Immobilien - PATRIZIA Immobilien AG

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Immobilien - PATRIZIA Immobilien AG
PATRIZIA
Immobilien
k Die PATRIZIA Immobilien AG ist seit über 30
PATRIZIA Immobilien AG
PATRIZIA Bürohaus
Fuggerstraße 26
86150 Augsburg
Telefon +49 821 50910 - 000
Telefax +49 821 50910 - 999
[email protected]
www.patrizia.ag
Jahren mit mehr als 800 Mitarbeitern in mehr als
zehn Ländern als Investor und Dienstleister auf dem
Immobilienmarkt tätig. Das Spektrum der PATRIZIA
umfasst dabei den Ankauf, das Management, die
Wertsteigerung und den Verkauf von Wohn- und
Gewerbeimmobilien über eigene lizensierte Investmentplattformen. Als anerkannter Geschäftspartner
agiert das Unternehmen gleichermaßen für große
institutionelle Investoren wie auch für Privatanleger
national und international und deckt die gesamte
Wertschöpfungskette rund um die Immobilie ab.
Derzeit betreut das Unternehmen ein Immobilienvermögen von rund 17 Mrd. Euro, größtenteils als
Co-Investor und Portfoliomanager für Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen, Staatsfonds,
Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Weitere
Informationen finden Sie unter www.patrizia.ag.
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Inhalt
Reif für
die Insel
Was haben Leonardo DiCaprio und
Dieter Hallervorden gemeinsam? Beide
sind stolze Besitzer eines Eilands. Und
sie sind nicht allein. Was am Inselkauf
so fasziniert – Markus Deselaers geht
einem Phänomen auf den Grund.
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Eisen & Granit
Zimmer frei!
Wenn sich Metall und Stein bei Josep
Maria Sirvent in inniger Umarmung
begegnen, ergänzen sie sich gegenseitig
in Harmonie und Eleganz zu etwas Einzigartigem. Eine Werkschau.
Lange Zeit verwehrten ihnen Anleger einen
Platz in den Investmentkreisen. Aber das
war einmal, denn: Egal, wie viele Sterne
sie haben – am Investmenthimmel
haben sich Hotelimmobilien inzwischen
zum regelrechten Star gemausert.
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Mehr als nur Gebäude
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Dach über dem Kopf, Arbeitsplatz, historischer Zeitzeuge, Renditeobjekt, architektonische Schönheit oder gar Politikum. All das und
noch vieles mehr ist die Immobilie. Christian Hunziker wagt einen
Deutungsversuch.
Aus der Not...12
... kann durch innovative Konzepte durchaus auch eine Tugend
werden. Oder wie im Fall des niederländischen Einzelhandelsmarktes
eine Chance für neue Geschäftsmodelle. Autor Paul Wessels bleibt
optimistisch.
Flucht nach vorne
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Der anhaltende Strom Vertriebener in Deutschland stellt die Immobilienwirtschaft vor eine ihrer größten Herausforderungen. Und diese
nimmt sie an. Miriam Beul-Ramacher über eine Branche, die ein Stück
zusammengerückt ist.
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Von Risiko bis Renditeturbo
Welche Motivation steckt hinter dem Wunsch, in Immobilien zu investieren? Dieser Frage sowie den unterschiedlichen Möglichkeiten, dies
zu tun, geht Markus Gotzi nach.
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Vom Eigentümer zum Mieter...
... und damit genau den umgekehrten Weg vieler europäischer Nachbarländer versuchen seit geraumer Zeit die Engländer einzuschlagen.
David Hatcher über die Chancen, das „Einig Owner“-Land doch noch
zur Mieteroase zu machen.
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Gemeinsam Zukunft bauen
Alexander Busl und Constanze Egger von der KinderHaus-Stiftung
sprechen im Interview über Potenziale, Pläne, Prozesse und warum
Stiftungsarbeit auch immer eine Herzensangelegenheit ist.
IMPRESSUM
Herausgeber: PATRIZIA Immobilien AG | PATRIZIA Bürohaus | Fuggerstraße 26 | 86150
Augsburg | Phone +49 821 50910-000 | Fax +49 821 50910-999 | [email protected] | www.patrizia.ag V.i.S.d.P.: Andreas Menke (Group Head of Corporate Communications)
Verlag: vmm wirtschaftsverlag gmbh & co. kg | Augsburg | www.vmm-wirtschaftsverlag.de
Autoren dieser Ausgabe: Simone Wipplinger (Chefredaktion), Miriam Beul-Ramacher, Markus
Deselaers, Markus Gotzi, David Hatcher, Christian Hunziker, Susanne Stauß, Paul Wessels
Bildquellen: Jutta Schär | akg-images: Rainer Hackenberg, ClassicStock/H. ARMSTRONG
ROBERTS | Rainer Viertlböck | photocase.de: Joerg Schmalenberger | thinkstock: iStock/
chalabala/ryooota/LCalek | picture alliance: empics, dpa, Jochen Eckel , Neil Emmerson/
robertharding | Fotolia: © Dario Lo Presti | Josep Maria Sirvent | PATRIZIA Immobilien AG
Grafik: Anne Gierlich, Nedim Hadzovic Lektorat: Martina Walz Druckerei: AZ Druck und
Datentechnik, Kempten Disclaimer: Dieses Magazin stellt keine Anregung oder Aufforderung
zum Kauf, Verkauf oder sonstigem Handel von Wertpapieren der PATRIZIA Immobilien AG
dar. Die zur Verfügung gestellten Informationen und Daten bieten dem Leser einen Überblick
über das Unternehmen zu Informationszwecken. Dieses Magazin enthält keine Informationen,
aufgrund derer wertpapierrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden können.
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kEDITORIAL
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Die Unbewegliche…
… so wird die Immobilie gerne genannt. Attribute
wie starr und statisch werden ihr nachgesagt, ein
unverrückbarer Sachwert ist sie, ein immobiles Wirtschaftsgut. Das alles trifft tatsächlich ja auch zu,
vor allem wenn man streng nach dem Wortsinn des
Begriffs „Immobilie“ geht. Dennoch: Für mich, als jemand, der sich der Immobilie seit über drei Jahrzehnten mit Haut und Haaren verschrieben hat, greifen all
diese Auslegungen und Deutungen viel zu kurz! Denn
in Wirklichkeit kenne ich selbst kaum etwas, das uns
alle so bewegt wie diese vermeintlich Unbewegliche:
Sie ist das Zuhause, in dem wir leben, der Ort, an dem
Karriere stattfindet, der Raum, in dem Angebot und
Nachfrage sich begegnen, und das Feriendomizil, das
Träume wahr werden lässt. Sie ist der architektonische Zeitzeuge, der Jahrhunderte der Menschheitsgeschichte auf nur einen Blick anschaulich macht,
der der Sonne, dem Wind und dem Regen getrotzt
und Zeitgeist(er) kommen und gehen gesehen hat.
Die Immobilie steht für Trauer und Verlust, wenn man
durch Krieg und Vertreibung den Schutz des eigenen
Heims verloren hat. Und sie symbolisiert gleichzeitig
die Hoffnung all derer, die sich auf den Weg gemacht
haben, ein neues Zuhause zu finden, in dem sie ohne
Angst sein können. Natürlich ist die Immobilie auch
Renditeobjekt, Rentenaufbesserer, Geldvermehrer
und Investmentstrategie. Moralisch steht sie selbst
dabei gänzlich über den Dingen, ist erhaben, manchmal erstaunt, aber stets duldsam angesichts der Tatsache, wie viel Raum für Spekulation und Kontroverse
sie doch bietet.
Ich selbst habe die Immobilie immer vor allem als
Lebenswelt verstanden, mal im engeren und mal
im weiteren Sinne, egal, ob privater Raum oder geschäftliche Nutzfläche. Ihr Fixpunkt ist dabei stets der
Mensch. Genau das ist es übrigens, was die Arbeit
mit Immobilien so spannend für mich, für uns alle bei
PATRIZIA macht. Denn diese vermeintlich Unbewegliche fordert und bewegt uns alle zutiefst. Jeden Tag
aufs Neue.
Bewegten Lesespaß rund um die Immobilie wünscht
Ihnen jetzt
Ihr
Wolfgang Egger
Vorstandsvorsitzender
PATRIZIA Immobilien AG
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Wirtschaftsgut
mit Wohlfühlfaktor
Wie man mit Immobilien Geld verdienen kann,
bewegt viele Menschen. Doch die Immobilie ist
mehr als ein beliebiges Sachgut. In Immobilien wird gewohnt, gearbeitet, geliebt und gestritten. Immobilien spiegeln gesellschaftliche
Entwicklungen, prägen unsere Städte, befeuern architektonische Diskussionen und führen
zu politischen Kontroversen. Ein Blick auf ein
unbewegliches Gut, das die Menschen in unterschiedlichster Weise bewegt.
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E
in Frühlingstag in einem Dorf in der Mecklenburgischen Seenplatte.
Der Hausherr führt seine Gäste durch das im späten 17. Jahrhundert
errichtete Herrenhaus, in dem seit einigen Jahren ein Hotel untergebracht ist. Von den komplizierten verwandtschaftlichen Beziehungen der
ursprünglichen Eigentümerfamilie erzählt der stolze Besitzer, vom verwahrlosten Zustand des Gebäudes in den Neunzigerjahren, von
den Herausforderungen bei der Sanierung und davon, wie
lange es gedauert hat, bis das Hotel profitabel war. Deutlich
wird dabei: Für den Hotelier in Mecklenburg-Vorpommern
ist das historische Herrenhaus zum Lebensinhalt geworden.
Szenenwechsel. Wir schreiben das Jahr 2006. Der deutsche Immobilienmarkt ist ins Blickfeld internationaler
Investoren geraten. Es ist die Zeit, in der die ExcelAkrobaten das Sagen haben – smarte Investmentspezialisten, die virtuos mit Zahlen umgehen, aber
wenig Ahnung von Immobilien haben. Eine Besichtigung der Wohnanlagen, die sie kaufen, halten sie für
überflüssig; schließlich locken traumhafte Renditen auf
das Eigenkapital, wenn man denn den Leverage-Effekt zu nutzen weiß.
Instandhaltungskosten? Unwichtig. Deutsches Mietrecht? „What the hell
is a Mieterhöhungsklausel?“, soll ein Investor damals indigniert gefragt
haben.
„NICHT NUR UMMAUERTER MIET-ERTRAG“
Für diese Investoren, von denen sich nach dem Ende des Booms mancher eine blutige Nase holte, stellte die Immobilie schlicht und einfach
ein Wirtschaftsgut dar, ähnlich wie Zahnpasta, Konservendosen oder
Schrauben. Ganz anders die Sicht des Hoteliers in Mecklenburg-Vorpommern: Für ihn ist die Immobilie zwar ebenfalls ein Anlageobjekt, darüber
hinaus aber auch ein emotionaler Wert. Damit trifft der Eigentümer den
Kern der Immobilie besser als die Excel-Akrobaten. Denn die Immobilie ist mehr als steingewordenes Investmentziel. Sie ist der Ort, an dem
sich Menschen zu Hause fühlen und ihrer Arbeit nachgehen; sie prägt
unsere Städte und entfacht ästhetische Debatten; sie ist politischer
Zankapfel und Gegenstand wirtschaftstheoretischer Grundsatzdebatten. „Häuser“, formulieren es der Immobilienökonom Tobias Just
und der Fondsmanager Steffen Uttich in ihrem Buch „Es sind
nicht nur Gebäude“, „können eben auch ein Zuhause sein
– und nicht nur ummauerter Mietertrag“.
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Derzeit allerdings steht in der öffentlichen Wahrnehmung der ummauerte
Mietertrag im Vordergrund. „Reich werden mit Immobilien“ oder „Erfolgreich
mit Immobilieninvestments“: Eine schwer zu überblickende Vielzahl an Publikationen mit diesen und ähnlichen Titeln gibt Privatleuten Tipps, wie sich mit
Immobilien ein Vermögen aufbauen lässt. Dabei erwecken diese Bücher gelegentlich den irrigen Eindruck, bei einer Investition in
Immobilien könne nichts schiefgehen. Pfiffige Vertriebsleute,
die Pflegeapartments und Studentenwohnungen einzeln an
Kapitalanleger verkaufen, haben den Begriff der „Rundumsorglos-Immobilie“ erfunden – und verschweigen dabei, dass
eine Immobilie immer der sorgsamen Betreuung (sei es durch
den Eigentümer selbst oder durch Dienstleister) bedarf, um
eine ordentliche Rendite zu liefern.
