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SEPTEMBER 2014
ICON
ICON
September 2014
Dream on!
JUERGEN TELLER
Eine Fotoserie kuratiert von
ANNIE LEIBOVITZ, JUERGEN TELLER und BRUCE WEBER
E r h ä l t l i c h a u s s c h l i e ß l i c h i n L o u i s V u i t t o n G e s c h ä f t e n . T e l . 0 2 11 / 8 6 4 7 0 0 l o u i s v u i t t o n . c o m
ANNIE LEIBOVITZ
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ALFRED EISENSTAEDT/THE LIFE PICTURE COLLECTION/GETTY IMAGES)
Träum weiter, Darling
N
atürlich ist das Foto oben gestellt. Aber das macht nichts. Denn genau so haben wir uns das Leben von Sophia Loren und
ihrem Mann Carlo Ponti doch vorgestellt damals. Sie volles Haar, volle Lippen, voller Sex-Appeal, umgeben von Dekorationspracht. Er liest ihr wahrscheinlich mal eben einen filmtauglichen Stoff vor. Amore mio. Amore dio. Nein, das Leben
seinerzeit war nicht besser. Vor allem nicht für alle. Und doch lassen wir uns immer wieder gern von dem Glow der
Jahre verzaubern, als es noch „Happy Few“, „Jetset“ oder „High Society“ als begehrenswerte Gesellschaftsformen gab. In
unserer Selfie-gepeitschten Zeit, da zudem die Weltfugen so beben, wollen wir Sie also einladen, mit uns ein wenig abzutauchen, der
schönen Unbeschwertheit nachzuhängen. Wir wollen Sie anregen und ermuntern. Die Allure ist nämlich nicht etwa ausgestorben, sie
verzieht sich nur lieber ins Private. Und so möchte ich diese Ausgabe auch Gunter Sachs widmen. Er war der Letzte der wahren Playboys. Aber seine Inspiration bleibt. Der Jetset, den ich meine und der uns als Leitthema dieser (nun aufwendig gebundenen) Ausgabe
begleitet hat, brauchte natürlich Geld für seinen Stil. Aber mit Geld allein gehörte man nicht dazu.
Cover: Kleid von Valentino. Mantel: Ralph Lauren. Schuhe: Dolce & Gabbana. Schmuck: Chanel Haute Joaillerie
IRINA VON GAGERN
Das Eintauchen in andere Welten, Menschen treffen, ihre Visionen und Motivation erfahren – ganz egal ob Stierkämpfer, Golfkriegsveteran oder Hollywoodstar. Das ist es, was Irina von Gagern an ihrem Beruf als TV- und Printjournalistin reizt. Nach einem Volontariat in Berlin bei N24 und ProSieben zog sie 2000 nach London, berichtete für verschiedene Sender aus dem
Königreich und begann parallel mit dem Schreiben. Heute lebt die 43-Jährige mit ihrem Mann und drei Kindern in Bayern auf dem Land. Wo sie ihre
nächste Reportage hintreiben wird? Abu Dhabi? Kenia? So genau weiß sie das nie. Für uns reiste sie jedenfalls nach Umbrien und besuchte die Familie Bolza, deren Geschichte wie aus dem Märchenbuch klingt. Am liebsten wäre die Journalistin, die auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen ist, mindestens eine ganze Woche lang in Umbrien geblieben, so herzlich war der Empfang. Und die Landschaft erst ... Aber lesen Sie selbst. Seite 96
TITEL: KRISTIAN SCHULLER; DIESE SEITE: MARTIN U.K. LENGEMANN; NIKO SCHMID-BURGK
USCHKA PITTROFF
Wenn sich jemand in Sachen Luxus auskennt, dann Uschka Pittroff. Die Autorin mit bayerischen Wurzeln lebt in
Hamburg und hat seit jeher eine Schwäche für die schönen Dinge des Lebens und für Menschen, die sie gestalten.
Als Gründerin und langjährige Chefredakteurin von „Amica“ und „fivetonine“, dem ehemaligen Luxusmagazin der „WirtschaftsWoche“, als Chefreporterin von „Cosmopolitan“ und heute als Autorin für ICON bereist sie die Welt – immer auf der Suche nach inspirierenden Kreativen. Für uns besuchte sie nun Jean-Claude Ellena, Chefparfümeur von Hermès, in seinem Haus in der Provence („Nicht nur ein Duft-Zauberer, sondern auch ein
Bezauberer!“) und führte mit ihm und seiner Nachfolgerin Christine Nagel weltweit das erste Doppelinterview. Getrennt voneinander, aber mit den
identischen Fragen. Und natürlich unterschiedlichen Antworten. Seite 110
NIKO SCHMID-BURGK Die Begeisterung für Fotografie hat Niko Schmid-Burgk von seiner Mutter geerbt. Mit 13 Jahren entwickelte er
seine ersten Fotos in der Dunkelkammer eines Freundes. Nach dem Abitur assistierte der Münchner zwei Jahre
lang bei mehreren Fotografen und studierte im Anschluss das Sujet in seiner Heimatstadt. Ende der 80er-Jahre ging er dann für eine längere Zeit
nach Sydney. Das war der Beginn seiner Karriere als selbstständiger Fotograf. Heute lebt und arbeitet Schmid-Burgk wieder von München aus. Ob
die Menschen vor seiner Kamera berühmt sind oder nicht, bei der Arbeit zählt für ihn vor allem das „pure menschliche Miteinander“. Das fand er
diesmal bei der Familie Bolza in Umbrien. Sowie das für Außenaufnahmen nötige Quentchen Glück. Denn die graziösen Aufnahmen drohten zuerst im Morgennebel unterzugehen. „Doch plötzlich riss der Himmel auf und das Glück wurde umso größer.“ Seite 96
IMPRESSUM ICON
Redaktionsleitung: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Nicola Erdmann, Silvia Ihring, Sarah Lehnert, Lisa Strunz, Ligia Tudorica, Mira Wiesinger. Mitarbeit: Julia Hackober.
Korrespondentin in New York: Huberta von Voss, Stylistin in New York: Nadja Rath; Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Autoren: Susanne Opalka, Esther Sterath, Andreas Tölke Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver
Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Katja Schroedter, Maria Christina Agerkop Fotoredaktion: Julia Sörgel; Elias Gröb, Sophie Henkelmann
Verlagsgeschäftsführung: Jan Bayer (Vorsitzender), Dr. Stephanie Caspar General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stephan Madel; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected])
Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: Axel Springer SE Repro: Druckvorstufe WELT GRUPPE Berlin Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf
ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 12. Oktober 2014. Sie erreichen uns unter [email protected]
Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.
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SEPTEMBER 2014
KRISTIAN SCHULLER
Oben: Daphne trägt einen Mantel von Saint
Laurent. Rechts oben: Mantel von Akris. Kopfbedeckung und Handschuhe: Dolce & Gabbana.
Rechts: Mantel von Michael Kors. Armreif und
Ohrringe: Piaget. Mehr von unserem ParisShooting finden Sie ab Seite 56
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AUSGEWÄHLT
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ÜBE RIRD I SCH
Gibt es ihn überhaupt noch, den echten
Jetset? Unsere Lifestyle-Weisen sind da
wie immer grundpositiv gestimmt
SEHR RUHMA NTISCH
Was tun, wenn die Leinwandgöttin ganz
irdisch ein Kleid braucht? Elie Saab weiß,
was zu tun ist – und wir jetzt auch
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LA D OLC E ICONA
Unsere Fashion-Ikone und Icomi lassen es
fürs süße Leben mal total krachen. Man darf
wohl sagen: Es hat sich gelohnt
AUF DEM DACH DER WELT
Das „Peninsula“ ist Inbegriff von Eleganz. Im
europaweit ersten Haus, in Paris, kleideten
wir unser Model dementsprechend ein
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TO DSDAL FEMININ
Bis Alessandra Facchinetti kam, vermisste
man bei Tod’s eine Damenkollektion. Das
hat sich geändert. Gründlich
MODE
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DE R KICK BEI M STRICK
Von wegen großmütterlich: Mit diesen
Strick-Kombinationen gehören Sie mindestens auf die Fifth Avenue
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FIRENZE O HNE GRENZE
Wo ist der italienische Glamour hin?
Ermanno Scervino will ihn wiederbeleben.
Wir sagen: mit großer Chance
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ME INE H ERREN!
Lange waren Blazer, Anzug und Co. bei
Frauen nicht mehr sonderlich populär. Das
sieht nun anders aus. Im Wortsinn
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ENO RMER DRUCK
Die High Society liebte ihre Prints. Doch
Mary Katrantzou orientiert sich derzeit neu.
Die High Society liebt’s wieder
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CAT WOMAN
Für das Tier in der Frau: Schwäne, Katzen
und Rehe gehören in diesem Herbst nicht
nur in Hof und Wald
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SILBE RHOCHZEI T
Vintage, aber richtig: Bei Cameron Silver
glauben die Stars, früher sei alles besser
gewesen. Oder zumindest die Mode
SEI NICHT MO NTY, PYTHO N!
Im Paradies hat die Schlange ziemlichen
Mist gebaut. Als Accessoire macht sie sich
gut. Wir brauchen außerdem mehr Kilim
Und natürlich digital:
Auf dem iPad in der WELT
sowie online auf welt.de/icon
Kleid: Ungaro. Schmuck: Chopard. Uhr:
Patek Philippe. Schuhe: Prada. Koffer:
Louis Vuitton. Der Mann mit der dunklen
Brille ist der Fotograf Kristian Schuller
ICON
23
Tel. +49.89.2080770
ICON
SEPTEMBER 2014
Animal-Print gehört nach Afrika: Kassandra
trägt ein Oberteil und einen Rock von Gucci.
Mehr von unserem Shooting in Namibia sehen
Sie ab Seite 80
Kleid und Mantel von Louis Vuitton
Ein großes Dankeschön gilt Frauke Haas
aus der Botschaft von Namibia in Berlin
und auch dem deutschen Botschafter in
Windhuk, Onno Hückmann
Oberteil: Tod’s. Rock: Akris. Mantel: Missoni. Schuhe: Casadei
MODE
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GANZ HE I S SES THEM A
Bei dieser Mode halten Sie die Wüste Namibias für mindestens so glamourös wie einen
Laufsteg in Paris
Mantel und Schuhe: Jil Sander
108 WEIL’ S SO SCHÖ N WAR . . .
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CARTIERS CARTE BL ANCH E
In den Ateliers von Cartier scheut man
weder Kosten noch Mühen, wenn es darum
geht, Einzigartiges zu erschaffen. Mira
Wiesinger wurde Zeuge von großer Opulenz
109 HINTER DEN KULISSEN
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MACH MAL PAU SE
Ihnen sagt Reschio nichts? Dann schauen
Sie mal in Umbrien vorbei. Pferde, Grafen,
Burgen – edler erholt es sich fast nirgends
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GLOB AL DIARY
Unsere Kartenschreiberinnen schicken diesmal Post aus Venedig und der Provence
(nicht zu verwechseln mit Provinz)
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ALLE S VOL L , MR. CRU ISE!
San Pietro ist Sardiniens letztes Geheimnis.
Also fast. In manches Restaurant kommen
selbst Hollywood-Stars nicht hinein
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DER B AU PL AN
Alles Normcore, oder was? Dior baut auch
Sneaker de luxe. Wir haben genau zugesehen, wie das funktioniert
Sie war in den 90ern das erste Kampagnenmotiv von „Eternity“ und ist es nun wieder:
Supermodel Christy Turlington. Inga Griese
traf sie in New York zum Gespräch
RÖME R MACHEN SCHÖN ER
Kennedy und Bond: Wenn es ein Herrenlabel gibt, das für Jetset steht, ist es Brioni.
Dahinter steckt viel Arbeit
Kennen Sie Puig? Nie gehört? Aber die
Parfüms des spanischen Konzerns kennen
Sie. Ganz sicher. Susanne Opalka klärt auf
KOSMETIK
104 NE UE S VON DEN P ROF I S
Nach unserer Sommerpause haben unsere
Beauty-Beiräte wieder so einiges zu erklären.
Plus: neue Lieblings-Produkte
106 BE AUT Y MEETS FASHION
GESCHICHTEN
46
Längst können Modehäuser uns nicht nur
gut anziehen, nein, sie können uns auch
schöner machen
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KAUF DICH GLÜCKLICH
In einer kleinen New Yorker Galerie finden
Superreiche nun Dinge, die das Leben schöner machen. Und ja, auch ein eigenes Parfüm, das nach Glas und Beton duftet
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GLANZ UND MA RELLA
Sie galt als Stilikone der 60er-Jahre, war mit
dem Patriarchen Gianni Agnelli verheiratet
und hat nun ein Fotobuch über ihr schillerndes Leben veröffentlicht. Inga Griese hat
vorab darin geblättert
BELLA? MA RBELLA!
Vergessen Sie St-Tropez. Die Geburtsstätte
des Jetsets ist in Spanien. Wir trafen
Tita von Thyssen, so eine Art Expertin
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BRADERUPER WEG 2 25999 KAMPEN / SYLT
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STILISTEN
Wau!
NET-SET
Als Fotograf Edward Quinn (1920–1997) in den 50er-Jahren an die Côte d’Azur
zog, entdeckte er die Liebe für ein ganz besonderes Motiv: Berühmtheiten
und ihre Tiere. Ob Schauspielerin Brigitte Bardot, die mit ihrem Mischling im
Bett kuschelt, Schriftsteller William Maugham, der mit seinem Pekinesen auf
dem Boden herumtollt, oder Model Hjordis Tersmeden, die hier mit Zwergpudel und Afghanischem Windhund auf Spritztour geht – im Bildband „Celebrity
Pets“ (teNeues Verlag) sind die schönsten Aufnahmen vereint.
YESSSS! Ich habe in diesem Sommer nicht
gearbeitet und nur Ferien gemacht! Ich habe
die dollsten drei Monate meines Lebens verbracht. Drei Wochenenden auf Ibiza, zwei
Wochen auf Mykonos, Hydra, Patmos, Salzburg, einige Tage in St-Tropez und in den Hamptons. Ich habe alles mitgemacht. Habe alles gesehen.
Unvergessliche Sonnenuntergänge auf den Terrassen der teuersten besten Restaurants. Atemberaubende Hochzeiten umgeben von den glücklichsten Frauen und Männern dieser Welt. Rauschende Feste, Partys in den angesagtesten Nachtklubs bis zum Morgengrauen mit den coolsten
Modedesignern, den hippsten Celebrities und sexiest Models ... weiße Strände am Mittelmeer, menschenleer mitten im August. War auf super
Yachten und bei Barbecues an endlosen Swimmingpools mit amerikanischen Milliardären. Drei intensive Monate Luxusleben an den schönsten
Plätzen dieser Welt, umgeben ausschließlich von „the beautiful people“. Und all das ohne jemals einen Flughafen zu streifen, voll von internationalen Touristenmassen (keine Zwei-Liter-Flaschen Wasser am Security Check, pleeeaase!!!), ohne ein Hotel oder eine Einladung zu organisieren.
Emmanuel de
Kurzum: ein 200-Prozent-Jetset-Leben, ohne auch nur einen Cent dafür zu bezahlen. Gratis. Zu Hause. Nach getaner Arbeit. Abends auf FaceBayser
book, gefüttert von meinen „Freunden“.
Mitbesitzer von
Ich habe den ganzen Sommer arbeitend verbracht und alles durch Vermittlung und die Augen anderer erlebt. Das ist wunderbar: keine NotwenThe Corner Berlin
digkeit mehr, wie früher Magazine zu kaufen und vom unerreichbaren Glamour des Jetsets zu träumen. Vorbei das „smart set“ der 20er- und 30erJahre, der Fitzgeralds, Nouailles und Cocteaus. Vorbei auch der „Jetset“ von Slim Aarons mit Jackie, den Agnellis und Gunter Sachs. Heute ist die ganze
Welt Jetset. „Ah, schau, ich habe gerade einen ganzen Abend mit Pharrell Williams verbracht“, sagte unlängst eine Freundin und zeigte mir ein Foto mit ihm
auf ihrem iPhone, aufgenommen während der Berlin Fashion Week. Selfies, Social Media – das sind die neuen Schlüssel zum Eingang in das Reich des neuen Jetset. Ultra easy. In der Umsetzung nicht ganz. Man braucht schon Selbstbewusstsein, um jeden Star, der einem über den Weg läuft, um ein Foto zu bitten. Man muss schon extrem exhibitionistisch sein, um vor den Augen der Welt seine täglichen Erfolge auszustellen. Erst die Inszenierung des Ganzen: Outfit, Make-up, Lippen leicht geöffnet, Lächeln leicht angespannt, der Hintergrund ... und dann das Retouchieren, das Foto online stellen, alles zur richtigen
Zeit, damit bloß eine maximale Anzahl von Freunden es auch sieht. Text verfassen, Kommentare beantworten. Ein Fulltime-Job!
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2014 EDWARDQUINN.COM
UNSERE LIFESTYLEWEISEN SIND NICHT NUR TREND- SONDERN AUCH WAHRE JETSETTER
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UNE PHOTOGRAPHIE DE MONSIEUR ALAIN DELON PAR JEAN-MARIE PÉRIER (1966) POUR DIOR
Coole Klamotte, provozierender Blick
und barfuß: So bekam Jean-Marie
Périer den Filmstar 1966 in St-Tropez
vor seine Kamera. Alain Delon drehte
dort gerade mit Romy Schneider den
Film „La Piscine“, der drei Jahre später
auch in Deutschland für Furore sorgte.
Wie kein Zweiter verkörperte der
Schauspieler damals das Versprechen
von ungezähmter Männlichkeit. 1966
aber lancierte das Modehaus Dior sein
erstes Männerparfum: „Eau Sauvage“.
Ein Zufall? 2009 verwendete das Unternehmen jedenfalls das in seiner Lässigkeit so aufreizende Foto für eine neue
Kampagne des Duftklassikers. Nachzulesen im prachtvollen Bildband „Dior,
The Perfumes“ (Rizzoli Bookshops).
Vielflieger brauchen
immer handgepäcktaugliche
Kosmetik: Dieses (Jet)Set
ist von Aesop
ICH REISE,
ALSO
VERDIEN ICH
UND SONST NOCH
ULLSTEIN BUCHVERLAGE
DIE LIEBEN KOLLEGEN: Kann Frau mit vier kleinen Kindern
mal eben wegen Schatzi ins Valley umziehen? Kann Frau.
Und nebenbei auch noch zu innerer Gelassenheit finden.
Wenn Frau dann noch Katja Kessler heißt, wird aus der Erfahrung ein lebenskluges und zugleich sehr komisches
Buch. „Silicon Wahnsinn“, Verlag Marion von Schröder
——— SELBST GEMACHT: Prada macht im Oktober
die Kunden zu Designern. In München und
Berlin können sie ihre Schuhe gestalten.
——— GESPRAYT: Graffitikünstler André Saraiva hat für die Winterkollektion von Marc
O’Polo Damenshirts entworfen. ——— RASANT: Martini kehrt in einer limitierten Edition mit „Racing“-Streifen als Apéritif in
unsere Hausbar zurück – wie auch als Sponsor in die Formel 1. ———
SO SCHLAFEN DIE DEUTSCHEN: Über „Art of Travel“ können nun Zimmer im Teamhotel der Nationalelf in Campo Bahia gebucht werden.
PRADA
Der Begriff „Jetset“ leitet sich, laut Wikipedia, „von einem
Lebensstil ab, bei dem mit dem Flugzeug (Jet) in schneller
Folge zwischen den schönsten, angesagtesten oder exotischsten Plätzen der Welt gewechselt wird“. Er beschreibt
demnach auch treffend mein Leben. Ich bin Vollblut-Jetsetterin und ich stehe dazu. Allein: Im Gegensatz zum traditionellen Jetset-Leben, in dem Reisen um den Globus
vornehmlich dem Müßiggang dient, reise ich um Geld zu
verdienen. Fühlt man sich von klein
auf als rastlose Welt-Nomadin, die am
liebsten jeden Tag woanders aufwacht, und wurde man nicht mit
(ziemlich langweiligem) Superreichen-Status geboren, der den wahren
(ziemlich langweiligen) Jetset ermöglicht, bleibt nur eine Lösung: ein Job,
Ala Zander
der einen ständig auf Reisen schickt,
Inhaberin der
Business-Jetset quasi. Ich wollte imPR-Agentur Stilart
mer ein Traveller sein und ich wurde:
„TravAla“.
Es ist mir gelungen, meinen Geschäftsalltag mit den
schönsten, angesagtesten oder exotischsten Plätzen der
Welt zu verknüpfen, was mich zu einem weiteren beruflichen Projekt inspiriert hat: einem eigenen Reiseblog.
Doch auch wenn mein erfülltes Leben, lückenlos in Travala-Instagram-Bildern dokumentiert, aussehen mag wie ein
schnöder Dauerurlaub: In jedem frisch eröffneten DesignHotelzimmer und an jeder Hotspot-Bar, an jedem Pool
und jedem Strand ist mein mobiles Büro immer dabei.
Und noch ist sehr viel Business-Jetset nötig, um für mein
Blog-Projekt genügend Müßiggang zu schaffen ... In diesem Sinne: Ich muss los!
Wäre Donatella Versace eine
Tasche, wäre sie wohl dieses
goldene Modell aus ihrem
Hause. Die D. Signature Bag
gibt es seit Juni. Und das D
steht, wie könnte es anders
sein, für Donatella.
So geht
Jetset!
PEOPLE PICTURE
Er prägte den Begriff
des Playboy-Gentleman und war so viel
mehr: Gunter Sachs
(1932–2011). Der Unternehmer, Mathematiker, Künstler und
Kunstsammler wusste
zu genießen. Sachs war
das unverschämt attraktive Gesicht des Jetset der 60erund 70er-Jahre. Der König der Côte d’Azur. Seine mondäne
Leichtigkeit beeindruckte die schönsten Frauen der Welt –
nicht seine Millionen. „Ich bin ein Troubadour“, sagte er
einst. Ja, er war ein aus seiner Zeit gefallener Romantiker.
DAS LEBEN IST
ZU KURZ FÜR
SCHLECHTEN
WEIN
EMPORIO AR
Als die italienische Industriellenfamilie Agnelli einst Forte dei
Marmi als Ferienort entdeckte, wurde dieses Fleckchen Erde
schlagartig weltberühmt. In Italien sind der Name und die Lage
an der toskanischen Küste ein Synonym für Erholung und Auszeit. Meine Familie hat hier seit vielen Jahren einen Wohnsitz,
wo wir mit großer Freude unsere Ferien verbringen. Ich gestalte
diese Tage sehr leger, fernab von allem Trubel und Telefonaten
und versuche so viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen wie
irgendwie möglich. Wir unternehmen lange Ausflüge in die
herrlichen Kiefernwäldern oder ausgedehnte Strandspaziergänge. Für ein köstliches Abendessen sind die
Restaurants „Lorenzo“ oder „Maito“ meine erste
Wahl. Für einen Aperitif am Strand eignet sich
das „Bagno America“ bestens oder zu späterer
Stunde das „La Capannina di Franceschi“. Wobei ich hier, als Frühaufsteher, eher seltener
anzutreffen bin. Ich schätze das Frühstück bei
Luca Caprai
„Soldi“ im Stadtkern. Fast alle meine Freunde
Inhaber von Cruciani
und auch Geschäftspartner sind ebenfalls in
Forte dei Marmi und nirgendwo lässt es sich entspannter über
neue Projekte sprechen oder Ideen entwickeln. Und ja, hier
begann auch der Hype um meine Makramee-Armbändchen.
MANI
FOREVER
FORTE DEI MARMI
Mit Verlaub, aber
Farbverlauf ist
in. Drum gibt’s
von Emporio
Armani nun
auch eine kleine
Degradé Capsule
Collection
Das Wort Jetset ist so 60er-Jahre – zumindest was
Deutschland betrifft. Das war damals vor allem der
junge Gunter Sachs. Quasi der „Godfather“, dem
alle in Scharen nach Sylt folgten. Denn da, wo er
war, war das Leben. Die Party. Das Vergnügen.
