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MÄRZ 2015
ICON
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März 2015
Tut gut!
Gepflegte Haut durch edle Seide.
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CELLULAR PERFORMANCE
COURTESY SOTHEBY’S
Das Strahlen kehrt zurück
F
alls Sie sich gerade über die Nichtzinsen auf Ihrem Konto ärgern: Am 21. April kommt dieser schöne Stein bei Sotheby’s in
New York zur Versteigerung. Der Preis für die 100-Karat-Perfektion dürfte zwischen 19 und 25 Millionen Dollar liegen. Es
könnte auch mehr werden. Dank der europäischen Notenbank sitzt das Geld ja grad locker. Aber keine Sorge, wir sind nicht
umgestiegen auf Anlageberatung. Wobei? Mode, Uhren, Schmuck, Design zählen doch durchaus dazu. So wie wir die Dinge sehen, sind jedenfalls häufiger Stücke fürs Leben dabei. Der Wert muss nicht immer ein monetärer sein. Und so haben
wir auch den Diamanten (der im Original leider etwas kleiner ist) vor allem deshalb ausgewählt, weil uns seine Reinheit berührt. Es
ist wie mit der Natur, die endlich wieder erblüht. Wir können sie nicht besitzen, aber es ist ein kostbares Gefühl, sie zu sehen. Und so
haben wir diese Ausgabe all den großen und kleinen Juwelen gewidmet, die hoffentlich auch Ihnen guttun.
SIDEVI Wie so viele Models auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ist auch Sidevi noch ein Teenager. Und sie ist bereits ein echtes Schwergewicht
in der Branche, wie man in der Modestrecke sehen kann, für die Fotografin Wiebke Bosse und Stylistin Odessa Legemah mit ihren Helfern für uns nach Asien reisten. Sidevi lebt im Westen Sri Lankas – und ohne ihren Assistenten steht sie morgens gar nicht erst auf, geschweige
denn, dass sie sich an irgendein Set begibt. Kein Wunder, sie gilt, wie ihre Artgenossen, als heilig, und Anfragen gibt es für die elegante Dickhäuterin
mehr als genug. Paparazzi sowie Fans, die sie einfach nur berühren wollen, folgen ihr auf Schritt und Tritt. Bei unserem Shooting verhielt sich Sidevi
jedoch äußerst professionell – von Allüren keine Spur! Und auch zwischen unserem niederländischen Model Anniek und Sidevi lief alles äußerst innig. Von wegen Zickenalarm! Es war Liebe auf den ersten Blick, ganz nach dem Motto: „Schau mir in die Augen, Dicke!“ Ab Seite 36
AUF DEM COVER: Anniek trägt ein Kleid von Gucci
STEPHANIE FÜSSENICH Ein gutes Foto braucht Zeit – keinen Zeitdruck: Fotografin Stephanie Füssenich trägt deshalb keine Uhr. Für
unser Porträt des Uhrmachers Emmanuel Dietrich nahm sie das Tempo gänzlich raus, wurde zur stillen Beobachterin und ging der Faszination für Männeruhren Bild für Bild auf den Grund. Gar nicht so einfach für die Wahlpariserin, die seit 2013 in der vom
Autohupen und Mopedröhren angetriebenen französischen Hauptstadt wohnt und keinesfalls langsam ist. Begonnen hat sie ihre Karriere mit einem
Studium für Fotodesign in München. Anschließend tauschte sie die Isar gegen das Mittelmeer und zog nach Spanien, dem Land der Entschleunigung und Siesta. Beim Schlafen vergehe die Zeit am schnellsten, stellte die Mittdreißigerin fest. So verflogen zwei Jahre in Barcelona im Nu. Heute
arbeitet sie wieder viel in Deutschland. Auf die Uhr schauen mag sie trotz der vermeintlich landestypischen Pünktlichkeit nicht. Ab Seite 32
MARIO TESTINO; WIEBKE BOSSE; GETTY IMAGES; STEPHANIE FÜSSENICH
FLORENTINE JOOP Die jüngere Tochter von Wolfgang Joop sieht sich als Pendlerin zwischen den Welten der Kunst, Malerei, Schriftstellerei und Musik. Seit die gebürtige Hamburgerin mit dem Künstler Sebastian Fleiter liiert ist, pendelt Florentine
Joop nun auch im wahren Leben. Aufgewachsen zwischen den Werken großer Künstler, die ihr Vater sammelte, und gesegnet mit Eltern, die beide
Kunst studiert hatten, konnte sie sich der Kunst im kindlichen Alltag nicht entziehen. Früh zeigte sich die familiäre Prägung, obwohl sie gern Opernsängerin oder Hautärztin geworden wäre. Doch in der Illustration fand sie die Möglichkeit, die vielen Kreativitätsstränge zusammenzuführen. Während ihrer Arbeit am Kunstmagazin ST.ART lernte sie viele Künstler kennen und tauchte dafür sogar in die Berliner Street-Art-Szene ein. Heute ist
sie Macherin und Betrachterin, Kritikerin und Künstlerin in einer Person. Für uns schreibt sie nun regelmäßig ihre Kolumne „How to Art“. Seite 20
IMPRESSUM ICON
Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Heike Blümner, Nicola Erdmann, Julia Hackober, Jennifer Hinz, Silvia Ihring, Mira Wiesinger. Praktikanten: Linda
Leitner, Sarah Lafer. Korrespondentin in New York: Huberta von Voss. Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Autoren: Joern F. Kengelbach, Susanne Opalka, Esther Sterath Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver
Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Delia Bob, Katja Schroedter, Adrian Staude, Doris Wildt Fotoredaktion: Julia Sörgel, Elias Gröb
Bildbearbeitung: Liane Kühne-Kootz, Thomas Gröschke, Kerstin Schmidt, Tom Uecker
Verlagsgeschäftsführung: Dr. Stephanie Caspar, Dr. Torsten Rossmann General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stephan Madel; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected])
Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: WeltN24 GmbH Litho: Imagepool Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf
ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 12. April 2015. Sie erreichen uns unter [email protected]
Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.
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WIEBKE BOSSE
Am Strand von Kubalgama in Sri Lanka trägt unser Model Anniek ein Kleid von Akris und Sandalen von Santoni. Begleitet wurde sie von einheimischen Elefanten
ICON
Kleine Kostbarkeiten
verwahrt die „Diamond Box“
von Areaware, über iconist.de
MÄRZ 2015
AUSGEWÄHLT
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FUNKE LZEIT
Es liegt ein Glitzern in der Luft – passend
dazu machen sich unsere Lifestyle-Weisen
Gedanken über Juwelen und Edelmetalle
DIAMAN T-ICONA
Unsere Stilikone ist immer schmuck – mit
diesem Look gleich noch viel mehr. Und
Iken setzt sich aufs Motorrad
SCHMUCK
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IN VOLLE R BLÜTE
Blumen sind derzeit mit Wachstum
beschäftigt – und unsere Schmuckauswahl
lässt Sie auch staunen. Wetten?
