Die reichsten Deutschen

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Die reichsten Deutschen
•
BIL ANZ-MAG A ZIN.DE
DAS DEUTSCHE WIRTSCHAF TSMAG A ZIN
Die
Preis:
3,00 €
09 14
500
reichsten
Deutschen
Mayday, Mayday – Lufthansa in Turbulenzen
3
NanoChamps
Fleischeslust auf vier Seiten
HALL
of
BMW: Aus Freude am Sparen SHAME
Gran Performer.
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Eine Marke der Daimler AG
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Die Verbrauchswerte beziehen sich auf die zur Markteinführung (09/2014) verfügbaren Motoren (S 500 4MATIC, S 63 AMG, S 63
Anbieter: Daimler AG, Mercedesstraße 137, 70327 Stuttgart
AMG 4MATIC und S 65 AMG). Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,9–9,4 l/100 km; CO₂ -Emissionen kombiniert: 279–219 g/km.
Deutsche Bank
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über 70 Ländern sind wir hervorragend aufgestellt, um die passende
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AUS DER REDAKTION
Wenn’s ums Geld geht,
liefert BILANZ jetzt
die ultimative Liste der
500 Vorbilder.“
Lesen Sie
BILANZ
auch in der Welt-Tablet-App
Klaus Boldt, Chefredakteur
und als E-Paper unter
www.bilanz-magazin.de
MIKRO-/NANOTECHNIK
Sensoren und
Sandwiches
MARTHA BÖCKENFELD
Fotos: Ulrich Mahn, Guy Corbishley Photography, Steffen Roth, picture alliance / dpa / Jan Haas
Die Frau
der Zahlen
Auf das Treffen in der Londoner
Zentrale der Bank Kleinwort
Benson hatte sich nicht nur
BILANZ-Redakteurin Sophie
Crocoll vorbereitet: Auch Martha
Böckenfeld (Foto), die Hausherrin, brachte Schaubilder und
Unternehmenszahlen mit sowie
eine 514-seitige Geschichte der
Privatbank. Eine Frage konnte
sie allerdings nicht beantworten:
Wie die Kirche heiße, die Crocoll
durch die Glastür des Besprechungsraums sehen konnte. Auch
drei Mitarbeiter Böckenfelds
waren ratlos. Ein Schild bei der
Kirchentür verriet schließlich:
St. George’s Hanover Square.
Bekanntestes Gemeindemitglied
war Barock-Komponist Georg
Friedrich Händel. Der lebte in
der Nachbarschaft.
SEPTEMBER 2014
Kleinteile BoschMann Axel Giese
und BILANZ-Redakteur Stephan
Knieps (r.).
Der Zeitplan für den Besuch
von BILANZ-Redakteur Stephan
Knieps in der Reutlinger Sensorfabrik von Bosch war strikt:
eine Stunde Besichtigung der
Fertigungshalle, danach Mittagessen in der Kantine, anschließend eine Stunde für ein Gespräch. Die Einhaltung der
strengen Kleiderordnung für
die Arbeitsräume ist jedoch zeitaufwendig, und Bosch-Gruppenleiter Axel Giese (auf dem Foto
links) war zudem so begeisterungsfähig und erzählfreudig,
dass sich die Werkstattbesichtigung auf zwei Stunden ausdehnte. Das Gespräch ließ sich
nicht verschieben, also fiel der
Kantinenbesuch aus. Einmal
mehr konnte Giese helfen: Er
empfahl die belegten Brote aus
dem Automaten.
KOBE-FLEISCH
Ein Hoch auf
das Steak!
So eine Geschichte wünscht man
sich für den Start in den neuen
Job: Seine erste Recherche für
BILANZ führte Volker ter Haseborg (auf dem Foto rechts) in
das Berliner Steak-Restaurant
„Grill Royal“. Hier wird neuerdings Kobe serviert, das teuerste
Fleisch der Welt: 100 Gramm für
78 Euro. Steak-Fan ter Haseborg
recherchierte die jahrhundertealte Geschichte des Edelfleischs
und spürte beim Düsseldorfer
Importeur Frank Albers den
strikten Qualitätskriterien der
Japaner nach. Natürlich gab es
auch eine Verkostung. Worüber
sich der Texter am meisten freute: Er brauchte sein Fleisch nicht
zu teilen. Die beiden Fotografen,
die ihn nach Berlin und Düsseldorf begleiteten, sind Vegetarier.
Die nächste BILANZ erscheint am 10. Oktober
5
INHALT
9/2014
Die
500
reichsten
Deutschen
615 Milliarden
Euro schwer
Rangliste Wer hat am
meisten Geld? Welche
Familien sind die mächtigsten im Land? Wie lebt
der deutsche Geldadel?
Das Vermögen der 500
reichsten Deutschen:
fast dreimal so groß wie
das BIP von Dänemark.
20
Wolfgang Porsche
mit Sohn Ferdinand
60
Ehre, wem
Ehre gebührt
76
Halle der Scham BILANZ
gründet eine Heimstatt für
die schlechtesten
Manager der
Republik.
Lieferheld und
Weltmarktführer
Interview Niklas Östberg
macht sie alle satt. Der
Schwede organisiert die
Zustellung von Restaurantessen in 23 Ländern.
6
SEPTEMBER 2014
Schnitt: zeitlos.
Kaufmännische Prozesse: up to date.
70
Mit Software von DATEV.
Im Kleinen
sind wir groß
Mikro- und Nanotechnik Hier ist Deutschland
stark – etwa mit dem „Lab
on a Chip“ (Foto), das
ein ganzes Labor ersetzt.
NAMEN UND
NACHRICHTEN
8
BMW Jetzt müssen selbst die
reichen Bayern sparen – und bekommen Ärger mit dem Betriebsrat.
10 Nachruf Der große Wirtschaftsjournalist Winfried Wilhelm ist tot.
11 Lufthansa Ärger am Boden und
in der Luft: Jetzt geht der Chef
zum Gegenangriff über.
12 Daimler-LKW Wie Wolfgang Bernhard die Weltmarktführung verteidigt.
14 Bankhaus Sarasin Carsten
Maschmeyer will 27 Millionen Euro.
16 Eon, Eckhard Cordes, Pink Lotus
18 Machtnetz In der BILANZ-Inspektion:
Oliver Samwer – seine Freunde,
seine Feinde.
Fotos: picture alliance / HOCH ZWEI, Jens-Ulrich Koch, Steffen Roth, Lieferheld.de
UNTERNEHMEN UND
MÄRKTE
20 Die 500 Reichsten Die Schaefflers
hängen Aldi ab, Formel-1-Weltmeister
Sebastian Vettel und Karl Lagerfeld
in der Liste: Wer verdient womit
wie viel?
22 Schweres Geld: Porträts der
reichsten vier Deutschen.
24 Die reichsten Reichen:
Plätze 1 bis 100.
34 Die großen Kollektive.
52 Die reichsten Armen:
Plätze 101 bis 500.
IDEEN UND
INNOVATIONEN
70 Mikro- und Nanotechnik Winzige
Produkte, riesige Geschäfte.
76 Direktzusteller Wer hungrig ist,
kommt an Niklas Östberg kaum
vorbei: Gespräch mit dem Chef
von Lieferheld.de.
78 TV-Rechte Stefan Piëch, der Neffe
von VW-General Ferdinand, versucht,
mit Fix & Foxi Geld zu verdienen.
PRIVAT
82 Ein bisschen zu fett, vielleicht
BILANZ probiert: das teuerste
Steak der Welt.
86 Holleins Kunstwelt Deutschlands
einflussreichster Museumsdirektor
fordert: Bürger, engagiert euch!
88 Baaders Beste Der Hamburger
Epikureer Fred Baader über einen
Kult-Kiosk und ein Erlebnis mit
einem Château Margaux.
90 BILANZ-Gewinner Zweimal pleite,
jetzt wieder obenauf: Lars Windhorst.
69 Notizen aus China
Die beliebtesten Neuwagen auf dem
größten Automarkt der Welt.
SEPTEMBER 2014
man sein Handwerk verstehen. Genau wie
für die Unternehmensführung. Ihr Steuerberater und die kaufmännische Software von
DATEV sorgen für einfache und zuverlässige
5
Aus der Redaktion.
16 Impressum.
Prozesse in Ihrem Unternehmen – vom Angebot über die Rechnung bis zur fertigen Buchhaltung. So können Sie sich ganz auf Ihren
Erfolg konzentrieren.
Informieren Sie sich auf
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oder unter 0800 1001116.
60 Hall of Shame Das Gegenstück
zur Ruhmeshalle – BILANZ
nominiert zwei Laureaten.
66 Porträt Martha Böckenfeld, die
viel zu unbekannte Bankerin.
Für perfekt geschneiderte Kleidung muss
Kobe-Rind Endlich auch offiziell in
Deutschland – BILANZ hat das teuerste
Steak der Welt für Sie probiert.
Seite 82
Zukunft gestalten. Gemeinsam.
NAMEN &
NACHRICHTEN
Stahlbad in München
Die BMW-Spitze will im
Stammwerk sparen. Der
Betriebsrat fordert im
Gegenzug, 700 bis 800
Millionen Euro zu investieren – für ein neues
Presswerk, eine Lackieranlage und die Modernisierung der Montage.
LUFTHANSA
ÄRGER AM
BODEN UND IN
DER LUFT
11
GEGENWIND
DAIMLERS LKWCHEF BERNHARD
IM GESPRÄCH 12
ANGESCHMIERT
NEUE NAMEN,
NEUE FORDERUNGEN AN DIE
SARASIN BANK 14
IN KÜRZE
FUNK, CORDES,
DIBELIUS
16
8
SEPTEMBER 2014
NAMEN UND NACHRICHTEN
Aus Freude
am Sparen
Von BMW bis Volkswagen – das Gebot der Stunde in der Autoindustrie lautet: Runter mit den Kosten, und zwar zack, zack und
möglichst radikal! Mittel und Methoden unterscheiden sich. Eines ist
aber überall garantiert: Krach und Ärger mit den Betriebsräten.
Fotos: picture alliance / Sven Simon, BMW
D
Dank der hohen Nachfrage haben sie die Werksferien
weitgehend durchgearbeitet. Das Geschäft läuft.
Trotzdem erwartet die hiesigen Autobauer ein ungemütlicher Herbst. Aber weniger die Konkurrenz sorgt
für Ärger: Die Konzerne setzen sich selbst mächtig
unter Druck.
Sogar beim Premiumchampion in München geht
es zur Sache: BMW-Chef Norbert Reithofer (58) hat
seine Strategen mit ernster Miene auf die Dringlichkeit der Maßnahmen hingewiesen und dazu angehalten, mit den Kostenkürzern von McKinsey minutiös
Posten für Posten zu flöhen und nichts außer Acht
zu lassen – selbst die Anzahl der Minuten, die man
den Leuten für ihre Brotzeit zugesteht.
Obwohl das Sparprogramm von BMW-Offiziellen
nach interner Sprachregelung keinesfalls als solches
bezeichnet oder ausgewiesen werden darf, läuft es
darauf hinaus: Reithofer will einige Hundert Millionen Euro im Jahr einsparen. Betriebsräte klagen, dass
ab 2015 allein 100 Millionen Euro durch einen Abbau
von Sonderleistungen in den deutschen Werken
erreicht werden sollen.
Funktionäre der IG Metall sind alarmiert, es geht
ihnen jedoch in erster Linie darum, die gut 9.000
SEPTEMBER 2014
Arbeitsplätze in München zu sichern und nicht um
die Wahrung von Privilegien.
Im Stammwerk München droht darum eine Eskalation des Streits: Die Arbeitnehmer widersetzen sich
der bevorstehenden Schrumpfkur und fordern, ganz
im Gegenteil, keine Senkung, sondern eine Erhöhung
der Ausgaben: 700 bis 800 Millionen Euro an Investitionen seien dringend nötig, um Presswerk, Lackiererei und Montage zu modernisieren und damit intern wieder konkurrenzfähig zu machen.
Krach gibt es auch bei VW in Wolfsburg. Dort
kommt es immer wieder zu Produktionsausfällen im
Stammwerk (siehe BILANZ 7/2014). In der Fertigung
herrscht Unruhe, und in der ganzen Innung, nicht
nur bei VW, hat sich ein leidenschaftlich geführter
Diskurs entfacht darüber, was ein Autobauer heute
noch selbst fertigen muss und was er seinen Lieferanten anvertrauen und überlassen kann. Bis spätestens 2017 muss VW-Chef Martin Winterkorn (67)
fünf Milliarden Euro pro Jahr einsparen, um die
schmale Rendite seiner Kernmarke zu erhöhen.
Gewiss, die Niedersachsen (VW-Umsatz 2013: 197
Milliarden Euro) stehen unter größerem wirtschaftlichen Zwang als die renditestarken Bayern (76 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr), die zuletzt
neue Rekordzahlen gemeldet haben. Doch um ihre
Fertigung zu optimieren, nutzen sie dasselbe Druckmittel: den Hinweis auf die internationalen Standorte
ihrer Unternehmen, die mit den heimischen Werken
um den Bau neuer Modelle konkurrieren.
So produziert BMW in den USA erfolgreich Geländewagen und errichtet gerade eine Fertigung in
Mexiko. Welche Modelle die Bayern dort ab 2019
bauen werden, ist noch nicht entschieden. Im Gespräch ist die 3er-Reihe, die zurzeit auch in München
Da lang
BMW-Chef
Norbert Reithofer
muss die
Produktion
optimieren
9
NAMEN UND NACHRICHTEN
Winfried
Wilhelm †
Der Wirtschaftsjournalismus in
Deutschland hat
einen seiner Besten
verloren: Winfried Wilhelm, Berater
der BILANZ, ist tot, im Alter von
77 Jahren Anfang August einem
Krebsleiden erlegen.
Mit beeindruckender Haltung ertrug er die heimtückische Krankheit.
Bis zuletzt war er mit bewundernswerter Energie in der Redaktion engagiert.
Mit seiner Erfahrung im Magazin-Journalismus, seiner Kreativität und Tatkraft hatte er maßgeblichen Anteil,
dass BILANZ im Frühjahr dieses Jahres
erfolgreich in den deutschen Markt
gestartet ist.
Winfried Wilhelm hat die Wirtschaftspublizistik in den vergangenen
Jahrzehnten geprägt wie kaum ein
zweiter Journalist. Als junger Diplomkaufmann startete er seine Karriere
10
Stillstand Volkswagens
Betriebsrat hat Nachtschichten am Sonntag in Wolfsburg
abgesagt – weil die Probleme
in der Produktion des Golf
und seiner Ableger anhalten.
In den BMW-Werken Dingolfing und Regensburg haben sich Management und Belegschaft
bereits geeinigt. In München werden die Gespräche ab Mitte September zügig wieder aufgenommen, heißt es. „Wir investieren in den nächsten
Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in das
Werk München“, kündigte BMW jetzt an. Wie
hoch dieser Betrag sein und wann er investiert
wird, darum ringen nun beide Seiten.
Bei Volkswagen dürfte es schwieriger werden.
Der mächtige Betriebsrat hat in Wolfsburg nach
BILANZ-Informationen die für das dritte Quartal geplanten Sonntagsschichten gestrichen:
Solange die Fertigung immer wieder unerwartet
stehen bleibe, sei die Arbeit am Tag des Herrn
nicht opportun. Das Stammwerk wird in diesem
Jahr mehr Autos bauen als 2013, aber wohl weniger als die kalkulierten 850.000 Fahrzeuge.
Mitten in der Debatte um eine geringere Fertigungstiefe muss Winterkorn zudem einen neuen Chef für seine Komponentenwerke suchen.
VW stellt von Achsen bis Sitzen zu viel selbst
her. Amtsinhaber Werner Neubauer (65) bleibt
ein Jahr länger. Dann muss ein Nachfolger ran.
MARK C. SCHNEIDER
Mitte der 1960er-Jahre bei Capital, wo
er sich den Ruf als investigativer und
ideenreicher Journalist erwarb. Der
erste Versicherungsvergleich und die
erste Universitäts-Rangliste hierzulande gehen auf Wilhelm zurück.
1973 wechselte er zum Manager
Magazin und setzte dort Maßstäbe in
der Unternehmensberichterstattung.
Seine Enthüllungsgeschichten waren
legendär: Wilhelm deckte 1980 die
Commerzbank-Schieflage auf, 1990
einen Putschversuch familienfremder
Manager bei der Vermögensverwaltung des Fürstenhauses Thurn und
Taxis, 1997 recherchierte Wilhelm
gemeinsam mit Klaus Boldt, heute
BILANZ-Chefredakteur, die Überschuldung des Medienmagnaten Leo Kirch.
Großes Aufsehen erregte Wilhelms
Veröffentlichung des sogenannten
„Liener-Dossiers“ 1995: In einem Geheimpapier hatte der gefeuerte Daimler-Finanzvorstand Gerhard Liener
schonungslos mit dem vormaligen Konzernchef Edzard Reuter abgerechnet.
Winfried Wilhelm lebte die Kontrollfunktion des Journalismus vor,
„zumal die anderen Organe, Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer, nicht so
funktionieren, wie sie sollten“, wie er
einmal sagte. Von der Redaktion verlangte er stets höchste Qualität, aber
er half mit großer Selbstverständlichkeit und, so es möglich war, mit entscheidenden Informationen, wenn ein
Kollege nicht weiterkam oder weiterwusste. Er war ein großartiger Motivator und Ideengeber, ein echter Kerl
und humorvoller Mensch.
Von 1987 bis 2000 diente er dem
Manager Magazin als stellvertretender
Chefredakteur, zeitweise als Chefredakteur, später lange Jahre noch als
Berater der Chefredaktion.
Ruhestand war für ihn ein Fremdwort, aufhören kam nicht infrage. So
gehörte Wilhelm im Frühjahr 2014 gemeinsam mit seinen langjährigen Weggefährten Arno Balzer und Klaus Boldt
zu den Gründungsmitgliedern der
deutschen BILANZ.
Für uns ist es Verpflichtung, in der
BILANZ sein Werk fortzusetzen. Wir
trauern um Winfried Wilhelm, einen
großen Freund.
1
SEPTEMBER 2014
Fotos: picture alliance / dpa, Privat
vom Band läuft. Eine Milliarde Dollar investiert
BMW in Mexiko. Einen Betrag in vergleichbarer
Größenordnung, fordern die Arbeitnehmer, solle
der Konzern auch für München lockermachen.
Vorbild der angestrebten Vereinbarung in
München ist der Handel, den Daimlers Betriebsrat geschlossen hat: Als Gegenleistung dafür,
dass die Belegschaft Kosteneinschnitte in dreistelliger Millionenhöhe ohne Murren akzeptiert
und dadurch eine flexiblere Produktion und die
Vergabe von weiteren Aufträgen an Dienstleister
ermöglicht, modernisiert der Konzern für 1,5
Milliarden Euro das Mercedes-Werk Sindelfingen, in dem die S-Klasse entsteht und nach dem
Kontrakt noch ein zusätzliches Modell.
Aber warum spart selbst ein Luxushersteller
wie BMW ausgerechnet in einer Phase von Absatzrekorden und holt sich damit den Ärger ins
eigene Haus? „Vorsorge“, sagt Engelbert Wimmer, Chef des Beratungsunternehmens Polarixpartner. „Die Kunden kaufen kleinere und damit
margenschwächere Autos. Die Entwicklung verbrauchsarmer Motoren kostet Milliarden – und
keiner weiß, wie lange der Boom westlicher Hersteller in China anhält.“
Jetzt
reicht’s!
Lufthansa-Chef Carsten
Spohr, frisch im Amt, geht
zum Gegenangriff über:
Im Visier hat er die Piloten,
das Bodenpersonal und
das ganze Geschäftsmodell.
Setzt er sich durch?
Fotos: picture alliance / Keystone, picture alliance / AA
F
Raus mit dem Bodenpersonal Lufthansa-Chef Spohr will die Bodentruppen in billigere GmbHs
ausgliedern – Teil seines Plans zur Rettung der Airline.
ür seine ersten hundert Tage als Chef
der Lufthansa hätte sich Carsten Spohr
(47) durchaus etwas mehr Aufwind
gewünscht. Seine Piloten wollen dem
Konzern Gehaltserhöhungen und Vorruhestandsregelungen ohne Maß abpressen; Wettbewerber attackieren mit Methoden, die alle Kriterien
der Dumping-Politik erfüllen; und der Aktienkurs hat
mit knapp 12 Euro seinen Jahrestiefstand erreicht.
Zum Glück ist der neue Chef mit einem robusten
Naturell ausgestattet. Ärger macht ihm wenig aus,
Kontroversen scheut er nicht: weder im Luftverkehr
mit den renitenten Piloten noch zu Lande in der Auseinandersetzung mit dem Bodenpersonal.
Auf den Flughäfen abseits der Drehkreuze Frankfurt und München will er das LH-Schalter- und Gepäckpersonal in GmbHs ausgliedern. Dass dies nicht
jedem gefällt, war ihm klar. Betriebsräte leisten Widerstand, die Verhandlungen über die Bodenreform
haben begonnen. Es wird nicht einfach.
Spohr muss seine Auslagerungen möglichst zügig
umsetzen, bis Ende des Jahres in Stuttgart und
Düsseldorf, Berlin und Hamburg, 2015 auch in Köln,
Nürnberg, Hannover und Bremen. „Er hat keine Alternative“, sagt ein Aufsichtsrat. So teuer und wenig
ausgelastet die Bodentruppen der Gesellschaft, nach
Meinung vieler Konkurrenten, sein mögen, so stolz
und streitbar sind sie auch und keineswegs gewillt,
ihre Privilegien widerstandslos aufzugeben.
Aufschub und Blockade lautet ihre Politik. Das
Arbeitsgericht Nürnberg hat die „außerordentliche
Kündigung“ einer Betriebsvereinbarung in Bremen
Hannover und Nürnberg inzwischen für „unwirksam“
erklärt. Spohr verliert wertvolle Zeit. Und der Ärger
wächst.
Am Flughafen Charles-de-Gaulle haben die Manager ihre Belegschaft über die bevorstehenden Ausgründungen bereits in Kenntnis gesetzt – mit der
Folge, dass das dortige Personal umgehend in wilde
Streiks trat. Unter dem Chaos leiden vor allem die
Passagiere. Jeden Tag, erzählen Lufthansa-Betriebsräte, fehlten ein paar Hundert Koffer auf dem Gepäckband, deren Verbleib nur mühsam und zeitaufwendig ermittelt werden kann. Auch der angestrebte
Verkauf der LH-Rechenzentren, wo rund 1.400 Leute
SEPTEMBER 2014
Streikhansa
April 2014:
Lufthansa-Piloten
streiken drei Tage
lang (Rekord!),
425.000 Passagiere sind betroffen;
über 60 Mio. Euro
Schaden.
Februar 2014:
Private Sicherheitsleute lähmen
mit Arbeitsniederlegung den Frankfurter Flughafen.
April 2013:
Ganztägiger Warnstreik, nur 32 von
1.720 geplanten
Lufthansa-Flügen
finden statt.
September 2012:
Der bis dahin
größte Ausfall an
einem Tag für die
Lufthansa: Rund
1.000 Flüge werden gestrichen,
über 100.000
Passagiere sind
betroffen.
beschäftigt sind, verzögert sich. Hewlett-Packard,
IBM und der französische IT-Dienstleister Atos scheinen an einer Übernahme nicht uninteressiert zu
sein. Vor Jahresende rechnet niemand mit einem
Abschluss.
Trotz der Widerstände und Unbilligkeiten will
Spohr in absehbarer Zeit auch Hand anlegen an die
LH-Hauptstandorte München und Frankfurt. Seine
Aufsichtsräte, genervt von den Forderungen der Pilotengewerkschaft Cockpit, haben ihn ermuntert,
Härte zu zeigen.
Denn in ihrer derzeitigen Verfassung ist die Lufthansa auf Dauer chancenlos sowohl gegen Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet als auch gegen staatlich
subventionierte Konkurrenten wie die Golf-Airlines
Emirates und Etihad (und ihren Deutschland-Ableger
Air Berlin). „Wir müssen Inflation und Preisrückgänge in Höhe von rund 700 Millionen Euro kompensieren“, knurrt Spohr, „damit wir nur auf dem
gleichen Gewinnniveau bleiben.“ Sein Plan sieht vor,
die Tochterfirma Germanwings zur Nummer drei
unter den europäischen Flug-Discountern in Europa
auszubauen.
Nach den jüngsten Streitereien mit Cockpit ist die
Stimmung unter den LH-Aktionären schlechter denn
je. Das von der Gewerkschaft geforderte Gehaltsplus
von zehn Prozent und die Aufrechterhaltung der
luxuriösen Vorruhestandsregelung (bis zu 60 Prozent
der Vergütung ab 55 Jahre bis zum gesetzlichen Rentenalter) sind in der Branche einmalig. Dennoch zeigen die Piloten wenig Neigung, die Altersgrenze, wie
vom Vorstand gefordert, auf 60 Jahre zu erhöhen: Sie
wissen um ihre Macht, denn ohne sie fliegt nichts
und niemand.
Gezielt bringen sie auch Gerüchte in Umlauf,
behaupten Spohr-Vertraute, wonach sie die Lufthansa
verlassen würden, wenn er, Spohr, unnachgiebig
bleibe: Allein in den USA würden in den nächsten
20 Jahren bis zu 85.000 Piloten gebraucht.
Dass tatsächlich Piloten ihre Kündigung einreichen, um künftig für eine Airline in Ohio zu arbeiten,
ist mehr als zweifelhaft: Als die Lufthansa vor zwei
Jahren die Piloten ihrer Tochtergesellschaft Austrian
auf Kostendiät setzte, spuckten zwar viele große
Töne, blieben aber fast vollständig an Bord.
1
11
NAMEN UND NACHRICHTEN
Daimlers Mann
fürs Grobe
Herr Bernhard, Sie sind ein extrem
ehrgeiziger Mann. In diesem Jahr
wollen Sie die Ergebnisse von 2013
übertreffen. Reicht Ihnen das: nur
besser zu sein als im Vorjahr?
Unsere Ziele sind anspruchsvoll, der
Gegenwind ist rau. Die Währungsturbulenzen treffen uns – wir rechnen mit
250 Millionen Euro Belastung –, aber
wir schlagen uns wacker, gemessen an
den Umständen. Positiv ist: Nordamerika wächst mit gut zehn Prozent stärker als erwartet, das zeigen die Auftragseingänge. Dabei können wir viele
Aufträge aufgrund des strengen Winters und nach einem Ausbau der Kapazitäten erst seit dem Frühsommer
abarbeiten. Bis Ende des Jahres dürfte
unsere Produktion auf diesem hohen
Niveau abgesichert sein.
In den USA, wo LKW-Fahrer traditionell mit der Hand schalteten, wird
die Automatik immer beliebter …
Die Popularität der Automatgetriebe
überrascht uns inzwischen selbst. Im
Werk Gaggenau, wo wir sie herstellen,
arbeiten wir an der Kapazitätsgrenze.
Deshalb bauen wir bei unserer Tochter
Detroit Diesel eine eigene Fertigung
in den USA auf. Spätestens 2016 wollen
wir dort große Stückzahlen fertigen.
Der Erfolg des Automatgetriebes in
den USA ist nicht mehr aufzuhalten.
Nicht nur in den USA, hört man, laufen die Geschäfte besser als erwartet.
Ja, auch in Japan erwarten wir unter
12
Mehr als Verkleidung Der oftmals an seinem eigenen Ehrgeiz gescheiterte
Klassenprimus Bernhard kommt mit den hemdsärmeligen Truckern gut klar.
dem Strich einen Zuwachs von gut
fünf Prozent. Zum ersten Mal werden
wir dort in einem wachsenden Markt
auch Marktanteile gewinnen.
Wie sieht es in Europa aus?
Hier gilt seit Jahresbeginn die strengere Abgasnorm Euro VI. Weil die Techniken teurer sind, haben sich viele bereits 2013 mit bisherigen Modellen eingedeckt. Bei den Auftragseingängen im
Großhandel spüren wir die Delle. Das
hat zur Folge, dass die Produktion unter unseren Erwartungen bleibt. 2014
erwarten wir ein Marktminus von mindestens fünf Prozent.
Wie wollen Sie darauf reagieren?
Indem wir diszipliniert an unseren
Kosten arbeiten und um jeden Auftrag
kämpfen. Unser Effizienzprogramm
„Daimler Trucks Number One“ spart
jährlich gut 1,6 Milliarden Euro, da sind
wir auf der Zielgeraden. Den Kräften
des Marktes können wir uns nicht entziehen. Wir müssen damit umgehen.
Sind Ihre Werke flexibel genug?
Zum jetzigen Zeitpunkt: ja. Das sind
alles beherrschbare Schwankungen,
die uns nicht ins Schwitzen bringen.
Samstagsschichten, die wir vorsorglich
eingeplant hatten, führen wir aktuell
nicht durch. Aber das ist es dann auch.
Daimler stelle zu viele Bauteile
selbst her, sagen Kritiker. Falsch?
Richtig ist, dass wir die verschiedens-
ten Komponenten selbst produzieren –
ungeachtet dessen, ob wir damit
wirklich einen technischen Mehrwert
leisten können. Deshalb kategorisieren
wir unsere Fertigungsumfänge jetzt
nach Kernkomponenten, die wir brauchen, um langfristig unser technisches
Know-how und unsere Qualität abzusichern, weil sie kein anderer so konstruieren und herstellen kann. Gleichzeitig gibt es auch viele Komponenten
an Randbereichen, wie Deckel, Hebel
und Klauen, die überall auf der Welt
ordentlich hergestellt werden können.
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Wir wollen in die Produktion erfolgskritischer Komponenten investieren
und gleichzeitig das Wachstum nutzen,
um uns von den Dingen zu trennen,
die andere besser oder günstiger machen. Das diskutieren wir gerade in den
Standorten mit den Betriebsräten und
haben dazu auch schon eine erste Vereinbarung geschlossen. Wenn wir den
Kleinkram loswerden, können wir stärker in den entscheidenden, technisch
wirklich anspruchsvollen Bereichen
wachsen.
Sie koordinieren die europäischen
Lkw-Bauer. Folgen die Ihrer Linie?
Ja, das ist uns gelungen. Wir haben uns
intensiv ausgetauscht und sprechen
jetzt mit einer Stimme. Zur Reduzierung von CO2 haben wir ein umfangreiches Weißbuch verfasst. Auf der IAA
stellen die Chefs der europäischen
SEPTEMBER 2014
Foto: Daimler AG
Er ist so talentiert wie ungeduldig:
Wolfgang Bernhard (54), Daimlers
anfangs unfreiwilliger Lkw-Vorstand.
Jetzt verantwortet er einen Umsatz von
gut 30 Milliarden Euro und muss die
Weltmarktführerschaft verteidigen.
Welche Farbe hat Dein Glück?
Kollektion Wahres Glück
Wellendorff • Tel. 07231 - 28 40 128 • www.wellendorff.de
NAMEN UND NACHRICHTEN
Truckkonzerne, von Volvo über Scania
und MAN bis zu Daimler, die Details
vor. Sie werden kaum andere Branchen
finden, in denen das möglich ist.
Geben die Lkw-Bauer bei der
Reduzierung von Abgasen klein bei?
Im Gegenteil, mit Euro VI haben wir
schlicht das maximal Machbare für
den Umweltschutz erreicht. Inzwischen sind die Partikelemissionen so
gering, dass sie technisch kaum noch
messbar sind. Für diese Messungen
sind schrankgroße Anlagen notwendig,
um überhaupt wissenschaftlich einigermaßen nachvollziehbare Ergebnisse
zu erhalten. An vielen Tagen schwirren
mehr Partikel und Feinstaub aus anderen Quellen herum, da reinigen die
neuen Trucks eher die Luft, als ihr
zu schaden. Um wirklich weitere Fortschritte zu erzielen, müssten andere
Bereiche betrachtet werden, die viel
mehr Feinstaub ausstoßen. Scherzhaft
gesagt: Dann muss die EU-Kommission
im Sommer das Grillen verbieten und
das Feuerwerk zu Silvester. Wir konzentrieren uns darauf, Verbrauch und
CO2-Ausstoß weiter zu senken.
Volkswagen werde 2015 den USHersteller Paccar kaufen, haben Sie
vorausgesagt – und sich dafür eine
Menge Ärger eingehandelt, inklusive
Dementi von VW-Chef Martin
Winterkorn. Eine Konsolidierung
ist aber unvermeidlich, richtig?
Als Marktführer beobachten wir Signale und Bewegungen im Markt natürlich sehr genau. Nach vielfältigen Spekulationen in den Medien halten wir
es nicht für ausgeschlossen, dass sich
unsere Branche weiter konsolidiert.
Wobei Truckmarken in der Regel nicht
verschwinden, sondern übernommen
werden oder kooperieren.
Bleibt Daimler dennoch vorn?
Wir haben alle Voraussetzungen dazu.
Daimler ist der einzige Truckhersteller,
der tatsächlich weltweit präsent ist.
Unsere Strategie ist es, in den etablierten Märkten USA, Europa und Japan
technologisch führend zu sein. Verschärft die Politik in den Schwellenund Entwicklungsländern die Sicherheits- und Abgas-Anforderungen, können wir diesen Investitionen dort dann
ein zweites Leben geben. Bei diesem
Plattform-Management und der Nutzung gemeinsamer Module ist Daimler
in einer einzigartigen Stellung. Das
wollen wir ausnutzen.
1
Schwergewichte
Auf der IAA für Nutzfahrzeuge (25.9. bis 2.10.
in Hannover) zeigen Lkw-Bauer, was sie können.
Wolfgang Bernhard tritt doppelt auf: Als
Daimler-Vorstand und Kopf des europäischen
Branchenverbands ACEA. Mehr zum Thema
finden Sie unter: www.bilanz-magazin.de
Maschmeyer
und die
„Bodehochzig“
Nächste Runde im Streit der
Sarasin-Bank mit den hereingefallenen deutschen Steuersparern: neue Namen, neuer
Drohbrief, neue Forderung.
N
eue Namen auf der Liste der
angeschmierten Millionäre:
Neben Carsten Maschmeyer
(55), seit dem Verkauf seines Strukturvertriebs AWD Nummer 123 auf
der Liste der reichsten Deutschen,
Drogerie-Magnat Erwin Müller (81), seines Zeichens auf Platz 156 postiert, und
Promi-Anwalt Matthias Prinz (58), als
ärmerer Reicher nicht in Vermögenstabellen zu finden, hat auch Familie Hurler
(Platz 170) einige ihrer mit Immobilien
verdienten 750 Millionen Euro verloren,
14
ebenso wie die Paderborner Lebensmitteldynastie Stute (Platz 401).
Dies geht aus Dokumenten der Sarasin-Bank hervor. Das schweizerische
Geldhaus hatte vermögenden Anlegern
sogenannte „Cum-Ex-Deals“ an der Börse angedreht, die freilich nur funktionieren, wenn der Staat Kapitalertragssteuern erstattet, die vorher gar nicht bezahlt
worden sind.
Carsten Maschmeyer, der jahrzehntelang Finanzprodukte an den Mann
gebracht hat, fühlt sich betrogen. Er
sei über die Anlagemechanik nicht aufgeklärt worden und darüber, dass sein
Geld in eine riskante Anlageform geflossen ist. Maschmeyer bekam 26 Millionen
Euro zurück, jetzt will er auf weitere 27
Millionen klagen.
Bei Maschmeyer gingen unterdes
zwei Drohbriefe ein, er solle auf Forderungen verzichten: „Leg Dich nicht weiter mit uns an, sonst kannst Du Deine
Bodehochzig planen“ – zu deutsch: das
Arrangement für die Beerdigung treffen.
Maschmeyer heuerte Leibwächter an. 1
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NAMEN UND NACHRICHTEN
Pretty in Pink: Der Medizinunternehmer Andy Funk und seine Frau
und Geschäftspartnerin, die Chirurgin
Kristi Funk, starten Pink Lotus in
Deutschland. 2015 soll die erste
Ambulanz in München eröffnen und
Gen-Analysen zum individuellen
Krebsrisiko anbieten.
Funk, Wendel und Dibelius
Dass auch der Herbst schöne
Tage kennt und einen von Zwietracht geplagten Konzern in
einen Glücksrausch versetzen
kann, erlebt man derzeit bei der
Schaeffler AG in Herzogenaurach. Kurz nachdem die Wälzlagerfabrik von einer Führungskrise durchbeutelt wurde, heiratete
„die bescheidene Milliardärin“
(Bild) Maria-Elisabeth Schaeffler
(73) ihren drei Stunden älteren
Freund, den Ex-BDI-Präses Jürgen Thumann. Einige Wochen
zuvor hatte schon ihr ehemaliger
und langjähriger Firmenchef Jürgen Geißinger (55) den Bund fürs
Leben geschlossen und in Istanbul seine Hochzeit gefeiert.
Geißinger war 2013 von Frau
Schaeffler vor die Tür gesetzt
worden, und sie erwartet von ihren Spitzenfunktionären, dass
die den direkten Kontakt mit
Verstoßenen meiden. La Schaeffler, die reichste Deutsche (s. Seite 22), schätzt es gar nicht, wenn
ihre Untergebenen mit Leuten
wie Geißinger auf vertrautem
Fuße verkehren.
Doch offenkundig richten sich
nicht alle Bediensteten nach den
Wünschen ihrer Herrin. Technikvorstand Peter Gutzmer (60),
unlängst zum Konzernvize befördert, feierte bei Geißingers Türkei-Sause mit. Unklar, ob Maria-Elisabeth ihm dies verzeiht.
Seit sich die Schauspielerin Angelina Jolie 2013
bei Pink Lotus Medical in Beverly Hills nach einer ungünstigen Gen-Diagnose vorsorglich die
Brüste amputieren ließ, ist die Klinik des Deutschen Andy Funk (37) weltbekannt (BILANZ
7/2014). Jetzt soll ein alter Bekannter von ihm
Pink Lotus auf dem europäischen Markt etablieren: der Mediziner Thomas Wendel (42).
Wendel sucht derzeit Klinikbetreiber oder
Finanzinvestoren, die sich am Aufbau beteiligen wollen. Im Frühjahr 2015 ist die Eröffnung
der ersten Pink-Lotus-Ambulanz in München
geplant: Frauen können sich dort einem GenTest nach dem Pink-Lotus-System unterziehen,
um das Risiko einer Erkrankung an Brust- und
Gebärmutterhalskrebs zu bestimmen. Die Beratung übernimmt Kristi Funk (44) selbst.
Die Funks haben einen starken Unterstützer
gefunden: Alexander Dibelius (54), Deutschlandchef der US-Investmentbank Goldman Sachs
und ehemaliger Herzchirurg: „Er öffnet mir viele Türen“, sagt Wendel, „und hilft bei der Suche
nach Partnern für Pink Lotus.“
Eckhard Cordes
Die vom Wiederaufstieg in die erste
Polit-Liga weit entfernte FDP bekommt
prominente Verstärkung: Eckhard Cordes
(63), Vorsitzender des
Ostausschusses der
Deutschen Wirtschaft, Mitglied im
CDU-Wirtschaftsrat
Leserservice und
Heftbestellungen:
BILANZ – das deutsche
Wirtschaftsmagazin
Leserservice,
20583 Hamburg
E-Mail:
Impressum
Bilanz Deutschland
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E-Paper erhältlich unter:
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16
Tel: (040) 347 23447
Fax: (040) 347 23450
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Herausgeber: Dr. Arno Balzer.
und krisenerprobter
Elitemanager bei
Daimler, Haniel und
Metro, ist der Absteigerpartei beigetreten,
was nicht nur deren
Kassenlage bekommt.
Die FDP hofft, dass
der glänzend vernetzte Cordes weitere
Prominenz anlockt.
Chefredakteur:
Klaus Boldt (v.i.S.d.P.).
Chef vom Dienst: Joachim Tröster.
Büroleitung: Annette Klangwald.
Chefreporter Volker ter Haseborg.
Redaktion: Sophie Crocoll, Ronny
Galczynski, Michael Gatermann, Jens
Kaiser, Stephan Knieps, Uli Mahn,
Mark C. Schneider.
Autor: Jürgen Schönstein.
Bilanz Deutschland
Wirtschaftsmagazin GmbH, Geschäftsführer: Johannes Boege,
Dr. Stephanie Caspar.
Gesamtanzeigenleiter:
Stephan Madel (v.i.S.d.P.).
Objektleitung Anzeigen: Florian
Eon-Chef Johannes
Teyssen in Vorstand des
Stifterverbandes
wiedergewählt
BILANZ hat in seiner letzten Ausgabe unter der Überschrift „Kein Geld
mehr da“ berichtet, der Aufsichtsratsvorsitzende der Eon SE Werner
Wenning habe Johannes Teyssen
zum Rücktritt aufgefordert. Johannes Teyssen habe Mitte Juni sein
Ausscheiden aus dem Vorstand des
Stifterverbands für die Deutsche
Wissenschaft annonciert. Durch die
Tätigkeit von Herrn Johannes Teyssen hätten sich die Ausgaben der
Eon für den Stifterverband auf über
eine Million Euro gesteigert.
BILANZ stellt richtig, dass Werner
Wenning Johannes Teyssen nicht
zum Rücktritt aufforderte. Johannes Teyssen annoncierte auch nicht
sein Ausscheiden aus dem Vorstand
des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, er ist gerade
wieder in den Vorstand der Stiftung
gewählt worden. Die Ausgaben der
Eon steigerten sich nicht während
der Tätigkeit von Johannes Teyssen.
Doch ein
gutes Team
Eon-Aufsichtsratschef
Werner
Wenning (r.)
und Vorstandsvorsitzender
Johannes
Teyssen.
Reinartz
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Herstellung: Olaf Hopf.
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NAMEN UND NACHRICHTEN
Arnt Jeschke (43), Schulkamerad am Kölner
Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, dient heute
als Rocket-Internet-Schatzmeister. Er ist
ein treuer Gefolgsmann, loyal bis auf die
Knochen. Über seinen Vorgesetzten sagt er:
„Alles an ihm ist echt und harte Arbeit.“
Samwers Uni-Prof, der Ökonom Horst
Albach (83), war ein Fan seines Exstudenten, investierte angeblich 50.000
D-Mark in Alando, sorgte für Anlegerseriosität und machte einen prima Schnitt.
Der Anwalt und Steuerberater Sascha
Leske (40, Kanzlei Noerr) ist neben Arnt
Jeschke und Oliver Samwer der Einzige,
der das irritierend verwirrte RocketInternet-Flechtwerk überblicken kann.
Wie es ist, mit zwei Brüdern aufzuwachsen, weiß
Tengelmann-Leiter Karl-Erivan Haub (mit 54 der
älteste). Dass es noch so ein Dreier-Gespann gab,
habe ihn beeindruckt, sagt er. Na gut. Vor vier Jahren stieg Tengelmann bei Zalando mit zehn Prozent
ein. Er zahlte einen stattlichen Preis, hat aber
inzwischen einen gewissen Anteil mit dreißigfachem
Gewinn lukrativ wieder abgestoßen.
Konstantin Sixt (32), der Sohn des Münchner
Autovermieters und Leiter von dessen Internetabteilung, sagt, dass ihn mit Oliver Samwer eine
enge Freundschaft verbinde: „Mich beeindruckt, mit
welcher Schlagkraft er – ganz im Schumpeter’schen
Sinne der kreativen Zerstörung – innerhalb kürzester Zeit ganze Branchen grundlegend verändert.“
Rücksichtslos
charmant
Trotz seiner Erfolge begegnet man Oliver Samwer in
der deutschen Internetszene immer noch mit Skepsis.
D
Der ältere Bruder, Marc (43), mag ein einnehmenderes Wesen haben, der jüngere, Alexander
(39), gescheiter sein, aber Oliver (41) ist jener
Samwer, der auch ohne die Brüder wäre, was er
ist: der angriffslustigste Typ im Internet.
Aufgewachsen als Söhnchen reicher Leute
im Kölner Villenviertel Marienburg – der Vater
ein Anwalt mit eigener Kanzlei –, stellte er sich
einen Lebenslauf zusammen, der wohl jeden
Arbeitgeber erbaute: Gastschüler in England
und Paris, Hockeytrainer, Aushilfsjob in einer
Klempnerei, bester Abiturient seines Jahrgangs
(Notendurchschnitt: 0,8).
18
Samwer unterschrieb einen Vertrag als
Trainee bei Sal. Oppenheim in Köln, damals
noch eine der ersten Adressen der Stadt. Aber
der junge Mann blieb nicht lange. Er ist nicht
der Typ, der sich sagen lässt, was er tun oder
lassen soll, oder der zum Chef geht und ihn
fragt, ob er am Freitag einen Tag Urlaub nehmen darf. Anschließend studierte er BWL.
1999 gründete er das Ebay-Imitat Alando
und verkaufte es ein halbes Jahr später an das
Original für 43 Millionen Dollar. Später zog er
Jamba (Klingeltöne) und die Groupon-Kopie
City Deal auf. Die besten Geschäfte machte er
immer mit den Ideen anderer Leute. Aber auf
diese Idee ist er immerhin von alleine gekommen. Samwer ist ein großes Arbeitstier. Sagt
man. Seine Frau und die drei Kinder in der Villa
am Starnberger See wissen aber noch, wie er
aussieht. Also keine Sorge. SOPHIE CROCOLL
Rocket Internet arbeitet
nach der alten PlattformRegel und kann in 100 Tagen eine Internetfirma zusammensetzen. Die Berliner
sind an 70 Unternehmen
beteiligt (Umsatz: über
700 Millionen Euro). Im
Herbst soll die Holding an
die Börse gehen. Marktwert:
vier bis fünf Milliarden Euro.
Auch der Modehändler
Zalando, von den Samwers
mitgegründet, will an den
Kapitalmarkt.
SEPTEMBER 2014
MACHTNETZ
Geraune und
Getuschel
umgeben
Samwer: Er
kopiere, presse Geschäftspartner aus.
Laut sagen will das niemand, die Branche
ist klein und Samwer mächtig. Nur
Ehssan Dariani (34), der Studi-VZ-Initiator, warnt: Gründer würden von Samwer über den Tisch gezogen. Weil Dariani aber auch sagt, er stehe gern im Zentrum des Sonnensystems, hören nicht
viele hin.
Brüder pflastern seinen
Weg: Die ehemaligen
Hexal-Besitzer und Zwillinge
Andreas und Thomas
Strüngmann (64, Foto)
wollten gemeinsam mit den
Samwers als Wagniskapital
vorgehen, zum Beispiel bei
Studi VZ. Doch die Samwers wickelten den Handel
dann doch lieber alleine ab. Am Verkauf der Firma
an Holtzbrinck für angeblich 85 Millionen Euro
verdienten die Strüngmanns nicht mit.
Der große Oliver
und seine kleinen
Brüder Marc (Mitte)
und Alexander.
Jeder der drei Brüder hat ganz besondere
Fähigkeiten, ohne die eine solch großartige
Gründerunternehmerleistung nicht
möglich gewesen wäre.“
Er stelle die Realität unfair dar,
warf Samwer dem Journalisten
Mike Butcher von Techcrunch
vor. Der würdige nicht, dass
Rocket Tausende Jobs schaffe.
Butcher hatte dann auch noch
Samwers Blitzkrieg-Mail öffentlich gemacht („I will die to win
and I expect the same from
you!“). Versöhnliches Händeschütteln 2013 beim Wirtschaftsgipfel in Davos.
Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub über die Samwers
SEPTEMBER 2014
19
Fotos: Rocket Internet, Dieter Mayr / Agentur Focus, ullstein bild – ddp, noerr, Project A Ventures, Wolfgang Maria Weber, picture alliance / dpa, picture-alliance
Treffen sich zwei Stipendiaten der Studienstiftung an der privaten Otto-Beisheim-Managementschule: Florian Heinemann (38) und
Oliver Samwer. Später diente Heinemann bei
Rocket als Geschäftsführer. Bis es ihm zu blöd
wurde und er zum Konkurrenten Project A
überlief. „Extrem“ und „intensiv“ lauten die
Attribute, die ihm zu Samwer einfallen.
50
UNTERNEHMEN&
MÄRKTE
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
HALL OF
SHAME
RUHMESHALLEN
GIBT ES GENUG:
BILANZ BIETET
KÜNFTIG AUCH
VERSAGERN EIN
ZUHAUSE 60
PORTRÄT
MONEY-MARTHA,
DIE UNBEKANNTE
STARBANKERIN 66
NOTIZEN AUS ...
WELCHE AUTOS
LIEBEN DIE
CHINESEN? 69
20
Die
J
Jahrzehntelang galten die Familien von
Karl und Theodor Albrecht (Aldi) als die
reichsten im ganzen Land. Doch sie sind
es nicht mehr. Nach Recherchen der
BILANZ haben Maria-Elisabeth und
Georg Schaeffler aus Herzogenaurach,
Eigentümer der Schaeffler AG und eines
großen Teils des Hannoveraner Autozulieferers Continental, den Handels-
leuten aus dem Ruhrpott den Rang
abgelaufen.
Eine günstige Börsenkonjunktur, eine
kluge Geschäftspolitik, aber auch glückliche Umstände, an denen es bekanntlich
nie fehlen darf, kamen Mutter und Sohn
Schaeffler zugute, die vor wenigen Jahren nach einer Reihe tollkühner Übernahmen noch von Milliardenschulden
begraben zu werden drohten.
Auch heute sind die Bilanzen der
Franken von einem Idealzustand noch
um einiges entfernt, die Verbindlichkeiten sind nach wie vor hoch, aber die
Beherztheit, die Risikobereitschaft und
nicht zuletzt die Nonchalance, die namentlich die Firmenerbin Maria-Elisabeth Schaeffler bei ihren Akquisitionen,
etwa von FAG Kugelfischer, an den Tag
gelegt hat, haben sich ausgezahlt.