WIE GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN DIE IMMOBILIE BEWEGEN
Eine wesentliche Herausforderung beim Umgang
mit Immobilien besteht darin, dass die Immobilie
selbst zwar immobil ist und ihren Standort nicht verändern
kann, sich aber in einem stetig wandelnden Umfeld befindet. Gesellschaftliche Veränderungen wirken sich immer auf Immobilien aus. So berichtet
ein führender Projektentwickler, dass sein Unternehmen den Eingangsbereich von Bürogebäuden heute ganz anders plane als noch vor
wenigen Jahren: nicht mehr großzügig repräsentativ, sondern mit
Gemeinschaftsflächen, die zur Kommunikation einladen. Seit Zukunftsforscher den Trend zum Teilen (die sogenannte Shareconomy)
ausgerufen haben, experimentieren Bauträger auch in Wohngebäuden
mit gemeinsamen Aufenthaltsräumen und Großküchen. Und welche Folgen der boomende Onlinehandel hat, lässt sich bei Einzelhandelsimmobilien besichtigen.
Am deutlichsten wird das Spannungsfeld zwischen der Unverrückbarkeit der Immobilie an sich und der Dynamik der gesellschaftlichen Veränderungen bei Wohnimmobilien. Es ist noch nicht lange her, da erklärte ein Vertreter der Berliner Wohnungswirtschaft, Einzimmerwohnungen
seien quasi unvermietbar, da selbst Menschen mit kleinem Budget mindestens zwei Zimmer wollten. Heute, auf einem deutlich enger gewordenen Wohnungsmarkt, gelten in Großstädten 20 Quadratmeter kleine Mikroapartments als letzter Schrei und
ultimativer Renditekick. Ein anderes Beispiel: In den Jahren
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nach der Jahrtausendwende brachen Städte wie Leipzig und Dresden mit
staatlichen Fördermitteln Tausende von Wohnungen ab. Viele davon würden
heute wieder dringend benötigt, zumal der Zustrom von Hunderttausenden
schutzsuchender Menschen gerade sämtliche Bevölkerungsprognosen über
den Haufen wirft.
„Wir müssen auf Sicht fahren“, sagt deshalb die Vorstandschefin eines großen städtischen Wohnungsunternehmens, wenn man sie fragt, wie man vor
dem Hintergrund der sich wandelnden Anforderungen Neubauten planen
soll. Vielleicht hilft aber auch ein Blick in die Vergangenheit. Zu den beliebtesten Immobilien zählen die gut hundert Jahre alten Wohnungen aus der
Gründerzeit, deren Grundrisse sich als ausgesprochen flexibel erwiesen
haben. In ihnen leben heute Familien und kreative Freiberufler, sie dienen
als Arztpraxen und Anwaltskanzleien, und die Läden im Erdgeschoss beherbergen manchmal Galerien und sogar Kindertagesstätten.
ZANKAPFEL DER POLITIK
Paradoxerweise waren es genau diese Wohnungen, die im frühen 20. Jahrhundert als menschenfeindliche Mietskasernen geschmäht wurden. „Man
kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt“,
sagte der Zeichner und Schriftsteller Heinrich Zille mit Blick auf heillos überbelegte Hinterhofwohnungen, in die kaum ein Sonnenstrahl fiel und in denen
sich Schlafgänger im Schichtbetrieb ein Bett teilten. Immobilien, Wohnimmobilien zumal, sind eben immer auch ein soziales Gut. Sie bilden die Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben.
Aus diesem Grund beschäftigt sich auch die Politik mit Immobilien. „Angesichts von Knappheiten auf immer mehr regionalen Wohnungsmärkten
kommt der sozialen Sicherung angemessenen Wohnens eine besonders
wichtige Rolle zu“, hält die Bundesregierung in ihrem jüngsten Wohngeldund Mietenbericht fest. In Deutschland sind nur wenige Wirtschaftsbereiche
so stark reguliert wie der (Wohn-)Immobilienmarkt. Über die Angemessenheit der einzelnen Maßnahmen wie Mietpreisbremse und Kündigungsschutz
mag man streiten; den Wohnungsmarkt aber komplett den freien Kräften
des Marktes zu überlassen, können sich nur Immobilieninvestoren wünschen, für die soziale Verantwortung ein Fremdwort ist.
„Bezahlbarer Wohnraum“ lautet die zentrale Forderung in der politischen
Debatte. Immer öfter geht sie mit dem Vorschlag einher, aus Kostengründen
energetische und ästhetische Standards zu senken. Doch ist das sinnvoll?
Immobilien bleiben für Jahrzehnte oder Jahrhunderte stehen und prägen
unsere Umwelt in dieser Zeit entscheidend. So ist es nur logisch, dass sich
nicht nur Wirtschaftsexperten für Immobilien interessieren, sondern auch
Kulturenthusiasten, wie immer wieder aufflammende Architektur- und Stadtplanungsdebatten – etwa über den Wiederaufbau der Altstadt von Frankfurt
am Main oder die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses – zeigen.
Dass diese Debatten bei öffentlichen Gebäuden besonders intensiv geführt
werden, ist kein Zufall. Immobilien sind eben nicht nur trautes Heim, sondern
auch öffentlicher Treffpunkt. In Bahnhöfen und Einkaufszentren, in Theatern
und Schwimmhallen, in Hotels und Restaurants treffen ganz unterschiedliche Menschen aufeinander. Diese Immobilien sind Bühnen des Miteinanders, gesellschaftliche Kristallisationspunkte, urbane Orte im besten Sinn.
Selbst den Auswirkungen der Digitalisierung trotzt diese soziale Funktion:
Jugendliche können sich zwar ein Leben ohne Smartphone nicht vorstellen,
treffen sich aber trotzdem im Shoppingcenter, obwohl sie fast alles, was es
dort zu kaufen gibt, im Internet bestellen können. Und obgleich man sich
Tausende von Filmen per Streaming am heimischen Computer anschauen
kann, strömen die Menschen weiter in die Kinos.
Ja, die Immobilie ist ein Wirtschaftsgut. Aber ohne Immobilien gibt es keine
Kommunikation, keine Kreativität, keine Geborgenheit, keine Gemeinschaft.
Wer sein Geld in Immobilien investiert, tut gut daran, diese immateriellen
Seiten der Immobilie im Auge zu behalten.
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Christian Hunziker
kCHRISTIAN HUNZIKER
Christian Hunziker ist auch nach fast zwanzig Jahren als freier Immobilienjournalist noch immer fasziniert von der Vielfalt der Themen, die
mit Immobilien verbunden sind. Dabei hat er ein ambivalentes Verhältnis zum Gegenstand seiner Berichterstattung. Wenn er ein Einkaufszentrum besucht, hat er spätestens nach zehn Minuten Kopfschmerzen und Fluchtgedanken. Dafür begeistern den studierten Historiker
und Germanisten romanische Dorfkirchen, stilvolle Gründerzeithäuser
und spannende Neubauten. Hunzikers journalistisches Thema ist die
Immobilienwirtschaft in ihrer ganzen Bandbreite – von der Preisentwicklung von Wohnimmobilien in seiner Wahlheimat Berlin bis hin zum
asiatischen Büroimmobilienmarkt. Lesen kann man die Ergebnisse seiner Recherchen u.a.
im Handelsblatt, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in diversen Fachzeitschriften.
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Eine Branche
professionalisiert
sich
Das Gasthaus zum Spessart,
ein Highway-Motel, eine Luxusherberge: Hotels, Begegnungsstätten von Menschen unterschiedlichster
Kulturen und individueller Schicksale,
üben seit jeher eine Faszination auf Autoren und Filmemacher aus – auf Investoren
hingegen eher weniger. Aus mangelndem
Vertrauen in die Pächter und lückenhafter
eigener Expertise galten Hotelimmobilien in
Investmentkreisen lange Zeit als schwarze
Schafe. Doch das war einmal.
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nsbesondere der deutsche Hotelinvestmentmarkt erlebt gerade eine
Blütezeit. In 2015 lag sein bislang hochgerechneter Rekordumsatz bei
rund 4,4 Milliarden Euro. Hotelexperten gehen von weiteren Zuwächsen
aus und Investoren unterschiedlichster Couleur verlieren zunehmend ihre
Furcht vor dem Exoten Hotelimmobilie. Die Hotellerie selbst präsentiert dabei inzwischen eine Vielzahl attraktiver Konzepte: vom seit der letzten Wirtschaftskrise gehypten Budgethotel über junge und legere Designmodelle,
klassische Businesshäuser im 3- bis 4-Sterne-Segment oder neue Formen
der Ferienhotellerie bis hin zu luxuriösen neuen Objekten oder außergewöhnlichen Konversionen restaurierter Botschaften oder herrschaftlicher
Stadtvillen. Der Wandel im gesellschaftlichen Leben und die gewachsene
Erwartung an die Flexibilität von Arbeitnehmern brachte zudem in den vergangenen Jahren Dynamik in eine hierzulande lange in einer Nische eingekuschelte Hotelspezies: die Longstay-Konzepte.
„Die Nachfrage nach Hotelimmobilien ist auf einem Niveau, das es vorher
so noch nicht gegeben hat“, erklärte Olivia Kaussen, Head of Hotels Germany & CEE bei CBRE, im November 2015. „Das betrifft nationale und in-
PATRIZIA & HOTELS
PATRIZIA verwaltet im Hotelbereich mittlerweile ein Immobilienvermögen
von rund 400 Mio. Euro. Die meisten der aktuell 20 Hotelimmobilien entfallen auf den Spezialfonds „PATRIZIA Hotel-Invest Deutschland I“. Andere Häuser gehören zu den Spezialfonds „PATRIZIA Gewerbe-Immobilien
Deutschland I“, „PATRIZIA Europa Plus Invest RABW“, „LB-VA Immoinvest“
oder wurden von der PATRIZIA GrundInvest für einen Privatanlegerfonds
angekauft. Der PATRIZIA Hotel-Invest Deutschland I ist ein Immobilienspezialfonds, der in qualitativ hochwertige Hotelimmobilien im 2- bis
4-Sterne-Bereich in Deutschland investiert. Ziel ist der Aufbau eines langfristigen, ertrags- und wertbeständigen Portfolios, um einen stabilen Cashflow und nachhaltige Renditen für die Investoren zu erzielen. Der Investitionsfokus liegt auf Hotelimmobilien, deren wirtschaftliches Alter nicht
über 15 Jahren liegt und die je nach Sternekategorie über 80 bis 200
Zimmer verfügen. Die Auswahl erfolgt nach anerkannten Hotel-Ratingverfahren und qualifizierter Bonitätsprüfung. Es wird eine breite geografische Streuung in guten Lagen von Großstädten bzw. Ballungsräumen
mit Wachstumsperspektive angestrebt.
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ternationale Investoren und Portfolios genauso wie einzelne Objekte.“ Zu
den größten Deals des dritten Quartals 2015 in Deutschland zählten zwei
Einzeltransaktionen im Segment vier bis fünf Sterne: Der Verkauf des Sofitel Munich Bayerpost mit 396 Zimmern und Suiten für geschätzte 180 Millionen Euro sowie der Eigentümerwechsel beim andel’s Hotel Berlin mit 557
Zimmern für insgesamt 105 Millionen Euro. Gehandelt wurden in diesem
Zeitraum zudem zahlreiche Häuser im 2- bis 3-Sterne-Bereich wie beispielsweise das erst 2017 eröffnende Hampton by Hilton am Berliner Alexanderplatz, das Ibis-Hotel Hamburg Airport oder verschiedene B&B-Hotels.
Als eine der einflussreichsten Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte
auf die gesamte Branche bezeichnet Prof. Stephan A. Gerhard von der Treugast Solution Group aus München ihre inzwischen starke Industrialisierung.
„Früher genügten schöne Zimmer und das ‚Betüddeln‘ der Gäste, heute ist
die Hotellerie zum Immobilienbusiness geworden“, sagt er. „Hotels sind ein
Handelsgut, bei dessen Handel in der Regel höhere Renditen entstehen als
im Betrieb.“ Vorteile von Hotelimmobilien liegen auf der Hand: In bester
Lage gibt es hier – im Gegensatz zu Büroimmobilien – keine Leerstände,
langfristig vermietete Hotels bieten Renditen von bis zu sechs Prozent. Und
ein Betreiberwechsel ist in den meisten Fällen kein Problem mehr, weil sich
die Standards der großen Ketten sehr ähneln.
„Früher noch als riskante Betreiberimmobilie verrufen, sind Hotels heute
insbesondere aufgrund der langfristigen Miet-, Pacht- und Hybridverträge
für viele Investoren attraktiv“, bestätigt auch Matthias Niemeyer, Vorsitzender der Plattform Hotelimmobilien des ZIA Zentraler Immobilien Ausschusses e.V. Der Ende 2015 gemeinsam von ZIA und Deloitte veröffentlichte
Hotel-Investment-Survey 2015 unterstreicht diesen Wandel glasklar: 70
Prozent aller darin befragten Investoren gehen 2016 wieder von einer überdurchschnittlichen Nachfrage nach Hotelimmobilien in Deutschland aus.