VIE L FRAU
Nach der androgynen Tilda Swinton wirbt
nun Salma Hayek für Pomellato. Inga
Griese gratuliert zum Wow-Effekt
Und natürlich digital:
Auf dem iPad in der WELT
sowie online auf welt.de/icon
ICON
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TICKT ANDERS
Kann man die Uhren von Emmanuel
Dietrich erklären? Eigentlich nicht. Silke
Bender versucht es trotzdem
BLAUE STUNDE
Die Uhrenmanufakturen lieben die Farben
von Himmel und Meer. Wir können das nur
zu gut verstehen
BLUMIGE BLÄTTER
Da sage noch jemand, Frauen interessierten
sich nicht für Uhrentechnik: Mit diesen
Zifferblättern blühen Sie auf
MODE
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TÖ RÖ ÖÖÖ!
Unser großes Fotoshooting führte uns nach
Sri Lanka. Wir gewannen die Erkenntnis:
Auch Dickhäuter lieben grazile Mode
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KNAL LT VOLL REIN
Was immer eine Handtasche leisten muss,
derzeit muss sie auffällig sein. Aber zu bunt
wird’s uns auch bei diesen Modellen nicht
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CHA NEL, OONA CH ANEL
Der Name verpflichtet – warum Cocos
Großnichte ganz sicher eine große Karriere
als Model machen wird
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SCHÖ N ALTERN
Alle reden vom Jugendwahn – aber wer
das fast 70-jährige Model Eveline Hall
erleben darf, ist davon restlos kuriert
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MESS B AR COOL
Es darf sogar ein wenig blinken: Dolce &
Gabbana kümmert sich nun auch nach Maß
um Männer. Die freuen sich sehr
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EINE F Ü R ALLE
Pal Zileri ist eine Marke, die an demokratische Mode glaubt. Nun hat man sich dennoch neu erfunden. Eine Einschätzung
Unter Palmen genießt Anniek die Sonne.
Sie trägt ein Kleid von Hugo Boss, ein Tuch
von Hermès und ein Armband von Chanel
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Anzeige
CLAUDIA GRASSL
Texas-Time, Baby: Jeanskleid von Bottega Veneta. Tasche: Tod’s. Pumps: Prada. Hut: Larose Paris.
Strumpfhose: Kunert. Mehr von unserem Hippie-Stil inspirierten Shooting ab Seite 58
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MÄRZ 2015
MODE
58
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H IPPIE HIPPIE S HAKE
Yeah, Mann, die Siebziger! Die Blumenkinder sind wieder da – wir haben eines
in Texas in Szene gesetzt
SCHMUCKNÄSCHEN
Viele Juwelenfirmen machen auch in Parfüm. Bei Cartier leistet man sich mit Mathilde Laurent zudem eine Hausparfümeurin
GESCHICHTEN
DESIGN
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SC HAU D OC H M AL REI N
Verschwindet bei Ihnen auch immer alles im
Schrank? Das ist vorbei – diese transparenten Möbel sorgen für Durchblick
F ORMVOLLE N DETE F REUN DE
Sie entwerfen nicht nur Mode: Prinz Carl
Philip von Schweden und Oscar Kylberg
über ihre neue Porzellanserie
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FRISCHE FA RBE
Die Frau, die Pablo Picasso verließ: Ein
neues Buch erzählt aus dem herrlich wilden
Leben Françoise Gilots
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HA STE MA ’ N RO LLI?
Mit Kölner Fröhlichkeit englische Nobelautos in der Schweiz verkaufen: Wir waren
mit Rolls-Royce in St. Moritz
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GAR NICHT STÖ RRISCH
Das Hotel zum Sternzeichen des Monats:
Wir waren zu Besuch im „Widder Hotel“ im
schönen Zürich
KOSMETIK
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E S BLÜHT UN D GRÜN T ...
... im Kosmetikregal. Wir fanden Blumenund Gartendüfte, und unsere Experten
erzählen von ihren (Bad-)Juwelen
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GLO BA L DIA RY
Die Postkarten erreichten uns von der
Algarve, vom Peloponnes und aus Porto
Vecchio. Und, ja – wir sind auch neidisch
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ACE OF BASE
Mit Schminke ungeschminkt aussehen. Der
No-Make-up-Trend ist nicht aufzuhalten.
Wir fanden die richtigen Produkte
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DER BAUPLAN
Eine hochkomplexe Angelegenheit: So
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A JOURNEY THROUGH TIME – WITH RIMOWA
Die 1920er Jahre waren die Blütezeit von Hollywood und der Beginn der modernen Luftfahrt. Hugo Junkers stellte 1919 das erste
Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt vor. Dieses wurde aus dem von Alfred Wilm im Jahre 1906 entdeckten Flugzeugaluminium gebaut.
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leichteste Reisekoffer der Welt. Schon damals setzte RIMOWA den Trend des geringen Gewichts – eine Pionierleistung in der Branche.
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STILISTEN
UNSERE LIFESTYLEWEISEN UND IHRE KRONJUWELEN
Ich hatte immer schon eine Schwäche für schöne Dinge, nein, nicht für Juwelen,
sondern Objekte. Man muss es mir in die Wiege gelegt haben. Mit zwei Großeltern, die Sammler und Kunsthändler waren, habe ich meine Kindheit zwischen
schönen Objekten verbracht. Von einem Salon im Stil des 18. Jahrhunderts in ein
Haus ganz im Ambiente des Art déco zu wechseln war Normalität. Besuche bei
Antiquitätenhändlern und endlose Gespräche über Entdeckungen rarer Kunstgegenstände gehörten zur Tagesordnung. Kleine Ausflüge während der Ferien
wurden zu ganztägigen Exkursionen: Museen, historische Bauten, Gärten, Galerien, Flohmärkte, Ausstellungen ... immer auf der Suche nach schönen, einmaligen Dingen. So muss ich mir dieses Virus eingefangen haben. Seit ich mit Anfang
20 meine erste eigene Wohnung bezog, sammle ich. Durch die Möglichkeiten
des Internets hat sich das alles noch gesteigert. Acht Wohnungen in 20 Jahren,
München, Paris, Berlin, Normandie ... jedes Mal ein neues Arrangieren und Zusammenstellen der geliebten Dinge. Jedes Mal eine neue Atmosphäre. Natürlich
hat jedes mit Liebe ausgesuchte Stück sein Eigenleben. Den Wandel von
Farbe und Form in einem sich ständig wechselnden Umfeld und Licht zu
sehen und das oft vage Wissen um sein Vorleben geben den Gegenständen Magie. Die Schwierigkeit und Herausforderung besteht allerdings im Zusammenleben. Mehrere Objekte mit starker künstlerischer
Identität gemeinsam zum Leben zu erwecken? Fast schon eine Kunst für
sich ... Wenn sich die erste Erregung über den Kauf des so begehrten
Emmanuel de Objekts gelegt hat, geht es vor allem darum, es in das bereits existierende Universum zu integrieren. Und hier beginnen dann oft die Zweifel.