Die Aldi-Familien – ihrer in hohem
Alter verstorbenen Leit- und SymbolfiguSEPTEMBER 2014
00
DIE 500 REICHSTEN
reichsten
Deutschen
ren inzwischen beraubt – scheinen diese
Eigenschaften schon seit geraumer Zeit
zu entbehren. Ihr Management muss
nun zeigen, ob es gelingt, ein Geschäftsmodell aus der Mitte des vergangenen
Jahrhunderts, das einzig und allein auf
kompromissloser Effizienz beruht, zu
modernisieren und um neue Angebote
zu erweitern. Eine Palette Nivea-Dosen
auf den Fliesen oder eine erste Backtheke in der Vorstadtfiliale reichen für einen
Innovationspreis nicht aus. Auch im Internet spielt Aldi praktisch keine Rolle.
Unter jenen Familien, deren Mitgliederzahl so groß ist, dass ihr Vermögen
keinem begrenzten Kreis mehr zugerechnet werden kann, beherrschen die Porsches das Feld, dicht gefolgt vom Klan
der Henkels.
Es sind der Maschinen- und der Autobau, die Markenartikelindustrie und der
Einzelhandel – in der Spitzengruppe
SEPTEMBER 2014
auch vertreten durch den kraftvollen
Dieter Schwarz (Lidl, Kaufland) –, die
die Geld-Aristokratie in Deutschland
repräsentieren.
150 Milliardenvermögen hat BILANZ
in Deutschland ermittelt. Die Gruppe
jener Deutschen, die in der Telekomund Internetbranche zu Reichtum gekommen sind, wächst beständig, bleibt
aber überschaubar: Man findet die
SAP-Gründer Plattner, Hopp, Tschira
unter den ersten 100, die Silicon-ValleyGrößen Andreas von Bechtolsheim und
Peter Thiel sowie Ralph Dommermuth
(United Internet) und neuerdings die
Samwer-Brüder (Rocket Internet). Doch
sie bilden vorerst nur die Vorhut einer
neuen Klasse von Internet-Milliardären,
die in den kommenden Jahren spürbar
anwachsen wird.
Auf 590.95 Milliarden Euro summiert
sich das Geld und Gut der 500 reichsten
Deutschen. Rechnet man die Habschaft
der 13 wohlhabendsten Großfamilien in
Höhe von 81,65 Milliarden Euro noch
hinzu, verfügt die hiesige Vermögenselite
über 672,6 Milliarden Euro.
In praktisch allen Fällen ist dieser
Besitz fast zu seiner Gänze in Unternehmen, Immobilien oder zunehmend
auch Kunstsammlungen gebunden. Im
Tresor findet sich nur das Nötigste.
Viele Familien haben zudem Stiftungen
eingerichtet, die dem Wohle der Verwandtschaft dienen, steuersparend wirken und ein Unternehmen vor dem
Verkauf oder Zugriff durch andere bewahren sollen.
Die Aussage, dass das Gesamtvermögen der reichsten Deutschen fast dreimal
so hoch ist wie das Bruttoinlandsprodukt
von Dänemark, ist deshalb von geringem
Erkenntniswert und wahrscheinlich nur
für Statistiker von Interesse.
1
21
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Autoteile und Batteriehülsen
Unter der Rubrik „Stars &
Sternchen“ berichtete Bild am 20.
August über die Geheimhochzeit
von Maria-Elisabeth Schaeffler und
dem Metall- und Plastikunternehmer Jürgen Thumann (73,
Heitkamp & Thumann/Vermögen:
150 Millionen Euro). Die
Zeremonie fand in Kitzbühel statt.
„Deutschlands Industrie-Elite
kniete diskret in der Kirche“ (Bild),
150 Gäste feierten im Hotel Rasmushof, Peter Kraus rockte.
1
Georg und Maria-Elisabeth Schaeffler
Schaeffler, Herzogenaurach; Continental, Hann.
21,5 Milliarden Euro
Um eine Instinktstrategin handelt es sich
bei der Medizin- und BWL-Studienabbrecherin und später zur Gesamtpracht
erblühten Erbin Maria-Elisabeth Schaeffler (73): Der aus Prag gebürtigen Österreicherin sind in den Jahrbüchern der
Wälz- und Kugellagergilde mehrere Kapitel gewidmet und in den Maschinenbaulexika Dutzende von Einträgen.
Segenssprüche und ein paar Verwünschungen begleiten die Blondine, die
für ihren Metallcharme sowohl wie ihre
Gefühlsseligkeit bekannt ist und die mit
ihrem Sohn Georg (49) in 20/80-Proportion über die Schaeffler-Gruppe disponiert, eine Gründung des Wälzlager- und
Kugelgewindegetriebe-Neuerers Georg
Schaeffler (1917–1996). Seit einigen Jahren stehen den beiden auch 46 Prozent
der Continental AG zu Gebote.
Landesweite Reverenz erlangte die
Dame anno 2001 durch die Überwältigung ihres börsennotierten Widersachers FAG Kugelfischer, den sie übermannte und ihrem Unternehmen nachgerade einverleibte. Geigen sangen,
Posaunen schmetterten, sobald Maria-Elisabeth fortan ihr Haar zeigte. Unter den Grandseigneurs der Wälzlagerszene war die Verzückung groß bis
zur Wehrlosigkeit, wenn La Schaeffler
22
auf den Balkon trat. Kanonenschläge
donnerten, Salutsalven krachten, „Lebe
hochs!“ wurden kraftvoll ausgebracht.
Solcherart angereizt schritt die
Schaeffler 2008 zur nächsten Überrumpelung: Dieses Mal wollte sie die dreimal
so große und noch dazu Dax-notierte
Continental AG wegputzen und niederwerfen. Aus heiterem Himmel brach der
Sturm los, geführt mit der Unwiderstehlichkeit der Weibeskraft. Nach sechs
Wochen hatte sie knapp 50 Prozent der
Anteile für gut zehn Milliarden Euro
annektiert.
Leider gab die Investmentbank Lehman Brothers kurz darauf und planwidrig ihren Geist auf, woraufhin sich eine
bis heute unüberwindbar scheinende
Finanzkrise entspann: Im Handumdrehen verfiel der Wert des Schaeffler’schen
Neuerwerbs, aber auch jener der Schaeffler-Werke selbst. Schädlichstem Einfluss
sah sich die Aktie von Continental ausgesetzt, deren Preis binnen sechs Monaten von 74 Euro auf zwölf Euro schrumpfte, als sei er gekocht worden.
Die Sicherheiten, die Frau Schaeffler
bei ihren Banken hinterlegt hatte, waren
plötzlich nicht mehr die Bohne wert, alle
Fluchtwege aus dem Katastrophengebiet
überdies abgeschlossen: Man machte
sich auf das Schlimmste gefasst. Die Lage
war zum Verzweifeln ungut.
Aber Maria-Elisabeth Schaeffler ist
ein Kraftpaket, seit Kindestagen mit dem
Unternehmertum wohlvertraut: Ihr Vater war Generaldirektor der Ersten Allgemeinen Versicherung in Wien, ihr
Urgroßvater Mitgründer von Skoda gewesen. Manchmal bleibt einem eben
nichts übrig, als Schmerzen einfach auszustehen. Und das tat die Schaeffler. Und
heute ist alles wieder gut.
Das Wälzlagergeschäft ist in flottem
Gange. Mit jährlich rund 2.100 Patentanmeldungen rechnet man Schaeffler zu
den lebendigsten und geistsprühendsten
Firmen dieses Landes. Ihre Fabrikate
erzielten zuletzt Einnahmen in Höhe von
11,2 Milliarden Euro. Die Marge beträgt
schon aus Tradition nicht weniger als
zehn Prozent. Mutlose Widersacher verlangen reihenweise nach Abfertigung.
Schaefflers Werke stellen einen Wert
von gut 14, ihr Anteil an Continental von
weiteren 15 Milliarden Euro dar. Bringt
man die Schulden von neun Milliarden
Euro in Abzug, was man fairerweise tun
sollte, und schlägt Ersparnisse wieder
darauf (allein als Dividende beschlagnahmte die Familie heuer 309 Millionen
Euro), dann braucht man sich keine Sorgen mehr zu machen.
Sohn Georg, den die Firmenheimseite
operettenhaft wie einen Tambourmajor
als „Lic oec. HSG Georg F. W. Schaeffler
JD/LLM“ ausweist, gilt Umfragen zufolge als Stratege dritter Garnitur. Tadelnde
Bemerkungen über seine Fähigkeiten
puffen wie Rauchwölkchen in die Luft.
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Foto: Quelle: BILD-Zeitung, picture alliance / dpa / Aldi Süd/dpa
Das Phantom Kurz vor seinem Tod
brach Karl Albrecht (1920-2014)
doch noch sein öffentliches
Dauerschweigen und empfing die
FAZ zur Privataudienz. „Ich habe
Glück gehabt, sehr viel Glück“, sagte
Albrecht. Aber er machte auch klar,
dass er nie ein Faxenmacher gewesen
war. Sich mit ihm anzulegen, bekam
einem schlecht: „Ja, ich wollte groß
werden, egal wie sie mich beschimpft
haben, ich wollte groß werden.“ Aldi
selbst, gestand er, sei „eineErfindung
meines Bruders“ Theo gewesen.
2
3
4
Familien Albrecht und Heister
Aldi Süd, Mülheim
18 Milliarden Euro
Familie Theo Albrecht jr.
Aldi Nord, Essen
16 Milliarden Euro
Dieter Schwarz
Schwarz-Gruppe, Neckarsulm
15 Milliarden Euro
Karl Albrecht ist im Juli dieses Jahres
gestorben, ein Mann von 94 Jahren, nahezu unsichtbar für die Welt. Wie auf
Kreppsohlen war er durchs Leben geschlichen. Jetzt ist er tot und hat die
höchste Stufe der Abwesenheit erreicht.
Für die Welt hat sich wenig geändert.
Wohnhaft war er in Essen-Bredeney,
hinter Stahlzaun und Rhododendron, in
einem Haus, das unten weiß verputzt,
darüber holzverkleidet und dessen Dach
mit schwarzen Ziegeln gedeckt ist: Stahltor, drei Kameramasten, eine Alarmsirene bei den Mülltonnen.
Auch sein Vermögen ließ sich nicht
blicken: Es ist zum überwiegenden Teil
in der Siepmann-Stiftung gespeichert,
die in Eichenau bei München in einem
Gewerbegebiet Unterschlupf gefunden
hat, gleich neben einem Aldi-Zentrallager, schräg gegenüber der Feuerwehr.
Die seinen Nachfahren zustehende
Südhälfte (Umsatz: 38 Milliarden Euro /
4.850 Filialen) des Aldi-Handels gilt als
die gewichtigere und fruchtbarere. Entfaltung, die diesen Namen verdient, ist
aber nur noch im Ausland möglich, wo
Aldi Süd aufgrund seiner guten Stellung
in den USA einige Vorteile besitzt.
Als Sehnsuchtsmann und Hoffnungsträger gilt Albrechts Enkel Peter Max
Heister (36), Betriebswirt und ehedem
Assistent am KfW-Stiftungslehrstuhl für
Entrepreneurial Finance der TU München sowie Partner einer Wagniskapitalfirma. Seit 2007 vertritt er im Unternehmensbeirat (neben Mutter Beate und
Vater Peter) die Familieninteressen.
Was Karl Albrechts Kategorisierung
angeht: Es gibt fantasievollere, offenere
und bessere Manager, als er je einer gewesen war. Nur – unter uns: Keiner von
denen hat Aldi gegründet.
Der wegen seiner Belang- und Seelenlosigkeit von kritisch gelaunten Manufactum-Kunden noch nicht einmal ignorierte Nordteil der Aldi-Organisation steht
Cäcilie Albrecht (86) zu, der Witwe Theo
Albrechts (1922–2010), ihrem Sohn Theo
jr. (63) samt Anhang sowie ihrer Schwiegertochter Babette und deren fünf Kindern, den Hinterbliebenen des Gründersohnes Berthold, der 2012, 58-jährig,
abberufen worden war.
Der Gutteil der Habe (darunter
37 GmbHs und 37 KGs) ist vor Jahren
nach Nortorf bei Kiel verfrachtet und
dortselbst in einer Stiftung magaziniert
worden, die den Namen des Evangelisten
Markus trägt. Unter derselben Anschrift
finden sich eine Stiftung mit dem Namen
des Predigers Lukas und eine andere mit
dem des Apostels Jakobus.
Der Umsatz der Nordmänner beträgt
präterpropter 25 Milliarden Euro, bleibt
also um einiges hinter den Südkollegen
zurück. Auch um den Gewinn zu überblicken, braucht man sich nicht auf einen
Hocker zu stellen. Seit Jahren von Lidl
und Kaufland strapaziert, den Verbänden
von Dieter Schwarz (siehe rechts), wirkt
Aldi Nord überspielt und müde. Wer ArmSein jahrzehntelang naturgetreu nachstellt, läuft Gefahr, eines Tages tatsächlich
zu verwahrlosen. In den Ecken des Geschäfts haben sich Strukturkrusten gebildet, aller Liebreiz ist von Plaque belegt.
Unter den Albrechts ist keiner, der eine
Führungsrolle übernehmen könnte. Wer
eine Firma wie einen Geheimbund organisiert und sich rarmacht wie die späte
Marlene Dietrich, kann nicht erwarten,
dass sich unter seinen Söhnen ein Freigeist entwickelt. Man mag die ganze Haltung nicht, die dahintersteht. Aber man
mag sie nicht mit großem Respekt.
Wer die Tiefen des Lebens ergründet
oder ihnen doch nachgespürt hat, der
ahnt, dass das Werk dieses gut konservierten 74-Jährigen höher zu bewerten
ist als jenes der Albrecht-Brothers, die
nie gegeneinander antraten wie die
Klitschkos. Schwarz aber hat sein Wirtschaftswunder allein vollbracht wie ein
Poet in der Zeit der Empfindsamkeit. Bei
all dem Aufheben und Aufbauschen, das
um die Aldis getrieben wird, vergisst man
dies nur allzu leicht.
Stolz und Feierlichkeit spiegeln sich
in einem Umsatz wider, der zuletzt die
sauerstoffarme Höhe von 74 Milliarden
Euro erklommen hat, ein Zehntel mehr
als im Jahr davor. Auf Lidl, die variantenreichere Ausgabe von Aldi, entfallen
54 Milliarden Euro, auf Kaufland der
Rest. Vom Gewinn ist nichts bekannt. Er
gehört zum Intimleben und ist privat.
Die Schwarzen, haben Verhaltensforscher festgestellt, legen derzeit starke
Neigungen zur Ausbreitung an den Tag
und treten gebietsweise mit Wildheit
auf. Aldi-Leute nehmen das Wort
„Schwarz“ nur noch ungern in den
Mund, aus Angst, es könnte ihnen auf der
Zunge explodieren. Durchaus ähnlich
sind sich die Widersacher in Hinsicht auf
Öffentlichkeitsscheu und Sparsamkeit:
Auch Schwarz ist aufs Höchste empfindlich in Fragen des Knauserns, Knickerns
und Kürzertretens und legt Wert auf
rationelle Verwendung der Mittel.
Schulden hat er mit Fleiß gesammelt,
wohl zehn Milliarden Euro. Diese in Abzug gebracht, wirkt sein Vermögen auf
erklärliche Weise vermindert und nicht
ganz so prangend, wie es zu erwarten
stünde. Der Vater zweier Töchter bekleidet den Rang eines Ehrenbürgers von
Heilbronn.
SEPTEMBER 2014
23
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Rang 44: Ralph Dommermuth
Der Gründer und Großaktionär der
United Internet AG ist ein solider
Geschäftsmann, dem nichts
schiefgeht und den nichts umwirft.
Gilt wegen seiner Sesshaftigkeit
(Westerwald + Montabaur) aber
als Hauptvertreter deutscher
Internet-Kleinstädterei.
Die 100 reichsten Deutschen
Vermögen*
21,50
18,00
16,00
15,00
14,00
11,00
8,20
8,10
7,60
7,50
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Name
Maria-Elisabeth und Georg Schaeffler
Familie Albrecht und Heister
Familie Theo Albrecht jr.
Dieter Schwarz
Familie Reimann
Susanne Klatten
Stefan Quandt
Familie Würth
Familie Oetker
Johanna Quandt
Firma
Schaeffler, Herzogenaurach; Continental, Hannover
Aldi Süd, Mülheim
Aldi Nord, Essen
Schwarz-Gruppe, Neckarsulm
u.a. Reckitt Benckiser, Master Blenders, Amsterdam
BMW, München; Skion, Bad Homburg
BMW, München; Delton, Bad Homburg
Würth, Künzelsau
Oetker, Bielefeld BMW, München
Branche
Maschinenbau, Reifen
Einzelhandel, Immobilien
Einzelhandel, Immobilien
Einzelhandel, Immobilien
Haushaltsprodukte, Genussmittel
Auto, Pharma
Auto, Beteiligungen
Befestigungssyst., Werkzeughand.
Nahrungsmittel, Reederei
Auto
10
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Hasso Plattner
Aloys Wobben
Familie Liebherr Dietmar Hopp
Familie Michael Otto
Klaus-Michael Kühne
Familie Braun
Klaus Tschira
Peter Thiel
Familie Jacobs
SAP, Walldorf
Enercon, Aurich
Liebherr, Bulle/Schweiz
SAP, Walldorf; Dievini, Walldorf
Otto Versand, Hamburg
Kühne & Nagel, Schindellegi; Hapag-Lloyd, Hamburg
B. Braun, Melsungen
SAP, Walldorf
Clarium Capital, San Francisco; Founders Fund, New York
vormals Jacobs Suchard, Bremen; Barry Callebaut, Zürich
Rechnerprogramme
Windenergieanlagen
Baumaschinen, Hotels
Rechnerprogramme, Beteilig.
Versandhandel
Spedition, Reederei
Medizintechnik
Rechnerprogramme
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Beteiligungen
7,50
7,20
6,70
6,60
6,50
6,40
6,20
6,10
5,20
5,10
21
22
23
24
25
26
27
28
28
30
Familie Knauf
Ingeburg Herz
Familie August von Finck
Andreas und Thomas Strüngmann
Andreas von Bechtolsheim
Familie Rethmann
Familie Deichmann
Friede Springer
Familie Günter Herz
Heinz-Hermann Thiele
Knauf Gips, Iphofen
Tchibo, Beiersdorf, beide Hamburg
vormals Merck Finck & Co. (Bank), München
vormals Hexal (Pharma); Santo, Holzkirchen
Arista Networks, Santa Clara; Google, Mountain View
Rethmann, Lünen
Deichmann, Essen
Axel Springer, Berlin
Mayfair, Hamburg; DNV GL, Oslo
Knorr-Bremse, München
Baustoffe
Nahrungsmittel, Kosmetik
Hotels, Beteiligungen
Beteiligungen
Netzwerktechnik, Beteiligungen
Entsorgung, Spedition
Einzelhandel
Medien
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Auto-, Bahnzulieferer
4,70
4,60
4,50
4,25
4,10
4,00
3,80
3,70
3,70
3,60
31
31
31
34
35
35
37
37
37
37
Familie Alexander Otto
Karl-Heinz Kipp
Familie Haub
Alexandra Schörghuber
Familie Bauer
Familie Kärcher Alexander, Marc und Oliver Samwer
Familie Daniela Herz-Schnöckel
Familie Bosch
Günther Fielmann
ECE Projektmanagement, Cura, beide Hamburg
vormals Massa-Märkte (Einzelhandel), Alzey
Tengelmann, Mülheim
Schörghuber, München
Bauer Media, Hamburg
Alfred Kärcher, Winnenden
Rocket Internet, Berlin
Mayfair, Hamburg; DNV GL, Oslo
Robert Bosch, Gerlingen
Fielmann, Hamburg
Einkaufszentren, Immobilien
Kapitalanlagen, Immobilien
Einzelhandel
Brauereien, Hotels, Immobilien
Medien
Reinigungsgeräte
Beteiligungen
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Autozulieferer, Beteiligungen
Optiker
3,50
3,50
3,50
3,40
3,20
3,20
3,00
3,00
3,00
3,00
41
41
43
44
44
46
47
47
47
47
Andreas und Reinfried Pohl
Familie Riegel
Heinz-Georg Baus
Familie Wacker
Ralph Dommermuth
Familie Hubert Burda
Theo Müller
Familie Wirtz
Ingrid, Victoria-Kath. und Karl-Friedr. Flick
Familie Schleicher
Deutsche Vermögensberatung, Frankfurt
Haribo, Bonn
Bauhaus, Mannheim; Duscholux, Schriesheim
Wacker-Chemie, München
United Internet, Montabaur
Hubert Burda Media, München
Molkerei Müller, Aretsried; HK Food, Düsseldorf
Mäurer & Wirtz, Dalli, beide Stolberg; Grünenthal, Aachen
Flick, Wien
Schwenk Zement, Ulm
Finanzdienstleist., Immobilien
Nahrungsmittel, Immobilien
Baumärkte, Immobilien
Chemie
Internet-Dienstleister
Medien
Nahrungsmittel
Waschmittel, Pharma
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Bau
2,80
2,80
2,75
2,65
2,65
2,60
2,50
2,50
2,50
2,50
*in Milliarden Euro
24
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Foto: picture alliance / dpa, laif / Markus Hintzen
Rang 61: Der Täufer
Der Nietzscheaner Dirk
Roßmann arbeitet mit
allen Tricks. Wer bei
ihm einkaufte, bekam
Rabatt im Serengeti-Park. Roßmann selbst
taufte dort einen
Junglöwen. Aber nicht
auf den Namen Fritz.
ZUR VERFAHRENSWEISE Bei allen Vermögensangaben in der
BILANZ-Rangliste „Die 500 reichsten Deutschen“ handelt es sich um
Schätzungen. Grundlage der Erhebung sind Recherchen u.a. in Registern, in Archiv- und Dokumentensammlungen. Bewertet wurden
Aktienkapital (Ende August 2014), Unternehmen (nach Umsatz, Profitabilität, Marktstellung), Kapitalanlagen, Immobilien, aber auch Kunstsammlungen und Familienstiftungen. Großfamilien mit mehr als 40
Mitgliedern sind in einer gesonderten Rangliste (Seite 34) aufgeführt.
51
51
53
53
55
55
55
55
59
60
Name
Otto Happel
Familie Stihl
Familie Weiss
Martin Viessmann
Familie Jahr
Bernard Broermann
Bruno Steinhoff
Familie Freier
Walter Droege und Hedda im Brahm-Droege
Familie Weisser
Firma
vormals Gea (Maschinenbau), Bochum
Stihl, Waiblingen
SMS, Düsseldorf
Viessmann, Allendorf
Gruner+Jahr, Hamburg
Asklepios Kliniken, Hamburg
Steinhoff, Westerstede; JD, Sandton/Südafrika
S. Oliver, Rottendorf
Droege, Düsseldorf
Marquard & Bahls, Hamburg
Branche
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Sägen
Hütten-, Walzwerktechnik
Heizanlagen
Medien, Immobilien, Beteilig.
Krankenhäuser
Möbel, Grundbesitz, Sägewerke
Textilien
Unternehmensber., Beteilig.
Ölhandel
Vermögen*
2,40
2,40
2,35
2,35
2,20
2,20
2,20
2,20
2,15
2,10
61
61
61
61
61
61
61
61
69
70
Familie Voith
Erich Kellerhals Lutz Mario Helmig
Familie Diehl
Familie Mittelsten Scheid
Familie Storz
Willy Strothotte
Dirk Roßmann
Curt Engelhorn
Familie Claas
Voith, Heidenheim
Media-Saturn, Ingolstadt
vormals Helios-Kliniken; Aton, Fulda
Diehl, Nürnberg
Vorwerk, Wuppertal
Karl Storz, Tuttlingen
vormals Glencore (Rohstoffhandel), Baar
Rossmann, Burgwedel
vormals Boehringer (Pharma), Mannheim
Claas, Harsewinkel
Maschinenbau
Handel
Beteiligungen
Autozulieferer, Rüstung
Haushaltsgeräte
Medizintechnik
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Drogerien, Immobilien
Kapitalanlagen
Landtechnik
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
1,95
1,90
70
70
70
70
70
76
76
78
79
80
Thomas Bruch
Familie Clemens Haindl
Familie Dachser
Friedhelm Loh
Familie Leibinger
Wilhelm von Finck jr.
Erben Christof Engelhorn
Rainer und Jürgen Blickle
Siegfried Meister
Familie Ludwig Merckle
Globus-Märkte, St. Wendel
vormals Haindl (Papier), Augsburg
Dachser, Kempten
Loh, Haiger
Trumpf, Ditzingen
vormals Merck Finck & Co. (Bank), München
vormals Boehringer (Pharma), Mannheim
SEW-Eurodrive, Bruchsal
Rational, Landsberg am Lech
Phoenix Pharma, Mannheim; Heidelberger Cement
Handel
Kapitalanlagen, Immobilien
Spedition
Elektrotechnik
Maschinenbau
Land-, Forstwirtschaft, Beteilig.
Kapitalanlagen
Antriebstechnik
Großküchen
Pharmahandel, Zement
1,90
1,90
1,90
1,90
1,90
1,85
1,85
1,80
1,75
1,70
80
82
83
83
83
83
87
87
89
89
Hans-Peter Wild
Christoph Henkel
Wolfgang Marguerre
Michael und Reiner Schmidt-Ruthenbeck
Familie Liz Mohn
Wilfried und Kurt Stoll
Dieter Schnabel
Familie Wirtgen
Johannes Mann
Familie Benteler
Wild-Werke, Eppelheim
Henkel, Düsseldorf
Octapharma, Lachen/Schweiz
Metro, Düsseldorf
Bertelsmann, Gütersloh
Festo, Esslingen
Helm, Hamburg
Wirtgen, Windhagen
vorm. Wertkauf (Einzelh.), Karlsruhe; Polis, Berlin
Benteler, Paderborn
Geschmacksstoffe
Klebstoffe, Reinigungsmittel
Pharmazie
Großhandel
Medien
Automatisierungstechnik
Chemiehandel
Baumaschinen, Straßenfräsen
Beteiligungen, Immobilien
Autozulieferer
1,70
1,65
1,60
1,60
1,60
1,60
1,55
1,55
1,50
1,50
Christa Gelpke
Hans-Werner Hector
Familie Scheufele
Familie Karl-Rudolf Mankel
Familie Stoschek
Christine Volkmann
Georg von Opel
Familie Ströher
Axel Oberwelland
Horst Brandstätter
vormals Boehringer (Pharma), Mannheim
vormals SAP, Walldorf
Chopard, Genf, Pforzheim
Dorma, Ennepetal
Brose, Coburg
Brose, Coburg
vorm. Opel, Rüsselsheim; Paramount, Zug/Schweiz
vormals Wella (Haarpflege), Darmstadt
August Storck, Berlin
Geobra, Fürth
Kapitalanlagen
Kapitalanlagen
Uhren, Schmuck
Schließtechnik
Autozulieferer
Autozulieferer
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Immobilien, Kapitalanl., Kunst
Süßwaren
Spielwaren
1,50
1,50
1,50
1,50
1,50
1,50
1,45
1,45
1,45
1,40
89
89
89
89
89
89
97
97
97
100
SEPTEMBER 2014
25
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Der Befestiger Reinhold Würth in
seinem Künzelsauer Kommandostand.
Nur wenige Unternehmer waren so
erfolgreich wie er. Aber niemand
kommt ihm als Kunstsammler gleich.
Würths Kollektion, ausgestellt in
eigenen Museen, umfasst rund 16.000
Werke. 2011 kaufte er sich Holbeins
Schutzmantel-Madonna für 50
Millionen Euro. Seine Teppich-Sammlung ist zum Glück noch überschaubar.
5
8
9
Familie Reimann
Reckitt Benckiser, Slough/England; D.E. Master
Blenders, Amsterdam 14 Milliarden Euro
Familie Würth
Würth, Künzelsau
8,1 Milliarden Euro
Familie Oetker
Oetker, Bielefeld
7,6 Milliarden Euro
1851 lernte der Salmiak-Mischer Johann
Adam Benckiser den Chemiker Ludwig
Reimann kennen, einen Meister im Fach
der Wein- und Zitronensäurezubereitung. Wie es damals üblich war, gründeten die beiden auf Anhieb eine Fabrik und
nahmen später Verbindung auf zu Reckitt
& Sons in Hull, die Wäschestärke mahlte.
So kam eines zum anderen, und Reckitt
Benckiser (Umsatz: 12,6 Milliarden Euro)
erblühte zu einem der besten Konzerne
der Konsumgüterklasse: Für Hausfrauen
und Senioren hält er Nützliches parat wie
Kondome, „Calgon“ und „Kukident“. Die
Jugend aber greift zu „Clearasil“.
Von den Benckisers ist nichts mehr
vorhanden, indes die Reimanns noch auf
Erden wandeln: Renate Reimann-Haas
(62), Wolfgang Reimann (61) und ihre
Halbbrüder Matthias (49) und Stefan
(50) sowie die insgesamt zehn Kinder.
Neben den knapp elf Hundertstel, die
sie noch an Reckitt Benckiser halten und
die mit über fünf Milliarden Euro den
massivsten Einzelwert darstellen, zählen
zu ihrer Habschaft der Luxusmarkenartikler Labelux, ein Gros am New Yorker Parfümriesen Coty (Umsatz: 3,5 Mrd.
Euro, u.a. „Calvin Klein“, „Davidoff“).
Angelegt wird das Geld der Familie
von Peter Harf (68, Vermögen: 900 Millionen Euro), einem edlen Geradeaus-Denker. Seit zwei Jahren versteift er
sich auf Kaffee- und benachbarte Geschäfte: Unter seinen Anschaffungen
türmen sich D.E. Master Blenders („Senseo“, „Douwe Egberts“) und Mondelez
(„Jacobs“, „Carte Noire“) auf.
„Der Großteil der Bevölkerung trinkt
Kaffee“, gab er der Welt am Sonntag in
salopp redender Unangefochtenheit bekannt. „Der Verbrauch ist sogar in der
Krise 2009 nicht zurückgegangen.“
In einer Welt des Wankens und Schwankens ist es angezeigt ein Wort zu verlieren
über Reinhold Würth (79), den Befestiger,
den Montierer, den großen Anbringer:
Was Schrauben und Mütter angeht, gilt
er als Meister aller Kontingente.
Geschäftlich nur noch okkasionell in
Erscheinung tretend, wartet er mit wütender Sehnsucht darauf, dass seine Firma endlich die Umsatzmarke von zehn
Milliarden Euro überquert. Es ist nicht
ohne Hohn, dass seine 63.571 Leute es
offenbar umso lockerer angehen lassen,
je fester er sich dies wünscht.
Zuletzt waren die Einnahmen seines
mit ca. 400 Gesellschaften auf irritierende
Weise angelegten Betriebs gar nicht mehr
gestiegen, sondern regelwidrig eingedorrt
und abgeflaut: von schwäbisch-derben
9,99 auf zerbrechlich wirkende 9,75 Milliarden Euro. Der Gewinn erhöhte sich
dank klugen Haushaltens zwar um 7,2
Prozent auf sprudelnde 445 Millionen
Euro. Aber reich ist Würth reichlich. Was
er will, sind diese zehn Milliarden!
Der Chef ist ein Mann von freundlich-pfiffigem Angesicht. Doch bisweilen
zeigt er ein schroff-unleidliches Naturell.
Die wenigen Rückschläge, die der Imperator verkraften musste, schmerzen ihn
mehr, als ihn seine Triumphe beglücken
können. Sein Sinn für das Qualvoll-Besorgniserregende des Schraubenhandels
äußert sich regelmäßig in kühler, verdichteter Form, wenn er Aufrufe diktiert
und seine Leute zu Buße und Besserung
und „Fleiß ohne Ende“ ermahnt.
Neben dem Anreiz- und Ansporn-Dezernat leitet Würth den Aufsichtsrat von
vier Familienstiftungen, in denen er das
Firmenvermögen verbarrikadiert hat:
„Dann können die Enkel das Firmengeld
nicht für Ferraris verjubeln.“
Die westfälischen Radikalen sind überzeugt davon, dass nichts umkippen kann,
was auf 392 Beinen steht. So groß ist die
Menge ihrer Firmen und vermutlich
auch der Branchen, wo sie sich in merkwürdigen Verknüpfungen verirren.
Im Kombinat der Bielefelder wird gebraut (Radeberger), gekellert (Sekt),
gemörsert (Backpulver), gebrannt
(Schnaps), geliehen (Bank), gereedert
(Container) und gebacken (Pizzen).
Auch an einer Versicherung und einer
Chemiefabrik lassen es die Oetkers nicht
fehlen. Acht Grandhotels, unter anderem
in Baden-Baden, Paris, Vence und Cap
d’Antibes, raffinieren den Besitz.
Nicht nur Ästhetiker rügen bei diesem Arrangement das Fehlen von Gliederungsprinzipien, auch innerhalb der
Familie macht sich Auflehnung gegen die
Vielschichtigkeit des Ensembles bemerkbar. Von den acht Kindern des 2007 verblichenen Rudolf-August Oetker liegen
die fünf aus den Ehen I und II im Widerstreit mit den dreien aus Ehe III.
Der Umsatz ihres Ungefüges bewegte
sich zuletzt unter traurigen Verbeugungen rückwärts auf 10,8 Milliarden Euro
(minus ein Prozent). Vom Gewinn ist
nichts bekannt, aber es fiel einer an.
Denn die Rücklagen erigierten um 319
Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote
beulte sich auf obszöne 40 Prozent vor.
Das laufende Jahr gibt wenig Anlass
für Triumphgeheul. Die Reederei Hamburg-Süd, Oetkers größter Umsatzbringer, schrumpft schneller, als die Schwesterfirmen wachsen können: Rapide verfallen die Frachtraten, halb leer dampfen
die Frachter umher oder liegen leblos auf
Reede. Man wollte sich mit Hapag-Lloyd
paaren: Aber die Kinder der Ehen I, II und
III konnten sich ja nicht einigen.
26
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Staatsbesuch Auf der Luftfahrtmesse in Selchow erläutert Willi Liebherr
der zu höchster Aufmerksamkeit
angeregten Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen die Eigenschaften und Vorzüge von Fahrwerkssystemen aus der Abteilung Liebherr
Aerospace. Zuvor hatte Kanzlerin
Angela Merkel den Stand der aus
Steuergründen in die Schweiz
umgesiedelten Firma besucht und ihr
Wohlwollen bekundet.
Die reichsten Hamburger in Mrd. ¤
Fam. Michael Otto Otto Versand
Ingeburg Herz Tchibo, Beiersdorf
Fam. Günter Herz Mayfair, DNV GL
Fam. Alexander Otto ECE, Cura
Fam. Bauer Bauer Media
6,50
4,60
3,70
3,50
3,20
Foto: Sebastian Kahnert/dpa, Samuel Zuder/laif, picture alliance / dpa
Quelle: BILANZ-Recherche
10
13
17
Johanna Quandt
BMW, München
7,5 Milliarden Euro
Familie Liebherr
Liebherr, Bulle (Schweiz)
6,7 Milliarden Euro
Familie Braun
B. Braun, Melsungen
6,2 Milliarden Euro
Johanna Quandt (88), die Witwe des
1982 verstorbenen Multiindustriellen
Herbert Quandt, und ihre Kinder Stefan
(Vermögen: 8,2 Milliarden Euro) und
Susanne (Klatten / Vermögen: elf Milliarden Euro) verfügen in bestimmender
Weise über 46,7 Prozent der Bayerischen
Motoren-Werke. Zugeschnitten auf Mutter Johanna selbst sind 16,7 Prozent der
Ration.
Die BMW-Aktie hat sich im vergangenen Jahr auf fast verbotene Art verteuert,
von 71 auf zwischenzeitlich sommerlich-süße 95,32 Euro. Der Konzern hat
einen Börsenwert von knapp 60 Milliarden Euro. Allein die Tantieme aus diesem
Engagement (zwei Milliarden Euro in
den vergangenen drei Jahren) schmiegt
sich wie eine unirdische Verzierung um
das Quandt’sche Guthaben.
Johanna Quandt lebt hinter Strauchwerk und unter Ulmen in einem Park in
Bad Homburg, wo eine feine Baulichkeit
ihr Schutz vor Kälte und Nässe bietet. Sie
steht früh auf, der Gärtner bringt die Zeitung. Zumindest war dies Gepflogenheit.
Coram publico tritt sie aufgrund ihres
Alters nur noch selten in Erscheinung.
Als freigebige Person erfreut sich die
ehemalige medizinisch-technische Assistentin allenthalben ordentlicher Beliebtheit, zumal in ihrer Geburtsstadt Berlin,
wo ihr Großvater Max Rubner als Nachfolger von Robert Koch das Hygiene-Institut der Charité geleitet und verbessert
hatte. „Von ihm habe ich wohl mein Interesse an der Medizin geerbt“, sagte sie
2006 bei der Vorstellung der von ihr mitgegründeten Stiftung Charité.
Johanna Quandt gehört zu den großen Unterstützern der Wissenschaft.
Ihre Millionenspenden sind sehr begehrt. Niemand hätte gerne keine.
Noch weniger Interesse als dem Regietheater der 70er-Jahre bringt der
Durchschnittsdeutsche der Kunst des
Baumaschinenbildens entgegen. Was
nach Meinung von Willi Liebherr (67)
und seiner Schwester Isolde (65), Kinder
des Kran-Reformators Hans Liebherr
(1915–1993), aber höchst unklug ist: Denn
die Welt kann man nicht mit Sabbeln und
Klicken verändern, mit Runterladen und
Reinstellen. O nein, man muss rammen,
bohren, kippen, laden, schütten, baggern,
wuchten, wühlen und Gott weiß was.
Soll man dies mit bloßen Händen tun?
Natürlich nicht, man verwendet Muldenkipper, Rad- und Teleskoplader, Planierund Laderaupen, Bergwerks- und Hydroseilbagger und Turmdreh- und Raupenkrane, Wippwerk-, Küsten-Container- und
Schiffskrane – gefühlloses, eisenhaftes,
ganz und gar anti-digitales Zeugs, noch
analoger als nur analog, beinahe faunisch
in seiner eisklirrenden Gleichgültigkeit.
In den vergangenen Jahren erlebte
der 1982 aus Erbschaftssteuergründen in
die Schweiz ausgerissene Konzern eine
Blütezeit, angeregt sowohl von dem natürlichen Knabenwunsch, den Dingen
auf den Grund zu gehen, sie zu verschieben und aufzuhäufen, als auch von einer
stets in auffällig zügiger Weise voranschreitenden Baukonjunktur.
Lange Zeit standen die Bilanzen der
Liebherrs in der Tradition der klassischen
erotischen Literatur. Doch nun stockt der
Geschäftsgang: Die Einnahmen sanken
ein bisschen, als hätte jemand für ein paar
Sekunden den Stöpsel aus einer Kaldewei-Wanne gezogen: Nur neun (Vorjahr:
9,1) Milliarden Euro sammelten sich an.
Unenttäuschend aber bleibt die Devise
von Weltbeweger Hans Liebherr: „Ich
guck’ nur so weit, wie mein Arm reicht.“
Gefeierter Medizintechniker, bekannt
für seine Kanülen („Braunülen“), aber
nicht nur für die. Der 175 Jahre alte Familienbetrieb ist mit 15,1 Prozent neuerdings auch größter Teilhaber der
Rhön-Klinikum AG. Die Dosis hat einen
Marktwert von mittlerweile rund 475
Millionen Euro.
Auch sonst tut der guten Stimmung
wenig Abbruch: Laut jüngster Bekanntmachung haben die Hessen ihre
Verkaufserlöse auf knapp 5,2 Milliarden
Euro eskaliert, das höchste Ergebnis aller
Zeiten. Massig und reich zerklüftet wie
ein Gebirge ragen die Zahlen empor. Aber
man empfindet ihre Höhe dem Gegenstand durchaus angemessen. Der Gewinn
verdickte sich in der gleichen Zeit um
zwölf Prozent auf seimige 289 Millionen
Euro. Alles in allem ein Anblick wie auf
einer stark kolorierten Postkarte.
SEPTEMBER 2014
Melsunger Ortsheilige Ludwig Georg Braun
(70), Passionsstratege der Weltfirma Braun, und
der stets unterkühlt wirkende "Bartenwetzer".
27
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Die reichsten Europäer Vermögen in Mrd. ¤
Amancio Ortega (Spanien) Zara
Liliane Bettencourt (Frankreich) L’Oréal
Stefan Persson (Schweden) Hennes & Mauritz
Bernard Arnault (Frankreich) Christian Dior, LVMH
M.-E. & Georg Schaeffler (D) Schaeffler, Continental
46,30
28,70
24,90
23,30
21,50
Quelle: BILANZ
20
23
Familie Jacobs
vormals Jacobs Suchard, Bremen; Barry
Callebaut, Zürich; Adecco, Glattbrugg
5,1 Milliarden Euro
Familie August von Finck
vormals Merck Finck & Co., München
4,5 Milliarden Euro
Vor 24 Jahren hat die Bremer Familie
Jacobs (damals mit dem 2008 verstorbenen Klaus J. an der Spitze) ihre Kaffeeund Schokoladenfabrik Jacobs Suchard
(„Toblerone“, „Krönung“) nach Amerika
(Kraft Foods) verkauft und sich seit dieser Zeit mit hanseatisch-gediegenen Kapitalbeteiligungen den Respekt von Wissenschaft und Forschung erworben.
Aus der weltgrößten Leiharbeiterfirma Adecco haben sich die Jacobs zur
Gänze zurückgezogen. Nachdem sie ihr
Quantum im Sommer von 18,4 auf 1,8
Prozent verdünnisiert hatten, verkauften
sie Anfang September auch den Rest.
Was mit dem Erlös von knapp 2 Milliarden Euro geschehen soll, steht in den
Sternen: Wie die Schweizer Bilanz auswitterte, will die Familie bei drei oder
vier Unternehmen mit Beträgen zwischen 250 und 400 Millionen Euro
einsteigen.
Eile scheint nicht geboten. „Natürlich
haben wir keine Liste in der Schublade
mit all den Dingen, die wir jetzt tun“,
sagt Stammesführer Andreas Jacobs (49),
ein Doktor der Gesetzeskunde. „Qualität
ist wichtiger als Geschwindigkeit.“ So ist
es ja häufig auch beim Sex.
Bedeutendste Habschaft bleibt der
Weltmarktführer für Industrieschokolade, Barry Callebaut (Umsatz: vier Milliarden Euro), an der die Jacobs Holding
50,1 und Klaus J. Jacobs Witwe Renata
(58) weitere 8,48 Prozent hält.
Die Ansicht, der Jacobs gern Ausdruck
gibt, ist die, dass man „ein gut diversifiziertes Portfolio“ haben müsse. Bruder
Christian (52) präsidiert der JacobsStiftung, die die Jacobs-Universität in
Bremen 2006 mit gleichsam fleischigen
200 Millionen Euro verpflegt hat.
28
Die Exbankiersfamilie von Finck gehörte
zu den Anregern und Urhebern der Münchener Rück- sowohl wie der Allianz-Versicherung und prägt seit 1911 (als Wilhelm Peter Finck nobilitiert wurde) sowohl die falschen als auch die richtigen
Vorstellungen, die sich die Leute vom
Geldadel machen.
August von Finck (84) und sein Bruder
Wilhelm, der seit 2003 nicht mehr am
Leben ist, sind die Kinder aus der ersten
Ehe des Gründersohnes August. Aus dessen zwoter Ehe indes entsprang Halbbruder Helmut (55), ein schräger Vogel.
Besagter Helmut hing einst dem bekloppt-vergötterten Bhagwan an, zappelte
in orangefarbener Kluft als Swami Anand
Nityo in Oregon herum und war auch vor
Rauschmitteln nicht gefeit. Der Vater
stufte den Spiritualisierten zum Vorerben
herunter: Das ihm zustehende Erbdrittel
sollte erst auf Swamis „männliche, blutsmäßige, eheliche Kinder“ übergehen, bis
dahin aber von seinen Halbbrüdern August und Wilhelm verwaltet werden.
Im Winter 1985 unterschrieb der bodenlose Swami Anand Nityo in all seiner
desolaten Verdutztheit eine Art Erbverzicht, stellte seinen Posten als Gesellschafter der Bank Merck Finck & Co. zur
Verfügung, erhielt fast 66 Millionen Mark
und eierte feiernd weiter, den Geist von
sonderbaren Vorstellungen umfangen.
August und Wilhelm aber gliederten
die Hinterlassenschaft soft und sachlich
und in ihrem Sinne, reihten dieses ein,
ordneten jenes zu, fächerten alles auf,
gruppierten und justierten: Land und Gut
wurden Wilhelm zugeschlagen, die Industriepakete aber dem August alloziert.
Es war ein kurioses Assortiment, dessen August habhaft wurde. Fast alles
schüttelte er jedoch ab, entfernte auch
das Herzstück der Komposition: das
Bankhaus Merck Finck & Co., das er der
Barclays Bank 1990 für 600 Millionen
D-Mark aushändigte.
Durch Vorgänge, deren Darstellung
hier zu weit führen würde, zählen zu August von Fincks irdischen Gütern heute
die Schweizer Technikfirma Von Roll, die
Wirts- und Gasthauskette Mövenpick,
eine Ration der Warenprüfungssozietät
Générale de Surveillance und vieles
mehr. Seit 2010 verkauft er Goldbarren
der Marke „Degussa“.
Mit Gattin Francine und in schicklicher Tracht herrscht der „Herr Baron“
oben auf Schloss Weinfelden im Schweizer Kanton Thurgau, wo er sich eines
Gefühls des Hochmuts und der Erhabenheit nicht immer erwehren kann. Ihre
Söhne tragen Namen wie Jungxylophonisten: Luitpold Ferdinand (42), Maximilian Rudolf (44), August François (46).
Seit einigen Jahren hat der Baron wieder Ärger mit Swami, genannt Helmut. Er
wirft seinem Halbbruder vor, ihn 1985
übers Ohr gehauen zu haben: Er sei anno
Tobak gar nicht zurechnungsfähig, seine
Abspeisung mithin sittenwidrig gewesen.
Wie sicher sich der Swami seiner Sache
ist, kann man nicht beurteilen. Auf die
Idee, nicht ganz dicht gewesen zu sein, ist
er ziemlich spät gekommen.
Nach eigener Rechnung stünden ihm
760 Millionen Euro zu, womöglich mehr.
Denn August und Wilhelm hätten durch
den Verkauf von Merck, Finck & Co. an
Barclays gegen den Letzten Willen ihres
Vaters verstoßen, der angeordnet hätte,
die Bank im Familienbesitz zu belassen.
Das LG München ist mit der Sache befasst. Wir sehen dem Treiben von Halbbrüdern, die sich um ihr Erbteil balgen,
mit lässiger Ungerührtheit zu.
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Verwirrte Frau mit
Hut Als Adi Furler
noch kommentierte,
galten Galopprennen
in Iffezheim als
Weltereignisse. Heute
kann der Pferderennsport nur mit
Hilfe von Gönnern wie
Andreas Jacobs (M.)
überleben, der sich
hier mit Hengst-Besitzer Klaus Allofs (l.)
berechtigterweise des
Lebens erfreut.
24
Foto: picture alliance / GES-Sportfoto
Andreas und Thomas Strüngmann
Athos, München; Santo, Holzkirchen.
4,25 Milliarden Euro
Vor neun Jahren verkauften die Strüngmann-Zwillinge Andreas und Thomas
(64) ihre unter dem unschönen Namen
Hexal in Holzkirchen eingesessene Generika-Fabrik (eine Erzeugungsstätte
von Nachahmermedikamenten, also solchen, deren Patentschutz abgelaufen
war) für die Unsumme von 5,65 Milliarden Euro an die verschwendungssüchtige Novartis-Gruppe aus der Schweiz.
Eine beträchtliche Komponente des
Verkaufserlöses steckten die Brüder in
Gründe, Böden und Gebäude: auf fruchtbare, einbringende Weise in Asien, auf
fruchtlose, abträgliche bei der IVG Immobilien in hiesigem Gefilde.
In Bad Wiessee hat sich Thomas
Strüngmann darüber hinaus das Spielbankgelände angeeignet, das benachbarte „Haus des Gastes“ gleich dazu und
schließlich auch noch das Hotel Wittelsbach daneben. 4,76 Millionen Euro soll
die 11.600 Quadratmeter große Fläche
am Tegernseeufer gekostet haben.
Während unsereiner unter der Birke
liegend den Ruf des Zeisigs einstudiert,
sehen sich die Strüngmänner von Investitionslust gepackt und in Anspruch genommen. Ihre Vermögensverwaltung
Athos und ihr Starbeteiliger Santo haben
Einlagen vorzüglicherweise in Biotechnik-Unternehmen und Generika-Hersteller (Gesamtumsatz: über 210 Millionen Euro) deponiert, vor allem in solche
südamerikanischen Ursprungs.
Es gibt sechs Kinder, die eines Tages
das Erbe wohl weitgehend unter sich
ausmachen werden.
SEPTEMBER 2014
Die Weltrangliste Vermögen in Mrd. €
Carlos Slim Helú (Mexiko) Telmex, América Móvil
Bill Gates (USA) Microsoft
Warren Buffett (USA) Berkshire Hathaway
Amancio Ortega (Spanien) Zara
Larry Ellison (USA) Oracle
...
24. M.-E. & Georg Schaeffler (D) Schaeffler, Continental
60,80
59,40
51,20
46,30
39,40
21,50
Quelle: BILANZ
25
30
Andreas von Bechtolsheim
Arista Networks, Santa Clara; Google, Mountain View
4,1 Milliarden Euro
Heinz-Hermann Thiele
Knorr-Bremse, München
3,6 Milliarden Euro
1982 hatte der damals 26-jährige Informatiker Andreas Maria Maximilian
Freiherr von Mauchenheim, genannt
Bechtolsheim, mit drei Studienkollegen
das Stanford University Network gegründet, abgekürzt SUN, aus dem sich
später die Firma Sun Microsystems auseinanderfaltete, die Arbeitsplatzrechner
verfertigte, an die Börse ging und heute
ein Element von Oracle ist.
