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn dies im
besonderen öffentlichen Interesse liegt; ein besonderes öffentliches Interesse besteht insbesondere
1. im Zusammenhang mit der inländischen Veranstaltung international bedeutsamer kultureller und
sportlicher Ereignisse, um deren Ausrichtung ein internationaler Wettbewerb stattfindet, oder
2. im Zusammenhang mit dem inländischen Auftritt einer ausländischen Kulturvereinigung, wenn ihr
Auftritt wesentlich aus öffentlichen Mitteln gefördert wird.
V
§ 50a Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen [nicht mehr gültig]
(4) Die Einkommensteuer wird bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben
1. bei Einkünften, die durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, artistische
oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen
Leistungen zusammenhängenden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen [...]
Bei im Inland ausgeübten künstlerischen, sportlichen, artistischen oder ähnlichen Darbietungen beträgt er
[Steuerabzug] bei Einnahmen [...] über 1.000 Euro 20 Prozent der gesamten Einnahmen.
GewO - Gewerbeordnung Stand: 17.03.2008
§ 55 Reisegewerbekarte
(1) Ein Reisegewerbe betreibt, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner
gewerblichen Niederlassung (§ 42 Abs. 2) oder ohne eine solche zu haben
1. Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder
Bestellungen auf Leistungen aufsucht oder
2. unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart ausübt.
(2) Wer ein Reisegewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis (Reisegewerbekarte).
(3) Die Reisegewerbekarte kann inhaltlich beschränkt, mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen
verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit oder der Verbraucher erforderlich ist;
unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von
Auflagen zulässig.
§ 56 Im Reisegewerbe verbotene Tätigkeiten
(1) Im Reisegewerbe sind verboten
1. der Vertrieb von
[...] h) Wertpapieren, Lotterielosen, Bezugs- und Anteilscheinen auf Wertpapiere und Lotterielose;
zugelassen ist der Verkauf von Lotterielosen im Rahmen genehmigter Lotterien zu gemeinnützigen
Zwecken auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen oder anderen öffentlichen Orten, [...].
Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr Stand: 08.06.2000
Artikel 15: Keine allgemeine Überwachungspflicht
(1) Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine
allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu
überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
TMG - Telemediengesetz Stand: 26.02.2007
§ 7 Allgemeine Grundsätze
(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen
Gesetzen verantwortlich.
VI
(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder
gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige
Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach
den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach
den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 88 des Telekommunikationsgesetzes ist zu
wahren.
UrhG - Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Stand: 07.12.2008
§ 19a Recht der öffentlichen Zugänglichmachung
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der
Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten
und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.
§ 77 Aufnahme, Vervielfältigung und Verbreitung
(1) Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, seine Darbietung auf Bild- oder Tonträger
aufzunehmen.
(2) Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, den Bild- oder Tonträger, auf den seine
Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten.
§ 78 Öffentliche Wiedergabe
(1) Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, seine Darbietung
1. öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a),
2. zu senden, es sei denn, dass die Darbietung erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen
worden ist, die erschienen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemacht worden sind,
3. außerhalb des Raumes, in dem sie stattfindet, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische
Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen.
§ 81 Schutz des Veranstalters
Wird die Darbietung des ausübenden Künstlers von einem Unternehmen veranstaltet, so stehen die
Rechte nach § 77 Abs. 1 und 2 Satz 1 sowie § 78 Abs. 1 neben dem ausübenden Künstler auch dem
Inhaber des Unternehmens zu. § 10 Abs. 1, § 31 sowie die §§ 33 und 38 gelten entsprechend.
§ 88 Recht zur Verfilmung
(1) Gestattet der Urheber einem anderen, sein Werk zu verfilmen, so liegt darin im Zweifel die
Einräumung des ausschließlichen Rechts, das Werk unverändert oder unter Bearbeitung oder
Umgestaltung zur Herstellung eines Filmwerkes zu benutzen und das Filmwerk sowie Übersetzungen und
andere filmische Bearbeitungen auf alle Nutzungsarten zu nutzen. § 31a Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 2
bis 4 findet keine Anwendung.
UWG - Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Stand: 21.12.2006
§ 3 Verbot unlauteren Wettbewerbs
VII
Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber,
der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, sind
unzulässig.
§ 8 Beseitigung und Unterlassung
(1) Wer dem § 3 zuwiderhandelt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in
Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine
Zuwiderhandlung droht. [...]
VIII
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besucht am 12. Januar 2009.
Heinze, Robert: All Area Access: Produktionsleitung in der Veranstaltungsbranche; juristisches,
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Herrmann, Andreas und Christian Homburg: Marktforschung – Methoden, Anwendungen und
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Jahnke, Karsten: Im Interview mit Heinrich Oehmsen. In: Eröffnungsveranstaltung. Kiez Kongress 2008
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Kreitling, Holger: Tournee: Stones bekommen Arena in Frankfurt nicht voll. Hrsg. von Welt Online.
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Kulle, Jürgen: Ökonomie der Musikindustrie: eine Analyse der körperlichen und unkörperlichen
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X
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Mayring, Philipp: Einführung in die qualitative Sozialforschung. 5. Aufl. Weinheim, Beltz 2002.
Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Technik. 10. Aufl. Weinheim und Basel,
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http://www.musikindustrie.de/uploads/media/ms_branchendaten_jahreswirtschaftsbericht_2007_02.pdf.
Zuletzt besucht am 14. Februar 2009.
Nebelkerze 360-Grad-Modell? – Sony BMGs Tourneepläne ab 2008 stoßen in der Live-Branche auf
geteiltes Echo. In: Musikmarkt & Musikmarkt Live!. München, Musikmarkt GmbH & Co. KG. 49. Jg.,
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Paschke, Dennis: Mikroökonomie: anschaulich dargestellt; mit aktuellen Beispielen. 2. Aufl. Heidenau,
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Paul McCartney soll für Starbucks arbeiten. In: SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wirtschaft.
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Pieper, Frank: Das P.A. Handbuch – praktische Einführung in die professionelle Beschallungstechnik. 3.
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Pindyck, Robert S. und Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 6. Aufl. München / Boston, Pearson
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XII
Interviews
Oskar „Ossy“ Hoppe
04. Februar 2009
Wie hat sich die Arbeit eines Konzertveranstalters in den letzten Jahren verändert?
Im Prinzip hat sich die Arbeit nicht verändert, nur die Technik hat sich verändert. Ich versuche am Puls
der Zeit zu sein, neue Gruppen zu entdecken, die „Stars von Morgen“ zu finden und von Anfang an bei
deren Entwicklung dabei zu sein. Wir haben einige sehr gute Ohren bei uns im Büro. Dies sind Jungs, die
sehr viel Musikverständnis besitzen und die für neue Bands, von denen wir glauben, dass sie den Sprung
schaffen könnten, zuständig sind. Wir versuchen dann mit Management und Agentur Kontakt
aufzunehmen und die neuen Bands zu verpflichten und auf Tour zu bringen.
Das ist ein Teil des Business. Ein Anderer beinhaltet die Bands, die wir schon seit Jahren betreuen, Bands
bei denen wir dabei sein durften als sie groß geworden sind und bei denen wir einen Anteil an ihrem
Wachstum und ihrer Erfolgsgeschichte geleistet haben. Bon Jovi oder Metallica sind Bands, die von
Anfang an bei uns waren.
Wir versuchen nicht nur professionelle Arbeit zu leisten, sondern auch freundschaftliche Kontakte zu
knüpfen und zu vertiefen. Über die Jahre sind Freundschaften mit den Künstlern entstanden.
Ein weiterer wichtiger Punkt, im Business, ist es Kontakte mit Managern und Agenturen zu halten. Man
darf nicht den Fehler machen in die Arroganz zu verfallen und denken: „Wir sind groß genug, die
kommen automatisch zu uns.“ Agenturen und Agenten wechseln und junge Agenten, die nachziehen
interessieren sich wenig für Oskar Hoppe, da sie mich und meine Mitarbeiter noch nicht kennen. Also
muss ich zu ihnen gehen und mich ins Gespräch bringen. Im Grunde genommen muss jeder das Gefühl
haben, dass wir ein Team sind auf das man sich verlassen kann. Wir müssen auch in
Schönheitskonkurrenz zu anderen Veranstaltern antreten und versuchen den Bands zu verdeutlichen, dass
wir die richtige Agentur für sie sind. Wir müssen Ideen präsentieren, Vermarktungs- und
Spielstättenstrategien vorschlagen und so weiter. So versuchen wir ein Klientel aufzubauen.