Bayser
Was man sich so gut vorstellte, passt manchmal partout nicht. Also fängt
Mitbesitzer von
The Corner
man von vorn an, die Dinge zu platzieren, zu arrangieren. Ja selbst einen
Berlin
Wohnungswechsel habe ich aus diesem Grunde schon vorgenommen.
Denn steht nicht jedem schönem Objekt das Recht zu, dass es in dem
ihm angebrachten Licht lebt? Manchmal geht das zu weit, ich vergesse die Funktionalität gewisser Objekte. Ein Sessel sollte zum Sitzen dienen, ein Teller zum
Essen, eine Vase ist für Blumen gedacht. Aber nein, im Gegenteil. Ich interessiere
mich nur für den spirituellen Wert dieser Dinge, für ihre Seele. Sie sind Vertraute,
Weggefährten, und ich behandle sie auch dementsprechend. Dinge allein bestehen zu lassen oder sie gekonnt in einem bereits existierenden Umfeld zu integrieren macht das große Talent von den wirklich vorbildlichen Sammlern und
kultivierten Inneneinrichtern aus. Daran könnten sich manchmal auch unsere
Politiker ein Beispiel nehmen.
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FENDI & SILVANA MANGANO (2)
STÜCK FÜR STÜCK
Da muss ein Hippie-Mädchen lange für sammeln.
Oder es greift zum Collier „Shiny Bambi“ von
Nightmarket. Per Hand werden Bambi, Schmetterling und Co. zusammen mit SwarovksiKristallen an der Kette befestigt. Häkelkleidchen
an, Blume ins Haar, auf geht’s zum Festival.
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Klimbim
Großes Kino: Silvana Mangano
Capsule Kollektion von Fendi
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DER GARTEN, MEIN JUWEL
Die Natur ist eine allgegenwärtige Inspirationsquelle. Ihre Schätze haben meine
Entwürfe schon immer beeinflusst. Deswegen finde ich es auch so bereichernd, im
Garten zu arbeiten. Er stellt nicht nur einen schönen Rahmen um unser Haus nahe
Kopenhagen dar, sondern in ihm zu schaffen bedeutet für mich auch immer einen
Moment der Ruhe. Genauso wie die Juwelierarbeit ist auch die Gartenarbeit ein Kunsthandwerk. Die Zeit vergeht so schnell – und je älter wir
werden, desto eher blicken wir voraus. Dadurch vergessen wir oft, im
Hier und Jetzt zu leben und einmal herunterzukommen. Zeit im Garten
zu verbringen, die Hände zu gebrauchen und einen Samen zu pflanzen,
der eines Tages eine Blume wird; das ist meine Art der Meditation. Das
Gärtnern ist eines der magischsten Dinge im Leben, diese Entwicklung
vom Samen zum Sprössling und zur Blüte mitzuerleben. Das ganze Jahr
Charlotte
über ist unser Garten wunderschön und einfach. Er soll so natürlich wie
Lynggaard
möglich sein. Ein geschäftiges Leben braucht einen Garten, der nicht zu
Designerin und
viel Zeit benötigt. Daher versuche ich, Blumen auszuwählen, die unsere
Creative
anderen Pflanzen und Bäume und den Wald, der nur wenige Schritte
Director von
Ole Lynggaard
entfernt ist, nicht in den Schatten stellen. Flieder, Maiglöckchen und
in Kopenhagen
Hortensien zählen zu meinen Lieblingen. Das Haus dekoriere ich übrigens gern mit Ästen und grünen Blättern direkt aus der Natur. Und darum pflanze ich stets verschiedene Blumen an, damit wir zu jeder Jahreszeit etwas
Blühendes ins Haus bringen können. Dadurch sind wir immer von der Natur umgeben, selbst wenn wir drinnen sein müssen.
Schmetterlinge auf
Glas von Lalique –
wenigstens nicht
aufgespießt
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DAMIEN HIRST & RENÉ LALIQUE,
G I B T S B E I L A L I Q U E I N PA R I S
BLIESWOOD
HAT KEINE
VIP-KARTEN MEHR
Früher: Ich flog erster Klasse nach Genf – ins Internat.
Es gab keine VIP-Plastikkarten, die Wichtigen hatten
den exklusiven Pionier – die weiße Diners Club Card.
Gestern: Ich hatte Senator, Goldcard (BA, AB ...).
Heute: Nichts – na ja ein paar Gnaden-Silber-Cards. Ich
schäme mich – nicht! Ich hänge sie an meinen silbernen
Rimowa-Rollkoffer – den Rolls-Rollator des Jetsets!
Wie lebt es sich ohne Lounge-Card? Befreit!
Ich wurde mit VIP-Limos zum Jet gefahren – fast
wie Politiker. Aber ich trinke lieber ein jamaikanisches
Red-Stripe-Bier an der „Giraffe-Bar“ und gucke im Terminal 5 London zu – das Harrods der Flughäfen.
First-class-Check-in ist der letzte große Luxus (Senator
kann man mit 2000
Euro erneuern – ab
60 Jahre lebenslang).
David Blieswood
Aber Lounges sind
Connaisseur aus Hamburg
Erfolgs-Gettos. Mit
Doppel-OscarPreisträger Christoph
Waltz saß ich samt
Taittinger Jahrgang
in der letzten Ecke
von „Gold-Heathrow“ – so voller VIPs.
Wer einmal nachts von Hongkong nach München flog –
so viele Weißwurst kauende Siemens-Ingenieure in der
Heimat-Lounge!
Wer morgens in Berlin S-Bahn fährt zum Hauptbahnhof,
sieht die roten Senator-Gepäckdinger am TumiRollkoffer. Ein stummer Schrei nach Bedeutung.
Ich verstehe das. Es sind auch gute Menschen.
Aber: Besonders ist anders. Das neue geheime VIPBadge ist – kein Gepäck zu haben. Ich zahle selten mit
Kreditkarte (wie der Deutsche-Bank-Chef). Aber in
meinem Lieblings-„Club 21“ in New York zog ich kürzlich
zögerlich meine alte grüne American Express (Edmond
Safra) aus meinem alten Hermès-Geldbeutel – und der
30 Jahre gediente Kellner-Veteran lächelte: „Wie David
Rockefeller…“. Dein Gesicht ist deine Karte.