Auch später gründete dieser Sachkundige immer wieder Computerfirmen, die
er mit Höchstgewinnen versilberte. Er
bewegte sich im Zickzack und in Achterfiguren vorwärts und kam fast überall als
Erster an. Die Begebenheit, wie er zwei
Stanford-Studenten für ihren geplanten
Suchautomaten einen Vertrauensvorschuss über 100.000 Dollar ausstellte,
gehört im Siliziumtal zur Volkskunde und
wird den Gören schon in der Vorschule
erzählt. Sein Prozent an Google hat einen
Wert von derzeit 2,6 Milliarden Euro.
Munteren Progress erzielt Andy heute
mit seiner Firma Arista, die Netzwerkschalter zubereitet, und mit seinem Beteiliger Highbar Ventures, dessen Geldausgaben sich mit der glücklichsten Regelmäßigkeit als erfolgreich erweisen.
In über 100 Firmen arbeiten seine Dollars, nie gammeln sie einfach nur herum.
Junges Volk drängt ihm nach: „Andy,
Andy!“ rufen die Landeskinder.
Die Quellen, aus denen seine Eingebungen fließen, kennt jeder: Es sind die
Gescheitheit, der Witz und der Fleiß.
Bechtolsheim ist bereit, in jedem Erfolg
einen Grund zu erneutem Aufbruch zu
sehen. Dieses Glückskind mit dem erd-entrückt-vergeistigten Appeal, das wie
aus klarerem Stoff gebildet zu sein
scheint, weiß, welche Geschäftsideen
etwas taugen und welche läppisch sind.
In einer Welt, in der es prestissimo, rapide und gar nicht schnell genug gehen
kann, gehört der 73-jährige Heinz-Hermann zu den großen Bremskräften und
stärksten Verzögerern: Niemand hat sich
um Stopp und Stillstand und das Stehenbleiben als solches so verdient gemacht
wie dieser Jurist und Stratege, der 1969
bei Knorr-Bremse als Sachbearbeiter in
der Patentabteilung anfing und das Unternehmen mit der Hilfe Gottes und eines Millionenkredits der Deutschen Bank
Mitte der 80er-Jahre der entzweiten Eignerfamilie aus dem Kreuze leierte.
Inzwischen ist Knorr-Bremse amtierender Weltmeister in der Herstellung
von Eisenbahn- und Lkw-Bremsen. Thiele, den das Gewerbe gekältet und gehärtet hat und der seit 2007 den Aufsichtsrat führt, kann mit Selbstgefälligkeit
agieren. Man sieht dieses Verhalten einem Mann in dieser hervorgehobenen
Position gerne nach. Ja, man vermisste
es, legte er es nicht an den Tag.
Zuletzt hoben die Münchner, erfolggekrönt in China und im Geschäft mit
Hochgeschwindigkeitszügen, ihr Revenue auf 4,3 Milliarden Euro an; der
Auftragseingang (plus 20 Prozent) ist so
begeisternd, dass Anti-Arroganz-Seminare angeboten werden.
Weil Heinz-Hermann Thiele das Geschäftemachen so leicht von der Hand
geht, kaufte er sich privatim bei der Unternehmung Vossloh ein, die solche Erzeugnisse wie Spannklemmen und Weichen sowie Straßen-, Schwebe- und Eisenbahnen fabriziert. Thiele hält 25,14
Vossloh-Prozente in Händen und führt
auch dort den Aufsichtsrat. Die Vossloh-Aktie aber bereitete zuletzt nur denjenigen eine Freude, die auf fallende
Kurse gewettet haben.
29
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Deutschlands Geldaristokratie Vermögen in Mrd. ¤
Familie August von Finck vormals Merck Finck & Co.
Andreas von Bechtolsheim Arista Networks, Google
Wilhelm von Finck jr. vormals Merck Finck & Co.
Georg von Opel vormals Opel, Paramount Finanz
Elisabeth von Auersperg-Breunner Fides
Familie von Metzler Bankhaus B. Metzler
Familie zu Waldburg-Zeil Waldburg-Zeil
Albert von Thurn und Taxis Thurn und Taxis
Familie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg Sayn-Wittgenstein
Anton Wolfgang von Faber-Castell Faber-Castell
4,50
4,10
1,85
1,45
1,35
0,90
0,65
0,50
0,50
0,40
Alexandra
Schörghuber Die
Pastorentochter und
Hotelkauffrau führt
seit 2008 die Firma
ihres verstorbenen
Mannes Stefan. Sie
entpuppte sich als
unternehmerische
Naturgewalt. Die
Firmengruppe steht
heute da wie eine
Zwei plus.
Quelle: BILANZ
31
31
34
Karl-Heinz Kipp
vormals Massa-Märkte, Alzey
3,5 Milliarden Euro
Familie Haub
Tengelmann, Mülheim
3,5 Milliarden Euro
Alexandra Schörghuber
Schörghuber, München
3,4 Milliarden Euro
Der créateur der früher nicht unbeliebten
Massa-Verbrauchermärkte lebt heute auf
den Dächern seiner Fünf-Sterne-Hotels
„Tschuggen“ oder „Eden Roc“ in Arosa
beziehungsweise Ascona. Er lebt dort
nicht wie ein Storch in einem Nest, sondern wie ein Kauz in einem Penthaus.
Für den 90-jährigen Kipp, der die
Reize eines gepflegten Urlaubs im Gebirge mit der Traulichkeit des eigenen
Zuhauses verbindet und sich zudem
einer Fernsicht erfreut, der er Andacht
und Studium widmen kann, sind dies
jedoch beileibe nicht die einzigen
Logiermöglichkeiten.
Ihm gehören geradeso und gleichermaßen das Fünf-Sterne-Quartier „Carlton“ in St. Moritz, eine Anlage zum Verstummen, und weitere Karawansereien
auf Vier- und Drei-Stern-Ebene. Auf die
Frage, wie viele Milliarden er besäße,
zitiert ihn die Mainzer Allgemeine mit den
fidelen Worten: „Ich bin immer noch
nicht mit dem Zählen fertig.“
Wie Giacometti, der am häufigsten
gelobt wird für seine schlechtesten Werke, ist Kipp gar nicht sosehr im Einzelhandel als auf dem Gebiet des Immobilienwesens eine landauf, landab respektierte Autorität. Als er seine Massa-Märkte
verkaufte, behielt er nämlich den Daumen
auf den Läden selbst: Noch bis 2015 kassiert er 90 Millionen Euro Miete im Jahr.
In Manhattan sind sieben Wolkenkratzer auf seinen Namen zugelassen,
und in Alzey bei Worms ragt das „HanniKipp-Haus“ in den Himmel der Pfalz,
eine unter Vierjährigen hochgeschätzte
und -gelobte Kindertagesstätte. Kipp
spendierte zwei Millionen Euro für den
Bau und den Kosenamen seiner Frau
Hannelore (87), mit der er die geraume
Zeit von über 60 Jahren verheiratet ist.
Möchte man die 500 Supermärkte Kaiser’s Tengelmann (Umsatz: 1,94 Milliarden Euro) geschenkt bekommen? Nein,
möchte man nicht. Denn die Läden sind,
was man problematisch nennt. 27 Filialen haben bereits dieses wächserne Aussehen angenommen, das auf nichts Gutes hindeutet. Aber verschenken will
Karl-Erivan Haub (54) die kaputte Anlage
ja sowieso nicht.
Anderes nähme man ihm gerne ab:
den Textildiscounter Kik zum Beispiel
oder die Obi-Baumärkte. Denn die machen gute Geschäfte und wecken zarte
Sinneslust. Nur ihretwegen konnte die
Tengelmann-Gruppe (Umsatz: 7,82 Milliarden Euro) insgesamt etwas aufquellen. Auch die Immobilienfirma Trei Real
Estate und die Beteiligungen am Ein-Euro-Verhökerer Tedi und die mehrheitlich
zu Edeka gehörende Billigkette Netto
lassen Kenner mit den Zungen schnalzen. Gerne haschte man auch nach
Haubs Kleinanteil am Modehändler Zalando, weil der nicht so viel Arbeit macht.
Aber Kaiser’s Tengelmann? Lieber nicht.
Haub ist ein großer Russland-Freund:
„Es ist eines der finanziell solidesten
Länder überhaupt mit nur zehn Prozent
Staatsverschuldung.“ Zumal für Obi sieht
er dort Chancen. In Deutschland „gibt es
immer noch zu viele Baumärkte“.
Vierjährlich lassen sich die Deutschen
im Sommer besonders dann volllaufen,
wenn bei Fußballweltmeisterschaften
die Sonne scheint. So wie in diesem Jahr.
„Unglücklich ist in der Brauwelt derzeit
niemand“, sagt Klaus Naeve (66), Leiter
der Schörghuber-Organisation, zu der
unter anderem die Brauereien Paulaner,
Hacker-Pschorr, Kulmbacher und Fürstenberg gehören.
Ihre Biergeschäfte versammelt die
Gruppe gemeinsam mit der holländischen Heineken-Brauerei in der etwas
lustlos klingenden Brau Holding International, an der die Bayern 50,1 Prozent
der Anteile besitzen. Der Umsatz wurde
für 2013 mit 599 Millionen Euro angegeben. Viel mehr werden es heuer aber auch
nicht, trotz des Sauf-Julis: denn der Durst
auf Bier geht ja allgemein zurück.
Insgesamt zogen die Einnahmen um
zehn Prozent an. Sie werden mit 740 Millionen Euro beziffert. In globo kommt die
Vereinigung auf etwa 1,34 Milliarden und
einen Gewinn von 148 Millionen Euro.
Der bedeutendste Erwerbszweig, das
Immobiliengeschäft, blieb wegen teurer
Aufmöbelungen wie erwartet ein wenig
hinter den anderen Sparten zurück. Verluste von 10,1 Millionen Euro schrieben
die 20 Hotels, darunter das Arabella Son
Vida und das Sheraton auf Mallorca.
Der gute Zustand der Firma ist ihrer
Eignerin Alexandra Schörghuber (56) zu
verdanken, die alles Gemurkse verabscheut. Als ihr Mann 2008 verstarb, da
hatte er ihr eine Firma hinterlassen, deren Stammbaumschema so aussah wie
der Knoten, den Seeleute als Affenfaust
bezeichnen. Schörghuber brachte dies in
Ordnung. Alles wirkt heute flott und gut
frisiert. Auch heuerte sie Naeve an, einen
guten Mann und Exsteuerberater.
30
Deutschlands größte Baumärkte
in Mrd. ¤
Umsatz 2013
Obi
Bauhaus
Toom
Hornbach
Zeus
Quelle: Dähne Verlag
3.470
2.800
2.433
2.152
2.072
SEPTEMBER 2014
Fotos: picture alliance / Eventpress Radke, DVAG
Stolzer Vater
Andreas (l.) und sein Bruder
Reinfried führen das Lebenswerk
ihres im Juni verstorbenen Vaters
fort. Der DVAG-Gründer, der
86 Jahre alt wurde, hat ein
Unternehmen von glänzendem
Gepräge hinterlassen. Nur hie und
da müssen ein paar matte Stellen
poliert werden. Der Verkauf von
Finanzprodukten ist zurzeit eine
zähe Angelegenheit.
35
37
41
Familie Kärcher
Alfred Kärcher, Winnenden
3,2 Milliarden Euro
Alexander, Marc und Oliver Samwer
Rocket Internet, Berlin
3 Milliarden Euro
Andreas und Reinfried Pohl jr.
Deutsche Vermögensberatung, Frankfurt
2,8 Milliarden Euro
Siegertypen aus Winnenden, 20 Kilometer nordöstlich von Stuttgart. Arbeiten
immer unter Hochdruck, stehen ständig
unter Dampf. Ihre Reiniger sind sagenumwoben. Allenthalben im Betrieb
zischt, sprüht, dampft, saugt, schäumt
es. 900 Geistesgrößen sind allein in der
Sektion Forschung und Entwicklung mit
dem Ausdenken immer neuer Geräte
und Schmutzlöser beschäftigt.
2013 hat Kärcher über 120 neuartige
Manufakte auf den Warenmarkt gebracht, 50 Patente angemeldet. Sauberkeit kennt keine Grenzen. Während
schwangerer als schwanger nicht geht,
geht noch sauberer als sauber sehr wohl.
Die Ausbeute steigerte sich zuletzt
um 6,5 Prozent auf alpine 2,05 Milliarden
Euro. „Kärcher ist stärker gewachsen als
der Reinigungsmarkt insgesamt“, stöhnt
Generaldirektor und Weltmann Hartmut
Jenner (48), der aus Winnenden stammt
und seit 1991 bei Kärcher arbeitet und
wahrscheinlich auch in Winnenden seinen Urlaub verbringt. Bei Konkurrenten
und Deklassierten scheut das Vieh in den
Ställen, die Vögel schrecken auf. Frauen
geraten in Hitze, wenn Jenner aus dem
Gebüsch tritt. Sein Konterfei prangt auf
allen Dampfdruck-Illustrierten.
Um den Gewinn macht Kärcher ein
Riesengeheimnis. Die Kollegen von der
Spurensicherung meinen, dass er nicht
zu knapp sei: Denn den Standort Obersontheim will Kärcher für 40 Millionen
Euro aufmöbeln, in der Nachbarschaft
des Stammsitzes ein Kundenzentrum für
29 Millionen Euro errichten.
Das 1935 von Alfred Kärcher hervorgebrachte Unternehmen gehört seinen Kindern Johannes Kärcher (63) und Susanne
Zimmermann von Siefart (57), zwei von
Natur aus diskreten Personen.
Ein Unternehmen, das mit seinen Zahlen
gleichsam trillert, ist Rocket Internet aus
dem Hause der Samwer-Brüder Alexander (39), Marc (43) und Oliver (41). 333
Millionen Euro bezahlte der philippinische Telefonierladen LDTC im August
für ein Zehntel an dieser Anstalt, die sich
auf Beteiligungen an Internetfirmen spezialisiert hat und deren 70 unterhält.
Wenige Tage später absorbierte Ralph
Dommermuth (Vermögen: 2,65 Milliarden Euro) seinerseits 10,7 Prozent zum
Preis von nun schon 435 Millionen Euro.
Im Herbst soll Rocket Internet an die
Börse bugsiert werden. Die Philippinos
und Dommermuths United Internet sorgen für eine gewisse Veredelung des Aktionärskreises. So entfacht man Verlangen und Begierde auch bei anderen
Bevölkerungsschichten.
Die hiesige Nerd-Szene (vom Selbstbeweihräucherungszwang gemartert)
weiß noch nicht so genau, was sie von
den Samwers halten soll. Die Brüder gelten als unternehmerische Leichtgewichte, die außer Finanzartistik wenig zu
bieten haben. Denn die hervorbringenden Kräfte des Schöpfertums sind ihnen
nicht gegeben, sie stellen nur Geschäftsmodelle nach oder finanzieren deren
Zweit- und Drittanfertigung, statt selbst
einmal ein neues zu erfinden, ganz zu
schweigen vom Missklang jenes protzenden Provinzialismus‘, der in einem Namen wie „Rocket Internet“ widerhallt.
Der Modeversand Zalando, vor seinem geplanten Börsengang auf 3,8 Milliarden Euro taxiert, ist auch nur so ein
Imitat (der US-Firma Zappos). An Zalando halten die Samwers 17 Prozent, an
Rocket Internet deren 58,7. In diesem
Jahr empfingen sie zudem eine Gewinnausschüttung über 287 Millionen Euro.
Am 12. Juni dieses Jahres hörte das Herz
von Reinfried Pohl nach 86 Jahren auf
zu schlagen. Der Gründer dieses als
Strukturvertrieb verwirklichten Einzelhändlers von Finanzprodukten war nicht
nur einer der tüchtigsten Verkäufer des
Landes, ein Unterstützer von Medizin
und Rechtswissenschaft, sondern bis zu
dem Tag, da ihn sein „Herrgott“ abrief,
auch Vorstandschef, Leit- und Identifikationsfigur seiner DVAG.
Trickreich und stets auf dem Posten,
bekannt nicht nur für seine kulante Konduite, wirkte Pohl auch vorzüglich, was
die Geselligkeit im Allgemeinen betraf:
Wenn er Partys schmiss, dann stiegen sie
in der Frankfurter Festhalle oder gleich
in der Köln-Arena. Er brauchte Platz.
Seine 25.000 Vertreter wollten mitfeiern
und auch Einpeitscher wie Helmut Kohl
oder Angela Merkel, Jogi Löw oder Michael Schumacher.
Pohls Söhne Andreas (49) und Reinfried (54), die seit 30 Jahren an der Seite
ihres Vaters gelernt und gestanden, ihn
entlastet und vertreten hatten oder ihm
als Sekretäre zur Hand gegangen waren,
lenken fortan in gleichberechtigter Manier das Geschick der Familienholding,
die 60,1 Prozent an der DVAG besitzt.
Die italienische Versicherung Generali beansprucht den restlichen Part,
aber nur 30 Prozent des Gewinns. Denn
mehr konnte der alte Fuchs ihr unmöglich zugestehen.
Unter der alleinigen Regie von
Andreas Pohl steht die DVAG nunmehr
selbst, deren Umsätze nach jüngster Kalkulation von 1,19 Milliarden auf 1,13 Milliarden Euro abscheuerten. Auch der
Gewinn erschlaffte von 185 Millionen auf
176 Millionen Euro. Macht nichts. Den
anderen erging es wenig besser.
SEPTEMBER 2014
31
Fingerzeig
Die Schauspielerin
Maria Furtwängler
und ihr Mann Hubert
Burda, der Verleger,
Trompeter, Kunsthistoriker, FocusErfinder, Tempelfreund, Exboxer
und GelegenheitsHirnforscher. Wenn
Burda loslegt, dann
ist auch was fällig.
46
51
53
Familie Hubert Burda
Hubert Burda Media, München
2,6 Milliarden Euro
Familie Stihl
Stihl, Waiblingen
2,4 Milliarden Euro
Familie Weiss
SMS, Düsseldorf
2,35 Milliarden Euro
Ob man dieses Unternehmen, dessen
Fassungsvermögen sich 2013 um 6,6 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro ausgeweitet
hat, noch als Verlag bezeichnen darf,
müssen Linguisten entscheiden. Die
Münchner verbreiten 440 Medien,
gedruckt und digitalisiert, aber die
Zahlungseingänge aus dem E-Handel
stiegen erneut auf unverhältnismäßige
Weise: Der Gerätehändler Cyberport
verschärfte seine Einnahmen zwischen
2011 und 2013 um paranormale 50 Prozent auf 548 Millionen Euro; ebenso
unerklärlich verläuft die Entfaltung des
Tierbedarfversenders Zooplus, der seinen Umsatz binnen eines Jahres um
geradezu empörende 27 Prozent auf 427
Millionen Euro anschüttete. Das meiste
Geld verdient Burda aber immer noch
mit Papierwaren, zu denen u.a. Focus,
Elle und Bunte gerechnet werden.
Verleger Hubert Burda (74), der in
einer Welt erlesener Gegenstände lebt,
hat sich 2009 auf männlich-unbekümmerte Weise entmonumentalisiert und
die Betriebsleitung an Paul-Bernhard
Kallen (57) übertragen, einen exzellenten Manager. Burda selbst wirkt seither
durch Appeal und Air. Diese Wirkungsweise ist nicht jedermann gegeben.
„Klar treffe ich keine Grundsatzentscheidungen ohne den Eigentümer“,
hört man Kallen mit kalter Lässigkeit
sagen. „Das hat etwas mit Anstand zu
tun. Ich kann ja schlecht sein Geld für
etwas ausgeben, was er gar nicht möchte.
Wäre ja verrückt.“
Vor vier Jahren hat Burda, über dessen Leben man durchaus mal einen Film
drehen sollte, seinen Kindern Jacob (24)
und Elisabeth (22) jeweils 20 Prozent an
seiner Holding überlassen. Ehefrau Maria Furtwängler (48) ging leer aus.
„Sägen“ - ein schönes Wort, genau so
schön wie „lieben“, vom Sound her vielleicht sogar noch grooviger. Die Freude
war jedenfalls riesengroß unter all den
Zerkleinerern, die sonntagmorgens losziehen, um ein paar Wäldchen zu splittern: Denn der Weltrekordhalter im Motor- und E-Sägenbau, die Firma Stihl, so
lasen sie in den Fachorganen, wolle künftig Karbon und Titan zum Einsatz bringen, zwei Stoffe, die so leicht sind, dass
sie ständig wegwehen. So lässt sich’s
ziemend holzen im Gehölz, und man ist
nicht schon vom Schleppen schlapp.
Die Waiblinger Stihlisten genießen
erdumfassende Wertschätzung, niemand
in der Zunft kommt ihnen gleich. Wo gerodet und gefällt wird, da nur mit Stihl.
Doch bei der Umsatzermittlung kamen
die Zähler zuletzt schon bei 2,8 Milliarden
Euro nicht weiter. Die Buchhalter seufzten „Das ist ja kaum mehr als letztes Jahr“
und zählten zur Sicherheit noch einmal.
Aber es stimmte: Bei Stihl stockt’s und
staut’s. Wegen der Währungsunruhen
habe man Sägen unterm geplanten Preis
verkaufen müssen. Aber der Gewinn sei
immerhin hoch, behaupten die Jungs vom
Erkennungsdienst: Stihl habe alle großen
Erledigungen – über 200 Millionen Euro
– in bar bezahlt und dem Personal eine
Gewinnbeteiligung von zehn Prozent für
seine Genussrechte zugeschanzt, im
Stammhaus eine Zulage in Höhe von 57
Prozent eines Monatsgehalts gewährt.
Den Besitz des 1926 gegründeten Unternehmens teilen sich die Familien des
großen Hans Peter Stihl (82, der das Fantasie-Amt des Ehrenvorsitzenden ausfüllt) und seiner Geschwister Rüdiger
Stihl, Eva Mayr Stihl und Gerhild Schetter. Den Aufsichts- und Beiratsvorsitz hat
Hans Peter Stihls Sohn Nikolas (54) inne.
Heinrich Weiss (72) ist mit seinem
54-Prozent-Anteil auch der Oberaufseher
dieses fabricateurs von Stahl-, Walz- und
Röhrenwerken le plus grand du monde.
1871 von seinem Urgroßvater gegründet
und eigentlich als Schmiede angedacht,
befindet sich SMS (Umsatz: 3,3 Milliarden Euro) gegenwärtig nicht in der allerbesten Verfassung: Der Laden läuft nicht
tipptopp. Dieses Urteil ist wohl angebracht, ohne befürchten zu müssen, sich
eine Gegendarstellung einzuhandeln.
Der Gewinn, von dem die Familie allenfalls den Zehnten einbehalten darf,
zersetzte sich um fast ein Drittel auf
178 Millionen Euro: Russland, Ukraine,
Stahlkrise überhaupt. „Wir liegen weit
unter Soll und hoffen, dass wir noch aufholen können“, ließ Weiss hören.
Das Unternehmen hat zwar genug
Fett angesetzt, 1,6 Milliarden Euro liegen
auf dem Konto. Aber Weiss, der Könner,
fühlte sich veranlasst, sich sicherheitshalber zu reaktivieren. Fast täglich marschiert er jetzt ins Büro, denn es ist Not
am Mann. Zum Glück ist „HW“, wie sein
internes Kürzel, in guter Form und bissig
wie einst im Mai.
Im März wechselte er seinen Firmenchef aus, weil der „den Sack einfach nicht
zumachte“ (F. Beckenbauer). Bei der
Fertigung sollen künftig 250 Millionen
Euro eingespart, das Walzen und Kochen
von Stahl und Röhren vereinfacht und
betriebsbedingte Kündigungen (im
Stahlwerkbau) zumindest in Erwägung
gezogen werden. Auch im Einkauf will
Weiss haushälterischer vorgehen. Denn:
„Wachstum ist nicht alles, der Gewinn
muss stimmen.“
Seine Schwestern haben ihre 46 Prozent an SMS vorsorglich schon mal an
ihre sieben Kinder weitergereicht.
32
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Foto: picture alliance / dpa, Getty Images
Aufheizer
Der Wärmetechniker
Martin Viessmann
(r.) unterstützt den
Wintersport mit
Millionenbeträgen.
Ein kluger Schachzug,
denn Hitze kommt
erst bei Kälte zur
Geltung. Ordnungsgemäß verkleidet,
zeigte er sich in
Sotschi mit dem
IOC-Präsidenten
Thomas Bach.
Die reichsten Düsseldorfer in Mrd. ¤
Familie Weiss SMS
Familie Droege/im Brahm-Droege Droege
Christoph Henkel Henkel
Brüder Reppegather Centrum
Familie Harro Uwe Cloppenburg P&C (West)
2,35
2,15
1,65
1,15
1,00
Quelle: BILANZ-Recherche
53
55
59
Martin Viessmann
Viessmann, Allendorf
2,35 Milliarden Euro
Bruno Steinhoff
Steinhoff, Johannesburg
2,2 Milliarden Euro
Walter Droege und Hedda im Brahm-Droege
Droege, Düsseldorf
2,15 Milliarden Euro
Martin Viessmann (60), Düsenpilot mit
Verkehrsflugzeugführerschein und Besitzer der größten Mercedes-Kollektion
außerhalb von Untertürkheim, hat die
Einnahmen seiner Heiz- und Klimatechnik-Sozietät letzthin um fast zehn Prozent auf geradezu schamlos aufdringliche
2,1 Milliarden Euro erhitzt. Es keimt,
braut und treibt wie im Orchideenhaus.
Doch Bosch („Junkers“, „Buderus“) und
Vaillant liegen in Europa trotzdem immer noch vorn.
Um seine Tabellensituation zu verbessern, errichtet Viessmann – dieser
Rationalist alter Schule – eine 50 Millionen Euro teure Temperaturerforschungsanstalt, deren Labore ausgestattet sind mit allem Firlefanz der
Neuzeit.
Wie jeder Stratege ist auch der Heizer
aus Hessen ständig in Regung und Bewegtheit, treppauf, treppab, klettert in
der Buchhaltung umher, von Unrast getrieben, exerziert mit seinen Direktoren,
drillt die Sekretäre, mit rasender Umsicht wirtschaftend wie eine gute Stationsschwester. Denn bei Viessmann
herrscht, laut Firmenmotto, ein „Climate of Innovation“.
Einen Begriff von seiner inneren Unruhe geben seine Oldtimer und Flugzeuge (Cessna Citations), verziert mit den
Firmenfarben Rot und Grau. Weil Allendorf über keinen Bahnhof, geschweige
einen Autobahnanschluss verfügt, legte
Viessmann einen Flugplatz neben dem
Firmengelände an. Denn er muss sich in
allen Niederlassungen zeigen. Viessmann
verfügt über deren 120 in 74 Ländern.
2018 will der Alte die Leitung der 1917
gegründeten Firma Tochter Katharina
(27, Betriebswirtin) oder Sohn Max (24,
Wirtschaftsingenieur) anvertrauen.
Außerhalb der Mobiliarbranche erhält
die Welt nur gedämpfte Kunde von Bruno Steinhoff (75), einem Bauernsohn aus
Oelde in Westfalen, der 1964 einen Möbelhandel eröffnete und Stühle, Tische,
Betten, Sofas aus DDR und Ostblock
einführte, seine Fertigkeiten später um
die Herstellung von Polstern erweiterte,
nach der Wiedervereinigung auch Zulieferer in Ostdeutschland und -europa an
sich riss und eines schönen Tages den
Textilfabrikanten Claas Daun (Vermögen: 300 Millionen Euro), mit dem er auf
herzlichstem Fuße verkehrt, frug, ob
man nicht eine Gemeinschaftsfirma in
Südafrika instituieren wolle.
Steinhoff entfachte viele kleine Wirbelwinde. Er hat Edelboutiquen für Hausrat
in London und Paris eröffnet, immer auf
dem Quivive, gewiss, aber das Volksgeschäft mit Möbeln zu Pappenstielpreisen
ist bis heute seine Spezialität geblieben.
Dank der Entschiedenheit seines Charakters hat er seine Dachgesellschaft von
vornherein in Südafrika festgesetzt: Sie
nennt auch Kiefernwälder ihr Eigen, Sägewerke, Spanplattenhersteller, Speditionen und Immobilien. Seit 1998 ist das
weltweit tätige Unternehmen (Umsatz:
rund sechs Milliarden Euro) an der Johannesburger Börse registriert und dort
zurzeit mit einem Wert von 8,8 Milliarden Euro veranlagt. Seine BS Beteiligungs- & Verwaltungs-GmbH hält noch
8,1 Prozent. Seit seinem Rücktritt als
Chef 2008 ist Steinhoff Aufsichtsrat.
Zumal solche Unternehmen wecken den
Appetit des Firmenverschlingers Walter
Droege (61), deren Manager schon die
Blicke stieren Ausdrucks zeigen, weil sie
mehr brauchen als ein Bier, um in Fahrt
zu kommen. Einmal in seinen Besitz gebracht, unterzieht Droege die Betriebe
verschiedener Spezialbehandlungen, die
Körperschaften schwächerer Konstitution zweifellos ins Grab bringen würden,
sich hier aber gerade noch so eben als
heilsam erweisen.
An 125 Firmen in 30 Ländern soll der
Heiler beteiligt sein, ihre Einnahmen beziffert er mit 7,6 Milliarden Euro. Einen
seiner gelungensten Streiche zeigte er vor
drei Jahren anlässlich der Mehrheitsübernahme des Arbeiterverleihs Trenkwalder
(Umsatz: rund eine Milliarde Euro) aus
Brunn am Gebirge, einer Örtlichkeit im
Bezirk Mödling in Niederösterreich.
In diesem Jahr riss sich Droege bereits den Medizintechnik-Hersteller
Hoffrichter unter die Nägel, das Sanitätshaus Nicolai-Vital-Resort und ungefähr
zwei Drittel der Pleitefirma Weltbild,
seinerzeit ein Verlags- und Buchhandelshaus der katholischen Kirche, heute zu
einem Ramschversender abgestorben.
Gemeinsam mit seiner Frau und Mitgesellschafterin Hedda im Brahm-Droege (57) und den Viehof-Brüdern (früher
Allkauf-Gruppe / Vermögen: 750 Millionen Euro) gehört ihm die Kunstsammlung Rheingold, die wohl mehr als 1.000
Werke umfasst und an deren Zusammenstellung leider auch der sogenannte
Kunstberater Helge Achenbach mitgewirkt hat, dem so einige Betrügereien
vorgeworfen werden. Die Kollektion ist
noch nie in aller Vollständigkeit ausgestellt worden. Deshalb sind weder Güte
noch Wert so einfach zu beurteilen.
SEPTEMBER 2014
In Europa rangiert sein Möbelmastodon
hinter Ikea auf Platz zwei. Er tritt in
Deutschland mit den Poco-Möbelhäusern
und in Frankreich, England und der
Schweiz mit der Conforama-Gruppe in
Aktion, die er Anfang 2011 für 1,2 Milliarden
Euro aufgesaugt hat.
33
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
DIE REICHSTEN
SIPPEN DES LANDES
Zwei-Klassen-Gesellschaft Unter den großen Familienkollektiven, deren Mitgliederzahl
teilweise in die Hunderte geht, dominieren die Porsches und Henkels das Feld. Mit weitem
Abstand folgen die Traditionshäuser Heraeus und Siemens.
1
2
Familie Porsche
Porsche, Stuttgart; Volkswagen, Wolfsburg
23,5 Milliarden Euro
Familie Henkel
Henkel, Düsseldorf
20 Milliarden Euro
Ihren inneren Zusammenhalt findet die
deutsch-österreichische Sippe der Porsches und Piëchs in ihrer Einlage bei der
VW AG, die eine Höhe von 50,73 Prozent
erreicht. Darüber hinaus sind die Familienstämme, die empfindlich auf jede
Störung der Vermögensparität reagieren,
durch Poolverträge miteinander verquickt, die sie auf Jahrzehnte hinaus oder
auf ewig zu einer Einheit verkeilen, sodass sie guten Gewissens auch gemeinsam mit 47 Milliarden Euro hätten veranschlagt werden können.
Wolfgang Porsche (71), das Haupt des
deutschen Geschlechts, waltet seines
Amtes in Österreich, auf dem etwas prekär klingenden Schüttgut in Zell am See.
Himmelan, massiv und zerklüftet ragt
das Vermögen: Zu den Liegenschaften
im Porscheland, in Reiseführern noch als
Pinzgau bezeichnet, zählen Bauernhöfe,
Wald-, Gast-, Forstwirtschaften, ein Flughafen, das Schloss Heuberg, Beherbergungsbetriebe wie Schloss Prielau, das
Peilgut auf der Areit, der Erlhof und Aberdutzende Beteiligungsfirmen. Auch viele
Skilifte, Bergbahnen und Dampfer auf
dem Zeller See tragen das Brandzeichen
der Familie. Der VW-Anteil aber bildet
die Hauptspeise mit einem veranschlagten Wert von über 20 Milliarden Euro.
Aus Sorge, Wolfgang Porsche könne
sein Vermögen steuersparend außer Landes schaffen, denn er hält es über eine
deutsche GmbH-Formation, hat der Bundestag unlängst eine Änderung des Einkommensteuergesetzes verabschiedet.
In den sechs Jahren, seit der Däne
Kasper Rorsted (52) den Klebstoff- und
Waschmittelkonzern („Persil“, „Pritt“,
„Schwarzkopf“) führt, sind die Einnahmen auf 16,4 Milliarden Euro gesegelt,
der Aktienpreis verdreifachte sich. Die
Kassen sind mit Melodien überfüllt,
in der Buchhaltung hört man Sektkorken knallen. Dem Mann ist wenig
vorzuwerfen. „Wir wollen Henkel bis
2016 zu einem 20-Milliarden-Konzern
machen“, sagt Rorsted wie Adalbert, der
Prosaist.
Die Düsseldorfer schämen sich nicht,
ihr Wachstum vermöge einiger Einkäufe
zu gewährleisten statt aus sich selbst
heraus wie Tiere und Pflanzen. Erstaunlicherweise will sich Rorsted ausgerechnet in jenen Märkten kräftigen, die aufgrund ihrer Ausgefeiltheit und Reife
bereits zu den umkämpftesten gehören
34
– aber eben auch die höchsten Renditen
versprechen (sofern man dort die richtigen Firmen erwischt).
Die 121 Gründernachkommen halten
rund 59 Prozent der Firmenanteile und
sehen den Vorgängen und Planungen
mit Wohlgefallen zu. Auf 183 Millionen
Euro belief sich allein ihre Ausschüttung in diesem Jahr. Das Unternehmen
ist inzwischen über 30 Milliarden Euro
wert.
Größter Einzelaktionär ist Christoph
Henkel (56) mit einem um die fünf Prozent vibrierenden Bestand. Er macht sich
eine Freude daraus, gelegentlich alte Papiere abzustoßen und frische zu laden.
Damit niemand auf dumme Ideen kommt,
haben die Henkels ihren Aktienbindungsvertrag um 17 Jahre verlängert: Bis 2033
müssen mindestens 51 Prozent der Stammaktien in Familienbesitz bleiben.
Vorzeigefrau
Simone Bagel-Trah,
der Stolz der Henkels
und Aufsichtsratsvorsitzende des
Konzerns, ist die
Ururenkelin des
Firmengründers Fritz
Henkel (1848–1930).
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Jürgen Heraeus
Die fälschlicherweise ständig zum
„Top-Model“ überhöhte Eva Padberg
ist in Wahrheit nur ein Mannequin
gleichen Namens. Jürgen Heraeus
aber ist ein echter „Top-Manager a.
D.“ und seit 2008 auch Vorsitzender
von Unicef Deutschland.
Einer zweiten Laufbahn als
Rucksack-Dressman steht
überhaupt nichts im Wege.
4
Familie Siemens
Siemens, München
5,6 Milliarden Euro
3
Familie Heraeus
Heraeus, Hanau
6,4 Milliarden Euro
Foto: BREUEL-BILD/Juri Reetz, [email protected]
Bester Edelmetallhändler breit und weit:
Gold, Silber, Platin, Iridium usw.. Auch
Quarzglas, Sensoren, Knochenzemente
und Lichtquellen (Infrarot, UV) aus eigener Herstellung finden guten, derzeit jedoch keinen reißenden Absatz mehr. Aber
so was kommt in den besten Familien vor.
Die Handelseinnahmen blieben 2013
um 16 Prozent (13,5 Milliarden Euro) hinter dem Vorjahreswert zurück, doch nicht
ganz so weit hinter den Erwartungen.
Dem guten Ruf tut dies keinen Abbruch:
Wenn die Preise der Güter sinken, dann
leidet der Händler. Der Umsatz mit Eigenkreationen dezimierte sich indes auch
um zehn Prozent auf 3,6 Milliarden Euro,
was keinen guten Eindruck macht und
unbestimmte Befürchtungen erweckt. Mit
dem Verkaufserlös der Zahnersatz-Abtei-
lung, die Kleinodien wie Goldzähne fabriziert, wurde die Firmenkasse gepolstert,
der Gewinn verbreiterte sich um stattliche 217 auf 454 Millionen Euro. Eine Sonderdividende lehnten die knapp 200 Gesellschafter ab: Sie begnügen sich satzungsgemäß mit einem Viertel des
Gewinns. Geschäftsführer Jan Rinnert
(46), Schwiegersohn des Aufsichtsratschefs und Edelmetall-Magisters Jürgen Heraeus (78), hat aufs Entschiedenste
empfohlen, den Umsatz bis 2020 zu verdoppeln, und auch die Abfassung einer
Firmenstrategie bis 2051 als dringend
wünschenswert erachtet, wohl um tröstliche oder erheiternde Wirkungen auszuüben. Solche Spökenkiekereien gehören
zu den Freiheiten, die man sich als Familienunternehmer nehmen kann.
Die etwa 150 Nachfahren Werner von
Siemens’ teilen sich sechs Prozent des
Unternehmens, dessen Wert die Börse
mit rund 80 Milliarden Euro bemisst. Im
Aufsichtsrat verleiht Volkswirt Gerd von
Brandenstein (72) dem Familienwillen
Ausdruck und Farbe. Sein Mandat endet
2018. Gut möglich, dass ihn schon vorher
die Philosophin Nathalie von Siemens
ablöst, eine Ururenkelin des Gründers.
Die 43-Jährige ist Geschäftsführerin der
Siemens-Vermögensverwaltung und der
gemeinnützigen Siemens-Stiftung.
Die Firma selbst macht denselben
Eindruck wie immer: Stets geht gerade
irgendetwas schief, stets misslingt gerade ein Coup, stets ist General Electric
gerade einen Tick gewiefter, stets ist alles halb so schlimm, stets braucht die
Organisation einen neuen Zuschnitt.
Der Konzernumsatz (75,9 Milliarden
Euro) zog sich zuletzt um zwei Prozent
zusammen, als hätte man Zitronensäure
injiziert. Der Überschuss erreichte mit
letzter Kraft 4,2 Milliarden Euro.
Die 13 mächtigsten Dynastien
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
11
13
Name
Familie Porsche
Familie Henkel
Familie Heraeus
Familie Siemens
Familie Merck
Familie Haniel
Familie Freudenberg
Familie Werhahn
Familie Vaillant
Familie Röchling
Familie Miele
Familie Zinkann
Familie Hueck
Firma
Porsche, Stuttgart; Volkswagen, Wolfsburg
Henkel, Düsseldorf
Heraeus, Hanau
Siemens, München
Merck, Darmstadt
Franz Haniel, Duisburg; Metro, Düsseldorf
Freudenberg, Weinheim
Wilhelm Werhahn, Neuss
Vaillant, Remscheid
Röchling, Mannheim
Miele, Gütersloh
Miele, Gütersloh
Hella, Lippstadt
Branche
Auto, Beteiligungen, Immobilien
Klebstoffe, Waschmittel
Edelmetalle
Elektrotechnik
Pharma, Chemie
Handel
Autozulieferer, Haushaltsprodukte
Beteiligungen
Heizgeräte
Kunststoffe
Hausgeräte
Hausgeräte
Autozulieferer
Vermögen*
23,5
20,0
6,40
5,60
5,20
4,00
3,40
3,00
2,65
2,30
2,00
2,00
1,60
*in Milliarden Euro
SEPTEMBER 2014
35
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Nur noch Mittelständler
Haniel-Chef Stephan Gemkow
blickt, laut DPA-Analyse, „am
07.04.2014 im Anschluss an
die Bilanzpressekonferenz in
der Unternehmenszentrale
von Haniel in Duisburg in die
Kamera“. Dem ist nichts
hinzuzufügen - außer, dass er
es mit dem Lächeln der
Unschuld tun kann: Denn den
Mist haben ja zum Glück seine
Vorgänger gebaut.
5
6
7
Familie Merck
Merck, Darmstadt
5,2 Milliarden Euro
Familie Haniel
Franz Haniel, Duisburg; Metro, Düsseldorf
4 Milliarden Euro
Familie Freudenberg
Freudenberg, Weinheim
3,4 Milliarden Euro
Der Umsatz des Chemie- und drittgrößten deutschen Pharmakonzerns verharrte 2013 wie festgedübelt bei 10,7 Milliarden Euro. Der Nettogewinn aber verdoppelte sich auf 1,2 Milliarden Euro. Dies
ist der höchste Stand in der fast 350 Jahre
langen Betriebsgeschichte. Besonders
lukrativ gestaltet sich der Verkauf von
Flüssigkristallen, die in LED-Bildschirmen zu ausgeprägter Geltung gelangen.
In gänzlich unbescheidener Manier reklamiert Merck einen Weltmarktanteil
von 60 Prozent für sich.
Der dirigierende Vorstand Karl-Ludwig Kley (63) ist ein Fachmann für Firmenkäufe. Er geht gerne shoppen, will
Merck aber gerne auch in die Lage versetzen, etwas kraftvoller aus sich selbst
heraus zu wachsen. Ein Stärkungsprogramm mit dem bizarren Titel „Fit für
2018“ läuft seit zwei Jahren. Man wird
sehen, wie fit Kley sich dann präsentieren wird.
Als im Januar ruchbar wurde, dass
Finanzvorstand Matthias Zachert an die
Spitze von Lanxess wechseln würde,
knickte der Merck-Kurs um zehn Grad
ein wie ein Selleriestängel: „Für diese
Kursreaktion habe ich, ehrlich gesagt,
keine vernünftige Erklärung. Die Firma
hat sich durch den Vorgang überhaupt
nicht verändert“, sagte Kley reaktionsschnell, aber wenig schlagfertig.
Die rund 200 Mercks halten rund 70
Prozent der Anteile, ihnen stand 2014 ein
Gewinnanteil von 305 Millionen Euro zu.
Auf mittlerweile 650 Gesellschafter vermehrt hat sich die Anzahl der eminent
fortpflanzungswilligen Haniel-Teilhaber.
Viel Vergnügen unternehmerischerseits
finden sie jedoch nur noch selten. Nachdem ihr Unternehmen 2007 seinen Anteil an der Metro aus unerfindlichen
Gründen auf 34 Prozent fast verdoppelt
hatte, war es in Stockungen und Krämpfe
verfallen.
Noch ofenwarm und kaum im Amt
musste der neue Vorstandschef Stephan
Gemkow (54) 2013 gleich einen Verlust
beichten, Firmen abwerten, die Dividende streichen und in diesem Jahr den
Pharmagroßhandel Celesio für zwei Milliarden Euro verkaufen. Mit einem Umsatz von 3,6 Milliarden und einem Überschuss von 267 Millionen Euro hat sich
Haniel zu einem Weltergewichtler gehungert. „Wir sind im gehobenen Mittelstand angekommen“, sagt Gemkow.
Die Abhängigkeit von der müden Metro aber sticht, zieht und bohrt weiterhin. Denn die übrigen Gewerbe sind
nicht, was man unter Zukunftsindustrien
versteht: der Waschraumhygiene- und
Berufsbekleidungsversorger CWS-Boco,
der Büroversand Takkt und der Rohstoffhändler und der Wiederverwerter ELG.
Gemkow will versuchen, in den USA
Boden zu gewinnen: „Uns interessieren
zum Beispiel leichte Produktion und
technische Dienstleistungen.“ Er will
zukaufen, vom Handel aber unbedingt
die Finger lassen.
Die vor 165 Jahren als Gerberei in Szene
gesetzte Firma stellt heute Dichtungen,
Filter, Schmierstoffe, Trennmittel für die
Auto-, Süßwarenindustrie und Schifffahrt sowie Vliesstoffe („Vileda“) für
Putz-Boys her.
Rund 330 Freudenberger, im Gesellschafterausschuss künftig vom Anwalt
Martin Wentzler (61) vertreten, einem
Ururenkel des Firmengründers Carl Johann F., begossen zuletzt ein Umsatzwachstum von 6,7 Prozent auf 5,65 Milliarden Euro. Vierter Rekord in Folge. Der
Jubel war groß. Aber auch nicht zu groß.
Man will die Rivalen nicht aufreizen und
weiß ja auch um die Schwächen des eigenen Haushalts.
Die Organisation hat über die Jahre
viel Weichfett angesetzt, wirkt gelatinös
und quallig und wenig attraktiv auf Frauen und Nachwuchstalente. Firmenchef
Mohsen Sohi (55) will die Dinge klären
und vereinfachen und hat auf zeittypische Weise eines dieser Effizienzprogramme aufgebracht („Fokus 2.0“), um
„die Qualität von Entscheidungen zu
verbessern“, also auch die seinen.
Einiges muss zusammengeschlagen,
anderes aufgelöst, die mannschaftliche
Geschlossenheit insgesamt gestärkt werden. Man hört, dass Sohi 500 Millionen
Euro investieren wolle, viel davon in die
Forschung. Auch die Marke „Freudenberg“ soll fanfarenhaft für Unruhe bei
den Wettbewerbern sorgen, rohen, unbewussten Gesellen ohne Feingefühl.
36
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Oberstes Gebot Vaillant-Chef
Carsten Voigtländer zeigte sich
euphorisiert angesichts des
sogenannten Deutschen
Nachhaltigkeitspreises, den sein
Unternehmen diverse Male
entgegennehmen durfte.
Langfristigkeit hat Priorität bei
den Remscheidern. Die
Nachhaltigkeitskavallerie reitet
ohne Umweg zu Voigtländer, sie
untersteht nur ihm: „Chefsache“.
8
9
10
Familie Werhahn
Wilhelm Werhahn, Neuss
3 Milliarden Euro
Familie Vaillant
Vaillant, Remscheid
2,65 Milliarden Euro
Familie Röchling
Röchling, Mannheim
2,3 Milliarden Euro
Über 100 Unternehmen gehören zur Organisation der 350 Werhähne, darunter
der Messer- und Töpfefabrikant Zwilling,
einige große Baustoffhersteller und
-händler (Schiefer, Asphalt), Steinbrüche
verschiedenen Inhalts, aber auch eine
nervöse Finanzsparte mit Instituten wie
der ABC-Gruppe. Genug hatten die
Neusser vom Mehl- und Mühlengeschäft
(Diamant), weshalb sie es verkauften.
Die Einnahmen bauschten sich zuletzt um rund fünf Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Man wolle die „Wachstumsfelder deutlich ausbauen“, und zwar
„durch internes und externes Wachstum“, sagt Vorstandssprecher Anton
Werhahn (56) seltsam unentschlossen.
Die Heiz- und Lüftungstechniker haben
im Mai beschlossen, ihre Geschäfte vor
allem in Russland zu vervielfältigen. Ob
das eine gute Idee war, wird man sehen.
Auch in China will man sich ja breiter
machen und neue Provinzen einnehmen,
auch von Tibet ist die Rede. „China wird
sich dem Thema Umwelt stellen müssen“,
sagt Firmenchef Carsten Voigtländer (50)
in schneidend kalter Weise.
Die 48 Aktionäre der Gesellschaft hören den Plänen ihres Geschäftsführers
mit Langmut und Abgeklärtheit zu. Unter
den größten Unternehmen Deutschlands
liegt Vaillant mit einem Umsatz von
knapp 2,4 Milliarden Euro zufrieden auf
Rang 210.
Aus dem bombastischen Industriekombinat, das die Kohlehändler und späteren
Stahlbarone von der Saar einst zusammengeschweißt und -genietet hatten, ist
wenig geblieben. Seit dem Verkauf der
Rüstungssparte (Rheinmetall) findet
man nur noch eine Kunststoffverarbeitungsanstalt, wenn man nach Röchling
fragt. Die verfügt allerdings über den
besten Ruf. Das muss man zugeben.
Die Firma, im Besitz von etwa 200 Verwandten, von denen nur vier „Röchling“
heißen, wächst zügig, zuletzt um 7,5 Prozent auf 1,28 Milliarden Euro Umsatz. Zur
Habe gehören Bauten, Böden und Gründe, denn die wurden bei der KonzernMiniaturisierung nicht mitverkauft.
11
Fotos: picture alliance / dpa , picture alliance / Hans-Joachim Rech
Familien Miele und Zinkann
Miele, Gütersloh
jeweils 2 Milliarden Euro
Im Verhältnis 51,1 zu 48,9 teilen sich ungefähr 70 Mieles und Zinkanns seit Anbeginn aller Zeiten diesen fabelhaften
Hersteller von Gerätschaften, die jeder
kennt und deren Güte unübertroffen ist
und die deswegen hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden müssen.
Miele-Erzeugnisse zeichnen sich
durch Höchstpreise aus und die Eigenschaft, praktisch unzerstörbar zu sein.
Wer eine Miele-Maschine besitzt,
braucht entweder nie Ersatz oder kann
sich keinen leisten. Kurz, Miele zeichnet
sich durch ein Wachstumstempo aus, das
mit dem Attribut Larghetto nicht unzutreffend bezeichnet ist. Im Geschäftsjahr
2013/2014 ging es mit 2,2 Prozent in einem
SEPTEMBER 2014
Doppelspitze
Reinhard Zinkann
(Foto) ist der
Ekstatiker in der
Miele-Geschäftsführung, muss
jedoch mit dem
Nachteil leben,
nicht Miele zu
heißen wie seine
Gerätschaften.