In unserem Business stagniert im Moment der Nachwuchs. Große Bands die weltweit Stadien
ausverkaufen können, sind alle über 50 Jahre. Rolling Stones, Madonna, Bon Jovi, der noch nicht ganz
fünfzig ist oder U2, all diese Bands, haben dieses Alter erreicht. Das macht mich nachdenklich. Es gibt
natürlich einige Ausnahmen aber nicht auf weltweiter Ebene. Die Red Hot Chilli Peppers sind die einzige
Band, welche diese Lücke füllt, aber so jung sind sie auch nicht mehr. Es gibt regionale Größen, die in
Amerika Erfolg haben, hier aber keine Telefonzelle ausverkaufen könnten oder umgekehrt ein
Grönemeyer, der hier ein Superstar ist, aber im Ausland unbekannt ist.
Diese Entwicklung stellt ein großes Problem dar. Der gesamte Mittelblock und der Nachwuchs brechen
weg. Die Plattenbranche ist eingebrochen und die Künstler sind „gezwungen“, ihre fehlenden Einnahmen
über die Konzerte einzuspielen. Das klingt für mich als Veranstalter zwar positiv, hat aber unangenehme
Nebenwirkungen. Gut ist, dass viele amerikanische Bands zu uns kommen um zu touren. Auf der anderen
Seite, wollen sie sehr viel Geld verdienen, so dass die Preise entsprechend nach oben geschraubt werden.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass wir so viel Geld verlangen. Ich als Veranstalter bestimme nicht
die Preise, die Preise bestimmt der Künstler. Ich würde gerne nur 20- oder 25 Euro verlangen, aber das
geht nicht.
Es gibt zwei Einflüsse auf den Preis: Die Garantiesumme, sie ist das Minimum, für das sich die Band auf
die Bühne bewegt und die örtlichen Kosten. Diese beinhalteten Hallenmieten, Werbung, Security und
vieles mehr. Die örtlichen Kosten sind in Deutschland mit am höchsten.
Viele Hallen hier sind nicht in Privatbesitz. Die Mietpreise werden vorgeschrieben. Es interessiert
manche Hallenbesitzer nicht ob 2.000 oder 10.000 Leute in die Festhalle kommen. In Amerika ist es
anders. In einigen Städten gibt es drei oder vier Hallen in Privatbesitz. Bei den Ausweichmöglichkeiten
stehen die Betreiber in starker Konkurrenz zu einander und müssen dann entsprechend günstigere
XIII
Angebote geben, damit sie überhaupt die Möglichkeit haben, dass Konzerte in ihren Hallen gespielt
werden.
Wie kommen Sie als Veranstalter mit einer Band überein, ein Konzert durchzuführen?
Wir versuchen mit den Agenturen enge Kontakte zu knüpfen. Es gibt einige Agenturen die arbeiten nicht
mit uns und Andere arbeiten nicht mit anderen Veranstaltern, aus welchen Gründen auch immer. Es ist
ein sehr personenbezogenes Business, indem man sich selbst gut verkaufen muss. Deutschland hat den
Vorteil, für mich natürlich ein Nachteil, dass es eine Bandbreite von guten Veranstaltern gibt, die im
Grunde genommen alle das Gleiche können. Deswegen muss ich raus und die Agenturen überzeugen,
dass wir besser sind als die Anderen. Leider ist die Frage des „besser seins“ heute nicht mehr so wichtig
wie noch vor 20 Jahren. Heute geht es fast ausschließlich ums Geld. Die Agenturen wissen, dass sie die
teilweise wahnsinnigen Forderungen, die sie stellen, erfüllt bekommen. Es gibt immer einen Idioten der
bezahlt. Ob der danach Pleite geht oder nicht ist eine andere Geschichte.
Zum Glück gibt es Ausnahmen. Einige Künstler widerstehen diesen Dingen. Ein gutes Beispiel ist Sting,
dessen Konzerte von Marek Lieberberg, meinem ehemaligen Partner und mir seit Jahren ausgerichtet
werden. Er bleibt auch bei uns, da er weiß, dass wir ihm das beste Angebot machen.
Verantwortungsbewusste und gute Managements wissen wie viel die Organisation eines Konzertes kostet
und welchen Preis sie verlangen können. Sting ist ein Beispiel aber auch Metallica oder Kiss, die würden
gar kein anderes Gebot annehmen. Deren Manager ist seit 30 Jahren ein guter Freund und würde ich ihm
einmal ein unfaires Angebot machen, würde er nie mehr mit mir arbeiten. Es muss eine Vertrauensbasis
vorhanden sein.
Es gibt aber auch Agenturen, da fällt mein Angebot hinten den Tisch runter. Das Problem hat Lieberberg,
genauso wie Rieger, Jahnke oder Avram. Persönliche Beziehungen sind sehr wichtig und daran haben wir
uns gewöhnt.
Bei wem liegt die Verantwortung Nachwuchsmusiker aufzubauen?
Das erste Problem liegt bei den LABELS. Plattenfirmen sind heutzutage anders geordnet als sie es früher
waren. Früher hat man eine Band verpflichtet und man wusste genau, dass es zwei oder drei Platten
dauert, bis die Band ihre Marktreife erlangte. Das war ein auf lange Sicht geplantes Unternehmen.
In der Zwischenzeit hat sich die Medienlandschaft verändert. Durch das Internet ist die ganze
Entwicklung viel schneller geworden. Es gibt fast keine guten A&R-LEUTE mehr. Würden Pink Floyd
oder Genesis heute anfangen, hätten sie wahrscheinlich keine Chance.
Heute werden doch nur noch Look-alikes nach Medienaffinität GESIGNT: Wenn sie das Glück haben und
erfolgreich sind, dann alles Gute, wenn sie jedoch keinen Erfolg haben sind sie sofort wieder vergessen.
Bei Deutschland sucht den Superstar gewinnt nicht derjenige, der am meisten Talent hat, sondern der, der
am besten in das Format reinpasst. Bei allem Respekt manchen Leuten gegenüber, aber [...] wo kommt
unsere Branche da hin?
Wenn ich mir in der Batschkapp Bands wie zum Beispiel We Are Scientist anschaue, die richtig gut sind
und dann sehe ich einen Mark Medlock, da frage ich mich wie blöd wir eigentlich sind. Das ist meine
persönliche Meinung.
Es gibt wenige Bands, die wirklich auf Qualität achten, darunter sind auch einige junge Bands die ihre
Ansprüche ganz anders umsetzen. Die brauchen keinen roten Teppich und kein Fünf-Sterne-Hotel. Sie
nehmen ihr Geld und finanzieren damit ihre nächste Produktion. Diese Künstler werden es auf lange
Sicht hoffentlich schaffen. Sie verdienen es.
Die Plattenfirmen haben sich stark verändert. Ich habe letztens eine CD von einer Plattenfirma geschickt
bekommen, sie mir angehört und mir gedacht: “Was ist das den für ein Mist?“ Unten drunter stand: „No
live experience yet. Soon to come.“ Müssen die jetzt erstmal lernen Instrumente zu spielen? Darauf läuft
es heutzutage hinaus und deswegen glaube ich, dass sich Qualität nur noch über den Live-Bereich
durchsetzen wird.
XIV
Demnach haben die Veranstalter nicht die Pflicht den Nachwuchs aufzubauen, sie haben gar
keine andere Wahl.
Absolut. Das ist immer dieselbe Spirale über die wir uns auf jeder Convention unterhalten. Wenn wir als
Veranstalter nicht die Möglichkeit haben bei den großen Veranstaltungen Geld zu verdienen, dann
können wir dieses Geld nicht in Nachwuchsbands investieren. Aber genau das wird immer erwartet.
Und es gibt noch ein weiteres Problem: Früher waren die Jungs, gerade im Hard Rock-Bereich loyal.
Wenn wir einen guten Job gemacht haben, dann sind die mit uns durch die Wand gelaufen und wir mit
ihnen. Deswegen sind Bon Jovi, Sting und Metallica bei uns geblieben. Heute ist es anders. Ich habe es
gerade erst erlebt: Wir haben einen ACT aufgebaut und als die nächste Tour kam, musste die Band sie
wegen Krankheit absagen. Wir hatten 15.000 bis 20.000 Euro Kosten für Werbung und Hallenmieten.
Wir meinten: „Kein Thema, die Kosten nehmen wir in die nächste Tournee mit rein.“ Für die nächste
Tournee wurden wir noch nicht mal mehr gefragt. Sie wurde von einem anderen Veranstalter
durchgeführt. Das zum Thema Loyalität.
Wie sollen wir da kleine Bands unterstützen? Bei den großen Bands verdienen wir immer weniger und
welche Garantien habe ich denn, dass eine Band das nächste Mal wieder zu mir kommt?