PRUDENCE CUMING ASSOCIATES © DAMIEN HIRST AND LALIQUE,2015, VG BILDKUNST, BONN 2015
Ein Freiflug brachte die Fotografin Camille Seaman an jenen Ort, wo sie
eigentlich nichts zu entdecken glaubte: Kotzebue, Alaska. Doch die
Polarregion faszinierte sie dann derart, dass sie zwischen 2003 und 2011 an
Bord von Expeditionsschiffen durch die Arktis und Antarktis reiste. Den
Wandel und die Schönheit der Regionen fasste sie in einem betörend, verstörenden Bildband zusammen. „Vom Ende der Ewigkeit“, Prestel Verlag
CAMILLE SEAMAN/PRESTEL VERLAG
Nichts ist ewig
A Girls Best Friends
HERMÈS
„Darf es etwas mehr sein?“ ist die rhetorische Frage,
die der hohen Schneiderkunst zu eigen ist. Die Haute
Bijouterie hält es ähnlich und ist somit nur was für
Mutige. Designer Pierre Hardy hat die Herausforderung für das Haus Hermès erneut angenommen. Das
Ergebnis ist eine Liebeserklärung in Perlen, Diamanten und Edelsteinen an die künftige Trägerin. Für den
großen Auftritt: das „Grand Apparat“-Armcuff. Übrigens: Die Kollektion wird im April und Mai in China
zu sehen sein und im Oktober in Japan.
GLANZ FREUNDE
Noch vor 25 Jahren war das Thema der Anlage in Edelsteinen eher ein
Tabu. Der Grund war vor allem die Intransparenz des Marktes. Vieles hat
sich geändert – und gerade auch durch das Internet nicht immer
zum Positiven. Grundvoraussetzung, um in diesem Bereich die
richtigen Entscheidungen zu treffen, ist eine individuelle Beratung durch einen Experten, der selbst über vertrauensvolle
Quellen verfügt. Die Anlage in dieser speziellen „Asset-Klasse“
ist langfristig und sollte sich am Werterhalt orientieren. Voraussetzung ist auch, dass Steine zu Großhandelskonditionen erworben werden, um beim Wiederverkauf keine Enttäuschung zu
Hubertus von
erleben. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der Anlage
Frankenberg
in Diamanten und der Anlage in Farbsteinen. Die bei DiaInhaber Frankenberg Collection
manten für die jeweiligen Qualitätsmerkmale und Gewichte
in Hamburg
festgelegten Preise in Dollar dienen der Orientierung, sind also
nicht bindend. In dieser sogenannten Rapaport-Liste nicht
enthalten sind Diamanten von außerordentlicher Qualität und Größe oder
naturfarbene Steine, die dem Gesetz von Angebot und Nachfrage unterliegen. Bei den Farbsteinen waren in den vergangenen Jahren in einzelnen
Bereichen signifikante Preisentwicklungen auszumachen. Anders als bei
Diamanten und abgesehen von der Qualität geht es hierbei um die Steinart, Provenienz, Farbintensität, Ausdrucksstärke. Man sollte sich die Frage
stellen, ob man einen Stein, der langfristig Freude bereitet, lediglich zu
einem guten Preis erwerben möchte oder ob bei diesem Stein der Werterhalt beziehungsweise die Wertentwicklung im Vordergrund stehen sollte.
CLASSIQS
SAFE ODER ARM?
DIOR
UND SONST NOCH
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SCHÄTZE: Bei classiqs.com finden Sammler
schönste Antiquitäten online, wie diese Brosche aus der Belle Époque um 1910. ——— RÜCKKEHRER: Die Fondation Cartier für zeitgenössische Kunst zeigt bis zum 21. Juli eine Auswahl der Werke Bruce Naumans. Es ist die erste
Ausstellung in Frankreich seit 15 Jahren. ———
VERDREHT: Die „Diorama précieuse“-Kollektion von Dior zeigt, wie schön Asymmetrie sein
kann. Etwa als Silber-Ring mit Edelsteinen.
Das mit den Juwelen ist so eine Sache: Einerseits stehen
sie für etwas besonders Wertvolles, andererseits für ein
Problem. Üblicherweise sind sie Synonyme für geschliffene und somit veredelte Schmucksteine. Der Diamant
gilt als der härteste natürliche Stoff. Sein Gewicht wird
in Karat angegeben, einer Einheit, die genau 0,2
Gramm entspricht. In den vergangenen Jahren haben
ungewöhnliche Funde in den legendären Minen Südafrikas immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Ein blauer 122-Karäter erzielte jüngst 27,6 Millionen Dollar und
brachte die Diskussion um Blutdiamanten erneut hervor. Mit gewaltigen Erlösen werden Konflikte finanziert,
es wird unter unmenschlichen Bedingungen geschürft,
geschmuggelt, es werden Zertifikate gefälscht und keiner Kostbarkeit ist die Herkunft anzusehen, weder roh,
noch geschliffen. Hollywood-Filme wie „Blood Diamond“ mit Leonardo DiCaprio oder der James BondFilm „Stirb an einem anderen Tag“ thematisieren die
Gier, die für dunkle Seite der strahlenden Schönheiten
steht. Und wenn sie besonders prunkvoll als Kronjuwelen die Stellung des Trägers sichtbar machen, sind sie
zugleich Zeichen von Macht und damit wieder
in der Gefahr, missbraucht zu werden. Gerade
in Zeiten materieller Knappheit versprechen
die wertstabilen Steine ein besseres Leben: in
dem Lied „Diamonds are a Girls Best Friend“
von 1949 gibt Lorelei, im Musical von Marilyn
Monroe gesungen, ganz klar Juwelen den
Vorzug gegenüber der Liebe. Das klingt dann Dr. Maria
1961 im Film „Frühstück bei Tiffany“ nach dem Schneider
gleichnamigen, aber wesentlich pointierteren Kreativdirektorin
Roman von Truman Capote zwar noch ähn- der Autostadt
lich, aber schon deutlich anders. Audrey in Wolfsburg
Hepburn als Holly Golightly frühstückt in
Abendgarderobe vor dem Schaufenster von Tiffany,
schläft bis zum frühen Nachmittag, weil die Nächte lang
und schrill sind, die Begleiter zahlreich und spendabel.