Tempo voran, das dem Stillstand schon
recht nahekommt. 3,2 Milliarden Euro
landeten in der Kasse.
Das Verhältnis der Geschäftsführer
Markus Miele (45) und Reinhard Zinkann
(55) ist gut, aber nicht spannungsfrei.
Zinkann, verheiratet mit Amélie Geva von
Wallenberg-Pachaly, neigt ein wenig zum
Eskapismus, Miele zur Unaufdringlichkeit. Dies sind keine guten Voraussetzungen, um Einstimmigkeit herzustellen.
13
Familie Hueck
Hella, Lippstadt
1,6 Milliarden Euro
Auf über 60 Mitglieder vermehrt hat sich
die Eigentümerschar dieser 1899 als
Werkstatt für Kutscherbedarf vorgesehenen Unternehmung (Ballhupen, Kerzen,
Petroleumlampen). Die Firma stellt heute
Scheinwerfer und Schlussleuchten in Serie her und zählt angesichts eines zuletzt
um elf Prozent auf 5,3 Milliarden Euro
gestiegenen Umsatzes zu den Besten ihrer Art.
Hella steht unter der Regie des Chefcellisten Jürgen Behrend, eines Hobbymusikers, der weiland eine Hueck gefreit
hat. Behrend möchte die Firma in ein
„familienkontrolliertes Unternehmen“
umbauen. Eine KGaA à la Henkel schwebt
ihm vor. Börsengang? Warum nicht.
37
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Die größten Türdrücker der Welt Umsatz in Mrd. ¤
Vorwerk
2,80
Herbalife
3,65
Avon
7,55
Amway
8,95
Quelle: Direkt Selling News
61
61
61
Familie Voith
Voith, Heidenheim
2 Milliarden Euro
Familie Mittelsten Scheid
Vorwerk, Wuppertal
2 Milliarden Euro
Familie Storz
Karl Storz, Tuttlingen
2 Milliarden Euro
Die Schwaben führen so sperrige Dinge
im Angebot wie Papiermaschinen und
Anfahrkupplungen, Gelenkwellen und
Schwingungsdämpfer, Schiffsantriebe,
Lokomotiven und Turbinen für Wasserkraftwerke. Da die wenigsten Leute diese
Apparate gebrauchen können und die
meisten von denen wiederum zeit ihres
Lebens auch nur einen einzigen kaufen,
muss Voith großen Aufwand treiben im
Fach der Überredungskunst: „Die Kunden in der Welt überlegen zweimal, bevor sie in Investitionsgüter investieren“,
sagt Firmenchef Hubert Lienhard (63)
frank und frei.
Im ersten Halbjahr (2013/2014) sind
die Einnahmen um vier Prozent auf
2,6 Milliarden Euro zusammengesackt,
möglicherweise aufgrund eines vom Euro-Kurs hervorgerufenen Schwächeanfalls. Vielleicht aber auch nicht.
Das Geschäft mit Papiermaschinen
ist nur noch spukhaft belebt: „Der Markt
ist tot“, sagt Lienhard geistesgegenwärtig. Aber auch Pumpspeicherwerke ziehen nicht, was merkwürdig ist, und das
Geschäft mit der Bergbauindustrie lahmt
auch. An Gewinnen bekommt Lienhard
nur noch einen Fingerhut zusammen.
Guten Mutes und lebensbejahend
blickt Voith wie alle Mittelständler auf die
VR China, die gefüllt ist mit Chinesen,
denen man vieles andrehen kann, vielleicht sogar Papiermaschinen. Nur von
Voith haben sie bislang wenig gehört: „Bei
der Bank of Shanghai habe ich vier Treffen
gebraucht, um zu erklären, wer wir sind.“
Lienhards Vertrag endet 2018. Wer auf
sein vorzeitiges Ausscheiden wettet,
könnte wenig gewinnen. Vier der rund
40 Familieneigentümer gehören dem Gesellschafterausschuss an, der gefragt werden will, bevor Großes entschieden wird.
Vorwerk, 1883 als Barmer Teppichfabrik
zur Welt gekommen und seit vier Generationen im Besitz der Familie Mittelsten
Scheid, ist der drittgrößte Haustürverkäufer der Welt: 610.000 Leute drücken
für Vorwerk auf die Klingel. Wichtigstes
Produkt ist ihr Staubsauger „Kobold“,
auf den ein rundes Viertel des zuletzt um
phänomenale 11,9 Prozent aufgequollenen Umsatzes entfällt, der den rekordwert von 3,1 Milliarden Euro erreicht hat.
Wunderbar, dass sich mit Klinkenberatung noch so viel Geld machen lässt.
Den älteren Semestern unter unseren
Lesern fällt sofort oder auch nie mehr,
wer weiß, der Vertreter-Sketch von Loriot ein, der auf den „Kobold“ gemünzt
war und in dem es heißt: „Es saugt und
bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst
nur saugen kann.“
Vorwerk verkauft aber auch klebrige
Kosmetika („Jafra“) und Teppiche, die
nicht fusseln, besonders schnell jedoch
die rund 1.000 Euro teure Küchenmaschine namens „Thermomix“: alle
38 Sekunden eine. Man kann sich vorstellen, was dabei zusammenkommt, vor
allem kann man es sich ausrechnen,
wozu uns hier aber Zeit und Lust fehlen.
In Portugal, teilt Vorwerk mit, gebe es
mehr „Thermomix“ als Ipads. Das ist
eine gute Nachricht für Vorwerk, für alle
anderen aber vielleicht von minderem
Interesse.
Auch eine Bank (AKF) und die Hectas
Gebäudedienste sowie ungefähr 33 „Kobold“-Läden gehören zum Familienbesitz.
Daneben sind die Wuppertaler an 13 (Internet-)Firmen beteiligt und praktisch
schuldenfrei. Das Unternehmen verfügt
über einen See flüssiger Mittel (eine Milliarde Euro) und eine Eigenkapitalquote
von überreichlichen 66 Prozent.
Hervorstechender, allenfalls von B.
Braun übertrumpfter Qualitätsmedizintechniker mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden und einem Gewinn von rund
100 Millionen Euro, wie man sich erzählt. Meisterhaft und in hohem Tempo
geführt von der vielfach prämierten und
belobigten Sybill Storz (77), der Tochter
des 1996 verstorbenen Chirurgiemechanikers und Gründervaters, wäre diese
Firma auch eine ideale Erweiterung und
Bereicherung für Multinationale wie
Johnson & Johnson. Aber die Familie
verkauft nicht: Sie ist zu fleißig.
Bei der Untersuchung und Bearbeitung von Hohlorganen und Körperhöhlen, von Nasen und Blasen, Hälsen und
Ohren sind die Endoskope des Weltmarktführers unverzichtbar. Im hiesigen
Mittelstand soll es kein zweites Unternehmen geben, das es mit dem Ideenreichtum und der Kunstfertigkeit der
Tuttlinger aufnehmen kann.
Ständig stößt Storz Neues aus, aber
nur Neues, was auch gebraucht wird.
Denn merke: „Der Arzt sagt uns, was er
will. Das hat schon mein Vater so gehalten.“ Sybill Storz ist bekannt für ihren
Erwerbssinn und ihre Praxisnähe. Die
Storz-Außendienstler gelten als die besterzogenen der Innung.
In den Tuttlinger Regalen liegen 8.000
verschiedene Waren: Endoskope in Massen, Lichtquellen, Lichtleiter, Kameras
und vollständig vernetzte Operationssäle
für Chirurgen sowie Gerätschaften für
Industrielle, die zum Beispiel das Innere
von Miniaturmaschinen inspizieren
möchten. Storz ist besser, aber auch um
15 Prozent teurer als die Konkurrenz.
Sybills Sohn Karl-Christian Storz, Leiter der elitären Forschungsdivision, wird
eines Tages die Regie übernehmen.
38
SEPTEMBER 2014
Deutschlands mächtigste Drogerienhändler Umsätze 2013 in Mio. €
Budni 460
Müller
2.772
Orientierungsläufer
Der Lächler links ist Bernhard
Simon. Erst auf den zweiten
Blick erkennt man, dass er
Dachser leitet, eine der
erfolgreichsten Speditionen
des Kontinents. Wenn ihn der
Hafer sticht, rennt er durchs
Gelände (Island, Abruzzen,
Botswana, Kempten), klettert
auf Berge, radelt durch Täler,
trabt, galoppiert oder hopst
über den Parcours (aber nur
mit Pferd).
Dm
5.842
Rossmann
4.990
Foto: Bernd Hartung
Quelle: Trade Dimensions,
Unternehmensangaben April 2014
61
70
78
Dirk Roßmann
Rossmann, Burgwedel
2 Milliarden Euro
Familie Dachser
Dachser, Kempten
1,9 Milliarden Euro
Rainer und Jürgen Blickle
SEW-Eurodrive, Bruchsal
1,8 Milliarden Euro
Dirk Roßmann (68), ein Volksschüler,
doch Geistes Kind Nietzsches und
Schopenhauers, hat etwas Ärger mit Edeka, Aldi und Penny, weil die die Stirn
haben, sich in seine Angelegenheiten
einzumischen und der Bevölkerung immer mehr Mittelchen gegen Körpergeruch und solche zum Haare- und Händewaschen sowie Schmiere für die Haut
und Putzpräparate aller Art regelrecht
aufzudrängen. Es ist eine Unmanier.
Allein der Preisschädiger Netto soll
über 1.000 Drogeriefabrikate führen, bei
Aldi stehen „Nivea“-Artikel palettenweise
auf den Fliesen, wo sie, bei sachlicher
Beleuchtung, aber viel von ihrer Attraktivität verlieren. Ärger und Unmut säuern
die Stimmung. Roßmann begegnet den
Ausschreitungen der Verbilliger unwirsch
und lässt seinem Subjektiven Idealismus
in Form der Gereiztheit freien Lauf:
„Wenn wir sehen, dass die Wettbewerber
mit niedrigen Preisen angreifen, machen
wir natürlich mit.“
Sein Geschäft hat der Entdecker der
SB-Drogerie (1972) auf beträchtliche sieben Milliarden Euro stimuliert. Wiewohl
der Zustrom, zuletzt gespeist von orientierungslosen Schlecker-Kunden, sich
verlangsamt, beträgt die Gewinnspanne
gut vier Prozent, was ein guter Wert in
der Drogenszene ist. Auf 40 Prozent des
Profits erhebt freilich die Drogeriekette
A.S. Watson Anspruch, Roßmanns Kompagnon, sie gehört dem Hongkonger Multimilliardär Li Ka-shing.
Grübeln hält jung, aber seine Nachfolge hat Roßmann trotzdem schon
(fast) geregelt: Eines Tages soll Sohn
Daniel (36) oder dessen Halbbruder Raoul (27) den Laden übernehmen. Raoul
arbeitet derzeit im Einkauf, Daniel in der
Abteilung für Gelungene Strategien.
Raffinierte, bauernschlaue Spediteurssippe, berühmt für ihre Durchforschungen und Austestungen auf dem Gebiet
der perfekten Auslastung: ausgeschlossen, dass der Geheimdienst jemals einen
Dachser-Lkw angehalten hat, in den
noch eine Banane hineingepasst hätte.
Der Transporteur unterhält über
10.000 Lastkraftwagen, von denen ihm
aber beileibe nur ein Bruchteil gehört,
und setzt 25.000 Leute ein, die ebenso
in Schuss sind wie ihre Fahrzeuge. Dachsers Umsatz wurde zuletzt mit fünf Milliarden Euro kenntlich gemacht. Die
Gewinnspanne wird von Schätzern mit
knapp drei Prozent angegeben.
Gründerenkel und Betriebswirt Bernhard Simon (54) führt das Geschäft, er
weist sich inzwischen als „CEO“ aus und
jagt derzeit mit Vorliebe die Versmolder
Nagel-Spedition, den größten Lebensmitteltransporteur, der etwas vor ihm
um die Kurven klirrt und klappert.
Simon senkt den Bleifuß: „Wir wollen
das führende Netz für innereuropäische
Lebensmitteltransporte werden“, sagt er
mit einem Anflug dringlicher Bestimmtheit. In Erlensee bei Frankfurt lässt er
für 25 Millionen Euro vorsorglich eine
monumentale Verladestation für den
Lebensmittelverkehr zusammensetzen.
Das Geschäft in Deutschland ist nicht
einfach. Man muss sehen, wo man bleibt.
Die Deutsche-Bahn-Firma Schenker wird
der Preisdrückerei beschuldigt. Simon
tut natürlich so, als jucke ihn das nicht:
„Es gibt Marktbegleiter, die können rechnen, und andere, die können es nicht.“
Besonders im Ausland zeigt sein Unternehmen aber reifste Leistungen dank
der Übernahmen von Graveleau (Frankreich), Azkar und Transunion (beide
Spanien).
Förder-, Gepäck- und Fließbänder erster
Güte, Getränkeabfüllanlagen, Stadiondächer, Kieswerke, Montagelinien, merkwürdigerweise sogar Prozesse in der
Chemieindustrie und natürlich Rolltreppen: SEW-Eurodrive setzt alles in Bewegung, was aus eigener Kraft nur teilnahmslos herumstehen oder -hängen
könnte. Aber Stillstand und Starre machen heutzutage keinen guten Eindruck.
Das jugendliche Publikum schätzt das
flotte Hin und Her.
36 Jahre lang besetzte Gründersohn
Rainer Blickle (67) das Direktorat, Anfang 2014 übertrug er die Obliegenheit
an seinen fünf Jahre jüngeren Bruder
Jürgen, der bisher das Amerika- und Asiengeschäft geleitet hatte. Ein Generationswechsel sieht normalerweise anders
aus. Die Brüder waren Ende der 80er-Jahre nach dem Tod ihres Vaters Ernst in
die Geschäftsführung gelangt.
In Hochform präsentiert sich SEW
(„Driving the World“) nicht gerade,
rechtes Behagen kommt nicht auf. Im
Geschäftsjahr 2013/14 hatten irritierende
Wechselkursverluste in Kombination mit
einigen unnatürlichen Erscheinungen im
Großgetriebegeschäft eine leichte Neigung des Umsatzes ausgelöst: Nur etwas
mehr als 2,5 Milliarden Euro wurden
zusammengezählt. Die Gewinne passen
in eine Damenhandtasche.
Diese Erfahrung erfüllt die Blickle-Brüder mit etwas Verdruss, sie verneinen aber dennoch jede Bedenklichkeit.
In diesem Jahr hält man einen Aufschwung von strengen sechs Prozent für
dringend angezeigt und vollständig
wahrscheinlich. Die Hoffnung, dass dies
gelinge, ist nicht unbegründet. An allen
Plänen (wie dem Bau eines Montagewerks in Russland) hält man fest.
SEPTEMBER 2014
39
Verwandtschaftsbeziehungen Gesamtvermögen in Mrd. €
Familien Porsche u.Piëch Familie Albrecht
Fam. Porsche
Fam. Piëch
Familie Quandt
Familie Herz
Familie Otto
11,00 Ingeburg Herz
4,60 Fam. Michael Otto
23,50 Fam. Albrecht u. Heister 18,00 Susanne Klatten
8,20 Fam. Günther Herz
3,70 Fam. Alexander Otto
23,50 Fam. Theo Albrecht jr. 16,00 Stefan Quandt
Johanna Quandt
7,50 Fam. D. Herz-Schnöckel 3,00
Harald-Quandt-Töchter 0,75
47,00
34,00
27,45
11,30
6,5
3,5
10,00
Quelle: BILANZ
79
80
83
Siegfried Meister
Rational, Landsberg am Lech
1,75 Milliarden Euro
Hans-Peter Wild
Wild-Werke, Eppelheim
1,7 Milliarden Euro
Familie Liz Mohn
Bertelsmann, Gütersloh
1,6 Milliarden Euro
Weltrekordhalter für Dampfgarer in
Großküchen. Gründer Siegfried Meister
(76) behält sich 63 Prozent der Anteile
vor und betrachtet die Dinge in Anbetracht seines Alters aus der Vogelperspektive des Aufsichtsrats.
461 Millionen Euro hat die Meisterfirma zuletzt einkassiert, der Gewinn (vor
Abgaben) wurde auf 128 Millionen akzentuiert. Aus dem Stegreif fällt einem kein
Unternehmen dieser oder bedeutenderer
Größenordnung ein, das eine günstigere
Umsatzrendite erzielt hätte als die Rational AG, die im Prime Standard der
Frankfurter Börse immatrikuliert ist.
Meister, einst Technikchef der „Wienerwald“-Restaurantkette, hat das Unternehmen 1973 ins Register eingetragen
und drei Jahre später „die Gartechnik
revolutioniert“ vermöge des ersten Automaten, der Dampf und Heißluft gleichermaßen zum Einsatz bringt. Heute
kann den Landsbergern keiner mehr das
Wasser reichen, außer zum Kochen.
Mehr als 300 seiner 1.300 Beschäftigten sind Köche und können spüren,
wann der Fisch gar ist. Sie brauchen kein
Labor dazu. Nur jeden siebenundzwanzigkommasechsten Euro braucht Meister
deshalb in die Forschung zu stecken.
Angeblich fühlt sich jeder Rationalist
aufs Äußerste angespornt und -gestachelt,
weil er als „Unternehmer im Unternehmen“ nicht nur behandelt, sondern auch
entlohnt wird. Einen Betriebsrat braucht
Meister nicht. Mit Bosch, Siemens oder
Miele, den Lieferanten der Hausfrauen
und Hobbyköche, hat er sich klugerweise
nie angelegt. Aber die sich auch nicht mit
ihm, was noch klüger war.
Rational ist die verkörperte Beständigkeit. Der gute Peter Stadelmann ist
der dritte Firmenchef in 40 Jahren.
Im Juli dieses Jahres hat Obergeschmacksverstärker Hans-Peter Wild
(73) seine Firma Wild Flavors (Umsatz
2012: 838 Millionen Euro), die Aromen,
Düfte, Fruchtauszüge, Lebensmittelfarben und Saftkonzentrate anrührt und
durchmengt, an den US-Agrarkonzern
Archer Daniels Midland verkauft.
Der Handel hat ihm 1,4 Milliarden
Euro vor Steuern eingebracht, 770 Millionen steckte sein 35-Prozent-Partner KKR
ein. Nur das Getränke-département, das
sich blütenartig um Wilds weithin bekannten Kassenerfolg „Capri Sonne“ entfaltet, ist dem Eppelheimer verblieben.
Wild ist ein Doktor der Rechtswissenschaft, er hat seine Studien getrieben in
Cambridge und an der Sorbonne, logiert
in der Schweiz und manchmal auch in
seinem Salzburger Fünf-Sterne-Hotel
Schloss Mönchstein.
Als Vernunftmensch weiß er, dass es
närrisch wäre, „Capri Sonne“ mit ins Grab
zu nehmen. Man sollte also nicht damit
rechnen, dass Wild diesen Geschäftszweig behält. „Irgendetwas muss ich ja
machen, ich lebe nicht ewig“, sagt er.
Das 1931 auf die Welt gebrachte und
von Gründersohn Hans-Peter Wild zum
Weltkonzern zugespitzte Unternehmen
ist an sein Ende gelangt. Dass seine beiden Söhne kein Interesse an der Fortführung seines Lebenswerks haben, ist bitter. Aber anders als Baudrillard, für den
die Wirklichkeit eine Simulation war, ist
Wild ein Pragmatiker.
„Sie können in so eine große Verantwortung niemanden hineinzwingen.“ So
schaut’s aus. „Wenn ich den Deckel zumache, ist ohnehin Schluss mit dem Familienunternehmen.“ Wild ist keine
Heulsuse. Er genießt das Leben, mit
Contra und Re.
Bertelsmann (Umsatz: 16,4 Milliarden
Euro) zehrt im Wesentlichen immer
noch von jenen Streichen und Umtrieben, die dem früheren Vorstandschef
Thomas Middelhoff (61) zuzuschreiben
sind: Der hatte einen regen Beteiligungshandel aufgezogen (Mediaways, AOL
Europe) und das Unternehmen in den
Besitz von RTL und der weltgrößten
Buchverlagsgruppe Random House gebracht. Es sind die einzigen Ressorts, die
noch so etwas wie Vitalität zeigen. Die
anderen Zweigstellen, Arvato und Gruner+Jahr (Stern, Geo), wirken seit Jahren
ausgelaugt und ermattet.
Selbst zwölf Jahre nach Middelhoffs
Rauswurf hat der von Gründernachfahr
Reinhard Mohn (1921–2009) und mehr
noch von Bench-Mark Wössner (75) zum
Westfalen-Express beschleunigte und
zum Innungsvorbild verfeinerte Konzern
noch nicht wieder die alte Statur (Umsatz 2001: 20 Milliarden Euro) erreicht.
Konzernchef Thomas Rabe (49), der
bei seinem Amtsantritt 2012 große Erwartungen weckte, weil er als expansiver
Charakter galt, operiert glück- und erfolglos. So wirkt es jedenfalls. Wahrscheinlich folgt er einem Geheimplan.
Das Vermögen der Familie Mohn
blieb von den Vorgängen nicht unbeschadet. Reinhard Mohns Witwe Liz (73), die
11,4 Prozent des Kapitals kontrolliert, hat
zwar alle Stimmrechte inne. Doch dies
nützt weder ihr noch ihren Kindern Brigitte (50) und Christoph (49) auch nur
das Geringste. Denn allen dreien fehlt
jedes unternehmerische Talent.
77,6 Prozent des Konzernkapitals sind
vor Jahren der Bertelsmann Stiftung
übereignet worden, weitere elf Prozent
den drei Kindern aus Reinhard Mohns
erster Ehe.
40
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Lässiges Aufblicken
Zufrieden mit sich und der
Welt zeigen sich Liz Mohn und
Vicky Leandros auf dem
Rosenball, der Spenden-Gala
zugunsten der Stiftung
Deutsche Schlaganfall-Hilfe,
die die Bertelsmann-Herrin
1993 gegründet hat. Der
Festsaal im Berliner Interconti
war mit 15.000 Rosen
geschmückt, Liz Mohn aber
nur mit einem Kleid von Guido
Maria Kretschmer.
89
Familie Karl-Rudolf Mankel
Dorma, Ennepetal
1,5 Milliarden Euro
83
Foto: picture alliance / Sven Simon
Wilfried und Kurt Stoll
Festo, Esslingen
1,6 Milliarden Euro
Von den Herren Albert Fezer und Ludwig
Stoll 1925 gegründet und mit ihren Anfangsbuchstaben versehen, nimmt Festo
heute die weltweit führende Position in
der Antriebs-, Steuerungs- und Automatisierungstechnik ein.
Pneumatische und elektromechanische Antriebe sind die Delikatessen dieser Ausgeschlafenen aus Esslingen, die
ihre Kenntnisse auf die Gebiete der Fühlertechnik, Druckluftaufbereitung und
des Ventilbaus ausgedehnt haben. Dass
sie auch Zahnriemenachsen mit Greifern
im Sortiment führen, wundert schon gar
keinen mehr in Anbetracht von insgesamt 30.000 Katalogprodukten.
Festo ist eine Firma in ungekünstelter
Bauart. Sie hat sich angewöhnt, in wohligem Gleichtakt um durchschnittlich
sieben Prozent im Jahr zu verdicken und
anzuschwellen. Falls es einmal nur adagio geht, legt sie im nächsten Jahr einen
Zahn zu. Zurzeit steht ein Umsatz von
2,3 Milliarden Euro in der Chronik. Unter
Krampf und gurgelnden Klagen machten
Konkurrenten schlapp oder meldeten
sich gleich krank.
Vorstandschef Eberhard Veit (52),
einst Entwickler bei Kärcher (siehe Seite
31), erledigt seinen Auftrag tadellos und
genießt Respekt in Stadt und Land. Vor
Freude lässt er eine 70 Millionen Euro
teure „Fabrik der Zukunft“ zusammenSEPTEMBER 2014
stellen, um dort sogenannte Ventilinseln
zu bauen, aber auch, um Ausflüglern zu
zeigen, wie gut Festo ist. „Neben den
modernsten Verfahren wird in der Fabrik
auch eine Lernfabrik enthalten sein, in
der wir unsere Mitarbeiter schulen und
in der Kunden lernen, wie sie ihre Produktivität steigern können.“
Erwartungsgemäß spielt für einen Betrieb wie Festo die Bionik, also die Übertragung von Naturbewegungen auf die
Technik, keine geringe Rolle. Mit gedankenvoll umwölkter Stirne studieren die
schwäbischen Gelehrten den Flügelschlag
der Lerchen, die Sprünge Grauer Riesenkängurus und das Zusammenziehen von
Hohlkörpern, wie man sie von Quallen
und Därmen kennt, stets in der Annahme,
dass es sich bei all diesen Regungen und
Bestrebungen um besonders wirkungsvolle Initiativen handelt, da die Natur sie
andernfalls gar nicht hervorgebracht hätte. „Das Einzige, was ein Unternehmen
künftig schützt“, sagt Zukunftsforscher
Veit, sei „die Innovationskraft und ihr
Tempo dabei“. Na, schön, na, schön.
Aus der Stoll-Familie stammen alle
acht Gesellschafter. Wilfried Stoll (76),
der frühere Firmenchef, und sein Bruder
Kurt (82) sind mit jeweils 25 Prozent
auch Hauptgesellschafter und erfreuen
sich unter Automatisierern intensiver
Hochachtung.
Der Suchmaschinist Google hat sich Anfang dieses Jahres am Rauchmelder- und
Thermostate-Hersteller Nest (Kaufpreis:
3,2 Milliarden Dollar für ca. 300 Millionen Dollar Umsatz) vergriffen, um Privat- und Haushaltsdaten noch besser
vermarkten zu können. Sofa-Surfer und
Online-Kartoffeln haben die Vernetzung
von Gegenständen schon mal zum „Internet der Dinge“ hochgeplappert.
Ein weitaus geeigneteres Übernahmeziel wäre zweifellos die von den Schwagern Wilhelm Dörken und Rudolf Mankel
vor 106 Jahren aus der Luft des Ruhrgebiets gebildete Firma Dorma gewesen.
Denn sie „bietet ganzheitliche Lösungen
rund um das Öffnen und Schließen von
Türen“ an, wie es in einer etwas eitrigentzündeten Marketingschwellung auf
der Heimseite heißt.
Dorma fertigt robustes Zeug in Serie:
Türschlösser, Halb-, Knauf- und Rundschließzylinder und auch sogenannte
Panikbeschläge für Angsthasen. Im Katalog finden sich aber auch „Zeiterfassungsund Zutrittskontrollsysteme“ sowie Gerätschaften, die Türen mittels Funk,
Fingerabdruck oder Magnetkarte öffnen.
Da käme eine Menge Daten zusammen,
wenn man es fidel genug anstellte.
Nachdem Dorma zahlreiche Konkurrenten in Asche gelegt hat, darf das Unternehmen darauf bestehen, „Weltmarktführer“ genannt zu werden. Der Umsatz
tastete sich 2013 auf den stangenartigen
Rekordwert von einer Milliarde Euro vor.
Mitgründerenkel Karl-Rudolf Mankel
(72), der das Unternehmen zu dem gemacht hat, was es ist, überantwortete das
Gros an seinem Betrieb vor fünf Jahren
in weiser Voraussicht seinen absolut zuverlässigen Töchtern Christine (31) und
Stephanie (29).
41
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Doppelsechs
Elisabeth von Auersperg-Breunner und
Tochter Emilia zeigten sich bei den
Salzburger Festspielen in gewohnt
austrainierter Verfassung. Kaum einem
Fotografen gelang es, an ihrer dicht
gestaffelten Abwehr vorbeizukommen.
Hier stellen sie sich überlegen lächelnd
der Pressemeute in den Weg, die zur
Premiere von Schuberts Oper
Fierrabras eilt. Eine Unmanier!
103
Elisabeth von Auersperg-Breunner
Fides, München
1,35 Milliarden Euro
Die Tochter des 2006 vom Tode ereilten
Industrieerben Friedrich Karl Flick und
seiner zweiten Frau Ursula (heute verheiratet mit dem österreichischen Mini-Kirch Herbert Kloiber) hat ihr Buch
Ostern – Tradition, Dekoration und Kulinarik passenderweise im Frühjahr in den
Handel gebracht und die Nation mit
diesem Geständnis verblüfft: „Wissen
Sie, ich bin ja auch Bäuerin, deshalb interessiere ich mich für bäuerliche Bräuche.“ Über Bücher weiß die 40-Jährige
auch sehr gut Bescheid, denn sie hat in
Paris Literaturwissenschaft studiert.
Vor acht Jahren heiratete dieses Sonntagskind des Lebens zum zweiten Mal:
Nachfolger des Bankiers und Argentiniers
Miguel Reynal wurde Alexander von Auers–perg-Breunner, ein Österreicher, der
als Prinz gekennzeichnet ist, aber mit
diesem Titel so wenig anfangen kann wie
Steffi Graf oder Fürst von Pappenheim
mit den ihren, nachdem die Vorrechte der
Stände ja nicht gerade gestern, sondern
1919 aufgehoben worden sind.
Frau Auersperg-Breunner hat vier Kinder (Emilia, Aloysius, Balthasar, Séverine)
und belebt mit ihnen und ihrem Prinzgemahl den Berghof am Attersee, einen
unbeweglichen Besitz, der dem einst
weltbekannten Orchesterleiter Herbert
von Karajan (1908–1989) gehörte.
Vor ihrem Einzug soll eine (angeblich
50 Millionen Euro teure) Renovierung
unumgänglich gewesen und die Anlage
mit einem 25-Meter-Schwimmbecken
ausgestattet und vervollkommnet worden sein. Sowohl zum Fernsehgucken als
auch zu Fluchtzwecken hat man ein
Fernsehguck- und ein Panikpanzerzimmer im Turm eingerichtet. Um die Finanzen der Autorin kümmert sich auf
nachahmliche Weise die treue Fides
Vermögensverwaltung.
42
118
125
Familie Henning Conle
Sirosa, Liechtenstein; Conle, Sonthofen
1,15 Milliarden Euro
Familie Sick
Sick, Waldkirch
1,05 Milliarden Euro
Der je nachdem als „Mieterschreck“ und
„Immobilienhai“ (Hamburger Abendblatt), „Slum Landlord“ (Taz) oder
„Miethai“ (SZ), hier aber schlicht als
Henning Conle (70) zur Geltung kommende Lozier-Magnat soll in den vergangenen vier Jahren allein in London sieben Gewerbegebäude im Schätzwert von
2,3 Milliarden Euro an sich gerissen haben: unter ihnen das im Tudorfachwerkstil geschnitzte Kaufhaus Liberty, das
ebenfalls denkmalgeschützte Gefüge des
früheren department store Barker, die ehemalige Art-déco-Zentrale von Shell im
Mex House und die 6.000 Quadratmeter
weiten Kensington-Dachgärten.
Der Guardian verbreitet, dass Conle
in London größtenteils seine Sirosa Real
Estate aus Liechtenstein zum Einsatz
gebracht habe.
Conle ist ein Sprössling des Duisburger Baumeisters und SPD-Ratsherrn
Heinrich August Conle (1915–1988), der
gemeinsam mit seinem Bruder und Bauunternehmer Kurt (1918–1966) vor langer Zeit und unter Zuhilfenahme millionenschwerer öffentlicher Aufträge sein
Glück im sozialen Wohnungsbau machte. Kurt Conle gehörte übrigens zu den
Mitgründern der Fluggesellschaft LTU,
die sich 2007 in Air Berlin und anschließend in Luft auflöste.
Lichttaster, Lichtschranken, Barcode-Leser, aber auch Elektrofühler zur Staubmessung oder Gasanalyse – mit einem
Wort, von dem, was der Volksmund als
„Sensor“ bezeichnet, haben die Weiber
und Mannen aus Waldkirch mehr zu bieten als jede andere Firma auf Erden. Die
Kundschaft kommt aus allen Branchen
und Richtungen, die man sich vorstellen
kann, auch von oben und unten: Alle
wollen fühlen und lesen. Wachstumsgrenzen gibt es auch. Aber niemand
weiß, wo sie liegen.
Von Erwin Sick (1909–1988), einem
Nachkriegspatriarchen härtester Bauart
1946 als Ingenieurbüro aus der Taufe
gehoben, kletterte der Umsatz der
Breisgauer zuletzt um knapp vier Prozent auf eine pochende Milliarde Euro.
Das ist eine Zahl, die jeden, der sie erreicht, mit Gefühlen des Loskommens
und Überwindens belohnt.
91 Prozent des Aktienkapitals sind im
Besitz der Gründertöchter Waltraud Sick
(Buchautorin und Illustratorin), Renate
Sick-Glaser und Dorothea Sick-Thies
(beide Physiotherapeutinnen), die alles
andere als Bock auf die Sensortechnik
verspürten. Aber sie sind treue Hüterinnen der Familientradition. Ein Großteil
des Restkapitals gehört so ungefähr 1.500
Belegschaftsaktionären.
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Fotos: Schunk, Claus/SZ Photo, picture alliance / wildbild
Prinz von Rosenheim
Firmenlenker Anton
Kathrein jr. macht einen
ungefährlichen Eindruck.
Aber in ihm brodelt‘s. Seit
zwei Jahren führt er das
Unternehmen seiner
Vorväter mit derselben
Durch- und Zugriffsfreude
wie einst der Senior.
Antons Name ist
Programm: „Kathrein im
Aufbruch“.
Die reichsten Münchner in Mrd. ¤
Heinz-Hermann Thiele Knorr-Bremse
Alexandra Schörghuber Schörghuber
Familie Wacker Wacker-Chemie
Familie Hubert Burda H. Burda Media
Alexandra Flick Diana
3,60
3,40
2,65
2,60
1,35
Quelle: BILANZ-Recherche
127
127
138
Familie Kathrein
Kathrein, Rosenheim
1 Milliarde Euro
Familie Harro Uwe Cloppenburg
Peek & Cloppenburg West, Düsseldorf
1 Milliarde Euro
Familie Hornbach
Hornbach, Bornheim
950 Millionen Euro
Ältester und womöglich größter Antennenhersteller der Welt, vor 95 Jahren von
Anton Kathrein uraufgeführt. Die Werksleitung in Händen hat seit zwei Jahren
sein Enkel, der 29-jährige Anton Kathrein jr. Dessen Vater, auch ein Anton
der Bezeichnung nach, war 2012 schlagartig verstorben, wie es bei Herzversagen
leider häufig der Fall ist.
Der Senior war ein Kommerzialrat
Prof. Dr. Dr. h. c. gewesen und von herrischer Gemütsart, als „König von Rosenheim“ gefürchtet, aktiv im Dienst von
Verbänden und Lokalpolitik, Sponsor des
Eishockeyklubs und eines Rallye-Teams,
selbst an einen Gasthof („Zur historischen Weinlände“) hatte er gedacht.
Auch sein Sohn machte klar, dass er
keine Zimperliese ist: Er ließ das Unternehmen als Europa-AG umorganisieren,
einen Beirat einberufen, den Grundstein
für ein Werk in Mexiko legen und die
Schließung eines in den USA mit Bedauern ankündigen. Sein Benehmen drückt
aus, dass er hart genug ist, um in dieser
Welt zurechtzukommen.
Hand anlegen will er ebenso an Gefüge und Gliederung des Unternehmens:
Es sollen Strukturvereinfachungen vorgenommen werden im Geschmack eleganter Schlichtheit, wie es Elektrotechniker mögen. „KiA“ steht auf dem Spielplan: „Kathrein im Aufbruch“.
Der Erlös wurde zuletzt mit 1,36 Milliarden Euro angegeben - fälschlicherweise, muss man hinzufügen: Denn Kathrein hat jahrelang auch Lieferungen an
sich selbst als Einnahme ausgegeben.
Tatsächlich erreichen die Rosenheimer
nur 800 Millionen Euro. Dies tut der allgemeinen Wertschätzung keinen Abbruch, aber vielleicht dem Rang als
Weltmarktführer.
Harro Uwe Cloppenburg (73), im Hause
zu einem „HUC“ verniedlicht, das jeder
Grundlage entbehrt, behauptet sich
machtvoll an der Spitze jenes Familienverbands dieser entschlossenen Textilhändler, der den Westen, Süden und
Osten des Landes beherrscht und 67
Bekleidungshäuser der Mittelklasse bewirtschaftet (Umsatz: ca. 1,4 Milliarden
Euro). Als Juniorchef übt sein Sohn Patrick (32) bereits Wirkungen aus.
Mit dem Stamm von HUCs Vetter
James Cloppenburg (Vermögen: 350 Millionen Euro), der sich in Norddeutschland mit (nur) einem Dutzend Kaufhäusern breitgemacht hat, stehen die Düsseldorfer seit 1911 in leidenschaftlichem
Wettstreit. Ob im Einkauf, im Marketing,
der Verwaltung oder vor Gericht: Die
Cloppenburgs machen sich die Hölle heiß.
HUC bietet wenig Platz für weiche
Stellen, er gilt als Schroffheit in Person.
Ernst und Nüchternheit erfüllen sein Gemüt, ebenso Schieß- und Jagdlust. Zusammen mit seinem Ältesten Hendrik (49)
möchte er sich ein eigenes Jagdrevier bei
Kesseling aneignen, in der Nähe von Bad
Neuenahr: 3,6 Millionen Quadratmeter
im Schätzwert von 3,75 Millionen Euro.
Das ist besser als ein Zelt am Strand. Die
Gegend ist reich an jagdbarem Getier.
Vom Pachten hat der Wildschütz genug.
Er möchte den Wald allerdings gegen
ein Geschäftshaus in Bonn tauschen, das
4,6 Millionen Euro wert sein und über
200.000 Euro Miete im Jahr einbringen
soll – weit mehr also als jene 40.000
Euro, die die Gemeinde aus Holzverkauf
und Jagdpacht im Jahr veranschlagt.
Zwei Drittel der Wutkesselinger haben
sich gegen den Handel ausgesprochen,
sie wollen ihren Forst nicht als „Spekulationsobjekt“ misshandelt sehen.
Bis vor Kurzem galt das Baumarkt-Genre
als eine Betätigung, die Aufwand und
Bemühen kaum noch lohne: Im Verhältnis zu der am Ende kaskadenhaft angeschwollenen Menge von Baumärkten,
stieß der Selfmademan auf immer weniger Dinge, die seiner Verschönerung bedurften, von einer Wiederherstellung
oder einem Neubau ganz zu schweigen.
Nach dem Verderb von Praktiker und
seiner Tochterfirma Max Bahr darf die
Stimmung in der Gilde jedoch als aufgehellt betrachtet werden: Allein Hornbach
konnte sechs Anlagen, die unbeschädigt
geblieben waren, aus den Trümmern der
verwüsteten Konkurrenz bergen.
Die börsennotierten Bornheimer („Es
gibt immer was zu tun“) haben im vergangenen Geschäftsjahr die Einkünfte
ihrer 143 Häuser um 4,4 Prozent auf
knapp 3,2 Milliarden Euro angeschüttelt
und befördert. Der Gewinn vor Zinsen
und Steuern schoss mit einem Satz auf
105 Millionen Euro, was nach Auswertung
aller Statistiken einer Sprunghaftigkeit
von sauberen 5,8 Prozent entsprach.
Albrecht Hornbach (59), von dem das
Aperçu überliefert ist „Wir denken nicht
quartalsweise, sondern in Generationen“,
hat im März seinem Londoner Aktionär
Kingfisher, Europas größtem Baumarktbetreiber, dessen lästige Sperrminorität
(25 Prozent) im Jetzt-reicht’s-Gestus für
232 Millionen Euro abgekauft.
Die Briten zogen ab, weil sie herausgefunden hatten, dass Hornbach nicht
zu überwältigen war: Das Bekenntnis der
Familie zur unternehmerischen Eigenständigkeit sei „unverrückbar“, knallte
es den Königsfischern erhaben wie mit
der Zuchtrute entgegen. „Jetzt gibt es
klare Verhältnisse ohne Interessenkonflikte“, faucht Hornbach.
SEPTEMBER 2014
43
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Deutschlands größte Autovermieter
Marktanteile in Prozent
andere 14,7
Sixt 31,9
Hertz 9,7
Die reichsten Frauen in Mrd. ¤
Susanne Klatten BMW, Skion
Johanna Quandt BMW
Ingeburg Herz Tchibo, Beiersdorf
Maria-Elisabeth Schaeffler* Schaeffler, Continental
Friede Springer Axel Springer
11,00
7,50
4,60
4,30
3,70
Avis 15,5
Europcar 28,2
*20-Prozent-Anteil an Schaeffler-Gruppe Quelle: BILANZ-Recherche
Quelle: Euromonitor International 2013. Nach
Umsatz 2012 (Europcar inkl. National und Alamo)
147
147
154
Ernst Freiberger
Freiberger, Berlin; Medical Park, Amerang
850 Millionen Euro
Familie Schwörer
Peri, Weißenhorn
850 Millionen Euro
Familie Erich Sixt
Sixt, Pullach
800 Millionen Euro
Der 64-jährige Herkunftsbayer hat 1998
seine Berliner Tiefkühl- und Fertigpizza-Großbäckerei („Alberto“) an die Südzucker AG verkauft und das Revenue zu
einem großen Teil in eine Gruppierung
von Wohn- und Bürohäusern, von Hotels
und Gesundheitseinrichtungen vielschichtiger Provenienz gepulvert, die
seither auf immer mehr Anlagen übergreift und beständig neue Mitglieder
willkommen heißt.
Für 300 Millionen Euro lässt Freiberger zurzeit in Berlin-Mitte ein 31.000
Quadratmeter umspannendes Areal wiederherstellen, das mit Bauwerken aus
drei Jahrhunderten ein in der Hauptstadt
beispielloses Gefüge bildet. In der Anlage
findet sich das älteste Logenhaus
der Stadt und die von Martin Gropius
persönlich nach Art der Neorenaissance
ausgeprägte Charité-Frauenklinik, das
neobarocke, aber theatralisch herumstehende Haupttelegraphenamt und das in
der prahlerischen Manier eines Art-décoExpressionismus angelegte und ausgeführte Fernsprechamt. Nicht unbedingt abgerundet, aber doch immerhin verkantet
wird der Schauplatz durch die in strikter
Bauhaus-Verfahrensweise errichtete
„neue“ (!) Charité-Frauenklinik.
Bis 2016 soll das „Forum Museumsinsel“ fertiggestellt sein. Danach will Freiberger, der Sohn eines Eiscremeherstellers
(Efa-Eiskrem), 60 oder 80.000 Quadratmeter zur Vermietung freigeben.
An seiner Medical Park AG im bayerischen Amerang (Umsatz: ca. 200 Millionen Euro), die zehn Reha-Kliniken und
zwei Gesundheitszentren betreibt, hat
sich sein Spezi Wolfgang Reitzle, der frühere Vorstandschef von Linde, mit zehn
Prozent beteiligt und gleich den dortigen
Aufsichtsratsvorsitz eingenommen.
Unter den vielen Eigenarten des Betons
sticht jene hervor, die ihn für Laien so
unberechenbar macht: Eben noch frisch
und weich, verhärtet er in Windeseile
und ist durch nichts mehr aus der Ruhe
zu bringen. Glücklich, wer ihn rechtzeitig in eine Gussform gekippt hat, wo er
hart und fest und selbstherrlich wirken
kann, ohne Schaden anzurichten. Jenen
Gussformen aber, von Sachverständigen
als Schalungen bezeichnet, gehört die
ganze Liebe der Schwörers.
Firmengründer Artur Schwörer muss
1969 lange über einen Firmennamen
nachgedacht haben, der ungeeignet genug
war, um der Mitwelt auf Anhieb klarzumachen, worum es ihm ging: Er fand, dass
die griechische Vorsilbe „peri“ (zu
Deutsch: „um“, „herum“, „ringsum“, „gegen“) diese Aufgabe am besten erfüllte.
Peri also – in der Einöde zwischen
Ulm und Memmingen gelegen – erzeugt
mit Rigorosität die vielfältigsten Wand-,
Säulen- und Deckenschalungen, aber
auch feine Trag- und Rahmengerüste aus
Holz. Keine Baufirma, die auf sich hält,
will auf Peri-Schalungen verzichten.
Die besten Staudämme, Schiffshebewerke, Hochhäuser, Brücken sowohl wie
der verbreiterte Panama-Kanal sind mit
ihrer Hilfe entstanden. Und als die Chinesen auf den Einfall kamen, Hongkong
mit Macau und Zhuhai über ein gerüttelt
Maß an Brücken und Tunnel zu verbinden, da baten sie natürlich Peri um
Hilfe und Verschalungen.
„Wir erwirtschaften 1,1 Milliarden
Euro Umsatz“, schwört Geschäftsführer
Alexander Schwörer (40). „Fast neun von
zehn Euro des Umsatzes kommen aus
dem Auslandsgeschäft, wir haben Projekte in aller Welt.“ Herrlich, wer so etwas sagen kann.
Erich Sixt (70), Deutschlands herrschender Autoverleiher, hat 2014 sein gemeinsam mit BMW unterbreitetes Gemeinschaftsauto-Angebot namens „Drive
Now“ um ein Beträchtliches erweitert
und die hiesige Marktführerschaft übernommen. Auch einen Chauffeurdienst
unter der Rubrik „My Driver“ ließ er einführen: Es bereite ihm Spaß, „etwas Neues
auszuprobieren und dann zu sehen, was
dabei herauskommt“. So lieben wir den
Erich: immer auf Draht, immer auf Zack,
nie um einen geilen Spruch verlegen.
Obwohl seit 1986 an der Börse eingeschrieben, ist die Sixt AG selbstverständlich ein Familienunternehmen geblieben.
Die Anstellung des Hauptaktionärs (60,1
Prozent) als Vorstandschef ist mindestens bis zu seinem 73. Lebensjahr garantiert, und auch Ehefrau und Söhne besetzen Schlüsselpositionen: Regine Sixt
(70) ist fürs Marketing International
zuständig, eine Tätigkeit, die ihre Naturgaben aufs Schönste begünstigt, ist sie
doch im Fremdenverkehrsgewerbe glänzend verquickt und verknüpft. Alexander
Sixt (34) leitet den Einkauf und die Strategieabteilung, Bruder Konstantin (31)
u.a. den Vertrieb im Lande.
Das 1912 von Martin Sixt als erster
deutscher Autoverleih ausgedachte Unternehmen (Umsatz: 1,67 Milliarden
Euro) macht einen gesunden Eindruck.
Deshalb dehnt Sixt seinen Geltungsbereich auch in Amerika aus. Das ist nicht
billig. Ohne die hohen Sonderposten
hätte der Chef den höchsten Firmengewinn aller Zeiten bekanntmachen können. Aber auch so fiel er nicht schlecht
aus: Mit einer Steigerung um 15,6 Prozent erreichte er eine lichte Höhe von
137,1 Millionen Euro. Die Umsatzrendite:
konkurrenzlose 9,1 Prozent.
44
SEPTEMBER 2014
Aus der Reihe „Prima Posen“
Heute: Gregor Gerlach
Der Vapiano-Gründer steht
bisweilen auch hinterm Tresen.
Aber nur, wenn man es sich fest
wünscht und ihm dazu noch etwas
zu essen in die Hand drückt, wie
hier in seinem geschichtsträchtigen
(Revue, Kabarett, Casino, 20er,
30er Jahre) und für viel Geld auf
Vordermann gebrachten „Moulin
Rouge“ in der Walfischgasse
Numero elf zu Wien.
168
Foto: picture alliance / Michael Appel
Klaus-Peter Schulenberg
CTS Eventim, München
750 Millionen Euro
Schulenbergs Metier ist der Verkauf von
Eintrittskarten für Musikaufführungen,
Vergnügungen und Turniere aller Art
(Fußball-WM, Olympische Spiele). Er ist
nicht nur einer der größten Billetthändler des Universums, sondern hält sich
auch eigene Konzertagenturen (Marek
Lieberberg, Semmel Concerts), die ihrerseits Tourneen ausrichten. Dies ist ein
sehr zuträgliches Neben- oder Hauptgeschäft, je nachdem: Denn eine Hand
kann immer die andere waschen.
Fast vergessen: Schulenberg betreibt
ja auch noch eigene Schau- und Kampfplätze wie die Waldbühne und das Tempodrom in Berlin, die Lanxess-Arena in
Köln und das Hammersmith Apollo in
London und weiß Gott was noch.
Angefangen hat der 62-Jährige 1971,
als er Bernd Clüver, den „Jungen mit der
Mundharmonika“, auf die Bühne brachte, seine Studien an der Bremer Uni abbrach und eine Konzertagentur gründete. 1977 holte er die Stones nach Bremen.
Das war der Durchbruch. Richtig wach
chokte er seinen Betrieb 1996 mit der
Übernahme des Computer-Ticket-Services CTS. 2000 brachte er das Unternehmen schließlich an die Börse.
Schulenberg kontrolliert 50,2 Prozent
des Kapitals und 80 Prozent des Konzertmarktes für Volksmusik (Rock und Pop).
Aufgrund seiner Stellung hat er viele
Schmeichler und viele Neider, lästig sind
ihm weder die einen noch die anderen.
Nach jüngsten Verlautbarungen setzt
CTS Eventim 628 Millionen Euro um,
der Gewinn vor Abzügen betrug 136 Millionen Euro. Das ist eine sonderbar gute
Rendite, zu verdanken wohl dem Kartenverkauf übers Internet, bei dem Schulenberg risikolos die sogenannte Vorverkaufsgebühr ein- und abstreicht.
SEPTEMBER 2014
168
168
Familie Hurler
Jost Hurler, München
750 Millionen Euro
Familie Gerlach
Vapiano, Bonn; Seaside Hotels,
Gerlach Wohnungsbau, beide Hamburg
750 Millionen Euro
Das 1945 entfesselte Immobilienunternehmen ist ganz groß im Geschäft mit
Einkaufszentren (Huma, früher auch
Suma), verlegt sich aber mehr und mehr
auf Projektentwicklungen. In München
investiert die Familie ins „Schwabinger
Tor“: 200 Mietwohnungen und Künstlerateliers an der Leopoldstraße, dazu eine
Reihe Geschäfte, Gastwirtschaften und
Büros und eines dieser schicksalhaft
Luxushotels.