Wenn ich einen schlechten Job mache, dann hat der Künstler jedes Recht auf der Welt zu gehen. Dann
bin ich selber schuld. Ich weiß aber, dass wir unseren Job gut machen, da bin ich von überzeugt. Ich kann
doch nicht 10.000 Euro oder 20.000 Euro in eine Band investieren, damit ich sie für jemand anderen
aufbaue. Also gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich mache langfristige Verträge, gegen die ich mich
aber vom Prinzip her wehre oder es muss sich wieder eine Kultur der Loyalität entwickeln.
Das werden wir aber nicht mehr ändern können. Diese Seite des Business gefällt mir persönlich nicht
mehr. Es ärgert mich und es tut mir weh.
Früher waren Manager entscheidend. Dann kamen die Agenten, die aber noch von den Managern
gesteuert wurden. Die Manager beauftragten die Agenten, den besten Deal im Sinne des Künstlers zu
besorgen und der war keinesfalls rein finanzieller Natur, sondern berücksichtigte auch die
Entwicklungsmöglichkeiten der Band. Heute haben wir Anwälte, die vieles kaputt machen, da es nur
noch ums Geld geht.
Der Manager von Bon Jovi, Mötley Crüe, Skid Row und Kiss, Doc McGee, hat einmal zu mir gesagt:
„Ossy, buche meine Bands nie in ein Venue, das größer ist als sie selbst. Wenn sie 500 Leute wert sind,
dann buche sie auch nur in einen Club dieser Größe. Ich will immer ausverkaufte Häuser sehen.“ Er hatte
völlig recht. Nur so baut man Karrieren auf.
Heute werde ich nach meiner Meinung als Veranstalter gefragt, welche Spielstätten ich für einen A CT
vorschlagen würde. Ich antworte und dann werde ich mit höheren Angeboten von anderen Veranstaltern
konfrontiert. Warum werde ich dann überhaupt gefragt?
Gegenseitiger Respekt und Verständnis haben nur noch einen geringen Stellenwert.
Ich habe heute die wenigen loyalen A CTS, die übrig geblieben sind und die junge Abteilung kümmert sich
um den Nachwuchs. Wir haben ein schönes Nachwuchs-ROSTER, mit Künstlern wie Kings of Leon oder
Adele. Darauf können wir stolz sein. Ansonsten kann ich jeden nur warnen in diese Branche zu gehen.
Wie schätzen Sie die Preisentwicklung der Konzerttickets ein?
Der Ursprung der steigenden Ticketpreise kommt aus Amerika. Dort waren Preise in drei
Ticketkategorien 150, 250 und 350 Dollar normal. Als wir zum ersten Mal die Rolling Stones gebucht
haben, haben wir 120 DM verlangt. Dafür wurden wir stark kritisiert. Heute sind 120 oder 150 Euro für
die Rolling Stones normal. Allerdings sind sie nicht dafür belohnt wurden. Tina Turner verlangt über 200
Euro und trotzdem werden die Karten verkauft. Wenn die Nachfrage da ist, kann ein Künstler verlangen
was er will. Die Preisspirale muss aber auch irgendwann enden. Ansonsten werden viele darunter leiden
und einbrechen.
Solange aber der Konsument bereit ist für die großen Bands so viel Geld zu zahlen und diese Preispolitik
somit belohnt, kann ich als Veranstalter gar nicht dagegen argumentieren. Die Agenturen fragen mich
dann, warum ihr Künstler auf 100.000 oder 200.000 Dollar am Abend verzichten solle?
XV
Wenn ich als Manager oder Bandmitglied 50 Millionen auf der Bank hätte, dann würde ich für die
treusten Fans eine kostenlose Welttournee spielen. Denn nur durch die Fans sind die Bands so groß
geworden, aber so denkt keiner.
Wir als Veranstalter haben keine Möglichkeit die Preisspirale zu stoppen. Würde ich mit zwei, drei
Kollegen die Bremse ziehen und uns verweigern, würde es einen Vierten, Fünften und Sechsten geben,
der ins Business will und dem es egal wäre.
Auf dem Sekundärmarkt werden Tickets für ein vielfaches der Originalpreise angeboten.
Was halten Sie davon?
Das kann man nicht stoppen.
Glauben Sie, dass eine dynamische Preisfindung eine Lösung für die geschilderten Probleme
sein kann?
Ich bin immer offen für alle Lösungsversuche. Die ganze Preistreiberei ist mir ein Dorn im Auge.
Letztendlich haben wir aber keinen Einfluss darauf. Es wurde immer wieder versucht Lösungen zu
finden: Maximal zwei Tickets pro Käufer oder andere Versuche. Es gibt aber immer Schlupflöcher.
Der entscheidende Punkt ist aber ein Anderer. Der Unternehmer, sprich der Veranstalter, trägt das Risiko.
Eine Band kommt zu mir und will die Summe X als Garantie. Zu der Summe X kommt noch die Summe
Y, die örtlichen Kosten. Plötzlich habe ich bei einem Open-Air-Konzert bis zu vier Millionen Euro an
Ausgaben. Diese zweieinhalb bis vier Millionen Euro, die den gesamten Kostenrahmen darstellen,
verringern sich mit jedem verkauften Ticket. Als Veranstalter wäre ich ein Wrack, wenn sich die Preise
zum Schluss hin verringern. Der Anspruch des Publikums könnte sich verschieben und die Tickets
könnten recht kurzfristig gekauft werden. Aus unternehmerischer Sicht ist es wichtig, dass die Tickets so
schnell wie möglich verkauft werden. Nicht nur, dass ich ruhig schlafen kann sondern, dass ich mit dem
erreichen des BREAK-PUNKTES das Konzert noch verbessern kann, beispielsweise mit einer zusätzlichen
Band.
Manche Bands denken anders. Wenn sie sowieso wissen, dass sie ausverkaufen, engagieren sie den
Veranstalter nur noch als ausführendes Organ. Der kümmert sich dann um Promotion und die
Organisation und dafür bekommt er eine feste Summe von der Band. Dieses Prinzip gibt es in Amerika.
Kiss zum Beispiel heuert einen Veranstalter an. Der hat dafür zu sorgen, dass die Bude voll wird. Er
bekommt im Endeffekt zwar weniger von den Erlösen ab, trägt aber auch kein Risiko. Das sind Ansätze
von verantwortungsvollen Bands.
Die Mehrheit der Bands will jedoch große Garantien und wir reden von viel Geld. Wenn man sich
verkalkuliert, dann muss man entweder ein dickes Fell haben oder man kann ganz schnell die Türen zu
machen. Deswegen sind in Deutschland einige Veranstalter in den letzten Jahren umgekippt. Vielleicht
hatten sie Pech und dadurch die Situation falsch eingeschätzt. Letztendlich haben sie immer zu viel
garantiert. Wenn man erst bei den letzten 20 Prozent verdient wird die Luft dünn. Manchmal waren es
aber nur 15-, 10- oder 5 Prozent. Es gibt keine Garantie, dass eine Band wirklich ausverkauft.
Als Veranstalter muss man versuchen, sein Geschäft zusätzlich in andere Ebenen zu verlagern. Wir sind
im Entertainment-Business und Entertainment bedeutet ja nicht nur Musik. Mario Barth zum Beispiel:
Vor einigen Jahren war nicht daran zu denken, dass Comedy im ausverkauften Stadion stattfindet. Ich
versuche auch andere Standbeine zu finden.
Ich schaue der Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. Wie lange
werden die Großen noch touren und wie viele junge Bands schaffen den Durchbruch? Wir müssen lernen
den Konsumenten wieder vernünftig zu bedienen. Es müssen nicht immer fliegende Untertassen auf der
Bühne sein. Es muss wieder zur Musik gefunden werden. Wir, die „Älteren“ haben zumindest das Glück
gehabt, dass wir in einer Zeit den Job machen durften, in der noch viele große Bands da waren. Wie lange
dies aber noch so sein wird, kann nur die Zukunft zeigen und da bin ich nicht so optimistisch.
XVI
Christopher Noodt
22. November 2008
Ihr seid wieder auf Tour. Was bedeutet es für dich, live zu spielen und welchen
musikalischen Stellenwert hat das Konzert für dich?
Für mich ist Live-Musik der zentrale Punkt meines Berufes. Ich bin Musiker. Als Musiker kann man
viele verschiedene Sparten abdecken; verschiedene Tätigkeiten ausüben. Meine Tätigkeit als Musiker ist
in erster Linie die Bühne. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, immer unterwegs zu sein. Es bedeutet:
abends auf der Bühne stehen, egal wo. Ich mag das sehr gerne und es ist ein Beruf, den ich frei gewählt
habe und mit viel Freude ausübe.
Ihr, als Ohrbooten, seid recht kreativ was den Umgang mit euren Fans angeht. Ihr pflegt auf
euren Konzerten und über eure Homepage den Kontakt zu ihnen, ihr gebt regelmäßig
unangekündigte Konzerte auf der Straße und ihr führt ein öffentliches Filmtagebuch. Was
glaubst du, inwiefern solche Instrumente für euren Erfolg verantwortlich sind?