In Rihannas Hit „Diamonds“ stehen die leuchtenden
Steine für die Liebe und die Schönheit: „Eye to eye, so
alive, we’re beautiful like diamonds in the sky“. Wir kommen damit dem wieder näher, was wir so gern als Juwelen bezeichnen: eine besonders geschätzte Person, die
Großmutter oder die Köchin ist ein Juwel, eine Kirche
ein Juwel gotischer Baukunst. Der Blick über unsere
Kultur hinaus verweist auf den „Diamantweg“, der im
Buddhismus die zeitlose Weisheit bewahrt und in dem
türkisch-persischen Sprichwort „...die Zeit erkauft man
nicht mit Juwelen“ eher den inneren Reichtum als Kostbarkeit aufzeigt. Mit dem können wir getrost und guten
Gewissens verschwenderisch umgehen.
Gestatten: Ich
COURTESY GALERIE BUCHHOLZ,BERLIN/KÖLN © VG-BILD KUNST,BONN 2015
Die Bildhauerin Isa Genzken
hat es gern persönlich. In über
20 Figuren und mehreren Bodenund Wandarbeiten erschafft die
Berlinerin ein – durchaus merkwürdiges – Selbstporträt. Distanz
zwischen sich und die Außenwelt
bringt sie wie hier mit Helm und
Rettungsweste. Das Museum
für Moderne Kunst in Frankfurt
zeigt bis 31. Mai aktuelle Werke
HOW TO ART – TEIL I:
Irgendwann in der Oberstufe, als mir längst klar
war, dass ich niemals Chemikerin oder Ähnliches, sondern „irgendwas Kreatives“ werden
würde, wobei längst nicht klar war, was genau, da
trat ein Mann in mein Leben. Er war meiner Erinnerung nach als ein Vertretungslehrer interimsweise eingestellt worden, denn eine Kunstlehrerin war unpässlich. So geriet eine unerwachsene Schülerschaft an einen ausgewachsenen Künstler. Herr Oelerich, seines Zeichens
eigentlich freier Künstler, stellte sich der Aufgabe mit der ihm eigenen „freikünstlerischen“ Erbarmungslosigkeit und behandelte uns Schwerpubertierende wie Kunststudenten. Er ließ sich
„Mappen“ und Arbeitsproben vorlegen, stellte
uns bekannten Künstlerinnen vor und nahm uns
mit in moderne Kunstgalerien. Bis dahin
waren wir mit Monet und Manet, Picasso
und dessen Vorgängern, vielleicht mit den
Malern der Renaissance und eventuell des
Barocks belehrt worden. Doch zeitgenössische, moderne Kunst, daran hatte sich keiner gewagt. Nicht so Herr Oelerich. Mit
seinen wehenden, langen, ergrauten HaaFlorentine
ren, seinen schweren Silberringen – an jeJoop
dem Finger mindestens einen –, seinen
llustratorin
schwarzen existentialistischen Klamotten
und Autorin
in Berlin
und seiner ewigen Zigarette war er der Inbegriff eines Künstlers und benahm sich
auch so. Wir mussten uns kreativ betätigen im
Unterricht, wir wurden angehalten, Papiere
übereinanderzukleben und wieder in Streifen
abzureißen. Die dabei entstandenen Kollagen
waren schwer und nass, und Herr Oelerich betrachtete sie mit steigendem Wohlgefallen, je
schwerer und verklebter und verrissener sie waren. Bis heute entzieht sich mir, woran er seine
Be- und Verurteilung festmachte. Irgendwann
einmal fasste ich den Mut und zeigte ihm meine
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damals schon recht akademisch genauen Zeichnungen. Ich dachte dabei an eine Bewerbungsmappe für eine der Hochschulen an denen ich dieses „ Kreative“ studieren
wollte. Herr Oelerich nahm meine Zeichnungen eine nach der anderen in seine beringten Finger und legte sie ohne sie wirklich eines Blickes zu würdigen beiseite.
„Das sagt mir alles nichts“, murmelte er nur. „Das ist total flach ...“ Ich verharrte tapfer
und glaubte weiter an mein Talent. Dass die Klebereien nicht wirklich meine Kreativität anspornten, sagte ich nicht. Auch dass ich nichts davon hielt, die zwangsweise
abstrakte Phase, mit endlosen ungekonnten Kritzeleien auf kleinen verschmierten
Papieren, genannt Kindheit, wieder künstlich zu betreten. Gerade war ich stolz, dass
ich Gesehenes annährend wiedergeben konnte. Und ich wollte viel mehr lernen, anatomisch exakte Zeichnungen herstellen, mich mit Porträts und Maltechniken beschäftigen, fotografieren lernen, mir aneignen, etwas Gefühltes auf Papier zu bringen. Ich wollte nicht, dass mein Unvermögen mir dabei im Weg stand. Damals lernte
ich die erste und wichtigste Lektion meines Kreativlebens: Such dir gute Lehrer, die
zu dir passen. Meine zweite Lektion lernte ich, während des Besuchs in Herrn Oelerichs Atelier. Dort zeigte er uns seine Arbeiten. Unendlich viele kleine Stapel mit gekleckerten, geklebten und gekritzelten Papieren. Ich spürte eine undeutliche Angst,
selbst einmal in ähnlichen Stapeln zu enden. Mir wurde eines klar an
diesem Tag: Lern was Anständiges!
Ich weiß nicht, was aus Herrn Oelerich wurde, bin ihm jedoch zu
Dank verpflichtet, denn er sorgte dafür, dass ich NICHT Kunst studierte, sondern mir eine Schule gesucht habe, an der ich eine echte
Ausbildung genoss. Und doch, entkommen bin ich der Kunst nie.
Sie umgab und umgibt mich. Ich wuchs auf mit den sinnlichen Werken von Tamara de Lempicka und Richard Müller, von Werner Tübke und wurde allsonntäglich von meinen Eltern in Museen geschleift, verbrachte Stunden damit, neben meinem Vater am Zeichentisch zu sitzen. Mir wurde im Kindesalter so manches Bild mit
seiner Tiefenbedeutung erklärt, während mir die Augen zufielen.
Noch heute haben Museen eine beinahe narkotisierende Wirkung
auf mich. Und ich lernte früh, mit einer Sache in der Kunst recht
selbstverständlich umzugehen: Kunst kauft man. Sie hängt nicht nur
entrückt im Museum, sie hängt bestenfalls überm Esstisch. Kunst
gehört zum Alltag. Kunst ist nichts, wovor man Angst haben muss.
FLORENTINE JOOP
GETTY IMAGES
Wie ich kein
Künstler wurde
FLANIEREN MIT HERMÈS
Informationen unter:
Tel. 089/55 21 53-0
Hermes.com
Being Björk
INEZ VAN LAMSWEERDE & VINOODH MATADIN. IMAGE COURTESY OF WELLHART LTD & ONE LITTLE INDIAN
Die isländische Musikerin Björk
ist eine Ausnahmeerscheinung,
kaum greifbar, so wundervoll
abwegig ist ihr Schaffen. Das
MoMa in New York zeigt bis zum
7. Juni eine Retrospektive. Über
mehrere Stockwerke entführen
Musik, Kostüme, Filme und
Objekte in Björks Welt. Und ja,
das Schwanenkleid ist auch dabei.