Im Beherbergungsgewerbe ist die Sippe nicht unerfahren: Bereits 1949 hatte
sich Jost Hurler (1918–2003) in den Mitbesitz des Gasthofes „Zur Überfahrt“
(heute eine Fünf-Sterne-Pension) in
Rottach-Egern am Tegernsee gebracht,
indem er der Eigentümerin den Kopf
verdreht und sie geheiratet hatte.
In den 70er- und 80er-Jahren zählte
Jost Hurler, der Hotel- und Kaufhauskönig, zum zentralen Münchner Establishment um den damaligen bayerischen
Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß.
Jagdgebiete, Luxusquartiere, Flugzeuge,
Frauen. Strauß kehrte immer wieder ins
„Überfahrt“ ein. Hurler hielt ein Apartment zur freien Verfügung.
Das Unternehmen gehört heute seinen
Enkeln Andreas Kurzlechner, Maximilian,
Michael, Oliver und Marc Hurler.
Vor zwölf Jahren von Gregor Gerlach
(45) und drei nicht zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Sozii in Hamburg eröffnet, hat sich der Selbstbedienungs-Italiener mit dem modischen Frische-Flair
auf 152 Restaurants in 29 Ländern vervielfacht. Wahrscheinlich sind es in dieser Sekunde noch mehr. Alle drei Jahre
möchte Gerlach ihre Anzahl verdoppeln,
aber nicht die Anzahl der Länder. Der
Umsatz wurde zuletzt mit 336 Millionen
Euro präzisiert, nachdem eine Zeitlang
irgendwo auch von 350 Millionen Euro
die Rede gewesen war.
Am Vapiano-Verbund hält Gerlach nur
noch 30 Prozent. Deutlich mehr, nämlich
44, beansprucht der frühere Tchibo-Miteigentümer und Marken-Genius Günter
Herz (Vermögen: 3,7 Milliarden Euro).
Weitere 26 Prozent hat man für die Wella-Erben der Familie Sander (Vermögen:
700 Millionen Euro) erübrigt.
Jung-Gerlach lenkt auch die Immobiliengeschäfte seines Vaters, des Jaguar-Heizers Theo (85), darunter den Betrieb von acht beziehungsweise demnächst wohl zwölf Hotels, von denen vier
auf den Kanarischen Inseln vorkommen.
Vapiano heißt so viel wie „Nimm’s
locker“.
45
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Die reichsten Frankfurter in Mrd. ¤
Fam. Josef Buchmann Buchmann
Fam. von Metzler Bankhaus B. Metzler
Fam. Jochen Hückmann Merz Pharma
Fam. Adam Merz Pharma
Fam. Wisser Wisag
1,30
0,90
0,55
0,45
0,40
Quelle: BILANZ-Recherche
Ceci n’est pas une pipe
Sondern Kunstkollektor
Frieder Burda, der
Museumsgründer und
Ehrenbürger BadenBadens. Rechts neben
ihm blieb Picassos
Bronze-„Enfant“ stehen.
Als Mario Adorf Burdas
Museum unlängst einen
Besuch abstattete, da
hielt der vor ebendiesem
„Kind“ an und rief:
„Grandios!“
175
194
194
Frieder Burda
vormals Burda-Verlag, Offenburg
700 Millionen Euro
Familie Manfred Bode
Krauss-Maffei Wegmann, München
650 Millionen Euro
Friedrich Knapp
New Yorker, Braunschweig
650 Millionen Euro
Frieder Burda (78), mittlerer von drei
Söhnen des Verlegers Franz Burda
(1903–1986) und Bruder von Hubert (s.
Seite 32), zählt zu den bedeutendsten
Kunstsammlern nicht nur dieser Republik, sondern der ganzen Welt. Seit zehn
Jahren unterhält er in Baden-Baden sein
eigenes, vom Großarchitekten Richard
Meier entworfenes Museum. Zwei Millionen Kulturbeflissene konnten es seither durchqueren. Aber nicht am Montag,
denn dann ist es geschlossen.
Finanzminister Wolfgang Schäuble
hat, eigener Kombinatorik zufolge, „wahrscheinlich kein Museum häufiger besucht“. Aber ganz sicher sein kann er sich
nicht. Sanft sagt Burda, der Ehrenbürger
Baden-Badens: „Der Auftrag ist, den Leuten eine Freude zu machen, indem man
ihnen schöne Bilder zeigt.“
Schaustücke von Sigmar Polke, Georg
Baselitz, Markus Lüpertz, Neo Rauch,
Mark Rothko, Willem de Kooning, Pablo
Picasso, Jackson Pollock usw. gehören
zu Burdas Kunstschätzen. Markus
Lüpertz bezeichnete Burdas Pinakothek
als „Juwel der Museumslandschaft“.
Gerhard Richter bewies, dass er nicht
zum Dichter geboren wurde: „Hier erst
fangen meine Bilder an zu blühen.“
Seine Kollektion hat Burda 1998 sicherheitshalber in einer Stiftung endgelagert. Dem Fiskus darf man nicht nur
Vertrauen entgegenbringen. „Dann kommen die Behörden mit den Katalogen
und sagen: ,Der Richter für 20 Millionen,
Sie haben zehn, und darauf müssen Sie
Erbschaftssteuer zahlen.‘ Das lässt sich
gar nicht machen“, teilte er der Zeit mit.
Zur Glorifizierung besteht nichtsdestotrotz wenig Anlass. Kunst sammeln
kann zur Not jeder. Weitaus besser wäre
es, selbst Künstler zu sein.
Mit Bedauern vernahmen Rüstungs- und
Panzerfreunde Anfang Juli die Nachricht,
das Krauss-Maffei Wegmann seine Selbstständigkeit aufgeben und sich mit dem
französischen Staatsunternehmen Nexter zusammenspannen wolle.
Entstanden war KMW nach dem Bankrott des Mannesmann-Konzerns anno
1999, als dessen traditionsreiche Rüstungssparte mit dem nicht minder traditionsreichen Kasseler Unternehmen
Wegmann ein neues, bis dahin nicht
gesehenes Ganzes bildete. Die Wegmann
und Co. Unternehmens-Holding KG hält
inzwischen sämtliche Anteile.
Die Wegmänner bilden eine verschwiegene, taktvolle Volksgruppe, besonders
der 73-jährige Patriarch Manfred Bode
neigt nicht zur Schwatzhaftigkeit. Bode
führte das Unternehmen bis 2005 eigenhändig und leitet heute den Aufsichtsrat.
Niemand weiß besser Bescheid als er.
Gegen einen Verkauf hatte er sich lange gesperrt. Doch der Kampfwagenbau ist
kein Karamellschlecken: KMW schreibt
zwar immer noch Gewinne und darf sich
den führenden Panzerschmieden zurechnen. Beliebtestes Produkt ist der gemeinsam mit Rheinmetall vernietete „Leopard
2“. Aber von dem hat man seit 2009 keinen einzigen mehr verkauft.
Die Umsätze liefen seit 2008 von
1,4 Milliarden auf 800 Millionen Euro ein,
viele Exportanträge verstauben ungenehmigt in Berlin. Eine bereits vereinbarte
Lieferung an Saudi-Arabien (Umfang:
1,9 Milliarden Euro) ist blockiert, was für
verständlichen Unmut unter den recht
weit verzweigten Gesellschaftern sorgt.
Bei Rheinmetall wollte man bei Redaktionsschluss noch schauen, ob man die
Koalition von KMW mit Nexter nicht
noch sprengen oder sabotieren kann.
Der 63-Jährige ist Alleininhaber dieser
typischen Fußgängerzonen-Klamottenkette, die mit solchen Wettbewerbsverzerrern wie H&M und Zara zu tun hat,
aber über einen Firmenjet verfügt, der es
bis nach Ostasien schafft: Filial-Inspektion in Tokio, Lieferanten-Palaver in
Schanghai, Messe-Visite in Kanton.
1,45 Milliarden Euro legte Knapps Einzelhandel (über 1.000 Läden in 39 Ländern) nach letzter Quantifizierung um.
Im Internet betreibt er keine Geschäfte.
Zu viele Umtäusche und Rückgaben.
„Wir wollen nicht Hunderttausende von
Teilen durch Europa karren und sie anschließend wieder abholen.“ Umsicht ist
Knapps zweiter Vorname, Knallhärter
sein dritter.
Seinem Gebäudebestand fügte er zuletzt zwei Karstadt-Häuser hinzu: eines
in Hannover, das andere in Braunschweig, wo bereits das Flebbe-Haus, ein
Kleinhotel und die Villa Rimpau (heute:
Villa Knapp), ein denkmalgeschützter
Bau im Stil der brimborigen Neurenaissance, seine Ressourcen zieren.
Knapp hat drei Kinder im Alter zwischen fünf und 18 Jahren erzeugt und
hält nichts davon, dass eines von ihnen
sein Amt übernimmt: „So eine Mörderarbeit möchte man niemandem zumuten“, sagte er vor geraumer Zeit der Textilwirtschaft. Es geht einem durch und
durch, wie die Tränen von König Philipp
im „Don Karlos“. „Die Familiennachfolge
ist für mich ein Grund dafür, dass C&A
heute nur noch Mittelmaß ist. Für New
Yorker denke ich eher an eine Lösung in
Form einer Stiftung.“
Das werden die C&A-Brenninkmeijers (von denen seit 1928 keiner mehr
einen deutschen Pass besessen hat) gar
nicht gerne hören.
46
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Foto: picture alliance / dpa, picture alliance / Eventpress Mo
Helfershelfer Mit einer Million
Euro bezuschusste Willibert Krüger
(2.v.l.) jüngst den Kölner Verein
Arche, der wiederum bedürftige
Kinder unterstützt. Instant-Manager Krüger ist, was man multifunktionstüchtig nennt: Er subventioniert den SV Bergisch Gladbach 09,
operiert als Vize der IHK in Köln,
sitzt dem Außenwirtschaftsausschuss und dem Wirtschaftsgremium der IHK vor und gehört wie
selbstverständlich dem Gründungsbeirat der Wirtschaftsfachhochschule Bergisch Gladbach an.
194
211
211
Willibert Krüger
Krüger, Bergisch Gladbach
650 Millionen Euro
Familie Kaldewei
Franz Kaldewei, Ahlen
600 Millionen Euro
Familie Lapp
Lapp, Stuttgart
600 Millionen Euro
Sofort und weitgehend vorbereitungslos
disponiblen Kaffee, Tee und Kakao liefert
der berühmte Instantmanager und Granulatmeister Willibert Krüger (74) en gros
et en détail unter eigenem Nachnamen,
aber auch anonymerweise bei Aldi („Expressi“) und Starbucks („Verismo“).
Niemand in Europa kommt Krüger in
der Instantisierung und Herstellung von
Brausetabletten gleich. In seinen anderen
Domänen (Schokolade, Diät-Lebensmittel, Halbfertigmahlzeiten) ist er einer von
vielen. Aber das zählt nicht.
Anfang der 70er-Jahre hatte der junge
Willibert mit der Hervorbringung von
süßem Zitronentee vermittels Granulaten
erstmals herumgepröbelt, wie es damals
gerade Mode war in Amerika. „Mein
Großvater hat eine Bürstenfabrik gehabt
und mein Vater einen Großhandel. Und
meine Mutter hat mir mit auf den Weg
gegeben, dass in der Produktion und im
Handel die Musik spielt. Da bin ich
losmarschiert.“
Eben granulierte er noch verträumt
herum, und kaum hat man sich’s versehen, wölkt er mit seinem internationalen
Weltkonzern (1,9 Milliarden Euro Umsatz) schon die Nachbarorte Brück und
Refrath je nach Windrichtung mit Vanilleund Erdbeerdüften ein. Bei Regen riecht
es oft nach Kakao.
Bald wird es bei Sonnenschein auch
nach Kaffee riechen: Die Krügers bauen
auf ihrem Gelände eine Rösterei und eine
Kapselproduktion samt Silo und Hochregallager. „Wir setzen auf Wachstum und
Stabilität. Dafür stellen wir uns auf das
zukünftige Konsumverhalten der Verbraucher ein“, sagt Williberts Sohn und
Geschäftsführer Marc Krüger (35) listig.
Die Hälfte der Krüger-Firma gehört der
Kölner Zuckerfabrik Pfeifer & Langen.
Seine Aufgaben in hohem Grade meistert
dieser Betrieb aus dem westfälischen
Münsterland. Seit 1918 befasst sich die
Familie in einer Weise und Art mit den
Werkstoffen Stahl und Email, die selbst
der Konkurrenz alle Bewunderung abringt. Nachdem zunächst mit Waschwannen, Milchkannen und Bratpfannen experimentiert worden war, brauste große
Freude auf, als Kaldewei 1934 die erste
freistehende (sic!) Badewanne auf den
Markt stellte, denn werfen wäre wahrscheinlich auch zu riskant gewesen.
Unter Feuer und Ekstase gelang es den
Kaldeweis schon 23 Jahre später, die erste
Badewanne auszuklügeln, die keine Nähte
mehr aufwies, dem stundenlangen Herum-Rutschen Vorschub leistete und zum
Durchbruch verhalf. Heute sitzen die
meisten Menschen gerne in ihren Wannen, durch nichts aus der Ruhe zu bringen, außer durch den Schmutzrand, der
sich bei Verdunstung bildet. Aber dieses
Problem wird Kaldewei lösen.
Kein Badhersteller weiß mehr über
Fugenlosigkeit, Selbstreinigung, Rückenschrägen, Oberflächenveredelungen, Ablaufdeckel, Duschen, Wirbelbecken und
den Waschpurismus überhaupt, und keiner nahm mehr Designpreise entgegen als
dieser bodenständige Radikalbetrieb.
Geschäftsführer Franz Kaldewei (34),
der Werke und Wannen in kalter Verzückung hervorbringt, verfügt über den
größten Brennofen der Welt. Er kann alles
emaillieren und über die billigen Typen
aus der Acrylzunft nur lachen. „Das Bad“,
sagt er, „ist die neue Küche.“
Präsenz und Geistesgegenwärtigkeit
zeigt der Europameister in 66 Ländern,
der Umsatz beträgt über 200 Millionen
Euro. Das Geschäft läuft gut, das Vermögen ist sorgfältig in Immobilien angelegt.
Weltrekordhalter in den Fachbereichen
Kabel, Leitungen und Kabelzubehör, gegründet von Oskar Lapp 1957. Aus Thüringen nach Schwaben geflüchtet, hatte
der Mann Anstellung bei einem Stuttgarter Phono- und Medizingerätehersteller
gefunden und dort Kabeladern in Schläuche eingezogen. Was ihm aufstieß, war,
dass alle Schläuche schwarz waren, sowohl die, die zusammengehörten, als
auch die, die nicht zusammengehörten.
Deshalb erfand er prompt den FarbCode, sogar einen für mehradrige Steuerleitungen im Maschinenbau („Ölflex“).
Wer Lapp-Leitungen sucht, der findet
sie heute in der Bühnentechnik der
Rolling Stones und im Opernhaus in Peking, in Flughäfen und Windkraftanlagen. Noch nicht abgehärtet gegen Lapps
Wirkungen, gingen viele Wettbewerber
ein oder in den Untergrund.
Oskar Lapp starb 1987, seine Frau Ursula Ida führte das Unternehmen mit den
Söhnen Siegbert (62) und Andreas (57)
weiter. Die 84-Jährige ist heute Oberaufsichtsrätin der Firma. Wie es sich für
Lapp gehört, obliegt die Führung zwei
Herren, besagten Söhnen, zwei nicht
unbegabten Managern.
Lapp fertigt an 18 Standorten, unterhält 40 Vertriebsgesellschaften und Verbindung zu 100 Auslandsvertretungen.
Die 3.200 Angestellten denken den ganzen Tag an nichts anderes als an Kabel,
Leitungen und Zubehör. Zuletzt hat Lapp
einen Umsatz von 830 Millionen Euro
bekanntgegeben. Die Nachrichten aus
Stuttgart waren allerdings wenig euphorisierend: Die Einnahmen verlieren an
Höhe. Die Geschäfte in Brasilien aber
sollen ausgebaut werden – man weiß
nicht, ob die Stuttgarter vielleicht doch
etwas zu verheimlichen haben.
SEPTEMBER 2014
47
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Augenblicke
Warsteiner-Herrin
Catharina Cramer bei
einem gelungenen
Versuch, magnetisch und
attraktiv zu wirken. Häufig
nimmt sie zur Steigerung
des Trance-Effektes noch
ein Bierglas zur Hand,
vorbildlicherweise jedoch
nur ein gefülltes. Alles in
allem: Ein unbedingt
lohnender Anblick.
Die reichsten Berliner in Mrd. ¤
Friede Springer Axel Springer
Axel Oberwelland Storck
Ernst Freiberger Freiberger
Familie Joram Roth Roth
Familie Dussmann Dussmann
3,70
1,40
0,85
0,70
0,70
Quelle: BILANZ
211
211
Walter Brune
Brune, Düsseldorf
600 Millionen Euro
Familie Gerhard Mey
Webasto, Stockdorf
600 Millionen Euro
Fragt man Walter Brune (88), den
„Star-Architekten“ (Bild), was er davon
halte, dass die Allianz Versicherung ein
paar Überarbeitungen an der Düsseldorfer Kö-Galerie vornehmen wolle, die sie
sich im Frühling für 300 Millionen Euro
geleistet hat, dann erteilt er folgende Auskunft: „Ich habe die Urheberrechte an
dieser Galerie, dulde keine Veränderung,
die nicht mit mir persönlich abgesprochen ist. Wenn die Allianz etwas umbaut,
dem ich nicht zustimme, erwirke ich sofort eine einstweilige Verfügung.“
Die Vorbesitzer – die New Yorker Investmentfirma Blackstone und der Hamburger Einkaufszentrum-Herkules Alexander Otto (Vermögen: 3,5 Milliarden
Euro) – hatten die Kuppelkreuzung der
Kö-Galerie bereits mit Rolltreppen deformiert, vermurkst und verkorkst. „Da habe
ich einmal nicht aufgepasst“, gellt Brune.
„Das passiert mir nicht noch mal!“
Der gebürtige Bremer hat die Stadtbilder dieses Landes, zumindest was
seine Verkaufsarchitektonik betrifft, geprägt wie möglicherweise niemand
sonst: Zwei Jahrzehnte lang war er für
die Ausformungen der Karstadt-Häuser
zuständig, er hat für Helmut Horten und
die Bauknechts gestaltet. Zu seinen Auftraggebern gehörte die Weltbank und der
Schah von Persien.
Sein Geld hat der Bau-Leu in Immobilien angelegt, wie es prosaisch heißt,
und immer wieder auch in Einkaufszentren selbst. Die Idee überdachter Innenstadt-Galerien, wie man sie in vielen
Städten findet, die in den 70er-Jahren
fürchteten, von Grüne-Wiese-Supermärkten entvölkert zu werden, geht auf
Brune zurück. Teufelskerl, dieser Brune!
Klar, dass sich ein Typ wie er nicht von
der Allianz in die Suppe spucken lässt.
In Stockdorf bei München arbeiten umgängliche Leute, und sie machen jeden
Spaß mit. In Dach- und Fach-Angelegenheiten aber sind sie mit bedrohlichem
Ernst bei der Sache: Denn Autodächer
sind, was sie emotionell anregt und was
sie deshalb ausdauernd herstellen wollen
und können (daneben aber auch Standheizungen und Klimaanlagen).
Nachdrückliches Gefallen wecken zur
Zeit die Aussichten in China: „Schiebeund Panoramadächer sind dort zunehmend ein Muss“, hat Unternehmensleiter Holger Engelmann festgestellt. Der
Chinese als solcher mag keine Kabrioletts. Aber Schiebedächer faszinieren
ihn, das muss man schon sagen. Man
kann mit Fug von einem Glasdach-Fimmel sprechen, wenn einem kein besseres
Wort als Fimmel einfällt.
In Bälde schon will Webasto seinen
Umsatz auf fünf Milliarden Euro verdoppelt haben. Wir werden sehen, ob die
Chinesen mit ihrem Faible (nicht: Fimmel) für Vollausstattungen tatsächlich
auf Dächer setzen oder ihre Renminbi
lieber für Lautsprecheranlagen, Ledersitze und Goldaschenbecher ausgeben.
Der Weltmarkt für Kabrio-Dächer jedenfalls dorrt ein und wird hartschalig
wie Altpudding. Pech für die Oberbayern,
die 2010 erst die Kabrio-Sparte des ausgelöschten Konkurrenten Edscha voller
Hoffnungen übernommen hatten. Aber
die Chinesen wollen nicht geöffneterweise durch die Drecksluft Pekings zockeln, und in Südeuropa, wo die Sonne
scheint, haben die Leute weniger Geld.
Nun ja, so ist das Wirtschaftsleben.
Den Besitz des Unternehmens teilt
sich Gerhard Mey (59) mit den Töchtern
des Aufsichtsratsvorsitzenden Werner
Baier (siehe rechts) und dem selbst.
48
211
Familie Werner Baier
Webasto, Stockdorf
600 Millionen Euro
1901 als „Eßlinger Draht- und Eisenwarenfabrik Wilhelm Baier, Eßlingen/
Neckar“ in die Wege geleitet, überlegte
es sich der Initiator 1908 doch noch einmal anders und siedelte ins reizvollere
Stockdorf um in die Nähe des Starnberger Sees. Der Ortswechsel machte eine
Neufirmierung in Webasto notwendig,
die Abkürzung für „W. Baier Stockdorf“.
1937 knickte und pliierte Webasto das
erste Faltdach für Daimler-Benz, seit
1956 ist man stolzer Stahlschiebedach-Lieferant für Mercedes. Die Dächer
der Bayern sind maßgefertigt, da pfeift
kein Wind durch Nähte und Ritzen, da
rinnt und rieselt, da trieft und tröpfelt
es selbst bei Tauwetter nicht. Geliefert
wird pünktlich und immer an die richtige
Adresse. Mit Recht rühmt sich Webasto
der Weltmarktführerschaft.
Die Erlöse der Firma sind 2013 aber
nur um faule 1,8 Prozent auf 2,5 Milliarden
Euro geklettert, weshalb Webasto-Gouverneur Holger Engelmann den Sonnenstrahl seiner guten Absichten nun auf
China richtet, wo er voll aufdrehen will.
Der 71 Jahre alte Gründernachfahr und
Aufsichtsratschef Werner Baier hat seinen
Anteil bereits vor knapp drei Jahren seinen beiden Töchtern zur Verfügung gestellt – nur ein Prozent hat er sich aus
Anhänglichkeit bewahrt. Die zweite Hälfte hält bekanntlich Gerhard Mey unter
Verschluss (siehe links).
SEPTEMBER 2014
DIE 500
REICHSTEN
Deutschlands größte Brauereien
Umsätze in Mio. €
Radeberger (u.a. Radeberger, Jever, DAB)
AB-InBev (u.a. Beck’s, Diebels, Franziskaner)
Bitburger (u.a. Bitburger, König Pilsener, Köstritzer)
Krombacher (u.a. Krombacher, Eichener)
Brau Holding (u.a. Paulaner, Hacker-Pschorr)
Warsteiner (u.a. Warsteiner, Paderborner, Herforder)
Oettinger (Oettinger)
Veltins (inklusive V plus)
Carlsberg (Holsten, Astra, Duckstein, Lübzer)
Frankfurter Brauhaus (inklusive Feldschlösschen)
Foto: picture alliance / dpa
*BILANZ-Schätzung
1.800
1.400 *
770
671
588
519
430*
289**
200*
156**
**2012 Quelle: BILANZ
211
231
247
Familie Ruth Kirch
KF 15, München
600 Millionen Euro
Familie Cramer
Warsteiner Brauerei, Warstein
550 Millionen Euro
Familie Gerhard Sturm
EBM-Papst, Mulfingen
500 Millionen Euro
Die Witwe des 2011 verstorbenen Medienpotentaten Leo Kirch schloss Anfang
dieses Jahres einen Vergleich, der die
Deutsche Bank ungefähr 925 Millionen
Euro kostet. „Ungefähr“ deshalb, weil
niemand die präzise Höhe kennt. Denn
sie ist, anders als die eines Berges, nur
schlecht festzustellen, das heißt zu fakturieren, weil ständig Zinsen draufgeschlagen und Steuern abgezogen werden
müssen. Rechnungen atmen. Nach Abzug der Expensen für Insolvenzverwalter, Advokaten und Gläubiger bleiben
ihr wohl um die 250 Millionen Euro.
Es trifft gottlob keine Unbemittelte:
Die 87-Jährige, eine geriebene Geschäftsfrau und Kunstsammlerin, verfügt über
Großbesitz in der Schweiz und ist munter ins Immobiliengewerbe verwickelt,
sowohl in München als auch rund um
den Gendarmenmarkt in Berlin.
Darüber hinaus ist sie Miteigentümerin (47,5 Prozent) von KF 15, der
Dachorganisation in der Kardinal-Faulhaber-Straße 15 zu München, an der neben ihr im Wesentlichen Dieter Hahn
(53) teilhat, der treueste Gefährte des
nicht zuletzt von der Deutschen Bank
entkräfteten Kirchs. Hahn dürfte an dem
Vergleich in Höhe seiner KF-15-Einlage
(42,5 Prozent) partizipieren.
Zur Habseligkeit von KF 15 gehören
Teilstücke an Biotechnikfirmen (Bitop
AG) und eine auf 18,7 Prozent dimensionierte Quote an der Constantin Medien
AG (u.a. Sport 1, Highlight Communication, Constantin Film).
Außerdem lässt die Holding im Verein
mit Dieter Hahns Bruder Wolfgang (der
für Kirch einst in Amerika gearbeitet
hatte) ein Golfresort aus der Pazifikküste Mexikos fräsen, schleifen und bohren.
Darauf muss man erst mal kommen.
Um 4,2 Prozent sank der Absatz der
Nordsauerländer in den ersten sechs
Monaten dieses Jahres. Bei ihrer Hauptmarke „Warsteiner“ setzte es gleich einen Niederschlag von knapp zehn Prozent. Dies sind keine Ergebnisse, auf die
anzustoßen sich lohnen würde.
Zumal die Konkurrenz ihren Absatz
erhöht hat, was in Jahren von Fußball-Weltmeisterschaften zu den Selbstverständlichkeiten in der Gilde gehört.
Schon aus lauter Vorfreude kippen sich
die Leute ihre Pilse hinter die Binden.
Firmenchefin Catharina Cramer (36),
die sich den Besitz der 1753 erstmals erwähnten Brauerei im Wesentlichen mit
ihren Schwestern Marie-Christina und
Ann-Josephine teilt (und zwar in neunter
Generation), hat alle Maßnahmen ergriffen, um den Wiederaufschwung einzuleiten: „Wir haben unseren Slogan verändert: Mein Vater hat unseren Premium-Klassiker zum ‚einzig wahren‘
gemacht. Daraus haben wir jetzt ‚Mach
das einzige Wahre‘ abgeleitet.“
Sexistischer Etepetismus ist Cramer
fremd, sie kombiniert Lederhose, Motorradstiefel und Jäckchen im Chanel-Stil,
arbeitet aber ohne Schlagring: „Historisch gesehen sind Bierbrauen und Brotbacken ja sowieso Frauensache gewesen,
bis die Männer merkten, dass man damit
Geld verdienen kann.“
Die Cramers, die auch Marken wie
„Herforder“, „Paderborner“ und „Frankenheimer“ ausstoßen, mischen auch in
angrenzenden Gewerben mit: bei Vertriebsgesellschaften, Getränkegroß- und
-kleinhandlungen, Immobilien und Beherbergungen („Welcome Hotels“).
Rund 120 Firmen sollen zum Ensemble
gehören, es setzte im vergangenen Jahr
knapp 520 Millionen Euro um.
Die Siegertypen aus dem Hohenlohekreis haben ihre Rivalen weitgehend unterjocht und erfreuen sich einer Eigenkapitalquote von 50 Prozent und eines
Umsatzes, der um 11,2 Prozent auf 1,5
Milliarden Euro aufgebohrt worden ist.
Jetzt wird erweitert und ein Rechenzentrum angebaut. Denn Wachstum dehnt.
Der Elektrobau Mulfingen und die
1992 von ihm eroberten Papst-Motoren
stellen selbige her vieles andere, was sich
kraft Elektromotoren in Drehung versetzen lässt, vor allem aber Ventilatoren: für
Gebläse, Lüfter und sogar Pumpen elegantester Bauart.
Alle Kontrahenten habe man gut im
Griff, sagt Geschäftsführer Rainer
Hundsdörfer. Aber auf die Chinesen
muss man wohl ein bisschen aufpassen:
Denn in Fernost gehen nicht zwei oder
drei, sondern gleich 100 Konkurrenten
zu Werke, „und 20 davon muss man im
Auge behalten“. In China ist ein weiteres
EBM-Papst-Werk geplant, auch in Nordamerika, vielleicht Mexiko. Man wird
sehen.
Im laufenden Geschäftsjahr will EBMPapst um weitere sieben Prozent an Gewicht zulegen, um dann richtige Dralligkeit zu verkörpern. Den Gewinn verschweigt man schon aus Gewohnheit,
aber Entzücken soll das Herz beim Anblick der seidig-schwarzen Ziffern erfüllen. Den Opponenten gewinnt das Resultat indes nicht nur Bewunderung ab,
auch neidische Sehnsucht und ein bitter-drängender Schmerz brennt in ihren
Brüsten.
Gründer Gerhard Sturm (79) hat sein
Unternehmen hochpersönlich an die
Weltspitze geführt und dort belassen. Er
hält bis zu diesem Tag die Mehrheit in
seinen Maschinenschlosserhänden.
SEPTEMBER 2014
49
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
247
Axel und Eric Schweitzer
Alba, Berlin
500 Millionen Euro
Beklommener Zeuge wird man der
Schwierigkeiten, in denen der hinter
Rethmann (Vermögen: vier Milliarden
Euro) zweitgrößte Müllbeseitiger dieses
Landes steckt: Seit 2012 fallen bei Alba
Verluste an, in diesem Jahr wird es kaum
anders sein. Die Verbindlichkeiten erreichen schätzungsweise 800 Millionen,
und das bei einem Umsatz von 2,6 Mil-
liarden Euro, der zuletzt vor Schreck um
zehn Prozent zusammenzuckte – von
den Wechseln in der Firmenleitung, die
in beinahe habitueller Weise vonstattengehen, ganz zu schweigen.
Axel (45) und Eric (49), der als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags amtiert, könnten sich,
falls ihnen der Sinn danach steht, damit
aufheitern, dass die ganze Branche unter
den Kalamitäten leidet, die der Preisverfall für Schrott nach sich zog und die
zumindest jenen Unternehmen Schäden
zufügte, die, wie Alba, damit handeln.
Mehr als zwei Drittel ihrer Einnahmen
erzielen die Berliner mit ihrer Beteiligung Alba SE (früher: Interseroh), einem
Schrotthändler mit Hauptsitz in Köln.
Statt zumindest die Vorjahreshöhe zu
erreichen, blieben die Gesamteinnahmen bereits bei 1,8 Milliarden Euro wie
angewurzelt stehen: Statistiker ermittelten einen Rückstand von 8,1 Prozent.
„Wir sind bis 2017 durchfinanziert“,
sagt Axel Schweitzer mit sachlich-rätselhafter Sportler-Attitüde. Schon 2015
werde er wieder Gewinne als Münzen
auf die Tischdecke stapeln.
Abb. zeigen Sonderausstattung.
247
Familie Conrad
Conrad Electronic, Hirschau
500 Millionen Euro
Das von Werner Conrad (53) geleitete
Elektronikversandhaus aus der Oberpfalz rivalisiert mit Unternehmen wie
Amazon auf der einen und Otto auf der
anderen Seite. Auch die Klamottenschleuder Zalando zählt zur Konkurrenz,
aber nur des schlechten Einflusses wegens, den dieser Händler auf die Seelen
der Verbraucher ausübt.
„Zalando gaukelt dem Verbraucher
vor, jeden Artikel versandkostenfrei sofort am nächsten Tag zu erhalten“, behauptete Conrad frech in der Gaukelfragen stets zartsinnig gegenüberstehenden
FAZ. Nicht genug damit, dürfen Zalan-
50
do-Besteller die Waren auch noch nach
100 Tagen kostenlos zurückschicken. So
etwas bringt Conrad auf: „Mit Retourquoten von 50 Prozent und mehr kann
das Geschäftsmodell auf Dauer nicht
funktionieren“, donnert, blitzt und hagelt er. „Selbst wenn Zalando scheitert,
bleibt der Schaden, den Verbraucher auf
grenzenloses Bestell- und Rücksendeverhalten konditioniert zu haben. Das ist
dramatisch!“ Vorausgesetzt, es ist so.
Conrad Electronic geht auf die Entschlusskraft und den Unternehmungsgeist
seines Urgroßvaters Max zurück, der 1923
in Berlin eine Werkstatt namens Radio
Conrad aus einer Taufe hob.In Schwung
kam der Betrieb jedoch erst in den
50er-Jahren. Gut und gerne erinnert man
sich daran, wie die erste Kiste Drehkondensatoren im dreirädrigen Tempo Han-
seat vom neuen Standort Hirschau ins 90
Kilometer entfernte Fürth gezuckelt wurde zu einem Radiohändler namens Grundig. Mit Kilometer- und Jahresangaben ist
Conrad großzügig. Geschäftszahlen aber
gibt er nicht preis, auch nicht, wenn man
quengelt. Da „sind wir nicht mit Transparenz gesegnet an dieser Stelle“, sagt er
klug. „Nur so viel: International machen
wir deutlich mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz, und wir sind profitabel.“
Mit 13 Millionen Versandkunden und
mehr als 14 Millionen Filialgästen gehört
Conrad eigener Einschätzung nach zu
den führenden „Multichannel-Anbietern
für Technik und Elektronik in Europa“.
Ab 2015 will man bis zu 70.000 Pakete
am Tag verschiffen und verfahren. Deswegen entsteht „nebenan“ (Conrad) ein
Anbau für knackige 50 Millionen Euro.
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
247
Familie Gläsel
Weidmüller, Detmold
500 Millionen Euro
Im Juli brachte sich die Firma Weidmüller
(Umsatz: 640 Millionen Euro), dieser geschätzte acteur auf dem Gebiet der Verbindungstechnik, in Verlegenheit, als das
Vorhaben endgültig gescheitert war, die
Firma R. Stahl, einen Spezialisten für Explosionsschutz, gegen deren Willen zu
inkorporieren. Es wäre die erste feindselige Eroberung eines deutschen Familien-
unternehmens durch ein anderes gewesen. 300 Millionen Euro hätten sich die
Detmolder den Ankauf kosten lassen, die
Commerzbank hatte einen entsprechenden Kredit bereits in Aussicht gestellt und
mit den Zähnen geknirscht.
In der sehr auf Förmlichkeiten bedachten Familienunternehmerszene reagierte
man indes pikiert auf die Weidmüller-Offensive. Die Etikette verlangt, dass man
derlei Anschläge im Klub bei Cognac und
Zigarre bespricht, und zwar im Paul-Dahlke-Generaldirektor-Konversationston
(„Höhö, ähem ... Auf Ihr Wohl, mein Lie-
ber!“). Christian Gläsel (41), für die Eignerfamilie im Aufsichtsrat, will sich keine
Verletzung der Umgangsregeln vorhalten
lassen: „Wir haben mit unserem öffentlichen Angebot für R. Stahl gezeigt, dass
Weidmüller ein modernes Familienunternehmen ist, das Gelegenheiten erkennt
und sie mutig zu ergreifen sucht.“
Sein Geschäft mit Klemmen, Steckern,
Kopplern und Modulen betreibt Weidmüller unter den Gesichtspunkten der
Sparsamkeit, des Stilempfindens und der
Grazie. Klagen über Fehlverhalten waren
bis jetzt nicht aktenkundig gewesen.
Für Entscheider, die ihren eigenen Stil fahren.
Entscheidung leicht gemacht: die Volvo V60 und S60 Business Edition jetzt mit attraktivem Leasingangebot.
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ojYZcYdgi\ZcVcciZcIZgb^cZc#GZeVgVijgZcjcYYZg:ghViokdcKZghX]aZ^›iZ^aZch^cYc^X]iZci]VaiZc#9ZiV^a^c[dgbVi^dcZcZg]VaiZcH^ZWZ^bKdakd=~cYaZgdYZgjciZglll#kdakdXVgh#YZ$kdakdegd[jaahZgk^XZ#
247
Familie Schleussner
Biotest, Dreieich
500 Millionen Euro
Knapp über die Hälfte der Anteile dieses
Blutplasma-Herstellers und „Vorzeigeunternehmens“ (FAZ) befindet sich
noch im Besitz der Gründerfamilie. Sie
hatte in den vergangenen Jahren gut lachen, denn stets stand ihr Institut in
Flor: 2013 stieg der Umsatz des Biotechnik-Unternehmens um 13,8 Prozent auf
501 und der Betriebsgewinn um 20,4
Prozent auf knapp 54 Millionen Euro, der
Aktienpreis schnellte in den vergangenen zwölf Monaten von 58 auf zeitweise
98 Euro.
Die Aussichten des 1946 gegründeten
Unternehmens sind alles andere als
SEPTEMBER 2014
schlecht, aber Biotest (Weltmarktanteil:
drei Prozent) ist auch nicht so kolossal,
als dass man grinsend in den Wettbewerb um Antikörper zöge. Die Dreieicher
erwirtschaften mehr als 80 Prozent ihrer
Umsätze außerhalb Deutschlands. Doch
in den USA musste man kürzlich ein
wichtiges Präparat vom Markt nehmen;
die Krisen in Russland und Vorderasien
wirken darüber hinaus bedrückend auf
den Aktienkurs.
Grundsätzlich aber bleiben die Biotester überzeugt von sich und ihren Plänen: Die Produktion soll bis 2019 verdoppelt, der Umsatz bis 2020 auf eine
Milliarde Euro gepaukt und getrommelt
werden.
In der formschönen Ausführung von
Cathrin Schleussner ist die Familie im
Aufsichtsrat vertreten.
51
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Rang 121: Carsten Maschmeyer Der
Finanzartist (hier beim Stressabbau mit
Freundin Veronica Ferres) ist ein großer, zuletzt
indes nicht immer erfolgreicher Investor.
Rang 138: Clemens Tönnies Der Aufsichtsratschef von Schalke 04, ein ausufernder
Agitator, verfügt über die Hälfte des größten
deutschen Fleischkonzerns.
Die Plätze 100 bis 194
100
100
103
103
103
106
106
106
106
106
Name
Joachim und Andreas Kohm
Horst Wortmann
Familie Dohle
Alexandra Flick
Elisabeth von Auersperg-Breunner
Hans Georg Näder
Götz Werner
Familie Lehmann
Familie Hager
Familie Josef Buchmann
Firma
Versandhaus Klingel, Pforzheim
Wortmann, Detmold
Dohle, Siegburg
Diana, München
Fides, München
Otto Bock, Duderstadt
Dm Drogeriemärkte, Karlsruhe
Dm Drogeriemärkte, Karlsruhe
Hager, Blieskastel
Buchmann, Frankfurt
Branche
Versandhandel
Schuhhandel
Handel
Vermögensverw., Kapitalanlagen
Vermögensverw., Kapitalanlagen
Medizintechnik, Prothesen
Einzelhandel
Einzelhandel
Elektrotechnik
Immobilien
Vermögen*
1,40
1,40
1,35
1,35
1,35
1,30
1,30
1,30
1,30
1,30
106
112
112
114
114
114
114
118
118
118
Familie Stefan Messer
Familie Simon
Familien Johannes Mohn
Familie Schwarz-Schütte
Peter Unger
Familie Hoffmann
Familie Fuchs
Familie Manchot
Familie Henning Conle
Gebrüder Reppegather
Messer, Messer Eutectic Castolin, beide Sulzbach
Bitburger Brauerei, Bitburg
Bertelsmann, Gütersloh
vormals Schwarz Pharma; Black Horse, Düsseldorf
vormals Auto-Teile Unger, Weiden/Oberpfalz
Hoffmann, Berlin
Fuchs Petrolub, Mannheim
Henkel, Düsseldorf
Sirosa, Liechtenstein; Dieter Conle, Sonthofen
Centrum, Düsseldorf
Industriegase, Chemie
Genussmittel
Medien
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Autozubehör
Immobilien, Kapitalanlagen
Schmierstoffe
Klebstoffe, Waschmittel
Immobilien
Immobilien
1,30
1,25
1,25
1,20
1,20
1,20
1,20
1,15
1,15
1,15
121
121
121
121
125
125
127
127
127
127
Familie Kronseder
Familie Wagner
Stefan v. Holtzbrinck u. Monika Schoeller
Carsten Maschmeyer
Familie Sick
Familie Lechler
Familie Ziehl
Familie Kathrein
Heinrich Thorbecke
Familie Jochen Opländer
Krones, Neutraubling
Rehau, Rehau
Holtzbrinck-Verlag, Stuttgart
Maschmeyer, Hannover
Sick, Waldkirch
Elring Klinger, Dettingen
EBM, Mulfingen; Ziehl-Abegg, Künzelsau
Kathrein-Werke, Rosenheim
Henkel, Düsseldorf
Wilo, Dortmund
Abfüllanlagen
Kunststoffverarbeitung
Medien
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Sensortechnik
Autozulieferer
Ventilatoren, Regeltechnik
Antennen
Klebstoffe, Waschmittel,
Pumpen
1,10
1,10
1,10
1,10
1,05
1,05
1,00
1,00
1,00
1,00
127
127
127
127
127
127
127
138
138
138
Rolf Gerling
Familie Hagenmeyer
Familie Dräxlmaier
Familie Harro Uwe Cloppenburg
Sartorius-Erben
Martin Herrenknecht
Familie Kostal
Dieter Schaub
Familie Hornbach
Clemens Tönnies
vormals Gerling Versicherung, Köln
Getrag, Untergruppenbach
Dräxlmaier-Gruppe, Vilsbiburg
Peek & Cloppenburg West, Düsseldorf
Sartorius, Göttingen
Herrenknecht, Schwanau
Leopold Kostal, Lüdenscheid
Medien-Union, Ludwigshafen
Hornbach, Bornheim
Tönnies-Gruppe, Rheda-Wiedenbrück
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Getriebetechnik
Autozulieferer
Textilien
Wägetechnik
Tunnelbohranlagen
Elektrotechnik, Autozulieferer
Medien
Baumärkte
Fleischverarb., Schlachtbetr.
1,00
1,00
1,00
1,00
1,00
1,00
1,00
0,95
0,95
0,95
141
141
141
141
141
141
147
147
147
147
Familie von Metzler
Familie Eberspächer
Peter Harf
Familie Goldbeck
Hermann Langness
Rolf Königs
Torsten Toeller
Josef Boquoi
Thomas Olbricht
Willi Verhuven
Bankhaus B. Metzler, Frankfurt
Eberspächer, Esslingen
Joh. A. Benckiser, Wien
Goldbeck, Bielefeld
Bartels-Langness, Kiel
Aunde, Mönchengladbach
Fressnapf, Krefeld
Bofrost, Straelen
vormals Wella (Haarpflege), Darmstadt
Alltours, Duisburg
Bank
Abgastechnik, Standheizungen
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Bau, Immobilien
Lebensmittelhandel
Autotextilien
Tiernahrung
Handel, Immobilien
Kapitalanl., Kunstsammlung, Immobilien
Tourismus
0,90
0,90
0,90
0,90
0,90
0,90
0,85
0,85
0,85
0,85
*in Milliarden Euro
52
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Fotos: picture alliance / BREUEL-BILD, picture alliance / dpa
Rang 175: Jan Philipp Reemtsma Zu
übergroßer Ernsthaftigkeit neigender Philologe,
Essayist, Mäzen und Zigaretten-Erbe. Wahrscheinlich auch Nichtraucher. Hier in Zürich.
Rang 194: Clemens J. Vedder Der Investor ist
einer der heißesten Typen der internationalen
Akrobaten-Szene. Schwer auf Zack, der Mann.
Lebt in Florida, Zürich und auf Sylt. Überall gut.
147
147
147
154
154
154
154
154
154
154
Name
Ernst Freiberger
Familie Schwörer
Familie Dyckerhoff
Familien Dräger
Erika Pohl Erwin Müller
Familie Bentz
Familie Eckes-Chantré
Familie Schäfer
Familien Kriegbaum
Firma
Freiberger, Berlin; Medical Park, Amerang
Peri, Weißenhorn
vormals Dywidag (Bau), Wiesbaden
Drägerwerk, Lübeck
vormals Wella (Haarpflege), Darmstadt
Müller, Ulm
Melitta, Minden
Rotkäppchen-Mumm, Freyburg/Unstrut; Eckes, Nieder-Olm
Schäfer-Werke, Neunkirchen
vormals Kriegbaum-Gruppe (Einzelhandel), Böblingen
Branche
Immobilien
Schalungs-, Gerüsttechnik
Beteiligungen
Medizin-, Sicherheitstechnik
Immobilien, Beteiligungen
Drogerien
Nahrungsmittel
Fruchtsäfte
Gehäusetechnik; Logistik
Immobilien, Beteiligungen
Vermögen*
0,85
0,85
0,85
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
154
154
154
154
154
154
154
168
168
168
Familie Schwarz
Albert Berner
Helmut Greve
Familie Erich Sixt
Familie Kaeser
Claus und Gunnar Heinemann
Kurt Krieger
Klaus-Peter Schulenberg
Familie Peter Möhrle
Familie Viehof
vormals Schwarz Pharma, Monheim Berner, Künzelsau
Greve, Hamburg
Sixt, Pullach
Kaeser-Kompressoren, Coburg
Gebr. Heinemann, Hamburg
Möbel Höffner, Waltersdorf; Kraft, Bad Segeberg
CTS Eventim, München
vormals Max Bahr (Baumärkte), Hamburg
vormals Allkauf (Einzelhandel), Mönchengladbach
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Befestigungssysteme, Werkzeuge
Immobilien
Autovermietung
Maschinenbau
Einzelhandel (Duty-free)
Möbelhandel, Immobilien
Ticketvertrieb, Konzertveranstaltungen
Immobilien, Kapitalanlagen
Beteiligungen
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
0,80
0,75
0,75
0,75
168
168
168
168
175
175
175
175
175
175
Harald-Quandt-Töchter
Familie Stickling
Familie Hurler
Familie Gerlach
Familie Sander
Familie Joram Roth
Klaus und Jost Hellmann
Familie Ackermans
Martin Brost
Familie Woeste Harald Quandt, HQ Trust, beide Bad Homburg
Nobilia, Verl
Jost Hurler, München
Seaside Hotels, Gerlach Wohnungsbau, Vapiano, alle HH
vormals Wella (Haarpflege), Darmstadt
Roth, Berlin
Hellmann Logistics, Osnabrück
vormals Allkauf, Mönchengladbach
Brost, München
Henkel, Düsseldorf
Beteiligungen, Finanzdienstleistungen
Küchenmöbel
Immob., Einzelh., Einkaufszentr., Beteilig.
Hotels, Immobilien, Restaurants
Beteiligungen
Immobilien
Spedition
Beteiligungen
Kapitalanlagen
Klebstoffe, Waschmittel
0,75
0,75
0,75
0,75
0,70
0,70
0,70
0,70
0,70
0,70
175
175
175
175
175
175
175
175
175
175
Jan Philipp Reemtsma
Familie Grohe
Familie Veltins
Familie Claussen
Frieder Burda
Familie Häfele
Familie Dussmann
Paul-Heinz Wesjohann Hans Strothoff
Franz Burda
vormals Reemtsma (Tabak), Hamburg
vormals Grohe (Sanitär), Hemer
Veltins-Brauerei, Meschede-Grevenstein
vormals Beiersdorf (Kosmetik), Hamburg
vormals Burda-Verlag, Offenburg
Häfele, Nagold
Dussmann, Berlin
PHW, Rechterfeld
MHK Verbundgruppe, Cronbank, beide Dreieich vormals Burda-Verlag, Offenburg
Kapitalanlagen
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Genussmittel
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Kunst, Beteiligungen, Kapitalanlagen
Beschlagtechnik
Gebäudemanagement, Catering
Lebensmittel, Geflügel
Möbelhandel, Bank
Kapitalanlagen
0,70
0,70
0,70
0,70
0,70
0,70
0,70
0,70
0,70
0,70
175
175
175
194
194
194
194
194
194
194
Klaus C. Plönzke
Detlev Meyer
Friedhelm Behn
Familie Kirchhoff
Dieter Becken
Michael Schumacher
Familie Otto Rudolf Fuchs
Clemens J. Vedder
Familie zu Waldburg-Zeil
Familie Holzhey
vormals Ploenzke AG (IT), Stuttgart
vormals CBR (Textilhandel), Celle
vormals CBR (Textilhandel), Celle
Kirchhoff-Gruppe, Iserlohn
Becken, Hamburg
Autorennfahrer, Gland/Schweiz
Otto-Fuchs-Gruppe, Meinerzhagen
Goldsmith Capital, Grand Cayman/Cayman Islands
Waldburg-Zeil, Waldburg
vormals Haindl-Gruppe(Papier), Augsburg
Beteiligungen
Beteiligungen
Beteiligungen
Autozulieferer, Maschinenbau
Immobilien, Vermögensverwaltung
Motorsport
Metallverarbeitung, Luftfahrt
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Grundbesitz, Immobilien
Beteiligungen, Immobilien
0,70
0,70
0,70
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
SEPTEMBER 2014
53
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Rang 194: Heinz Dürr Der 80-Jährige spielt
Golf, raucht, reist, kümmert sich um seine
Stiftungen. Am Weltmarktführer für Autolackieranlagen hält seine Familie ein gutes Viertel.