Kontaktpflege mit den Fans ist uns wichtig, weil wir wissen wollen wer uns zuhört. Wir wollen keine
unzugängliche Band sein, die sich nicht darum kümmert, was ihre Fans denken. Für uns ist ein Konzert
sehr publikumsabhängig. Es besteht eine Interaktion zwischen der Band und dem Publikum. Ohne
Publikum gäbe es kein Konzert. Deshalb ist uns auch das Feedback der Leute wichtig. Wir sprechen
gerne nach dem Konzert mit einzelnen Personen aus dem Publikum und wir wollen uns auch als ganz
normale Menschen präsentieren, die ein wenig Musik machen und die gemeinsam mit den Fans etwas
erleben wollen. Es ist uns wichtig zu wissen, was unsere Fans über unsere Musik sagen.
Heute spielt ihr im Vorprogramm der Orishas. Was ist anders, im Gegensatz zu eurer letzten
Tournee?
Wir sehen diese Tour nicht als unsere Tour. Wir sehen das eher als Forum, um neue Leute kennen zu
lernen und Leuten, die Möglichkeit zu geben, uns kennen zu lernen. Für uns ergibt sich eine klassische
Win-Win-Situation. Wir spielen eine halbe Stunde. Es ist ein nettes, rollendes Festival, in dem wir
sicherlich keine entscheidende Rolle spielen, aber wir können uns zu nutze machen, dass Leute auf
dieses Konzert gehen, die diese Art von Musik gut finden. Wenn 10 Leute nach dem Konzert sagen:
“Orishas fand ich super, aber die Ohrbooten habe ich vorher noch nie gehört, die find ich auch nicht
schlecht.”, dann ist etwas für uns übrig geblieben.
Wer begleitet euch?
Wir sind sieben. Da ist unser Tourmanger, unser BACKLINER, der sich um die Technik kümmert und fährt
und dann haben wir noch unseren Mischer, der seit unserem ersten Konzert dabei ist, quasi als fünftes
Bandmitglied.
Kannst du ein bisschen was erzählen, wie ihr zu „JKP“ gekommen seid?
Das ist so eine Bilderbuchgeschichte, wie sie selten passiert, aber der Zufall wollte es so, dass die
Freundin unseres Sängers in einer WG mit der damaligen Freundin von Campino wohnte. Der hatte unser
Demotape in der WG-Küche gehört, welches wir ein paar Wochen zuvor aufgenommen hatten. Er nahm
es mit nach Düsseldorf und so entstand die Kooperation. Nach und nach haben sie sich um das
Verlagsgeschäft, das Management und schließlich auch um das BOOKING gekümmert. Sie haben viel für
uns gemacht und uns rundum versorgt. Es war ein Glücksgriff für uns, zumal JKP ein sehr potentes
LABEL mit super Kontakten und einem sehr gut funktionierendem Netzwerk ist. Wir konnten uns ins
gemachte Nest setzen.
XVII
Momentan scheint das Rundum-Paket die einzige Möglichkeit für junge Künstler zu sein,
um an einen MAJOR-Plattenvertrag zu kommen. Dies beinhaltet auch die komplette
Lizenzierung aller Rechte. Inwiefern ist es ein Vorteil, wenn man alles aus einer Hand
bekommt?
Die Kommunikation ist im besten Fall unkomplizierter. Da die Mitarbeiter des LABELS nur eine Tür
weiter gehen müssen um eine Frage zu klären und nicht in einer anderen Stadt anrufen oder sich für
Konferenzen treffen müssen. Das ist natürlich schon mal ein Gewinn. Vieles fällt weg, was vorher die
Sachen unnötig komplizierter gemacht hat.
Früher war ich auch mit anderen Bands unterwegs. Da wusste man oft nicht wer wofür verantwortlich ist.
Ich glaube, dass heutzutage auf einige Stellen verzichtet werden kann um den ganzen Apparat schlanker
zu machen. Es braucht gar nicht so viele Leute. Es braucht aber verschiedene Kompetenzen in
verschiedenen Bereichen und man kann bestimmt nicht alles in Personalunion erledigen. Ich glaube, dass
der Zusammenschluss von beispielsweise Labelmanagement und Verlag, oder Vertrieb und BOOKING ein
zunehmend erfolgreicheres Modell wird.
Ich habe ein paar Erfahrungen mit MAJORS gemacht. Ich hatte immer den Eindruck, dass sie den
Bürokratismus noch sehr pflegen. Häufig weiß die linke Hand nicht, was die Rechte tut. Da ändert sich
momentan viel. Es rollen Köpfe und es wird an Stuhlbeinen gesägt. Zwangsläufig werden weniger Leute
mehr übernehmen müssen. Ich glaube, dass sich die MAJORLABELS neu orientieren müssen. Dies
beinhaltet auch andere Geschäftsbereiche.
Das 360°-MODELL wird vor allem von den Konzertveranstaltern argwöhnisch beobachtet.
Wenn sich die Plattenfirmen neu orientieren und auch das Livegeschäft übernehmen, wird
der Veranstalter überflüssig? Haben die LABELS überhaupt die nötigen Kompetenzen?
Der Veranstalter fällt ja nicht zwingend weg. Ich glaube nicht, dass Kompetenzen verloren gehen. Sie
werden wahrscheinlich nur von einer Instanz zur anderen verlagert. Nach wie vor muss jemand wissen,
wie ein richtiges BOOKING funktioniert, wie eine Tour geplant wird, das steht außer Frage. Genauso muss
jemand wissen, wie eine Platte vertrieben wird und welche PROMO man dafür braucht. Alle Bereiche
werden zunehmend unter einem Dach gesammelt und dazu gehört auch das Livegeschäft. Das
Livegeschäft ist das Einzige was man der Musikindustrie nicht nehmen kann.
Da sind wir auch gleich beim nächsten Thema. Die Platteneinnahmen brechen ein. Für viele
Künstler wird das Livegeschäft wieder interessanter. Gibt es in letzter Zeit mehr Konzerte?
Das kann ich nicht unbedingt bestätigen. Aber ich kann bestätigen, dass Konzerte mehr Aufmerksamkeit
bekommen beziehungsweise, dass mehr Leute auf Konzerte gehen. Ich sehe das als eine Renaissance der
Livemusik. Früher gab es keine Alternative zur Livemusik. Danach gab es Grammophone und Radios.
Musiker haben sich in Gewerkschaften organisiert und sind auf die Barrikaden gegangen. Sie versuchten
ihren Beruf zu erhalten. Heutzutage verläuft es umgekehrt. Es ist ein auf und ab. Zur Konserve und
wieder zurück. Der Musikvertrieb wird mit neuen Marketingstrategien schon noch andere Vertriebswege
finden. Momentan wird die Livemusik wieder zum größeren Erlebnis.
Mehr Menschen sind bereit auf Konzerte zu gehen. Sind sie auch bereit mehr dafür zu
bezahlen?
Ja, weil auch mehr Geld zur Verfügung steht. Wenn man weniger Geld für Tonträger ausgibt, dann hat
man mehr Geld für Tickets.
Schmerzt es dich, wenn du weißt, dass deine Musik kopiert und weitergegeben wird?
Nein. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Es schmerzt mich wenig. Mir geht es darum, dass die Musik
verbreitet wird. Wenn ich daran verdiene ist es gut, wenn nicht, auch. Wie viel Musik habe ich kennen
gelernt, weil ich von Jemanden ein Mixtape bekommen habe? Das kann ich gar nicht aufzählen. Dies ist
XVIII
aber auch heute noch das entscheidende Plus. Dadurch werden Musiker bekannt, ohne dass sie
nennenswert Platten verkaufen. Es hat sein „Für und Wider“.
Natürlich verliert der Künstler im ersten Moment und natürlich kostet eine Produktion Geld, aber
eigentlich geht es darum, dass Musik verbreitet wird. Unsere Erfahrung ist, dass die Leute, die sich die
Platte vielleicht nicht gekauft haben trotzdem zum Konzert gehen. Wir stellen auf unseren Konzerten
häufig die Frage wer unsere CD illegal herunter geladen oder kopiert hat. Die Meisten geben das
natürlich auch frei heraus zu, aber es ist in Ordnung, schließlich sind sie zum Konzert gekommen.
Unterm Strich verdienen wir daran natürlich sogar noch mehr als mit jeder verkauften CD.
Bei größeren Konzerten werden Tickets über den Zweitmarkt verkauft. Dies sind nicht nur
Privatpersonen, sondern auch Händler, die risikoarm Geld verdienen. Stört dich so etwas
mehr als illegal herunter geladene Platten?