Tagsüber aalten er und seine Jünger sich am
Strand, ließen die Hüllen fallen und hatten nur
noch ihr Kofferradio an. Was nicht jedermanns Geschmack war – Romy Schneider soll sich gar darüber beschwert haben, dass „in jeder Welle ein nackter Arsch hängt“, und stattete Sylt respektive „Nackedunien“ nur einmal einen Besuch ab.
Dabei verpasste sie legendäre Nächte, in
denen rauschende Feste gefeiert wurden.
Ja, ja – das Leben wurde damals in vollem
Maße und äußerst mondän genossen.
Was geblieben ist, sind die Geschichten
und die Erkenntnis, dass nichts für die Herbert Seckler
Ewigkeit ist. Deshalb sollten Sie sich ruKultwirt vom
hig den 2011er „Buccella“ gönnen – ein
Sylter „Sansibar“
Cabernet Sauvignon aus Napa Valley,
ein üppiger Wein mit Aromen von dunklen Früchten, Lakritze, Kaffee und schwarzer Schokolade.
So kostbar und zeitlos, dass der Jetset von heute
dafür sogar den Champagner stehen lässt.
TRENDBAROMETER VON WOLFGANG JOOP
Herr Haka Frau Dob
Der Jetset war die Sehnsucht, die Projektionsfläche, zu
der man aufschaute. Ein Leben, das man bewunderte,
nicht teilte. Heute haben wir ja eher ausgeträumt. Und
spüren dabei eine Sehnsucht nach alter Zeit. Ich habe
damals in Hamburg noch ein wenig davon mitbekommen:
Curd Jürgens, Harry Meyen, Romy Schneider. Die hatten
noch Geheimnisse, mussten sich nicht ständig mitteilen,
gingen nicht auf Nummer sicher. Das war ein völlig
anderer Flirt mit dem Schicksal damals.
Interessant eigentlich, dass du wenig vom Vintage-Look
hältst. Hast du nicht gesagt, dass der alle, die älter als 15
sind, alt macht? Dabei trägst du doch ständig deine ollen
Sachen, weil du Schuft da immer noch reinpasst. Wie?
Ach so, du erwartest aber auch nicht, dass die Klamotte
etwas aus dir macht, sondern du machst etwas Neues aus
ihr? Interessant. Ich denke vor allem, dass alles, was nicht
nach Mode aussieht, modern ist. Überhaupt, dieses
„Tragen-Müssen“ ist doch vorbei.
1963 CLAES OLDENBURG
BRAD PITT
WILL ES
Hunger auf
New York
Amerikas liebstem Sandwich setzte Claes Oldenburg 1963 mit seiner Arbeit
„Giant BLT“ ein Denkmal aus Vinyl, Kapokfasern und Holz. Für seinen Snackklassiker imitierte der Pop-Art-Künstler Speck, Salat, Tomate, Mayo und Brot.
Die fünf Zutaten könnten die Bezirke seiner Heimatstadt symbolisieren. Oder
einfach nur Lust auf einen großen Apfel machen.
„New York 50s & 60s“, ab 22. September im Christian Brandstetter Verlag.
HAUPTSACHE ALLURE
David Blieswood
Connaisseur aus Hamburg
UND SONST NOCH
Buchstäblich
schön: In der
neuen „Tiffany
T“-Kollektion
wird das T zum
Designelement
FÜR SIE: Inès de la Fressange hat
zum zweiten Mal eine Kollektion
für Uniqlo entworfen. Darunter auch diese Strickjacke
mit Bambi-Zwillingen. ———
FÜR IHN: Von Hermès gibt es
nun die „Tie Break“ App. Sie
erzählt die Geschichte der
Krawatte, erklärt den Weg
zum perfekten Knoten und
zeigt, welche Farben am
besten zum Hemd passen. ———
FÜR BEIDE: Till Brönner kann
auch fotografieren. Von Beth Ditto über
Armin Mueller-Stahl bis hin zu David
Guetta – seine Schwarz-Weiß-Portraits
von Musikerkollegen und Schauspielern
sind im Bildband „Faces of Talent“ (teNeues Verlag) erschienen.
UNIQLO
Gibt es heute noch Jetset? Nein! Vielleicht ausgestorben mit dem
Verschwinden der Concorde, verhungert seit dem Tag, als das
Flugzeug zum Massentransportmittel verkam. Talitha Getty in
Marokko, Marella Agnellis Porträt in der Villa Leopolda oder der
Marchese Pucci auf Capri im extravaganten Samtanzug – sind die
Bilder, die einem aufs Stichwort in den Sinn kommen. Die SaintLaurent-Clique im „Studio 54" bei der „Opium“-Premiere 1977 ist
ein Beispiel für Lässigkeit de luxe und eben nicht den schrillen
Bling-Bling-Stil, der heute oft mit Glamour verwechselt wird. Geld
war nicht das Allheilmittel, so wie es die neuen Reichen zur Schau
stellen, ohne Individualität und Qualität war alles nichts.
Stilistisch, besonders in den 60er- und 70er-Jahren, mischten die
Exzentriker gern couturige Einflüsse mit lässigem Ethno-Stil. Die
Interieurs von David Hicks sprechen ebenso diese Sprache wie die
frühen Kreationen von Diane von Furstenberg. Ob Capri oder
Portofino im Sommer, St. Moritz oder Megève im Winter – längst
ist alles in der Hand der Allgemeinheit, die wirklich schicken Leute
haben eine Alternative zum Um-die-Welt-Hetzen
gefunden. Entschleunigung und Intimität bilden den
Gegensatz zum Exhibitionismus der Massenmedien.
Ich fahre seit 40 Jahren im Sommer in das gleiche
Hotel in Italien und im Winter nach Österreich zum
Skilaufen an meinen Lieblingsort, umgebe mich mit
wenigen Menschen. Individualität wird großgeschrieben, Bodenständigkeit und Extravaganz gehen fliePetra Fischer
ßend ineinander über. Heute würde die Jetsetterin
Geschäftsführerin
vom „Modehaus
eher Marni oder Odeeh tragen, die in ihren Mustern
Fischer“ in Singen
von der flamboyanten Zeit inspiriert werden, und sie
wäre wahrscheinlich verwundert darüber, was man heute mit dem
verbindet, was sie damals eher zufällig trug. Den stärksten Glamour
verbreiten eher die intellektuellen und schlichten Sachen, das wusste schon Jackie Kennedy, die mit Valentino-Pulli, Hose und Sonnenbrille durch Capri streifte und nicht unter der Last ihrer Statussymbole zusammenbrach. Der neue Jetset ist längst gestartet.
Destination: Privatsphäre. Luxus ist: die Einfachheit genießen und
das Flugzeug einfach mal stehen lassen.
Brad Pitt führt ein Jetset-Leben, weil er
muss, nicht weil er will. Er und Angelina
Jolie-Pitt sind das meistfotografierteste
Paar der Welt: „Ich habe meine Anonymität verloren – aber das ist das Business!“ Luxus ist für ihn Lastlosigkeit.
Er hat 50 Motorräder: „Wenn ich einen
Helm trage, bin ich jedermann – und
frei.“ Einmal fuhr er mit seiner Ducati von
Berlin nach Prag – zum Biertrinken mit
Angelina – „meinem Fräulein“! Kleidung
ist ihm wurscht: „Sie muss nur bequem
sein! Ohne Regeln.“ Sein Wein-Schloss in
Südfrankreich ist sein Schutzraum (500
Hektar, Flugverbotszone): „Unsere sechs
Kinder sollen international aufwachsen!“
Sein Lieblingshaus steht in New
Orleans: „Auf dem Balkon ein Bier
trinken – und der Kakofonie der
Geräusche lauschen –, da bin ich happy.“
Mit Kindern fährt er Mini-Bus – allein in
einem 3er-Konvoi aus Jaguar, Mercedes,
Range Rover. Seine Bodyguards sind
Ex-SAS-Agenten mit Hawaiishirts. Zu
seinem 50. Geburtstag schenkte ihm
Angelina eine herzförmige Insel bei New
York. Er liebt Berlin (Soho House, QHotel) – hat kein gemunkeltes Apartment: „Bin doch nicht Donald Trump!“
Am glücklichsten ist er bei Sonnenaufgang in seinem 4-Meter-Bett mit
Angelina, wenn die Kinder reinkrabbeln
(liegen Matratzen davor). Angelina zu
mir: „Ich trage immer ihre sechs Pässe in
meiner Tasche (Tumi) – mehr brauche
ich nicht. Und den Ring von Brad.“ Er hat
auch seinen Ehering selbst designt: ein
Strohhalm-dünnes Goldband – gepflastert mit ca. 30 Mini-Mini-Diamanten! Wer ist Brad Pitt? „Ich bin ein Vater.“
Unser Streben nach Perfektion.
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Hinter der
Fassade
Richard Avedon (1923–2004) galt als
einer der einflussreichsten Modefotografen seiner Zeit. Doch der gebürtige New Yorker hatte auch ein Auge
für das Leben hinter der Glitzerwelt.
Er zeigte Persönlichkeiten wie Bob
Dylan oder Marilyn Monroe von ihrer
nachdenklichen Seite, und dokumentierte Ende der 60er-Jahre – während
sozialer Unruhen in den USA – das
Leben von Fabrikarbeitern, Bauern,
Landstreichern. Die eher unbekannten Werke des Künstlers werden bis
zum 9. November unter dem Titel
„Richard Avedon. Wandbilder und
Porträts“ im Münchner Museum
Brandhorst ausgestellt.
2014 THE RICHARD AVEDON FOUNDATION
SCHAMPUS!
Wieso weiß eigentlich jeder, was „Jetset“ ist, obwohl kaum einer dazugehört? Fragt
man nach, fallen Namen von deutschen „Playboys“ (als Synonym für das leichte,
schöne Leben, in Zeiten von Playstations komplett aus der Mode gekommen), französischen Schauspielerinnen und aus dem Adel. Als in den 50er-Jahren erste „Jet“Linienflüge die Propellermaschinen ablösten, war dieses schnelle Reisen noch kaum
erschwinglich. Der eigentlich für militärischen Einsatz entwickelte Düsenantrieb
erlaubte es wenigen Ausgewählten, immer am schönsten und angesagtesten Ort zu
sein (einige stiegen vom Hubschrauber gleich in die Concorde, war kürzlich zu lesen).
Sehnsuchtsorte wie St-Tropez, Sylt, St. Moritz oder Marbella sind zwar heute wie man
so sagt, touristisch erschlossen, aber es ist ihnen der Ruf des Exklusiven für die Schönen und die Reichen geblieben. Düsenflugzeuge sind heute längst Standard im allgemeinen Passagierverkehr und wirklich Luxusreisende nutzen schon eher eines ihrer
eigenen Flugzeuge. Was macht dann aber heute den Jetset noch aus, gibt es ihn
überhaupt noch als einen besonders exklusiven Lebensstil, der sich darüber definiert,
dass man am „richtigen“ Ort geladen ist, und wer gehört eigentlich dazu? Eine von
vielen Antworten gibt die Berichterstattung der Magazinpresse: Wer über den roten
Teppich läuft, bei den Golden Globe Awards, den Academy Awards
oder bei einer der zahllosen Filmpreisverleihungen, in richtiger Begleitung und richtiger Garderobe stilsicher im Small Talk ist, gilt in jedem Fall als Jetset-verdächtig. Reisen zu diesen Anlässen und Orten
werden allerdings für jedermann immer populärer, was in jedem Fall für
ausreichend Zuschauer und Bewunderer sorgt. Auch wenn die rote
Farbe des Teppichs heute schon chemisch hergestellt werden kann und
Dr. Maria
nicht mehr aus dem Drüsensekret der Purpurschnecke gewonnen wird,
Schneider
auch wenn die rote Farbe als die ehemals teuerste nicht mehr Ausdruck
Kreativdirektorin
von Reichtum ist, der rote Teppich hat seine Magie behalten. Und
der Autostadt
vielleicht transportiert er, als fliegender Teppich das Glück, an einem
in Wolfsburg
Sehnsuchtsort zu sein, auch als Nichtmilliardär.
ADEL
TA
REISEN AUF DEM
ROTEN TEPPICH
Design aus der
Zeit des Jetsets:
Der „Ball Chair“
von Eero
Aarnio ist von
1963. Über
theiconist.de
Was wurde ich herablassend als Jetsetter
abgetan, nur weil ich im August ein paar Tage nach Ibiza fahren würde. Namen wie Justin Bieber, Paris Hilton und Rihanna flogen
mir um die Ohren, genauso wie die Frage,
ob ich denn auch Champagnerflaschen für
600 Euro am Strand bestellen würde. Also,
ich habe schon Urlaub auf Ibiza gemacht,
da war Bieber noch gar nicht geboren. Der
Ruf der Insel war aber offenbar noch nie so
schlecht wie heute, jedenfalls unter Leuten,
die nicht Urlaub machen, um sich hinterher
in bunten Blättern abgebildet zu finden.
Was ist bloß mit dem Jetset passiert, dass
außer Horden von Paparazzi und Billigtouristen mit Smartphones niemand mehr in ihrer Nähe sein will? Ach ja, ein paar Russen
noch, die sich in den EventRestaurants am Hafen tatsächlich den teuren Champagner bringen lassen und ihre Yachten für alle sichtbar
vor den beliebtesten Badebuchten ankern lassen. Aus
Mykonos und Portofino Johnny Talbot &
hört man das Gleiche, von Adrian Runhof
Designer-Duo des
St-Tropez erst.
Wenn Jetset also nur noch Münchner Modelabels
Talbot Runhof
mit vulgärem „Show off“
assoziiert wird, muss dringend ein neues Wortspiel her für jene, die
ausgelassen, aber unaufgeregt und genießerisch, Land und Leute achtend, um die
Welt ziehen, um ihren größten
Luxus, Freizeit in Gesellschaft echter Freunde, zu zelebrieren. Ich
nehme gern Vorschläge entgegen,
derweil mache ich woanders
Urlaub. Wo, verrate ich ein anderes Mal …
Kein „Schampus“:
der neue Dom
Pérignon „P2“
Die Metamorphose eine Geschichte von Hermès
DoublefaceKaschmirmantel
mit Gürtel
Gerade geschnittene
Lammlederhose
Stiefeletten aus
glattem Kalbsleder
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Süßes Leben: Ohrringe
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Parfum“ von
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rezipiert: „Essenza“ von Acqua die Parma
Der Klassiker von Loro
Piana: „Dolcevita Piuma“
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Kein Armreif. Ein Statement!
Von Louis Vuitton
Icomi hat die
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Dieses Modell
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Calvin Klein Collection
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Die neue Masche der Designer heißt:
Strick von Kopf bis Fuß. Je gröber, desto
besser. Je länger, desto lieber. Das ist
reizvoll anzusehen, weckt aber auch
Vorfreude rein praktischer Natur: Vom
Büro auf die Couch? Kein Problem!
Bottega Veneta
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Chanel
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Yohji Yamamoto
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Haider Ackermann
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und, ganz wichtig,
Chri stian Dior
Bundfalten –
Hosenanzüge
dürfen in dieser
Saison alles sein.
Nur eines nicht:
Saint Laurent
Isabel Marant
42
Prada
Akris
Filippa K.
Givenchy
Emporio Armani
ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER; GETTY IMAGES/MONTAGE: ICON
Jil Sander
Hugo Boss
mädchenhaft
TIERLIEB
Stella Jean
Marc Cain
ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER; GETTY IMAGES/MONTAGE: ICON
44
Beim Fernsehen sagt man: „Kinder
und Tiere gehen immer“. Letzteres
gilt auch für die Modebranche.
Allover-Prints im Leo-, Zebra- und
Schlangenlook bleiben uns freilich
auch in dieser Saison erhalten.
Neu ist allerdings eine figürliche
Detailverliebtheit – Jagdtrophäen
für den Kleiderschrank
Wunderkind
Valentino
Antonio Marras
Au Jour Le Jour
Dolce & Gabbana
Gucci
Alberta Ferretti
A n i m a l i s c h
Küsschen links, Küsschen rechts: Marella mit ihren Hunden in der
Villa Frescot. Unten: Das Faible für verwunschene Gärten hatte
Marella von ihrer amerikanischen Großmutter geerbt
FAST SET
MARELLA AGNELLI (5); CAMILLA PECCI BLUNT MCGRATH © EARL MCGRATH (3); PHILIPPE HALSMAN/MAGNUM PHOTOS/AGENTUR FOCUS (2); FRANÇOIS
HALARD (2); CONDÉ NAST ARCHIVE/CORBIS; ROBERT L. KNUDSEN PRESIDENTIAL COLLECTION;OBERTO GILI
Links: Marella Agnelli und ihre Freundin
Luciana Pignatelli im Hafen von
Beaulieu-sur-Mer, 1962. Unten: Mit
ihren Kindern Edoardo und Margherita
Der letzte Schwan
Schwäne, so nannte Truman Capote seine
klugen Freundinnen wie Marella Agnelli
Man muss sich allein in diese Szene hineindenken: Die Mutter
pflegte im großen Baldachinbett im Schlafzimmer in der ersten
Etage des Florentiner Palastes aus dem 16. Jahrhundert stundenlang philosophische und religiöse Literatur zu lesen, die
Knie mit einer leichten Decke aus rosafarbenen Maraboufedern
bedeckt. In diesem Geist wuchs Donna Marella Caracciolo di
Castagneto, besser bekannt als Marella Agnelli, Witwe des legendären Fiat-Chefs Gianni, Model, Fotografin, Künstlerin,
Grande Dame, Gärtnerin auf. Der Vater, freiheitsliebender
Dichter, von bestem alten Adel, im Krieg Agent im Dienst der
Briten. Die amerikanische Mutter von Vermögen, Esprit und
Bildung. Marella verliebte sich in Gianni, bevor sie ihn traf, Heldengeschichten wurden über ihn erzählt. Und überhaupt, die
Agnellis: Sie waren der Mittelpunkt dessen, was in den 1930erJahren als „Fast Set“ bewundert wurde, ein glamouröses Leben,
befreit von moralischen Zwängen. Sie war 18, er Mitte zwanzig,
als sie sich nach dem Krieg schließlich kennenlernten. Eine Onoff-Liebe, zunächst. Die Mutter war wenig begeistert vom
Agnelli-Glamour. Doch 1953 heirateten die beiden in Straßburg.
Es wurde ein kolossales gemeinsames Leben. Gianni starb
2003, nun hat Marella ihre Memoiren verfasst. In Wort und vor
IG
allem in Bildern. „The last Swan“, bei Rizzoli. Ein Traum.
Oben: Marella in einer Robe von
Balenciaga auf den Stufen der
Villa „La Leopolda“, 1963. Rechts:
Die private Kapelle der Villa.
Daneben: Tochter Margherita
Golden Nineties: Gianni und Marella Agnelli in Turin (unten).
Die beiden waren 49 Jahre lang, bis zu Giannis Tod 2003, verheiratet
46
Cool an Bord: Gianni und
Marella Agnelli mit den
Kennedys beim America’s Cup
vor Rhode Island, 1962
LE
PLIAGE
®
HERITAGE
B E R L I N - D Ü S S E L D O R F - F R A N K F U RT- A M - M A I N - H A M B U R G - S T U T T G A RT - B A D E N - B A D E N - N Ü R N B E R G
FEIERABEND
Generation Easy-Jetset
Es gab Zeiten, da waren die Worte Marbella und Glamour beinahe Synonyme. Tita Baroness Thyssen
kennt die Costa del Sol seit damals. Ein Terrassenbesuch. Alex Trebus fotografierte
W
GETTY IMAGES MARBELLA CLUB, SLIM AARONS/GETTY IMAGES; MONTAGE: ICON
enn sich langsam
der Billigflieger
Richtung Landebahn senkt, wenn
die
Funktionskleidung raschelt
– dann hat einen
die Wirklichkeit
im Würgegriff. „Ach, was waren das für Zeiten“, seufzt Tita Thyssen beim Gedanken an
die 60er- und 70er-Jahre an der spanischen
Küste. „Heini hatte einen eigenen Jet“, sagt sie
und zieht noch mal an ihrer Zigarette. Mal
ehrlich, Tita, also ob Sie je in Ihrem Leben einen Flieger mit orangefarbenem Emblem bestiegen hätten? „Habe ich natürlich gemacht“,
behauptet sie. Tita von Thyssen, geborene
Carmen Cervera, in erster Ehe verheiratet mit
„Old Shatterhand“ Lex Barker, ist 1985 mit
dem millionenschweren Hans-Heinrich –
„Heini“ – von Thyssen-Bornemisza den Bund
Mein Haus, mein Boot, meine
Party: Tita von Thyssen kennt
sich da aus. Also, so wirklich
fürs Leben eingegangen. Der hat ihr eine
Kunstsammlung von van Gogh bis Picasso
hinterlassen, die weltweit im Wert auf Platz
zwei rangiert. Nach der von Elizabeth II. Und
ihr ist es allen Ernstes schnuppe, wie sie reist?
Es ist schön auf ihrer überdachten Terrasse.
Still, mit Blick auf Bananenstauden, dahinter
der Pool. Ausladende Sofas mit dicken türkisen Polstern, einem Esstisch für acht Personen, alles ein bisschen Bali-Style. Schön, aber
längst nicht so glamourös, wie es zu erwarten
wäre. Eher wie ein teures Ferienhaus auf Mallorca. Es ist das Dritt- oder Viertheim von Tita,
die gerade von einem Segeltörn um Ibiza
kommt. Immerhin mit der eigenen Yacht. Uff.
Was das Haus glamourös macht, ist zum Beispiel Brad Pitt als Nachbar.
Ein Abstieg in die Schäbigkeit ist also nicht zu
befürchten. Indes: Es hat sich viel geändert,
seit die Bardot, der junge Sean Connery, seit
Gina Lollobrigida auf Partys mit dem Motto
„Shabby Chic Leopard“ hier in Marbella am
Strand tanzten. Es ist heiß. 37 Grad, Tita
schwitzt nicht. Stil ist ein Frage von Contenance. Sie hat sich auch gehen lassen, obwohl
die Spuren in ihrem Gesicht kaum lesbar sind.
Wie ein Kerl hat sie breitbeinig ihre Sitzposition eingenommen, ihre Stimme ist tief, die
Gesamterscheinung eher metrosexuell denn
Vamp, trotz blonder Mähne und halb geschlossener Augen. Ihr, dem ehemaligen Fotomodell, wird von der globalen Klatschpresse bevorzugt unterstellt, sie habe sich nach oben
geschlafen. Erst der Lex und dann Heini und
dann ausgesorgt. Will man das wissen? Ausgesorgt aber hat sie, hat die berühmte Sammlung ausgebaut, kümmert sich um vier Museen, ist auf den Messen präsent und zahlt dafür mit dem Kalender einer Top-Managerin.
In Zeiten, in denen eine Katzenberger und Co.
als It-Girls gelten, ist sie der reine Glamour.
Paris Hilton? „Sie ist blond – oder?“, fällt ihr
ein. Als Tita und Heini sich fanden, war das
„Marbella Club Hotel“ auf dem Zenit. Irgendwann in den 50ern verschlug es Alfonso von
Hohenlohe an die Costa del Sol, er fand es dufte, lud Freunde ein, das Ganze geriet aus dem
Ruder und der Ansturm von vermögenden
Buddies führte dazu, dass Alfonso seinen Hideaway in ein Hotel umfunktionierte. Mit
nachhaltiger Wirkung: Die Straße vor dem
Areal trägt seinen Namen. Heute ist das Hotel
eine Anlage mit mehr als hundert Zimmern
und 14 Villen. Plus der Privathäuser, die auf
dem Clubgelände stehen, so auch das von Tita
Thyssen. Weiß gekalkte Häuser, spanisch
eben, an einem Sträßchen, das zum legendären Beach Club führt, unauffällige SecurityMänner. Direkt vor dem Beach-Club ein Parkplatz mit einem Rolls-Royce mit Berliner
Kennzeichen. Der Firmenwagen, der verrät:
Conde Rudi ist da. Er kam vor 60 Jahren, kurz
nach der Gründung der Keimzelle des Jetsets
(und nichts anderes ist Marbella). „Rudi“, Rudolf Graf von Schönburg, trat an, um Alfonso
zu unterstützen, und ist hier der gute Geist geworden. In der Lobby grinst er dem Gast von
einem Bild und sehr verjüngt entgegen. Direkt daneben hängen die Gemälde von Titas
Busenfreundin Mercedes Legrandre.