Damit sind Hotels das zweitbeliebteste Immobiliensegment nach Wohnimmobilien (78 Prozent). Businesshotels bleiben der am stärksten nachgefragte Beherbergungstyp. Über 90 Prozent geben an, bereits in dieses Segment
investiert zu haben, 69 Prozent wollen dies auch in Zukunft verstärkt tun.
Businesshotels in sehr guten Lagen, so Kay Constanze Strobl, Manager Real
Estate & Hospitality der Deloitte & Touche GmbH, stünden weiterhin im Fokus der Investoren: „Zahlreiche professionelle Betreiber haben sich auf sie
spezialisiert und schaffen durch ihre Expansion ein neues Angebot für Investoren.“
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Christian Walter, Geschäftsführer bei PKF hotelexperts in Wien, spricht von
einer Institutionalisierung der Branche. „Ein Bereich der Institutionalisierung
ist der der professionellen und eher großen Betreiber“, erklärt er. „Wir haben
es mit immer größer werdenden global tätigen Hotelgruppen zu tun, die den
Markt ständig mit neuen Marken fluten. Jüngste Beispiele dafür sind die Übernahme von Starwood durch Marriott und die Übernahme der französischen
Louvre-Hotels durch die chinesische Hotelgruppe Jin Jiang. Die Markenpenetration steigt an, diese Institutionalisierung trägt dazu bei, dass es der Investor
mit professionell strukturierten Prozessen und Standards zu tun hat, die mehr
Planungssicherheit mit sich bringen und dabei helfen, Fehler zu vermeiden.“
Auch sei eine Professionalisierung der sogenannten White-Label-Betreiber zu
beobachten. Darunter verstehen sich Betriebsgesellschaften, die Häuser
pachten und sie in der Regel per Franchisevertrag einer globalen Marke anschließen. Dies ist vor allem der Abneigung dieser Marken gegenüber den von
Investoren aus der DACH-Region geforderten Pachtverträgen geschuldet.
„Noch vor ein paar Jahren war die Auswahl an White-Label-Betreibern eher
dürftig. Um an den Pachtvertrag zu kommen, musste sich der Investor an eher
kleine Organisationen mit schwacher Eigenkapitaldecke und dürftigem Track
Record wenden. Heute gibt es zahlreiche Alternativen, die ohne Weiteres finanzierungsfähig sind; mittlerweile sind unter den White-Label-Betreibern multinationale Unternehmen, die teilweise sogar strategische Partnerschaften
mit ausgewählten Hotelketten bilden“, so Walter.
Zudem hätten die Planungs- und Finanzierungsprozesse an Professionalität
gewonnen. „Projekte werden nicht mehr so einfach durchgewinkt. Eine Finanzierungszusage ohne Vorliegen einer umfassenden Machbarkeitsstudie
(Feasibility Study) mit Worst-Case-Betrachtung ist so gut wie unmöglich. Das
Risk Management der Banken übt entsprechenden Druck auf die Finanzierungsabteilungen aus und diese geben den Druck an die Projektentwickler
bzw. Investoren weiter“, sagt der Experte. Ein neues Projekt werde meist erst
dann von den vielen Hotelgruppen eingehend geprüft, wenn eine entsprechende Feasibility Study vorliege. Zudem sei es heute gang und gäbe, Profis
mit Hotelsachverstand in die Planung eines Hotels einzubinden.
Institutionalisiert hätten sich aber auch die Investoren selbst durch den Aufbau
von internen, spezialisierten Teams, die sich mit der Spezialimmobilie Hotel –
bei Akquisition sowie während Halteperioden – befassen. Seien die internen
Ressourcen beschränkt, werde zunehmend auf Asset- oder PerformanceManagement-Leistungen eines externen Asset-Managers zurückgegriffen, der
die Interessen des Investors gegenüber dem Betreiber vertrete. Martina Fidlschuster, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Hotour aus Frankfurt
am Main, sieht in der wachsenden Transparenz der Branche einen weiteren
Grund für deren professionellere Wahrnehmung. „In den Medien wird heute
mehr über Hotels berichtet, die Hotelinvestment-Community ist größer geworden, es gibt Konferenzen, Schulungen, Seminare, in denen Immobilieninvestoren so viel Hotel-Know-how lernen, dass sie beginnen, die Branche zu verstehen“, sagt sie. „Dazu haben u.a. Consultants, Makler, die ZIA und auch der
Gemeinschaftsstand World of Hospitality auf der Expo Real beigetragen.“
Die Entwicklung der Hotelimmobilien zum begehrten Anlageobjekt prägt
inzwischen auch die Ausbildung im operativen Management. „Führungskräfte internationaler Hotelgruppen erhalten heute eine betriebswirtschaftliche
Ausbildung, die meist Leadership-Themen enthält. Das ist gut für die Mitarbeiter und für die Hotelkette selbst, die von den Kenntnissen in Kosten-/
Leistungsrechnung und Marketing profitiert. Für den Hoteleigentümer zahlt
es sich aus, wenn GMs nicht nur bis zum Vorsteuergewinn rechnen, sondern
auch die Brücke zum Nachsteuergewinn schlagen können“, erklärt Markus
Beike, Managing Director Head of Northern & Eastern Europe bei CBRE.
Hat die Professionalisierung der Betreiber also gar keinen Haken für den
Investor? „Naja“, meint Gerhard. „Je professioneller der Betreiber ist, desto
schwieriger wird es für die Immobilieneigentümer, ihre eigenen Anliegen
durchzusetzen.“ Doch alles in allem überwiegen auch seiner Ansicht nach
die Vorteile: „Mit einem professionelleren Betreiber lassen sich leichter Gespräche führen und je besser das Management, desto höher die Überschüsse und desto besser der Immobilienwert“, resümiert er.
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Susanne Stauß
kSUSANNE STAUSS
Jahrgang 1961, zählt zu den bekanntesten deutschen Hotel-Fachjournalisten. Über einen Ferienjob in der Schweiz wurde sie als Studentin
vom Hotelvirus infiziert und wechselte von Sprachwissenschaften zum
dualen Studium der Hotelbetriebswirtschaft mit eindrucksvollen Erfahrungen im operativen Hotelbetrieb. Seit 30 Jahren begleitet sie die
Entwicklung der deutschen Hotellerie vom Mama-Papa-Betrieb zum
begehrten Investmentobjekt und ist jeden Tag aufs Neue fasziniert
von den Menschen, Storys und Strategien dieser lebendigen Branche.
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ie V&D-Handelskette besitzt 62 Warenhäuser auf mehr als
600.000 Quadratmetern Ladenfläche, die Restaurantkette La
Place, eine Tochter von V&D, hat inzwischen 250 Filialen und mit
Macintosh und seinen Marken Scapino, Manfield, Dolcis und Invito kommen
noch einmal 683 Läden sowie nochmals über 500.000 Quadratmeter Ladenfläche dazu. Rechnet man DA noch dazu, so sind weitere 266 Ladenstandorte gefährdet.
Es ist schon ein bisschen ironisch, dass Daniel Ropers, Spitzenmann des
führenden niederländischen Onlinegeschäfts Bol.com, kurz vor Weihnachten
Zahlen genannt hat, die Betreiber, Marken-Franchisenehmer und Ladenbesitzer als schockierend empfunden haben müssen. In Interviews mit verschiedenen Medien teilte er mit, dass der Umsatz von Bol.com im Jahre
2014 den Umsatz von V&D deutlich überstiegen hat. Die Bol.com-Website
besuchen inzwischen pro Woche mehr Leute als die Supermärkte des
Schwesterunternehmens und Marktführers Albert Heijn, der wöchentlich
immerhin sechs Millionen Besucher in seinen Läden zählt. „Bei Bol.com sind
es inzwischen mehr als sieben Millionen pro Woche“, betont Ropers. Und
er wies in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass er gerade die geschäftigste Woche seit der Gründung seines Unternehmens hinter sich hat.
Dass ausgerechnet der V&D-Webshop bislang die einzige Sparte des insolventen Handelsriesen ist, die aktuell „bis auf Weiteres“ geschlossen wurde,
ist unterm Strich auch der beste Beweis dafür, wie sehr traditionelle Einzelhändler inzwischen von ihren Onlinekollegen abgehängt wurden.
Ist der heranrollende Leerstandstsunami also noch zu stoppen? Ich persönlich stimme Jeroen Lokerse von Cushman & Wakefield zu. Er ist der Auffassung, dass dies sehr wohl möglich ist. Er ist die treibende Kraft hinter den
Zugeständnissen, die die Gebäudeeigentümer letztes Jahr in Richtung V&D
gemacht haben. Diese waren schließlich auch ein Grund für Sun Capital,
wieder beinahe 50 Millionen Euro in die Kaufhauskette zu investieren.
Ein Markt erfindet sich neu
Der niederländische Einzelhandelsmarkt erlebt eine nie da gewesene Veränderung: Mit der
Insolvenz ehemaliger Marktgrößen wie V&D, Macintosh Retail Groep und der Drogeriekette
DA droht ein regelrechter ‚Tsunami‘ an leer stehendem Ladenraum. Die Folgen davon wird
das ganze Land zu spüren bekommen. Kleineren Warenhäusern und Geschäften eröffnet
diese Entwicklung aber auch enorme Chancen für neue – internationale – Formen des Einzelhandels sowie lokales Unternehmertum.
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Grundsätzlich bietet der niederländische Markt Kaufhäusern im mittleren
Segment durchaus eine Perspektive. So ist die deutsche Kaufhauskette
Galeria Kaufhof ein heißer Interessent für die Übernahme des insolventen
V&D. Galeria Kaufhof selbst wurde Mitte vorigen Jahres vom kanadischen
Handelsunternehmen Hudson’s Bay übernommen, das gerne in Europa expandieren möchte.
Betreffen wird das allerdings nicht alle Standorten, an denen V&D derzeit
vertreten ist, und sicher auch nur einen Teil der Flächen an den jeweils
chancenreichsten Niederlassungen. Durchgestartet wird also wenn, dann
mit abgespeckten Filialen in den großen Städten. Die Insolvenz bietet dabei
übrigens auch den Vorteil, Personalkosten – per se der größte Kostenfaktor
eines realen Kaufhauses – nachhaltig zu reduzieren.
Mit seiner Positionierung in Europa möchte Hudson’s unter anderem gerne
die Outlet-Version von Saks Fifth Avenue mit Namen Saks OFF 5th weiter
ausbauen. Die Kaufhäuser von Kaufhof in Deutschland verfügen wie die von
V&D über sehr viel Platz. Das bietet Hudson’s die Möglichkeit, allerlei hochwertige Marken, die hierzulande noch relativ unbekannt sind, nach Europa zu
bringen. Auch die zu V&D gehörige Restaurantkette La Place ist für Hudson’s
interessant und würde dem Unternehmen große Synergieeffekte bieten.
Für die verbleibenden Gebäude von V&D besteht aber durchaus auch Hoffnung – wie sich erst kürzlich gezeigt hat. So hat Primark die Niederlassungen von De Bijenkorf in Arnheim und Enschede sowie den H&M-Laden von
V&D in Oosterhout übernommen. Ein aktuelles Beispiel für die Wiederbelebung eines großen Kaufhausgebäudes sind auch die Läden, die H&M vor
Kurzem in den zwei Gebäuden von De Bonneterie in Amsterdam und Den
Haag eröffnet hat. Dort präsentiert sich der schwedische Einzelhändler mit
neuen High-End-Läden, ohne jedoch die typische, vertraute Inneneinrichtung von De Bonneterie aufzugeben.
Wer die lange Liste von Eigentümern der V&D-Läden sieht, dem wird auffallen, dass der Bestand äußerst zersplittert ist. Das hat die Verhandlungen
insgesamt so kompliziert gestaltet und macht eine Gesamtlösung bis heute
eher unwahrscheinlich. Den Immobilieneigentümern wurde übrigens als
Gegenleistung für eine Mietpreissenkung Einsicht in die Bücher von V&D
angeboten. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass diese daraus die Schlussfolgerung gezogen haben, dass es höchste Zeit für den Ausstieg ist und
schnelle alternative Szenarien auf den Tisch kommen müssen. Für diese
Eigentümer ist es wichtig zu wissen, dass die Konjunktur weiter anzieht,
dass Verbraucher nächstes Jahr ein paar Hundert Euro mehr im Geldbeutel
haben und dass internationale Einzelhandelsketten mit großem Interesse
auf die Niederlande blicken.