Ja, dass stößt mir unangenehm auf. Ich bin davon sogar noch eher als Musikkonsument betroffen.
Jemand, der sich als Zwischenhändler einschaltet und auf dem Zweitmarkt Konzertpreise in die Höhe
treibt, bereichert sich auf Kosten Anderer. Das finde ich moralisch verwerflicher, als sich umsonst Musik
zu besorgen.
Fändest du es in Ordnung, wenn die Besucher eines Konzertes unterschiedlich viel für
gleichwertige Karten bezahlen obwohl sie dieselbe Performance sehen?
Warum? Ich finde jeder sollte das Gleiche zahlen. Ich finde es nicht fair. Alle sehen das Gleiche, warum
sollten da nicht alle das Gleiche bezahlen. Ob es da ein paar Euro Unterschied gibt, das ist egal. Eine CD
kostet ja auch mal 15 Euro und mal 20 Euro. Das alles ist noch im Rahmen, aber bei Ticketpreisen, die
wie im Moment bei 17,50 Euro anfangen und bei mehreren hundert Euro aufhören, finde ich nicht
korrekt.
Abgesehen von solch extremen Schwankungen. Würden alle Einnahmen des Ticketverkaufs
direkt dem Veranstalter und damit auch dem Künstler zukommen...
...dann wäre es in Ordnung.
XIX
Fritz Rau
19. Januar 2009
Wie hat sich das Berufsbild eines Konzertveranstalters verändert?
Quantitativ. Früher war ein Konzert in einem Saal mit 1.000 Leuten schon ein riesiges Ereignis. Ich war
vermessen genug, mit meinem ersten Konzert 1955 in die Heidelberger Stadthalle zu gehen. Sie war mit
1.400 Plätzen ausverkauft, gespielt haben die Frankfurter Jazz-Allstars. Heute gibt es Open-Air Konzerte
oder Konzerte in große Hallen. Die Festhalle in Frankfurt zum Beispiel, die habe ich erst Ende der 60er
Jahre bekommen. Led Zeppelin und die Rolling Stones waren meine ersten beiden Veranstaltungen in der
Festhalle und dann gingen wir mit Bob Dylan und Eric Clapton Open-Air. 80.000 Zuschauer kamen auf
das Zeppelinfeld, dem früheren Reichsparteitaggelände in Nürnberg.
Heute ist ein Konzert in der Jahrhunderthalle oder in der Alten Oper mit 2.500 Plätzen, ein kleineres
Konzert. Bedeutend und sehr wichtig sind aber die Clubs, wie die Batschkapp, in denen junge Gruppen
oder ehemalig sehr populäre, aber immer noch gute Musiker spielen. Die sollten auch vom Staat gefördert
werden.
Wir haben uns vom ehrbaren Handwerk zu industriellen Dimension entwickelt. Ein Open-Air zu
veranstalten, kostet unglaublich viel Geld und Know-How. Ich habe, mit Billy Graham, der für mich der
beste Open-Air Veranstalter war, einen guten Lehrmeister gehabt, bei ihm habe ich viel gelernt. Er hatte
in Kalifornien aber auch ganz andere Verhältnisse als wir hier in Deutschland. It never rains in southern
California, aber es regnet in Frankfurt.
Dann fingen wir auch an Open-Airs zu veranstalten. Die Rolling Stones im Stuttgarter Neckarstadion
waren mit 60.000 Leuten ausverkauft. Ab 1974 haben wir dann jedes Jahr große Open-Airs durchgeführt,
die mir viel Spaß gemacht, mich aber auch sehr beansprucht haben. Ich bin kein Open-Air Veranstalter
für mehrtägige Sachen, wie auf dem Nürburgring. Da kommt man nicht wegen der Musik, sondern durch
die Musik. Ich bewundere den Kollegen Lieberberg, dass er sein Festival seit Jahrzehnten erfolgreich
macht, mittlerweile ist er mit über 80.000 Sonnen voraus ausverkauft. Das hat mich nicht interessiert,
dafür aber Open-Airs in den Stadien oder an besonderen Plätzen, zum Beispiel auf der Loreley, dort
haben wir viele Konzerte gemacht.
Durch die Entwicklung der Quantität werden mittlerweile ganz andere Anforderungen gestellt. Das Leben
besteht nicht nur aus Open-Airs, sondern aus Livemusik. Live ist Leben. Das kann in den Clubs sein und
das kann Open-Air sein. Heute müssen Veranstalter ganz anders arbeiten, als ich es getan habe. Viele
Konzerte werden schon vorzeitig über das Internet ausverkauft. Einer meiner Lieblingsgruppen ist
AC/DC, deren jetzige Tournee in den großen Hallen innerhalb fünf Minuten ausverkauft war. Ein
Veranstalter hat heut die Möglichkeit ganz anders zu arbeiten. Ich musste noch plakatieren. Dank Günther
Kieser hatten wir aber die schönsten Plakate, die Neugierde erweckt haben. Viele Künstler, die wir
vorgestellt haben, waren zwar sehr gut, wie Muddy Waters oder Jonny Lee Hooker, aber halt unbekannt.
Das hier ist das Jimi Hendrix Plakat, in das Günther Kieser Philosophie hineingebracht hat; hat bei
Hendrix den Haarschopf durch Elektrokabel ersetzt, schließlich spielte er ja Elektric-Blues. So haben wir
die Leute neugierig gemacht und deswegen kamen sie auch. Das ist visuel-music. So mussten wir
arbeiten.
Trotzdem sind Sie nicht immer ohne Risiko ausgekommen.
Es hatte sich herum gesprochen, dass wir gut sind. Und 1978 kam Bob Dylan. Ich habe Jerry Weintraub
kennen gelernt, weil ich seine Künstler John Denver und Jonny Cash präsentiert habe und er mit meiner
Arbeit zufrieden war. Jerry Weintraub rief mich an und fragte mich, ob ich die Europa-Tournee von Bob
Dylan machen wolle. Ich bin zu ihm geflogen und wir haben eine Woche lang alles miteinander
besprochen. Plötzlich stand Bob Dylan in der Tür und wir unterhielten uns anfangs über das American
Folk Blues Festival. Später erklärte ich ihm, dass ich den Traum habe auf Hitlers Field den Spirit zu
ändern. Ich wollte ihm alles sehr ausführlich erläutern, aber er fragte mich, ob ich Leni Riefenstahls Film
„Triumph des Willens“ kenne. Ich kannte den Film und da war er überzeugt, dass es eine gute Sache ist,
in Nürnberg ein Konzert zu geben. Es war also alles geklärt und im letzten Meeting fragte Jerry
XX
Weintraub: „Fritz how about the money? How are you going to pay. The japanese had been here last
week and they brought little black cases full of green dollars.“ Sie hatten alles im Voraus bezahlt. Ich
sagte: „Nee, ich bezahl nicht im Voraus.“ „Why, Fritz?“ Immer noch lachend und mir fiel nichts ein, also
habe ich gesagt: „It´s against my religion.“ Weintraub ist aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen,
er rief seine Frau an und lud mich in seine Villa zum Essen ein. Als das Gelächter vorbei war, musste ich
einen Vorschlag machen und so bot ich ihm eine Bankbürgschaft an. Plötzlich musste ich eine
Bankbürgschaft über zwei Millionen Dollar beibringen und da war der Dollar noch über drei Mark. Mein
Bungalow in Oberursel war gerade zur Hälfte abbezahlt. Alleine hätte ich eine Bürgschaft in dieser Höhe
niemals bekommen, aber zum Glück war Horst Lippmann mein Partner. Er hatte großartige Visionen und
er war sehr wohlhabend. Seine Bank übernahm die Bürgschaft. Die Dylan-Tournee lief gut und wir
verdienten dabei sogar noch etwas Geld. Darum heißt die Firma auch nicht Rau & Lippmann, sondern
Lippmann & Rau.
Mein Prinzip ist es, dass ich ein kostspieliges Konzert nur übernehme, wenn das Geld bereits vorher
vorhanden ist. Wenn alles schief laufen würde, bekommen die Musiker ihr Geld und alle anderen Kosten
können bezahlt werden. Für mein erstes Konzert in Heidelberg habe ich einen Kinobesitzer als Geldgeber
gefunden. Er gab mir 5.000 Mark, was damals sehr viel Geld war. Das Konzert war erfolgreich und ich
gab ihm, wie verabredet, alle Gewinne ab.
Ich kann es jedem nur empfehlen es so altmodisch zu machen, wobei Geld heutzutage geliehen werden
kann. Entweder du gehst zu einer Bank oder du hast einen Partner, der das Geld hat, wie es bei mir der
Fall war.
Wie äußert sich die Industrialisierung der Branche?
Früher habe ich mit Mick Jagger zusammen gesessen und wir haben die nächste Tournee besprochen.