Die beiden kennen sich aus Los Angeles, aus
Zeiten, in denen Tita noch mit Barker
verheiratet war. Mercedes schaut noch
immer gern bei Tita vorbei, sie hat
auch ihre alterslosen Porträts gemalt,
die in ihrem Schlafzimmer hängen.
Ein Raum, ein Mädchentraum. Weiß
und rosa. In allen Häusern? „Einige
sind hellblau, einige türkis“, sagt die
Gastgeberin mitten im Boudoir. „Aber
die Grundfarbe ist immer Weiß.“ Unschuldiges Weiß. Hier, in dieser Umgebung, wirkt es fast unwirklich. AT
Heini Thyssen Bornemisza
mit seiner Schwägerin
Charlene Shorto bei einer
Party 1971 in Marbella
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Von früher. Für immer
Cameron Silver bringt das Gestern ins Heute. Mr. Vintage aus
Hollywood schickt die Stars in Retro-Roben auf den Roten
Teppich. Andreas Tölke traf einen echten Fashion-Jetsetter
Für Fotograf Thomas Meyer
stand Cameron Silver im Efeu
der Galerie Camera Work
50
FOREVER YOUNG
hört er zu den 25 wichtigsten Modeexperten.
Der Vintage-Botschafter im Hier und Heute.
Seine Ansage „Werft nichts weg!“ ist aktueller
denn je. Aber wenn niemand entsorgen soll,
woher kommen dann seine Neuerwerbungen? „Ich war gerade bei Anjelica Houston
und wir sind ihren Kleiderschrank durchgegangen.“ Für Cameron Silver eine Art Schlaraffenland, denn: „Es sind nicht allein exquisite Teile, Anjelica weiß zu jedem Stück die Geschichte zu erzählen.“ Er gibt diese Geschich-
ten weiter. Auf seiner Trunk-Show in der
Berliner Galerie Camera Work beeindruckte
er die Kunden mit Anekdoten zu seinen Fundstücken, drückte die Kopfkino-Starttaste mit
Sätzen wie: „Den Pucci-Kaftan hat Jane Birkin
an der Côte d’Azur getragen.“ Was in Berlin
keine Abnehmer fand, wanderte weiter.
Bis nach Capri. Mr. Silver kombinierte dort eine Autogrammstunde zu seinem Buch „Decades: A Century of Fashion“ mit Trunk-Show
und einer Hochzeitseinladung. Erica Pelosini,
italienische Stylistin, heiratet Louis Leeman,
holländischen Schuhdesigner. Silvers Look
für die Events: sechs verschiedene Outfits.
Vintage selbstredend. Meisterstücke sind Stil
und Anlage. Bis zu 50.000 Euro bringt Chanel-Haute-Couture, aber Prêt-à-porter der Luxusmarken ist auch eine gute Aktie: „Hermès,
Givenchy und Thierry Mugler nie weggeben.“
Denn wie sagte schon Iman, Gattin von David
Bowie? „Verschwende nie dein bestes Paar
High Heels an jemanden, der gerade mal FlipFlops verdienen würde.“
Alles Vintage: Die Mode vergangener
Jahrzehnte, wie hier an Models in den
60er-Jahren, interessiert Cameron Silver
THOMAS MEYER; JACQUES ROUCHON/AKG IMAGES
D
as Einzige, was noch fehlen würde, wäre das Bananenröckchen von Balu
dem Bären von 1967. Das
ist doch nun wirklich Vintage at it’s best. Obwohl
selbst dieses Kleidungsstück bereits vor dem „Dschungelbuch“ da gewesen ist: an den Hüften der legendären Josephine Baker, die in den Zwanzigern tout Paris
(also die Welt) in Verzückung versetzt hat. Eine Schwarze, die Sexyness mit Humor verband. Wirklich exquisite Mode ist eben zeitlos. Der Zeremonienmeister für Nachhall und
Substanz in einer scheinbar flüchtigen Branche stammt ausgerechnet aus Los Angeles,
aus Hollywood. Cameron Silver ist angetreten
gegen das Vergessen und für Profundes. Und
das mit einem außerordentlichen Fundus.
Vintage – das waren vor Cameron Silver alte
Klamotten, die ausgemistet werden können.
1997 eröffnete er in Los Angeles „Decades“.
Was vorher als Secondhand-Shop für minimales Aufsehen gesorgt hätte, wurde von Silver geadelt. „Heute schwingen in dem Wort
Vintage Glamour und Begierde mit“, sagt er.
Nachdem der smarte Amerikaner 2001 Julia
Roberts mit einer Valentino-Vintage-Robe für
die Oscars ausstattete, ist der Hype ungebremst. Zuvor hatten zwar schon Stars wie
Dita von Teese und Gwyneth Paltrow bei „Decades“ gekauft, aber dass Julia Roberts in der
Robe von 1992 für derartigen Wirbel sorgen
würde, damit hatte er nicht gerechnet.
„Vintage steht für das Unverfälschte. Schiaparelli, Givenchy, Balmain, Yves Saint Laurent –
die ganz Großen der Fashionwelt haben Imposantes geschaffen, das unvergänglich ist“,
sagt Silver. Es schwingt Kritik am Istzustand
mit. „Ich fahre natürlich immer zu den Schauen nach Paris und Mailand. Aber ich überlege
jedes Mal, ob ich mir das noch antue. Für viele
Labels sind die Schauen Vehikel, um das
nächste Duschgel zu promoten.“ Es spricht
sozusagen der Karl Lagerfeld des Vintage.
Und wie Karl der Große ist Cameron Silver
ein Multitalent. Nach dem Valentino-OscarCoup wurde er Markenbotschafter für Boucheron und Pringle, er wurde Creative Consultant für Samsonite, als die Marke mit
Christina Ricci 2007 die Sixties-AccessoireLinie im Premiumsegment auf den Markt
brachte. Es lag auf der Hand: Sechziger und
Cameron Silver. Wie kaum ein Zweiter kennt
er sich in der Geschichte der Mode aus. Und
ist in der Lage, sie in einen zeitgenössischen
Kontext zu stellen. Auch darum hatte ihn das
leicht angestaubte Label Azzaro engagiert.
„Ich habe 2008 an der Neupositionierung gearbeitet.“ Aber: „Es gibt wenig Etats, die langfristig für Visionen bereitgestellt werden.“
Er ist ein kritischer Kopf, der Mr. Silver. Jetzt
schließt sich der Kreis zur Kunst. Es kommt
einem Ritterschlag in der Szene gleich, dass
der Modehändler im Museum of Contemporary Arts Design Center in Los Angeles (MOCA)
eine Ausstellung kuratiert hat. Sie trägt den
ambitionierten Titel: „The Total Look: The
Creative Collaboration between Rudi Gernreich, Peggy Moffitt and William Claxton“. Silver verbindet die österreichische Modelegende mit der Muse Moffitt und dem Werk des Fotografen Claxton. Grenzüberschreitende Kreativität mit ihrem Ursprung in den 60ern. Das
Contemporary Art Museum St. Louis hat ihn
für solche Ideen mit dem Honorary Chair ausgezeichnet, und für das „Time“-Magazin ge-
BAUSCH UND BOGEN
Der Stoff der Stars
Wie kommt man zu einer wahrhaft großen Robe? Die Stylistin Emily Legendre, seit zehn Jahren im
Inner Circle von Elie Saab, empfängt Stars wie Angelina Jolie in der VIP-Suite des Designers in Cannes.
Selbstverständlich nur mit lange vorher vereinbartem Termin. Andreas Tölke hat auch einen ergattert
W
nämlich Stil, Anmut und die Lust, sich schön
zu machen. In ebenjenem Spannungsfeld kreiert Elie Saab Außergewöhnliches.
Aus dem Libanon stammend, betrat er 1982
mit seinem Label „Beirut-based fashion“ die
Bühne und präsentiert in Paris seit 2003 Haute Couture. Die Filmfestspiele, die Oscars –
das sind auch seine großen Events. Auf dem
roten Teppich beweist sich die Modemachtstellung. Minutiöse Planung – wer was anzieht, und bitte auch wo und in welcher Funktion –, das ist der Job von Emily Legendre. Sie
reist zu den bekannten Weltglamourspielen
an, um in den besten Hotels am Platze mit einem in jedem Jahr neu designten Showroom
einzuziehen. Jetzt hat sie also im „Martinez“ in
Cannes eine Suite umbauen lassen, die beinahe wie das Pentagon gesichert ist. Hinter einer Absperrung quetschen sich die Fans von
Jane Fonda und dem Bollywood-Superstar So-
nam Kapoor ans Gitter. Beide werden Elie
Saab tragen.
Emily ist das gewöhnt,
seit zehn Jahren Teil des ElieSaab-Teams und zum sechsten
Mal vor Ort. Ihre Mission ändert
sich im Minutentakt. Sie ist zwölf
Tage fast rund um die Uhr im Einsatz, selbst nachts begleitet sie oft
die Trägerinnen der Roben. Tagsüber ist im dritten Stock des
„Martinez“ von dem Stress nichts
zu spüren. In der Suite sind die
Couture-Preziosen aufgereiht. In einem
Raum versammelt sich der Gegenwert eines
wirklich schönen Landhauses in der Toskana.
Die Textilien haben nur eine Aufgabe: zehn,
ELIE SAAB; GETTY IMAGES (2)
enn die Top-Restaurants und Bars
die Saison eröffnen, ist die Dichte
an schönen Menschen auf den
Dachterrassen von
Beirut nach wie
vor geradezu irritierend. Eine Armada an Damen erobert die Rooftops, Jimmy Choos und
Manolo Blahniks klackern über den Boden,
Dekolletés kurz vor FKS-Altersbeschränkung
werden souverän präsentiert, viel Seide und
Eleganz ist im Spiel. Schnitt.
Die Croisette in Cannes zu den Filmfestspielen. Sogar pubertierende Teenies paradieren:
Jünglinge mit Flaum, aber in Smoking und
Fliege, die jungen Damen in Cocktailkleidern.
Zwischen dem Libanon und der Côte d’Azur
liegt viel Meer. Aber es gibt eine Verbindung:
52
Das Kleid fürs Event: Sonam Kapoor und Naomi
Watts auf dem Roten Teppich in Elie Saab – mehr
muss man jetzt wirklich nicht sagen, oder?
zwanzig Minuten auf dem roten Teppich die
Fotografen in den Wahnsinn zu treiben. Emily
erläutert die Regeln des Hauses: „Wir sprechen keine Celebrities an, damit sie unsere
Kleider tragen. Wir honorieren keine der Trägerinnen dafür, dass sie unsere Kleider trägt.
Die Kleider werden für einen Auftritt verliehen, kommen dann wieder zu uns zurück und
wandern in unser Archiv.“
Würden sie Paris Hilton anziehen? Pause.
„Nein.“ Kim Kardashian? Pause. „Kim Kardashian ist eine sehr loyale Kundin des Hauses,
trotzdem sehen wir uns nicht in der Rolle, sie
für einen Auftritt einzukleiden.“ Aber was
passiert, wenn die Hilton-Erbin oder die Kanye-West-Gattin Roben in Los Angeles erstehen und sich darin in Cannes präsentieren?
„Das wird nicht passieren, da wir jeden Kauf
allumfänglich begleiten. Wir wissen, für welches Event wer welche Robe ersteht. Dementsprechend fällt die Auswahl aus.“ Emily strahlt
in der Suite eine fast buddhistische Gelassenheit aus, obwohl ihr Handy nonstop klingelt.
Wie meistert sie diesen Ansturm? „Mit Bleistift und Papier. Oft ändern sich im Minutentakt die Termine. Die Dame, die um 11 Uhr zum
Fitting kommen wollte, hat sich für 16 Uhr angekündigt und steht dann um 14 Uhr vor der
Tür. Für uns ist das Alltag.“ Dann wird der Vorhang zum Entree diskret geschlossen, damit
im Showroom die andere Kundin weiter betreut werden kann. Zuvor werden die Roben
auf Anforderung zu den Stars gebracht. Damit
ist aber noch lange nicht klar, dass zum Beispiel Angelina Jolie auch Elie Saab trägt:
„Wenn sich jemand nicht wirklich mit dem
Kleid identifizieren kann, dann soll, dann darf
er es auch nicht tragen.“
Es ist auch selten der Star allein, der entscheidet. „Ich berate mich meistens als Erstes mit
der Stylistin. Sie weiß genau, welche Vorlieben die Trägerin hat, weiß, in welcher Rolle
sie ihren Auftritt absolviert“, sagt Emily. In
Cannes 2014 war eines der Mega-Events das
Erscheinen von Nicole Kidman. Paz Vega
wollte und sollte dank ihrer Nebenrolle nicht
die Aufmerksamkeit auf sich lenken, darum
trug sie ein vergleichsweise schlichtes ElieSaab-Cocktailkleid in Creme. Sie hat der
Hauptdarstellerin ihren Raum gegeben.
In der Suite hängen aktuell 20 Kleider: „Nach
der Auswahl kommt das Fitting, wir sind immer mit einer Schneiderin vor Ort, die das
Kleid entsprechend modifiziert“, erklärt Emily. Und wie geht sie damit um, wenn sich jemand ein Outfit aussucht, das so gar nicht zu
ihm passt? „Wir haben es hier mit Profis zu
tun. Die Stars wissen alle um ihre Wirkung
und haben ihren Look perfekt im Kopf.“ Aha.
Und ein Fauxpas wie der, als Angelina Jolies
schwarzes Louis-Vuitton-Kleid bei den Oscars
2012 ihr nacktes Bein bis fast zur Hüfte enthüllte? „Es war nicht das Kleid, es war die Pose“, erwidert Emily. Haute Couture – das ist
auch Haltung. Emily verkörpert sie.
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K AMPEN/SYLT
DÜSSELDORF
WIESBADEN
MÜNCHEN
SALZBURG
WIEN
CARTIER
Edelsteine für größere Geschmeide,
etwa ein üppiges Collier, werden im
Atelier von Cartier mittels Knetmasse
an einer Büste platziert. Ein SmaragdPendant wartet derweil auf Vollendung
GLANZSTUNDE
Ein ganz
privater
Meilenstein
Unsere Autorin hat schon so manche Manufaktur besucht. Bis sich
aber die vielen Sicherheitstüren zu den heiligen Hallen der
Juwelierkunst, den Ateliers von Cartier, für sie öffneten, musste sich
Mira Wiesinger einige Jahre gedulden. Und war dann recht verblüfft
E
54
ine viel zitierte Lebensweisheit lautet: „Wenn
sich eine Tür schließt,
öffnet sich eine andere.“
In der Pariser Rue de la
Paix 13, im Haupthaus
von Cartier – man darf
es getrost als heilige
Hallen der Juwelierkunst bezeichnen, denn
nichts anderes ist der große, von einer Galerie
gesäumte Verkaufsraum –, wird aus diesem
Spruch eine Obliegenheit. Erst wenn sich die
Tür zur Straße geschlossen hat, öffnet sich eine zweite. Es dient der Sicherheit.
Zu schützen gilt es allerdings nicht nur jene
Juwelen, Uhren, Verlobungs- und Eheringe,
die im Erdgeschoss in Glasvitrinen auf neue
Besitzer warten. Sondern, für das 1847 gegründete Luxusjuwelierhaus noch wichtiger, die
Ateliers im vierten und fünften Stock des
Gründerzeithauses. Rund 70 Menschen arbeiten hier tagtäglich an Einzelstücken und Sonderanfertigungen. Mehrere Sicherheits-
schleusen, immer dem Zwei-Türen-System
folgend, gilt es zu passieren, um bis hierhin, in
das Herz der Marke vorzudringen.
Und das ist um einiges, nun ja: unglamouröser,
als man es sich in der Fantasie ausgemalt hatte. Gerüche, Geräusche und Gerät erinnern an
den Zahnarzt. Die Erscheinung der Kunsthandwerker, mit Lampen und Lupen vor den
Augen ausgestattet, in weiße Kittel gehüllt,
tun ihr Übriges. Doch was unter den Händen
dieser Goldschmiede, Gießer, Graveure, Uhrmacher, Polierer, Perlenknüpfer, Steinschleifer und -fasser entsteht, sind Objekte, die einzig positive Gefühle hervorrufen. Es sind kleine Skulpturen von größter Präzision und unfassbar hohem Wert, der sich nicht allein aus
den verwendeten Edelmetallen, den Diamanten, Smaragden, Saphiren, Rubinen und Onyxen ableitet. Sondern, allem voran, aus der
Vielzahl von Arbeitsstunden, die es braucht,
bis ein Geschmeide vollendet ist.
Schon die Auswahl der Steine, etwa ein Tag
pro Stein, sei ein langwieriger Prozess. Rund
2500 Arbeitsstunden würden benötigt, bis ein
„Tutti Frutti“-Collier fertig ist. „Allein 400
Stunden fließen in das Wachsmodell“, erklärt
Xavier Gargat, seit 15 Jahren Manager des Ateliers. Genau wie sein Vater und sein Sohn ist
auch er Goldschmied – seit 43 Jahren. Mit allen Prozessen im Atelier ist er vertraut.
Ein jedes Kleinod beginnt mit einer zweidimensionalen Zeichnung. Die Umsetzung, also
das dreidimensionale Modell, bleibt dann der
Kreativität der Goldschmiede überlassen. „Ein
Goldschmied ist ebenso Schöpfer, wie ein Designer“, so der 59-Jährige. Mit Farbe wird die
Position der einzelnen Steinchen auf das Modell gebracht. Das kann schon mal zwei Wochen in Anspruch nehmen. Anschließend
werden mit einem Miniaturskalpell kleine Löcher in das Wachs gebohrt. Dabei entsteht eine wabenartige Struktur, die später Licht in
die Steine bringen soll. Schließlich wird ein
Gipsabdruck genommen als Antiform für das
Edelmetall. Dies sei eine jahrhundertealte
Technik namens „Fonte à la Cire Perdue“
(auch: „Lost Wax“), die ursprünglich aus Ägypten stamme und von den Chinesen ebenfalls
geschätzt worden sei. Erst 1925 entdeckte man
das Verfahren erneut. Xavier Gargat, imposante Statur, eisblaue Augen, Silberhaar, erzählt,
man hätte sie bei Cartier sogar verfeinert.
Das Montieren von Einzelteilen, etwa die beweglichen Tatzen an ein für das Haus typisches Panthère-Schmuckstück, das Fassen der
Steine, das Polieren eines jeden einzelnen
Lochs mit Baumwollfäden und einer jeden
Kante mit Gänsefederkielen (fest genug, um
das Metall auf Hochglanz zu bringen, weich
genug, um es nicht zu zerkratzen) verschlingt
weitere Aberhunderte von Stunden.
Für eine aus 100 Unikaten bestehende Kollektion arbeitet man in den Ateliers rund zwei
Jahre. Aktuell, noch bis zum 21. September,
wird auf der Biennale des Antiquaires in Paris
eine solche Kollektion ausgestellt. „Royal“
heißt sie kurz und prägnant und vereint all
das, wofür Cartier exemplarisch steht: opulente Farbsteine, höchste Handwerkskunst und
anmutige Pracht, die eines Königs würdig wäre. Nicht umsonst genießt das Haus den Ruf
als „Joaillier des Rois, Roi des Joailliers“ (Juwelier der Könige, König der Juweliere). 15
Königshäuser belieferte man einst, darunter
den tonangebenden russischen Zarenhof.
Später kamen noch die Königinnen der Hollywood-Leinwände hinzu.
Und während diese Stücke bewundert werden, wird in den Ateliers, nur wenige Schritte
von der Pariser Place Vendôme entfernt, die
nächste Haute-Joaillerie-Kollektion erdacht.
Wird gezeichnet, gebohrt, gegossen, gehämmert, geschliffen, gefeilt, geknüpft und Goldstaub geatmet. Ganz recht, denn der ist hier
überall: in der Luft, den Waschbecken, auf den
Arbeitsflächen, dem schwarzen Linoliumboden. Was die Putzfrau abends zusammenkehrt, wird sorgfältig aufbewahrt. Ein Kilogramm Gold pro Jahr sammelt sich auf diese
Weise. Womit wir am Ende nicht umhinkommen, eine weitere Lebensweisheit zu zitieren.
Eine, die auf Cartier wörtlich wie metaphorsich zutrifft: „Handwerk hat goldenen Boden.“
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STILVOLLE TEA TIME IN DER LOBBY: IM GERADE ERÖFFNETEN „PENINSULA“ IN PARIS, DEM ERSTEN
HAUS DER ASIATISCHEN LUXUS-HOTELGRUPPE IN EUROPA, WEHT DER GEIST DER VERGANGENHEIT.
UND DOCH IST ALLES SO GEGENWÄRTIG UND LUXURIÖS, WIE MAN ES ERHOFFT. ES SCHIEN UNS
ALSO DER PERFEKTE ORT, UM DIE AKTUELLE HERBSTMODE ZU FOTOGRAFIEREN
FOTO: KRISTIAN SCHULLER
ASSISTENTEN: QUENTIN CHAMARD-BOIS UND MORGANE POULIQUEN
STYLING: NADIA RATH
ASSISTENZ: ULI SEMMLER UND EMMANUEL MARIA
HAARE UND MAKE-UP: GABRIELLE THEURER C/O BASICS-BERLIN.DE MIT PRODUKTEN VON SENSILIS
MODEL: DAPHNE VELGE C/O MODELS 1 LONDON
CASTING: ANDREA DEANESI FÜR BROKECREATIVES
PRODUZENT: HANS-JOACHIM RICHTER C/O RICHTERPRODUKTION
POSTPRODUKTION: PEGGY SCHULLER
SET: PENINSULA HOTEL
VIELEN DANK AN MAMA SHELTER PARIS (MAMASHELTER.COM)
56
MANTEL: WUNDERKIND. BLUSE: TOD’S. HOSE: BRUNELLO
CUCINELLI. SCHMUCK: HERMÈS
KLEID, GÜRTEL, STIEFELETTEN,
KETTE UND GEPÄCK: LOUIS VUITTON
HOSENANZUG: MULBERRY. SCHUHE: ROCHAS. RING UND ARMREIF: CHRISTIAN DIOR HAUTE JOAILLERIE. RING: BULGARI
60
DER LOOK VOM COVER: MANTEL VON RALPH LAUREN. KLEID: VALENTINO. SCHMUCK: CHANEL HAUTE JOAILLERIE
61
62
KLEID: ETIENNE AIGNER. SCHUHE: JEFFREY CAMPBELL. OHRRINGE: BUCHERER. ARMREIF UND RING AN
DER LINKEN HAND: H. STERN. RING AN DER RECHTEN HAND: CHAUMET
63
MANTEL:
AKRIS.
KOPFBEDECKUNG UND
HANDSCHUHE:
DOLCE &
GABBANA.
RECHTE SEITE:
MANTEL VON
MICHAEL KORS.
OHRRINGE:
PIAGET.
UHR: JAEGERLECOULTRE.
SCHUHE:
JIMMY CHOO
65
66
JACKE: VERSACE. KLEID: GIAMBATTISTA VALLI. ARMREIF: SÉVIGNÉ.
RING RINGFINGER: FOPE. RING ZEIGEFINGER: OLE LYNGGAARD
KLEID: SPORTMAX. SCHMUCK: GUCCI
67
Ein Blick genügt: Paris – die
Stadt wahrer Schöhnheit
LIEBE ZUM LUXUS
Träum weiter, Paris
Wenn es an verschwenderische Pracht geht, bleibt diese Stadt unschlagbar: Paris ist der beste Ort, um Jetset
in Szene zu setzen. Ein neues Grandhotel gibt es auch. Esther Strerath war da. Und wollte nicht mehr weg
Der Gast kommt schon an, bevor er da ist. Er
schreitet die Gangway der Maschine am Flughafen Paris-Charles de Gaulle hinunter. Dort
erwartet ihn bereits ein grüner Rolls-Royce
samt Chauffeur. Im Leder des Fonds versinkend und mit dem altmodischen Telefonhörer
seine Ankunft kommunizierend, ist Monsieur
bereits in die Welt des „Peninsula“ eingebettet
und so gleitet er in die Metropole an der
Seine. Der Rolls, ein Phantom II von
1934, wurde vor einiger Zeit komplett
saniert und technisch auf den neuesten
Stand getunt (mit 15 Lautsprechern, 420
Watt). Genau wie das Haus, zu dem er
gehört: das gerade eröffnete „Peninsula
Paris“, zehntes Mitglied der Super-Luxus-Hotelkette der Kadoorie-Familie, die 1928
in Hongkong erstmals Gäste empfing.