TRENDBAROMETER
VON
WOLFGANG
JOOP
Herr Haka
AKHTAR
JUWEL IN DER FLASCHE
Herbert Seckler
Kultwirt vom
Sylter „Sansibar“
Ernährungstrendsetter frönen derzeit einer recht eigentümlichen Mode.
Alte Lebensmittel sind plötzlich wieder der Hit. Und weil das die Gwyneth
Paltrows und Julia Roberts dieser Welt so nicht vom Hocker reißt, benannte man den Trend ganz sexy in „Paleo-Food“ um. Urgetreideschleim,
getrocknete Früchte und – nach Möglichkeit selbst erlegtes – Wild, stehen dabei auf dem Speiseplan. Was den Steinzeitmenschen wachsen ließ
und einst zu Zippo und Bausparvertrag verhalf, kann dem heute ganzheitlich denkenden Besseresser nicht schaden. Ob sich daraus tatsächlich eine
Steigerung der Lebensqualität ergibt, muss jeder für sich selbst herausfinden. Altes neu entdecken ist jedenfalls im Kommen.
Südlich von Turin, in der Weinregion Piemont, haben Winzer schon längst
erkannt: Was man lange genug verscharrt, kommt irgendwann als Juwel
erneut zum Vorschein. Ende der 90er-Jahre begann man daher, eine fast
ausgestorbene Rebsorte zu rekultivieren, den Arneis, einen Weißwein. In
der Region Roero wächst und gedeiht er heute wieder zwischen den Städten Canale und Alba. Der 2013er Roero Arneis gehört zu den Klassikern:
Vollfruchtig, mit angenehmer Säure und würzigen Noten, die an Kräuter
erinnern. Ein kräftiger Begleiter zur piemontesischen Küche und manchem Schmorgericht. Wem steht da noch der Sinn nach Urschleim?
Flotte Ostern: Wenn
der Schuh glaubt, er
wäre ein Hase
Ü B E R M I N N A PA R I K K A . C O M
22
MINN
A
PARIK
KA
In der Mode ist es zu einem totalen
Stillstand gekommen, die Freude, die
sie mal ausgestrahlt hat, ist vorbei. Seit
man sich billige Lappen überzieht und
wieder wegwirft, wie es so viele junge
Leute tun, hat die Mode ihre alte Funktion verloren. Eine eigenartige Sucht
nach Wertlosigkeit, nach Hässlichkeit
hat um sich gegriffen. Vor allem gehypt durch die jungen Blogger. Sie
haben vieles ja noch nicht gesehen,
kennen den 80er-Stil nicht wirklich,
erkennen also nicht, was Kopien sind,
sehen einfach nur Bilder. Und setzen
unreflektiert Trends. Selbst Céline hat
sich zu „Ugliness“ hinreißen lassen.
Frau Dob
Ich nehme an, dass du deswegen wieder Rolex trägt. Die Daytona, limitiert.
Hast du die nicht grad in einer Mailänder Pfandleihe entdeckt? Dabei hast
du dich doch so geärgert, dass die drei
Modelle, die du mal hattest, immer
wieder an der gleichen Stelle stehen
blieben. Aber sie hat eben Kultcharakter, der das ganze Quatschzeug
übersteht. Und komm, dir als „Styler“
macht es Spaß, dich auch ugly anzuziehen. Aber eben mit Rolex am Arm
und Diamanten im Ohr. Dass du dir
mal Ohrlöcher stechen lassen würdest!
OH, LOOK! UNSERE
ICONA ZEIGT IHRE AKTUELLEN LIEBLINGSTRENDS
ILLUSTRATIONEN: JAMES DIGNAN (JAMESDIGNAN.COM)
DIAMANT-ICONA
+
+
Funkel-Star: Sonnenbrille von Miu Miu
+
Sei meine Rose: Ring aus
der „Rose Passion“Kollektion von Piaget
Brillant: Kleid von
Victoria Beckham
(über net-à-porter.com)
Glitzer-Beutelchen: MiniTasche von Tod’s
+
Hochkarätig: Schal
von Codello
+
+
= 66.123 €
Icona hat’s geahnt – Diamanten machen
schöner: „Pink Diamond Lifting Serum“ von
Rodial (über niche-beauty.de)
An sich schon ein Schmuckstück:
Modell „Tinga“ von Jimmy Choo
EASY-RIDER-IKEN
+
Für TechnikFreaks: „BR-X1
Skeleton“ von
Bell & Ross
+
Gut und schick geschützt:
Modell „London“ von
schuberth.com
Luftig-leicht:
Leder-Daunenjacke
„Lorient“ von Moncler
Scharfe
Hose: BikerJeans von
Balmain
(über mrporter.com)
+
Ein Mann, ein
Duft: Eau de
Toilette „Icon“
von Dunhill
+
Damit Icona ihn auch
gut riechen kann: Deo
von Brooklyn Soap
Company (über
niche-beauty.de)
+
+
24
Welch Maschine – hundert von der „Lotus
C-01" sollen nur produziert werden. Mehr
Infos: lotus-motorcycles.com
These boots are made for
cruising: Bikerstiefel von
Matchless
= 119.145 €
ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
Auch ein Duft
schmückt: Erst
recht, wenn ein
Schmuckhaus ihn
kreiert hat: „Place
Vendôme“ von
Boucheron
MICHAELKORS.COM
BLÜTENSCHMUCK
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ZUSAMMENGESTELLT VON LINDA LEITNER UND SARAH LAFER
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Ohrringe von Sokolov Jewelry
29
Tango,
bitte
Leider klingt das Wort Vollweib so
furchtbar abgedroschen. Und doch
musste Inga Griese gleich daran
denken, als sie Salma Hayek in
Mailand traf. Und begeistert war
30
Das Gedränge im oberen Stockwerk des Mailänder Concept Stores „Corso Como 10“ ist immens, die Attraktion groß und zugleich gut
abgeschirmt. Salma Hayek ist schließlich ein
Weltstar. Sie steht vor einer Fotografie, die sie
verführerisch an einem Swimmingpool zeigt.