Für die kleineren Läden von V&D und die Niederlassungen von Macintosh
und DA, die nicht an Topstandorten, sondern auch in kleineren Gemeinden
liegen, sind die Szenarien weniger hoffnungsvoll. Ein Ansatz könnte sein,
dass Immobilieneigentümer gemeinsam mit den Behörden und Unternehmen vor Ort Lösungen zu finden versuchen. Es gibt verschiedene lokale
Initiativen, aus denen sich auch neue Formen des Einzelhandels ergeben
könnten. Mithilfe der Immobilieneigentümer, die ihrerseits sicher eine solche
kreative, lokale Lösung ebenfalls dem langen Leerstand des eigenen oder
des Nachbargebäudes vorziehen, könnten solche Ansätze dann auch tatsächlich umgesetzt werden.
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Paul Wessels
kPAUL WESSELS
Paul Wessels (MRICS) studierte Wirtschaftswissenschaften und
Journalismus und begann seine Laufbahn bei der führenden niederländischen Tageszeitung NRC Handelsblad. Mitte der 1990er-Jahren
wurde er stellvertretender Chefredakteur der Immobilienzeitschrift
Vastgoedmarkt. Sein Engagement für eine stärkere Transparenz auf
dem Immobilienmarkt veranlasste ihn, im Jahre 2000 PropertyNL mitzugründen. PropertyNL erwarb sich eine führende Stellung auf dem
Markt der unabhängigen Forschung für die gewerbliche Immobilienbranche in den Niederlanden. Eine europäische Dimension erreichte
das Geschäft 2006 mit der Einführung von PropertyEU, einem Nachrichten- und Forschungsjournal, das Partnerschaften mit Expo Real in München, ICSC, RICS und dem
Urban Land Institute unterhält. Seit 2009 entwickelt PropertyEU neue professionelle
Plattformen wie das Who’s Who Network und PropertyEU Investors.
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Eine Branche
bricht Tabus
Stadtentwickler steigen ins Containergeschäft ein, Schulen, Lagerhallen und
sogar Rollfelder werden zu Flüchtlingsdörfern umfunktioniert, Gewerbemakler
vermitteln Wohnungen: Mit dem Flüchtlingsstrom fallen viele Tabus. In Teilen
der Immobilienwirtschaft wirkt die Not der Vertriebenen wie ein Turbo. Selbst
die Politik ist dynamisch wie nie, sie bewilligt, novelliert und schmiedet mitunter erstaunliche Allianzen.
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ach dem Pleiteprojekt Flughafen Berlin-Brandenburg wird das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziale (Lageso) wohl zum
zweiten Synonym für Chaoswirtschaft in der Bundeshauptstadt.
Seit September kamen 45.000 Flüchtlinge in die Stadt. Trotz Termin werden
sie nicht abgefertigt, trotz vorhandener Zelte können sie sich nicht aufwärmen. In allen anderen Bundesländern wird der dauerhafte Ausnahmezustand besser gemanagt. Vergessen wird da leicht: Auch in Berlin fielen und
fallen Tabus, um das Unterbringungsproblem in den Griff zu bekommen. So
bereitet der Senat derzeit ein „Gesetzespaket zur Vermeidung von Obdachlosigkeit“ vor, um künftig das zu verhindern, was vor den Toren des Lageso
lange Zeit – wenn auch ungewollt – praktiziert wurde. Und weil nicht jede
Turnhalle, jede Schule oder jeder Bunker in Null Komma nichts umgewandelt
werden kann oder soll, werden natürlich auch an der Spree heilige Kühe
geschlachtet: So soll es auf dem Tempelhofer Feld, das laut Bürgerentscheid
nicht bebaut werden darf, schon bald Flüchtlingsquartiere geben. Ebenso
im leer stehenden Kongresscenter ICC, wegen Asbestbelastung bisher nicht
einmal als Übergangslösung im Gespräch. Die Zahl der inzwischen umgenutzten Immobilien in der Bundeshauptstadt muss beachtlich sein. Wie viele es in Summe sind, weiß aber niemand. Ein Gesetz zur Beschlagnahmung
von leeren Gewerbeimmobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen hat bisher zwar nur Hamburg auf den Weg gebracht. Und damit Eigentümer und
Verbände kräftig aufgeschreckt. Das Mittel der „einvernehmlichen Beschlagnahme“ kommt aber auch in Berlin längst zur Anwendung. So dient heute
unter anderem ein Gebäude aus dem Portfolio des Energiekonzerns Vattenfall als Flüchtlingsunterkunft. „Der Konzern hat die Immobilie proaktiv und
freiwillig angeboten“, hieß es dazu aus der Presseabteilung.
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PATRIZIA ermöglicht 450 Flüchtlingen Unterkunft auf
dem ehemaligen Siemens-Campus in München.
ALTE HASEN ENTDECKEN NEUE GESCHÄFTSFELDER
BESTÄNDE PRÜFEN, DATEN OFFENLEGEN
Ob nun freiwillig oder aus der Not heraus: Mit dem Flüchtlingsstrom
kommt Bewegung in den Immobilienmarkt. Er provoziert Umdenken, forciert Prozesse, bringt neue Geschäftsfelder und überraschende Allianzen
hervor. Und: Öffentlich und Privat rücken in der Not enger zusammen. Alle
Hände voll zu tun haben natürlich vor allem diejenigen Player, die Flächen
anbieten oder entsprechend umwandeln können, allen voran Entwickler,
Hochbau- sowie Wohnungsunternehmen. Gleich mit mehreren Geschäftsfeldern involviert ist etwa Bilfinger Berger Real Estate (BBRE). Bereits im
Spätsommer hat der Branchenriese Kommunen in Brandenburg, Sachsen,
Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen angesprochen und Grundstücke
sowie leer stehende Gebäude zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten. Im Rahmen seiner Corporate-Citizenship-Aktivitäten will der Konzern sein gesellschaftliches Engagement zur Unterstützung der Hilfesuchenden fortsetzen. Dr. Jochen Keysberg, Vorstand Bilfinger SE: „Die
Immobilienwirtschaft kann wesentlich zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen. Bei der Bewältigung des Stroms an Asylsuchenden in Deutschland unterstützt Bilfinger durch das Angebot an Städte und
Kommunen, Flächen und Grundstücke aus dem Konzern-Immobilienbestand zu nutzen. Auch der Integration von Asylbewerbern und anerkannten
Personen durch Beschäftigung im Konzern steht Bilfinger mit großer Offenheit gegenüber.“
Anpassungen und Erweiterungen ihrer Geschäftsmodelle registrieren auch
Immobilienvermittler. So hat der Hamburger Senat ganze MaklerSuchtrupps damit beauftragt, leer stehende Gewerbeimmobilien zu identifizieren, die sich in Wohngebäude umfunktionieren lassen. Makler zählten
bislang zwar nicht zum engsten Dienstleisterkreis der öffentlichen Hand.
Doch besondere Ereignisse erfordern neue Strategien. Nur: Wer kommt
für die Vermittlungsleistung auf? Maklerprovision aus Steuergeldern? Das
war bisher jedenfalls ein No-Go. „Ziel muss sein, dass die Kommunen von
Provisionen freigestellt sind“, sagt Andreas Rehberg, Geschäftsführer des
Hamburger Maklerunternehmens Grossmann & Berger.
Was kaum verwundert: Insbesondere die Planungs- und Bausparten im
Konzern brummen. So hat das Unternehmen Bilfinger Bauperformance
(BBP) im Herbst mit einer Tochtergesellschaft der Stadt Hamburg einen
Rahmenvertrag über den Bau von acht Asylunterkünften abgeschlossen.
BBP übernimmt die Generalplanung und Projektsteuerung für den Bau
von Modulfertighäusern für rund 500 Menschen, die Mitte 2016 bezugsfertig sein sollen. Hinzu kommen Unterkünfte in Massivbauweise für mindestens 600 Asylsuchende, deren Fertigstellung für Mitte 2017 geplant
ist. Auch die Hochbausparte profitiert vom gewachsenen Wohnflächenbedarf. So wandelt die Bilfinger Hochbau GmbH in Regensburg eine Kaserne in eine Erstaufnahmeeinrichtung für 300 Asylbewerber um, in Böblingen errichtet sie ein neues Flüchtlingswohnheim. Die Facility-Manager
im Hause registrieren ebenfalls Auftragszuwachs. In und um Chemnitz
kümmert sich die Facility-Services-Sparte von Bilfinger um das technische Gebäudemanagement in sechs Asyleinrichtungen. Und selbst die
Property- und Asset-Manager spüren den hohen Bedarf an Flächen. „Wir
haben jede Menge Anfragen für Immobilien, die wir im Auftrag anderer
Eigentümer managen, vor allem in Hamburg und im Rhein-Main-Gebiet.
In diesen Fällen prüfen wir die Verkaufsbereitschaft der Besitzer sowie
die Möglichkeit, die zumeist gewerblich genutzten Objekte in Wohngebäude umzuwandeln“, sagt Carsten Wesner, Co-Head Business Development bei Bilfinger Real Estate.
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In Nordrhein-Westfalen schmieden öffentliche und private Akteure ebenfalls
neue Allianzen, um das Beherbergungsproblem zu lösen. Das Ministerium
für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV) des Landes
NRW hat gemeinsam mit dem Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen eine Internetplattform initiiert. Ausgewählte Immobilienkonzerne, Städte und private Vermieter sollen der Datenbank leere Wohnungen melden, damit die Kommunen sie anmieten und
systematisch Flüchtlingen zuweisen können. Der Bedarf ist in der Tat enorm.
Das NRW-Ministerium geht davon aus, dass durch den Flüchtlingszuzug in
den kommenden Jahren 200.000 Wohnungen benötigt werden. Davon sollen rund 80.000 aus dem Bestand gewonnen werden. „Ein realistisches Ziel
könnte die Bereitstellung von zusätzlichen 50.000 bis 100.000 leeren Wohnungen sein“, schätzt Thomas Hegel, CEO der LEG Immobilien AG, die mit
knapp 110.000 Wohnungen einer der größten Vermieter im Bundesland ist.
Seit dem Beginn der Flüchtlingskrise hat der Düsseldorfer Konzern 550
Wohnungen aus dem eigenen Bestand über Mietverträge mit den Städten
für Schutzsuchende zur Verfügung gestellt. „Das sind weit mehr Wohnungen,
als wir anfangs geschätzt haben“, räumt Hegel ein. In einer Pilotphase beteiligen sich an der Plattform die großen Wohnungsunternehmen LEG Immobilien AG, Vonovia, Vivawest, VBW Bauen und Wohnen sowie die vier
Großstädte Essen, Dortmund, Gelsenkirchen und Bochum.
EINSTIEG INS CONTAINERGESCHÄFT
Die gemeinsame Aktivierung ungenutzter Bestände ist sicherlich ein lobenswertes Ziel. Ganz ohne Neubau wird die Beherbergungsnot indes kaum zu
lindern sein. Doch von der Planung bis zur Fertigstellung vergehen Jahre.
Zwar verlangen Unternehmen und Verbände in seltener Eintracht eine Straffung der Genehmigungsverfahren sowie die Herabsetzung der strengen
deutschen Baustandards, um die Produktionszeiten zu verkürzen. Doch
Menschen, die jetzt in Zelten leben, profitieren von solchen Ansätzen nicht.
Als preiswerte und rasch verfügbare Alternative bieten sich Fertighäuser an,
wie sie beispielsweise die DSK | BIG Bau-Unternehmensgruppe (DSK BIG)
eigens zur Flüchtlingsunterbringung gemeinsam mit Partnern aus China und
Norddeutschland entwickelt hat. Bei der Lösung aus China handelt es sich
um schnell produzierbare Wohnmodule, die für weniger als 1.000 Euro pro
Quadratmeter realisiert werden können und in Mengen von bis zu 1.000
Stück pro Monat lieferbar sind. Die Wohnelemente sind weltweit bereits als
Schulen, Kitas und bei den UN-Friedensgruppen im Einsatz. Die zweite
Fertighausvariante stammt aus Schleswig-Holstein. Wie die Module aus
Übersee erfüllt diese alle deutschen Energiestandards und kann wie ein
Stecksystem ergänzt und erweitert werden. Die DSK BIG bietet den Kommunen eine Komplettlösung an, von der Grundstückssuche über die Erschließung und Baurechtschaffung bis zur Gestaltung der Außenanlagen.