Heute haben die Stones einen Vermarkter, der ihnen über mehrere Jahre neunstellige Dollarsummen
garantiert. Die Band konzentriert sich nur noch auf die Show und auf ihre Musik und der Vermarkter
sucht einen der am meisten und am schnellsten bezahlt. Das ist allerdings nicht die beste Methode für den
Künstler, denn wer viel bezahlt muss nicht unbedingt ein guter Promoter sein.
Die letzten Rolling Stones Konzerte in Deutschland....
...das war eine Katastrophe. Nur die Hälfte der Karten wurden verkauft. Die Bühne musste umgesetzt und
6.000 Platzkarten umgetauscht werden. Die Stones sollten darüber nachdenken, sie haben es mit den
Preisen übertrieben. Ich habe die Stones verloren als ihnen von einem anderen Veranstalter eine
Garantiesumme angeboten wurde, an die sie nie gedacht hätten. 28 Millionen Mark für zehn Open-Airs.
Ich habe gerechnet und gerechnet und mir wurde klar, dass die Karten über 100 Mark kosten werden. 80
Mark war für mich die Grenze. Die Stones wollten bei ihrem Fritz bleiben, dafür hätte ich aber das
Angebot des Konkurrenten, welches mir unsinnig hoch erschien, übernehmen müssen. Ich habe es nicht
gemacht und die Band gewarnt, dass die Leute nicht mehr als 100 Mark zahlen würden und, dass die
Stadien halb leer bleiben würden. Der Neue Veranstalter hat im Schnitt über 120 Mark genommen und
die Tournee war innerhalb von drei Tagen ausverkauft. Die letzten Konzerte haben gezeigt, dass eine
Grenze erreicht ist.
Sehen sie in dieser Entwicklung ein Problem für junge Musiker?
Ja. Wenn die Stones 250 Euro verlangen und Vater, Mutter und 2 Söhne zum Konzert wollen, dann sind
1.000 Euro weg. Der Alte zahlt, weil er die Stones braucht. Aber dann ist ein halbes Jahr Schluss mit
Konzerten. Die Leute haben keine 30 Euro mehr für ein Konzert in der Jahrhunderthalle und nicht mal
15 für ein Konzert in der Batschkapp. Der Markt wird wie von einem Staubsauger leer gesaugt. Jeder hat
ein gewisses Budget für Kultur. Dann kommt noch der Urlaub hinzu und die Eintracht und dann ist kein
Geld mehr für Konzerte da. Das schwächt schon den Markt für kleine und mittlere Bands.
Die Stones haben auch den Vorteil, dass sie drei Generationen anziehen und nicht nur Klassenkameraden.
Richtet die Industrialisierung der Konzertbranche langfristig Schaden an?
XXI
Nein, man muss nur dagegen steuern. Man muss den Leuten sagen, dass sie ihr Geld nicht für ein OpenAir zum Fenster raus werfen sollen, wenn in der Batschkapp gute Bands spielen. Neulich war ich mit
meinen Enkelkindern bei den Black Eyed Peas. Das hat mich begeistert und es war ein toller Abend.
Tina Turner zum Beispiel, die habe ich vor acht Jahren mit einem Open-Air im Waldstadion
verabschiedet. Sie spielt jetzt nur noch Hallenkonzerte. Die sind auch ausverkauft. Open-Airs sind eine
harte Probe. Das Volk hat alle Macht und wenn es eine Verweigerung wie bei den Stones, gibt mit 25.000
echt verkauften Karten anstatt 55.000 letztes Jahr, dann denken alle Beteiligten nach. Es wird sich wieder
normalisieren. Nur keine Sorge, junge Bands kommen nach, man braucht sich nur die Charts anzusehen.
Wird es zukünftig verstärkt die Aufgabe von Veranstaltern sein, unbekannte Künstler
aufzubauen?
Ja. Ich sage immer zu jungen Veranstaltern, dass sie sich nicht an dieser Überbietung von Preisen
beteiligen sollen. Es gibt viele gute Künstler. Annette Louisan ist herrlich oder Ina Müller, das ist
Entertainment. Aber auch Silbermond, Wir sind Helden oder Juli es gibt immer neue Künstler und Leute
wie Lindenberg, Maffay und Grönemeyer werden bleiben, weil sie vernünftige Preise nehmen.
Günstige Preise werden durch den Sekundärmarkt relativiert. Halten Sie das für eine
Gefahr?
Man kann sich ja nicht dagegen wehren. Wenn ein Konzert ausverkauft ist, ist der Schwarzmarkt nicht zu
vermeiden. In der Regel sind Tickets aber verfügbar.
Die Umsatzzahlen der Livemusikbranche steigen von Jahr zu Jahr. Liegt es an den
Preiserhöhungen oder gibt es mehr Konzerte
Es gibt viel mehr Konzerte und das in allen Preislagen. Natürlich sind es die großen Konzerte mit sehr
hohen Preisen, die für die Umsatzerhöhung verantwortlich sind. Es gibt aber auch noch genügend andere
Konzerte, die dazu beitragen. Ich bin froh, dass ich am Ende meines Lebens feststellen kann, dass
Konzerte beliebt sind. Live bedeutet zu leben. Über das Fernsehen kann alles verfolgt werden, niemand
brauch sich bewegen. Das hat aber nichts mit dem Live-Erlebnis zu tun. Du musst raus gehen, dir Karten
besorgen und bei Sturm und Regen dir sechs bis sieben Stunden die Beine in den Bauch stehen. Du
kannst nicht mehr weg, nicht auf Toilette, weil du mit tausend Anderen vor der Bühne gedrängt stehst.
Das alles wird in Kauf genommen, aber du weißt, du lebst. Das Schöne daran ist, dass du tausende
Menschen um dich herum hast, die alle gleiches fühlen. Dieses Gemeinschaftserlebnis, das ist live.
Darum wird es auch immer Livekonzerte geben. Man muss nur mit den Kommunikationsmitteln und dem
Geld umgehen können. Ich habe einen ungeheuerlichen Respekt vor Geld, da ich aus einfachen
Verhältnissen komme.
Der Tonträgermarkt musste in den letzten Jahren starke Verluste hinnehmen. Plattenfirmen
wenden sich zunehmend dem Konzertmarkt zu. Ist die Livebranche die einzig verbliebene
gesunde Branche in der Musikindustrie?
Die Platte wird sich erholen, sie ist auf einem guten Weg. Mittlerweile kannst du dir eine Single für 99
Cent legal laden. Das Unrechtsbewusstsein ist das Problem. Geistiger Diebstahl geht zu Lasten der
Künstler, aber da gibt es auch technische Entwicklungen. Es gibt Spieler, die kopierte Platten gar nicht
abspielen können. Die Plattenindustrie wird sich dem zuwenden.
Momentan suchen die Leute das Erlebnis eines Konzertes. Dafür habe ich 50 Jahre getrommelt. Nun
wollen die Plattenfirmen ihr Geld wieder haben, welches sie in den sechziger und siebziger Jahren für
Tourneen ausgegeben haben. Sie wollen an unserem Erfolg beteiligt werden. Aber das ist falsch
gerechnet. Wir Veranstalter sind damals nicht reich geworden. Wir mussten die Künstler für größere
Konzerte aufbauen und wir haben nie einen Pfennig von den Plattenfirmen dafür bekommen. Das Geld
ging an die Künstler. Die Konzerteinnahmen wurden sechzig zu vierzig oder halbe, halbe geteilt. Jimi
Hendrix hat damals zehn Mark gekostet. Er spielte in der Jahrhunderthalle. Wir hatten 25.000 Mark
Bruttoeinnahmen minus Steuern. Also hat jeder ungefähr 10.000 Mark bekommen. Wir mussten die
XXII
örtlichen Kosten decken, die Büroorganisation finanzieren und für die entstandenen Schäden bezahlen.
Wir wurden nicht reich. Wir mussten viele Konzerte durchführen und neue Gruppen aufbauen. Es besteht
kein Grund, dass die Plattenfirmen an unseren Tourneen verdienen, aber es bestünde ein Grund, dass sie
am Vermögen der Künstler beteiligt werden, denn die haben sie unterstützt und die haben viel Geld
verdient, aber das ist Utopie.
Für den Veranstalter sind die Ticketverkäufe die einzigen Einnahmequellen.
Bei mir war es früher so, dass ich die örtlichen Kosten und die Produktionskosten zusammengestellt habe.