Rang 247: Jürgen Großmann Der Ex-RWEPremier hat Humor, ein Sterne-Restaurant, ein
Stahlwerk und 38 weitere Firmen. Das Ensemble
schreibt Verluste. Das ist keine gute Nachricht.
Die Plätze 194 bis 298
194
194
194
194
194
194
194
194
194
194
Name
Albrecht Knauf
Stefan Heinig
Familie Hörmann
Familie Lampmann
Familie Eisert
Familie Manfred Bode
Friedrich Knapp
Familie Heinz Dürr
Familie Stotmeister
Willibert Krüger
Firma
Knauf-Interfer, Essen; AK, Norderfriedrichskoog
Tedi, Dortmund; Kik, Bönen; Woolworth, Unna
Hörmann, Steinhagen
Phoenix Contact, Blomberg
Phoenix Contact, Blomberg
Krauss-Maffei Wegmann, München
New Yorker, Braunschweig
Dürr, Stuttgart
Sto, Stühlingen
Krüger, Bergisch-Gladbach
Branche
Metallverarbeitung, Luftfahrt
Textilien, Einzelhandel, Immobilien
Tore, Türen, Antriebe
Automatisierungstechnik
Automatisierungstechnik
Rüstung
Textilhandel
Lackieranlagen
Wärmedämmung
Nahrungsmittel, Kaffee
Vermögen
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
0,65
211
211
211
211
211
211
211
211
211
211
Familie Hummel
Hans-Joachim Tessner
Familie Grotkamp Familie Kaldewei
Familie Koepff
Evi Brandl
Bernard Meyer
Gerhard Weber
Familie Lapp
Familie Bock
Mann + Hummel, Ludwigsburg
Tessner, Goslar
Funke, Essen
Franz Kaldewei, Ahlen
Gelita, Eberbach
Vinzenz Murr, Etienne Aigner, beide München
Meyer Werft, Papenburg; Neptun, Rostock
Gerry Weber, Halle/Westfalen
Lapp, Stuttgart
vormals Lonrho (Bergbau), London
Autofilter- und Ansaugsysteme
Möbel, Beteiligungen
Medien
Sanitär
Gelatineherstellung
Fleischwaren, Immobilien, Luxusartikel
Werft
Textilien
Industriekabel
Immobilien, Beteiligungen
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
211
211
211
211
211
211
211
211
211
211
Walter Brune
Familie Gerhard Mey
Familie Werner Baier
Familie Klopp
Martin Kind
Michael R. Neumann
Leopold Stiefel
Familie Krone
Marion, Beatrice, Tobias Nagel
Familie Ruth Kirch
Brune, Düsseldorf
Webasto, Stockdorf
Webasto, Stockdorf
Bünting, Leer
Kind, Großburgwedel
Neumann, Hamburg
Media-Saturn, Ingolstadt
Krone, Spelle
Nagel, Versmold
KF 15, München; vormals Kirch Media, Ismaning
Immobilien
Autodächer, -standheiz., -klimaanlagen
Autodächer, -standheiz., -klimaanlagen
Einzelhandel
Hörgeräte
Rohkaffeehandel
Elektronikhandel
Landtechnik, Nutzfahrzeuge
Spedition
Immobilien
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
0,60
231
231
231
231
231
231
231
231
231
231
Familie Rohde
Familie Cramer
Familien Jochen und Uwe Holy Familie Spaeter
Familie Lürßen
Verena Mitschke-Collande
Arthur Handtmann
Claudia Miller
Familie Grillo
Familie Klaus Fischer Rohde & Schwarz, München
Warsteiner Brauerei, Warstein
vormals Boss (Textilien), Metzingen
Carl Spaeter, Duisburg
Lürssen-Werft, Bremen
Giesecke & Devrient, München
Handtmann, Biberach
vorm. Giesecke & Devrient (Spezialdruckerei), Mün.
Grillo, Marxloh; Wilhelm Grillo, Duisburg
Fischerwerke, Waldachtal
Funk-, Messtechnik
Genussmittel
Immobilien, Beteiligungen
Aluminium-, Stahlhandel
Schiffbau
Spezialdruckerei, Chipkarten
Maschinenbau
Kapitalanlagen Zinkverarbeitung, Metallhandel
Dübel, Befestigungssys., Kfz-, Bauzulief.
0,55
0,55
0,55
0,55
0,55
0,55
0,55
0,55
0,55
0,55
231
231
231
231
231
231
247
247
247
247
Familie Michael Sieber
Familie Jochen Hückmann
Eugen Münch
Barbara Lambrecht-Schadeberg
Familie Bernhard Schadeberg
Klaus Greinert
Jürgen Großmann
Familie Mann
Dirk Ippen
Familie Gerhard Sturm
Simba-Dickie, Fürth; Märklin, Göppingen
Merz, Frankfurt am Main
Rhön-Klinikum, Bad Neustadt
Krombacher Brauerei, Kreuztal
Krombacher Brauerei, Kreuztal
Duravit, Hornberg; Röchling, Mannheim
Georgsmarienhütte, Hamburg
Mann + Hummel, Ludwigsburg
Münchner Merkur, München
EBM-Papst, Mulfingen
Spielwaren
Pharma, Werbeartikel
Krankenhäuser
Genussmittel
Genussmittel
Sanitärkeramik
Stahlwerk, Beteiligungen
Autofilter- und Ansaugsysteme
Medien
Ventilatoren
0,55
0,55
0,55
0,55
0,55
0,55
0,50
0,50
0,50
0,50
54
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Fotos: picture alliance / dpa, picture alliance / ROPI, ullstein bild - Sven Simon, picture alliance / BREUEL-BILD
Rang 280: Nikolaus Hipp Führender
Babynahrungsmittelhersteller des Landes. Fünf
Kinder, 13 Enkel. Beherrscht die väterliche
Firma mit seinen Brüdern Paulus und Georg.
Rang 280: Gert-Rudolf Flick Muck tritt häufig
in Erscheinung, wo er Leuten im Smoking mit
Fliege begegnet wie Herrn Hipp. Ist Jurist und
Kunstsammler, hauptsächlich aber Erbe.
247
247
247
247
247
247
247
247
247
247
Name
Familie Gauselmann
Axel und Eric Schweitzer
Familie Behr
Albert von Thurn und Taxis
Günter Thiel
Familie Vetter
Familie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg
Familie Mühlens
Klaus Murmann
Familie Dedi
Firma
Gauselmann, Espelkamp; Hess, Magstadt
Alba, Berlin
vormals Behr, Stuttgart
Thurn und Taxis, Regensburg
Rosalia, Calidris, beide Luxemburg
Vetter, Ravensburg
Sayn-Wittgenstein, Berleburg
vormals 4711 (Parfum), Köln
vormals Sauer-Danfoss (Hydrauliksys.), Neumünster
vormals Quelle (Versandhandel), Fürth Branche
Spielautomaten, Zahlungssysteme
Entsorgung, Recycling
Autoklimaanlagen
Grundbesitz, Immobilien
Beteiligungen
Einmalspritzen, Medizintechnik
Immobilien, Grundbesitz
Beteiligungen, Immobilien
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Kapitalanlagen
Vermögen
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
247
247
247
247
247
247
247
247
247
247
Thomas Bscher
Paul-Otto Faßbender
Florian Rehm
Familie Conrad Familie Gläsel
Familie Kober
Familie Bartels
Robert Tönnies
Toni Meggle
Familie Hirschvogel
vormals Sal. Oppenheim, Köln
Arag, Düsseldorf
Mast-Jägermeister, Wolfenbüttel
Conrad Electronic, Hirschau
Weidmüller, Detmold
AL-KO Kober, Kötz
Bartels, Hamburg; Fraatz, Hamburg
Tönnies-Gruppe, Rheda-Wiedenbrück
Meggle, Wasserburg
Hirschvogel, Denklingen
Immobilien, Kapitalanlagen
Rechtsschutzversicherung
Genussmittel
Einzelhandel
Automatisierungstechnik
Fahrzeug-, Gerätetechnik
Immobilien, Hotels
Fleischverarb., Schlachtbetriebe
Milchverarbeitung, Beteiligungen
Autozulieferer
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
247
247
247
247
247
247
247
247
247
280
Familie Werner Michael Bahlsen
Erich Wesjohann
Familie Januschke
Familie Sachs Harald Schuldt
Conle-Töchter
Familie Hansjakob Müller
Familie Morgenstern
Familie Schleussner
Familie Hipp
Bahlsen, Hannover
EW, Visbek-Norddöllen
Hoffmann, München
vormals Fichtel & Sachs, Schweinfurt
Norddeutsche Reederei H. Schuldt, Hamburg
vormals LTU (Luftfahrt), Düsseldorf
Renolit, Worms
Morgenstern, Berlin
Biotest, Dreieich
Hipp, Pfaffenhofen
Backwaren
Lebensmittel, Geflügel
Werkzeughandel
Immobilien, Kapitalanlagen
Schifffahrt
Kapitalanlagen, Beteilig., Immobilien
Kunststoff-Folien
Immobilien, Kapitalanlagen
Pharmazie
Nahrungsmittel
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,50
0,45
280
280
280
280
280
280
280
280
280
280
Gruner-Erben
Familie Christiane Fuchs
Familie Hermann-Hinrich Reemtsma
Familie Heinrich Risken
Kurt Engelhorn
Claudia Engelhorn
Familie Randlkofer
Gert-Rudolf Flick
Karl Schlecht
Gerhard Richter
vormals Gruner + Jahr (Medien), Hamburg
Otto-Fuchs-Gruppe, Meinerzhagen
vormals Reemtsma (Tabak), Hamburg
Heristo, Bad Rothenfelde
vormals Boehringer (Pharma), Mannheim
vormals Boehringer Mannheim (Pharma), Mannheim
Alois Dallmayr, München
Flick-Erbe, London
vormals Putzmeister, Aichtal
Richter, Köln
Beteiligungen
Metallverarbeitung, Luftfahrt
Kapitalanlagen, Wald
Nahrungsmittel
Kapitalanlagen
Kapitalanlagen
Kaffee, Lebensmittel, Immobilien
Immobilien, Beteiligungen
Betonpumpen
Kunst
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
280
280
280
280
280
280
280
298
298
298
Familie Hoyer
Claudia Ebert
Familie Adam
Familie Heinz Gries
Familie Lorenz Bahlsen
Roland Berger
Familie Murjahn
Walter Gunz
Peter Schnell Familie Thomas Philippiak
Hoyer, Hamburg
vormals Wella (Haarpflege), Darmstadt
Merz, Frankfurt am Main
Griesson de Beukelaer, Polch
Lorenz Snack World, Neu-Isenburg
Roland Berger, München
Caparol, Ober-Ramstadt
vormals Media Markt, Düsseldorf
Software AG, Darmstadt
EBM-Papst, Mulfingen
Spedition
Beteiligungen
Pharma, Werbeartikel
Süßwaren
Salzgebäck
Dienstleistungen
Farben
Handel
Rechnerprogramme
Ventilatoren
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
0,45
0,40
0,40
0,40
SEPTEMBER 2014
55
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Rang 298: Kajo Neukirchen Markierte als sog.
„Sanierer“ stets den Harten und Unbeherrschbaren. Nur seine Frau Erika behielt ihn im Griff.
Großer Immobilienbesitz im Aus- und Inland.
Rang 298: Dieter von Holtzbrinck Einer der
wenigen Verleger (r. BW-Chef Winfried Kretschmann), der diesen Namen verdient. Zeit und
Handelsblatt-Gruppe stehen ihm zu Gebote.
Die Plätze 298 bis 399
298
298
298
298
298
298
298
298
298
298
Name
Familie Wöhrl Günther Cramer
Familie Düsterberg
Familie Wacker
Anton Wolfgang von Faber-Castell
Familie Bettermann
Stefan und Thomas Cremer
Familie Eckstein
Jana Niederberger
Familie Schmitt
Firma
Wöhrl AG, Nürnberg; LTU, Düsseldorf
SMA Solar, Niestetal
Apetito, Rheine
Wacker Neuson, München
Faber-Castell, Stein
OBO Bettermann, Menden
Cremer, Hamburg
Union Tank Eckstein, Kleinostheim
Niederberger, Neustadt a.d. Weinstraße
Bank Schilling, Hammelburg
Branche
Textilhandel, Fluglinie
Wechselrichter
Lebensmittel
Baugeräte
Schreibgeräte
Elektroinstallationssysteme
Futtermittel, Getreidehandel
Tankkarten
Stadtwerbung, Hotels, Weingüter
Privatbank
Vermögen
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
298
298
298
298
298
298
298
298
298
298
Familie Böllhoff
Dieter von Holtzbrinck
Familie Meerpohl
Familie Pilarsky
Familie Wisser
Familie Bauer
Dieter Fuchs
Familie Koch Familie Silvius Dornier
Familie Otto Rettenmaier
Böllhoff, Bielefeld
DvH Medien, Stuttgart
Big Dutchman, Calveslage
Cronimet, Karlsruhe
Wisag-Gruppe, Frankfurt a. M.
J. Bauer, Wasserburg
Fuchs Gewürze, Dissen
Kaefer Isoliertechnik, Bremen
vormals Dornier (Luftfahrt), Friedrichshafen
Scheuerle, Pfedelbach; Rettenm. & Söhne, Rosenberg
Montagesys., Verbindungstechnik
Medien
Ställe, Fütterungsanlagen
Schrottverarbeitung
Gebäudemanagement
Molkerei
Gewürze
Isoliertechnik
Kapitalanlagen
Maschinenbau, Naturfasern
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
298
298
298
298
298
298
298
298
298
298
Familie Krahn
Familie Gölkel Hans-Julius und Iver Ahlmann
Familie Albert
Familie Fritsch-Albert
Bernhard Termühlen
Frank Gotthardt
Leibbrand-Erben
Familie Hülsbeck
Monika Gräf
Otto Krahn Gruppe, Hamburg
vormals Blendax (Zahnpflege), Mainz
Aco-Gruppe, Büdelsdorf
Westfalen, Münster
Westfalen, Münster
vormals MLP (Finanzdienstleistungen), Wiesloch
Compugroup Medical, Koblenz
vormals Leibbrand (Einzelhandel), Bad Homburg
HuF Hülsbeck & Fürst, Velbert
Hülsbeck & Fürst, Velbert
Kunststoffveredelung
Kapitalanlagen
Bauelemente, Entwässerungstechnik
Technische Gase, Tankstellen
Technische Gase, Tankstellen
Beteiligungen, Grundbesitz
Rechnerprogramme
Kapitalanlagen
Autoschließsysteme, Immobilien
Autoschließsysteme, Immobilien
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
298
298
298
298
298
298
298
298
298
298
Familie Bach
Familie Klaus Grohe
Familie Zollner
Familie Reimann-Dubbers
Familie Gerhard Schick
Helmut Röschinger
Albert Büll Edwin Kohl
Familie Hohorst
Familie Hehl
Scherdel, Marktredwitz
Hansgrohe, Schiltach
Zollner Elektronik, Zandt
vormals Benckiser (Reinigungsmittel), Mannheim
Bechtle, Neckarsulm
Argenta, München
Büll & Liedtke, Capital Stage, beide Hamburg
Kohlpharma, Merzig/Saarland
Wago, Minden
Arburg, Lossburg
Ventilfedern
Sanitär
Autozulieferer
Beteiligungen
IT-Dienstleistungen
Immobilien
Beteiligungen, Immobilien
Pharmahandel
Elektrotechnik
Spritzgießmaschinen
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
298
298
298
298
298
346
346
346
346
346
Falk Strascheg
Netzsch-Erben
Dolf Stockhausen
Kajo Neukirchen
Familie Lenz
Erich und Martin Dreier
Familie von und zu Guttenberg
Friedrich Christian Flick
Familie Ernsting
Jicky Vogel
vormals Technologieholding, München
Netzsch, Selb
Clariant, Muttenz/Schweiz
Neukirchen, Frankfurt
Züblin, Stuttgart
Dreier Immobilien, Dortmund
zu Guttenberg, Neubeuern
Flick, Gstaad
Ernsting’s Family, Coesfeld
vormals Robert Vogel, Hamburg; Vogel, Paris
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Maschinen-, Gerätebau
Spezialchemie
Beteiligungen
Beteiligungen
Immobilien Grundbesitz, Wald, Kapitalanlagen
Kunstsammlung, Kapitalanlagen
Textilien
Immobilien
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
56
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Fotos: picture alliance / Eventpress He, picture alliance / dpa
Rang 346: Karl Lagerfeld Schönes Foto des
Mannes, den sie in Paris „le kayser“ nennen. Er
kann fast alles. Hat zuletzt ein Buch gestaltet
über das „private life“ seiner Katze Choupette.
Rang 346: Thomas H. Eckelmann Zum Besitz
der Hamburger Familie gehören Hafenanlagen,
Containeranbieter und 75 Prozent des
börsennotierten Umschlagbetriebs Eurokai.
346
346
346
346
346
346
346
346
346
346
Name
Karl Lagerfeld
Familie Festge
Familie Peter Eisenmann
Familie Dowidat
Familie Niewodniczanski
Familie Grenzebach
Familie Gärtner
Familie Fahrenkamp
Horst Grosspeter Familie Piepenbrock
Firma
Lagerfeld, Paris
Haver & Boecker, Oelde
Eisenmann, Böblingen
Gedore, Remscheid
Bitburger Brauerei, Bitburg
Grenzebach, Hamlar
Porta, Porta Westfalica
Porta, Porta Westfalica
vormals Quarzwerke (Baustoffe), Dülmen
Piepenbrock-Service, Berlin
Branche
Mode, Beteiligungen
Drahtweberei, Maschinenbau
Anlagenbau
Werkzeuge
Genussmittel, Kapitalanlagen
Maschinenbau, Beteiligungen
Möbelhandel
Möbelhandel
Kapitalanlagen
Gebäudereinigung
Vermögen
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
346
346
346
346
346
346
346
346
346
346
Familie James Cloppenburg
Familie Trost
Heinz und Peter Schmitz
Bernd Hoffmann
Werner Mützel
Josef Klüh
Familie Läpple
Hugo und Heinz Fiege
Familie Siegfried Weishaupt
Otto Eckart
Peek & Cloppenburg Nord, Hamburg
Trost AST, Stuttgart
Schmitz Cargobull, Horstmar
Schmitz Cargobull, Horstmar
Weka Mediengruppe, München
Klüh, Düsseldorf
Läpple, Heilbronn
Fiege, Greven
Max Weishaupt, Schwendi
vormals Pfanni (Lebensmittel), München
Textil
Autozubehör
Anhänger
Lkw-Auflieger
Medien
Gebäudemanagement
Werkzeugbau
Spedition
Heizsysteme, Ölbrenner
Immobilien
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
346
346
346
346
346
346
346
346
346
346
Familie Schütz
Helmut Rothenberger
Familie Viegener
Familie Sedlmayr
Familie Bartels
Werner Sterzenbach
Wilfried Förster
Familie Karl Ruppert
Geschwister Hollmann
Familie Bischoff
Schütz-Werke, Selters
Rothenberger, Kelkheim
Viega, Attendorn
vormals Spaten-Franziskaner (Bier), München
vormals Erasco (Konserven), Lübeck
vormals Kiekert (Autozulieferer), Heiligenhaus
vormals PDV Unternehmensberatung; C 1 Group.
K & L Ruppert, Weilheim
vorm. Bauer-Verlag, Hamburg; Hollmann, Hamburg
vormals Haindl-Gruppe (Papier), Augsburg
Transportmittel, Tanksyst., Verpack.
Rohrwerkzeuge, Immobilien
Sanitär-, Installation- und Heizungstech.
Immobilien, Kapitalanlagen
Kapitalanlagen
Beteilig., Kapitalanlagen, Immobilien
Dienstleistungen
Textilhandel
Hotels, Immobilien
Beteiligungen, Immobilien
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
346
346
346
346
346
346
346
346
346
346
Röchling-Erben
Familie zu Fürstenberg
Gerd Brachmann
Ernst Langner
Familie Ehrmann
Heinz und Markus Hankammer Marc Fielmann
Familie Schwarz
Christian Pepper
Familie Alfred Keller
vormals Röchling (Kunststoffe), Düsseldorf
Fürstenberg, Arnsberg
vormals Medion, Essen vormals Suba-Center (Einzelhandel), Hamburg
Ehrmann, Oberschönegg
Brita, Taunusstein
Fielmann, Hamburg
Rohde & Schwarz, München
Pepper, Berlin
Siegwerk, Siegburg
Kapitalanlagen
Immobilien, Beteiligungen
Elektronikhandel
Immobilien, Beteiligungen
Milchprodukte
Filter, Immobilien
Optiker
Funk-, Messtechnik
Immobilien, Kapitalanlagen
Druckfarben
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
346
346
346
346
346
346
346
346
399
399
Hans Grothe
Familie Dagmar Westberg
Thomas H. Eckelmann
Peter zur Mühlen
Familie Frank
Axel Schroeder
Konstantin Winterstein
Familie Vossloh
Ernst August von Hannover
Familie Neunteufel
Grothe, Duisburg
vormals Beiersdorf (Kosmetik), Hamburg
Eurokai, Hamburg
Zur Mühlen, Böklund
Roto Frank, Leinfelden-Echterdingen
Münchmeyer Petersen Capital, Hamburg
Clariant, Muttenz/Schweiz
Vossloh, Werdohl
August, Hannover
Wacker Neuson, München
Bau, Immobilien
Kapitalanlagen
Containerterminal
Fleisch-, Wurstwaren
Türen, Beschläge, Fenster
Finanzdienstleistungen
Spezialchemie
Verkehrstechnik
Grundbesitz, Immobilien
Baugeräte
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,35
0,30
0,30
SEPTEMBER 2014
57
UNTERNEHMEN
UND MÄRKTE
Rang 399: Wendelin Wiedeking Der frühere
Porsche-Chef (hier mit Gattin Ruth) hat seine
Millionengehälter stets gut angelegt: Pizzerien,
Agenturen, Schuhmode, Internetfirmen usw.
Rang 399: Innegrit Volkhardt Mit ihrer
Schwester Michaela teilt sich die Betriebswirtin u.a. den Besitz des Bayerischen Hofes
in München und der Tenne in Kitzbühel.
Die Plätze 399 bis 500
399
399
399
399
399
399
399
399
399
399
Name
Willi Betz Jens Coppenrath
Familie Kreke
Familie Zentis
Familie Graf von Hardenberg
Siegfried Kaske
Familie Lange
Familie Wolf
Udo Hardieck
Familie Martin
Firma
Betz, Reutlingen
Coppenrath & Wiese, Osnabrück; Diethelm, Seattle
Douglas, Hagen
Zentis, Aachen
Hardenberg-Wilthen, Nörten-Hardenberg
Hamm-Reno-Gruppe, Osnabrück
Hansa Brunnen, Rellingen; Jungheinrich, Hamburg
Jungheinrich, Hamburg
Gerry Weber, Halle/Westfalen
Möbel-Martin, Saarbrücken; Globus, St. Wendel
Branche
Spedition
Backwaren, Immobilien
Einzelhandel
Nahrungsmittel
Genussmittel
Schuhhandel
Getränke, Flurförderzeuge, Immob.
Flurförderzeuge
Textilien
Einzelhandel
Vermögen
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
399
399
399
399
399
399
399
399
399
399
Hans Dieter und Wolfgang Beck
Familie van Dedem
Familie Richard Weber
Michael Huber
Susan Buschke
David Folkerts-Landau
Monika Gomolla
Wendelin Wiedeking
Familie Schuler-Voith
Familie Friedrich-Wilhelm Werner
C. H. Beck Verlag, München
Union Tank Eckstein, Kleinostheim
Karlsberg Brauerei, Homburg
Artaris, Düsseldorf
Mast-Jägermeister, Wolfenbüttel
Deutsche Bank, Frankfurt
Maritim, Bad Salzuflen
Wiedeking, Stuttgart
vormals Schuler (Maschinenbau), Göppingen
Bijou Brigitte, Hamburg
Buchfachverlag
Tankkarten
Genussmittel
Beteiligungen
Spirituosen
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Hotels, Immobilien
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Modeschmuck
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
399
399
399
399
399
399
399
399
399
399
Familie Holland
Innegrit und Michaela Volkhardt
Familie Gemmer
Familie Castell-Rüdenhausen
Familie Castell-Castell
Frank und Ulrich Stiebel
Eckhard Pfeiffer
Familie Lindner
Familie Hymer
Walther Seinsch
Augsburger Allgemeine; Main-Post, Würzburg
Bayerischer Hof, Mün.; Hotel zur Tenne, Kitzbühel
Döhler, Darmstadt
Fürstlich Castell’sche Bank, Castell
Fürstlich Castell’sche Bank, Castell
Stiebel Eltron, Holzminden
vormals Compaq (Computer), Houston/Texas
Lindner, Arnstorf
Erwin Hymer, Bad Waldsee
vormals Takko, Kik, Telgte und Bönen Medien
Hotels
Lebensmittelzusatzstoffe
Bank; Immobilien; Grundbesitz
Bank; Immobilien; Grundbesitz
Elektrogeräte, Wärmepumpen
Kapitalanlagen
Bodensyst., Laden-, Fassadenbau
Freizeitfahrzeuge, Wohnwagen
Beteiligungen, Kapitalanlagen
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
399
399
399
399
399
399
399
399
399
399
Familie Moll
Helmut Nanz
Familie Segmüller
Familie Imhoff
Familie Schöller
Hubert Schrödinger
Familie Hettich
Hans R. Beierlein
Reinhard Schneider
Familie Stute
Moll, Keimfarben, beide München
vormals Nanz (Einzelhandel), Stuttgart
Hans Segmüller Polstermöbelfabrik, Friedberg
vormals Stollwerck (Süßwaren), Köln
vormals Schöller (Eis), Nürnberg
Leipa, Schwedt Hettich, Kirchlengern
Beierlein, München
Werner & Mertz, Mainz
Stute-Werke, Paderborn
Betonwerke, Farben, Immoblien
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Möbel
Kapitalanlagen
Kapitalanlagen
Papier
Möbelbeschläge
Musikproduktion
Putzmittel
Nahrungsmittel
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
399
399
399
399
399
399
399
399
399
399
Familie Bremicker
Gebrüder Pieroth Familie zu Waldburg-Wolfegg und Waldsee
Familie Hans-Jochen Steim
Familie Gartner
Familie Franz X. Meiller
Dagmar Ottmann
Dietmar und Margrit Harting
Martin Putsch
Familie Eklöh
Abus August Bremicker Söhne, Wetter
Wein International, Burg Layen
Waldburg-Wolfegg, Wolfegg
Kern-Liebers, Junghans, beide Schramberg
vormals Gartner (Hochhausfassaden), Gundelfingen
Meiller, München
Flick-Erbe, München
Harting, Espelkamp
Recaro, Stuttgart
Douglas, Hagen
Sicherheitssysteme
Weingüter, Kellereien, Direktvertr.
Grundbesitz, Immobilien
Industriefedern, Uhren
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Nutz- und Baufahrzeuge
Kapitalanlagen, Beteiligungen
Verbindungstechnik
Flugzeug-, Autositze, Beteiligungen
Einzelhandel
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
58
SEPTEMBER 2014
DIE 500 REICHSTEN
Fotos: Rumpf, Stephan/SZ Photo, picture alliance / Eventpress Ad, picture alliance / AP Photo, Michael Timm/face to face
Rang 468: Sebastian Vettel Der 27-jährige
Vierfachweltmeister fährt in jüngster Zeit den
anderen meist hinterher. Sein Motor (Renault)
taugt nichts. Er sei eine „Gurke“, sagt er.
Rang 468: Eugen Block Der Besitzer des
Hamburger Fünf-Sterne-Hotels Grand Elysée und
der Restaurant-Kette Block House zeigt sich hier
mit Iris Berben in unberechenbarer Stimmung.
399
399
399
399
399
399
399
399
399
399
Name
Familie Döring
Familie Udo Wirthwein
Familie von Resch
Herbert Mederer
Hermann Friedrich Bruhn
Familie Ruckdeschel
Heiko Hubertz
Claas Daun Familie Kannegiesser
Familie Bauer
Firma
Zentis, Aachen
Wirthwein, Creglingen
Gretsch Unitas, Ditzingen
Mederer, Fürth
Bruhn, Hamburg
Ireks, Kulmbacher Brauerei; beide Kulmbach
Digital Pioneers, Bigpoint, Whow Games, Hamburg
Daun, Rastede; KAP, Frankfurt
Herbert Kannegiesser, Vlotho
Bauer, Schrobenhausen
Branche
Süßwaren
Kunststofftechnik
Fenster-, Türtechnik, Baubeschläge
Süßwaren, Fruchtgummi
Immobilien
Backmittel, Malzhandel, Genussmittel
Online-Spiele
Industrietextilien, Beteiligungen
Wäschereitechnik
Spezialtiefbau, Maschinenbau
Vermögen
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
399
399
399
399
399
399
399
468
468
468
Daniel Hopp
Oliver Hopp
Familie Hans Inselkammer
Familie Schmitz-Morkramer
Peter Löw
Ignaz Walter
Familie Jörg Sennheiser
Sebastian Vettel
Familie Geers
Eugen Block
Actris, Mannheim
Hopp, Mannheim
Inka, München
Quantum, Hamburg
vormals Arques, Starnberg; Livia, München
Walter, Augsburg
Sennheiser, Wedemark
Vettel, Heppenheim
Geers, Dortmund
Block House, Grand Elysée, beide Hamburg
Immobilien, Beteiligungen
Beteiligungen
Immobilien, Beteiligungen
Immobilien, Beteiligungen
Beteiligungen
Bau
Kopfhörer, Mikrofone
Motorsport
Hörgeräte
Hotel, Gastronomie, Immobilien
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,30
0,25
0,25
0,25
468
468
468
468
468
468
468
468
468
468
Alexander Margaritoff
Familie Burkart
Familie Kühne
Joachim Schoss
Familie Vöster-Alber
Familie Alfred Neven DuMont
Familie Christian Schütte
Dietmar Gunz
Victor und Nicola Lemken
Bernhard Wendeln
Hawesko, Tornesch
vorm. Zehnacker (Gebäudemanagement), Singen
Carl Kühne, Hamburg
vormals Scout 24 (Online-Marktplätze), München
Geze, Leonberg
M. DuMont Schauberg, Köln M. DuMont Schauberg, Köln FTI, München
Lemken, Alpen
vormals Wendeln (Backwaren), Garrel
Weinhandel
Beteiligungen, Kliniken, Altenpflege
Konserven
Kapitalanlagen
Tür-, Fenster-, Sicherheitstechnik
Medien
Medien
Tourismus
Pflugmaschinen
Beteiligungen, Immobilien
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
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468
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468
468
468
468
Paul Wendeln
Karlheinz Kögel
Familie Renkhoff-Mücke
Thomas Ganske
Eberhard Ebner
Familie Wolfgang Schuppli Renate Schubries
Stephan Holthoff-Pförtner Familie Schrödinger-Huesmann
Familie Berenberg
vormals Wendeln (Backwaren), Garrel
Ltur, Media Control, beide Baden-Baden
Warema, Marktheidenfeld
Jahreszeiten-Verlag, Hoffmann & Campe, Hamburg
Südwest Presse, Ulm
vormals Hypothekenbank, Düsseldorf
Funke Mediengruppe, Essen
Funke Mediengruppe, Essen
Leipa, Schwedt
Joh. Berenberg Gossler, Hamburg
Beteiligungen, Immobilien
Tourismus, Marktforschung
Markisen, Jalousien, Sonnenschutztech.
Medien
Medien
Beteiligungen, Kapitalanlagen
Medien
Medien, Immobilien
Papierfabrik
Privatbank
0,25
0,25
0,25
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0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
468
468
468
468
468
468
468
468
468
500
Jan Bernhard Rothfos Familie Wöhlke
Heino Wührmann
Familie Pilz
Werner Gegenbauer
Familie Conrado Dornier
Anne-Marie Steigenberger
Holger Strait
Familie Kraut
Maria-Alexandra Grundig
Kord, Hamburg; Arko, Hamburg
Budnikowsky, Hamburg
Vitakraft, Bremen
Pilz, Ostfildern
Gegenbauer, Berlin
vormals Dornier (Luftfahrt), Friedrichshafen
vormals Steigenberger Hotels, Frankfurt
Niederegger, Lübeck
Bizerba, Balingen
Elektro-Erbin
Kaffeehandel, Einzelhandel
Drogerien
Tiernahrung
Steuerungstechnik
Gebäudemanagement
Kapitalanlagen
Immobilien, Kapitalanlagen
Süßwaren
Wäge-, Schneidetechnik
Beteiligungen
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,25
0,20
SEPTEMBER 2014
59
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
60
SEPTEMBER 2014
HALL OF SHAME
Ehre, wem Ehre gebührt
Orden und Ehrungen für erfolgreiche Manager gibt es zuhauf. Doch was ist mit den
großen Arbeitsplatz- und Wertevernichtern, die hartnäckig an ihren Ämtern haften?
Ihnen widmet BILANZ die Hall of Shame, das Gegenteil einer Ruhmeshalle, einen Ort der
Scham und, vielleicht, auch der Reue. Die ersten Laureaten haben sich Beachtliches geleistet.
Foto: Getty Images
K
Kein Mensch ist unfehlbar – auch Managern misslingt
bisweilen etwas. Die guten lernen daraus und versuchen, ihren Fehler nach Möglichkeit nicht zu wiederholen. Die schlechten aber ducken sich, weisen mit
dem Finger auf die anderen und meistern die Krise,
indem sie sie aussitzen.
Die guten bauen sich ihr Denkmal selbst: ihr blühendes Unternehmen. Für die schlechten gründet
BILANZ die „Hall of Shame“, um ihre Taten und
Streiche vor dem Vergessenwerden zu bewahren.
Die Auswahl fiel der BILANZ-Redaktion nicht
leicht, denn Missmanager gibt es zuhauf. Unter den
Kandidaten war auch Josef Ackermann (66). Sechs
Jahre lang war er Chef der Deutschen Bank. Seinen
Nachfolgern hinterließ er 2013 ein Desaster. Das einst
so angesehene Geldhaus ist heute in 118 Verfahren
mit Aufsichtsbehörden verwickelt, mehr als tausend
Rechtshändel sind anhängig, jeder mit einem Streitwert von mehr als 100.000 Euro.
Oder die Manager, die Deutschlands größten Warenhauskonzern Karstadt gegen die Wand gefahren
haben? Leute wie Walter Deuss oder Wolfgang Urban
oder später Karl-Gerhard Eick, der sich 2009 für seine
sechsmonatige Amtszeit als Arcandor-Chef eine
Abfindung über 15 Millionen Euro garantieren ließ?
Doch die Redaktion fand würdigere Kandidaten.
Klaus-Peter Müller: Als Vorstandschef ruinierte er
Deutschlands zweitgrößte Privatbank, die vor seinem
Amtsantritt ein gesundes Unternehmen war. Nach
SEPTEMBER 2014
einer geradezu in völliger Besinnungslosigkeit geführten Akquisetour konnte das Institut nur vom Steuerzahler vor dem Tode errettet werden. Die Aktionäre
mussten seit der Machtübernahme des Managers im
Jahre 2001 sage und seufze 97 Prozent Wertverlust
verkraften. Doch heute führt der Mann ungerührt
und selbstgewiss als Aufsichtsratsvorsitzender weiter
Regie.
Gerhard Cromme: Er hat als Chefaufseher den
Traditionskonzern Thyssen-Krupp an den Rand des
Abgrunds manövriert. Er genehmigte gleich zwei
Stahlwerksneubauten in einem entfernten Kontinent,
kalkuliert in Zeiten der Hochkonjunktur, schlampig
geplant, ohne Rücksicht auf Verluste. Risikomanagement? Fehlanzeige. Gesunder Menschenverstand?
Hier doch nicht. Nach Gesamtkosten von über 13
Milliarden Euro versuchte das waidwunde Unternehmen, die Milliardengräber an Konkurrenten billig
abzustoßen.
Diesen Aufsichtsratsvorsitz ist Cromme zwar los,
er klammert sich aber trotz ähnlich bescheidener
Leistung weiterhin an den Posten des Chefaufsehers
von Siemens und hat durch seine Nähe zu unappetitlichen Affären – von Luxusreisen auf Firmenkosten
bis zu Bestechungsprozessen – ganz nebenbei noch
die Reputation der Regierungskommission für gute
Unternehmensführung beschädigt, der er bis 2008
vorsaß. Sein Nachfolger als Chef dieses Gremiums,
das über ethische Unternehmensführung nachsinnt,
wurde – kein Witz – Klaus-Peter Müller.
Kein Wunder, dass angesichts solcher Leistungen
die Skepsis in der Bevölkerung gegen die Wirtschaftseliten wächst. Verantwortung heißt nicht, achselzuckend zuzugeben, dass etwas nicht geklappt hat und
dann flugs einen Sündenbock zu suchen. Verantwortung heißt, nach fortgesetztem Desaster die Konsequenz zu ziehen. In diesem Sinne, liebe Laureaten
der „Hall of Shame“: Treten Sie zurück!
1
61
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Ein Bild von einem
Manager. Gerhard
Cromme, wie er sich
selbst sieht: ein
Herrschertyp.
Aktionäre und
Kollegen nehmen ihn
freilich ganz anders
wahr.
62
SEPTEMBER 2014
HALL OF SHAME
Gerhard Cromme
Foto: picture alliance / dpa
Schuld sind immer die anderen: Unter Gerhard Crommes Aufsicht stürzte Thyssen-Krupp in
eine Existenzkrise und taumelt Siemens von Skandal zu Skandal. Es ist Zeit für die Rente.
Vor vielen Jahren hat Gerhard Cromme einmal gesagt:
„Es kommt selten so gut wie erhofft, aber auch selten
so schlimm wie befürchtet.“ Ein Irrtum. Tiefer als
Cromme kann man in der Welt der Wirtschaftsführer
kaum fallen: Er hat den Boden erreicht. Eben noch war
er Multiaufsichtsrat, Chef der sogenannten Deutschland AG, Ruhrbaron. Jetzt hat er nur noch ein Amt als
Oberaufseher bei Siemens, an das er sich verzweifelt
klammert. Wie konnte es so weit kommen?
Der 71-Jährige kannte lange Zeit nur einen Weg:
den nach oben. Er stammt aus Vechta im Oldenburger Münsterland, sein Vater war Latein- und Griechischlehrer. Cromme studierte Jura und VWL, dann
besuchte er die Harvard Business School. 1971 stieg
er beim französischen Glashersteller Saint-Gobain
ein und machte rasch Karriere. 1986 übernahm er die
Leitung der Krupp Stahl AG in Bochum, ein Jahr später entschied er, das Stahlwerk Duisburg-Rheinhausen zu schließen. Monatelang wurde gestreikt. Wenn
Cromme öffentlich auftrat, flogen Eier. Vor seinem
Wohnhaus standen Demonstranten. Er blieb stur.
Dem Krupp-Herrscher Berthold Beitz (1913–2013)
gefiel diese Haltung. Er veredelte Cromme zu seinem
Kronprinzen. Und der enttäuschte ihn nicht: 1991 eroberte er die Hoesch AG in einer feindlichen Übernahme, später ergriff er die Macht bei Thyssen. 2001
übernahm er den Aufsichtsratsvorsitz. So weit, so gut.
In der Politik kam der einen Meter 94 lange Manager mit den vorbildlichen Manieren gut an. Die
Bundesregierung bestellte ihn deshalb gleich zum
Chef der Kommission für vorbildliche Unternehmensführung. Aber dieses Amt lastete ihn nicht aus:
Er war Kontrolleur bei der Allianz, Lufthansa, Eon,
Hochtief und Volkswagen. Kein Manager in der deutschen Wirtschaft war mächtiger als er: Cromme.
Es fehlte nur noch ein Karriereschritt: die Ernennung zum Chef der Krupp-Stiftung durch Beitz. Jahrzehntelang hatte Cromme auf diesen Prestigeposten
hingearbeitet, doch Beitz zögerte. Ahnte er, dass ihn
sein Kronprinz doch noch enttäuschen würde?
Tatsächlich ging es mit Thyssen-Krupp bergab.
Cromme genehmigte den Bau eines Stahlwerks in
Brasilien und eines weiteren Werks in den USA. Beide
Projekte endeten in einem Debakel – sagenhafte 13
Milliarden Euro wurden vernichtet. Dann verurteilte
das Kartellamt den Konzern wegen illegaler PreisabSEPTEMBER 2014
Milliarden–
grube: Das
fehlgeplante
Thyssen-KruppStahlwerk in
Brasilien.
sprachen zu einer Strafe von mehr als 100 Millionen
Euro; zudem wurden Lustreisen von Vorständen und
Aufsichtsräten öffentlich. Cromme sprach von unglücklichen Umständen. Er selbst gönnte sich eine
Luxusreise nach Südamerika – auf Firmenkosten,
versteht sich. Peinlich für den Leiter der Regierungskommission für gute Unternehmensführung. Kurz vor
seinem Tod setzte Beitz seinen Zögling Cromme bei
Thyssen-Krupp vor die Tür.
Spätestens damit hatte Cromme in der Wirtschaftselite den letzten Kredit verspielt. Es war überdies auffällig, dass er sich keineswegs immer an den
von ihm selbst verabschiedeten Kodex hielt: Bei
Thyssen-Krupp setzte er sich über die Regeln der
Aktionärsdemokratie hinweg, und bei Siemens wurde
für ihn gleich die bestehende Altersregelung außer
Kraft gesetzt. Cromme habe, so lautet das Urteil in
der hiesigen Unternehmer- und Managerszene, das
Image der Wirtschaft in der Öffentlichkeit beschädigt, weil er das Urbild des Teflon-Managers verkörpere: Schuld tragen immer die anderen.
Auch bei Siemens machte Cromme zuletzt eine
unglückliche Figur. Fast im Alleingang hatte er 2007
den nahezu unbekannten Österreicher Peter Löscher
zum Konzernchef befördert. Der sollte die Korruptionsaffäre beenden, was ihm auch halbwegs gelang
(wenn auch zu Lasten der Firmenkasse). Was ihm
nicht glückte: Siemens wieder fit zu machen. Löscher
musste seine Umsatz- und Gewinnziele mehrmals
nach unten korrigieren. Der Bahn versprach er die
Auslieferung von ICE-Zügen – doch die haben Verspätung, welch Ironie. Auch bei den Windparks in
der Nordsee blamierte sich Siemens.
Und über allem schwebte Chefkontrolleur Gerhard Cromme. Er hielt zunächst zu Löscher, verlängerte dessen Vertrag bis 2017. Um ihn dann fallen zu
lassen. Jetzt hat Josef Käser aka Joe Kaeser das Sagen
in München: Der macht zwar alles anders als sein
Vorgänger – aber Cromme findet das wieder mal ziemlich gut. Wirksame Kontrolle? Fehlanzeige.
Die Zeit des Abschieds ist da. Doch Cromme will
nicht gehen. Er versprach den Aktionären: Wenn sie
ihn auf der Hauptversammlung 2013 wiederwählten,
wolle er nach der Hälfte der fünfjährigen Amtsperiode
gehen. Doch heute will Cromme von seinem Verspre1
chen nichts mehr wissen und bleiben.
63
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Keine Kunst. Entscheidungsfreudig und
risikobereit – so sieht
sich Klaus-Peter Müller.
Die Rechnung für seine
Fehler begleicht ja
der Steuerzahler.
64
SEPTEMBER 2014
HALL OF SHAME
Klaus-Peter Müller
Foto: Werner Schuering / imagetrust, picture-alliance/ dpa
Mit zwei ruinösen Fehlentscheidungen massakrierte er die Commerzbank –
und darf zum Dank ihr Aufsichtsratsvorsitzender bleiben.
Dieser Klaus-Peter Müller ist ein echter Pfundskerl.
Beim Karneval in Düsseldorf fährt der kleingewachsene, immer gemütlich wirkende Mann auf dem Wagen der Prinzengarde mit – im rot-weißen Kostüm. Er
liebt Fußball, ist Mitglied bei gleich drei Vereinen:
Fortuna Düsseldorf, Eintracht Frankfurt und dem
1. FFC Frankfurt. Sein Lieblingsautor: Karl May. Sehr
bodenständig: Ein Spitzenmanager, der Winnetou und
Old Shatterhand mag. Er kann mit jedem, auch mit
der Kanzlerin; Müller ist CDU-Mitglied, in Berlin bestens vernetzt und verdichtet. Ein Mann, dem Politiker
vertrauen. Eine Frage indes muss erlaubt sein: Ist
Klaus-Peter Müller auch ein guter Unternehmer?
„KPM“, wie er genannt wird, ist dafür verantwortlich, dass die Commerzbank eine Staatsbank geworden ist. Er trieb die einst so stabile Bank zu zwei
Horrorübernahmen: Erst kaufte er ein Institut, dessen Geschäft er ganz offensichtlich nicht verstanden
hatte. Dann akquirierte er einen Konkurrenten, der
für die Commerzbank eine Nummer zu groß war. Als
dann die Finanzkrise hereinbrach, war die Bank am
Ende. Doch trotzdem thront der nette Herr Müller
weiter auf seinem Aufsichtsrats-Chefsessel.
Der Reihe nach: Der 69-Jährige stammt aus Duppach in der Eifel und wuchs in Düsseldorf auf. Sein
Vater Peter Müller war dort Oberbürgermeister. Den
Filius zog es nicht in die Politik: Er lernte Bankkaufmann und ging danach zwei Jahre zur Bundeswehr,
wo er später zum Oberleutnant befördert wurde.
1966 fing er bei der Commerzbank in der Düsseldorfer Filiale an und machte schnell Karriere, arbeitete in New York, war Chef der Zentralabteilung für
Firmenkunden in Frankfurt, baute nach der Wiedervereinigung das Filialnetz in Ostdeutschland auf.
Alles ohne Studium. 1992 zog er in den Vorstand ein,
von 2001 bis 2008 war er Vorstandssprecher. Sein
Credo: Wachstum, Wachstum, Wachstum.
Der Kauf des Baufinanzierers Eurohypo im Jahr
2006 machte die Commerzbank zur Nummer zwei
der Republik. Die Politiker feierten ihn, weil er der
übermächtigen Deutschen Bank Paroli bot. Obendrein beerbte Müller auch noch Gerhard Cromme
als Leiter der Regierungskommission für gute Unternehmensführung. Und die Banker kürten ihn zum
Präsidenten des Bundesverbands deutscher Banken.
Aber Müllers Coup entpuppte sich als Desaster: Was
SEPTEMBER 2014
Müllers zweiter
Katastrophenfehler: Die
Übernahme der
Dresdner Bank
gab der
Commerzbank
den Rest.
er im Portfolio der Eurohypo ticken hörte, waren
keine Tanzorchester, sondern Zeitbomben. Und die
gingen gleich zu Beginn der Immobilienkrise hoch.
Danach übernahm die Commerzbank 2008 auch
noch die Dresdner Bank, obwohl ihr dafür eigentlich
die Mittel fehlten und die Statur. Zwei Wochen nach
Bekanntgabe der Übernahme stürzte die US-Investmentbank Lehman Brothers in sich zusammen. Die
Finanzkrise trieb die Commerzbank in den Ruin.
Schlechtes Timing, Herr Müller.
Die Commerzbank gibt es heute nur noch, weil
der Steuerzahler mit 18,2 Milliarden Euro einstand.
Ein guter Teil des Unternehmens gehört noch heute
dem Staat. Die Commerzbank ist zur Staatsbank verkommen. Überall reden die Berliner mit, wie die Bank
ihre Geschäfte zu machen hat.
Für die Aktionäre ist die Commerzbank ein Mahnmal für Wertvernichtung und Missmanagement. Und
am schlimmsten: Der Verantwortliche dafür wird
auch noch belohnt und nicht gefeuert. Die Aktie hat
seit 2001, als Müller Vorstandschef wurde, sage und
schreibe 97 Prozent an Wert verloren.
Und Müller? Residiert immer noch als Aufsichtsratschef. Er steht einem Neustart im Weg, weil ihm
die Unabhängigkeit fehlt und offenbar auch die
Kompetenz.
Selbst beim Strippenziehen mit der Politik agierte
er zuletzt ohne Fortune. Er war ein Fürsprecher von
Roland Koch, als dieser nach seinem Ausstieg aus der
Politik Chef des Bauriesen Bilfinger wurde. Koch
scheiterte – Müller steht blamiert da.
Nur an der Frankfurt School of Finance & Management sieht man ihn noch gern. Nach einer Spende
verlieh man ihm einen Professorentitel, seitdem
schaut Müller immer mal wieder vorbei und spricht
zu den Studenten, über Banking in unseren Zeiten,
über Pflicht und Verantwortung.
Sein Büro im 48. Stock des Commerzbank-Turms
in Frankfurt ziert ein Zitat von Friedrich dem Großen.
Ganz preußisch hat der einst gefordert: Der Mensch
soll sein Leben in den Dienst der Gemeinschaft
stellen.
Der Oberleutnant der Reserve Müller könnte
daraus folgenden Befehl schließen: abtreten! Dann
hätte er auch mehr Zeit für Winnetou und Old Shat1
terhand.
65
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
Von Lüdinghausen
in die Welt
Im Frühling übernahm die Finanzgruppe RHJI die BHF-Bank. Dass der
Coup gelang, ist nicht zuletzt Martha Böckenfeld zu verdanken, einer
Managerin mit Grips und Mumm. Porträt einer großen Unbekannten.
M
Martha Böckenfeld (49) hat in einer Stunde eine Telefonkonferenz. Und da sie von sich wie von anderen
Disziplin und Konzentration erwartet (Daherschwafler also nur schwer erträgt), fangen wir ohne Umschweife an: im Hauptsitz der Bank Kleinwort Benson
im Londoner Stadtteil Mayfair, der in der britischen
Variante des Brettspiels „Monopoly“ dem teuersten
Grundstück den Namen gibt. Böckenfeld ist die Chefin des traditionsreichen Geldhauses. In der Finanzindustrie gibt es weltweit vielleicht ein Dutzend
Frauen in einer vergleichbar exponierten Position.