„Als bundesweit tätiger Stadtentwickler kennen wir die Bedürfnisse der
Kommunen. Und wissen, dass eine schnelle und einfache Abwicklung aus
einer Hand sehr wichtig ist“, sagt Dr. Marc Weinstock, geschäftsführender
Gesellschafter der DSK BIG. Auch die CG-Gruppe, bisher vor allem auf den
Bau von Wohnimmobilien spezialisiert, setzt sich im Zuge ihres ersten Wohnheimprojekts mit dem Thema Modulbau auseinander. Auf dem Areal des
Postbahnhofes in Leipzig-Schönefeld richtet die Gruppe in den kommenden
Monaten eine Unterkunft für mindestens 700 Flüchtlinge ein. Die Unterkunft
wird aus Leichtbaumodulen erstellt, die das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik in Halle zusammen mit einem Leipziger Unternehmen entwickelt hat. Jedes Modul bietet 15 Quadratmeter Wohnraum, zwei Betten und
einen eigenen Sanitärbereich. Das Besondere: Die Fertighäuser werden vom
Leipziger Künstler Michael Fischer-Art gestaltet. Christoph Gröner, Gründer
und Vorstand der CG-Gruppe, will mit seinem Containerprojekt eben auch
die Kommune entlasten. „Notleidende sollen ein Dach über den Kopf bekommen und die Leipziger Sporthallen wieder den Kindern zur Verfügung
stehen“, sagt der Großinvestor.
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Miriam Beul-Ramacher
kMIRIAM BEUL-RAMACHER
Miriam Beul-Ramacher erliegt jeden Tag ihrem angeborenen Schreibtrieb, vertreibt sich ihre Arbeitszeit aber genauso gerne talkend. Auf
Fachmessen und Kongressen ist sie regelmäßig als Moderatorin zu
sehen. Doch am Anfang ihrer Karriere stand zweifelsohne das getippte Wort. Schon während ihres Studiums in Berlin berichtete sie für
das Kölner Fachmagazin Immobilien Manager über den Bauboom des
Nachwende-Berlins. Immobilienstorys aus Prag, Paris, Warschau, Bukarest, Moskau, Budapest, New York, Chicago, Dubai und Deutschland
folgten. Bis heute schreibt die Literatur-, Film- und Kommunikationswissenschaftlerin (MA) über Stadtentwicklungs- und Immobilienthemen für Spezialmedien, Unternehmenspublikationen, die Tages- und Wirtschaftspresse. Zu ihren festen Auftraggebern zählen FAZ, Die Welt, Süddeutsche Zeitung, Immobilien Manager und Capital.
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Alle Wege führen
zur Immobilie
Grundbuch statt Sparbuch – So werben
Makler und Verkäufer für Investitionen in
Immobilien. Und rennen damit offene Türen
ein. Bei Minizinsen auf dem Sparkonto und
bei Staatsanleihen suchen private Kapitalanleger Alternativen und landen häufig bei
der Immobilie. Doch anders als beim Sparbuch ist die Immobilieninvestition in der
Regel mit viel Aufwand verbunden. Dabei
können die Anleger viele Fehler machen.
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as Ergebnis ist ernüchternd. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermittelte vor einem Jahr in einer Studie die Renditen
von Immobilieninvestitionen privater Kapitalanleger und kam zu
dem Schluss: Nur die Hälfte von ihnen erzielte mit vermieteten Eigentumswohnungen und vergleichbaren direkten Investitionen Renditen oberhalb
der Inflationsgrenze. Lohnt sich nicht, fassten die Medien damals zusammen. Doch das ist zu kurz gesprungen. Wer sich Zeit nimmt bei seiner Investition, wer Märkte, Standorte, Anbieter und Gelegenheiten prüft, der kann
als Privatanleger durchaus mit Immobilien Geld verdienen.
Immobilie. Damit meine ich nicht nur Standort und Lage, sondern auch den
bautechnischen Zustand“, sagt Christoph Weber, Vorstandsvorsitzender des
Verbands unabhängiger Family Offices (VUFO). Bevor er im Auftrag seiner
Kunden Immobilien erwirbt, beauftragt er Architekten und andere Experten
damit, die potenziellen Investitionsobjekte zu begutachten. Am Ende steht
ein Bericht über 20 bis 30 Seiten. Weber ist klar, dass ein privater Käufer
solch einen Aufwand nicht betreiben kann. „Jeder kennt aber aus seinem
privaten Umfeld bestimmt qualifizierte Handwerker oder Makler. Nehmen
Sie diese Fachleute zum Besichtigungstermin mit“, rät er.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gibt sich viel
Mühe mit der Prüfung und Gestattung der Fonds neuer Generation. Verwahrstellen und Kapitalverwaltungsgesellschaften wurden als zusätzliche
Sicherheitsbausteine eingeführt. Unter dem Strich hebt die Regulierung das
Investment auf Augenhöhe mit anderen regulierten Kapitalmarktprodukten.
Betrug und Beschiss sollte demnach nicht mehr möglich sein. „Die Regulierung durch das Kapitalanlagegesetzbuch ist richtig und wichtig“, kommentiert Eric Romba, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sachwerte und
Investmentvermögen, die verordneten Kontrollen.
Welche Motivation steckt hinter dem Wunsch, einen Teil des Ersparten in
Immobilien zu investieren? Vermögende Investoren betrachten Immobilieninvestitionen häufig weniger als Renditeturbo, sondern als Möglichkeit, ihr
Kapital zu erhalten. Sie verzichten daher häufig darauf, einen Kredit aufzunehmen. Wer sich aufgrund der niedrigen Zinsen für eine Fremdfinanzierung
entscheidet, tilgt zügig. Diese Vorgehensweise sollte ein Vorbild auch für
Anleger mit durchschnittlichem Vermögen sein.
Weber hat festgestellt, dass viele Immobilienanleger den Verwaltungsaufwand ihres Investments unterschätzen. Sie müssen außerdem berücksichtigen, dass ein Teil der Nebenkosten nicht auf die Mieter umgelegt werden
kann. Nicht zu vergessen sind Rücklagen für Renovierungen und Reparaturen. Vielen privaten Vermietern fehle außerdem die nötige Härte. Sie würden
auf Mieterhöhungen verzichten, um sich Stress mit den Mietern zu ersparen.
Ob sich die Angebote rechnen, steht auf einem anderen Blatt, denn genau
das prüft die BaFin nicht. An diesem Punkt sollten Anleger den Botschaften
der Anbieter daher weiterhin nicht blind vertrauen, sondern den Vermittlern
und Beratern kritische Fragen stellen. Hilfreich ist auch ein Blick in die bisherige Leistungsbilanz des jeweiligen Fondsinitiators. Diese Betrachtung ist
zwar rückwärts gewandt, aber wer in der Vergangenheit gute Ergebnisse für
seine Kunden erzielte, dürfte auch künftig fair mit ihnen umgehen. Wer dagegen mit seinen Prognosen mehrfach schiefgelegen hat, qualifiziert sich
nicht unbedingt für die Platzierung weiterer Kapitalanlagen.
Geht es um den Kapitalerhalt, kann sich so auch der Kauf einer Eigentumswohnung zum 30-Fachen der Jahresmiete rechnen. In gefragten Städten
wie München und Hamburg sind solche Preise inzwischen keine Seltenheit
mehr. Nach Abzug aller anfänglichen Kosten wie Maklercourtage, Grunderwerbsteuer und Notargebühren ergibt sich daraus zwar nur eine magere
Rendite. Doch dass die Eigentümer auf lange Sicht Geld verlieren, erscheint
unrealistisch. In den angesagten Metropolen dürften Wohnungen in guten
Lagen dauerhaft gefragt bleiben und zumindest ihren Wert behalten. Wer,
wie bei Immobilien nicht unüblich, in Generationen denkt, sollte mit solch
einem Investment auf der sicheren Seite sein.
Voraussetzung ist, dass sich die Anleger keinen Schrott andrehen lassen.
Steckt der Schwamm im Keller? Verdeckt eine Pinselsanierung Schimmel
an den Wänden? Gibt die Heizungsanlage in Kürze ihren Geist auf? Diese
Fragen kann ein durchschnittlicher Privatinvestor kaum beantworten. „Entscheidend für ein erfolgreiches Investment ist eine sorgfältige Prüfung der
Umso verwunderlicher ist es, dass die privat vermietete Eigentumswohnung
die Nummer eins unter den Immobilieninvestitionen darstellt. Nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts vermieten knapp elf Millionen Menschen in Deutschland ein Haus oder eine Wohnung als Kapitalanlage. Als
Alternative drängt sich die indirekte Investition auf, entweder über einen
offenen Immobilienfonds oder einen geschlossenen AIF, was für Alternativer
Investmentfonds steht und den früher geläufigen Begriff geschlossenen
Fonds abgelöst hat. Die Fonds kommen vor allem für Kapitalanleger in Frage, die ihr Investment von Profis managen und verwalten lassen wollen.
Geschlossener Fonds? Da war doch was? In den Medien machte die Branche zuletzt vor allem mit Skandalen Schlagzeilen. Die Anbieter S&K und
Wölbern Invest zum Beispiel veruntreuten Millionenbeträge ihrer Kunden.
Aber sie stehen keinesfalls stellvertretend für einen Markt, den vielmehr
eine große Zahl seriöser Fondsinitiatoren mit hervorragender Leistungsbilanz prägt. Außerdem sorgt die Umsetzung der europäischen AIFM-Richtlinie in deutsches Recht inzwischen für zusätzliche Sicherheit der Anleger.
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Anleger. Solche Entwicklungen sollen die neuen Vorschriften vermeiden. So
kommen neue Anleger beispielsweise frühestens nach zwei Jahren wieder
an ihr Geld.
Ohne Wartezeiten können Anleger von Immobilienaktien ihr Investment beenden. Die Wertentwicklung einiger Immobilien-AGs im vergangenen Jahr
war extrem positiv. „Immobilienaktien haben zuletzt rasante Kurssprünge
hingelegt. Inzwischen steigen ihre Kurse doppelt so schnell wie der DAX“,
schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung schon im Frühjahr 2014. Dabei
war die Rallye damals noch längst nicht beendet. Die Kurse mancher Immobilienaktien stiegen innerhalb eines Jahres um rund 150 Prozent. Die
Aktiengesellschaften profitieren unter anderem von den niedrigen Hypothekenzinsen und finanzieren Neubauten, den Kauf von Bestandsimmobilien
und Renovierungen mit billigen Darlehen. Anleger müssen sich aber bewusst
sein, dass die Volatilität der Börsen auch in die andere Richtung zielen kann.
Wer Aktien zu teuer kauft, muss Kursverluste einkalkulieren. Daher bieten
sich die Papiere eher für spekulativ handelnde Investoren an und weniger
für private Anleger, die mit Immobilien ihr Portfolio stabilisieren möchten.
Die in Aussicht gestellten Renditen aktueller Angebote erscheinen durchaus
attraktiv. Geschlossene AIFs mit konkreten Immobilien zum Beispiel aus den
Segmenten Einzelhandel, Büro, Pflegeheime und Wohnungen stellen ihren
Zeichnern Ausschüttungen in Aussicht, die weit über den Möglichkeiten des
Kapitalmarktes liegen. Allerdings müssen sich Anleger darüber im Klaren
sein, dass sie ihr Geld mit geschlossenen Vehikeln langfristig anlegen – was
dem Wesen einer Immobilieninvestition ja nicht unbedingt widerspricht.
Auch Käufer von offenen Immobilienfonds kommen, anders als früher, nicht
mehr jederzeit an ihr Geld. Hier gelten ebenfalls neue Regeln, seit die offenen Fonds wegen Liquiditätsproblemen ihre Tore schließen mussten. Professionelle Investoren nutzten seinerzeit die Publikumsfonds, um freie Mittel zu parken und brachten sie in Schwierigkeiten, als sie auf einen Schlag
ihr Kapital wieder abzogen. Das führte dazu, dass eine Vielzahl der Fonds
abgewickelt werden musste – häufig mit erheblichen Kapitalverlusten ihrer
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Markus Gotzi
kMARKUS GOTZI
Immobilien ziehen sich wie gemauert durch den Lebenslauf des freien
Journalisten Markus Gotzi: vom Berater in der Baufinanzierungsabteilung bei der Deutschen Bank, in seinem früheren Leben, über seinen
ersten Fernsehbeitrag beim WDR in Münster – Thema: vorbildliche
Gewerbeimmobilien – bis zur Konzeption des Capital-Immobilien-Kompasses. Als Chefredakteur des Fondsbriefs weiß er, dass sich längst
nicht alle Immobilieninvestitionen lohnen und wundert sich immer wieder, wie blauäugig und unkritisch manche Sparer ihr Kapital anlegen.
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Eine kleine
Welt für sich
Längst ist der Besitz einer eigenen Insel
nicht mehr nur ein High-Society-Thema.
Wer in Gedanken dabei in der Südsee startet, könnte jedoch deutlich weiter nördlich
fündig werden – auch übers Internet.