Dann kam ich zu einem BREAK-EVEN-POINT, der musste erreicht werden und lag bei 80 Prozent. Die 20
Prozent darüber waren der Gewinn und gleichzeitig auch eine Absicherung. Es wurde sich also nach den
Kosten gerichtet. Die wichtigste Entscheidung war es einen passenden Konzertort zu finden. Wenn ein
Künstler 500 Leute zieht, darf er nicht in ein tausender VENUE. Wenn er 2.000 zieht, dann soll er in die
Jahrhunderthalle gehen, aber wehe er geht in die Festhalle. Das wäre eine Katastrophe. Umso größer der
Ort, desto teurer ist er auch. Also ist die richtige Wahl des Ortes bereits der entscheidende Schritt über
das Schicksal eines Konzertes.
Früher waren die Plattenverkäufe ein Indiz, heute ist es Erfahrung. Nach dem Willen der Manager können
die V ENUES nicht groß genug sein, da sie an den Mehreinnahmen beteiligt sind. Dagegen muss ich mich
als Veranstalter wehren. Ich als Veranstalter trage ja das Risiko und im Zweifel kann man das Konzert ja
wiederholen. Maffay hatte ein Geniestreich vollführt. Er ist in die Alte Oper gegangen, hätte aber die
Festhalle voll bekommen. In der Alten Oper hatte jeder seinen Platz und jeder konnte sich gute oder
weniger gute Plätze kaufen. Das erste Konzert war mit 2.500 Leuten ausverkauft und dies war erst der
Tourneeauftakt. Das zweite und dritte Konzert war ebenfalls ausverkauft, das Vierte nahezu. Vier
aufeinander folgende Konzerte in der Alten Oper und die Kosten waren wesentlich geringer, als in der
Festhalle.
Was halten Sie von einer dynamischen Preisfindung für Konzerttickets?
Das ist eine interessante Idee, die müsste ich überdenken. Die Leute wollen aber wissen was sie erwartet,
es hätte keinen Zweck, dass sie nachher enttäuscht sind, weil sie zu früh oder zu spät gekauft haben. Wir
sind Kartenverkäufer und der Umgang mit unseren Kunden ist sehr wichtig. Es wäre gerecht, wenn die
Preise mit der Zeit steigen. Wenn sie aber fallen warten die Leute und vielleicht werden die Karten gar
nicht verkauft. Da würde ich von abraten. Es ist aber interessant eine Dynamik unter zu bringen. Das
würde bedeuten, dass die Veranstalter und die Künstler daran beteiligt sind und die Karten vom
Schwarzmarkt vertrieben werden.
Denk darüber nach. Ich müsste auch darüber nachdenken.
XXIII
Ralf Scheich
03. Dezember 2008
Kannst du kurz beschreiben, was du bei der CTS EVENTIM AG machst?
Ich arbeite im Vertrieb für CTS Eventim, speziell in Norddeutschland. Vertrieb bedeutet, die Kontakte
zwischen den Vertriebspartnern herzustellen. Da wären zum einem die Veranstalter. Sie wollen ihre
Veranstaltungen bei uns im System einstellen. Meine Kunden sind also Konzertveranstalter, aber auch die
Vertriebspartner der Vorverkaufsstellen, die klassischen Vorverkaufsstellen, Handelsketten und
Reisebüros. Die Zeitungsverlage darf ich nicht vergessen. Da haben wir eine ganze Menge als Kunden.
Wie viele Mitarbeiter seid ihr?
Die genaue Zahl weiß ich nicht. Im letzten Bericht waren wir etwas unter 900.
Circa 900 bei CTS. Und im Vertrieb?
Wir zählen die Vertriebsgebiete durch: Norddeutschland, Nordwest (u.a. Bremen), West (NRW), Mitte
(u.a. Hessen), Nordost (inkl. Berlin), Südost, Südwest und Süddeutschland. Insgesamt sind es acht
Vertriebsrepräsentanten und dazu kommen noch Key-Account Manager und der Vertriebsinnendienst.
Im Vorgespräch hast du schon angesprochen, dass unter anderem MLK und Scorpio zur
EVENTIM AG gehören. Damit profitiert das Unternehmen EVENTIM auch von den
erfolgreichen Konzertveranstaltern?
Es sind immer Mehrheitsbeteiligungen beziwhungsweise Minderheitsbeteiligungen mit Option. Die CTS
EVENTIM AG steht auf zwei Säulen. Einmal das TICKETING und einmal der Bereich Live-Entertainment.
In der Wertschöpfung des Bereiches Live-Entertainment verdienen wir natürlich mit. Dies ist ein
wichtiger Bestandteil der AG.
Seit wann ist das so?
Seit dem Börsengang. Damals wurden die großen Konzertveranstalter gekauft. Wobei einige wie
Lieberberg, damals im Umkreis der CTS GmbH schon dabei waren.
Der Börsengang war 2000. Die Aktie ist damals bei rund 18 Euro gestartet. Wir haben einen Aktiensplit
gehabt. Seit dem Börsengang hat sich der Kurs fast verdreifacht. Kurz nach der Akquisition von getgo.de
waren wir bei 1,01 Euro. Das war aber nicht unbedingt auf die AG zurückzuführen. In der allgemeinen
Krise war die gesamte Marktlage schlecht.
Heute steht CTS, trotz erneuter allgemeiner Krise sehr stabil da. Ist es die Folge des ZweiSäulen-Prinzips? Und vielleicht auch der Vorreiter zum 360°-MODELL?
Ja. Über das 360°-MODELL wird jetzt viel gesprochen. Es gab aber auch schon in der Vergangenheit
solche Versuche. Tim Renner hat es vor vielen Jahren schon bei Universal gemacht. Aber auch
Konzertveranstalter, die schon lange auf dem Markt sind, profitieren davon. Das Rad wurde durch das
360°-Modell nicht neu erfunden. Bekannt ist es jetzt durch Live Nation aus Los Angeles geworden, die
mit Madonna als ersten ACT dieses 360°-MODELL groß publik gemacht haben. Mittlerweile ist aber der
Plattenbereich wieder ausgegliedert.
XXIV
Hat sich Live Nation überschätzt?
„Schuster bleib` bei deinen Leisten.“ Wenn sie es nicht richtig umsetzen können, ist es die richtige
Entscheidung das Plattengeschäft wieder abzugeben. Aber sie setzen jetzt alles daran, dass auch das
Geschäft mit dem LABEL läuft.
Zurück zu CTS. Ihr seid deutlicher Marktführer in Deutschland und habt jetzt einen
Vertrag mit Live Nation ausgehandelt. Wie soll die Zusammenarbeit aussehen?
Wir haben einen Vertrag mit Live Nation, die circa 70 Prozent der Welttourneen ausrichten. Sie haben
lange Ticketmaster als exklusiven Vertriebspartner gehabt. Dieses System wird ab dem 01 Januar 2009
von unserem System ersetzt. Erst in den USA und in Kanada und dann nach und nach auch auf den
anderen Kontinenten. Das bedeutet, dass wir unser System als Lizenzsoftware zur Verfügung stellen. Es
ist dasselbe System, welches hier an den Vorverkaufsstellen zum Einsatz kommt. Dieses System wird
jetzt in den USA implementiert. Live Nation hat eine Sparte TICKETING eröffnet, die mit unserer Software
arbeiten.
Weltweit?
Die Software wird weltweit genutzt, aber Europa übernehmen wir. In Europa werden in den jeweiligen
Ländern, falls noch keine eigene Vertriebsstruktur vorhanden, entweder Gesellschaften gegründet, oder
vorhandene Vertriebsnetze akquiriert.
In Deutschland wurde jetzt die O2-World in Berlin eröffnet. Die Color Line Arena in
Hamburg gehört zum selben Unternehmen. Bei beiden Veranstaltungsorten habt ihr die
Ticketdistribution übernommen. Habt ihr ebenfalls ein Lizenzvertrag mit ANSCHUTZ?
Nein, das läuft über die V ENUES. ANSCHUTZ war traditionell auch enger Partner von Ticketmaster und so
sollte das auch in Deutschland umgesetzt werden.
Es gab eine Ausschreibung für beide Projekte und wir haben uns beteiligt. Nachdem wir den Zuschlag
bekommen haben, setzten wir in einigen Wochen die Installation inklusive mobiler Zutrittskontrolloption
um. Mit den beiden Konzerten Grönemeyer und Metallica wurde dann die O2-World eröffnet.
Wir haben jetzt alles sehr global besprochen. Vielleicht könntest du noch die
Vertriebsstruktur in Deutschland erklären?
Die Vorverkaufsstellen sind Partner von uns und haben die Software auf ihren Rechnern. In fast allen
Fällen stellen wir auch die Hardware, außer die Monitore. Dadurch können wir bei Problemen schneller
helfen. Dies entstand aus der Historie heraus. Die CTS GmbH gab es seit 1989 und wurde von großen
Veranstaltern wie Lieberberg, Hoffmann, der jetzt mit Africa! Africa! unterwegs ist, Fritz Rau und so
weiter gegründet. Und schon damals wurde gesagt, wenn ein System aufgebaut werden soll, dann müssen
wir auch unsere Partner anbinden. Wenn ein kleiner Lottoladen oder ein Reisebüro, die eine kleinere
Kapitalstruktur haben, nicht mehr arbeiten können, weil der PC kaputt ist, funktioniert das System nicht.