Wobei man den Pool kaum sieht. Der ist auch
egal, die Frau allein verträgt alle Aufmerksamkeit: Hollywood-Schauspielerin, Filmproduzentin, Mutter einer siebenjährigen Tochter,
verheiratet mit François-Henri Pinault, einem
der wichtigsten Player in der Modeszene,
Kämpferin für Frauenrechte, Gründerin einer
Stiftung gegen häusliche Gewalt. Sie steht vor
dem Plakat, weil das schöne Bilder gibt: Sie
überdimensional groß und ein bisschen überirdisch an der Wand, und davor in natura, aber
mindestens so attraktiv in dem Kleid mit dem
Volant über dem Mordsdekolleté und vor allem mit ihrer unbedingten Natürlichkeit.
Frauen ihres Kalibers können auch anders
auftreten. Doch sie strahlt, blickt ihr Gegenüber direkt an, antwortet nicht gelangweilt,
sondern ist sofort im Gespräch. Das Management hat Mühe, halbwegs die Interview-Slots
einzuhalten. Es geht wieder einmal um die Sache der Frauen, wenn auch besonders schön
dieses Mal. Nach der androgynen Tilda Swinton setzt der Schmuckhersteller Pomellato
nun auf den Sex-Appeal der gebürtigen Mexikanerin. Sie trägt ein Modell, das auch deutsche Kundinnen, neben den Nudo Ringen, bevorzugt kaufen: Tango.
Man darf also eine starke Frau und sexy sein?
Das Statement lautet nicht „Schau, wie viel ich
habe“. Es ist „Schau, wer ich bin“. Sicher kann
man sinnlich und stark zugleich sein! Ich halte
es für einen Fehler, wenn man das eine für das
andere aufgibt. Das bedeutet nämlich, dass
man denkt, um stark zu sein, müsse man ein
Mann werden. Nein. Frauen müssen sich
selbst als Frauen feiern und Sinnlichkeit ist
Teil einer Frau. Es gibt einen gewissen gesellschaftlichen Druck, dass du dich dabei schuldig fühlst. Doch dem muss man widerstehen.
Reden wir also über Schmuck.
Ich liebe es, über Schmuck zu reden! Ich kaufe
ihn nicht aus Zwang oder weil ich muss. Für
mich ist er Teil der Geschichte einer Frau. Jedes Stück ist wertvoll, aber nicht aus finanzieller Sicht, sondern weil es unterschiedliche
Teile des Lebens dokumentiert. Man kann ihn
weitergeben, wenn man einmal nicht mehr
hier ist, und kann mit ihm die Geschichte von
jemandem erzählen.
Oft denken gerade andere Frauen so.
Richtig, weil wir es gewohnt sind, beurteilt zu
werden. Aber wir sollten Nein dazu sagen.
Viele Leute lassen Erbstücke umarbeiten.
Nein, man sollte sie so lassen, wie sie sind. Ich
habe viele hässliche Schmuckstücke von meinen Großmüttern bekommen, aber ich liebe
sie trotzdem und sie bedeuten mir sehr viel.
Hat Ihre kleine Tochter schon Ohrringe?
Wenn in Mexiko ein Mädchen geboren wird,
bekommt es sofort Ohrlöcher, weil man sagt,
dass es dann nicht schmerzt. Ich wollte das
nicht. Als meine Tochter vier oder fünf war,
fragte sie aber danach. Ich stimmte schließlich zu. Doch ein Ohr entzündete sich. Sie
hatte die Löcher einige Monate lang, aber ich
ließ sie wieder zuwachsen, weil sie nicht heilen wollten. Wenn sie groß ist, kann sie selbst
entscheiden, ob sie welche haben möchte.
Aber ich kann es nicht ertragen, sie wegen
Ohrlöchern so leiden zu sehen.
Wie kam es zu der Kampagne jetzt?
Ich habe schon in den Mittneunzigern mit
Pomellato an einer Kampagne gearbeitet, mit
dem Ziel, gemeinsam mit dem Roten Kreuz,
Krankenhäuser in Afghanistan zu bauen. Die
Menschen hinter Pomellato stärken besonders Frauen, das schätze ich sehr. Ich liebe,
wie sie mit Tilda Swinton gearbeitet haben.
Sie suchen sich nicht die jüngste
oder gefragteste Frau aus, sondern eine mit einer starken Persönlichkeit. Und dann möchten
sie auch noch deine Persönlichkeit als Teil ihrer Kampagne sehen. Statt zu sagen: ‚Wir haben
dieses Konzept, machst du mit
oder nicht?‘, sagen sie: ‚Wir lieben dich als Schauspielerin und
als Menschen und wir möchten
jemanden wie dich für unsere
Marke haben. Würdest du gemeinsam mit uns Ideen entwickeln?‘ Wenn jemand nicht nur
wegen deiner Schönheit, sondern auch wegen deines kreativen Inputs zu dir kommt – dem
kann man nicht widerstehen.
Sie sehen allerdings reichlich
Klischee-verführerisch aus auf
den Fotos. Was war Ihr Input?
Das Konzept. Etwas zu entwerfen, das nicht nur wie ein Porträt
aussieht, sondern das auf elegante Art sinnlich
ist. Deswegen arbeiteten wir mit Wasser; etwas, das geschmeidig und flüssig ist. Wenn ich
mir Schmuck von Pomellato ansehe, will ich
ihn berühren, also wollte ich es glamourös haben, aber mit Sinnlichkeit.
Salma Hayek ist das neue Werbegesicht für Pomellato.
In natura (oben) ist die Schauspielerin noch attraktiver
MERT ALAS & MARCUS PIGGOTT FÜR POMELLATO
SH
PIERRE TEYSSOT / SPLASH NEWS
JUWELEN
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Die Uhr als liebster
Fetisch: Emmanuel Dietrich
zeichnet ein paar Ideen auf
MÄNNERTRÄUME
Zeit für Persönlichkeit
Ein wahrer Individualist in einer ziemlich konformen Szene:
Emmanuel Dietrichs Uhr „Dietrich OT-1“ findet guten Anklang.
Silke Bender besuchte ihn, Stephanie Füssenich fotografierte
Irgendwoher muss die
Inspiration ja kommen – bei
Dietrich hilft Chihuahua Tim
32
es je nach Modell in Grün, Gelb und Rot gibt
auch das knochenartige Mittelkreuz und die
zarte Spinnenweboptik des Sekunden- und
24-Stunden-Rades. Die Uhr ist wasserdicht bis
50 Meter und misst ansonsten einfach nur die
Zeit. Die drei verschiedenen Armbandtypen –
je nach Trageanlass sportlich in Nylon, eleganter in Leder oder neutral in Carbon – die sich
mit einem Zug auswechseln lassen, sind ebenfalls eine Neuentwicklung des Designers.