Am Arc de Triomphe vorbei, die Avenue de la
Grande-Armée entlang, gelangt man zur Avenue Kléber. Kurz vor der Eröffnung des Hotels
war der sechsgeschossige Häuserblock noch
abgesperrt – „Fort Peninsula“ – nichts sollte
nach außen dringen. Vielleicht auch, weil das
„Hôtel de Crillon“ derzeit wegen Renovierung
bis 2015 geschlossen ist, ebenso das Ritz. Und
das „Plaza Athénée“ hat nach Überarbeitung
gerade erst wieder seinen Betrieb aufgenommen. Das „Peninsula“, das erste in Europa, beansprucht, eine „Klasse für sich“ zu sein. So
wird, nach filmreifem Eintreffen – raus aus
dem Rolls, vorbei an Löwen aus Stein, die Stufen hinauf über die Terrasse –, der Gast sogleich von der Aura des „Pen“ umhüllt. Anstatt
Pariser Straßenlärm klirrt gedämpft Silber
(britisch) und Porzellan (Bernardaud). In
Hongkonger „Pen“ drehten sie einst den 007Streifen „Der Mann mit dem goldenen Colt“
und „Batman“. In Paris war die Avenue Kléber
Kulisse für Szenen in „The Bourne Identity“–
und nun durfte ICON als erstes Magazin hier
Mode fotografieren.
Alle Mitarbeiterinnen tragen kleine, kniebedeckte Schwarze, eine Dame in Chanel trinkt
Coke zero (wie Lagerfeld), eine ältere Chinesin
mit Sonnenhut, Stock und Hermès-Tasche mag
offenbar keine Drehtüren und wird von einem
Pagen mit schneeweißen Handschuhen zu einem anderen Ausgang geführt, eine Gruppe von
acht Asiaten trinkt Tee. Voilà, das „Peninsula“ ist
der Ort für eine stilechte Tea Time.
Wer sich unter den mehr als 20 Sorten
entscheiden kann (taiwanischer Dong
Ding Oolong, japanischer Sencha Fu-
D
68
kuya oder Puh-Erh Printemps von 2004), wird
flugs mit Silberschälchen samt Sieb, Etagère
mit Mousse au Chocolat, Mini-Erdbeerküchlein, Macaron Apricots, Feigenkeks und MiniSandwiches beglückt. Aussicht inklusive.
Die Mauern des „Pen“ beherbergten schon
einmal ein luxuriöses Hotel: Das „Majestic“
wurde 1908 eingeweiht. Dort dinierten 1922
Igor Strawinsky, James Joyce, Pablo Picasso,
Marcel Proust und weitere an einer Tafel. Mit
dem Zweiten Weltkrieg war das Kapitel Hotellerie erst einmal beendet. Der französische Staat übernahm den Komplex 1936,
machte es zum Sitz der Unesco, die USA und
Vietnam unterschrieben hier 1973 die Friedensvereinbarung, den Pariser Vertrag.
Nun haben 20 Steinmetze die 10.000 Quadratmeter große Fassade des Gebäudes mit
den gemeißelten Blumen, Bögen und Schleifen wieder instand gesetzt, fehlende Stücke
wurden per Hand mit einer GesteinsstaubPaste nachgebildet, für ein einziges Blumenrelief benötigte ein Handwerker drei Wochen. Auch drei zusätzliche Untergeschosse
wurden ausgehoben, für eine 2000 Quadratmeter große „Küchenstadt“ und ein beinahe
ebenso großes Spa samt 22 Meter langem Indoor-Pool.
Vier Jahre lang dauerte die Restaurierung.
200 Zimmer, das kleinste misst 29 Quadratmeter, die größte Suite
318, erwarten jetzt Gäste.
Fünf der Suiten verfügen
über einen Dachgarten.
Ein Ufo-förmiges Gerät
im Schminktisch verspricht sofortige Trocknung des Nagellacks.
Einen famosen Blick
über Paris bietet auch das
Dachterrassen-Restaurant „‚L’Oiseau Blanc“.
Aber nun ins Herz jedes Grandhotels, in die
Lobby: Gerade bringt der Ober noch Konfitüre für winzige Berliner, die auch auf der
Etagère gereicht wurden. Die Drehtür
quietscht nicht mehr, weil ein Mann in Anzug und Krawatte dem unliebsamen Geräusch mit einer „Ölpistole“ den Garaus
machte. Der Blick schweift abwechselnd
über aktuelle Kollektionen französischer Designer an frisch frisierten Modelmaßen oder
das glänzende Gold an Decke und Wänden.
Die Blattgoldarbeiten wurden von dem Familienunternehmen Ateliers Gohard durchgeführt, die bereits die vergoldete Fackel der
Freiheitsstatue in New York restaurierten.
Und das junge Jazz-Trio spielt „Some day my
prince will come“. In diesem Ambiente
glaubt man’s sofort.
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FALTEN – POREN – HAUTOBERFLÄCHE
Die Kollektion atmet eine
wohltemperierte Nonchalance,
die hinzukriegen bekanntlich
keine kleine Kunst ist
Angekommen
Aufregend, aber nicht aufgeregt: Alessandra Facchinetti entwirft für
Tod’s Mode für radikal heutige Frauen. Adriano Sack ist überzeugt
Die Mailänderin Alessandra Facchinetti hat
schon bei zahlreichen großen Häusern gearbeitet.
Bei Tod’s erstrahlt ihr Talent wie nie
PORTRÄT
Die Schaufenster von Tod’s folgen einer
schlichten und überaus wirksamen Verführungsformel. Einem Pantonefächer ähnlich
sind die Gominos in ihrer fast verwirrenden
Farbvielfalt arrangiert: Zitrone, Heidelbeere
und Pfirsich; Riva-Braun, Taubenblau und
Feuerwehrrot. Unterschiedlichste Sommerpartys ziehen am geistigen Auge vorbei, zumal die Noppen auch nach dem zweiten Glas
Rosé noch ein Ausrutschen verhindern. Ein
Schuh von Tod’s verspricht ein Leben, in dem
die Schwerkraft nicht aufgehoben, aber doch
auf das notwendige Minimum reduziert ist.
So weit, so narrensicher. Aber wie erfindet
man die Mode einer Marke, die bis dato eben
nur Schuhe und Taschen produziert hat? Zwar
gab es bereits eine kleine Damenkollektion,
die der amerikanische Designer Derek Lam
für Tod’s entwarf, doch für einen ernst gemeinten Anlauf lagen dessen Prioritäten zu
klar bei seinem eigenen Label in New York.
Und auch wenn man am Corso Venezia, dem
Hauptquartier des Hauses, einen lässigen Luxus zelebriert: Halbe Sachen sind nicht so das
Ding von Diego Della Valle.
Da ist ihm seine neue Mitarbeiterin ähnlich.
Facchinetti ist eine schöne Frau, aber davon
sollte man sich nicht täuschen lassen. An ihren Armen und Händen ist sehr sichtbar platziert der komplizierte, zauberhafte Schmuck
ihrer guten Freundin Ossana Visconti, denn in
circa 55 Minuten wird die bekennende Vielarbeiterin für eine asiatische Modezeitschrift
fotografiert. Sie setzt sich, macht es sich nicht
übermäßig bequem und sofort ist klar, dass sie
weiß, was sie tut. „Ausgangspunkt für meine
Kollektion war der Schuh. Wenn eine Frau
keine High Heels trägt, erfordert das andere
Schnitte und Rocklängen“, sagt sie: „Flache
Schuhe sind dynamischer. Selbst ein Abendkleid wirkt damit zeitgemäßer.“
Das klingt einfach und richtig, doch ihre Sicherheit ist hart erarbeitet. Die Karriere der
42-jährigen Designerin ist gespickt mit Erfolgen und Rückschlägen. Sie hat bei Miu Miu,
Gucci, Valentino und Moncler gearbeitet,
kennt sich also aus mit großen Häusern und
noch größeren Erwartungen. Sowohl bei Gucci als auch bei Valentino war sie nur kurz die
Chefdesignerin und die Abschiede waren weder elegant noch behutsam. Alessandra
Facchinetti wurde zeitweise als Hoffnungsträgerin und dann auch mal als das genaue Gegenteil davon gehandelt. Heute sagt sie nur diplomatisch, dass jede Station zum Erwachsenwerden beigetragen habe.
„Wir wollen nicht jede Saison etwas dramatisch Neues präsentieren. Wir setzen keine
Trends. Tod’s glaubt an Tradition und Kontinuität“, sagt Facchinetti. „Wir sind konservativ. Und das ist keine schlechte Sache.“ Grundlage ihrer Entwürfe sei nicht das Streben nach
Schocks oder Sensationen, sondern etwas
„Tieferes und Erwachseneres“. Die Basis ist
Leder. Mit diesem fast archaischen Klassiker
stellt Facchinetti wirklich Erstaunliches an.
Mal fällt es leicht wie Seide, mal erinnert seine
stumpfe Oberfläche an Baumwolle. „Die Einschränkungen, die Leder normalerweise mit
sich bringt, versuchen wir aufzuheben. Wir
behandeln es wie Stoff.“
Ob Tomas Maier von Bottega Veneta oder Maria Grazia Chiuri von Valentino – ein Gespräch
mit einem Designer einer italienischen Marke
mündet unweigerlich in einer Hymne auf das
handwerkliche Geschick der Mitarbeiter. In
den Manufakturen von Tod’s ölen und ätzen,
lasern und flicken sie; tragen Schichten des
Leders ab, um es dünner zu machen, oder lassen es gummiartig wirken, wie einen atmungsaktiven Kunststoff.
Doch Facchinetti und ihr Designteam (Italiener, fünf Frauen, ein Mann) verlieren sich
nicht in Materialpirouetten. Sie entwerfen die
Garderobe für Frauen, die beides wollen: Glamour und Funktion. So gibt es ein wie übergeworfenes Lederkleid mit Lochmuster, nah am
Torso geschneiderte Jacken, die in locker fallende Röcke münden, vieles ist von Schlaufen
geziert und wirkt kunstvoll geschichtet. Die
Kollektion atmet eine wohltemperierte Nonchalance, die hinzukriegen bekanntlich keine
kleine Kunst ist. Muster werden selten, aber
beherzt eingesetzt, die Farbpalette ist exquisit:
Ochsenblut, Altrosa, Ultramarin.
Einer der wirkungsvollsten Looks ist zugleich
einer der schlichtesten.
Eine taubenblaue Lederbluse, die geschnitten ist
wie ein etwas zu weites TShirt. Dazu ein silberner
Lederrock: Er fällt weich
und weit und nicht eben
kurz, als sei er auch für
einen Ausritt geeignet;
ins Leder eingraviert ist
ein Madrasmuster. „Sehr
clean, nichts Überflüssiges“, attestiert Facchinetti ihrem „Rock der Saison“, wie sie ihn beiläufig
nennt. Eine strategische
Untertreibung. Tatsächlich erzielt die Designerin eine Art von entschlackter Romantik, wie
sie nur wenige beherrschen. Eine Frau sieht darin aus, als hätte sie gerade einen Wimpernschlag
lang vor dem Kleiderschrank verbracht, könnte aber wahlweise einen
sauteuren Kindergarten,
eine Privatbank oder eine Galerie in Warschau leiten und sich die Männer in ihrem Leben aussuchen. Es schwingt bei Tod’s immer
ein wenig Dolce-Vita-Nostalgie mit, doch das
Frauenbild ist absolut heutig. „Es geht uns
nicht um Sexiness, sondern um Weiblichkeit“,
sagt Facchinetti: „Frauen sind auf mehr Qualitäten stolz als nur auf ihren Körper. Sie haben
Persönlichkeit, Wissen und Karriere.“
Die Kritiker waren begeistert von Facchinettis
Arbeit. Und tatsächlich scheint die Zusammenarbeit folgerichtig: ein Haus mit Linie
und Expansionshunger, eine Designerin mit
der Balance aus Geschmack und Realismus.
Seit sie mit 17 aus Bergamo nach Mailand gezogen ist, lebt und arbeitet sie in dieser Stadt.
Jetzt ist sie bei einer Marke angekommen, wo
ihr Talent erstrahlt wie nie. Sie reist viel, wie
jeder in ihrem Beruf, doch sie hat ihren eigenen Kopf. Sie schwärmt nicht von exotischen
Ländern und pulsierenden Metropolen: „Der
beste Platz ist das Flugzeug. Jedes Mal nehme
ich mir vor zu schlafen und nie gelingt es mir.
Ich mache mir Notizen. Und ich denke nach.“
Ihre Liebe zur Kunst reicht von dem Allerweltssurealisten Fornasetti bis zu den Altmeisterparodien von Markus Schinwald, sie
träumt von Filmausstattungen und Bühnenbildern. Später mal. Vielleicht. Vorerst macht
sie ihren Job: Und den macht sie ziemlich gut.
TOD’S (8); GETTY IMAGES (2); REUTERS, MONTAGE: ICON
F
ast nichts ist einfacher, als
den Posten des Creative Directors bei einem Traditionshaus zu übernehmen. Man
schickt einfach seine Assistenten in die Archive, wo die
„iconic pieces“ der hoffentlich glorreichen Vergangenheit hängen. Man
lässt sie wochenlang in alten, staubigen Modemagazinen blättern und nach der sogenannten DNA der Marke forschen. Schließlich präsentiert man eine erste Kollektion, in der man
ein paar Klassiker, an die sich kaum noch jemand erinnert, behutsam dem Zeitgeschmack
und den gängigen Körperformen angepasst
hat: rotgolden für die Golfstaaten, knabenhaft
eng für den asiatischen Markt, offenherzig für
die roten Teppiche. So weit, so Klischee.
Alessandra Facchinetti stand vor einer etwas
anderen Aufgabe, als sie vor knapp zwei Jahren bei Tod’s anheuerte. Das Mailänder Traditionshaus wurde zum Global Player, weil sich
der Enkel des Gründers, Diego Della Valle, auf
ein sehr überschaubares Sortiment und die
Wiedererkennbarkeit – und mutmaßlich die
enormen Gewinnspannen – seines Kernprodukts verließ: den federleichten Mokassin für
Mann und Frau. Am berühmtesten ist wohl
die Variante des Gomino, benannt nach seinen
Gumminoppen, der ursprünglich zum Autofahren erfunden wurde. Heute steht er, kurz
gesagt, für ein entspanntes Leben in Wohlstand und Sonnenschein. Quasi der Schuh für
Yachtbesitzer. Egal ob mit oder ohne Boot.
Zum Imperium gehören auch die Marken Hogan, Fay, Roger Vivier und Schiaparelli. Ach ja,
und die Restaurierung des Kolosseums in
Rom unterstützt man auch mit 25 Millionen
Euro. Da muss sich Ralph Lauren mit seinem
restaurierten „Star-spangled Banner" warm
anziehen! Die Idee dahinter ist freilich die
gleiche. So wie der Kollege in New York seine
Marke zum Synonym für Amerika machen
will, soll Tod’s die universell verständliche
Verkörperung von Bella Italia sein.
Für so einen Anspruch sind Taschen und
Schuhe allein zu wenig. Dieser Tage wird
Alessandra Facchinetti bei der Mailänder Modewoche ihre dritte Kollektion zeigen. Und
wenn man die bisherigen zwei als Maßstab
nehmen darf, wird es wieder eine Lehrstunde
darin sein, was die italienische Mode groß und
erfolgreich gemacht hat: ungenierte Tragbarkeit, mühelose Eleganz und eine Sicherheit,
was Silhouette, Materialien und Proportionen
betrifft. Und bei der man unweigerlich an das
kulturelle Erbe ihres Heimatlandes denken
muss, dem es seit 2500 Jahren einfach nicht
gelingen will, Hässlichkeit zu produzieren.
Ausnahme ist selbstverständlich der irgendwie realsozialistisch wirkende Flughafen Mailand Malpensa.
Ein warmer, vielversprechender Julimorgen
in Mailand. Der Sommer in Norditalien war
bisher unerfreulich regnerisch. Heute aber,
das spürt man bereits direkt nach der Ankunft
um 8.25 Uhr, rekelt sich die Stadt genießerisch. Den müßigen August schon zum Greifen nah, werden ihre modevernarrten Bewohner im Laufe des Tages Gelegenheit haben, ihre geliebten Sonnenbrillen auszuführen. An
ihren Handgelenken werden die Uhren blitzen und die It-Bags baumeln. Und nicht wenige von ihnen werden lässig in weichen Schuhen mit Gumminoppen schlendern, die sie in
der prächtigen Galleria Vittorio Emanuele
oder in der Via Spiga erworben haben.
71
ATELIERBESUCH
Italienische
Spitze
Gibt es ihn noch, den
Glamour „made in Italy“?
Ermanno und Toni Scervino
wollen es beweisen.
Silvia Ihring hat sich in der
florentinischen Provinz auf
die – erfreuliche – Suche
gemacht. Thomas Meyer
fotografierte
72
THOMAS MEYER, ERMANO SCERVINO; MONTAGE: ICON
Die Partner
Ermanno (l.) und Toni Scervino
ERMANNO SCERVINO; MONTAGE: ICON
W
74
ie viele „Panini al Tartufo“ aus dem Florentiner Feinkostgeschäft „Procacci“ darf man sich
gönnen? Zwei doch wohl mindestens, immerhin sind diese Hefebrötchen mit Trüffelcreme
nur gerade so lang wie ein Mittelfinger. Am
ersten Abend in Florenz hat Ermanno Scervinos deutsche Besucherin gleich mal drei davon zum Aperitif verschlungen.
„Bei mir sind es locker fünf“, sagt der Designer. Schon als Kind ging er regelmäßig zu
„Procacci“ in die Via de Tornabuoni. Und noch
heute zieht es ihn immer wieder auf ein oder
ein paar mehr Panini dorthin zurück. Auch
wenn der Laden inzwischen etwas kommerziell geworden sei, der Besitzer habe gewechselt: „Ich hoffe, dass dort nicht irgendwann eine Boutique eröffnen wird“, sagt Scervino.
Und gibt sogleich zu, dass in dem Gebäude im
Stadtzentrum, in dem sich heute der Ermanno-Scervino-Store befindet, einst das schönste Musikgeschäft von Florenz ansässig war. Eigentlich müsse man solche Läden unter Artenschutz stellen, findet er. „Wenn alles, was
einst geschaffen wurde, langsam verschwindet, muss man etwas dagegen tun. Was sollen
wir denn sonst in 50 oder 100 Jahren von dieser Zeit erzählen?“
Gute Frage. Ermanno Scervino, geboren in
Mailand und aufgewachsen zwischen Florenz
und der Wintersportstadt Cortina in den Dolomiten, sorgt selbst dafür, dass gewisse Dinge
in Italien nicht verschwinden. Sein Label ist
für italienische Verhältnisse recht neu. Im
Jahr 2000 gründeten die Freunde Ermanno
Daelli, der sich heute am liebsten mit seinem
Künstlernamen Scervino anreden lässt, und
Toni Scervino das Unternehmen. Sie versuchten ihr Glück mit einem damals etwas aus der
Mode gekommenen Konzept: Ihre Kollektionen sollten komplett in Italien hergestellt
werden. Von den Menschen, die ein von Generation zu Generation weitergegebenes Handwerk erlernt und die „Eccellenza“ der italienischen Mode gewährleistet hatten.
„Wir haben an ,made in Italy‘ geglaubt, als
ganz Italien seine Produktion ins Ausland verlagerte“, sagt Toni Scervino – er ist im Unternehmen für das Geschäftliche zuständig. Immer mehr Hersteller mussten in jenen Jahren
schließen, erzählt er, weil Fabriken in Bulgarien, Rumänien und China die Aufträge bekamen. „Wir haben es auch ausprobiert. Haben
mal ein Hemd zur Probe in Rumänien herstellen lassen.“ Es folgt ein glaubwürdiger Seufzer: „Als es bei uns ankam ... Es war einfach
nicht ... Man hatte keine Lust, es zu besitzen.
Es war ein Hemd mit den exakten Maßen,
aber ohne Leben, ohne Seele, ohne Charisma.“
Also machten sie es doch lieber selbst. Im
Laufe der Jahre kauften Ermanno und Toni
Scervino eine seit drei Generationen bestehende Schneiderei, einen Hersteller für
Strickwaren und ein Atelier für Couture-Mode. Alle Unternehmen stammten aus Florenz
oder der Toskana. „Es waren Spezialisten für
das Handwerk, aber sie hatten kein Label, kein
Image. Sie standen für Qualität, aber sie haben keine Mode gemacht, wie sie international gefragt ist.“ Bei den neuen Besitzern konnten die Manufakturen nicht nur überleben,
sondern sogar wachsen. Heute befinden sich
alle unter einem Dach, mehr als 250 Angestellte arbeiten in der Unternehmenszentrale
in Grassina, Ortsteil der Gemeinde Bagno a
Ripoli, circa 30 Minuten von Florenz entfernt.
Der größte Teil der gesamten Produktion –
Damen-, Kinder- und Männerkollektionen –
entsteht hier und in weiteren Fabriken in der
Toskana. Der Rest kommt aus anderen Produktionsstätten in Italien.
Beim Besuch in Grassina sitzt der Designer in
seinem loftartigen Studio am Ende eines langen schwarz glänzenden Tisches. Am anderen
Ende stapeln sich, exakt nebeneinander aufgereiht, Modemagazine und Bildbände. Alles
ist so „glossy“, so verführerisch wie die Buchauslage in einem großstädtischen ConceptStore. Wenn man aus den langen, sich über
die gesamte Wand erstreckenden Fenstern
schaut, blickt man auf Hügel in verschiedenen
Grüntönen, angestrahlt vom Sonnenschein.
„Diese Landschaft ist magisch“, hatte Toni
Scervino kurz zuvor in seinem Büro geschwärmt. Er könne niemals weiter nördlich
als Florenz leben. An so einem Tag wie heute
versteht man das besonders gut.
Ermanno Scervino dagegen hat es in seiner
Karriere nie lange an einem Ort ausgehalten.