Also verleihen wir unsere Geräte. Die Vorverkaufsstellen haben die Geräte und unsere Software dann vor
Ort.
Der Offline-Handel läuft also direkt über die Vorverkaufsstellen. Hinzu kommt der OnlineHandel. Ticket per Post ist auch von euch?
Ticket per Post ist eine Vorverkaufsstelle von uns. Es ist eine andere Website und ein anderes Call-Center
aber sie arbeiten mit unserer Software. Es läuft alles auf das Selbe hinaus.
Ihr habt auch die Ticketdistribution für die Fußball WM in Deutschland gemacht. Dabei
wurden personalisierte Tickets eingesetzt. Da wart ihr Vorreiter...
XXV
Genau. Das war Teil des Anforderungskataloges des OK für die WM 2006 und die konnten wir dann
auch alle erfüllen. Es gab ein sehr großes Bündel an Anforderungen, welche im Umsetzungsprozess sogar
noch zunahmen und Entwicklungs Know-How erforderten. Unser Enwicklungsteam und alle die in
diesem Projekt involviert waren, haben wirklich Großes geleistet.
Die personalisierten Tickets waren juristisch umstritten, aber letztendlich war es doch eine
Lösung, die vergleichsweise sehr gut ausgefallen ist? Wie war das Feedback von der OK?
Das war super. Das System hat funktioniert. Es gab ja auch in den Medien viel Anerkennung. Ein Grund
warum die Tickets personalisiert werden sollten, war ja auch, dass man die Kontingente besser steuern
konnte. Bei der EM in Portugal gab es ein Problem. Die teilnehmenden Verbände haben immer Pakete
bekommen. Das konnten wenige Karten sein aber auch mal die halbe Tribüne. Bei einem Spiel wurde
vom Verband nicht gemeldet, dass die Tickets nicht eingelöst wurden. Da war dann die Tribüne komplett
leer. Dass darf es natürlich nicht geben.
So was ist bei der WM in Deutschland nicht passiert. [...] Das Ergebnis war, das wir eine Auslastung von
99,5 Prozent hatten. Das war noch nie da gewesen.
Die Karten zur WM waren personalisiert. In den Karten war ein RFID-CHIP. Dieser Chip
benötigt einen Scanner zum auslesen. Die Scanner wurden im Zuge der
Stadienrenovierungen installiert. Bei der O2-World und der Color Line Arena wird am
Eingang ebenfalls gescannt. Ist dies auch ein Modell für die Konzertbranche?
Das sind Handscanner. Diese Mobilscanner sind, soweit ich weiß, keine Transponderscanner. Die
können nicht berührungslos über RFID-CHIPS gelesen werden. AEG hat sich dafür entschieden. Sie hätten
zum Beispiel auch Drehkreuze installieren können, was sicherlich ein bisschen teurer und in der
Umsetzung komfortabler gewesen wäre, aber so sind sie natürlich flexibel. Wir haben das installiert und
die Software implementiert. Das Personal wurde geschult und jetzt kann der Sicherheitsdienst den Einlass
machen. Die Barcodescanner sind sehr neu und superschnell. Außerdem funktionieren sie auch wenn der
Accesspoint ausfällt. Die Scanner werden laufend synchronisiert und alle notwendigen Daten sind auf
dem Gerät.
Schützt so ein System vor Fälschungen?
Das ist ein Punkt. Der andere Punkt ist das Marketing. Im Ligasport, wie zum Beispiel bei den Hamburg
Freezers werden die Tickets auch gescannt. Die Scannvorgänge kann man dann auswerten. Wie kommen
die Zuschauer in die Halle hinein? Wie bewegen sie sich? Wenn man jetzt merkt, dass die
Dauerkarteninhaber nicht oder erst fünf Minuten vor dem Spiel kommen, kann man sie anschreiben und
ihnen Gutscheine anbieten wenn sie eher kommen. Und wer ein Bier trinkt, trinkt dann meistens auch ein
Zweites. Von daher wird auch die Gastronomie angetrieben. Auf Schalke wird zum Beispiel mit der
Knappenkarte, mit der Bargeldlos in der Arena eingekauft werden kann, seit Jahren sehr erfolgreich
gearbeitet.
Hinter dem Barcode steht nicht nur die Ticketnummer, sondern auch die Person. Kann so
verfolgt werden wo oder wann das Ticket gekauft wurde?
Genau. Das kann man natürlich nur, wenn die Person bekannt ist, wie bei Dauerkarten. Wenn es ein
gekauftes Ticket an der Vorverkaufsstelle ist, dann nur wenn die Daten abgegeben wurden, was
heutzutage noch sehr unüblich ist.
In Amerika gibt es so genannte BROKER und SCALPER. Sie betreiben das, was man
hierzulande gewerblichen Zweithandel oder auch Grauhandel nennt. Glaubst du, dass der
Grauhandel hier noch zunimmt und bald Ausmaße annimmt wie in den USA?
Ich glaube schon, dass es zunimmt. Die Strukturen begünstigen es einfach. Vor allem die Möglichkeit
online Tickets anzubieten sind groß. Es gibt eBay, Seatwave, Viagogo und noch andere. Aber nicht jede
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Veranstaltung ist natürlich ein Erfolg für diese Unternehmen. Es ist aber auch eine Frage der Zeit, wie sie
sich entwickeln wollen, welche Größe sie erreichen wollen. Ich weiß nicht welche Gründungsstruktur sie
haben, aber wenn sie wachsen wollen, müssen sie natürlich immer stärker in das Geschäft rein und sie
müssen an die Quelle kommen. Sie müssen im Prinzip die Tickets direkt aus erster Hand bekommen. Von
uns bekommen sie keine Karten und soweit ich weiß auch nicht von anderen Ticketsystemen. Sie müssen
also mit anderen Margen arbeiten. Sie erhalten nicht die vollen Vorverkaufsgebühren als Erlös, sondern
sie teilen sie sich mit Zwischenhändlern. Das sind andere Vorverkaufsstellen oder Einkäufer, die die
Tickets besorgen.
Zum Verständnis: Seatwave und Viagogo kaufen selber Tickets?
Diese Portale kaufen Tickets ein, ja. Sie lassen aber auch Tickets einstellen und bekommen eine
Provision.
Und bieten sie zu höheren Preisen an?
Zu extrem höheren Preisen. Das ist natürlich ein Teil des Deckungsbeitrages. Sie müssen ja eine
Erfolgsquote erzielen um das Prinzip aufrecht zu erhalten. Wenn sie zum Beispiel jetzt gerade AC/DC
anbieten wird die Erfolgsquote sicherlich hoch sein, da die Nachfrage extrem überzeichnet ist. Aber Sie
wollen ja alles anbieten und nicht jede Veranstaltung wird natürlich gekauft. [...] Selbst wenn man die
Tickets im regulären Verkauf nicht bekommen hat, ist die Frage: Will ich wirklich soviel Geld ausgeben?
Die Meisten machen es nicht.
Trotzdem ist es ein risikoarmes Geschäft?
Genau. Es ist ja eigentlich so, dass bei Viagogo und Seatwave Tickets von Fan zu Fan angeboten werden.
So wird es ja kommuniziert. Wie auch bei eBay, gibt es eine Privatperson, welche die Tickets einstellt
und an eine andere Privatperson verkauft. So ist das Konzept eigentlich gewesen. Aber Seatwave versucht
mittlerweile selber Kontingente zu bekommen beziehungsweise kauft Tickets auf und stellt diese dann
selber rein. Sie schicken auch Faxe an die Vorverkaufsstellen, ob Interesse besteht, mit ihnen zusammen
zu arbeiten. Also sie machen es schon nicht mehr verdeckt. Das ist sehr aggressiv, aber ich glaube nicht
daran, dass wir in fünf oder sechs Jahren noch was von solchen Händlern sehen werden. Es gab immer
einen Handel mit Tickets, nur heute sind die Möglichkeiten besser als damals und wir sehen es intensiver.
Damals gab es immer 50 bis 60 Leute vor den Hallen und wollten Tickets verkaufen.
Das Problem ist auch, dass diese Plattformen nicht im Risiko stehen. Der Konzertveranstalter steht im
Risiko. Er hat die Veranstaltung geplant, er muss sehen, dass er auf seine Quote kommt und sein BREAKEVEN erreicht und wenn er es nicht erreicht, dann hat er den Schaden, aber nicht diese Plattform.
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