Ihr Schreibtisch hebt sich zwischen den anderen
mit ihren Samsung-Doppelbildschirmen durch die
Porzellantasse mit dem zarten Abdruck ihres Lippenstifts ab, der rot ist wie die Feuerwehr. Daneben:
eine schwarze Ledermappe, vier Stöße Papier in Klarsichthüllen, ein Formular, ein angespitzter Bleistift.
Ihre Mobiltelefone, zwei Blackberry (Arbeit) und
ein Iphone (Familie), nimmt sie mit in den Besprechungsraum. Auf die Terrasse mit Blick auf die Kirche
St. George’s von 1724 wagen wir uns nicht: Auf dem
Dach brütet ein Habicht, er soll schon Sturzflüge auf
Leute unternommen haben. Draußen glüht London
in der Sonne, drinnen bekommt Böckenfeld Gänsehaut. Die Briten lieben ihre Klimaanlagenluft 18 Grad
kalt, und die deutsche Chefin macht das mit.
Böckenfeld ist Vorstandsvorsitzende von Kleinwort Benson und Finanzchefin der börsennotierten
Finanzholding RHJI. Nach Meinung von Fachleuten
kann „Money-Martha“, wie man sie respektvoll
nennt, ganz besonders gut mit Zahlen und mit Geld
66
Sie ist Tag
und Nacht
im Einsatz.
Ich kenne
wenige,
die so
belastbar
sind
wie sie.“
Urs Rohner, Chef
der Schweizer
Bank Credit Suisse
umgehen. Sie beherrscht also genau das, was die
jüngste Neuerwerbung von RHJI jetzt braucht. Im
März hatte RHJI die Frankfurter BHF-Bank übernommen, nach zweieinhalbjährigem zähen Ringen mit
der Finanzaufsicht Bafin. „Als einige Aktionäre schon
forderten, den Plan aufzugeben, habe ich die Strategie
auch nochmals für mich hinterfragt“, sagt Böckenfeld. Dass es klappte, ist auch ihrer Beharrlichkeit zu
verdanken.
Credit-Suisse-Primus Urs Rohner (54), ein Mann,
der nicht zu Gefühlsausbrüchen neigt, sagt, Martha
Böckenfeld sei „Tag und Nacht im Einsatz, ich kenne
wenige, die so belastbar sind wie sie“. Gerd Häusler
(63), ehemaliger Leiter und bald Aufsichtsratschef
der Bayern LB, wünschte sich, dass Frauen wie sie
„in der deutschen Unternehmenslandschaft eine größere Rolle spielen“. Und RHJI-Chef Leonhard „Leny“
Fischer (51) lobt: „Martha ist enorm diszipliniert, und
diese Disziplin erwartet sie auch von anderen.“
Wer ist diese Frau, die, von der Öffentlichkeit
weitgehend unbemerkt, zu einer Spitzenkraft im
europäischen Finanzgewerbe aufgestiegen ist? Wie
gelang es ihr, sich in dieser von Männern und Machos
geprägten Branche durchzusetzen?
Martha Böckenfeld ist eine elegante Frau. An
diesem Tag trägt sie ein schwarzes Seidenkleid mit
weißen Seidenblumen. Die Haare hat sie zum Pferdeschwanz gebunden, die Nägel kurz geschnitten, in
einem Pastellrosa lackiert. Feminin sieht ihr Auftritt
aus – und doch zweckmäßig. Sie trinkt „Rose Lemonade“: Brause mit Rosenextrakt.
Ein ausgeprägter Geschäftssinn treibt sie an: Sie
sagt, dass die Arbeit sie wach halte. Und sie arbeitet
viel. Um müde zu werden, macht sie Yoga. Ihr
Deutsch ist durchzogen von den Anglizismen der
„international financial community“.
Böckenfeld ist Westfälin, und den Menschen
dort sagt man nach, ehrlich und bodenständig zu
sein, strebsam und stur und diskret bis zur
Schweigsamkeit.
SEPTEMBER 2014
Foto: Guy Corbishley
Kaum ein Wort verliert sie über ihr Privatleben.
Ihre Kindheit verbrachte sie in Lüdinghausen, einer
24.000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Münster:
ein Maggi-Werk, katholische Pfarrkirche, die Wasserburg. Aufgewachsen ist sie in einem mittelständischen
Bürgerhaus, ihre Mutter und ihr Vater legten Wert
auf Bildung und darauf, dass ihre drei Kinder (eine
jüngere Schwester, ein älterer Bruder) zu selbstständigen, selbstbewussten Menschen heranwachsen.
Nach der Schule schrieb sich Martha Böckenfeld
in Münster für das Studium der Rechtswissenschaften
ein. Sie promovierte beim Staatsrechtler Bodo Pieroth
(69). Ihre Doktorarbeit schrieb sie über ein Bundesgesetz und wie man es auf Landesebene übertragen
könnte. „Mir gefiel, als erste analytisch an etwas heranzugehen, zu dem es noch keine Literatur gab.“
Bei der Suche nach dem ersten Job wurde es ihr
in Deutschland dann aber doch bald zu eng. Doktor
Martha Böckenfeld eröffneten sich zwar viele Gelegenheiten. Doch die Arbeit in einer Anwaltskanzlei
oder Rechtsabteilung erschien ihr zu fad. 1997 beschloss sie, nach Hongkong zu gehen. Großbritannien
hatte die Stadt gerade an China zurückgegeben.
Von Abenteuerlust gepackt und Wagemut flog die
32-Jährige mit dem Mann, der später ihr Ehemann
werden sollte, in die Metropole: Sie probten im Hotelzimmer Bewerbungsgespräche. Er – Jurist, Finanzberater und Westfale wie sie – stellte freche Fragen
SEPTEMBER 2014
Eine Westfälin
in London
Hier steht die
Chefin ganz
für sich allein.
Im Hauptsitz
der Privatbank
Kleinwort Benson
hat Martha
Böckenfeld einen
Schreibtisch
neben vielen.
Wer ihn finden
will, muss die
Porzellantasse
mit Lippenstiftabdruck suchen.
und spielte den strengen Interviewer. Zwei Wochen
später hatte sie ihren ersten Vertrag als Rechtsberaterin für die Region Asien-Pazifik bei der Schweizer
Versicherungsgesellschaft Winterthur.
Das Erlernen von Chinesisch ersparte sie sich: Die
Hongkonger sprechen Kantonesisch, nicht Hochchinesisch, Mandarin. Die Aufgeregtheit, die Hektik, das
Tempo und die Größe Hongkongs gefielen ihr: „Ich
mag die Energie dort. Die Menschen sind sehr businessorientiert, arbeiten schnell, direkt.“
Als die Chefs des Versicherers in der Schweiz beschlossen, das Geschäft in Südostasien (mit Ausnahme der Lebensversicherungen) zu verkaufen, bekam
Böckenfeld eine neue Order, nämlich all das aufzulösen, was sie zuvor mit aufgebaut hatte. Sie tat dies
so gewissenhaft und zupackend, dass der damalige
Finanzchef John R. Dacey (53) sie 2002 in die Firmenzentrale in Winterthur bei Zürich holte: Dort
sollte sie die Problemfälle übernehmen: die sogenannte „Bad Bank“ der Assekuranz.
Man vertraute ihr sogar den Rechtsstreit mit der
Versicherungsgesellschaft XL Capital auf den Bermudas an. Die damalige Winterthur-Muttergesellschaft
Credit Suisse hatte einen Teil des internationalen
Winterthur-Geschäfts an jene XL Capital verkauft.
Der Fall sollte zu Böckenfelds kniffligstem werden.
Er lässt sich in vier Sätzen zusammenfassen: Beim
Verkauf 2001 hatten die Parteien festgelegt, dass die
67
Höhe der Rückstellungen für mögliche Schadenersatzforderungen nach drei Jahren noch einmal
bestimmt werden sollte. Im Falle, dass man sich nicht
einigen könnte, sollte ein Sachverständiger den Betrag festlegen. Jene Partei würde gewinnen, deren
Schätzung näher an der des Sachverständigen läge.
Es ging um 1,2 Milliarden Franken.
F
Für Böckenfeld bedeutete der Auftrag: 18 Monate lang
Zahlen zusammentragen, 28 Ordner füllen, nächtliche Telefonkonferenzen mit den Amerikanern führen, morgens um fünf Uhr Anrufe aufgeregter Mitarbeiter entgegennehmen. „Diesen inneren Druck, den
wir uns selbst gegeben haben, erfolgreich sein zu
wollen, den werde ich nie vergessen“, sagt sie.
Böckenfeld spricht von „wir“ statt von sich selbst:
„Alle haben sich so in dem Fall engagiert. Ich hatte
Angst, was den Einzelnen im Team passieren würde,
wenn wir nicht gewinnen.“ Aber sie haben gewonnen.
Noch heute beglückwünschen sie sich selbst am Jahrestag der Entscheidung. „Sie hat einen phänomenal
guten Job gemacht“, sagt Leonhard Fischer.
Martha Böckenfeld weiß, dass ihre Ansprüche andere „recht stark fordern können“. Die Meinungen, „ob
sie zu hart sei, gehen auseinander – wie bei jedem
Das Triumvirat
schreitet
Gemeinsam mit
Gerd Häusler
(rechts) und
Leonhard Fischer
wollte Martha
Böckenfeld 2009
die Bundesregierung überzeugen,
dass RHJI der
ideale Käufer
für Opel wäre.
Nachdem Fischer
das Foto gesehen
hatte, zog er
den Trolley
häufiger auch
einmal selbst.
Wer ist RHJI?
RHJ International (RHJI) mit Sitz
in Brüssel begann mit Beteiligungen
an japanischen Automobilzulieferern. 2009 machte die Gruppe ein
Angebot zum Kauf des Autoherstellers Opel, der dem Aus
nahe war. Am Ende behielt General
Motors die deutsche Tochter.
RHJI verkaufte die meisten Industriebeteiligungen. Heute gehören zur Gruppe vor allem Privatbanken: die deutsche Quirin Bank
(Anteil: 28 Prozent; Honorarbera-
68
tung), die britische Kleinwort
Benson (Vermögensverwaltung,
Offshore Trusts) und die Frankfurter BHF-Bank (Mittelstandsbank). „Wir sind eine Finanzholding, keine Beteiligungsgesellschaft“, betont Martha Böckenfeld.
Damit das alle verstehen, soll die
Gruppe bald umbenannt werden und
Kleinwort Benson-BHF Holdings heißen. Mathias Döpfner, Chef von Axel
Springer, zu der auch BILANZ
gehört, ist Aufsichtsrat der RHJI.
guten Manager“, sagt Fischer. Gerd Häusler urteilt: „Als
Unterhändlerin ist sie eine harte Nuss.“ In der Finanzelite gilt das als ganz besondere Auszeichnung.
Credit Suisse verkaufte 2006 die Winterthur an
den Versicherer Axa. Böckenfeld bekam den Auftrag,
die Gruppe in den französischen Konzern einzugliedern. Dies trug ihr das Angebot ein, nach Paris in die
Axa-Zentrale zu wechseln. Aber sie entschied sich
anders. Für „ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte“: 2007 folgte sie dem Mitwestfalen Fischer zu RHJI.
„Wenn ich eine Challenge brauche, tausche ich mich
mit ihm aus. Er ist ein ausgezeichneter Leader.“
Böckenfeld klügelte den Finanzplan aus, mit dem
RHJI sich 2009 bei der Bundesregierung um die Übernahme des von der Pleite bedrohten Autoherstellers
Opel bewarb. Im Kanzleramt ließ man die Interessenten warten. Am Nachmittag gingen die Getränke aus.
So kam es, dass Martha Böckenfeld mit dem Reinigungspersonal ins Geschäft kam. Als sich die Putzleute näherten, verhandelte sie, und man wurde sich einig: 50
Euro für Cola und Wasser aus deren Pausenraum.
Heute steht Böckenfeld wieder vor einer schwierigen Aufgabe: Sie soll für RHJI die Londoner Kleinwort Benson und die BHF-Bank in Frankfurt zu einer
anglo-germanischen Mittelstandsbank zusammenführen. Einmal im Monat reist sie nach Frankfurt zur
BHF. Sie sitzt dort im Aufsichtsrat.
In einer Sommernacht steigt Böckenfeld mit der
BILANZ-Reporterin in ein Taxi, sie wollen zu verschiedenen Hotels. Money-Martha übernimmt: Sie
verhandelt einen Preis und fragt die Fahrerin aus:
Woher sie komme (Kroatien), seit wann sie Taxi fahre
(20 Jahre) und ob sie sie für künftige Fahrten buchen
könne (erlaubt die Zentrale nicht). Beim Aussteigen
gibt sie der Fahrerin noch einen Tipp: „Machen Sie
sich selbstständig. Im Winter fahren Sie hier Taxi,
und im Sommer schippern Sie Touristen durch kroatische Buchten“, rät Böckenfeld.
„Ach, Mädchen“, sagt die Fahrerin, „ich bin zu alt.
Meine Bank gibt mir keinen Kredit mehr.“ „Dann
haben Sie die falsche Bank“, sagt Böckenfeld und
verschwindet in der Nacht.
SOPHIE CROCOLL
SEPTEMBER 2014
Foto: ddp images
UNTERNEHMEN UND MÄRKTE
NOTIZEN AUS…
China
Beinahe wie in Deutschland: Fahrzeuge aus dem VolkswagenKonzern spielen die größte Rolle unter den meistverkauften
Modellen auf dem größten Automarkt der Welt.
Ford Focus
Platz 1: 404.000 Stück
Henry Ford wäre stolz: Das
Weltauto liegt auf dem größten
Markt überhaupt vorn.
VW Bora
Platz 10: 237.000 Stück
Den Chinesen muss die
Gestaltung gefallen haben:
noch eine VW-Variante.
VW Lavida
Platz 2: 374.000 Stück
In China entwickelt, mit
reichlich Chrom für die
dortigen Geschmack.
VW Santana
Platz 9: 243.000 Stück
Mit ihm hat alles begonnen: Anfang
der 80er-Jahre schraubte VW das
Stufenheckmodell des Passat in einer
chinesischen Fabrik als Dienstwagen
für KP-Funktionäre zusammen.
Chevrolet Sail
Platz 4:
276.000 Autos
Endlich einer, der
etwas anders
aussieht. Das
überzeugte auch die
Chinesen.
Chevrolet Cruze
Platz 8: 247.000 Stück
Auto aus Shanghai,
Grundmodell von General
Motors’ koreanischer
Tochterfirma.
Nissan Sylphy
Platz 7: 260.000 Stück
Japaner haben es in China – –
schwer: Nur der Nissan
schafft es unter
die ersten Zehn.
Fotos: Ford Motor Company, Volkswagen, Chevrolet, Buick, Nissan
Buick Excelle
Platz 3: 296.000 Stück
Gebaut in Shanghai von General Motors
und der chinesischen SAIC.
VW Sagitar
Platz 5: 271.000 Stück
Enger Verwandter des
deutschen VW Jetta, auch
mit etwas mehr ortstypischem Bling-Bling.
Das Wirtschaftswachstum in China hat sich verlangsamt, doch die Lust auf Mobilität
ist ungebrochen groß: Um acht bis zehn Prozent soll der größte Automarkt der Welt in dem
Jahr wachsen. „Panikkäufe“ beobachten die Automanager bei den Chinesen, weil Zulassungsbeschränkungen in elf der vom Dauerstau geplagten Megastädten drohen. Die Deutschen freut’s: 28 Prozent ihrer Produktion – 3,7 Millionen Fahrzeuge – verkauften hiesige
Autobauer 2013 in China. Insgesamt erwarben die Chinesen 22 Millionen Fahrzeuge.
SEPTEMBER 2014
VW Jetta
Platz 6: 263.000 Stück
Noch einmal untere
Mittelklasse aus dem
VW-Regal – Hauptsache,
die Chinesen können die
Modelle unterscheiden.
69
IDEEN&
INNOVATIONEN
LIEFERHELDEN
INTERVIEW
MIT DEM WELTMARKTFÜHRER
NIKLAS ÖSTBERG
76
TV-RECHTE
DER NETTE HERR
DR. PIËCH 78
70
Millime
Originalgröße In
diesem Reagenzglas
befinden sich mehr
als 3.000 Drucksensoren, jeder 2,5 x
2 Millimeter groß.
Sie messen
beispielsweise in
Fitnessarmbändern
die Pulsfrequenz
von Läufern.
SEPTEMBER 2014
MIKRO- UND NANOTECHNIK
terarbeit
Winzige Produkte, riesige Geschäfte: In der Mikro- und
Nanotechnik mischen deutsche Unternehmen ganz groß mit.
Foto: picture alliance / dpa / Jan Haas
A
Axel Giese arbeitet in einer Welt, in der er aufpassen
muss, dass er sie nicht einatmet. „Sonst verschluckt
man sich noch“, sagt der 45-Jährige. Trockenes Lachen. Aber es stimmt ja: Manche Bauteile, mit denen
der Diplomphysiker bei Bosch in Reutlingen zu tun
hat, sind nur halb so dick wie ein Menschenhaar.
Gieses Leute stellen Sensoren her, winzige Fühler,
die im Alltag heute praktisch überall zu finden sind,
in Stoßstangen und Mobiltelefonen genauso wie in
Haustüren oder Fenstern, wo sie als Bewegungsmelder zum Einsatz kommen und im Notfall den Hausbesitzer oder Mieter alarmieren können.
184 Kilometer weiter nordwestlich geht es noch
kleiner zu: Die Firma Nanogate produziert in der saarländischen Ortschaft Quierschied-Göttelborn Oberflächenbeschichtungen mit Nanopartikeln, die Millionstel Millimeter messen. Es handelt sich um transparente Funktionslacke, denen Zauberkräfte
innewohnen: Taucherbrillen können nicht mehr beschlagen, Flugzeugfenster und Autotüren nicht verkratzen. Aber die Beschichtungen können noch mehr.
„Wir haben eine Technik entwickelt, die die Energieeffizienz steigert“, sagt Nanogate-Chef Michael Jung.
Wiederum 370 Kilometer weiter nordöstlich in
Jena träumt Claudia Gärtner (44) davon, dass eines
Tages „die Produkte, die wir mit unseren Kunden
entwickeln, in jedem Supermarkt zu haben“ sind.
Personalisierte Medizin ist der Markt, auf dem ihre
SEPTEMBER 2014
Das Kleingedruckte
Der Punkt auf
diesem „i“ ist
250 Mikrometer
oder 250.000
Nanometer breit.
Mikrotechnikfirma Chipshop operiert. Das Thüringer
Unternehmen produziert heute vor allem miniaturisierte Analysegeräte zur Diagnostik von Blutdruck
und Blutzucker über Mobiltelefon-Anwendungen.
Die drei Unternehmen – Bosch, Nanogate und
Chipshop – stehen beispielhaft für das stürmisch
wachsende Geschäft mit Mikro- und Nanotechnik in
Deutschland. Am verheißungsvollsten entwickelt sich
zurzeit die Nanotechnik: Sie verspreche mehr „als
frühere Hypes“, sagt McKinsey-Direktor Andreas
Serr. Die USA, Deutschland und Japan sind in der
Gilde weltweit führend. Die Geschäfte sind zwar noch
nicht groß, das Wachstumstempo indes rapide: „In
20 bis 25 Jahren rechnen wir für Deutschland mit
einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum durch
Nanotechnik im hohen einstelligen bis niedrigen
zweistelligen Milliardenbetrag.“
Das Besondere an Nanomaterialien sind ihre
neuartigen Eigenschaften: Wenn ein Stoff so lange
zerkleinert wird, bis seine Teile auf die Größe weniger Nanometer verschwinden, zeigen sie unerwartete Eigenschaften, beispielsweise eine erhöhte Rückund Gegenwirkung, veränderte optische Reaktionen
oder auch eine höhere Stabilität. So werden Neuerungen wie selbstreinigende Fensterscheiben,
schmutzabweisende Textilien oder bis dahin unbekannte Wirkstoffe in der Medizin möglich. Schon seit
Jahren erhöht Nano-Titandioxid den Lichtschutzfaktor von Sonnencremes.
Die Mikrotechnik ist bereits dort, wohin die
Nanobranche erst steuert. Deutsche Mikrotechnikunternehmen setzen rund 15 Milliarden Euro um.
Doch die pfiffigen Miniprodukte – millimeterkleine
Sensoren, Pumpen und Motoren – stecken in Waren
mit einem Gesamtwert von 380 Milliarden Euro,
schätzt der Branchenverband IVAM. Deutsche
Mikrotechniker haben einen Anteil von 19 Prozent
am Weltmarkt erobert (siehe Kasten Seite 73).
Lukrativ ist das Geschäft vor allem in jenen Branchen, die in Deutschland traditionell eine starke Po-
71
IDEEN UND INNOVATIONEN
Mit Häubchen BoschGruppenleiter Axel Giese
muss in manchem Labor
elektrostatische Schutzkleidung tragen, bevor er mit
den Miniatur-Chips arbeiten
darf.
sition einnehmen wie der Maschinen- und Anlagenbau. „Mithilfe der Mikrotechnik wird die deutsche
Industrie auch in Zukunft eine führende Rolle in der
Prozess- und Automatisierungstechnik spielen“, sagt
IVAM-Geschäftsführer Thomas Dietrich. Energieunabhängige Mikrosensoren und drahtlose Sensornetzwerke bildeten die Bausteine für die Entwicklung
selbstorganisierter Produktionsabläufe, der sogenannten Industrie 4.0.
Sensoren von Bosch
In jedem zweiten modernen Mobiltelefon der
Welt stecken Chips aus Reutlingen
Axel Gieses Arbeitswelt definiert sich über die Begriffe Rein-Raum und Reinst-Raum: Sie legen fest,
wie viele Schwebeteilchen und Keime pro Kubikmeter Luft ein Raum enthalten darf. Je kleiner die Geräte
sind, an denen Giese arbeitet, desto empfindlicher
reagieren sie auf Staub oder andere Verunreinigungen. Schon eine einzige Hautschuppe oder ein
Schweißtropfen kann sie zerstören.
Deshalb muss Giese, der als Bereichsgruppenleiter
bei Bosch amtiert, nicht selten wie ein Gehirnchirurg
ans Werk gehen: mit Mundschutz, Kittel, Haarnetz.
Bisweilen sieht er aus wie ein Akteur aus dem Reutlinger Bosch-Fetischstudio: Ganzkörperanzug,
Kniestulpen, Latexhandschuhe. Nach ein paar Stunden in solch einem Aufzug schwitze man derart, sagt
er, da könne man die Handschuhe ausgießen.
Giese hat in Münster über Material- und Halbleiterphysik promoviert, er ist Segel- und Motorflieger
und Skiläufer. Seit 14 Jahren arbeitet er bei Bosch mit
Sensoren. Er geht in dem Laden förmlich auf. Mittlerweile sitzt er meistens am Schreibtisch, Raum 308
im ersten Stock. Aber er liebt die Ausflüge in die Produktionshallen: „In der Fertigung schlägt das Herz.“
H
Heute zeigt er die Werkstatt, in der Sensoren für die
Automobilelektronik hergestellt werden, sogenannte
Mems: mikroelektronisch-mechanische Systeme.
Mems wandeln mechanische Impulse in elektrische
um. Sie messen Veränderungen der Temperatur, Beschleunigung oder Schwerkraft und geben einem
72
Diese
Technik
rettet
Leben.“
Axel Giese
Steuergerät den Befehl, was zu tun ist. Das klingt
zunächst einmal unspektakulär, und meist tragen die
Sensoren auch nichtssagende Bezeichnungen wie
„MM5“ oder „MM8“, aber Giese weiß um ihre Geheimnisse: „Diese Technik“, sagt er, „rettet Leben.“
Sie sorgt dafür, dass sich im Auto der Airbag füllt, die
Sitzgurte straffen, Überrollbügel ausfahren oder einzelne Räder bremsen, wenn der Wagen schlingert.
Um die 50 Sensoren sind in einem Fahrzeug
verbaut.
Giese zieht sich einen Kittel über, stülpt ein Haarnetz über den Kopf und streift blaue Stoffbeutel über
die Schuhe, er stellt sich auf zwei Elektrodenplatten
vor eine Metall-Drehschranke: In der Epa, der „electrostatic protected area“, ist die Kleiderordnung am
strengsten.
Wer schon einmal beim Berühren einer Heizung
oder eines Metallgeländers einen Schlag bekommen
hat, denkt, dass dies völlig harmlos sei. In der Sensor-Montage allerdings kann bereits eine kleine Entladung die Halbleiterstrukturen auf den kleinen
Fühlern zum Schmelzen bringen, was schlimmstenfalls erst dann auffällt, wenn es zu spät ist – und der
Airbag sich bei der Karambolage nicht öffnet.
Die Elektrodenplatten, auf denen Giese steht,
prüfen, ob der Gast tatsächlich Strom durch die blauen Stoffbeutel an den Schuhen in den Boden ableitet,
dann erst leuchtet eine Lampe grün auf und die
Schranke dreht sich: Giese darf eintreten.
Ausschlaggebend dafür, dass Bosch 2005 eine
Tochterfirma für die Produktion von Mems-Sensoren
gründete, seien Klapprechner gewesen, erzählt Marketingdirektorin Jeanne Forget-Funk (42), eine gebürtige Französin mit leichtem Akzent. Ein Hersteller
hatte angefragt, ob Bosch einen sogenannten Beschleunigungssensor als Fallschutz entwickeln könnte. Derlei Fühler sorgen dafür, dass sich die Festplatte
eines Rechners herunterfährt, sobald der Rechner
fällt, das heißt, urplötzlich beschleunigt.
Nach reiflicher Überlegung entschied Bosch,
gleich eine Tochterfirma für den Sensor-Bau zu gründen. „Und dann kamen 2007 die Smartphones“,
strahlt Forget-Funk, und das Geschäft gewann umgehend an Fahrt.
In einem Mobiltelefon von heute arbeiten mindestens fünf Sensoren. Sie lassen zum Beispiel den
Bildschirm vom Hoch- ins Querformat wechseln,
wenn sich das Gerät dreht. In jedem zweiten MobilSEPTEMBER 2014
MIKRO- UND NANOTECHNIK
Milliardenmarkt Mikro, Hoffnungswert Nano
telefon der Welt stecken Sensoren von Bosch. Seit
dem vergangenen Jahr ist das Unternehmen Weltmarktführer mit einem Ausstoß von einer Milliarde
Mems-Sensoren. Die meisten davon arbeiten in Mobiltelefonen, Klapprechnern und Spielkonsolen. Nur
noch etwa ein Drittel ist für die Automobilindustrie
bestimmt. Bis solch ein Sensor seinen Weg in die
Autoelektronik findet, vergehen bis zu neun Wochen.
Viele Labore, viele Rein- und Reinst-Räume müssen
durchquert werden.
1. 160.000 Beschäftigte in 1.000
kleinen und mittleren Firmen sowie 150 Großunternehmen, gut
15 Milliarden Euro Umsatz: Die
deutsche Mikrotechnikbranche
hat sich als eigenständige, robuste Industrie etabliert. Ihre Komponenten stecken in Waren, die
auf dem Weltmarkt für 380 Milliarden Euro verkauft werden.
Diese Summe entspricht rund
15 Prozent des Inlandsprodukts.
Deutsche Mikrotechnik steuert
Industrieanlagen, unterstützt Auto-Fahrsysteme, verbessert den
Wirkungsgrad von Energiespeichern und treibt den Fortschritt
in der Medizintechnik an. So können heute spezielle Kontaktlinsen
den Blutzuckerspiegel von Diabetikern über die Tränenflüssigkeit
messen und die Daten drahtlos
an das Mobiltelefon senden.
Z
Wer steht auf der Kundenliste?
Drei von vier Mikrotechnikfirmen beliefern die Medizintechnik,
fast jede zweite die Autoindustrie.
75%
Foto: picture alliance / dpa / Jan Haas, Nanogate
Medizintechnik
Automobiltechnik
37%
37%
Maschinen- & Anlagenbau
36%
Telekommunikation
34%
Chemie/Pharma
32%
Forschung & Entwicklung 31%
Luft- und Raumfahrt
31%
Biotechnik
Halbleitertechnik
Quelle: IVAM directory 2014
SEPTEMBER 2014
2. Im Gegensatz zur Mikro- steckt
die Nanotechnik noch in ihren
Anfängen. Rund 1.000 Unternehmen in Deutschland nutzen ihre
Errungenschaften. Der Umsatz
von Produkten, in denen Nanotechnik steckt, erreicht eine
Höhe von bislang nur 15 Milliarden Euro. Eine Schlüsselrolle
spielt die Nanotechnik künftig bei
der Elektromobilität, der Entwicklung umweltschonender Fertigungstechniken, der Nutzung
erneuerbarer Energieträger und
der personalisierten Medizin.
wickeln Bosch-Leute die Winzlinge auf eine Spule,
ähnlich einer alten Filmrolle, und verschicken sie
buchstäblich in Pizzakartons, deren Inneres mit einem rosafarbenen Stoff gepolstert ist. Die Nachfrage
sei so groß, erzählt Giese, dass manchmal schon das
Taxi mit laufendem Motor hinter der Fabrik warte,
um die Spulen zum Stuttgarter Flughafen zu transportieren. Ein fertiger Sensor misst zwei mal zwei
Millimeter und kostet zwischen sieben und zehn
Euro. Es gibt Mengenrabatt.
„Der Trend geht zur Miniaturisierung“, sagt Forget-Funk. Der anfangs erwähnte Beschleunigungssensor maß 2005 sechs mal sechs Millimeter. Mittlerweile könne man Modelle herstellen in der Größenordnung von 1,2 mal 1,5 Millimetern. Es gilt: je
kleiner, desto billiger. Mit diesem Maß dürfte die
Grenze indes erreicht sein. Jede weitere Verkleinerung stünde in keinem günstigen Verhältnis mehr
zum Einsparpotenzial: „Die Asymptote ist damit erreicht.“ Jedenfalls im Mikro-Bereich.
Zunächst bekleben die Bosch-Leute die Rohlinge,
bearbeiten sie mit Chemikalien, brennen, pressen,
trocknen sie, es wird geätzt, auseinandergeschnitten,
gebacken, wieder getrocknet. Es ist wie beim Elektro-Konditor, und Giese ist der Meister. Ein Roboter,
der aussieht wie eine Nähmaschine, verdrahtet die
einzelnen Komponenten auf dem Sensor. Schließlich
werden die Fühler kalibriert, also auf ein Maß gesetzt:
Sie erkennen fortan Veränderungen der Geschwindigkeit, der Temperatur oder der Höhe. Am Ende
Mikrosystemtechnik
Sensoren, die wie Pflaster auf der
Haut kleben, registrieren Herzschlag und Hirnaktivität. Verbände mit eingefügten Biosensoren
beobachten den Heilungsverlauf
von Verletzungen und warnen
vor beginnenden Infektionen.
52%
48%
Beschichtungen von Nanogate
Unsichtbare Lacke helfen, Energie zu sparen
Mit den Produkten der saarländischen Firma Nanogate ist es ein bisschen wie mit den neuen Kleidern
des Kaisers: Niemand kann sie sehen, aber alle sind
beeindruckt.
Der Unterschied zum unsichtbaren Textil aus
Hans Christian Andersens Märchen ist, dass die Produkte nur deshalb nicht zu sehen sind, weil ihre Bestandteile so klein sind – aber sie sind wirklich. Genauso wirklich wie das Geld, das sie einbringen. Der
Mittelständler Nanogate hat seinen Umsatz seit dem
73
IDEEN UND INNOVATIONEN
Die Mischung macht’s
Die korrosionsschützende
Beschichtung für Wärmetauscher wird bei Nanogate aus
zwei flüssigen Komponenten
zusammengemischt.
bauer wie Porsche, Land Rover und Airbus. Aber auch
Heiztechnikfirmen gehören zu den Auftraggebern:
„Wir haben da eine Technik entwickelt, die einen
Megatrend abdeckt: Energieeffizienz.“
1
Million Euro
kann ein Gramm
eines Enzyms
kosten, der für
eine Analyse
eingesetzt wird.
Das „Lab on a
Chip“ kommt mit
winzigen Mengen
aus und spart viel
Geld gegenüber
herkömmlichen
Analysetechniken.
Vorsicht vor Nano?
In vielen Alltagsprodukten sind
Nanobestandteile bereits etabliert:
Sonnenmilch, Zahnpasta, Schuhputzmittel, Jacken, Verpackungen,
selbst in Nahrungsmitteln finden sich
mitunter Nanopartikel. Die Frage ist,
ob es gefährlich ist, wenn einzelne
Nanopartikel in den Körper gelangen
und dort lange verbleiben. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
schreibt, es bestehe zwar die grundsätzliche Möglichkeit dieser Gesundheitsgefährdung, allerdings sei das Ein-
74
dringen von Nanopartikeln durch
gesunde Haut „extrem unwahrscheinlich“. Das größere Risiko bestehe
durch Einatmen freier Partikel, etwa
durch Sprays. Seit 2013 gibt es eine
Kennzeichnungspflicht für Nanobestandteile in Kosmetika, ab Dezember
auch für Lebensmittel. Noch gibt es
kein europäisches Nano-Produktregister, hierzulande aber betreibt der
Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland eine Datenbank für
Nanoprodukte („Nanowatch“).
N
Nanogate hatte 2003 an der Ausschreibung eines
Heizungsherstellers teilgenommen, der die Energieeffizienz seiner Geräte verbessern wollte. Das Herz
und Hirn vieler Heizgeräte ist ihr Wärmetauscher: Er
sorgt für die Wärmeübertragung, etwa von heißem
Gas in heißes Wasser.
Viele Wärmetauscher sind aus Gusseisen gefertigt.
Aluminium aber eignet sich eigentlich wesentlich
besser, weil es sowohl Wärme leitet als auch billiger
ist. Der Nachteil besteht darin, dass Aluminium weitaus empfindlicher auf hohe Temperaturen und auf
Kondensate reagiert, die bei der Gasverbrennung
entstehen. Außerdem ist es anfällig für Korrosion, es
rostet schnell – es sei denn, man wendet jene „hoch
temperaturfeste, korrosionsschützende Beschichtung mit anorganischen Inhaltsstoffen“ (Jung) an,
die Nanogate entwickelt hat.
Vereinfacht gesagt, entwickelten Jungs Leute eine
Spinnennetz-artige Matrize aus einzelnen Nanostrukturen, deren Partikel allerdings kleiner sind als
100 Nanometer und deshalb „eine sehr hohe Oberflächenenergie“ aufweisen und schnell verklumpen.
Nanogate ist es gelungen, ihr Verhalten in flüssiger
Form zu kontrollieren und sie so zu bearbeiten, dass
sie nicht verkleben, sondern jenes Netz bilden, das
stabil genug ist, um hohen Temperaturen zu trotzen
- und gleichzeitig an Aluminium zu haften. Mit welchen Verfahren dies gelungen ist und wie viele Mitarbeiter in welchen Hallen wie lange damit beschäftigt sind: All das ist Betriebsgeheimnis.
Medizintechnik von Microfluidic Chipshop
Leber, Niere, Milz: Organe auf dem Mikrochip
Ganz klein ist kein Problem: „Wir können auch Strukturen im Nanobereich herstellen“, sagt Claudia Gärtner, Geschäftsführerin der Jenaer Microfluidic
Chipshop, „aber wir bauen nicht so klein wie möglich,
sondern wie nötig.“
SEPTEMBER 2014
Fotos: Nanogate, picture-alliance / Jens-Ulrich Koch
Börsengang 2006 um über 600 Prozent erhöht. In
diesem Jahr rechnen die Saarländer aus Göttelborn
mit Einnahmen von 100 Millionen Euro.
Nano ist Griechisch und bedeutet „Zwerg“. Das
wirkt noch untertrieben: Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter. Das heißt, er verhält sich zu einem
Meter wie eine Haselnuss zur Weltkugel. Und Nanogate ist einer von vielen Beweisen dafür, dass mit
den kleinsten Teilen große Geschäfte zu machen sind.
In diesem Fall mit Oberflächenauflagen.
Das Unternehmen beschichtet Edelstahl und
Kunststoffe mit einem durchsichtigen Lack, dessen
Eigenschaften dafür sorgen, dass Autoscheinwerfer
nicht mehr beschlagen, Duschkabinen Wasser abweisen und Autolacke nicht zerkratzen. „Multifunktionale Oberflächen“, nennt sie Michael Jung (49), zuständig für das operative Geschäft der Firma und
gleichzeitig Vizepräsident des DV Nano, des deutschen Nano-Verbands. Jung stieg 2001 bei Nanogate
ein, einer Ausgründung des Leibniz-Instituts für
Neue Materialien in Saarbrücken.
Jung, ein studierter Verfahrenstechniker, hat lange
im Maschinen- und Anlagenbau gearbeitet. „Ich bin
dann als industrieerfahrener Mann eingestellt worden, um den Kontakt zum Kunden zu stärken und
das Unternehmen vermehrt auf konkrete Anwendungen auszurichten.“ Anfangs waren hauptsächlich
Forscher für Nanogate tätig. Heute ist ihr Anteil gesunken, Mitarbeiter aus der Industrie sind dazugekommen. Zur Kundschaft zählen Auto- und Flugzeug-
MIKRO- UND NANOTECHNIK
Das Unternehmen – vor zwölf Jahren von Claudia
Gärtner gemeinsam mit einer Kollegin aus dem Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik sozusagen herausgegründet – erzeugt Mikrochips,
die Anwendung finden in der Chemie, Kosmetik, Biotechnik, Lebensmittel- und Umweltanalytik sowie
der Wirkstoffforschung. Hohes Ansehen genießt
Microfluidic aber vor allem in der Medizintechnik.
„Lab on a Chip“ heißt der Verkaufsschlager der
Thüringer: „Wir bauen miniaturisierte Labor- und
Analysetechnik für die Humandiagnostik, von der
Blutanalyse bis hin zu Krebsmarkern.“ Ärzte müssen
Proben nicht mehr in ein Zentrallabor schicken, sondern haben umgehend Zugriff auf Untersuchungsergebnisse. Wertvolle Zeit wird gewonnen, Geld gespart. Chipshop baut nicht nur die sogenannten
mikrofluidischen Halbleiter, sondern entwickelt auf
Wunsch von Ärzten oder Hospitälern auch die gesamte Diagnosegerätschaft, in die die Halbleiter eingebaut werden. Auch die Entwicklung und Prüfung
von Tests zählt zum Angebot.
Die Miniaturisierung in der Medizintechnik erhöht
nicht nur den Komfort und die Bedienungsfreundlichkeit der Diagnosegeräte, sie liefert nicht nur
schnellere Ergebnisse, sondern drückt häufig auch
die Kosten. „Einige eingesetzte Biokatalysatoren und
Enzyme sind extrem teuer, da kann ein Gramm bis
zu einer Million Euro kosten.“
Heute ist Microfluidic Weltmarktführer auf dem
Gebiet der nanotechnisch-basierten Untersuchungsmethodik. In die Zukunft blicken die aus dem Ruhrgebiet stammende Firmenchefin und ihr Mann, der
die Forschungsabteilung leitet, mit Zuversicht: Die
Produktionskapazität verdoppelt sich jedes Jahr, eine
Zweigstelle für den US-Markt ist in der Entstehung
begriffen. Gärtner will ihr Geschäft internationalisieren und die gewonnenen Erfahrungen natürlich
„Langweiliges
Ingenieurwesen“ Ein
Chemie-Ingenieur
baut für einen
Kunden ein Gerät
zur Erkennung
von biologischen
Kampfstoffen
– rund um die
Analyse-Chips von
Chipshop.
„Lab on a Chip“
Eine Mikrobiologin
bestückt einen
Chip mit
Zielmolekülen.
Chefin Claudia
Gärtner (u.) hat
derweil schon
„Organs on Chip“
im Visier.
auch auf dem Heimmarkt nutzen: „Deutschland hat
eine zu große Entwicklungsmentalität, in den USA
wird mehr Geld in die Anwendung investiert.“
Der Grundstein für das zweite Firmengebäude in
Jena ist gelegt. In spätestens zehn Jahren sollen Nummer vier und fünf einsatzbereit sein. Derzeit beschäftigt sie rund 70 Mitarbeiter: „Ingenieure jeder Fachrichtung, Physiker, Biologen, Chemiker, Werkzeugbauer, MTAs und PTAs.“ Profitabel, sagt Gärtner, sei
ihr Unternehmen praktisch vom ersten Tag an gewesen: „Geld verbrennen können wir uns nicht leisten.“
Nach ihrer Doktorarbeit hatte die Biologin und
Chemikerin zunächst im Institut für Mikrotechnik in
Mainz gearbeitet. Für die Unternehmensgründung
zog Gärtner in den Osten: „Jena hat eine großartige
Infrastruktur“ und eine leistungsstarke Universität.
Die Firmen Zeiss und Schott verfügen über große
Kenntnisse in der optischen Industrie. Mit einem
Wort, „hier gibt es viele gut ausgebildete Leute“.
Grundlage ihres Geschäfts, gesteht Gärtner, sei
„langweiliges Ingenieurwesen“: Denn äußerste Präzision in der Fertigung ist unabdingbar. Der hohe Herstellungsstandard schützt Chipshop vor Raubkopisten.
„Wir arbeiten mit ganz kleinen Produktionstoleranzen: Das kriegen nur wenige hin“, sagt die Chefin.
Nach dem „Lab on a Chip“ soll jetzt zusätzlich
„Organs on Chip“ aufgelegt werden und in Serie gehen: „Da tragen wir beispielsweise Leberzellen auf
einen Chip auf, die dann auf Substanzen genauso
reagieren wie die Leber im Körper“, sagt Gärtner. So
ließen sich Reaktionen auf neue Arzneiwirkstoffe
schnell und kostengünstig erproben und überdies die
umstrittenen Tierversuche ersetzen.
Gemeinsam mit ihren Kunden will Gärtner künftig
auch die Endverbraucher erreichen. Dazu investiert
sie in Informationstechnik und Rechnerprogramme:
„Smartphone-basierte Diagnostik“ ist das Ziel. Blutdruck- und Blutzuckermessung mit dem Mobiltelefon
sind schon auf dem Markt, aber ungezählte weitere
Anwendungen für die immer älter werdende Gesellschaft sind in Vorbereitung. Die Medizintechnik ist
jener Teil des Mikro-Marktes, der die höchsten
Wachstumsraten hat.
Jede Menge Ideen und stürmisch wachsende
Nachfrage – die Unternehmerin Claudia Gärtner ist
zufrieden: „Es ist toll, wenn man etwas ganz Neues
aufbauen und am Markt durchsetzen kann.“
MICHAEL GATERMANN, STEPHAN KNIEPS
SEPTEMBER 2014
75
IDEEN UND INNOVATIONEN
„Manchmal
will man
einfach
faul sein“
Wer im Netz eine Pizza bestellt, landet
(fast) automatisch bei ihm: Niklas
Östberg von Delivery Hero ist nach
der Übernahme von Pizza.de
Tabellenführer in der Lieferanten-Liga.
Jetzt stecken Investoren 350
Millionen Dollar in sein Geschäft.
Herr Östberg, Sie haben sich Mitte August mit
einer gewissen Leichtigkeit Ihren deutschen
Konkurrenten Pizza.de einverleibt. Das Geld
sitzt wieder locker in Ihrer Gilde?
Wir wollen weiter wachsen und in allen Ländern,
in denen wir aktiv sind, Marktführer werden. Dafür
bekommen wir noch einmal neue Investorengelder:
insgesamt 350 Millionen Dollar. Ein großer Teil davon stammt von bisherigen Geldgebern, neu dabei
ist der schwedische Investor Vostok Nafta.
Im Januar und April hatten Sie schon über
170 Millionen Dollar eingesammelt. Haben Sie
ein Loch in der Kasse, oder warum brauchen
Sie schon wieder frisches Kapital?
Die aktuelle Finanzierungsrunde hat natürlich auch
mit der Übernahme von Pizza.de zu tun. Aber wir
haben zuvor schon zwei Firmen in Lateinamerika
gekauft, die sehr erfolgreich sind. Was manche
unterschätzen: Man braucht eine Menge Geld, um
einen Internet-Bestelldienst für Essen aufzubauen.
Für Technik, Mitarbeiter, Werbung – und das in
23 Ländern auf fünf Kontinenten.
Sie haben Ende 2013 zum ersten Mal kurz einen
Gewinn verbucht. Jetzt schreiben Sie wieder
Verluste. Wie erklären Sie das Ihren Investoren?
Der Wert, den wir unseren Investoren bieten, liegt
in der Zukunft. Langfristig wollen wir natürlich
Gewinne machen.
Was heißt „langfristig“?
Wir planen in Zeiträumen von zehn bis 20 Jahren.
Aber ich denke, die Gewinne werden 2015 zurückkommen. Wenn du eine sehr hohe Summe bekommst, musst du solide Zahlen zeigen. Niemand
steckt irgendwo 350 Millionen rein, ohne ziemlich
sicher zu sein, dass die Rendite stimmen wird.
Die Freude über die Berliner Gründerszene hat
sich zu einer Art Begeisterungstaumel gesteigert.
Ist dieser Hype eigentlich gerechtfertigt?
Ich würde das nicht Hype nennen. Es entstehen
tolle Unternehmen: Zalando, Wooga, Researchgate,
Soundcloud, das ist eine ganz wunderbare Firma.
Natürlich auch Delivery Hero. Aber es stimmt: Da
76
Die größten
Finanzierungsrunden
europäischer
Internetfirmen
2014
in Mio. Dollar
1. Delivery Hero
Essensbestellungen, Berlin: 350
2. Ozon
Handel, Moskau:
150
3. Kobalt Music
Musiklizenzen,
London: 140
4. Klarna
Bezahldienst,
Stockholm: 120,5
5. Borro
Pfandleihhaus,
London: 112
6. Takeaway.com
Essensbestellungen, Utrecht: 103
Quelle: tech.eu,
BILANZ-Recherche
in Berlin die Start-up-Branche wächst, wird es einfacher, an Kapital zu kommen. Das bedeutet, dass
auch Firmen profitieren, die anderswo kein Startkapital bekommen hätten. Aber das ist in San Francisco auch nicht anders.
Zalando und Rocket Internet sollen im Herbst
an die Börse gehen. Wird Delivery Hero die
Gunst der Stunde nutzen und ihnen folgen?
Wir wollen sicherstellen, dass wir Anfang oder Mitte 2015 an die Börse gehen können. Vorausgesetzt,
dass wir darin dann einen Vorteil für das Unternehmen sehen. Die Investoren drängen uns nicht, wir
machen das nur, wenn es uns hilft, unseren Dienst
zu verbessern oder unsere Beziehung zu unseren
Partnern zu stärken. Sonst warten wir lieber.
Worauf warten? Ob sich Rocket und Zalando
mit steigenden Kursen bewähren?
Nein, darauf nicht. Wenn wir an die Börse gehen,
werden wir das wohl in den USA tun. Aber natürlich ist es für die ganze Branche sehr gesund, wenn
Rocket und Zalando zeigen, dass auch europäische
Start-ups sehr stark sein können und nicht nur Firmen, die in den USA gegründet werden.
Was wollen Sie auf dem US-Aktienmarkt? Dort
kennt Sie doch niemand.
SEPTEMBER 2014
LIEFERHELD
Europa, Asien, Lateinamerika: Welches Essen
wird wo am liebsten bestellt?
Die Skandinavier wollen Pizza bei vier von fünf Bestellungen. In allen Ländern haben die Menschen
mit Pizza angefangen. Viele Deutsche entscheiden
sich mittlerweile häufiger für Sushi oder Burger.
In England hat sich das schon am deutlichsten verschoben: Die beliebtesten Gerichte dort stammen
aus der indischen Küche. In Lateinamerika: noch
Pizza. In Asien sind eher lokale Spezialitäten
gefragt.
In welchen deutschen Städten läuft Ihr Geschäft
am besten?
Über Pizza.de bestellen in Hamburg besonders
viele Menschen, über Lieferheld in Berlin und
München. Die größten Bestellungen pro Kopf
kommen aber aus kleineren Städten.
Aus Braunschweig, wo Pizza.de sitzt?
Ich war überrascht, wie groß die Stadt ist! Ich bin
Schwede, und Braunschweig ist etwa so groß wie
die drittgrößte Stadt Schwedens. Wir wollen den
Standort auch erhalten. In Braunschweig denken
sie vielleicht etwas anders, aber das bereichert
uns. Pizza.de ist technisch sehr weit, zum Beispiel,
wenn es darum geht, den Fehler bei einer Bestellung zu finden.
Inzwischen kennt man uns. Uns hilft, dass wir in
Lateinamerika und Asien stark sind, das wird dort
anerkannt. Außerdem kommen einige unserer
wichtigsten Investoren aus den USA. Ein Börsengang in den USA ist für ausländische Unternehmen
auch nicht ungewöhnlich, Alibaba aus China wird
jetzt dort an die Börse gehen.
Müssen sich kleine Restaurants Sorgen machen?
Manche haben jetzt schon das Gefühl, Ihnen
ausgeliefert zu sein.
Das sehe ich anders. Gerade kleine Restaurants
sind oft sehr dankbar, dass sie weniger Geld für
Werbung und ihren Internetauftritt aufwenden
müssen. Das ist wie bei Google: Willst du wahrgenommen werden oder nicht? Wir bringen ihnen
mehr Einsparungen, als wir sie kosten. Die Gebühren, die wir nehmen, sind meines Erachtens absolut fair bemessen.
Foto: Getty Images / James Ross, Lieferheld.de
Der Lieferheld
Der Schwede Niklas Östberg
(34) studierte in Stockholm
und Zürich Wirtschaftsingenieurwesen, arbeitete bei
der Investmentbank Merrill
Lynch in New York und gründete im Mai 2011 mit drei
Partnern das Unternehmen
Delivery Hero, von dem ihm
noch ein kleiner Anteil gehört. Lieferheld, so die deutsche Marke, nimmt für Restaurants in mittlerweile 23
Ländern Bestellungen im Internet entgegen, leitet sie
weiter, hilft bei der BezahSEPTEMBER 2014
lung und kassiert durchschnittlich 13 Prozent des
Bestellwerts. Liefern muss
das Restaurant.Insgesamt
machen die Speiselokale mit
Bestellungen (weltweit:
300.000 täglich) über die
Plattform mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz im Jahr.