Er erzählt in Sprüngen, mit Unterbrechungen
und abrupten Themenwechseln – vielleicht,
weil sein Leben genauso verlief. Mit 17 Jahren
zog er nach Paris und sammelte Erfahrungen „Made in Italy“ – dieses Qualitätsversprechen
bei mehreren großen Modehäusern, Namen zieht wohlhabende Kunden vor allem aus Chiwill er nicht nennen. Später eröffnete er eine na oder Russland an wie Anna dello Russo die
Boutique in London, ging nach New York und Streetstylefotografen. Wenn man mit Toni
nach Ibiza. Über die meisten seiner alten Ar- und Ermanno Scervino über ihre Heimat
beitgeber spricht er nicht sehr gern, bei Carla spricht, erlebt man eine gewisse SchizoFendi jedoch macht er eine Ausnahme. Sie phrenie in ihrer Beziehung zu Italien, so wie
hatte ihn Ende der 70er-Jahre in seinem ers- sie vermutlich einige ihrer Landsleute empten Geschäft in Florenz entdeckt und zu Fendi finden. Einerseits schwärmen sie, von dem
nach Rom geholt: „Im Grunde war sie die Ers- Licht, dem Essen, der Landschaft. Andererte, die es mir ermöglicht hat, als Designer zu seits klagen sie über die Bürokratie, die es so
arbeiten“, resümiert Scervino, der Mode nie schwierig mache, ein Unternehmen aufzustudiert hat, weil seine Familie gegen diesen bauen, Menschen einzustellen, zu expandieBerufswunsch war. „Mein Vater war der Mei- ren. Über den italienischen Markt, der „nicht
nung, ich könnte mich in dieser Branche existent“ sei. „Ich war in unserer Boutique in
nicht entwickeln. Schade, dass er heute nicht London. Eine wunderschöne Russin hat dort
mehr lebt“, bedauert er.
für 34.000 Pfund eingekauft. In Italien pasDenn die Entwicklung schreitet zügig voran. siert so etwas nicht mehr“, sagt Ermanno
Jetzt sei sein Unternehmen seine Familie, und Scervino bedauernd. Es ist ein etwas arger
diese werde immer größer. Erst gerade habe Vergleich angesichts der hohen Arbeitslosigman zu dem 7000 Quadratmeter großen keit und des vergleichsweise niedrigen LohnAreal, in dem das Unternehmen seit 2007 sei- niveaus in Italien. Aber er zeigt, dass auch vernen Sitz hat, noch den Gebäudekomplex ne- mögende Italiener sich nicht mehr trauen, vor
benan gekauft. Die Frauen in der „Familie“ Ort viel Geld für Prêt-à-porter auszugeben.
heißen beispielsweise Evora, Marina, Sandra. Doch die Freunde wissen wohl, welche StrahlIhre Hände schaffen nach den Anweisungen kraft die Kultur und die Geschichte ihres Landes Chefs die Entwürfe, die später auf dem des immer noch hat. Auf der MännermodeLaufsteg zu sehen sind: Negligés zu Lammfell- messe „Pitti Uomo“ im vergangenen Juni in
mänteln, Spitzentops zu Daunenjacken, be- Florenz feierte das Label mit einer pompösen
stickte XL-Pullover, Kleider aus mit Lochmus- Veranstaltung das 60-jährige Messe-Jubiläum
tern perforiertem Leder. Wer Ermanno Scer- auf Forte Belvedere, einer Festung aus dem 16.
vino trägt, dürfte sich ein bisschen
Jahrhundert mit Blick auf die Stadt.
wie die hippere, jüngere Sophia Ein Potpourri aus
Der Name der Veranstaltung „The
Loren fühlen. Gabriella Maiani, ei- Rüschen, Stoffen
White Renaissance“ bezog sich nicht
ne alerte, ganz in Schwarz geklei- und Inspirationen
nur auf die dort vorgestellte, komdete Dame, ist die Leiterin des findet sich auf
plett in Weiß gehaltene Kollektion.
Ateliers der „Alta Moda“. Hier ent- dieser Pinnwand.
Er erinnerte auch an die ersten Mostehen die besonders aufwendi- Die brünette
desalons in der „Sala Bianca“ im Pagen Stücke. Frauen von mehr als Martina hat als
lazzo Pitti in Florenz, die in den
60 Jahren sitzen neben 18-jähri- Model angefan50er-Jahren den Ruf der italienigen Mädchen an großen Tischen gen, heute arschen Mode im Ausland etablierten.
und arbeiten konzentriert an den beitet sie mit
Diese glorreiche Zeit schien auf Forvor ihnen ausgebreiteten Stoffen, Ermanno Scervino
te Belvedere plötzlich gar nicht
umgeben von bis an die Decke rei- an den Kollektiomehr so weit weg.
chenden Regalen, in denen sich nen. Im Atelier der
Natürlich kam auch Agnese Renzi,
Stoffrollen stapeln. Auf ihre wei- „Alta Moda“
die Ehefrau des italienischen Minisßen Kitteln ist mit goldenem Fa- entstehen beterpräsidenten Matteo Renzi. Sie
sonders aufden das Logo des Hauses gestickt.
trug ein Etuikleid aus weißer Spitze
Signora Maiani führt zu einer Kol- wendige Kleider.
von Ermanno Scervino. (Wir hatten
legin, die gerade an einer Kleider- Die blonde Evora
zufällig die Fertigung beobachten
puppe per Hand mehrere Chiffon- gehört zu den
können). Die Scervinos und die Renlagen stufenweise übereinander- Jüngsten im Team
zis kennen sich gut, der heutige Milegt und zusammennäht. Sie weist und übt denselben
nisterpräsident hat schon in seiner
auf die Wellenformen, die der Beruf aus wie
Zeit als Bürgermeister von Florenz
Chiffon bildet. „Eine Maschine einst ihre Großdas Headquarter besucht, seine Frau
kann solch einen Effekt gar nicht mutter
wird regelmäßig mit Kleidern ausschaffen“, sagt sie. Zart, dieses
gestattet. „Für mich repräsentiert er
Wort fällt einem als Erstes ein beim Anblick die Zukunft dieses Landes“, sagt Ermanno
von Stücken wie einem weißen, mit einem Scervino. „Er kommt und schaut sich die Modünnen Netz überzogenen Kaschmirtop, das denschauen an, was vorher nie ein Politiker
mit einer Bordüre aus Valenciennespitze ver- getan hat. Er hat verstanden, dass Mode einen
ziert ist. Man habe das Muster selbst entwor- extrem wichtigen wirtschaftlichen Faktor für
fen und von einer toskanischen Stickerei her- dieses Land darstellt.“
stellen lassen, fügt Maiani hinzu. Am Ende des Aber auch im kriselnden Italien geht es beim
Rundganges stellt sie einem noch Evora vor, Thema Mode immer noch um die ganz große
eine Frau von nur 22 Jahren mit stark ge- Show. Ein Gast auf der „White Renaissance“
tuschten Wimpern und blondem, hochge- war der US-Rapper Kanye West. Erst einen
stecktem Lockenschopf. Evoras Mutter arbei- Monat zuvor hatte West auf Forte Belvedere
tet ebenfalls für Ermanno Scervino, sie hat ih- seine Hochzeit mit Kim Kardashian gefeiert
re Tochter in den Schneiderberuf eingeführt. und die Vorbereitungszeit vor der Party in eiAm Ende des Tages ein fertiges Produkt in der nem Landhaus von Ermanno Scervino verHand zu halten, das mache ihr Freude, sagt sie. bracht. Kim Kardashians Hochzeitskleid
Man könnte diesen Satz als eine schon oft ge- stammte zwar nicht von Scervino, aber sie
hörte Phrase aus der Manufakturwelt abtun. wurde schon oft in seinen Entwürfen geseGlaubt aber doch gern, dass sie es ernst meint. hen. Mode entwerfen, die bei einem italieniUnd denkt bei sich: Sie hat einen Job, in ei- schen Politikerehepaar ebenso gut ankommt
nem Land, in dem die Jugendarbeitslosigkeit wie bei zwei Kunstfiguren aus der Popkultur?
bei über 40 Prozent liegt.
Das muss man erst mal schaffen.
DRUCKSACHEN
Marys
Magie
Bisher kannte
man Mary
Für die neue Herbst-/
Winterkollektion ließ sich
Mary Katrantzou (im Bild
links oben) von der Welt
der Uniformen und
Symbole inspirieren
Katrantzou für
ihre
Digitalprints.
Nun schwenkt
sie um. Ihre
berühmten
Kundinnen
folgen ihr
P
76
lötzlich, nachdem man eine Stunde in der Stille ihres Büros auf sie gewartet
hat, rauscht Mary Katrantzou wie ein Wirbelwind
herein. „Sorry!!!“, ruft sie
mit heller, gehetzt klingender Stimme, sie habe
in einem Meeting festgesteckt. Mit einem erleichterten Seufzer setzt sie sich auf das dunkelblaue Sofa. Sie wirkt gestresst, aber so
energiegeladen und gut gelaunt, dass es ansteckend ist. Es braucht nur einen Iced Coffee,
den Marys Assistentin Laura ihr serviert, eine
Zigarette und schon sprudeln die Worte aus
der vergnügten Griechin so richtig heraus.
„Am Anfang dachte ich, ich würde keine fünf
Kleider verkaufen. Jetzt denke ich: Weltherrschaft!“, sagt Katrantzou lachend. Sie meint es
scherzhaft – und doch ernst. Mary Katrantzou
begann als eines der vielversprechendsten
Nachwuchstalente Londons und gilt als diejenige, die den Boom des Digitalprints in der
Mode am stärksten befeuert hat.
2008 machte die in Athen geborene Tochter
einer Innenarchitektin und eines Textildesigners ihren Abschluss an der Londoner Central
Saint Martins School of Design und gründete
ihr eigenes Label. Das ist auf dem besten Weg,
das nächste große britische Modeunternehmen zu werden. 250 Shops verkaufen die Kollektionen heute weltweit. Frauen von Diane
Kruger über Beyoncé bis zu Michelle Obama
tragen die Entwürfe. Katrantzou hat mit Labels wie Longchamp und Moncler kooperiert,
im November lanciert sie eine Kollektion mit
Adidas Originals. Inzwischen kreiert die 31Jährige auch eine Resort-Kollektion, und ab
der kommenden Wintersaison bietet das Label auch Handtaschen an.
„Im Vergleich dazu, wie sich Modelabels vor
zehn Jahren entwickelt haben, ist bei mir alles
sehr schnell gegangen“, sagt Katrantzou. Am
Anfang sei sie sehr unsicher gewesen, doch als
Stores wie Colette in Paris und Barneys in New
York anfingen, ihre Kollektionen zu kaufen,
wurde sie immer ehrgeiziger. Ihr Unternehmen
soll wachsen und dafür ist sie bereit, am Tag
zwölf Meetings abzuarbeiten und nachts zu
entwerfen. Mary Katrantzou hat keine Angst
vor Herausforderungen, sie stürzt sich mit Neugierde in sie hinein. Ihr Unternehmen gründete
sie mitten in der Wirtschaftskrise, ohne groß
darüber nachzudenken, ob diese womöglich
ihr Geschäft beeinflussen könnte. „Ich dachte
mir: Du weißt nicht, ob du Erfolg haben wirst
oder versagst. Aber du bist naiv genug, um es
einfach umzusetzen. Und falls es schiefgehen
sollte, findest du es sowieso früh genug heraus.“
Dabei hatte Katrantzou ursprünglich kein Interesse an Mode. Sie studierte erst Architektur
an der Rhode Island School of Design in den
USA. Dann führte sie die Liebe zu ihrem
Freund, der aus beruflichen Gründen nach
London ziehen musste, ebenfalls nach Großbritannien und damit nach Central Saint Martins, wo sie Textildesign und anschließend
Mode studierte. „Mein Freund sagt immer:
Wer weiß, was du jetzt machen würdest, wenn
du in Amerika geblieben wärst.“
Vielleicht hätte ihre Forschungsreise durch
die Welt der Digitalprints, die vorher noch
niemand in der Mode in dem Ausmaß gewagt
hatte, nie stattgefunden. „Digitalprint war damals total tabu. Jeder arbeitete mit Siebdruck
und wer sich doch an Digitalprint versuchte,
tat dies auf sehr sterile Weise. Man machte ein
Foto und druckte es einfach auf irgendwas.
Nichts, was man gern anzieht.“ Mary Katrantzou dagegen ließ digitale Welten auf Kleidern
entstehen: Sie bedruckte sie mit Parfümflakons, Ansichten von luxuriösen Wohnungen,
Fabergé-Eiern, Unterwassermotiven und
Briefmarken. Diese komplizierten Motive
übertrug die Designerin auf ebenso komplizierte Silhouetten, die oft an Schnitte der
Haute Couture erinnerten, mit Krinolinen,
Schößchen, Drapierungen und Keulenärmeln. Sechs Jahre lang perfektionierte Mary
Katrantzou ihren „Signature Style“.
Doch der Erfolg des Digitalprints ist seiner
wichtigsten Vertreterin zu viel geworden.
„Modeketten sind auf das Thema aufmerksam
geworden und wollten es kommerziell für
sich nutzen. Gerade, weil die Motive digital erzeugt sind, kann man sie sehr leicht kopieren.
Plötzlich war Digitalprint überall“, sagt sie.
Und fügt hinzu: „Es ist heute kein Trend mehr,
es ist eine Art, sich zu kleiden.“
Für die Designerin war es an der Zeit, ihre
Komfortzone zu verlassen. Auf der Show für
die Herbst-/Winterkollektion 2014 wollten die
Zuschauer es kaum glauben: keine Prints!
Stattdessen lange, gerade geschnittene Roben,
die über und über mit Symbolen wie Verkehrszeichen, Wappen und Figuren bestickt
waren. Ein Plisseekleid, dessen Vorderseite an
eine Metallschürze erinnerte, wie sie sonst
Fleischer tragen. „Eine Befreiung“ sei es gewesen, endlich über das Thema Prints hinausdenken zu dürfen, sagt Mary Katrantzou.
Die neue Kollektion spiegelt dennoch völlig
die DNA ihres Labels wider. Nur, dass die starken, visuellen Effekte dieses Mal durch die
Applikationen und Materialien entstehen, wie
einer aus 800.000 Stichen bestehenden Spitze, die in einem Schweizer Atelier hergestellt
wurde. Ein Traum für die wohlhabenden Mary-Katrantzou-Anhängerinnen, die gern fast
25.000 Euro für ein Kleid ausgeben. „Diese
Frauen kaufen meine Sachen, um sie zu sammeln. Ich habe wirklich großes Glück, denn so
tragen sie dazu bei, dass es irgendwann ein
Archiv mit meiner Mode geben wird.“ Sie
könne es schon jetzt kaum erwarten, bis es so
weit sei. Eine Vorfreude, die ansteckt.
Silvia Ihring
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81
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82
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EJFOJDIUTBMT1FSGPSNBODFWFSTQSJDIUXXXNFSDFEFTCFO[EFTLMBTTFDPVQF
Die Verbrauchswerte beziehen sich auf die zur Markteinführung (09/2014) verfügbaren Motoren (S 500 4MATIC, S 63 AMG, S 63 AMG 4MATIC
Anbieter: Daimler AG, Mercedesstraße 137, 70327 Stuttgart
VOE4".(
,SBGUTUPGGWFSCSBVDILPNCJOJFSUoMLN$0₂ &NJTTJPOFOLPNCJOJFSUoHLN
BRIONI (7); BILDAGENTUR-ONLINE/TIPS-IMAGES; FEDERICO GAROLLA/CONTRASTO/LAIF
Links: Peter Sellers im Persianer,
weitere Kommentare überflüssig.
Unten: Plaudern vorm Kolosseum
Oben: Brioni interpretiert den
Trend zum Zweireiher. Rechts:
Ein bisschen Muster schadet
nie – auch nicht auf dem Sakko
Oben: Italiener in London – für eine
Modenschau im „Hyde Park Hotel“
reiste eine Delegation 1959 ins UK.
Rechts: Die Mittelmeerinsel Brioni –
einst ein Jetset-Ort – diente den
Gründern Nazareno Fonticoli und
Gaetano Savini als Inspiration für
den Namen ihres Unternehmens
JACKE WIE HOSE
Herrliche Herren
James Bond, Cary Grant und John F. Kennedy trugen ihre Anzüge: Kein Herrenmode-Label steht
so für Jetset wie Brioni. Kommendes Jahr werden die Römer 70 – bereits jetzt sind sie dabei, kräftig
zu expandieren. Grund genug für Philip Cassier, einmal umfassend auf Tuchfühlung zu gehen
F
ür den einen sind es nur
drei Spritzer Essig und Öl
auf einem mit Stoff überzogenen Notizbuch bei
Farfalle und Salat in der
Kantine. Für den anderen
handelt es sich um einen
unhaltbaren
Zustand:
„Bitte“, sagt Brionis Chef-Schneider Angelo
Petrucci, ein Mann, der sich um die Klientel
von Woody Allen an aufwärts kümmert, „bitte
geben Sie mir das Buch. Das hält ja kein
Mensch aus.“ Die Stimme steht kurz vorm Flehen, gegeben wird eine pico Inszenierung des
heiligen Ernstes. Dem Besitzer des Buchs ist
die Angelegenheit grottenpeinlich. Es ist von
Agnona, der Konkurrenz, der Besucher hatte
es erst gemerkt, als er zum Termin kam. Petrucci muss es erkannt haben, er fährt ungerührt fort: „Agnona? Am besten, wir geben Ihnen auch eins und Sie schauen mit unserem
Notizbuch dann bei denen vorbei.“ Gelächter.
Ein Mann mit Seitenscheitel steht wie hergezaubert da: Er nimmt das Buch, nach zwei Minuten sind die Spritzer verschwunden, der
Stoff sieht genau so aus wie vorher. Und Angelo Petrucci hebt mal kurz die Brauen.
Ein Haus von Brionis Dimensionen – der Name ist an eine Mittelmeer-Insel angelehnt, die
nicht zuletzt für ihre glamourösen Polo-Turniere bekannt war – hat viele ungleich größere Geschichten erlebt. Kommendes Jahr werden die Römer 70 Jahre alt, und wer seit circa
1960 männlichen Geschlechts war und auf
dem Planeten wirklich im Rampenlicht stand,
für den haben sie fast ausnahmslos gearbeitet.
Viele Deutsche verbinden mit der Marke zuerst Gerhard Schröder, wobei ihm der „BrioniKanzler“ Ende der 90er-Jahre eher schadete.
Aber die Italiener haben weltweit einen so gewaltigen Ruf, dass sie sogar James Bond beschneiderten – der ist bekanntlich Brite. Und
selbst die kleine Szene mit der Salatsoße war
von Petrucci ausgezeichnet kalkuliert: Sie
zeigt ein detailversessenes Unternehmen mit
dem souveränen Humor von Gewinnern.
Siege sind sie bei Brioni gewöhnt, seit der
Schneider Nazareno Fonticoli und der Unternehmer Gaetano Savini 1945 in der römischen
Via Barberini 79 ihr Atelier eröffneten. So
übergroß ist die Geschichte der Marke, so eng
ihre Verknüpfung mit dem Jetset, dass ihr
selbst Neuerungen zugeschrieben werden, die
gar nicht auf sie zurückgehen. Das muss man
erst einmal schaffen. Brioni habe die Taillierung am Jackett erfunden, steht überall zu lesen. Doch der sanduhrförmige Schnitt des
Sakkos geht auf die englischen Schneider des
späten 19. Jahrhunderts zurück. Bis Brioni
kam, waren die Angelsachsen rund um die
Londoner Savile Row in der Herrenmode unangefochten. Die Römer sorgten dafür, dass
die Taille fließend und natürlich wurde und
die eckige Formgebung aus dem United Kingdom bald recht alt aussah. Noch dazu bewiesen die Italiener einen bis dahin unbekannten
Mut zu Farben und Stoffen. Rote Smokings,
rosa Westen zu cremefarbenen Jacketts, ganze
Anzüge aus Seide – im Rom der 50er-Jahre
experimentierte man mit Dingen, die sich die
Briten bis heute kaum vorstellen wollen.
Eine Stadt, ästhetisch ausgehungert nach
Jahrzehnten faschistischer Gleichmacherei,
in der jeder alles vorzeigen wollte, was er hatte; in der die Bügelfalten notfalls den knurrenden Magen überdeckten; die gleichzeitig von
Hollywood auf der Suche nach ein bisschen
wahrer Ewigkeit entdeckt wurde: Das ist die
Geburtsstätte der modernen Männermode.
Bald schon gehörten Brioni die Vereinigten
Staaten. Also: Clark Gable. Cary Grant. John
Fitzgerald Kennedy. Eigene Boutiquen. Dass
manch Savile-Row-Haus in diesen Jahren Kino-Heroen wie Fred Astaire eisig ans Kaufhaus Harrods verwies, wird auch nicht geschadet haben. Ökonomisch hängten die Italiener die Briten ab. Etwas mehr als 7000
Maßanzüge produzieren die Häuser, die man
Savile Row zurechnet, heute jährlich. Allein
bei Brioni müssen es ein Vielfaches sein –
auch wenn dort nicht alle in traditioneller
Maßarbeit entstehen.
Der CEO Francesco Pesci steht dem Unternehmen seit 2010 vor. Ein Mann mit breitem
Scheitel, wie es Schneider ausdrücken, fein
gestreiftem Anzug, perfektem Englisch und
schwarzen Tasselloafers an den Füßen. Er hat
beinahe sein gesamtes Berufsleben bei Brioni
verbracht. Wahre Schönheit zu erschaffen, das
betont er beim Gespräch im Hauptquartier an
der Piazza San Bernardo immer wieder, das
sei Zweck des Unternehmens. Man sollte sich
das nicht etwa verschnörkelt vorstellen: Die
Einrichtung hat mit weißen Wänden und den
schlichten Holztischen nichts Antikes oder
Barockes, da mag vor der Tür jeder Pflasterstein davon erzählen, dass dieser Ort mal der
absolute Mittelpunkt der ganzen Welt war.
Dazu passen Pescis Worte, bei Brioni sei die
Schönheit nichts Äußerliches. Die innen vernähten Einlagen aus Steifleinen, die Schulter,
Taille und Revers zu einer unverwechselbaren
Silhouette formten, die sehe man nicht, aber
nur sie garantierten zeitlose Eleganz. Eine Bemerkung voller Ironie: Brioni nahm den Modeaspekt der Herrenbekleidung als Erster
ernst. 1952 initiierte man eine Schau für Herren im Florentiner Palazzo Pitti – und weil es
noch keine männlichen Models gab, lief eben
der Storemanager Angelo Vittucci über den
Catwalk. In den folgenden Jahren zeigte man
den Briten auf Präsentationen in Flugzeugen
und auf Ozeanlinern, wie man jede Saison eine neue Kollektion verkauft. Nun sind sie
selbst teilweise beim Zeitlosen angekommen.
Pescis Unternehmen war seit dem Rückzug
der Gründer-Nachfahren oft im Gespräch. 2011
übernahm die französische Kering-Gruppe,
zu der auch Marken wie Gucci und Bottega
Veneta gehören, die Römer. Mancher in der
Branche fragte sich, wie viel Italien bei Brioni
bleiben würde. Pesci verweist darauf, dass
Brioni durch die besondere Nähe zu den USA
und Europa schon immer sehr international
ausgerichtet gewesen sei. Die Worte „made in
Italy“ spricht er dann mit einem Verve aus, der
jede Nachfrage gleich beiseitewischt.
Das spiegelt sich auch in den Entwürfen wider: Brionis Creative Director Brendan Mullane, seit 2012 ist der gebürtige Brite nach Stationen bei Labels wie Givenchy, Hermès und
Louis Vuitton an Bord, zitiert gern aus der Geschichte des Hauses. So stand ein Trip Fonticolis 1962 nach Asien, im firmeneigenen Archiv wie alles andere lückenlos dokumentiert,
Pate für einen Blouson, dessen Rückseite aus
Seide sie in Japan mit der Hand bemalen. Im
kommenden Sommer wird es farbenfroh zugehen, etwas von der Leichtigkeit des Los Angeles der 50er-Jahre wollte Mullane einfangen: „Wir haben so viel erfunden, aus dem wir
immer wieder schöpfen können. Diesen Mix
aus Tradition und nach vorne blicken, den findet man selten“, sagt er nach der Präsentation.
Und ja, sie werden den ersten Store in der Via
Barberini schließen. Aber sie werden ein größeres Geschäft in ihrer Stadt eröffnen und erobern neue Standorte. So gibt es in Deutschland inzwischen Brioni-Boutiquen in München, Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg. In
allen sind eigene Schneider vor Ort. Wer noch
den geringsten Zweifel hat, wie wichtig 3
93
94
3 das Unternehmen das Siegel „made in Italy“
nimmt, dem sei eine Reise nach Penne in die
Abruzzen empfohlen. Dort befinden sich die
Fertigungsstätten. Bereits die Fahrt durch die
Berge gibt einen neuen Begriff davon, worum
es sich bei wahrer Schönheit handeln könnte:
Die Berge wirken majestätischer, das Gras
grüner, der Himmel blauer, die Ortskerne sind
belebter als anderswo.
Das Auto gleitet durch Serpentinen, vorne
sitzt Global Communications Director Paola
Milani – eine Mailänderin, die schon in Paris
arbeitete – und interpretiert eine Disziplin zu
Ende, die Italienerinnen vorbehalten ist. Sie
führt gleichzeitig ein mobiles Dauertelefonat,
passt dabei auf, dass keine Betriebsgeheimnisse preisgegeben werden – und von einer
überbordenden Herzlichkeit ist sie noch dazu.