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VON MANA-HATA ZU MANHATTAN
Ein berühmter Insel-Deal geht auf den
4. Mai 1626 zurück. Bis zu diesem
Tag gehört eine Halbinsel im heutigen
Hudson River zum Stammesgebiet der
Lenape-Indianer. Sie nennen sie in ihrer
Sprache „Mana-hata“, die hügelige
Insel. Die Niederländische WestindienKompanie erwirbt von den Lenape die
Landnutzungsrechte und gründet das
Fort Neu-Amsterdam. Schwarzbuntes
Milchvieh grast vor den Toren, die
Straßen heißen Breeder Weg (heute:
Broadway) oder Wallstraat. 1664
übernehmen die Engländer das Fort im
Handstreich und nennen es: New York.
Drei Jahre später erhalten die Niederländer bei Friedensverhandlungen für
Manhattan die kleine indonesische Insel
Run, auf der die begehrten Muskatnüsse
wachsen. Im Nachhinein betrachtet ein
eher ungünstiger Tausch.
ROBINSON
UND SEINE ENKEL
Daniel Defoe legte 1719 mit „The Life
And Strange Surprizing Adventures Of
Robinson Crusoe“ den Grundstein des
Genres der Robinsonade. Es folgte die
„Insel Felsenburg. Wunderliche Fata
einiger Seefahrer“ von Gottfried Schnabel.
Der heute fast vergessene Roman war
einer der ersten deutschen Bestseller.
1881 erschien „Die Schatzinsel“ von
Robert Louis Stevenson, die etliche
Adaptionen und Verfilmungen nach sich
zog. Die Robinson-Geschichte hat zuletzt
US-Filmregisseur Robert Zemeckis im
Jahr 2000 mit „Cast away – Verschollen“
aufgegriffen. Auch Gegenmodelle zur
Insel-idylle wurden Weltliteratur: etwa
„Herr der Fliegen“ von William Golding aus
dem Jahr 1954 oder „Flucht von Alcatraz“
von J. Campbell Bruce (1963).
INSEL-ERKENNTNISSE
Der britische Naturforscher Charles Darwin veröffentlichte 1859 sein Hauptwerk
„On the Origin of Species“, zu deutsch
„Über die Entstehung der Arten". Nach
einer Schiffsreise auch nach Südamerika,
Australien und Südafrika zog er Bilanz.
Darwin stellte fest, dass die Tierwelt der
Galapagosinseln – beispielsweise spezielle Finken- und Schildkrötenarten – als
Modell für die Prinzipien von Selektion,
Konkurrenzkampf und der Ausbildung
von speziellen Artmerkmalen dienen
können. „A little world within itself“ – so
bezeichnete Darwin das, auf was er unter
anderem seine bahnbrechende Evolutionstheorie stützen konnte.
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einem angesichts des Animations-Charmes und der Parole „Zeit für Gefühle“ eher die Robinsons aus dem Filmklassiker „Die Reifeprüfung“ als Taufpaten einfallen
könnten.
So besitzen die US-Schauspieler Johnny Depp, Leonardo
DiCaprio und Nicolas Cage (mindestens) eine Insel.
Schon legendär ist Necker Island in der Karibik: Das Eiland hat 1978 der britische Virgin-Schallplattenboss und
Ballonfahrer Sir Richard Branson gekauft – für rund
180.000 Dollar. Weitere 10 Millionen Dollar hat Branson
investiert: Sein 30 Hektar großes Hide-away mit LuxusChalet, 50 Angestellten und 200 Flamingos kann man
auch mieten – zum Tagessatz von rund 40.000 Dollar.
Nachempfinden kann man es den DiCaprios oder Hallervordens: Eine eigene Insel bietet neben dem Urlaubsund Rückzugsaspekt etwas, was durch nichts zu ersetzen ist - Einzigartigkeit. In Zeiten niedriger Zinsen und
schwankender Aktienbörsen geraten Inseln so auch
immer stärker ins Blickfeld breiterer Investorenkreise.
Zumal ein Kauf heute nicht nur der Triple-A-Prominenz
vorbehalten ist: „Unsere Hauptklientel ist der gehobene
Mittelstand, der zwischen 200.000 und 3,5 Millionen
Euro investiert“, sagt Farhad Vladi. Der Gründer von
Vladi Private Islands mit Sitz in Hamburg ist seit 1971
im Geschäft und hat bislang nach eigenen Angaben
mehr als 2.650 Inseln vermittelt.
in Sandhügel mit einer Palme, Meer und Sonne.
Das Piktogramm erkennt jeder: eine Insel. Es
steht für Urlaub, Natur, Entspannung – und den
Rückzug aufs Wesentliche. Freiheit durch Beschränkung, sozusagen. Kein Wunder, dass einsame Inseln auf
Hollywoodstars und Wirtschaftskapitäne seit jeher eine
magische Anziehungskraft ausüben: Ruhe statt Rampenlicht, blaue Lagune statt Boulevard.
Ein bekannter deutscher Inselbesitzer ist etwa der ExGEA-Group-Chef und langjährige Commerzbank-Aufsichtsrat Otto Happel, der das Seychelleneiland Frégate für den nachhaltigen Luxustourismus erschloss.
Komiker Dieter Hallervorden nutzt als zweite Heimat die
bretonische Insel Costaérès mit zugehörigem neugotischen Schloss. TV-Moderator Jörg Pilawa hat 2009
Hunt Island in der ostkanadischen Provinz Nova Scotia
erworben. Laut Pilawa faszinieren dort die drei großen
Ws: „Wälder, Wildnis, Wale.“
Stammvater der Inselsehnsucht ist Robinson Crusoe,
der als schottischer Seefahrer Alexander Selkirk wirklich gelebt und Anfang des 18. Jahrhunderts mehrere
Jahre auf einer unbewohnten Insel des Juan-FernándezArchipels zugebracht hat. Von Daniel Defoe als Romanfigur verewigt, begründete Crusoe das, was bis heute
als „Robinsonade“ in Buch- und Filmform weiterlebt.
Auch hat sich ein Reiseclub nach ihm benannt – wobei
Vladi war auch Partner der Kaffee- und Allesverkäuferkette Tchibo, die Mitte 2015 unter dem Motto „Urlaub
wie Johnny, Céline oder Nicolas“ sieben Inseln in der
Preisklasse von 60.000 bis 990.000 Euro online feilbot
– nebst Möbeln und Accessoires für das nötige „FincaFeeling“. Die Offerte sorgte in den Medien für gemischte Reaktionen. So befürchtete die „Süddeutsche
Zeitung“, dass bald wohl auch „böhmische Volkstanzgruppen oder der Kölner Dom“ im Tchibo-Programm zu
erwarten sein dürften. Auch schienen die günstigsten
Tchibo-Eilande aufgrund großer Kargheit nur für extrem
hartgesottene Outdoor-Freaks geeignet. Der Marketingeffekt war aber groß.
Aktuell listet die Website von Vladi Private Islands über
490 Objekte. Die Suchskala geht bei 5.400 Euro (zurzeit: „0 Objekte“) los – und endet bei 200 Millionen
Euro. Wer mag, kann aktuell für umgerechnet 59.950
Euro in Zentralkanada einsteigen: Mill Cove Peninsula,
6.798 Quadratmeter Fläche, Lunenburg County. Oder
für 495.000 Euro in Finnland: Kalskär Island bei Turku,
36.150 Quadratmeter mit Blockhütte. Wen es in wärmere Gefilde zieht, der findet in Griechenland für 1,6
Millionen Euro die Insel St. Athanasios im Golf von Korinth: 10.811 Quadratmeter, mit Olivenbäumen.
Doch ist in Hellas Vorsicht geboten: Die wirtschaftlich
klamme Lage des Landes führt zwar dazu, dass momentan eine ganze Reihe Inseln am Markt ist. Ausländische
Investoren müssen sich aber auf eine kafkaeske Prozedur mit 32 behördlichen Genehmigungen einlassen.
Vladi: „So ist dort de facto kaum ein Ausländer unter
den Inselbesitzern.“ Eine Ausnahme ist der Emir von
Katar, der rund 12,5 Millionen Euro in mehrere Inseln
investiert hat – und zugleich mehr als zwei Milliarden
Euro in griechische Banken, Goldminen und einen Investitionsfonds einzahlte, wie die „Welt“ berichtete.
Neben rechtlichen Fragen nennt Vladi ein politisch solides Umfeld, Festlandnähe und Bebaubarkeit als wichtige Prokriterien für eine Insel. Hinzu kommt, dass eine
medizinische Versorgung binnen 90 Minuten zu erreichen ist – und ob vor Ort ausländische Investoren überhaupt akzeptiert werden. Diese kommen im Übrigen
verstärkt aus Fernost: Das liegt zum einen daran, dass
Chinesen der Erwerb von heimischen Inseln nur für 50
Jahre und unter strengen Auflagen möglich ist. Es gibt
bereits einen chinesischen „Club der Inselbesitzer“, der
über 50 Mitglieder zählt und vom 42-jährigen Medizinunternehmer Lin Dong ins Leben gerufen wurde.
Dong gibt an, mehr als 30 Inseln im Privatportfolio zu
haben. „Während Europäer mit dem Inselkauf Strand
und Sonne verbinden, wollen Chinesen in der Regel mit
ihrem Investment Geld verdienen“, berichtet Vladi. Inselschnäppchen per Internet werden dort etwa über die
Auktionsseite Taobao.com gemacht, wo im März 2015
drei Objekte – in Fidschi, Kanada und Griechenland – für
Beträge zwischen 1,7 und 5 Millionen Yuan, also umgerechnet zwischen 250.000 und 720.000 Euro, den Besitzer wechselten.
Internationale Bieterkonkurrenz gibt es zudem noch von
ganz anderer Seite. Zu umtriebigen Inselkäufern gehören nicht zuletzt Staaten, Nicht-Regierungsorganisationen und Umweltschutzinstitutionen, in deren Besitz sich
ohnehin weltweit die meisten Inseln befinden. Oft gelten hier auch Vorkaufsrechte: Die kanadische Regierung beispielsweise ist dafür bekannt, Inseln gleich im
Dutzend zu kaufen. Indes herrscht vor Ort nicht wirklich
Marktknappheit: Vladi Private Islands listet gegenwärtig
allein in Zentral-, Ost- und Westkanada 142 Offerten.
Teils zu Preisen, für die man in Hamburg, Frankfurt oder
München keine akzeptable Einzimmerwohnung mehr
bekommt.
Wer erst mal reinschnuppern möchte: Jörg Pilawas Hunt
Island ist für 290 Kanada-Dollar, das sind umgerechnet
rund 190 Euro, pro Tag zu mieten. Zwar ohne Palme und
Meer. Aber dafür mit einem 12 Kilometer langen See.
Und die Sonne scheint in Nova Scotia auch.
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Markus Deselaers
kMARKUS DESELAERS
Markus Deselaers, Jahrgang 1965, ist studierter Kulturwissenschaftler und Chefredakteur
Sonderpublikationen beim Hamburger Kapitalanlagemagazin DAS INVESTMENT. Seit
1998 ist der gebürtige Hannoveraner als Journalist in der Finanz- und Kapitalanlagebranche tätig. Er bereist mit seiner Familie gern
Skandinavien – und kennt das Gefühl gut, das
sich nach zwei Minuten auf einem Schiff in
Richtung einer Insel einstellt: ganz weit weg
vom Alltag zu sein.
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Heiß diskutiert:
zur Miete wohnen in UK
Wer je einen Abend in einem echten britischen Pub verbracht hat, weiß,
dass eines so sicher ist wie das Amen in der Kirche: Erst werden dort
ausführlich die Fußballergebnisse diskutiert und anschließend kommt
die Sprache unweigerlich auf die überhöhten Wohnungspreise. Ganz
besonders ausgeprägt ist dieses Phänomen in London. Das Haus des
Engländers ist bekanntlich seine Burg. Und das Streben nach den eigenen vier Wänden ist nicht nur fest in der britischen Seele verwurzelt,
nein: Es gründet schon beinahe auf so etwas wie „erlernter“ Besessenheit. Wer zur Miete wohnt, statt sich etwas Eigenes anzuschaffen, wird
geradezu mitleidig belächelt und allein die Vorstellung ruft bei vielen
Engländern Unwohlsein hervor.
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uch für den Staat hat die Förderung des Wohneigentums weiterhin
Priorität. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, denn schließlich
können Politiker mit dem Wahlversprechen von bezahlbaren Wohnungen wirksam auf Stimmenfang gehen. Im November gab die konservative Regierung bekannt, dass Erstkäufer einen Nachlass von 20 Prozent auf
200.000 Neubauten erhalten sollen, die mit 2,3 Mrd. Pfund aus öffentlichen
Geldern finanziert werden. Bewohner von Sozialwohnungen können ihre
Wohnungen überdies im Rahmen des „Help to Buy“-Programms kaufen.