Zu den Investoren gehören
Insight Venture Partners,
Luxor Capital (beide New
York), Kite Ventures (Moskau), Team Europe (Berlin) und Tengelmann Ventures (Mülheim/Ruhr).
Kochen ist in. Viele wollen Bioprodukte essen.
Ist Ihr Schnellfuttermodell noch zeitgemäß?
Es wird immer Leute geben, die gern kochen und
Spaß haben, es zu lernen. Sogar ich koche gerne.
Aber nicht jeden Tag. Manchmal will man einfach
faul sein. Wir sehen die Wünsche der Kunden und
müssen versuchen, die Auswahl zu verändern: hin
zu bio und gesunder Ernährung. Wir machen kein
Restaurant auf und stehen nicht in der Küche, aber
wir können die Industrie beeinflussen.
Was kochen Sie selbst denn so?
Das hätte ich nicht sagen sollen, ich bin ein furchtbarer Koch. Ich habe eine Handvoll Lieblingsrezepte, ich backe selbst gemachte Pizza. Die habe ich
gestern erst für meine Nachbarn gemacht.
SOPHIE CROCOLL, STEPHAN KNIEPS
77
IDEEN UND INNOVATIONEN
Der Name ist groß, die Firma klein. Der Urgroßvater
ersann den „Käfer“, der Onkel machte VW zur
Weltmacht. Stefan Piëch aber unterhält Kinder.
Seinen Anlegern und der Familie muss er beweisen,
dass er mit Klassikern wie Fix & Foxi Geld verdient.
E
Eine Frage verfolgt Stefan Piëch: Warum nimmt er
nicht zehn oder gar 100 Millionen Euro in die Hand?
An das Geld käme er wahrscheinlich ohne Probleme
heran: Der 43-Jährige ist Filmkaufmann und Mitglied
von Europas reichster Unternehmerfamilie, der Doppeldynastie Porsches/Piëch, die BILANZ auf gut 47
Milliarden Euro taxiert (siehe Seite 34).
„Wir müssen es mit angemessenen Investitionen
aus eigener Kraft schaffen“, sagt der zur Sanftmut
neigende Urenkel des „Käfer“-Konstrukteurs Ferdinand Porsche (1875–1951) und Neffe des VW-Patriarchen Ferdinand Piëch (77).
Ihm ist klar: Die Zeit läuft, in absehbarer Zeit muss
seine Firma, die Your Family Entertainment AG
(YFE) in München, ordentliche Gewinne abwerfen.
Andernfalls verärgert er Anleger und Partner und
qualifiziert sich in der Familie als unternehmerischer
Passivposten: „Ich bin nicht gern Zweiter“, hat Onkel
Ferdinand einst zu Protokoll gegeben und seinen
Verwandten eine hohe Hürde auferlegt.
Piëch ist kein Erbe, der mit dem geborgten Selbstbewusstsein vorväterlicher Erfolge auftrumpft. Im
Gegenteil, der Doktor der Medienwissenschaft ist
ausgesprochen selbstkritisch. Als einer der wenigen
aus der mehr als 30 Porsches und Piëchs umfassenden vierten Generation des Klans exponiert sich der
im Grunde genommen scheue Österreicher – und setzt
sich dadurch natürlich der Gefahr aus zu scheitern.
78
Die Deutschen und
Österreicher
sind wie
Fix & Foxi,
bodenständig bis spießig. Figuren
sind wie
Bäume, die
Wurzeln
brauchen.“
Stefan Piëch
Sein Beispiel zeigt, wie schwer es für die Jungen in
der Herrschersippe ist, ihre eigenen Wege zu finden.
Die Richtungen, die sie einschlagen, unterscheiden
sich: Cousin Ferdinand „Nando“ Piëch (48) betreibt
in Stuttgart das Delikatessengeschäft „Feinkost
Böhm“, Großcousin Daniell Porsche (40) bei Salzburg
eine „Bildungsstätte für seelenpflege-bedürftige Kinder und Jugendliche“. Eines Tages werden sie es sein,
die in der oft zerstrittenen Familie den Ton angeben.
Stefan Piëchs Aufgabe ist mühevoll: In den ersten
sechs Monaten des Jahres fiel für YFE bei 1,3 Millionen Euro Umsatz operativ ein Verlust von 615.000
Euro an. Der Rechtehandel mit Kinderfilmen wie den
Abenteuern von Urmel, Fix & Foxi oder Cosmo und
Wanda ist ein flatterhaftes Geschäft. Zu den Kunden
gehören die ARD, Kika und Nickelodeon.
Anfangs war die Begeisterng in der Branche groß:
Da ist ein Neuer aus reichem Haus. Doch Piëch erwies
sich als äußerst dezenter Investor. Disney mobilisiert
ganz andere Beträge. „Piëchs Name öffnet viele Türen, aber er verführt manche auch dazu, seine Unternehmungen als Spielerei abzutun“, sagt Sebastian
Graf von Wallwitz (49), Rechtsanwalt und Aufsichtsratschef der YFE. „Dabei muss sich die Gesellschaft
aus sich selbst heraus finanzieren.“
3.500 halbe Stunden bestückt das Unternehmen
mit Programm. „Damit verfügen wir über die fünftgrößte unabhängige Kinderfilmbibliothek weltweit“,
sagt Piëch. Doch die Preise stehen angesichts sinkender Sendezeiten bei den großen Kanälen unter Druck:
In den vergangenen fünf Jahren warf das Geschäft
insgesamt nur etwa 3,5 Millionen Euro ab. In den
Dimensionen der Milliardärsfamilie ist das nicht der
Rede wert. Die Miene von Onkel Ferdinand kann man
sich vorstellen. Allein für 2013 kassierte die mehr als
70 Mitglieder große Familie über die Beteiligung an
VW eine Dividende von gut 335 Millionen Euro.
Seine Firma, räumt Piëch ein, müsse „den nötigen
Sprung schaffen und wachsen“. Die Abläufe sollen
gestrafft und professionalisiert, die Geschäfte internationalisiert werden. Ein neuer Vertriebsmanager
geht „aggressiver“ im Markt vor, und der eigene PayTV-Kanal „Your Family“ sendet nun auch auf Englisch
und sogar auf Arabisch. Aber: reicht das?
Hoffnungen setzt der groß gewachsene Wiener
auf Klassiker: Fix & Foxi, Lupo oder Oma Eusebia,
die mehr als 150 Figuren des als „deutschem Walt
Disney“ gerühmten Comiczeichners Rolf Kauka.
SEPTEMBER 2014
Foto: Your Family Entertainment AG
Der nette
Herr Dr. Piëch
STEFAN PIËCH
Klassiker und Moderne
Piëch erinnert sich gut an seine
erste Lektüre der Abenteuer
von Fix & Foxi in den 70er-Jahren.
Der virtuelle blaue Vogel namens
Ric (u.) soll Kinder möglichst bald
durch das Fernsehprogramm des
gleichnamigen Senders führen.
Die Rechte erwarb Piëchs 16-Mann-Firma im
Mai von der Witwe des Zeichners. Ein Coup: Kaukas
Figuren waren Kassenschlager, seit den 50er-Jahren
wurden mehr als 750 Millionen Hefte verkauft. Ihre
Blütezeit liegt freilich Jahrzehnte zurück. Den Kids
von heute sind Foxi oder Fix fast unbekannt.
Versuche, die Füchse in Zeitschriften zu reanimieren, scheiterten. „Figuren sind wie Bäume, die Wurzeln brauchen. Und sie müssen den Eltern gefallen“,
sagt Piëch. Als Beispiel führt er Winnie Puuh an, vor
Micky Maus Bestseller des Disney-Konzerns.
„Fix & Foxi werden nach Jahren des Dornröschenschlafs ein Revival erleben“, sagt Klaus Forch (43)
voraus, der bei YFE den Rechteverkauf leitet. „So ging
es schon Biene Maja, Wickie, den Schlümpfen oder
Tim & Struppi.“ 156 TV-Episoden sollen Kindern
Werte vermitteln. „Die Deutschen und Österreicher
sind wie Fix & Foxi: bodenständig bis spießig“, meint
Piëch. Disneys Dagobert Duck sieht er dagegen als
abschreckendes Beispiel des Typus Oligarch.
O
Ob seine Strategie gewaltfreien Kindervergnügens
(mit Werbung für Produkte, „die nicht dick und doof
machen“) aufgeht, wird sich am Kapitalmarkt zeigen:
Das Unternehmen ist an der Börse notiert, zur Zeit
aber nur gut zwölf Millionen Euro wert. Das Handelsvolumen fällt gering aus. Den Löwenanteil der
Aktien besitzt mit knapp 75 Prozent Piëch selbst. Zu
den Investoren zählt darüber hinaus die diskrete Holler-Stiftung, die im August noch einmal 100.000 Aktien von YFE zum Preis von 1,29 Euro pro Papier
erwarb. Insgesamt hält sie 3,13 Prozent.
Nicht ohne Pikanterie ist die Tatsache, dass die
Stiftung von den früheren Eigentümern des VW-Versicherungsdienstes gegründet wurde. Im Kuratorium
sitzt ein Vorstand von VW, die Stiftung selbst unterstützt wiederum die VW-Kunststiftung. Aus Sicht von
Piëch ist die auffällige Nähe zu VW reiner Zufall.
Piëch ist sich bewusst, dass sein Ruf in der Finanzwelt durchaus auf dem Spiel steht. In der Begeisterung des Börsenbooms Ende der 90er-Jahre wollte
er ein eigenes Unternehmen aufbauen, dann kollabierte der Neue Markt. Der von ihm gelenkte Filmfinanzierer Open Pictures konnte sich erfolgreich
SEPTEMBER 2014
79
IDEEN UND INNOVATIONEN
Die Digitalisierung treibt die Unterhaltungsbranche
Wer den Geschäftsbericht der Your
Family Entertainment AG liest, erfährt
von einer rosigen Zukunft: Stefan
Piëchs Firma zitiert den Ausblick der
Wirtschaftsprüfer PWC für die deutsche Unterhaltungs- und Medienindustrie. Bis 2017 wird ein Plus von
durchschnittlich 2,3 Prozent pro Jahr
auf dann 72,4 Milliarden Euro erwartet. Die TV-Umsätze sollen um jährlich
1,9 Prozent auf 14,3 Milliarden Euro
steigen. Dazu kommt das relativ junge
Geschäft mit Online-Filmen auf Abruf
(Video on Demand). Den Beratern
von Goldmedia zufolge dürfte das
Umsatzvolumen von 163 Millionen
80
Euro im Jahr 2013 auf 449 Millionen
im Jahr 2018 klettern.
Piëch hofft, dank des neuen Vertriebskanals den Knoten zu zerschlagen, der sein Unternehmen an deutlichem Wachstum hindert. Investoren
zeichneten eine vierjährige Wandelanleihe über fünf Millionen Euro, bekommen dafür vier Prozent Zinsen.
Die Digitalisierung treibt die Unterhaltung für Kinder. Der „Kids-Verbraucheranalyse“ zufolge sind 51 Prozent
der 6- bis 9-Jährigen täglich online, im
Jahr 2009 waren es erst 35 Prozent.
Bei den 10- bis 13-Jährigen sind sogar
97 Prozent im Netz (84 Prozent).
Machtkampfes. Erst brachte er Porsche teure
Rennsiege ein, dann machte er Audi stolz und
Volkswagen zum PS-Reich mit zwölf Marken.
„Kluge Investoren haben das erkannt.“ Deren Zahl
ist allerdings begrenzt: „Viele nehmen börsennotierte
Nebenwerte leider nicht wahr.“
Nach der Konsolidierung sollen Partnerschaften
das Geschäft treiben. So verkaufen die Basler Versicherungen eine „Fix & Foxi Geschenk Police“, in
Wien startet am 20. September die „Red Bull Fix &
Foxi-Fuchsjagd“ per Rad, die Kärntner Ferienregion
Nassfeld wirbt mit den Figuren, die Unicredit Bank
Austria nutzt das Duo für den Weltspartag am 31.
Oktober sowie eine Sparkarte für Kinder. Piëch kooperiert mit dem Klamottenspezialisten Katag („Basefield“). Für die Kindermarke „Staccato“ organisierte
der zweite Sender seines Unternehmens, Ric TV,
einen Wettbewerb für junge Geschichtenerzähler.
D
Der Wiener will weitere Mittelständler ans TV führen. Mit Werbeumsätzen sieht es wegen der geringen Zuschauerquote schlecht aus. „YFE ist sehr
klein, eigentlich immer wieder ein Start-up“, sagt
er. Der Deutschland-Start der US-Internetvideothek
Netflix schürt Hoffnung. „Uns hilft der Trend weg
vom Lizenzhandel für TV-Sender hin zum Video auf
Abruf“, sagt Rechteverwerter Forch. „Im Gegensatz
zu Wettbewerbern verfügen wir auch über die digitalen und oftmals 20 weitere Rechtearten, nicht nur
die Fernsehrechte.“ Daraus folgte eine Neubewertung, die das Filmvermögen 2013 in der Bilanz um
818.000 Euro erhöhte.
Für Ric TV arbeitet Piëchs Truppe an einem virtuellen Moderator. Das Sendermaskottchen, ein blauer
Vogel, soll durchs Programm führen. Die Entwicklung
muss mit viel weniger Geld auskommen, als es die
globalen Konzernriesen einsetzen. Verkehrte Welt:
Ausgerechnet ein Erbe des Autogiganten Volkswagen
wagt in der Filmbranche den Kampf David gegen
Goliath. Piëch motiviert sich mit dem Titel einer
österreichischen Kultserie aus den 70er-Jahren: „Ein
echter Wiener geht nicht unter.“
Der ewige Bezug zur prominenten Verwandtschaft, ist er Fluch oder Segen? Vor- und Nachteile
glichen sich am Ende aus, sagt Piëch. Ohne seinen
Namen würden die Medien kaum mit ihm sprechen,
weiß er. Das stimmt wohl.
MARK C. SCHNEIDER
SEPTEMBER 2014
Foto: picture-alliance / akg-images, picture alliance / dpa
am Wiederaufbau des gescheiterten Filmverleihs
Kinowelt beteiligen. Die Deutsche Bank wurde auf
ihn aufmerksam und fragte ihn, ob er die Sanierung
einer Filmfirma übernehme, die der Spiele- und Kinderbuchproduzent Ravensburger losschlagen wollte.
Der junge Mann, frisch verheiratet, sagte Ja und kaufte
die heutige Your Family Entertainment AG.
Zuerst, Anfang 2006, zog er in den Aufsichtsrat
ein - aber schon nach wenigen Monaten musste er
als Alleinvorstand die Führung selbst übernehmen.
„Eine Notlösung“, sagt er. Eine Krisensitzung folgte
damals der anderen. Zwischenzeitlich reichte das
Geld lediglich, um die Gehälter für einen Monat zu
bezahlen. Piëch gesteht sich nur wenig mehr als
100.000 Euro im Jahr zu. Dividende gibt es keine.
Die Firma hat Büros in Schwabing bezogen zwischen Asia-Restaurants, Waxing Studio, Eltern-Kind-Zentrum und Tengelmann. „Wir sind die
einzigen in diesem Geschäft, die überlebt haben“,
sagt der Unternehmer mit Blick auf Ex-Börsenstars
wie EM.TV. „Gras wächst nicht schneller, auch wenn
man daran zieht“, zitiert er eine Weisheit aus Afrika.
„In Zeiten des Neue-Markt-Booms habe ich gelernt,
Nein zu sagen. Diese Fähigkeit bewahre ich mir.“
Bis zum heutigen Tag ist er Pendler geblieben. Mit
seiner Frau und den vier Kindern im Alter von ein bis
acht Jahren lebt er in Wien. Nach München fährt er
mit der Bahn, vier bis fünf Stunden für eine Strecke.
„Ich bin hier sozusagen Gastarbeiter“, sagt er.
Tritt die erhoffte Dynamik ein, hat Your Family
Entertainment einen Schatz zu bieten: 80 Millionen
Euro steuerlichen Verlustvortrag. Anders ausgedrückt: Dank der hohen Verluste vergangener Jahre
kann Piëchs Unternehmen die Steuerlast auf künftige
Gewinne mindern – sofern welche anfallen. „So gesehen, sind wir mit gut zwölf Millionen Euro Marktkapitalisierung völlig unterbewertet“, findet der.
Prominente Verwandte Uropa Ferdinand
Porsche war ein cholerischer Tüftler, der
seine Techniker zu Höchstleistungen antrieb.
Der in der Nazizeit entstandene Volkswagen
motorisierte die Deutschen nach dem Krieg als
„Käfer“. Onkel Ferdinand Piëch ist Meister des
Kann man Pipelines unter
Strom setzen?
MAN kann.
Keine Frage: Die Energiewende muss vorangetrieben werden. Deshalb geben wir Gas, wenn es
darum geht, erneuerbare Energien nutzbar zu machen. Zum Beispiel beim Ansatz „Power to Gas“.
Mit dieser Technologie wird Öko-Strom nicht über riesige Stromtrassen, sondern durch schon
vorhandene Pipelines transportiert. Wie das geht? Mit Hilfe von MAN Kompressoren und Reaktoren
wird Öko-Strom in synthetisches Gas umgewandelt. Dieses Gas lässt sich ganz einfach in PipelineNetzen speichern und transportieren. So setzen wir Pipelines unter Strom und beschleunigen die
Energiewende. Was MAN noch alles bewegen kann: www.MAN.eu/MANkann
Engineering the Future – since 1758.
PRIVAT
HOLLEINS
KUNSTWELT
WARUM DIE
KULTUR
NOCH MEHR
BÜRGERHILFE
BRAUCHT 86
BAADERS
BESTE
WESHALB
MAN DURCHAUS EINMAL
1.000 EURO
FÜR EINEN
WEIN AUSGEBEN SOLLTE
88
Das
teuerste
Steak der
Welt
BILANZGEWINNER
DER ÜBERRASCHENDE
WIEDERAUFSTIEG VON
LARS WINDHORST 90
82
SEPTEMBER 2014
KOBE-FLEISCH
D
Frank Albers
importiert Kobe-Fleisch.
Um zu dieser Ehre zu gelangen,
musste er eine Lizenz
beantragen – und nach Kobe
reisen, um die Geschäftsbeziehung feierlich zu besiegeln.
SEPTEMBER 2014
Foto: picture alliance/dpa, Jan Haas
Kobe-Rinder
haben einen
Stammbaum bis
ins 17. Jahrhundert,
ihr Fleisch ist das
Beste vom Besten.
Jetzt darf es nach
Deutschland
importiert werden.
Ein Porträt über
nacktes Fleisch
Da liegt es, in einem gläsernen Schau-Kühlschrank.
Es sieht nicht aus wie Fleisch. Es sieht aus wie eine
Praline: Wie Nougatschichten ziehen sich weiße Fasern durch den rosafarbenen Körper. Die Äderchen
sind Fett. Jenes Fett, das für den einzigartigen Geschmack und die unvergleichliche Saftigkeit sorgt.
Kein anderes Fleisch auf dieser Welt ist in dieser Art
marmoriert. Schon bei Zimmertemperatur fängt es
an zu glänzen.
Das Berliner „Grill Royal“ hat eine neue Attraktion: Kobe-Fleisch. Das teuerste Steak der Welt. Die
Gäste des Restaurants können an dem Kühlschrank
vorbeiflanieren, vorbei an Tomahawk-Steaks von
kanadischen Bisons, vorbei an Porterhouse- und
T-Bone-Steaks aus Omaha, Nebraska. Um schließlich
ganz hinten, am Ende, vor dieser Neuheit aus Japan
in einem Zustand zwischen Ehrfurcht und Appetit
zu verharren: 100 Gramm Entrecôte vom Kobe-Rind
zum Preis von: 78 Euro.
Henry Zimmermann (28), der Griller, stellt seinen
Induktionsgrill auf 230 Grad ein, streift seine blauen
Handschuhe über und geht gemessenen Schrittes
zum Kühlschrank: Vorsichtig nimmt er ein Entrecôte
heraus, sein Messer gleitet durch das Fleisch wie
durch Talg, er schneidet eine 130 Gramm schwere
Scheibe ab, ein Stück so groß und dick wie ein Smartphone. Es zischt und qualmt, als er das Fleisch auf
den Grill legt.
Das teuerste Steak der Welt ist aus Japan nach
Deutschland gekommen. Fleisch mit jahrhundertealter Tradition, ein Fleisch, um das sich Legenden
ranken und winden: Seit wenigen Wochen darf Kobe
Beef in die EU importiert werden.
Kobe – eine 1,5-Millionen-Einwohner-Hafenstadt
auf der Insel Honshu. Hier fängt alles an. Von hier
aus wird der gesamte Warenkreislauf kontrolliert.
Für Kobe-Fleisch kommen nur Rinder der zumeist
pechschwarzen Tajima-Rasse infrage, die teuersten
Hausrinder der Welt, aber auch nur dann, wenn sie
in der Präfektur Hyogo, also der Gegend um Kobe,
geboren sind. Mehr noch: Sie müssen von einer Kuh
abstammen, deren Stammbaum sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, und in der Region
auch gemästet worden sein: mit Reisstroh, Sojamehl,
Weizenkleie. Kein Gras. Und zu saufen gibt’s nur
Wasser, viel Wasser. Gutes Wasser. Tajima-Rinder
sind im Grunde genommen Arbeitstiere mit flottem
83
PRIVAT
Michael Böhnke
ist Küchenchef im Berliner
Steakhaus „Grill Royal“. Das
Etablissement bekam als
erstes Restaurant in Europa
die Lizenz, seinen Gästen
Kobe-Fleisch aufzutischen.
Stoffwechsel. Wenn man sie mästet, werden sie
schnell fett. Und dieses Fett lagert sich so feinädrig,
so dicht, so wunderschön ziseliert in den Muskeln ab
wie in den Muskeln keines anderen Rindviechs der
Welt. So ein Entrecôte ist schöner marmoriert als
eine Wand in Versailles.
Im Alter von 32 Monaten ist das Leben eines
Kobe-Rinds in der Regel vorbei. Der Schlachter wartet. Nun rücken staatliche Kontrolleure an, um das
Fleisch zu begutachten: Das Fett muss hell, fast weiß,
das Fleisch richtig rot und fest sein und geädert wie
aufgeschnittener Trüffel.
Für jede Qualitätskategorie werden Noten von 1
bis 5 vergeben. 5 ist die beste Note. Kobe-Fleisch
muss mindestens mit 4 bewertet werden. Ein Zertifikat, der Blüte einer Chrysantheme nachgebildet,
prangt als goldfarbenes Siegel auf der Verpackung.
Erreicht das Fleisch auch nur in einer einzigen Kategorie nicht die Mindestnote, erhält es kein Zertifikat.
Und alle Mühe war umsonst: all die Jahre, die die
Bauern in Kobe, häufig mit nur zwei Rindern im Stall,
aufgewendet haben. Die Kontrolleure sind streng: Von
den 7.000 Tajima-Rindern aus der Region, deren
Fleisch sie im vergangenen Jahr geprüft haben, erfüllte
nur etwas mehr als jedes zweite alle Bedingungen.
D
Der Mann, der das Kobe-Fleisch nach Deutschland
bringt, heißt Frank Albers. Ein Düsseldorfer, 40 Jahre
alt. „Das ist das ultimative Fleisch“, sagt er. „Mehr
Qualität und mehr Tradition gibt’s nicht.“ Für ihn ist
Kobe-Fleisch wie eine neue Farbe: Die Köche könnten
mit ihm ganz neue Bilder malen. Außer Albers gibt
es in Deutschland noch einen zweiten Kobe-Importeur, in München.
Seine Lagerhallen hat Albers in der Nähe des Düsseldorfer Flughafens. Er trägt eine taubenblaue
Chinohose, ein weißes Hemd, eine graue Weste, einen
Dreitagebart. Er spricht Englisch, Französisch, Spanisch. Er hat die zarten Finger dieser Start-up-Jungs
aus Berlin.
Aber er ist ein Fleisch-Mann aus Düsseldorf. Sein
Vater und sein Onkel haben den Betrieb gegründet.
Schon als Frank sechs Jahre alt war, begleitete er seinen Vater zum Fleischhandeln auf den Düsseldorfer
84
3
Mythen
Die Aufzucht von
Kobe-Rindern
hat eine Tradition,
die bis ins 17.
Jahrhundert
zurückgeht. Mit
den Jahren
entstanden
Legenden.
Musik
Angeblich hören
Kobe-Rinder
zur Entspannung
Musik. Der
Verband der
Vermarkter von
Kobe-Fleisch teilt
mit: In Einzelfällen
komme das vor.
Massagen
Japanische
Bauern kneten
ihre Rinder der
Legende nach zur
Entspannung
durch. Auch das
mag auf manchen
Höfen die Praxis
sein, heißt es aus
Kobe.
Maischen
Dass die Rinder
auch Bier söffen,
stimmt wohl eher
nicht. „Es habe
so gut wie keine
Fälle“ von BierDoping gegeben,
sagen die
Vermarkter.
Großmarkt. Frank Albers lernte Groß- und Außenhandelskaufmann, schloss ein Wirtschaftsstudium
an und stieg 2002 in den Familienbetrieb ein. Er leitet
ihn heute gemeinsam mit seinem Cousin.
Albers kann sich furchtbar über den deutschen
Fleischmarkt echauffieren. „Hierzulande zählt:
Hauptsache billig. Billig!“ Wenn er das Wort schon
hört, wird er sauer. Außerdem würden in Deutschland
meistens Bullen gemästet. Und warum? Weil die
schneller an Gewicht zunähmen.
Albers bevorzugt durchwachsenes Ochsen- und
Färsenfleisch. Das Fleisch der Bullen aus Deutschland
sei ihm zu mager und zu fest. Der Geschmack? „Wässrig, langweilig, charakterlos“, räsoniert Albers. Außerdem würde die Güte des deutschen Fleisches –
anders als in Japan, den USA und Australien – nicht
von staatlichen Kontrolleuren bewertet, geschweige
denn in mehreren Kategorien. Albers wundert sich
nicht, dass die Deutschen langfristig immer weniger
Rindfleisch äßen. „Andererseits“, sinniert er: „Vielleicht konsumieren die Deutschen ihr Fleisch dann
ja bewusster ...“
„Schlauchboot oder Superjacht?“ Das war nach
dem Studium die Frage, die sich Albers gestellt hat.
Schlauchboot waren Wurst und Mett. Superjacht
war Edelfleisch. „Es gibt in Deutschland viele Menschen, die über Geld nicht nachdenken müssen.“
Und es gebe viele, die sich mal ein sehr gutes Stück
Fleisch leisten wollen.
Er führt durch seinen Betrieb: In den Hallen
lagern bei 1,5 Grad Celsius Steaks im Wert von mehreren Millionen Euro. Albers bezieht sie aus Omaha
im US-Bundesstaat Nebraska. Zu seinen Lieferanten
SEPTEMBER 2014
Foto: Steffen Roth, Getty Images
KOBE-FLEISCH
gehört ein australischer Züchter, der japanische
Wagyu mit schottischen Angus-Rindern kreuzt. Und
ein irischer Steakproduzent, der sein Fleisch drei
Wochen trocken reifen lässt.
Manche Kartons leitet Albers geradewegs weiter
an seine Kunden. Andere werden geöffnet, Metzger
schneiden das Fleisch zu. Albers beliefert Sterneköche
wie Jean-Claude Bourgueil, Gastwirte wie Gerd Käfer,
das Londoner Edelkaufhaus Harrods und, über seinen
Internetladen, auch Privatleute. 300 Gramm KobeFleisch (Mindestabnahmemenge) kosten 114 Euro.
Die Geschäfte laufen gut. Seine Firma, 30 Mitarbeiter, setzt gut und gerne 30 Millionen Euro um. In
den vergangenen sieben Jahren, erzählt er, seien die
Einnahmen in jedem Jahr um mindestens zehn Prozent gewachsen.
Albers bleibt vor einem Kartonberg mit japanischen Schriftzeichen stehen. 15 Jahre lang hat er versucht, an Kobe-Fleisch heranzukommen. Doch lange
wollten die Japaner ihr Kulturgut für sich behalten,
und als sie dann schließlich doch liefern wollten,
standen EU-Vorgaben im Weg. In Japan gehorcht die
Fleischwirtschaft anderen Regeln als in Europa.
Aber im Juli dieses Jahres waren die Barrieren
endlich beseitigt: Der Präfekt von Hyogo bat Albers
und einen Importeur aus Monaco nach Kobe. Vorher
waren Kobe-Vertreter nach Düsseldorf gereist, sie
sahen sich seinen Betrieb an, seine Geschäftszahlen
und die Vermarktungsstrategie: Denn die Japaner
wollen nur mit Siegertypen zusammenarbeiten.
Ärger kann sich die Kobe Beef Marketing & Distribution Promotion Association nicht erlauben.
Für die Lizenz musste Albers eine Gebühr von
umgerechnet 3.000 Euro bezahlen. Es gab eine kleine Zeremonie in einem Hotel in Kobe. Viele Ansprachen, Albers verstand kein Wort. Dann überreichte
man ihm eine Goldskulptur, ein Zertifikat und einen
Wimpel. Zwei Tage später war das erste Kobe-Fleisch
in Düsseldorf.
Zurück in Berlin, im Restaurant „Grill Royal“, das
auch eine Lizenz in Japan erwerben musste und sich
nun als erstes lizenziertes Kobe-Restaurant in Europa
bezeichnen darf. Eine Kühlspedition bringt das
Fleisch von Importeur Albers nach Berlin. Küchenchef Michael Böhnke (46) hat extra einen Teppanyaki-Grill angeschafft: Der liefert hohe Temperaturen.
Albers musste dafür bürgen, dass die Berliner ein
würdiges Kobe-Restaurant führen. Trotzdem haben
SEPTEMBER 2014
Strengste
Fleisch-Auslese
der Welt:
Echtes KobeFleisch stammt
von Tajima-Rindern aus der
Gegend um Kobe,
wo sie gemästet
und geschlachtet
werden. Nur
Fleisch mit
Bestnoten wird
zertifiziert.
sich die Wächter aus Kobe bereits für einen Besuch
im „Grill Royal“ angemeldet.
Böhnke, der Koch, holt eine Tafel hervor, die bei
der letzten Lieferung dabei war: Von welchem Hof
stammt das Fleisch, wer hat es verschickt. Auch ein
Foto des Bauern steckt dazwischen. Und dann ist da
der zehnstellige Code, mit dem sich der Ursprung
jedes Steaks bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen
lässt. Böhnke findet das „super“. Jedes Stück Fleisch
eine Geschichte.
I
In Böhnkes Reifeschrank lagern viele Geschichten,
und er verkauft auch viele davon: 1,8 Tonnen im Monat. Der Küchenchef kann kenntnisreich über Trends
der Fleischreifung referieren. Trockenreifung zum
Beispiel: Das Fleisch hängt in Reifeschränken ab,
Enzyme lösen die Muskelfasern auf und machen das
Steak zart und mürbe, ein leichter Schinkengeschmack
entsteht. Am weitesten verbreitet ist die Reifung in
der Vakuumverpackung. Es ist die kürzeste Reifung,
sie intensiviert den Geschmack, das Fleisch wird mürber. Auch Kobe-Fleisch wird vakuumverpackt.
Zeit für eine Verkostung. Griller Henry Zimmermann braucht zum Braten kein Öl, das Kobe-Fleisch
ist fett genug, er brät es scharf an – keine zwei Minuten – und schneidet es dann in Streifen. Etwas portugiesisches Meersalz dazu – fertig. Für eine Steaksauce wäre dieses Fleisch zu schade.
Also, wie schmeckt das teuerste Steak der Welt?
Das Fleisch ist von außen knusprig. Wer Festigkeit
und Steakhaftigkeit beim Kauen erwartet, wird überrascht: Das Innere ist sehr weich, fast cremig. Fleisch?
Es liegt auf der Zunge wie eine „Foie gras“, eine Gänsestopfleber. Sofort breitet sich das Fett im Mund aus
– und ein kräftiger Geschmack von Rind ... und Butter,
begleitet von einer ganz leisen Melodie von Röst-Aromen, die beim Anbraten entstanden sein müssen.
Es ist der Überraschungseffekt beim Kauen, der
Kobe-Fleisch zum Erlebnis macht. Und der Fett-Kick.
Als Hauptgericht sollte man deshalb aber nicht allzu
viel davon essen. Dafür bleibt der Geschmack noch
lange auf der Zunge. Nichts zum Sattwerden. Aber
ein Genuss.
VOLKER TER HASEBORG
85
PRIVAT
Max Hollein ist der
einflussreichste Museumsdirektor des Landes
und möglicherweise der
beste Manager Frankfurts:
Das Städel, die Schirn
Kunsthalle und das Liebieghaus
hat Hollein zu internationaler
Geltung geführt.
Heute: Warum die Kultur viel mehr engagiertere Bürger und Unternehmer braucht.
D
ie Zukunft der Kultureinrichtungen in Deutschland, die finanziellen Möglichkeiten zur Fortentwicklung unserer Museen sichert
nicht der Staat – der wesentliche
Faktor wird das gesellschaftliche
und bürgerliche Engagement
sein: das Mäzenatentum.
Neunzig Prozent der Kulturfinanzierung in
Deutschland entfallen derzeit noch auf Bund, Länder
und Kommunen – mit der Folge, dass dieses Land
zum einen eine besonders vielfältige und reichhaltige
Kulturlandschaft aufweist, um die uns viele andere
Länder beneiden, deren Erhalt zum anderen aber
auch eines fiskalischen Kraftaktes bedarf.
Insofern liegt das wirkliche Potenzial für die Weiterentwicklung von Kulturinstitutionen – und eine
solche hat immer mit einem zusätzlichen monetären
Spielraum zu tun – bei jedem einzelnen Bürger. Gesellschaftliches Engagement sollte, ja es muss in Zukunft ein selbstverständlicher Teil des persönlichen
Handelns werden.
Private Spenden und Förderungen durch gemeinnützige Stiftungen haben hierzulande zwar eine lange
Tradition, aber die Kultur des Mäzenatentums ist in
Deutschland immer noch wenig ausgeprägt: Die
Deutschen spenden im Durchschnitt 0,4 Prozent
ihres verfügbaren Einkommens für gemeinnützige
Zwecke, Briten und Schweizer hingegen das Drei- und
die Amerikaner gar das Fünffache. In Bezug auf eine
umfassende Spendenkultur sind wir noch ein
Entwicklungsland.
1
86
2
1 Museum
Frieder Burda
Vorbildliches,
weil ohne fremde
Hilfe errichtetes
Museum in
Baden-Baden.
Es feiert sein
zehnjähriges
Jubiläum.
2 Museum of
Modern Art
Fotosimulation
des geplanten
Skulpturengartens
in New York.
3 Whitney
Museum of
American Art
2015 zieht das
Museum um.
4 Städel
Museum
Die Bullaugen sind
aus bruchsicherem Glas, damit
man den neuen
unterirdischen
Erweiterungsbau
auch von oben
betrachten kann.
Selbst bereinigt um steuerliche Unterschiede zwischen den Staaten hinken wir hinterher – die Erbengeneration im wohlhabendsten und blühendsten
Land innerhalb der EU.
Insbesondere die angloamerikanische Kulturszene ist von einem starken Mäzenatentum geprägt.
Das „Do not ask what your country can do for you,
but what you can do for your country“ gilt auch für
die Gemeinnützigkeit, für Spenden – gerade für angesehene kulturelle Einrichtungen, die größtenteils
nicht vom Staat, sondern von den Philanthropen im
Bürgertum getragen werden.
Es gibt nur zwei Gründe, in den USA in einem
Gremium einer solchen Institution zu sitzen: „Either
you bring money or you give money“. Dabei wird
nicht gekleckert: 100 Millionen Dollar scheinen das
richtige Signal zu sein. Diesen Betrag will David Rockefeller dem Museum of Modern Art spenden wie
zuvor schon Stephen Schwarzman, Chef der Investmentfirma Blackstone, der New York Public Library.
Und es waren ebenfalls 100 Millionen Dollar, die
der Chemie- und Öl-Industrielle David H. Koch dem
Lincoln Center übergab und, etwas weniger, dem
Metropolitan Museum für die Umgestaltung seiner
Außenanlagen.
In all diesen Fällen wurden wesentliche Infrastrukturprojekte nicht nur gefördert, sondern vielmehr gefordert und angestoßen: Mäzene engagieren
sich, sie spenden hohe Summen, übernehmen Verantwortung – und mischen sich ein.
Aus diesem Engagement entspringt auch die große
Dynamik, die diese Institutionen an den Tag legen.
3
SEPTEMBER 2014
Fotos: picture alliance / dpa, Getty images, picture-alliance / Rainer Hacken, dexigner.com, Gaby Gerster
Wenn sich ein Wechsel
für dich auszahlt,
dann ist es
Während in Deutschland der Aufsichtsrat von Kulturinstitutionen in der Regel von Vertretern der zuständigen Ministerien
und Dezernate besetzt ist, deren Aufgabe darin besteht, die
Einhaltung des Jahresplans zu gewährleisten, ist das Board einer
US-Institution von Unternehmern und Managern geprägt, die
eine zukunftsorientierte Expansion verlangen.
Sie wenden ihr betriebswirtschaftliches Instrumentarium
der Betriebsprüfung, Analyse und strategischen Planung auch
auf die kulturellen Einrichtungen an. Nicht die Bewahrung und
Erhaltung des Status quo ist das Ziel, sondern die konkurrenzorientierte Ausweitung des Spielraums.
Es ist kein Zufall, dass zum Beispiel aktuell in New York
wieder einmal nahezu alle wesentlichen Kunstmuseen große
Expansionsprojekte verfolgen: Das Museum of Modern Art vergrößert sich nochmals vehement um 3.700 Quadratmeter, das
Whitney Museum eröffnet nächstes Jahr sogar ein neues Hauptgebäude, während das Metropolitan Museum dafür nach dem
Sommer das gesamte ehemalige Whitney-Gebäude übernehmen
wird. Die ehrwürdige Frick Collection präsentierte soeben einen
großen Ausbauplan, und das Guggenheim Museum sucht sein
Erweiterungsglück in Helsinki und Abu Dhabi.
Im Sinne einer modernen Bürgergesellschaft gilt es, diesen
Impetus des mäzenatischen Handelns auch hier in Deutschland
zu stärken und professionell zu kanalisieren.
Ob Forschung, Gesundheitswesen, Bildung oder Kultur: In
all diesen Bereichen wird in Zukunft das Engagement Einzelner
den Ausschlag geben, ob man an der Spitze mitspielt oder nicht.
Vielerorts in Deutschland leben Bürger diesen Anspruch bereits
vor – ob es nun die engagierte Frankfurter Bürgerschaft und ihr
Einstehen für das Städel Museum ist oder auch das gänzlich
privat ermöglichte Museum Frieder Burda, das soeben sein
zehnjähriges Bestehen feiert. Wir alle brauchen mehr davon. 1
4
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SEPTEMBER 2014
PRIVAT
Fred Baader war in den 90er-Jahren
und auch später noch mit seiner Agentur
Baader Lang Behnken einer der Großen
in der deutschen Werbewirtschaft.
Jüngst veröffentlichte der Hamburger
Genussmensch sein erstes Kochbuch.
1
LA SOUPE POPULAIRE
Nun ist es nicht so, dass man das noch nie gesehen
hätte: Edelverrottete Wände, Stahltüren, Sperrmüllbohème. Den „Geschmack von Rost und Knochen“
kann man, vom New Yorker Lagerhausviertel Tribeca bis
Hamburg-Altona, schon reichlich besichtigen. Dennoch,
die Industrie-Ruine der ehemaligen Bötzow-Brauerei als
Gehäuse für ein Tim-Raue-Restaurant (sein drittes, mein
liebstes) ist grandios. Und die Küche sowieso. Weil sie
genau das bietet, was die Menschen so lieben: einfache
Gerichte mit besten Produkten, unkapriziös zubereitet.
Da gibt es Kabeljau mit Schmorgurke oder Boeuf Bourguignon mit Kartoffelstampf. Für zwei Personen zahlte
ich 115 Euro (für drei Gänge). Nix zu meckern also. Selbst
die Kunstwerke im angegliederten Atelierhaus wirkten
nicht weiter störend.
La Soupe Populaire, Prenzlauer Allee 242, 10405 Berlin,
Tel. (030) 44 31 96 80, www.lasoupepopulaire.de.
Geöffnet: Donnerstag bis Sonnabend, 12.00 bis 24.00 Uhr
2
100
PARKERPUNKTE
Manchmal
ist ein Preis
nicht nur ein
Preis. Sondern
auch Kommunikation. Er kann
zum Beispiel
über einen Wein mehr aussagen als die wortgewaltige
Annonce des Sommeliers. 100 Euro schmeckt besser
als 50. So einfach ist das. Ähnlich einfach, aber dann
doch nicht ganz so parvenühaft, ist das Punktesystem
des Amerikaners Robert Parker. Damit hat er die Welt
der Weine vermessen, und alle folgen ihm: 100 Punkte
sind Maximum, 50 Punkte Gift. Kürzlich trank ich mit
Freunden den ersten 100-Punkte-Wein meines Lebens.
Einen 2000er Château Margaux. Was soll ich sagen?
Soll ich ausflippen wie Mr. Parker: „Im Mund ragt der
Wein wie ein Wolkenkratzer auf…“? Tatsächlich denke
ich, jeder sollte einmal im Leben einen solchen Wein
getrunken haben.
Der 2000er Château Margaux.
Heute 930 Euro, vor 13 Jahren die Hälfte.
Tel. (02 21) 139 72 80, www.koelner-weinkeller.de
3
TÖLZER KASLADEN
Mittlerweile gibt es in jeder größeren deutschen Stadt ein
Käsefachgeschäft. Dieses ist das beste. Im Angebot finden
sich 200 überwiegend französische Käsesorten. Darunter
Klassiker wie Comté, Fougerus, Roquefort. Aber eben auch Seltenheiten wie der Herve aus Belgien. Alle Käse sind perfekt gepflegt
und auf den Punkt gereift. Man muss nicht Stammkunde sein, um
die besten Stücke zu ergattern. Der Kasladen hat nur beste Stücke.
Es gibt vier Filialen in Bayern, aber die eigentliche Attraktion ist der
Versandservice. Problemlos wie beim Otto-Versand wird von heute
auf morgen auch in den entlegensten Winkel verschickt.
Tölzer Kasladen, Marktstraße 31, 83646 Bad Tölz,
Tel. (0 80 41) 793 84 47, www.toelzer-kasladen.de
88
SEPTEMBER 2014
GESCHICHTE
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4
ROASTBEEF MIT KRÄUTERN
Die ganze Familie, ein großes Stück Fleisch, ein langer
Tisch – das sind Sternstunden der menschlichen Zivilisation. Nichts ist kommunikativer, integrativer, herzerfrischender als gemeinsames Essen und Trinken. So viel
zur Metaebene. Rein praktisch bietet ein großer Roastbeefstrang die Möglichkeit, zwölf Personen unfallfrei, sprich:
gleichzeitig, mit heißem
Essen zu versorgen.
Foto: Johannes King, Tölzer Kasladen, Fred Baader, La Soupe Populaire, Heiner Bayer
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5
KINGS KIOSK
Es ist kein Restaurant. Nicht mal ein Bistro. Schon
eher die kleine Bude, die man Kiosk nennt. Johannes
King lässt dort Miniatur-Gerichte servieren, die aber
aus dem gleichen Sternematerial sind wie die große Fressoper
in seinem Restaurant. Es gibt Lachstatar, Zwillings-Burger
aus Wagyu-Beef, Gemüsesalat mit Erbsencreme. Drei Gänge
braucht man, um satt zu werden, und zahlt dafür inklusive
Wein im Schnitt 50 Euro. Für das, was der Kiosk sonst noch
sein soll, nämlich Shop für feine Alimentari und LuxusCaterer, habe ich leider keine Verwendung.
Vier Tische und ein Garten: Kings Genuss-Shop,
Gurtstieg 2, 25980 Keitum/Sylt,
Tel. (0 46 51) 967 77 90, www.johannesking.de
SEPTEMBER 2014
Ein Produkt von
In Zusammenarbeit mit
BILANZ-GEWINNER
Lars macht mobil
Lars Windhorst scheut bei seinen
Empfehlungen auch vor Binsenweisheiten
nicht zurück.
90
Neue Geschäfte
in London
Windhorst lebt seit
ein paar Jahren in
London, das sei
„alternativlos“ für
sein Geschäft. In
seinem Beirat finden sich bekannte
Namen: der ehemalige ContinentalChef Hubertus von
Grünberg, Staranwalt Georg Thoma,
Air Berlin-Gründer
Joachim Hunold,
daneben Martin
Richenhagen, deutscher Chef des
US-Agrarkonzerns
Agco, und Berater
Roland Berger. Die
Geschäfte drehen
sich heuer um
Landwirtschaft,
Rinderzucht, Kohle,
Rechnerspiele,
elektronische Fußfesseln. Die Luxemburger Immobilienfirma Grand City
Properties bezuschusst Windhorst
2013 mit Kapitalerhöhungen von über
211 Millionen Euro;
zudem fördert er
seit August die Berliner Fotogalerie
C/O. „Wir investieren in Unternehmen, die wir für zukunftsfähig halten“,
sagt er. Das gegenteil hätte auch verwundert. Seine eigene Zukunft gestaltet er mit
Motorjacht und Privatjet natürlich
standesgemäß.
Zweite Pleite 2009
Die Nord LB verklagt Sapinda auf
150 Millionen Euro
Schadensersatz:
Windhorst hatte
bei der Bank Aktienpakete geordert, sie dann aber
nicht abgenommen.
Er meldet für Vatas
Insolvenz an, das
Landgericht Berlin
verurteilt ihn. Er
zahlt eine Million
Euro Schadensersatz. Im September
heiratet Windhorst
seine russische
Freundin Tatjana
(Foto o.). Ulrich
Marseille ist auf der
Hochzeit zu Gast.
2014
Lars Windhorst (r.)
und Anwalt Robert
Unger im LG Berlin
2006
Lars Windhorst (l.)
mit dem Geldanleger
Rob Hersov
2004
Asien-Reise mit
Helmut Kohl
Windhorst ist 18,
und das Kanzleramt
ist am Apparat:
Helmut Kohl reise
nach Asien. Ob
Windhorst mitkommen wolle. Der
Kanzler reserviert
ein Grundstück in
Ho-Chi-Minh-Stadt
für den Windhorst-Tower, 55
Etagen. Windhorst
hat endlich auch
eine Wohnung in
Hongkong: „Aber
ich wusste nicht mit
der Öffentlichkeit
umzugehen.“
1995
1976
Geboren am
22. November in
Rahden
„Ich wusste von
Kindheit an, dass ich
Unternehmer werden
wollte.“ Mit 14 Jahren
gründet er die Firma
Windhorst Electronics, importiert
später PC-Teile aus
Hongkong und China.
Mit 16 überzeugt
er seine Eltern und
die Schulleiterin am
Gymnasium Espelkamp (Foto), dass es
besser sei, die Schule
jetzt abzubrechen:
„Die beste Entscheidung meines Lebens.“
Ein Jahr später macht
er 80 Millionen Mark
Umsatz.
Aufstieg mit
Vatas
Windhorst entwickelt sein Talent,
Menschen zu bezirzen (auch jene, die
seinetwegen Geld
verloren haben): Er
lädt ein zum Dinner,
man nippt Champagner, redet und
redet und redet
und redet. Gegner
werden wieder zu
Vertrauten. Vatas,
eine Tochtergesellschaft von Sapinda,
kauft sich bei Air
Berlin ein, er selbst
bei Freenet. Als der
Halbleiterproduzent Infineon einmal schnell-schnell
200 Millionen Euro
braucht, besorgt
Windhorst das Geld
binnen eines Tages.
Erste Pleite 2004
Weil sie seit Jahren
überschuldet sind,
muss Windhorst für
drei seiner Firmen
Insolvenzanträge
stellen, es folgt
der Privatbankrott:
81 Millionen Euro
Forderungen. Klinikbetreiber Ulrich
Marseille, der ihm
zehn Millionen
geliehen hatte,
soll Windhorst in
dessen Büro an den
Kragen gegangen
sein. Windhorst
kann kein Konto
mehr eröffnen und
kein Telefon kaufen.
Trotzdem gründet
er noch im selben
Jahr mit dem süd
afrikanischen Investor Rob Hersov die
Investmentfirma
Sapinda.
2009
Glaube an deine Idee.
Widme dich ihr voll
und ganz, sei fleißig und
diszipliniert. Und vor
allem: Gib nicht nach den
ersten Niederlagen auf!“
Flugzeugabsturz
in Kasachstan
In der Weihnachtszeit anno
Tobak 2007 ist Windhorst auf
dem Weg nach Hongkong. Kurz
nach einem Tankstopp in Almaty
stürzt die Maschine ab.
Im städtischen Krankenhaus (Foto) wird Windhorst operiert, sein Ohr angenäht und ihm natürlich Ruhe verordnet.
Er denkt: „Scheiße, ich habe Termine!“ Keine vier Wochen
später sitzt er wieder im Büro.
SEPTEMBER 2014
Fotos: Söderblom-Gymnasium, Air Berlin, REUTERS, ullstein bild – dpa, picture alliance / dpa, picture alliance / BREUEL-BILD, Claudia Janke / Agentur Focus
Lars Windhorst, der Ostwestfale, versteht vom Auf und Ab des Lebens
jede Menge. Nach zwei Pleiten operiert er nun beherzt von London aus.
Farbkreis
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