In den Abruzzen zählen dann die Hände wesentlich mehr als Worte. Es fängt beim Nachwuchs an. Brioni unterhält eine eigene
Schneiderschule, sie ist staatlich zertifiziert,
die Ausbildung beginnt früh. 16 Jungs und
Mädchen um die 14 Jahre sitzen im Klassenraum zumeist in T-Shirts an Holztischen. Vor
ihnen liegt Steifleinen, sie vernähen es Stich
für Stich mit dem Oberstoff, bis ein einheitliches Muster entsteht: „Mit 14 bildet sich die
Sensorik der Hände aus, mit 25 kannst du kein
Schneider mehr werden“, sagt Petrucci. Er absolvierte die dreijährige Schule in den 80erJahren selbst. Die Aufnahmeprüfung ist hart:
Bei der Begrüßung merkt der Meister, ob die
Hand des Bewerbers zu feucht oder zu unbeweglich ist. Es folgen Tests in Englisch – das
Personal muss weltweit einsatzfähig sein –
und Mathematik.
Vor allem aber will Brioni
Leidenschaft für den Beruf
sehen. Eine Schneiderlehre macht viel Mühe. Sara
Romano, eine 15-Jährige
mit Lockenmähne aus L’Aquila, erzählt, dass sie als
Kind die Kleider ihrer Puppen selbst entwarf. In Brionis Schule durfte sie, bevor
man ihr eine Nadel in die
Hand gab, wie ihr gesamter
Jahrgang eine Collage entwerfen: „Wer ich heute bin
und wer ich werden möchte“. Die Ergebnisse hängen
an der Wand – ein Boulevard von gewaltigen Träumen mit Skateboards und
Jeans auf der einen und
Sportwagen und feinsten Kleidern auf der anderen Seite. Und Angelo Petrucci ist der große
Held. Kein Wunder, er steht ja nicht nur der
Fertigung vor, er reist als Chef des VIP-Services auch durch die ganze Welt.
In der Produktionshalle wird Petrucci zum
kleinen Jungen voller Enthusiasmus. Oder ist
es Schauspiel? Auf alle Fälle freut ihn jede Frage, er bittet nur, nicht von einer Fabrik, sondern von einer Manufaktur zu sprechen. Nun
ist dieses Wort derzeit sehr en vogue. Man
wartet nur noch darauf, dass der Fleischer
sein Geschäft in eine Wurst-Manufaktur umtauft. Einem Schneider-Atelier ähnelt die Halle zudem kaum: Maschinen sind zu sehen, viel
Neonlicht, es fehlt die Ruhe, weil viele Menschen am Werk sind. Aber die meisten verrichten ihre Aufgabe mit den Händen. 220 Arbeitsschritte in 22 Stunden stecken in einem
zweiteiligen Anzug, das sind mehr als doppelt
so viele wie bei einem industriell gefertigten.
Brioni investiert zwei Stunden mehr als vor 15
Jahren: Die immer dünneren Stofffasern tragen sich zwar angenehm, sind aber schwieriger zu verarbeiten. 18 Mikrometer misst die
Faser eines klassischen Super-100s, die nun
populären Qualitäten haben noch um die
zwölf Mikrometer. Da herrscht schnell Knitteralarm. Um dem vorzubeugen, läuft jeder
Stoff über Rollen, davor steht ein Mann und
markiert mit einem Plastikfähnchen, wenn
ihm eine Unregelmäßigkeit auffällt. Dann
wird ein Probestück unter echten Bedingungen gebügelt. Wenn’s zu sehr schrumpft oder
Wellen schlägt, geht es zurück zur Weberei.
Petrucci ist nun richtig ins Reden und Gestikulieren gekommen und erklärt zwischen
Nähmaschinen und Bügelautomaten in seinem blau karierten Zweiteiler, dass seinem
Unternehmen 53 Sorten Steifleinen für das Innenleben des Anzugs zur Verfügung stünden.
So passe das Innenleben immer zum Oberstoff (deutsche Schneider stöhnen, dass sie
kaum noch passende Einlagen finden). Der
Zuschnitt erfolgt ausschließlich per Hand und
ist ausgebildeten Schneidern vorbehalten. Für
Arbeiten wie das manuelle Ausnähen der
Knopflöcher, das Einsetzen des Futters und
vor allem das 40-malige Bügeln des Stoffs haben sie Spezialisten. Viele schauen beim Arbeiten ein wenig in die Gegend, weil sie ihre
Arbeitsabläufe blind beherrschen müssen.
Und jedes fertige Teil, vom Ärmel bis zum angenähten Naturhornknopf, begutachtet dann
wieder ein Meister, notfalls mit der Lupe. Was
das bedeutet, hat unter anderem Creative Director Brendan Mullane erlebt: Als er vor der
ersten Show seinen Anzug benötigte, erklärte
man ihm, er müsse noch eine Woche
warten, das Stück habe nach dem finalen Bügeln noch zu ruhen.
Es gebe bei Brioni keinen Qualitätsunterschied zwischen einem nach
Maß gefertigten Anzug und einem
von der Stange, hatte der CEO
Francesco Pesci beim Interview gesagt. Das stimmt und stimmt nicht –
Innenleben und Oberstoff werden
beispielsweise bei der Konfektion
mit der Maschine vernäht, sonst von
Hand. Aber erstens hat die Maschinennaht bei Brioni die Elastizität
von Handarbeit und zweitens wird
jeder Anzug in der Boutique angepasst. Petruccis Besucher quengelt
allerdings schon die ganze Zeit rum, wie gern
er einmal vom Chef persönlich vermessen
werden würde. Also führt ihn der Schneider
noch in sein Büro mit den vielen Erinnerungsfotos an der Wand: Petrucci mit Woody
Allen, mit Gerhard Schröder, mit Geoff Rush,
dem „Schneider von Panama“.
Er bittet, einen Anzug in passender Konfektionsgröße anzuziehen. Es folgt ein analytisches Spektakel. Die Hände an fast jedem
Fleck des Körpers, die Augen zu Schlitzen verkniffen, rotiert Petrucci um seinen Kunden.
Der glaubt, beim Chirurgen angelangt zu sein:
Jede noch so kleine Unregelmäßigkeit hat Petrucci nach Sekunden erkannt, hängende
Schulter links, linkes Bein 1,5 Zentimeter kürzer als das rechte, so geht das weiter. Gleichzeitig aber hat der Besucher den Eindruck,
dass Petrucci es schon richten wird – und
Wünsche darf er obendrein äußern: abgeschrägte Taschen, Länge des Rockschoßes, Innenfutter, Bundfalten, Umschläge, Knopfleisten ... zu viel, um es hier aufzulisten.
Alles notiert Brionis erster Schneider akribisch auf ein Formblatt, sodass er die Fertigungsschablonen beim Aufmalen des Anzugs
auf den Stoff anpassen kann. Am Ende sieht
das Blatt aus wie ein wissenschaftlicher Berichtsbogen. „Sehen Sie mich an“, sagt Petrucci, „gefällt Ihnen der Schnitt meines Anzugs?
Eng am Körper, aber ich könnte darin Tennis
spielen.“ Was soll man da erwidern? In der
Rhetorik, so formulierte es der große Römer
Cicero vor 2000 Jahren, komme wahre Eleganz ohne unnötigen Zierrat aus und sei von
einer gewissen Lässigkeit. Das fiel dem Besucher aber erst lange nach der Frage ein.
Angelo Petrucci sagt, er habe mal einen berühmten Kunden gehabt, der nicht glauben
wollte, dass er ein Jackett in einer Stunde für
die erste Anprobe fertigstellen könne. Also
habe er den Kunden mit den Augen vermessen, das Sakko zugeschnitten und provisorisch zusammengenäht. Er sei deutlich unter
einer Stunde und der Kunde für immer treu
geblieben. „Soll ich Ihnen das schnell mal vormachen?“ Der Besucher verzichtet. Ein Mann
in Petruccis Position könnte sich niemals erlauben, jetzt zu versagen. Sie zeigen bei Brioni
eben gern vor, was sie haben und können. Daran wird sich nichts ändern. Und daran, dass
sie fast jeden anziehen werden, der auf dem
Planeten wirklich im Rampenlicht steht, vermutlich auch nichts.
„Man muss früh
anfangen. Mit
25 kannst du kein
Schneider mehr
werden“
ANGELO PETRUCCI,
Chef-Schneider bei Brioni
shop online
www.brax.com
jeder augenblick
wird schöner,
wenn man ihn teilt.
ZU BESUCH
Die etwas andere Rosskur
Downton Abbey goes Italy? Bei den Bolzas in Umbrien
kommt man sich vor wie am Filmset: Burg, Grafen, Prinzessin,
Pferde, Personal – hier ist einfach alles da. Irina von Gagern
hat sie besucht, Niko Schmid-Burgk fotografierte
Wo das Glück dieser Erde liegt? Klar, auf dem Rücken der Pferde. Graf Antonio Bolza und seine
Schwiegertochter Nencia während eines gemeinsamen Ausrittes in der umbrischen Landschaft
D
Der Volksmund weiß, dass die Welt morgens
um sieben noch in Ordnung ist. Genauso bekannt ist, dass der schöne Sinnspruch mal
mehr und mal weniger stimmt. Also montags
mit defekter Kaffeemaschine stimmt er mehr
so mittel. Wie gut also, dass es Reschio gibt.
Dort nämlich ist an der Richtigkeit kein Zweifel erlaubt: Graf Antonio Bolza besteigt – der
Kopf ist hoch, der Zwirn ist fein – seinen
ebenso aristokratisch anmutenden andalusischen Hengst und begibt sich auf einen Morgenritt mit seiner Schwiegertochter Gräfin
Nencia. Die aufsteigende Sonne vertreibt den
dichten Nebel und gibt den Blick frei auf das
Panorama: sanfte, bewaldete Hügel, durchbrochen von piniengesäumten Wiesen und Olivenhainen. Als ob alles rufe: Willkommen!
Reschio ist ein 1200 Hektar großer Besitz im
westlichen Umbrien an der Grenze zur Toskana. Geerbt? Mitnichten! Früher hatte die Familie Bolza einen großen Grundbesitz in Ungarn, durch die Revolution verloren sie alles.
Als Flüchtling landete Graf Antonio mit seiner
Familie in Österreich, da war er gerade mal
fünf Jahre alt. Dieser frühe Verlust scheint ihn
anzutreiben. Schon als junger Mann gründet
Antonio Bolza einen erfolgreichen Kunstverlag. Er heiratet eine österreichische Gräfin, sie
bekommt fünf Kinder. Erst leben sie in London, dann in München. Die Ferien verbringen
sie in Umbrien.
Als das Castello di Reschio, eine alte Burg mit
all dem Land drum herum und darauf weit
verstreuten 50 alten, meist verfallenen Häusern, auf den Markt kommt, entscheidet der
Graf, hier zu investieren: „Ich wollte wieder
Wurzeln haben, hier leben und arbeiten. Also
verkauften wir das Haus in München und den
Verlag und setzten alles auf eine Karte.“
Was aber tun mit 1200 Hektar Land? Antonio
Bolza hat einen Plan: Er will die bis zu 500
Jahre alten Häuser nach und nach auf höchstem Niveau renovieren und entsprechend gut
verkaufen. Mit dem Verkauf will er den nächsten Umbau finanzieren. Um den 3
97
BENEDIKT BOLZA (3)
98
Die Landschaft in Umbrien darf man als
üppig bezeichnen – das Design in den
Ferienhäusern der Bolzas ist eher schlicht.
Auch die Möbel darin stammen aus der
Feder des Architekten Benedikt Bolza
Hier plant der Hausherr noch selbst: Architekt
Graf Benedikt Bolza (Mitte) kümmert sich um
die Renovierung der alten Bauernhäuser
Bella famiglia: Benedikt und seine Ehefrau
Nencia mit zwei ihrer fünf Kinder, Tochter
Olimpia und Sohn Geza
3 anspruchsvollen Kunden gerecht zu werden, stellt er eine Freskenmalerin ein, Prinzessin Nencia Corsini. Sie kommt aus einer
der ältesten und einflussreichsten Familien
Italiens. Einer ihrer Vorfahren – Papst Clemens VII. – hat den Trevi-Brunnen in Rom erbaut. Die junge Prinzessin hatte, bevor sie
nach Umbrien kam, in London gelebt und hatte genug von der Großstadt: „Als ich das erste
Mal hierherkam“, erinnert sich Nencia, „fühlte
ich mich gleich zu Hause, die Landschaft kam
mir so vertraut vor und ich hatte das Gefühl,
angekommen zu sein.“ Auf der Baustelle trifft
sie auf den Sohn der Familie, Benedikt Bolza,
einen Architekten, der zufällig auch gerade
aus London hierhergezogen war, um seinen
Eltern beim Umbau zu helfen. Die beiden verlieben sich. Zwei Jahre später heiraten sie.
14 Jahre sind seither vergangen.
Benedikt und Nencia empfangen
in ihrem Haus. Früher lebten hier
sechs Bauernfamilien. Jetzt bevölkern die jungen Bolzas das riesige,
verschachtelte Anwesen mit ihren
fünf Kindern. Die beiden Großen,
Giorgiana, 13, und Nerina, 11, gehen
mittlerweile im 150 Kilometer entfernten Florenz auf das Lycée
Français. Unter der Woche leben
sie dort. Gräfin Nencia erzählt, dass
sie sich erst Gedanken gemacht
hat, ob eine vierte Sprache die Kinder verwirren würde. Die Familie
wechselt mühelos zwischen Englisch, Italienisch und Deutsch.
Doch nach wenigen Monaten sprachen die Mädchen fließend Französisch. Die dritte Tochter, Vita, 9,
besucht gerade ihre gleichaltrigen
Cousins an der Küste. Die beiden
Jüngsten, Olimpia, 7, und Geza, 5,
der einzige Junge, beleben das
Haus auf ihre Weise. Sie tollen mit
den beiden Labradoren durch die
Küche. Die ersten zehn Jahre ihrer
Ehe lebten Benedikt und Nencia
Bolza mit ihren Kindern in der
baufälligen Burg. „Jedes Mal, wenn
es regnete“, erzählt Gräfin Nencia
„hatte ich keine Schüsseln mehr,
weil die überall das Wasser auffangen mussten.“
Mit der Familie ist auch Reschio
gewachsen. 24 der Bauernhäuser
sind verkauft.
Eines nach dem anderen hat Graf
Benedikt, der mittlerweile den Familienbetrieb leitet, renoviert. Er
plant und überwacht persönlich jeden Umbau, entwirft die parkartigen Gärten.
„Für unsere Käufer ist es wichtig, dass sie sich
um nichts kümmern müssen“, erläutert der
Entwickler. „Sie kaufen sich ein Haus im wunderschönen Umbrien, ohne sich mit Handwerkern oder Behörden herumschlagen zu
müssen. Wir garantieren und halten den Einzugstermin, so etwas gibt es sonst nicht in Italien.“ Das ist der wahre Luxus.
Je nach Größe und Ausstattung kostet eine
Villa hier ab fünf Millionen Euro aufwärts.
Manche Anwesen haben einen eigenen Weinberg und den ganz persönlichen Olivenhain.
Die Häuser werden das ganze Jahr gesäubert,
überwacht, die Gärten gepflegt. Wenn der Besitzer ankommt, sind die Betten bezogen, der
Kühlschrank ist gefüllt, der Pool frisch gefüllt,
der Garten in Ordnung.
Viele Hauskäufer wollen, dass Graf Benedikt
das Haus auch ihnen einrichtet. In der riesigen alten Tabaccaia, einer Tabakfabrik aus den
40er-Jahren, hat er sein Büro und das Designstudio. Unter dem Label B.B. for Reschio entwirft er Lampen und Möbel. Ein Stockwerk
tiefer werden sie gebaut. Reschio ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. 48
Menschen arbeiten hier – und das in Vollzeit:
Gärtner, Zimmermädchen, Köche, Kellner,
Handwerker, Pferdepfleger, und die Mitarbeiter in den Büros. Wenn ein weiteres Haus umgebaut wird, kommen noch einmal gut 60
Handwerker dazu.
Zehn der 24 fertigen Villen kann man mieten
(reschio.com). So zum Beispiel auch „Palazzo“.
Von außen eine großzügige Palladio-Villa, von
innen eine Art Ferienhaus für Männer wie
James Bond. Mit riesigem Pool, Weinkeller,
Heimkino, Fitnessraum, Billardzimmer, Tennisplatz und vielem mehr. Zehn Leute passen
hier hinein, Träume haben einen Preis, in der
Hochsaison kostet das Anwesen rund 29.000
Euro pro Woche.
Graf Antonio zeigt seinen Stall. Kein Halm
liegt am Boden. Wenn man den Grafen auf seinem Andalusier sieht, denkt man, er sei mit
Pferden aufgewachsen. Doch weit gefehlt.
„Als Flüchtlinge konnten wir uns das Reiten
nicht leisten“, erzählt der Graf. „Erst mit 56
Jahren habe ich hier damit angefangen.“ Und
er bleibt konsequent dabei, lernt neben Reiten auch Dressur und baut eine erfolgreiche
Andalusier-Zucht auf. Über 40 dieser Tiere
springen über die Weiden.
Sogar eine eigene Osteria gibt es in Reschio –
sie ist den Gästen exklusiv vorbehalten. Hier
arbeitet Gräfin Nencia. Sie bespricht mit Küchenchef Rosario jedes Menü: „Wir haben
hier die herrlichsten Zutaten quasi vor der
Haustür, wilden Spargel, schwarzen Trüffel,
unser eigenes Olivenöl.“
Es wird Abend. Benedikt und Nencia laden
zum Essen in ihr Gartenhaus ein. Nach vorn
hin ist es ganz offen und wir haben wir einen
weiten Blick über das Tal. Vor uns stehen Teller mit dampfendem Risotto. Die frisch gepflückten Kräuter erinnern einen daran, wie
nahe man der Natur ist. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages bringen den Rosé im Glas
zum Leuchten. Denn auch abends ist die Welt
noch in Ordnung. Nach Lage der Dinge zumindest in Reschio.
99
Gepflegte Haut durch edle Seide.
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Weniger ist
mehr!?
ARMIN MORBACH
„Kind, schmier dir nicht so
viel Zeug ins Gesicht.“
Diesen Rat musste sich
Armin Morbach von seiner
Mutter wahrscheinlich nie
anhören. Unwirkliche Illusionen schafft der Stylist
der Stars jedoch mit seiner
Kamera – nicht mit seinen
Schminkutensilien. Seine
aktuellen Arbeiten tragen
das Motto „Position statt
Pose“ und brechen erneut
die Regeln der Modefotografie. Zu sehen ab dem 20.
September im Crossover
Showroom in Hamburg.
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KOSMETIKEXPERTEN ZU WORT
Lippen fatale: Frauen wissen, dass nicht
nur ein schön geschminkter Mund
Männerherzen
höherschlagen
lassen kann, sondern
erst recht dann,
wenn er gepflegt ist.
Farbe und Pflege zu
kombinieren ist zwar
nichts Neues, aber
wenn Terry de Gunzburg ihren LieblingsLip-Balm „Baume de
Rose“ nun in sechs
Farben getaucht hat,
dann scheint uns das
erwähnenswert.
Schön für den
Herbst ist die Farbe
„Bloom Berry“, über
niche-beauty.de
Augenblick mal ...
Sind die echt? Eine
typische Frage in
Zeiten, da Kunstwimpern so täuschend natürlich
eingesetzt werden.
Aber manchmal ist
es eben doch nur die
richtige Wimperntusche. Giorgio Armani ist längst bekannt
für Volumen-Mascara mit Namen wie
„Eyes to kill“. Nun
folgt die nächste
Generation mit
„Black Ecstasy“.
Also, Augen auf!
Verführerisch: Die
Macarons von Ladurée kennen Sie
bestimmt. Die Pariser Konditorei hat
nun mit dem französischen Modelabel
Nina Ricci gemeinsame Sache gemacht
und die Duftkerze
„La tentation de
Nina“ geschaffen,
die frisch-floral
duftet (über ludwigbeck.de). Aber
Achtung: nicht
hineinbeißen!
Die passenden
Nina-Ricci-Macarons bitte bei Ladurée vor Ort erwerben.
Helferlein: Was dem
Tischler sein Akkuschrauber, ist uns
Frauen der Pinsel. Er
ist Werkzeug, ein
Hilfsmittel, um sich
Tag für Tag (noch)
schön(er) zu schminken. Nun gibt’s auch
von CK one das
passende, handliche
Utensil. Der „3-in-1
face make-up brush“
mit den angeschrägten Pinselfasern soll
sich prima zum
Auftragen flüssigen
Make-ups eignen.
Gibt’s bei Karstadt
und Breuninger.
Sommerferien ade. Schade,
aber bestimmt ist noch etwas
von der Sommerbräune übrig
geblieben. Doch merken Sie
auch, dass Ihre Haut im Gesicht
spannt? Vielleicht hat sie doch
zu viel Dolce Vita abbekommen
und hat nun Nachdurst? Abhilfe
kann eine Vliesmaske von
Guerlain schaffen. Die „Super
Aqua-Mask“ gilt schließlich als
Durstlöscher unter den Kosmetikprodukten, ist einzeln verpackt, enthält pro Maske etwa
30 Milliliter des Super AquaSerums und kann je nach Bedarf
auf dem Gesicht aufliegen.
Zehn bis 20 Minuten reichen
aber völlig aus und der Effekt
hält bis zu eine Woche lang:
Tipp: Machen Sie die Maskenpause abends und verteilen Sie
die Überreste aus der Packung
gleich noch an Hals und Dekolleté. Na dann ... prost!
Andreas
Florig
Inhaber der
Parfümerie
Florig in
Griesheim
AUGENÖFFNER
Das ganze Jetset-durch-dieWelt-Gefliege macht zwar
Spaß, bedeutet für unsere Haut
aber leider auch Stress. Die
trockene Luft im Flugzeug lässt
Fältchen schneller entstehen,
besonders rund ums Auge. Nun
gibt es speziell dafür ein neues
Helferlein, das Sie (nicht nur) im
Handgepäck gut gebrauchen
können: das Augen-Serum der
kleinen isländischen Kosmetikmarke Bioeffect. Nach EGFSerum, einer Tages- und Körperpflege, gibt es nun erstmals
auch etwas für die Augen. Und
wie nicht anders zu erwarten,
auch als klare Flüssigkeit, die die
Augenpartie durchfeuchten
soll. Mithilfe einer kleinen Rollkugel lässt sich das geruchlose
„EGF Eye Serum“ einfach
auftragen. Tipp: Rollen Sie
immer von innen nach außen!
Das regt die Lymphe an und
kann so auch Augenringen
vorbeugen.
Alexander
Wolf
Geschäftsführer
der Parfümerie
Wolf in Bielefeld
T H E C U L T U R E O F T O TA L B E A U T Y
Exklusive Haarpflege und Kosmetik.
In ausgesuchten Friseur – Salons: labiosthetique.de
LA BIOSTHETIQUE CHEVEUX LONGS
In voller Länge
Langes, seidiges Haar ist sexy. Es ist aber auch empfindlich und anfällig für Sprödigkeit und
Haarbruch. Das luxuriöse Spa – Konzept Cheveux Longs gleicht Strukturschäden aus,
pflegt das Haar mit hochwirksamen Inhaltsstoffen und umschmeichelt es mit einem bezaubernden Parfum.
Sammlerstück
Einige Frauen sammeln Kleider mit den
berühmten Marni-Mustern, andere Parfumflakons.
Das Modehaus Marni bietet nun gleich beides an.
Für ihren bewährten Duft „Marni Rose“ gibt es ab
November einen auf 3000 Stück limitierten
Sammlerflakon – in, klar, unverwechselbarem
Print. Nur Geduld, Geduld ...
Zum Ansprühen
Was hat ein Brite immer dabei? Einen Trenchcoat, gern von Burberry.
Könnte ja regnen. Nun gibt es quasi auch einen Überzug im Flakon,
denn die britische Marke um Chefdesigner Christopher Bailey hat
gemeinsam mit Francis Kurkdjian einen Duft entwickelt. „My Burberry“ soll an einen blumenübersäten Londoner Stadtgarten erinnern –
klar, nach dem Regen. Die kleine Zierschleife ist aus Gabardine, dem
Stoff, aus dem der „Trench“ seit 1879 hergestellt wird.
Zweite Premiere
Bei Gucci verzettelt man sich nicht. Chefdesignerin
Frida Giannini erfindet nicht ständig eine neue
DNA, baut vielmehr zeitgenössisch auf der reichen
Geschichte auf. Ihr Erfolg erklärt, warum es zwei
Jahre dauerte, bin es nun vom Eau de Parfum „Gucci
Première“ die leichtere Eau-de-Toilette-Version gibt.