Diese Politik ist jedoch umstritten. Schließlich dürften die genannten Maßnahmen zur Förderung des Wohneigentums die Preise besonders in London
weiter in die Höhe treiben. Auf Dauer könnte das zu einer untragbaren Situation im wirtschaftlichen Zentrum des Landes führen. „Dieses kurzsichtige politische Ziel untergräbt die Londoner Wirtschaft langfristig. Arbeitnehmer werden gezwungen sein, die überhöhten Wohnungspreise
hinzunehmen oder in günstigere Bezirke abzuwandern“, so Adam Challis,
Head of Residential Research bei JLL. Für nahezu unbezahlbare Preise sorgte bisher nicht nur die hohe Nachfrage, sondern auch das auffallende Unvermögen Großbritanniens, ausreichend Wohnraum bereitzustellen. Allein
zur Deckung des aktuellen Bedarfs würden eine Million Wohnungen benötigt. Allerdings mehren sich angesichts dieser Dynamik die Anzeichen dafür,
dass die Fixierung auf Wohneigentum allmählich nachlässt. Viele Millennials,
die die Erfahrung gemacht haben, dass ihre eigenen Eltern alle zur Verfügung
stehenden Mittel in Wohneigentum gesteckt haben (wo sie nun „immobil“
festsitzen), und deren eigener beruflicher Werdegang zudem durch die weltweite Finanzkrise stark erschwert bzw. ausgebremst wurde, haben den
Traum, sich selbst jemals Wohneigentum leisten zu können, längst aufgegeben. „Früher war der Eigennutzungsanteil hoch, weil eine Vollfinanzierung
möglich und finanzierbar war“, so Yolande Barnes, World Research Director
bei Savills. „Heute ist die Eigennutzung rückläufig, weil Kredite immer sel-
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tener gewährt werden. Der Eigenkapitalanteil ist höher, sodass Wohneigentum nicht nur teurer wird, sondern für viele Menschen in unerreichbare
Ferne rückt.“
Statistiken des Council of Mortgage Lenders zufolge wohnten ca. 64 Prozent
der in den Sechziger- oder Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts Geborenen mit 35 bereits im eigenen Heim. Bei den Geburtenjahrgängen der
1980er-Jahre sank der Anteil bereits auf 44 Prozent und der Council geht
davon aus, dass nur 39 Prozent der in den 1990er-Jahren Geborenen im
Alter von 35 Jahren Wohneigentum besitzen werden. „Bei der Einstellung zu
den eigenen vier Wänden liegen Welten zwischen Millennials und Babyboomern“, so Alex Greaves, Head of Residential Investment bei M&G Investments. „Zwar streben Millennials durchaus nach der eigenen Wohnung oder
dem eigenen Haus, allerdings nicht in dem Alter, in dem der durchschnittliche Babyboomer sein erstes Haus kaufte, sondern erheblich später. Mietwohnungen sind zu einer äußerst beliebten Alternative geworden, da sie
sowohl mehr Mobilität als auch oft mehr Wohnqualität bieten. Die jüngere
Generation ist weitaus mobiler, bleibt in der Regel nicht das ganze Leben
lang demselben Arbeitgeber treu, und Mietwohnungen bieten die nötige
Flexibilität für diesen Lebensstil.“ Bisher waren Mieter mit einem größtenteils
unprofessionellen und unreglementierten Markt konfrontiert, in dem private Vermieter vorherrschten, die ihre Rente mit ein oder zwei Mietobjekten
aufstockten.
Neuerdings greift der Staat auf diesem Sektor aber härter durch. Im November wurde in diesem Zuge für solche Vermieter zum Beispiel eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer um satte 3 Prozent erhoben. Diese Neuerung
gilt jedoch nicht für institutionelle Investoren. In Verbindung mit der höheren
Nachfrage nach Mietwohnungen in der neuen Generation zeichnet sich damit eine hervorragende Gelegenheit ab, in den privaten Mietsektor zu inves-
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tieren und diesen aufzubauen. Laut der British Property Federation warten
Investitionswerte von rund 30 Mrd. Pfund nur darauf, bei entsprechender
Gelegenheit investiert zu werden. „Der private Mietwohnungsmarkt ist
schlecht beleumundet, und viele Menschen entscheiden sich, nach entsprechenden Erfahrungen mit unprofessionellen Vermietern und Immobilienmaklern auf Abstand zur Miete zu gehen“, erklärt Ian Fletcher, Directory of
Policy (Real Estate) bei der BPF. „Beim Bau von Mietobjekten mit professionellem Management, in denen Mieter als Kunden betrachtet werden, besteht eine große Marktlücke.“ Das hat dazu geführt, dass einige der größten
institutionellen und Rentenfondsinvestoren Europas bereits erste Schritte
in diesem Sektor unternommen haben, unter anderem PATRIZIA, LaSalle
Investment Management, M&G Gatehouse Bank und Legal & General.
Der Trend steckt aber derzeit noch in den Kinderschuhen. Bisher sind in
London 14.000 Wohneinheiten in Planung, im Bau befindlich oder fertiggestellt, während der Rest Großbritanniens mit insgesamt nur 7.000 Einheiten
weit abgeschlagen hinterherhinkt.
Ein voll ausgereifter privater Mietsektor kann tatsächlich nur durch mehr
staatliche Förderung erreicht werden. Der allgemeine Bestandsmangel und
die hohen Preise verleiten Vermieter und Baugesellschaften oft dazu, Häuser und Wohnungen zu verkaufen. Größere privat vermietete Bestände aufzubauen ist finanziell nicht erstrebenswert. Die Schaffung einer Raumplanungskategorie speziell für private Mietobjekte könnte den britischen Markt
ein gutes Stück weiterbringen. Es wäre außerdem nützlich, auch mehr staatliche Flächen für solchen Wohnraum zu nutzen. „Wir haben noch einen
weiten Weg vor uns, doch ein neuer Boom bei zweckgebauten Immobilien
wird das Angebot an privat vermieteten Objekten in britischen Ballungsgebieten in den nächsten zehn Jahren vollkommen verändern“, so Challis von
JLL. „Der Planungs- und Bauprozess ist mit diversen Problemen behaftet,
die es unterm Strich verhindert haben, dass mehr speziell zur Miete errichtete Objekte entstanden sind. Dazu zählt insbesondere die mangelnde Fähigkeit bzw. Bereitschaft vieler örtlicher Behörden zur flexiblen Handhabung
der Anforderungen an bezahlbaren Wohnraum.“
Die Schuld liegt jedoch nicht alleine bei den Behörden. Seit Jahrzehnten
wird darüber geredet, welche Vorteile ein ausgereifter privater Mietsektor,
der eine den Verbindlichkeiten angemessene Rendite generiert, für institutionelle Anleger hätte. Bislang ist hier nichts passiert – mangelnde Innovationskraft und das zögerliche Anlaufen von Investitionen nach der internationalen Finanzkrise haben es verhindert. „Die Branche musste sich auf eine
neue Art von Wohnimmobilien einstellen. Bauherren, Geldgeber, Architekten
und Immobilienmanager mussten ihre Vorstellungen von Immobilieneigentum aktiv anpassen und zum einen lernen, die Bedeutung eines regelmäßigen Cashflows zu schätzen, und zum anderen, wie man mit Kunden umgeht,
die eher mieten als kaufen möchten“, so Challis.
Unter dem Strich darf man festhalten: Das Nichtvorhandensein eines privaten Mietsektors stellt ein langfristiges Strukturproblem für die britische
Wirtschaft dar. Dieses lässt sich jedoch mit den richtigen Immobilien lösen.
Und das wird sich nicht nur für Mieter lohnen – auch für Entwickler und
Vermieter dürfte es sich als äußerst lukrativ erweisen. Alex Greaves von
M&G stellt fest: „Träger haben die Chance, Wohnimmobilienbestände aus
einer Hand aufzubauen, also mit einheitlichen Eigentums- und Managementverhältnissen. In Konsequenz führt das zu mehr Nachhaltigkeit, einem stärkeren Gemeinschaftsgefühl, besserem Service, mehr Effizienz und stellt
schließlich und endlich eine einmalige Gelegenheit für Mieter und Anleger
dar.“
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David Hatcher
kDAVID HATCHER
David Hatcher leitet den Bereich Nachrichten und Finanzen bei der
Estates Gazette, Großbritanniens größter Zeitschrift für den kommerziellen Immobiliensektor. Sein Zuständigkeitsbereich umfasst die
Nachrichten- und Finanzberichterstattung in der Online- und der Printausgabe der Estates Gazette. David wohnt und arbeitet in der Londoner Innenstadt und ist überzeugt, dass die Entwicklung des privaten
Mietsektors in seiner Heimat zwar noch einen weiten Weg vor sich
hat, sich aber langfristig als Ausweg aus der britischen Wohnungskrise
entpuppen könnte.
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Der Künstleringenieur
Josep Maria Sirvents monumentale Skulpturen
aus Eisen und Granit versinnbildlichen die Spannung zwischen Härte und Geschmeidigkeit, warmen Rosttönen und kaltem Stein, Vergangenheit
und Gegenwart, zwei Landschaften und zahllosen
Erfahrungen. Seine Werke zeugen von der Anteilnahme des Künstlers an Menschen und Dingen,
die seinem Leben Bedeutung verleihen, vom innigen Dialog mit wesentlichen Orientierungspunkten
wie Kindern und Familie. Im estatements Magazin
spricht Sirvent darüber, wie Natur, Architektur und
Menschen den Entstehungsprozess seiner Skulpturen beeinflussen.
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1992 Madera Caoba y Acero Corten Patinado
250 x 75 x 19 cm, Cabo Blanco (Mallorca).
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estatements: Welche Bedeutung haben Immobilien für Sie?
Josep Maria Sirvent: Architektonische Räume, also Immobilien entfalten
ihren Sinn nur, wenn sie Teil des menschlichen Lebens, Teil des Seins werden. Auch mein bildhauerisches Werk steht stets in direktem Kontakt und
Dialog mit dem Menschen und der Architektur bzw. Natur, in der die jeweilige Skulptur errichtet wurde.
estatements: Herr Sirvent, haben Sie eine Lieblingsimmobilie?
Sirvent: Ich interessiere mich sehr für das Schaffen von Antoni Gaudí, Le
Corbusier, Frank Lloyd, Tafado Ando, William Morris, Walter Gropius oder
Zaha Hadid. All diese Architekten und Künstler waren und sind für mein
Leben und meine Arbeit ein wichtiger Bezugspunkt. Selbstverständlich gibt
es von ihnen sehr viele Gebäude, die mich unglaublich beeindrucken. Dennoch gibt es eines, das ich als das vielleicht prägendste Gebäude seit früher
Kindheit und Jugend an betrachte: den „Barcelona-Pavillon“ in meiner Heimatstadt Barcelona. Ludwig Mies van der Rohe hat ihn zur Weltausstellung
1929 für die damalige Weimarer Republik entworfen.
estatements: In Ihren Skulpturen treffen verschiedene bewegliche Elemente in Harmonie und gleichzeitig Gegenspiel aufeinander. Ist Ihre
Kunst grundsätzlich stärker von der Mobilität oder Immobilität gekennzeichnet?
Sirvent: Ich denke, mein Werk steht im Spannungsverhältnis von Bewegung
und Präsenz. Statt findet das Ganze immer vor dem Hintergrund des architektonischen und menschlichen Umfeldes, in dem die jeweilige Skulptur
steht.
Ihre Werke sind bedingt durch ihre Größe und Schwere ja im Wortsinne
auch „Immobilien“, also unbewegliche Güter. Hinkt dieser Vergleich?
Sirvent: Das könnte man tatsächlich so verstehen. Denn: Jedes Einzelne
meiner Werke ist – wie das bei Immobilien ja tatsächlich auch der Fall ist
– exakt für das konkrete Umfeld, in dem es installiert wurde, geschaffen und
entwickelt worden. In gewisser Weise oder besser gesagt „im Wortsinn“ gibt
es da also durchaus Parallelen.
Stehen Ihre Werke nach der Installation für sich allein oder gehen sie
eine Symbiose mit ihrer Umgebung ein?
Sirvent: Ich sage immer: Die Zeit muss reif sein für ein Kunstwerk. Das A
und O in der Vorschaffensphase ist für mich immer der Raum oder Ort, an
dem das Werk seinen Platz finden soll. Diesen gilt es zu ergründen und verstehen zu lernen. Dessen architektonisches Umfeld, aber auch die Natur
darum herum sind dann die entscheidenden Faktoren, anhand derer ich den
Maßstab und die inhaltliche Ausrichtung der Skulptur festlege. In allen meinen Arbeiten will ich ein sehr direktes Verhältnis sowohl zu ihrem Umfeld
als auch den Menschen ausdrücken. Und durch ihre Schlichtheit sollen sie
den Weg zum Essenziellen aufzeigen.