Für wahre Fans
10 6
Haben Sie die beiden „F“ auf dem Flakon entdeckt? Ja,
genau die, die auch die Schließe der berühmten Baguette
Bag des italienischen Modehauses zieren und für „Fendi
forever“ stehen. Klar, dass die auf den Flakons der neuen
„Fan di Fendi“-Duftreihe nicht fehlen dürfen. Wonach das
Eau de Parfum duftet? Nach Leder, Rosen, Birne,
Johannisbeere und römischer Sonne ...
SS t
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Neuer Absatzmarkt
Bloß Schuhe entwerfen? Das scheint dem Meister der Stilettos,
Christian Louboutin (Sie wissen schon, der mit den roten Sohlen) wohl nicht zu reichen. Denn nun brachte er eine NagellackKollektion heraus (in klassischem Louboutin-Rot sowie
30 weiteren Farben). Natürlich nicht in irgendein Fläschchen
abgefüllt, sondern in ein elf Zentimeter hohes, ziemlich scharfes
„Objekt“. Gibt’s nur bei apropos-store.com
Beflügelnd
Aller guten Dinge sind zwölf, darum hat Jean-Claude Ellena für
seine Hermèssence-Duftreihe etwas Neues kreiert: Cuir d’Ange
– sprich Engelsleder. Den Duft des Leders einzufangen, das
beschäftigt die Nase von Hermès schon lange. Ab Oktober
kann man in den Hermès-Boutiquen testen, was dabei herausgekommen ist. Und da alles bei den Franzosen auf Tradition
beruht, gibt es auch eine Hülle aus roséfarbenem Kalbsleder.
Kopfverdreher
Pechschwarz war der Flakon zu seinem ersten Duft „l’Eau“.
Das ist zehn Jahre her. Nun ist der Flakon zu Narciso Rodriguez’ neuestem Coup milchig-weiß und nudefarben. Das sei
seine Farbwelt, erklärt der Designer. „Narciso“ duftet übrigens
nach Vetiver, weißem Moschus, Zedern. „Ich wollte etwas
schaffen, das Männern den Kopf verdreht.“ Na bitte ...
Samtweich
Wenn Sie den schicken schwarzen Chanel-Karton
öffnen, dann kommt darin nicht nur die neue „Vitalumière Loose Powder Foundation“ zutage, sondern
auch ein Pinselchen. Nur drei Zentimeter groß,
dennoch lässt sich mit den samtweichen KabukiHärchen das Make-up hauchzart (am besten in
kleinen Kreisbewegungen) auftragen.
ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
PSS
g
lin
KUNST TRIFFT KOSMETIK
Galerie des Außergewöhnlichen
In New York eröffnet eine Art Manufactum de luxe, das die Lust von Superreichen an
limitierten Objekten befriedigen soll. Huberta von Voss schaute vorbei
NY
Signatur Duft: So riecht die Galerie Chamber s in Soho
gendären Design-Store Moss sowie das MoMa
arbeitete, klapperte persönlich die lebenden
Künstler ab, befragte und filmte sie in ihren
Studios. Daraus entstanden Videos, die die Besucher zum Verweilen einladen sollen. „Mich
faszinieren die Geschichten von Objekten und
die der Sammler. Wir müssen uns die Zeit dafür nehmen.“ Deswegen sei er nach Chelsea
gegangen, sagt der Galerist und nippt im schönen Innenhof des „High Line Hotels“ an einem doppelten Espresso. Er wolle den Kunden ein langsames Einkaufserlebnis ermögli-
Objekte für den ganz
normalen New Yorker
Sammler-Wahnsinn:
Puppe von Viktor & Rolf
Gallery
Er habe sich das Paradies immer als eine Art
Bibliothek vorgestellt, gestand der argentinische Kultautor Jorge Luis Borges, der nur inmitten von Bücherstapeln einschlafen konnte.
Wie es in diesem Paradiesgarten riecht, in
dem uns nicht Äpfel, sondern intellektuelle
Früchte die Unschuld rauben, dazu hat der argentinische Parfümeur Julián Bedel einst einen eigenen Duft kreiert. Nun bekam der Besitzer des exklusiven Parfumlabors „Fueguia
1833“ von seinem jungen Landsmann Juan
Garcia Mosqueda eine ungleich abstraktere
Aufgabe: Er solle einen Duft schaffen, der eine
Raumstruktur des verstorbenen amerikanischen Star-Architekten Louis Kahn widerspiegele. Diese Kreation aus „Beton, Gras,
Licht und Poesie“ soll der Signaturduft für die
direkt unter dem High Line Park liegende Design-Galerie Chamber sein, die Mosqueda Mitte September im Herzen von Chelsea eröffnet.
Der Anspruch des erst 26-jährigen Gründers,
der einer vermögenden Unternehmerfamilie
aus Buenos Aires entstammt, scheint schließlich ebenso monumental und versponnen
poetisch wie die Architektur Louis Kahns.
Denn Chamber will nichts weniger sein, als
ein „Reliquiar für einzigartige Objekte“ von
jungen und etablierten Designern. Sein räumlich eher kleiner Laden soll ein „Pilgerort“ für
Designliebhaber werden, eine Art Manufactum de luxe mit Galerieanspruch und limitierten Auflagen von großteils eigens kreierten Objekten, quasi ein Ort für Borges-gleiche
Sammler, die wie Mosqueda daran glauben,
dass die Summe eines Gegenstandes mehr ist
als seine Abmessungen und ihm erst die Geschichte seiner Entstehung, sein Narrativ, die
seelenhafte Schönheit verleiht.
Ach so, und die Magie einer der fortschrittsbegeisterten Wunderkammern der Spätrenaissance will man auch noch versprühen und
„Inkubator und Plattform experimentellen
Designs“ sein. Ist das nun Mut zur Prätention,
Zitierfreude oder die geschickt durchkalkulierte Spielfreude eines kultivierten Investors
mit großer Portokasse? Oder auch beides?
Gekleckert wird jedenfalls nicht. Das angesehene New Yorker Architekturbüro MOS schuf
für das Projekt die antiminimalistischen
Räumlichkeiten, die mit organisch geschwungenen Deckenbögen und Nischen Kirchenelemente aufgreifen. Kuratiert wird das Programm der kommenden zwei Jahre von den
holländischen Design-Stars Job und Nynke
Smeets (Studio Job), die an die siebzig Designer für die Chamber Collection #1 ausgewählt
haben, darunter den Mitbegründer der Wiener Werkstätte Koloman Moser und BauhausIkone Marianne Brandt, Dieter Rams und sein
legendäres Braun-Radio, aber auch junge
Stimmen wie das Mailänder Duo Formafantasma oder bereits etablierte Designer wie die
Französin Matali Crasset. Mosqueda, der nach
seinem Designstudium in Chicago für den le-
chen. Die Preisspanne reicht vom limitierten
Handtuch des noch wenig bekannten Sjoerd
Kooistra für 50 Dollar bis hin zu einer Puppe
von Viktor & Rolf für 70.000 Dollar. Die
Superreichen aus China und Brasilien wollten
durchaus hochwertige Objekte, die nicht
alle haben.
Für Überraschungen ist auch gesorgt. So
schuf die junge niederländische Modedesignerin Jantine van Peski ein hübsches kleines
Zelt, das ihre Materialfixiertheit zum Ausdruck bringen soll. Vielleicht werden darin
demnächst die Kinder von vermögenden
Hipster-Eltern mit Vintage-Holzblöcken von
ADO aus den Fünfzigern spielen, während
sich ihre mit Vornamen anzusprechende Mama im Bad zum Schein einer „Mae West
Tit Lamp“ (Kreation Studio Job für Venini)
den exklusiven Licht-Beton-Gras-Duft hinters
Ohrläppchen tupft. Wir wollen hoffen, dass
der sicher komplexe Geruch den Mann davon
abhält, in den apokalyptischen Gewändern
von Martijn van Striens aus der Dystopian
Brutalist Collection als Edelzombie rumzulaufen.
Oder man hält es doch mit Autor Borges.
Wenn er sein Leben noch einmal leben könne,
meinte er hochbetagt, würde er mehr Eis essen, leichter reisen und insgesamt die Dinge
weniger ernst nehmen.
10 7
SCHÖNHEIT
Für immer und
alle Zeiten
Sie ist wirklich verdammt attraktiv. Eben nicht nur schön
gemacht. Wie bereits 1994 wirbt Supermodel Christy Turlington
erneut für Eternity. Inga Griese hätte sie auch wieder engagiert
Aura, ihrer Attraktivität, die eben mit dem zu
tun hat, was in Amerika leider aus der Mode
gekommen ist. Eine ehrliche Schönheit. Vielleicht hat sie ein ganz klein bisschen Botox im
Bereich um die Oberlippe? Reflexfrage, sie
laut zu stellen, wäre albern. Wenn überhaupt,
dann wäre es jedenfalls so perfekt injiziert,
dass man es nur beurteilen könnte, wäre man
ihre Kosmetikerin. Christy Turlington ist eine
schmale, filigrane, sportliche Frau mit feinen
Fältchen um die Ozean-Augen und auf der
Stirn und einer derart gesunden Ausstrahlung, dass man schlagartig die beiden Venti
Vanilla Latte von Starbucks eben bereut.
Ihre Zeit scheint stehen geblieben zu sein –
und sie darin nicht. Zur äußeren Attraktivität
kommt eine innere. Manchmal sind längere
Interviewzeiten eine Frage der Ehre, in ihrem
Fall würde man sich gern auf ein ganzes Wochenende mit Mann,
Kindern, Freunden einlassen. Sie strahlt innere
Ruhe aus, die nicht nur
mit dem Yoga-Faible zu
tun haben kann, sie kann
lachen und gute Sätze
sagen.
„Eternity“ ist unser
Stichwort, schließlich
war sie 1994 das Werbegesicht für den spektakulären Duft damals von
Calvin Klein. Der Name
war klug gewählt, „Eternity“ scheint wirklich
für die Ewigkeit gemacht, ein Bestseller für immer. Zwanzig Jahre später hat Coty das Supermodel aus der
Lindbergh-Truppe nun also wieder verpflichtet. Mit 45 Jahren. Ein smarter Schachzug in
der jugendverrückten Branche. Mehr Glaubwürdigkeit geht nicht. Beide sind einfach gut
geblieben. Die Amerikanerin hat in der Zwischenzeit studiert, wurde Unternehmerin und
zum Sinnbild für gesunden Lifestyle, heiratete den Schauspieler und Produzenten Edward
Burns, bekam zwei Kinder, setzt sich für Dritte-Welt-Länder ein, produzierte den Dokumentarfilm „No Woman, No Cry“, initierte daraufhin 2010 die „Every Mother Counts“-Initiative für sichere Geburten. 2013 meldete sie
sich großformatig in Calvin Klein-Unterwäsche als Model zurück.
„Wenn ich an Ewigkeit denke, dann eher im
Sinne von Kontinuität“, sagt sie mit ihrer klaren Stimme. Erst recht, seit sie Kinder hat. „Es
geht nicht um dich, sondern um sie und
gleichzeitig doch um dich, weil sie ein Teil
von dir sind. Und sie wiederum sind ein Teil
vom Ganzen, so spannen sich die Fäden immer weiter.“ Das ist das, was „forever young“
eigentlich meint.
C
„Wir hatten Spass.“ Die neue Eternity Kampagne drehte Christy Turlington mit Ehemann Edward Burns
FILMMAGIC/GILBERT CARRASQUILLO; INEZ VAN LAMSWEERDE UND VINOODH MATADIN
10 8
Das Greenwich Hotel in New York ist einer
dieser angesagten Plätze in Downtown New
York, es gehört Robert de Niro, liegt unweit
vom TriBeCa Komplex, wo auch John-John
Kennedy lieber wohnte. Die Atmosphäre ist
entspannter als in den hippen Herbergen im
Meatpacking District, eher Bohème, in der
Lobby mit den bunten Samtsesseln und gestreiften Sofas auf Holzboden herrscht ClubAtmopshäre. Auch wenn fast jeder Gast in ein
Mac-Book oder Smartphone vertieft ist. Das
Konzept des Shibui Spa basiert auf Balance
zwischen Innen und Außen, zwischen Natur
und Stadt, ein alter japanischer Bambuswintergarten umhüllt den Indoorpool, jeden Morgen um acht wird Yoga angeboten. Im Hotelrestaurant Locarna Verde mit hohen Bücherund Weinregalen, Holztischen und ledergepolsterten Bänken wird frische, köstliche italienische Küche serviert, natürlich nicht nur
an Hausgäste – einen besseren Ort hätte Coty
kaum auswählen können für ein Interview
mit Christy Turlington.
Auf dem schmalen Hotelflur im 6. Stockwerk
steht eine kleine Gruppe gut gepflegter, aufgeregter Frauen. Ein vertrautes Bild, fast schon
ein Ritual bei solchen internationalen Presseterminen in der Kosmetikbranche: „Sorry, we
are running late“, sagt eine freundliche Amerikanerin und hantiert mit dem Smartphone.
Mehr weiß sie nicht. Am Ende des Flurs öffnet
sich eine Tür, ein Grüppchen fröhlicher Journalistinnen aus Spanien kommt heraus, muss
ja nett gewesen sein mit Mrs. Turlington. Die
etwas Ältere in der Truppe scheint kurz vor
Schnappatmung: „So beautifull! So nice.“
Nun muss man auch wissen, dass auf allen Seiten der Parfümbranche eine gewisse Hysterie
gepflegt wird, und dazu gehört angesichts stetig wachsender Märkte auch die Vergabe von
Interviewzeiten mit den prominenten Testimonials. Schon ein Einzeltermin ist soviel
Wert wie eine Chefarzt-Behandlung als Kassenpatient, wenn der „Slot“ dann noch mehr
als fünf Minuten beträgt, dann darf man sich
schon fast selbst als Star fühlen.
Soviel Gewese um ein neues, zugegeben großartiges Parfüm? Einige Kaffees und einen
Bummel durch TriBeCa später stehe ich wieder auf dem Flur mit dem schönen Holzboden
und werde – „sorry, we are running late“ – aufgerufen. Die Tür zu einer Suite mit Kamin öffnet sich, eine nette Frau begrüßt mich überschwänglich: „Hi, Inga, so sorry that we are
running late!“ Sie wird darauf achten, dass
sich mit mir die Verspätung nicht noch weiter
aufbaut. Ich habe zwanzig Minuten!
Schlagartig ist das alles egal. Mrs. Turlington
reicht angenehm die Hand, schon, dass sie
nicht als Erstes sagt: „Hi, I’m Christy!“ (wer
denn sonst?) macht sie sympathisch. Überhaupt ist man gleich wie erfrischt von ihrer
MARKENGESCHICHTE
Puig. Mehr als eine Marke
Wenige Unternehmen wirken so im Hintergrund wie die spanischen Parfümeure. Dabei stehen sie
hinter Marken wie Prada und Valentino. Susanne Opalka ging auf historische Entdeckungsreise
Marc Puig steht auf der Bühne des Royal Bar- nem vierten Sohn Enrique. Der ist sich daher
celona Yacht Club, eine kurze Ansprache, auch sicher, dass nicht Blut, sondern „Agva Ladann fügt er sich in die Reihen. Sein Blick vanda“ durch seine Adern fließt. Dieser ländgleitet über applaudierende Menschen, er- lich-idyllische Duft des Windes, der über Felschöpfte, fröhliche Gesichter strahlen ihm der von Lavendel, Salbei und Thymian
entgegen: Segelprofis aus aller Welt feiern vor streicht, weht Puig in eine andere Liga. Rafael
der Kulisse der hippen Stadt, seiner Stadt, die Lopez, der spanische Couturier in Paris, vereng mit der Familie und dem Unternehmen traut dem Landsmann seinen ersten Duft an,
verbunden ist. Marc Puig hat die America’s es folgen die Vertriebsrechte für Jean Patou,
Cup Challenge hierhergeholt, die nun seinen Chanel, Max Factor.
Namen trägt: „Puig 12mR World Champion- Ab Mitte der Fünfziger steigen die Söhne Anship“. Tagelang segelten die Boote vor der tonio und Mariano ins Geschäft ein, schreiben
Küste, eingerahmt von historischen Yachten 1962 Geschichte, als sie André Ricard und Yves
aus vergangenen Jahrhunderten – die „Puig Zimmermann die zukünftige Designsprache
Vela Classica“, die der Unternehmer vor sie- überlassen. Jean Miró wird seine Skulptur
ben Jahren ins Leben rief. Auf dem Plaza Eu- „Femme“ 1973 nach einem Flakonentwurf von
ropa steht schimmernd weiß und gerade fer- Ricard für Puigs Herrenduft „Agua Brava“ getig der „Puig Tower“, vom spanischen Top-Ar- stalten. („Femme“ steht heute vor dem Firchitekten Rafael Moneo entworfen. Der neue men-Tower). Antonio senior setzt sich zur RuHauptsitz der Firma.
he, er hat Spanien erobert, nun sollen seine
Die ist Ihnen gar nicht so geläufig? Marc Puig Söhne Antonio (für Design verantwortlich),
würde lächeln –
solange Ihnen Prada,
Valentino,
Comme des Garçons, Jean Paul
Gaultier, Paco Rabanne, Carolina
Herrera oder Nina
Ricci mehr sagen.
Puig (spricht sich
„Puutsch“) ist 100
Jahre nach Gründung das sechstgrößte Unternehmen der Welt im
Premium-Duftmarkt, mit einem
Nettoumsatz von
1,499 Milliarden
Euro, 4204 Mitarbeitern und Niederlassungen in 21
Ländern. Dazu ist
es das einzige Unternehmen,
das
weder von einem
Konzern
absorbiert noch an der
Mehr als Parfüm: Puig macht nicht nur in Duft (etwa von Prada und
Börse gehandelt
Valentino), sondern veranstaltet auch die Regatta „Puig Vela Classica“
wird.
Antonio Puig Castelló, 1889 geboren, kehrt 1912 nach zwei Jahren Jesuitenschu- Geschäftsmann Mariano, José Maria und Enrile aus London mit dem Recht zurück, diverse que, der Mann für PR, für internationalen ErProdukte zu importieren – ein Portfolio aus folg sorgen. Und das in schwieriger Zeit: „Es
Büchern, Gummireifen und „Parfum d’Orsay“. war die Zeit der Diktatur, made in Spain war
1914 gründet er „A. Puig“. Am 28. Juli versenkt nichts wert“, so Mariano. Man konzentriert
ein deutsches U-Boot ein Schiff mit der ge- sich auf exklusive Premiumprodukte, baut eisamten, nicht versicherten Puig-Ladung. Der ne neue Fabrik. Ein eigenes Labor stellt die
Jungunternehmer gibt nicht auf. Acht Jahre Meisterparfümeure ein, die Flakons, selbst die
dauert es, bis er seinen Coup landet: „Milady“, Verschlüsse, alles wird im Hause entworfen
der erste spanische Lippenstift. 1929, zur Ex- und gefertigt. Mit „Calandre“, dem ersten Duft
po, erwirbt Antonio Puig das Recht, „4711“ zu von Paco Rabanne, durchbricht Puig dann
vertreiben. Doch was er wirklich ersehnt, 1969 die Grenzen, 1973 markiert „Paco Rabankommt 1940 zur Welt – gleichzeitig mit sei- ne pour Homme“ eine neue Kategorie der Par-
fümerie. Und im Hintergrund, um Paris nicht
zu verärgern, legt Rabanne auch seine Mode
in Puigs Hände.
Das öffnet den Spaniern die Türen zum internationalen Luxusmarkt, durch die nach und
nach andere Couturiers spazieren werden.
Heute besitzt Puig komplett die Marken Paco
Rabanne, Nina Ricci und Carolina Herrera –
dazu die Lizenzen für Duft von Prada, Comme
des Garçons, Valentino, Celebrities wie Antonio Banderas und Shakira und die Kosmetik
von Payot. Füllen die Sehnsüchte, die Mode
weckt, in Flaschen ab. Aber auch die Mode
profitiert: Die Marke Paco Rabanne, ab 1999
klinisch tot, als die Haute Couture und die
Prêt-à-porter eingestellt werden, hat allein einem Duft die Wiedergeburt zu verdanken: „1
Million“ – fast 30 Millionen der GoldbarrenFlakons wurden seit dem Launch 2008 verkauft. 2011 geht mit Manish Arora als Designer
die erste neue Kollektion über den Laufsteg.
NICO MARTINEZ; PUIG (2)
P
Ähnliche Reha-Maßnahmen per Dufttherapie
brachten Nina Ricci zurück in den Fashionzirkus. Am 3. Mai 2011 geht ein Beben durch die
Szene: Puig übernimmt von Hermès maßgeblich die Marke Jean Paul Gaultier. Ab 2016
werden die Spanier nach der Mode auch seine
Düfte produzieren. „Eine Familienfirma hat
eine ganz andere Motivation, weil die Mitglieder etwas für die nächste Generation aufbauen wollen, sie erschaffen ein Vermächtnis“,
sagt Marc Puig, seit 2007 CEO. Antonio Puig
hat Spanien erobert, die vier Söhne das internationale Geschäft, die dritte Generation mit
den Cousins Manuel und Marc hat aus der Parfüm- eine globale Luxusfirma geformt. Das
Erfolgsrezept hat Mariano Puig bereits in den
Sechzigern formuliert: „Wir lieben diese Firma so sehr, dass ihr Fortbestehen wichtiger ist,
als sich an Positionen zu klammern.“
10 9
SINN UND VERSTAND
Der Duft ihres Lebens
Jean-Claude Ellena war lange Parfümeur bei Hermès. Nun
beerbt ihn Christine Nagel. Unsere Autorin Uschka Pittroff hat
beiden die gleichen Fragen rund ums Riechen gestellt. Und
zweimal buchstäblich naseweise Antworten erhalten
E
Bitte beschreiben Sie, wie
für Sie ein Stein riecht?
Jean-Claude Ellena: Auch
wenn das jetzt merkwürdig
erscheint, aber für mich ist
der Stein kalt und hart, auch
wenn es natürlich ein warmer Stein sein
könnte. Wir können auch einen Feuerstein
nehmen. Da ist der Geruch auf der einen Seite
verbrannt, auf der anderen Seite wie ein Aldehyd, also kalt.
Wir Laien fragen uns immer, was kommt zuerst: die Henne oder das Ei? Was ist Ihr Geheimnis? Riechen Sie anders als wir Normalos? Mit anderen Worten: Haben Sie zuerst ein
Objekt, eine Landschaft, ein Bild, eine Idee im
Kopf – und daraus folgt die Kreation eines
Parfüms? Oder sagen Sie sich: Uff, da gibt’s
diesen interessanten Ledergeruch, daraus
möchte ich jetzt was Großes schaffen? Wie
funktioniert das bei Ihnen?
Jede Kreation geht auf ein Indiz zurück, nicht
eine Idee. Es gibt ein gewisses Signal für eine
kleine Sache, also es gibt da irgendetwas, und
dann spiele ich Detektiv und ziehe am Faden,
bis ich den Schuldigen herausfinde. Der
Schuldige ist hier die Idee am Ende des Fadens. Die Kette sieht folgendermaßen aus: Indiz, Idee, Thema, Parfüm.
Ein Beispiel bitte.
Das Indiz ist ein Pfahl, der in die Erde eingerammt ist – also ein Bild, eine Vorstellung. Die
110
HERMÈS (5); BRICE TOUL
Wie riecht Glück? Für JeanClaude Ellena und Christine
Nagel ist das die große Frage
Idee ist der Geruch von Holz. Das Thema ist
die Vertikalität, also der Ausdruck des Geruchs. Dies sehen wir zum Beispiel bei „Terre
d’Hermès“ (Anm. der Red.: ein Bestseller, den
Monsieur Ellena kreiert hat). Ich versuche,
mit diesem Parfüm einen Menschen auszudrücken als einen vertikalen Wert, und das
Ganze über einen Holzgeruch.
Was macht eigentlich ein Parfümeur? Ein
Laie stellt sich das immer so vor: Er mixt irgendwelche Sachen zusammen, und dann
kommt was Tolles raus. Oder unterhält man
sich in Formeln, wie ein Chemiker? Beschreiben Sie bitte Ihren Beruf?