Das estatements Magazin bedankt sich für das Interview!
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kJOSEP MARIA SIRVENT
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Josep Maria Sirvent in seinem Werk Porta de Fornalutx,
2008 Granito Blanco y Acero Corten, 800 x 300 x 130 cm, Mallorca.
Durch die hochpräzise Handhabung natürlicher Stoffe wie Granit,
Marmor, Cortenstahl und Eisen zeichnet sich Josep Maria Sirvent als
Ingenieur unter den Künstlern aus. Seine Werke leben von der einzigartigen Spannung zwischen der Kraft des Materials und dem Mythos
des Ursprünglichen, von einem engen Dialog, einer innigen Umarmung
von Stein und Metall. Diese Einheit, die den gemeinsamen Ursprung
manifestiert, zeugt weder von Hierarchien noch von Unterschieden,
sondern von gegenseitiger Ergänzung, Harmonie und Eleganz. Im Pyrenäendorf Llivia, wo die natürliche Landschaft von Eisen und Granit
geprägt ist, begann sein bildhauerisches Schaffen. Bei der Arbeit mit beiden Stoffen
führte er ihre Symbolkraft in mächtigen Kunstwerken zusammen, in denen Eisen Kraft,
Ausgewogenheit und Beständigkeit symbolisiert, während Granit mit seiner Reinheit,
Formbarkeit und Ambivalenz den Kontrapunkt bildet. Ab den 1990er-Jahren brach seine
neue Schaffensphase an, in der seine Werke die Einheit von Material und Stil fortsetzen,
jedoch stärker von Formalisierung, Verfeinerung, Reinheit und Monumentalität zeugen.
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Immobilien,
die bewegen
Eben erst hat die PATRIZIA KinderHausStiftung ihr neuestes Projekt, eine weiterführende Schule in Kameruns Hauptstadt
Yaoundé, fertiggestellt. Es ist bereits das
zwölfte KinderHaus weltweit und es sollen
noch viele weitere folgen. Im estatements
Magazin sprechen Alexander Busl, seit Juli
2015 in der Geschäftsführung der Stiftung,
und Stiftungsvorstand Constanze Egger
gemeinsam über Potenziale, Pläne, Prozesse – und was Stiftungsarbeit für sie ganz
persönlich bedeutet.
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David (10) beim Unterricht im KinderHaus in Buyamba, Uganda.
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Gemeinsames Mittagessen im KinderHaus in Byamba, Uganda.
Herr Busl, Sie sind seit etwa einem halben Jahr bei der
KinderHaus-Stiftung – Was beeindruckt Sie bislang am meisten?
Alexander Busl: Die vergleichsweise hohe Geschwindigkeit und die Dynamik, mit der die Stiftung agiert. Von der Idee, deren Diskussion bis hin zur
Entscheidung ist die Zeitspanne sehr kurz. Entsprechend schnell erfolgt
die Umsetzung. Auffallend ist darüber hinaus das Potenzial, das die Stiftung
grundsätzlich mit sich bringt. Von meiner Warte aus spreche ich hier speziell vom Fundraising und den vielen Möglichkeiten, dieses auszubauen.
Frau Egger, wie sehen Sie die Stiftung aktuell?
Constanze Egger: Wir arbeiten momentan daran, uns auf Augenhöhe mit
der PATRIZIA Immobilien AG zu bringen. Diese ist ja in den letzten Jahren
stark gewachsen. Dieses Wachstum und das daraus entstandene Netzwerk
wollen wir künftig stärker nutzen. Wir möchten deutlicher in der Öffentlichkeit platzieren, dass wir mit dem Bau unserer KinderHäuser große, notwendige soziale Projekte umsetzen.
Wen wollen Sie damit ansprechen?
A. Busl: Viele große Unternehmen wollen sich sozial engagieren und ihrer
Verantwortung nachkommen. Genau die möchten wir als Mitmacher gewinnen, uns diesen öffnen und ihnen auf hohem Niveau und mit großer
Professionalität die Möglichkeit bieten, sich ohne eigenen strukturellen
Aufwand sozial zu engagieren.
Sekundarschule: das KinderHaus in Sondoveni, Peru.
sind also vergleichsweise wendig und schnell in unseren Entscheidungsprozessen. In der Zusammenarbeit mit unseren Partnern stellen wir auch
immer wieder fest, dass wir Projekte strenger prüfen, Dinge tiefer und
langfristiger durchdenken. Daraus ergibt sich, dass wir vieles auch ablehnen. Nur Projekte, die unserem Qualitätsanspruch und einer entsprechend
dahinterliegenden, ja, Checkliste genügen und nachhaltig im Sinne von
zukunftssicher sind, gehen wir an.
bereits eine erhöhte Taktung erkennen. Vier unserer KinderHäuser haben
wir in Deutschland errichtet und es ist ein Fakt, dass Projekte in Deutschland wesentlich zeitintensiver als anderswo auf der Welt sind – im Schnitt
sprechen wir von mindestens drei Jahren. Für europäische Projekte brauchen wir also mehr Zeit und dennoch ist es keineswegs utopisch, mindestens zwei KinderHäuser pro Jahr zu eröffnen. Im Gegenteil! Wir wollen sogar
eigentlich mehr schaffen.
Wo sehen Sie die größten Entwicklungspotenziale?
A. Busl: Wir möchten beim Prozessmanagement innerhalb der Stiftung
noch professioneller werden. Auch die Projektentwicklung der Häuser kann
optimiert werden, indem man das „Was will ich wo mit wem machen?“ zusammenbringt und klärt, bevor man in die Planung des konkreten Baus
geht. Wenn wir beispielsweise vorhaben, ein KinderHaus auf dem afrikanischen Kontinent zu bauen und eine große deutsche Firma dort bereits eine
Niederlassung hat, sollten wir diese im Vorfeld unbedingt ansprechen. Und
falls es seitens des Unternehmens eine Affinität für die Förderung von
Schulthemen gibt, macht es sicher mehr Sinn, gemeinsam eine Schule als
ein Waisenhaus zu realisieren. Der Partner vor Ort wird gegebenenfalls
auch schon einen Betreiber vor Augen haben, den man früh mit an Bord
nehmen kann. Projekte können so bereits in einem sehr frühen Stadium
nochmals wesentlich zielgenauer konzipiert werden.
A. Busl: Hinzu kommt, dass sich die Stiftung mit den ersten zwölf KinderHäusern stark professionalisiert hat und inzwischen bestens verdrahtet ist.
Dennoch geht es uns ganz klar stets um die Einhaltung unserer qualitativen
Standards. Wir möchten aber auf jeden Fall in der genannten Taktung weitermachen und so viele KinderHäuser wie möglich umsetzen. Das treibt
uns an. Und die Potenziale sind vorhanden – wir wollen sie nutzen und
nehmen jede Herausforderung gerne an!
Was bedeutet das für Stiftungspartnerschaften bzw. Sponsorings?
C. Egger: Wir erweitern unser Angebot vor allem für Unternehmen. Diese
können sich zu den unterschiedlichsten Graden bei einem Projekt einbringen – einmalig oder über einen gewissen Zeitraum fortlaufend, rein finanziell oder gestaltend. Dafür bekommen sie neben dem guten Gefühl, sinnvoll und nachhaltig geholfen zu haben, on top die gesamte Projektsteuerung,
die PR und das Marketing und somit die Möglichkeit, das eigene Engagement ohne Aufwand intern und extern zu kommunizieren.
Gemeinsam Zukunft bauen – So lautet der Slogan für die KinderHausStiftung. Was steht dahinter?
A. Busl: Projekte strategischer angehen – wie gerade beschrieben. Außerdem möchten wir viel mehr Beteiligte, mit denen wir gemeinsam Zukunft
in Form von KinderHäusern bauen können. Soziale Projekte sind per se
eine Aufgabe für jedermann – im privaten Umfeld ebenso wie für ein Unternehmen. Und letztlich drückt der Slogan das aus, was die Stiftung seit
jeher tut – sich durch den Bau von Häusern für die Zukunft von Kindern
einsetzen.
Was unterscheidet die KinderHaus-Stiftung von anderen Hilfsorganisationen?
C. Egger: Der Punkt ist: Wir können nur sozial sein, wenn wir wirtschaftlich
sind. Und so führen wir die Stiftung seit jeher durch die Unternehmerbrille,
Die Stiftung hat bislang zwölf KinderHäuser eröffnet. Bis 2024 sollen
jährlich mindestens zwei weitere hinzukommen. Warum diese
erhöhte Taktung?
C. Egger: Schaut man sich die letzten drei Stiftungsjahre an, so kann man
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Die Schulräume im KinderHaus in Buyamba:
Hier gibt es eine Vorschulklasse sowie die Grundschulklassen 1 bis 7.
zurückzugeben. Ich empfinde es als ein tief aus dem Inneren kommendes
Bedürfnis, eine sinnvolle Arbeit im Sinne der sozialen Verantwortung, die
jeder Einzelne von uns hat, zu leisten.
A. Busl: Mein Antrieb ist die Sinnhaftigkeit unserer Tätigkeit: Das Wissen,
dass wir es mit unseren KinderHäusern schaffen, dass Kinder lernen können, als Waisen aufgenommen und versorgt werden oder schlicht durch
eine Klinik überleben können. Dieses Gefühl macht das eigene Leben ein
Stückchen besser. Und die Möglichkeit, dass noch mehr Mitmacher ein
Teil dieses Gefühls werden, das wollen wir bis 2024 umsetzen.
Das estatements Magazin bedankt sich für das Gespräch.
Haben Sie Standortpräferenzen hinsichtlich der neuen
KinderHäuser?
C. Egger: Nein, wir beschränken uns ganz bewusst nicht. Eine gute, überzeugende Projektidee werden wir immer – egal, wo diese lokalisiert ist – prüfen.
Warum gibt es außer in Deutschland keine KinderHäuser in Europa?
C. Egger: Bislang konnte uns noch kein europäisches Konzept voll und ganz
überzeugen. Es ist aber unser großer Wunsch, speziell an den europäischen
PATRIZIA Standorten, KinderHäuser zu realisieren.
Was haben Sie sich in Bezug auf die bestehenden Häuser vorgenommen?
C. Egger: Innerhalb der letzten drei Jahre haben wir bis auf unser Haus in
Nepal alle KinderHäuser mit Stiftungsvertretern besucht. Auch künftig sollen deutsche Häuser einmal pro Jahr, alle anderen Häuser zumindest alle
zwei Jahre besucht werden. Damit sichern wir unseren Qualitätsanspruch
auch im laufenden Betrieb.
Was ist für Sie beide jeweils der größte Motor, der Sie bei der Stiftungsarbeit antreibt?
C. Egger: Das eigene Know-how zu nutzen, um anderen Menschen etwas
kPATRIZIA KINDERHAUS-STIFTUNG
Constanze Egger (rechts) engagiert sich seit der
ersten Stunde (1999) bei der PATRIZIA KinderHaus-Stiftung. Seit 2009 ist sie Vorsitzende des
Vorstandes und in dieser Position unter anderem für Strategie, Finanzen und Neuprojektierungen zuständig.
Alexander Busl (links) ist seit 2015 in der
Geschäftsführung der PATRIZIA KinderHausStiftung tätig. Seine Hauptaufgaben innerhalb
der Stiftung umfassen neben deren strategischer Weiterentwicklung schwerpunktmäßig
das Fundraising sowie die Spender- und Sponsorenbetreuung.
PATRIZIA
Immobilien
k Die PATRIZIA Immobilien AG ist seit über 30
PATRIZIA Immobilien AG
PATRIZIA Bürohaus
Fuggerstraße 26
86150 Augsburg
Telefon +49 821 50910 - 000
Telefax +49 821 50910 - 999
[email protected]
www.patrizia.ag
Jahren mit mehr als 800 Mitarbeitern in mehr als
zehn Ländern als Investor und Dienstleister auf dem
Immobilienmarkt tätig. Das Spektrum der PATRIZIA
umfasst dabei den Ankauf, das Management, die
Wertsteigerung und den Verkauf von Wohn- und
Gewerbeimmobilien über eigene lizensierte Investmentplattformen. Als anerkannter Geschäftspartner
agiert das Unternehmen gleichermaßen für große
institutionelle Investoren wie auch für Privatanleger
national und international und deckt die gesamte
Wertschöpfungskette rund um die Immobilie ab.
Derzeit betreut das Unternehmen ein Immobilienvermögen von rund 17 Mrd. Euro, größtenteils als
Co-Investor und Portfoliomanager für Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen, Staatsfonds,
Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Weitere
Informationen finden Sie unter www.patrizia.ag.