Ich bin ein Schriftsteller des Duftes. Ich stelle
die Düfte mit Worten gleich. Diese Wörter bilden dann einen Satz. Und das ist der Beginn
einer Geschichte, die ich erzählen möchte.
Dabei gibt es natürlich gewisse Regeln. Aber
für mich ist jeder Inhaltsstoff wie ein Wort –
so entsteht langsam eine Parfüm-Geschichte.
Man sagt, die Umgebung beeinflusst uns, und
wir kreieren umgekehrt unsere Umgebung.
Welchen Einfluss hat das auf Ihre Arbeit?
Wenn Sie jetzt in zum Beispiel Chicago oder
Papua-Neuguinea aufgewachsen wären, würden Sie die gleichen Parfüms kreieren?
Nein (lacht). Wenn ich in Chicago aufgewachsen wäre, dann wäre ich Architekt geworden.
Oder Gangster. Und in Neuguinea hätte ich
mich tätowieren lassen und hätte mich als
Stammesfürst etabliert.
Welche Düfte machen uns glücklich?
Das Gefühl von Glück, von Freude, ist immer
mit Erinnerung verbunden, und die Erinnerung ihrerseits geht auf ein Ereignis zurück.
Wenn das ein glückliches Ereignis war, dann
werden Sie sich an diesen Tag erinnern und
dann diesen Geruch, den Sie an diesem Tag
wahrgenommen haben, als einen angenehmen Geruch empfinden. Nehmen wir ein Beispiel. Als junge Frau mit 17 Jahren lernen Sie
einen Jungen kennen, der „Brut“ von Fabergé
trägt. Mit 35 Jahren lernen Sie wieder einen
Mann kennen, der das gleiche Parfüm benutzt, und ich kann Ihnen sagen, selbst wenn
der Mann total hässlich ist, wird das für Sie ein
Moment des Glücks. Das ist also der Geruch
des ersten Flirts.
Welche Parfüms oder Düfte haben Ihr Leben
verändert?
Hmm ... Das ist keine kleine Angelegenheit.
Das wissen wir.
(Denkpause) Ich weiß nicht, wie ich auf diese
Frage antworten soll. Ganz konkret: Das erste
Mal in meinem Leben, als ich mich anders gefühlt habe als die anderen, das war im Alter
von 16 Jahren. Ich lernte damals in der Parfümerie-Branche in einem Labor und sollte ein
‚Absolue de Jasmin‘ herstellen. Ich stellte fest,
dass meine Nase, mein Geruchssinn unterscheiden konnte, ob das Parfüm in einem Behälter aus Glas, einem aus Kupfer oder einem
aus rostfreien Stahl hergestellt wurde. Mein
Chef sagte zu mir: „Du kannst etwas, was ich
niemals konnte.“ Es war das erste Mal, dass ich
erfahren habe, dass meine Nase vielleicht etwas besser ist als das Mittelmaß. Das hat mein
Leben verändert: Ich bin Parfümeur geworden.
Wenn Sie Menschen die Wahrheit sagen, nämlich dass in Erdbeerduft keine Erdbeere ist,
dass er nichts mehr ist als eine chemische Formel, nämlich: Fructon, Ethylmaltol und Me-
thylanthranilat und dass Hyazinthenduft
nicht aus Hyazinthen gemacht wird, sondern
aus Phenylethylalkohol, Benzylacetat und
Galbanum – machen Sie damit die Menschen
nicht traurig?
Eh ... alors. Diese Namen für Gerüche und Parfüm-Rohstoffe sind für mich Wörter, die
schön, die poetisch klingen. Sie sind abstrakt
für die Öffentlichkeit, und gerade deshalb,
aufgrund ihres abstrakten Charakters, klingen
sie wie eine Melodie. Kommen wir auf die Malerei zu sprechen. Wir haben ein Stillleben. In
diesem Stillleben sehen wir Äpfel, Aprikosen,
Bananen. Aber das bedeutet natürlich nicht,
dass wir reale Äpfel, Aprikosen und Bananen
vor uns haben, sondern vielmehr einen Kunstgriff, der etwas abzubilden vermag mit unserer Vorstellungskraft. Und diese Fantasie
übersteigt meiner Meinung nach die Realität.
Wenn ich Erdbeergeruch aus Erdbeeren herstellen müsste, dann wäre das für mich nicht
interessant und dann wäre ich nicht Parfümeur. Ich denke, der menschliche Geist hat eine Fähigkeit, Systeme zu erfinden und eine
Realität zu suggerieren, zu transzendieren.
Das ist, was mich interessiert. Das ist das, was
ich den Menschen mit meinen Parfüms erklären möchte. Der Mensch ist eine wunderbare
Maschine, der zu Erfindungen fähig ist.
N
Bitte beschreiben Sie,
wie für Sie ein Stein
riecht?
Christine Nagel: Es
hängt davon ab, woher
dieser Stein kommt. Einer aus dem Meer hat
eine salzige Note. Einer vom Land ist für mich
wärmer und sinnlicher. Sie werden lachen, ich
mache solche Stein-Erkundungen und Geruchs-Reisen, da zerschlage ich manche wie
ein Steinmetz mit einem Hammer. In manchen Steinen sind Luftblasen, Millionen Jahre
alt, und deren austretender Geruch ist metallisch. Ein sinnlicher Geruch, der für mich eng
mit dem taktilen Aspekt verknüpft ist.
Wir Laien fragen uns immer, was kommt zuerst: die Henne oder das Ei? Was ist Ihr Geheimnis? Riechen Sie anders als wir Normalos? Mit anderen Worten: Haben Sie zuerst ein
Objekt, eine Landschaft, ein Bild, eine Idee im
Kopf – und daraus folgt die Kreation eines
Parfüms? Oder sagen Sie sich: Uff, da gibt’s
diesen interessanten Ledergeruch, daraus
möchte ich jetzt was Großes schaffen? Wie
funktioniert das bei Ihnen?
Die Idee von Jean-Claude mit den detektivischen Indizien gefällt mir. Meine Indizien sind
meine Emotionen, meine Gefühle. Ich bin wie
ein Schwamm, der jeden Tag etwas aufnimmt.
Nur was mich davon wirklich berührt, verfolge
ich wie einen roten Faden. Das kann die Begegnung mit einer Landschaft sein, mit Musik.
Das Gefühl, das sie in mir auslösen, ist mein
Ausgangspunkt.
Was macht eigentlich ein Parfümeur? Ein Laie
stellt sich das immer so vor, er mixt irgendwelche Sachen zusammen, und dann kommt was
Tolles raus. Oder unterhält man sich in Formeln, wie ein Chemiker? Beschreiben Sie bitte
Ihren Beruf?
Ich bin eine Geschichten-Erzählerin. Hier
kommen wieder meine Gefühle ins Spiel. Mit
meinen Parfüms möchte ich berühren; ein
Parfüm bedeutet ja, dass wir uns gut fühlen,
dass wir uns vielleicht mehr als Frau fühlen,
dass wir uns romantischer fühlen. Ein Parfümeur ist für mich ein Künstler, der es schafft,
zum Beispiel Werte wie Eleganz, Originalität
und Stil – und auch Überraschung in einen
Flakon zu packen. Es geht um die Seele, ein
Parfüm als ihr Ausdrucksmittel.
Man sagt, die Umgebung beeinflusst uns, und
wir kreieren umgekehrt unsere Umgebung.
Welchen Einfluss hat das auf Ihre Arbeit?
Wenn Sie jetzt in zum Beispiel Chicago oder
Papua-Neuguinea aufgewachsen wären, würden Sie die gleichen Parfüms kreieren?
Ich wäre also die Gangsterbraut für Jean-Claude! Aber im Ernst: Ich habe das große Glück, in
einer Region geboren zu sein, in der die Parfümerie eine Kunst ist. Ja, ich glaube auch, dass
vieles von unserer Abstammung abhängt und
diese unser Leben beeinflusst. Und das fängt
mit den Ur-Baby-Duftwahrnehmungen an.
Wir Franzosen sind von „Mustela“ geprägt, die
Amerikaner von „Johnson & Johnson“, die
Deutschen von „Penaten“. Das sind unsere
Grund-Wohlfühlgerüche voller Glücksgefühle.
Wenn ich also Ägypterin wäre oder Australierin – ich würde andere Düfte liefern und auch
kreieren.
Welche Düfte machen uns glücklich?
Wenn ich den Duft des Glücks kreieren könnte, würde ich das tun und ihn in große Flaschen abfüllen (lacht)! Düfte sind irrational.
Sie folgen der Person, die wir lieben, oder der
Person, „die man nicht mehr riechen kann“,
sie sind also mit privaten, persönlichen Erlebnissen verbunden. Und Ereignissen, die einen
– positiv oder negativ – berühren.
Welche Parfüms oder Düfte haben Ihr Leben
verändert?
Eine sehr schwierige Frage, weil Düfte jeden
Tag mein Leben verändern. Der Duft lebt mit
mir. Ich ernähre mich davon. Ich existiere
durch den Duft. Das ist fast wie Benzin. Es ist
ein Antriebsmittel. Ja, ich verändere mich dadurch jeden Tag.
Wenn Sie Menschen die Wahrheit sagen, nämlich dass in Erdbeerduft keine Erdbeere ist,
dass er nichts mehr ist als eine chemische Formel, nämlich: Fructon, Ethylmaltol und Methylanthranilat und dass Hyazinthenduft nicht
aus Hyazinthen gemacht wird, sondern aus
Phenylethylalkohol, Benzylacetat und Galbanum – machen Sie damit die Menschen nicht
traurig?
Diese Rohstoff-Begriffe sind für mich wie
Buchstaben, mein Abc. Diese Buchstaben führen zu Wörtern, daraus entsteht eine Geschichte, daraus entstehen dann Bücher, es
entsteht Poesie. Das ist das Gleiche wie bei einem Maler. Er kann in eine Landschaft hinausgehen, ein Foto schießen, er kommt dann zurück nach Hause und malt dieses Foto ab. Er
kann aber auch einfach in die Landschaft gehen, diese Landschaft nur betrachten, dann
kommt er zurück, und mit seiner Vorstellungskraft wird er seine Landschaft malen. Es entsteht eine neue Geschichte
Egal ob Eau de
Toilette, Duschgel oder Seife:
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Winter – dazu die Brise der nahen Côte d’Azur: Die Provence ist wie ein Rausch! Das Fünf-SterneHotel „Château Saint-Martin & Spa“ im Hinterland von Nizza ist eine einstige
Tempelritter-Burg. Von dort oben aus weitet sich der Blick über Land
und Meer bis zum Cap d’Antibes. Dahin, wo auch das Schwesternhotel zu finden ist, das „Hôtel du Cap Eden-Roc“. Und so
geht mein Tag: bei Sonnenaufgang den Parkgarten mit den
Aronsard-Rosen durchschreiten. Innehalten auf der Wiese
des „L’Oliveraie“. Leichte Schwimmzüge im Pool unter
Olivenhainen. Ein „Petit Déjeuner“ auf der Hotelterrasse.
Schönen Gedanken nachgehen auf eigener Villen-Veranda – ein wenig Zeit einplanen für das Durchqueren von
200 Quadratmeter Salon, Schlafgemächern, Bädern und
Speisezimmer. Danach eine Anwendung im Spa by La
Prairie, dessen Spa-Trophy 2014 so frisch ist wie die gesamte Schlossrenovierung. Schmunzeln über die Foto-Ausstellung, sie zeigt das Leben im Château, in Nizza, St-Tropez und
in den 60er-Jahren. Vor der Tür des Château Saint Martin auf
ein Gebet in die „Chapelle du Rosaire de Vence“ des Künstlers Henri Matisse. Ausruhen im Garten inmitten von Blumen- und Küchenkräuter-Duftschwaden. Vor dem Diner noch mit Chef-Sommelier Bernard Neveu hinunter in den felsigen Weinclub „Les Canthares“. Später dann Genuss provenzalischer Delikatessen von BocuseSchüler Franck Ferigutti – gerade erhielt er einen Michelinstern, im Winter kocht er im Ski-Hotel
„L’Apogée Courchevel“. Durchschlafen. Und morgen? Alles noch einmal bitte!
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Draußen lockt Venedig mit seinen Reizen. Und
die Biennale mit ihrer unüberschaubaren Zahl an
Kunstausstellungen. Und was machen wir? Wir
hängen ab im „Aman Canal Grande“, im „Palazzo Papadopoli“. Stehen mal mit Drink in der
Hand auf dem Balkon des Ballsaals, fühlen uns
wie Stars und winken aus Spaß den Touristen, die
vorbeischippern und ihre Kameras auf uns richten.
Und dabei wissen wir: Das wahre Fotomotiv befindet sich im Rücken hinter offenen Glastüren – die Rokoko-Ausschmückung des Raums. Er ist über und über
mit Fresken, Stuck-Reliefs, Putten und Spiegeln dekoriert.
Die Menschen auf Vaporettos und Gondeln halten uns wohl für
Hausgäste eines venezianischen Adeligen. Damit liegen sie im Prinzip richtig. Graf Giberto Arrivabene Valenti Gonzaga bewohnt mit seiner Familie ein paar Hundert Quadratmeter auf der vierten Etage des 450 Jahre alten Palazzo. Die restlichen 5500 Quadratmeter (!) sind Hotel. Wobei einem in Sachen Wohngefühl dieser Begriff nicht in den Sinn kommt. Die Gesellschaftsräume wie
Ballsaal, Boudoirs, Esszimmer und Bibliothek wurden mit schlichtem und einfarbigem Mobiliar zu
Lounges gestaltet, in denen man sich gern aufhält. Einen Aperol Spritz nippen, in Büchern blättern, speisen oder sich einfach vom prunkvollen Dekor einlullen lassen.
Der „Palazzo Papadopoli“ ist nämlich eine Kunstkammer, die Schätze aus fünf Jahrhunderten
birgt. Wie die mit Fresken in der Tiepolo Suite – erschaffen von Giovanni Battista Tiepolo, einem
der bedeutendsten italienischen Maler des 18. Jahrhunderts. Oder der Sansevino-Kamin aus dem
16. Jahrhundert in Nummer 14. Oder die Murano-Kronleuchter aus der Mitte des 19. Jahrhunderts
– damals die ersten in Venedig mit elektrischen Kerzen. Jede der 24 Suiten ist eigen, manche original antik ausgestattet mit sechs Meter hohen Decken, andere modern. Die kleinste misst 47,
die größte 103 Quadratmeter. Auch in rückwärtig gelegenen Zimmern freut man sich über einen
reizvollen Blick nach draußen. Auf den Canal Grande oder in die Gärten oder beides. Und bewundert insgeheim die Papadopolis, die vor 150 Jahren ihren Palazzo neu inszenierten. Einerseits um
Venedigs verwöhnte High Society zu beeindrucken, andererseits um luftiges Grün an Venedigs
Hauptschlagader zu platzieren. Kein Wunder also, dass man sich zweimal überlegt, ob hinausgehen oder bleiben.
Die Lagunenstadt zählt zu Kiki Barons liebsten Städten. Dort fand sie das ultimative Refugium
UNTERWEGS
Sardiniens letztes
Geheimnis
Wenn selbst für Tom Cruise
kein Tisch auf der Insel vor
Sardiniens Südküste mehr frei ist,
muss es ein besonderes Eiland
SEATOPS
sein. Helge Sobik weiß mehr
tonello Pomata tat es wirklich leid. Cruise und
Co schleppten deshalb selbst und wirkten sogar so, als ob sie durchaus Spaß daran gehabt
hätten. Spät am Abend
konnte Antonello immerhin ein paar Mitarbeiter
schicken, um das Geschirr
wieder abzuholen.
„Wissen Sie“, sagt der Maestro, während er seine große
Hornbrille
mit
den
schwarz-grünen
Bügeln
aufsetzt, „die Insel San Pietro gehört zwar irgendwie zu Sardinien, aber wir sind das krasse Gegenteil der Costa Smeralda, wo viele Superreiche unterwegs sind. Wir sind bodenständig.“
54 Quadratkilometer groß ist die Insel, weniger als ein Vierhundertstel der Fläche Sardinens. Gut 6200 Menschen leben hier, fast alle
in der Hauptstadt Carloforte. Fünf Straßen erschließen den Rest der Insel, jede strahlenförmig in eine andere Richtung, und wer von der
einen Piste auf die andere will, muss immer
erst wieder zurückkommen an den Ortsrand.
Die Gassen sind schmal, die Altstadt ist verkehrsberuhigt, und weil Carloforte am Hang
liegt, kommen nicht mal die Vespas und Mopeds überall durch.
Nur wenige Hotels haben sich angesiedelt, ein
paar Pensionen, 300 Gästezimmer insgesamt
bloß, dazu viele Häuschen, die überall auf der
Insel in die Landschaft gewürfelt und meist
von dichtem Grün umgeben sind, von Strandhafer oder riesigen Diesteln, von Zistrosen
und Wacholder, von Aleppo-Kiefern und
Steineichen. Meistens gehören sie ebenso wie
viele der kleinen Stadthäuser und Eigentumswohnungen Festland-Italienern, die sie als
Sommerquartiere nutzen.
Die betagten Autofähren vom Festland, die 35
Minuten für die Überfahrt brauchen, machen
ebenso wie die privaten Ausflugsschiffe der
Leute mit dem pralleren Geldbeutel direkt vor
der ersten Häuserzeile und den Platanen fest –
dort, wo von den Balkonen die Wäsche zum
Trocknen hängt. Dort hocken die Alten und
plaudern, während manche der etwas Jüngeren entlang des Corso Cavour im Erdgeschoss
ihrer schmalen Häuser hinter sperrangelweit
A
Am Ende musste er an Deck der Yacht
essen, mit der er gekommen war. Dabei hätte Antonello Pomata ihm gern
geholfen und konnte trotzdem nur
mit den Schultern zucken: „Kein
Tisch frei diesen Abend, nicht mal ein
Stuhl. Und an den nächsten fünf, sechs Abenden auch nicht.“ Nicht mal für Tom Cruise mit
Gefolge. Alles reserviert. Wie immer im August, wie üblich um diese Jahreszeit im besten
Restaurant von Carloforte auf der Insel San
Pietro gut sieben Kilometer vor der Südspitze
Sardiniens.
Ins „Da Nicolo“ in vorderster Linie mit Blick
auf den Yachthafen kommen sie alle: die, die
dann doch ganz gern gesehen werden wollen,
und die, die darauf gut verzichten können und
einfach nur hervorragend essen möchten – 15
Schritte vom Mittelmeer.
Italienische Fußballstars kehren hier ein, Modedesigner wie Roberto Cavalli, die Fiat-Besitzerfamilie Agnelli, der Bulgari-JuwelenClan – und viele mehr, an die Antonello und
sein Vater Nicolo sich aus Diskretion gar nicht
erst erinnern. Die meisten von denen reisen
mit einer Yacht an, und alle reservieren zur Sicherheit vorher. Wichtig ist das ohnehin nur
im August, wenn ganz Italien Urlaub macht.
In allen anderen Monaten ist viel weniger los
und fast immer auf Anhieb ein Tisch im „Da
Nicolo“ zu bekommen. Aber offenbar hat niemand Mister Cruise davon erzählt.
Nachdem der Mann aus Hollywood am Eingang im Stehen die ausgehängte Speisekarte
studiert hatte, mochte er nicht mehr woanders hingehen oder sieben Tage auf einen
Sitzplatz warten. Er bestellte einfach außer
Haus: Filet vom St. Petersfisch mit Babykartoffeln, Rinderfilet mit Pecorino-Kruste, Tempura-Crêpes gefüllt mit Muscheln und Scampi, dazu Salate und Mozzarella-Tomaten mit
Basilikum und hervorragendem Balsamico.
Leider war kein Kellner frei, um all das zur
Yacht zu tragen: zu viel los um diese Zeit. An-
geöffneten Holztoren sitzen und von Hand
Reusen und Netze flicken. Die Kleineren stehen Schlange an der Eisdiele. Wirkliche Hektik? Gibt es hier nicht.
Wer zum Strand will, muss ein Stück laufen
und erst an der Lagune mit all den Flamingos
vorbei – hinaus aus dem Ort Richtung Osten.
Denn den einen langen Paradestrand gibt es
hier nicht, dafür viele kleine Buchten: so
schön wie drüben auf Sardinien. Spiaggia la
Bobba zum Beispiel oder Spiaggia la Caletta,
den schönsten Strand der Insel. Der Sand ist
hell, das Wasser klar. Es schillert in schönstem
karibischem Türkisblau – und manchmal
schauen von der Seeseite sogar ein paar Delfine nach den Urlaubern an Land.
Weite Teile der Küste sind steil, felsig, zugänglich nur für Kletterkünstler. Noch immer leben Fischer in Carloforte, noch immer stammen die meisten permanenten Einwohner
von Fischerfamilien ab, auch wenn sie inzwischen auf den Fähren arbeiten, die die meiste
Zeit des Tages im Anderthalbstundentakt unterwegs sind. Ihr Schutzherr war historisch
kein Sarde, sondern der König von Savoyen.
Ihre Architektur erinnert eher an einen ligurischen Küstenort als an ein sardisches Dorf,
ihre Kultur ist die Norditaliens – wenn auch
längst verquickt mit allerlei anderen Einflüssen. Selbst der Dialekt, den sie sprechen, ist
ein veraltetes Genuesisch – mit manchen Begriffen, die dort oben längst aus dem aktiven
Wortschatz verschwunden und über die Jahrhunderte sogar in Vergessenheit geraten sind.
Hier aber haben sie sich gehalten.
Für die Küche gilt dasselbe. Antonellos Vater
Nicolo Pomata kocht nach traditionellen Rezepten von der Insel, und deren Wurzeln sind
ebenfalls ligurisch. Ob Tom Cruise davon
wohl etwas weiß? „Keine Ahnung“, sagt Antonello, „wichtig ist nur, dass es ihm geschmeckt
hat.“ Will der Mann aus Hollywood wiederkommen? „Weiß nicht. Zumindest hat er bislang nicht reserviert.“ Dafür war kürzlich
Johnny Depp da. Er hat auf Anhieb einen
Tisch bekommen. Wie es dazu kam? „Ganz
einfach“, sagt Antonello. „Es war September.
Und da ist es kein Problem.“
Die Reise wurde von FTI Touristik unterstützt.
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BAUPLAN
3
1
2
7
4
5
6
9
10
DER „FUSION“SNEAKER VON DIOR
In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt
werden weiterhin Handwerkskünste gepflegt,
und wir schauen zu
114
Im Januar 2014 trugen die Models zur Haute-Couture-Show von Dior keine High Heels, sondern den jüngst von Chefdesigner Raf Simons entworfenen „Fusion“-Sneaker. Das Besondere an dem Schuh: Er verbindet typische Couture-Details wie Bänder, Schleifen und Blumenstickereien mit
Hightech-Materialien und kommt ohne Schnürung aus. Gefertigt wird er in Italien, wir zeigen die wichtigsten zehn Schritte: 1. Alles beginnt mit einer Skizze. 2. Wenn der Entwurf steht, folgt die Umsetzung. Zunächst wird das Obermaterial des Schuhs in Handarbeit mit Blumenstickereien verziert. 3. Nun wird am Computer eine 3-D-Animation der Sohle erstellt. 4. Um den Sneaker später in verschiedenen Größen anbieten zu können,
stellt man für jede Schuhgröße einen eigenen Leisten aus Holz her. 5. Mithilfe einer Eisenform wird die zweifarbige Gummisohle angefertigt. Die
Form verfügt über Erhöhungen und Vertiefungen und verleiht der Sohle ähnlich wie beim Hochdruckverfahren ihr Profil. 6. Die einzelnen Elemente des Schuhs werden aus dem Außenmaterial ausgestanzt und anschließend 7. miteinander vernäht. 8. Im nächsten Schritt wird das Außenmaterial auf die verschiedenen Leisten aufgezogen. 9. Nun folgt das Ankleben der Sohle. 10. Zu guter Letzt kommt die Innensohle in den Sneaker,
dann ist er fertig. Übrigens: Den Schuh gibt es in fünf Varianten, erhältlich ist er in allen Dior-Boutiquen und ausgewählten Concept-Stores.
DIOR
8