Mit dieser dritten Version seiner Uhr konnte
Dietrich auf der Uhrenmesse in Basel überzeugen und ordentlich Bestellungen aufnehmen – die ersten 2000 Exemplare sind gerade
in die Läden gekommen. „Meine ersten zwei
Versuche die Jahre zuvor waren noch nicht
ausgereift“, sagt er heute. „Ich wollte meine
Uhr zunächst unbedingt unter der Herkunftsbezeichnung ‚Swiss made‘ platzieren, aber
musste dafür Preise aufrufen, mit denen ich
auf einer Höhe mit den etablierten Luxusmarken lag – das war schwer vor dem Endverbraucher zu rechtfertigen.“ Zudem hatte er nicht
mit den Widrigkeiten der Branche und dem
Verhalten ihrer großen Manufakturen gerechnet. Als sich der Schweizer Weltmarktführer
für mechanische Uhrwerke ETA, entschied,
nur noch an die eigene Familie der SwatchGroup zu liefern, brachte er den Markt dermaßen in Bedrängnis, dass er von der Schweizer
Wettbewerbskommission verpflichtet wurde,
die Lieferungen an andere Hersteller in einem
geordneten Jahresplan zurückzufahren. Für
Newcomer wie Dietrich gab es keine Chance,
an die begehrten Teile heranzukommen.
Er überdachte sein Konzept, das Design und
den Preis: Nun pocht in der OT-1 der nicht
minder zuverlässige Herzschlag japanischer
Uhrwerk-Technik von Miyota. Doch obwohl
die Uhr in der Schweiz entwickelt und designt
wurde, wird sie de facto unter Schweizer Federführung in Asien produziert und besetzt
nun ein Preissegment, das Dietrich „erschwinglicher Luxus“ nennt. Diese Neuorientierung scheint aufgegangen zu sein. „Meine
eigene Uhr zu designen war immer schon
mein Traum“, sagt Emmanuel Dietrich, der
sich in mehr als 20 Jahren bereits einen Namen als unabhängiger Designer für weltbekannte Luxuslabels gemacht hat. Schon sein
erstes Projekt als Absolvent der École Boulle
war ähnlich ehrgeizig: Mit 23 Jahren wollte er
seinen ersten Uhrenentwurf an keinen geringeren als Hermès verkaufen.
Nachdem alle Telefonate und E-Mails an der
menschlichen Firewall namens Sekretärin abprallten, schrieb er per Hand einen persönlichen Brief an den damaligen Chef Jean-Louis
Dumas-Hermès. Die Antwort ließ nicht lange
auf sich warten: „Ich weiß nicht, ob mir Ihre
Entwürfe gefallen, aber ich mag Ihre Methoden“, schrieb Dumas zurück, und Dietrich bekam seinen Termin. Noch am selben Tag fuhr
der Unternehmer mit ihm ins Atelier, ließ einen Prototyp bauen – und die „Harnais“ aus
Dietrichs Hand ging in Produktion.
In der Folge entwarf er Eislöffel für Häagen
Dazs, Möbel für Artelano oder Hermès,
Schmuck für Dinh Van oder Valmont, noch
heute gestaltet er fast die Hälfte der Kollektion
der Calvin-Klein-Uhren, arbeitet für Ligne Roset und den Büromöbelhersteller Haworth
oder für die französische Start-up-Firma Scentys. Die will mit neuer, nicht gesundheitsschädlicher Raumduft-Technik den Markt revolutionieren. Nur falls jemand denken sollte,
dass er sonst nicht genug zu tun hätte.
Seit sein Vater ihm mit sieben Jahren die erste
Uhr schenkte, wurde es sein liebstes Fetischobjekt: „Sauber, pünktlich, zuverlässig – alles
was ich liebe“, sagt der Franzose grinsend und
führt damit nationale Klischees ad absurdum.
Es war kein einfaches UnFast zehn Jahre lang lebte er mit seiner Familie
terfangen, denn die Welt
in Hamburg und fühlte sich dort sehr wohl:
der Uhren ist ähnlich kom„Ich mag die deutsche Gemütlichkeit, für die
pliziert wie die der, sagen
es im Französischen kein Wort gibt“, erklärt er
wir mal, Reproduktionsin fließendem Deutsch.
medizin. Ein schiefer VerSogar dem hanseatischen 70er-Jahre-Flair
gleich, zugegeben, doch
konnte er einen exotischen Kick abgewinnen.
Uhren – sorry, technikaffiSeine erste Hamburger Mansardenwohnung
ne Ladys – sind eine Männerdomäne. Ausnahhatte noch die so typisch deutsche Holzvertämen bestätigen auch hier die Regeln. Diese
felung und diese „coolen olivgrünen BadezimBegeisterung für Rädchen, Spiralen,
merkacheln“, schwärmt er. Ein nostalhoch entwickelte Zusatzinstrumente
gisches Designvergnügen, das allerfür Messungen, die eigentlich keiner
dings wenige mit ihm teilen wollten.
braucht, sind dem weiblichen Wesen
Er ist mittlerweile in zweiter Ehe
doch eher fern. Wir wollen von einer
abermals mit einer Deutschen verheiUhr, dass sie gut aussieht und uns verratet und hält die deutschen Frauen
lässlich zeigt, wie spät es ist. Basta. Wir
den französischen für überlegen.
brauchen beispielsweise kein Tachy„Diese diffuse Romantik, die euch
meter, der uns die Durchschnittsgeschon beim Wort Paris befällt, kann
schwindigkeit von irgendwas ermittelt
ich einfach nicht teilen, seit ich hier
oder einen Kompass, der weiß, wie
ständig mit den Unzulänglichkeiten
viel Grad Nordnordwest entfernt das
des Alltags, von der ranzigen Metro
Auto parkt. Im Grunde war auch Embis zu den Altbauten mit zugigen
manuel Dietrichs Idee ziemlich simFenstern, muffigen Bädern und stänpel: „Ich wollte eine Herrenuhr auf
dig platzenden Wasserleitungen konden Markt bringen, die technisch erstfrontiert werde“, sagt der in Besançon
klassig, modern und sinnlich ist. Und
Geborene und zeigt an die feuchten
die nicht in die zwei üblichen SchubStellen am Fenster seiner Pariser
laden, klassisch oder technoid, passt.
Wohnung. Er hält sie nur noch aus
Eben genau die Uhr entwerfen, die ich
strategischen Gründen und seiner
selbst immer haben wollte.“ Nun ist
Frau zuliebe aufrecht. Denn wegen
das „Wunschkind“ endlich da: Die „Orseiner „Dietrich“ lebt er mittlerweile
ganic Time Companion“, kurz OT-1,
die meiste Zeit des Jahres im Schweiliegt amtlich schwer in der Hand, passt
zer Zug. In puncto Sauberkeit,
sich ergonomisch ans Handgelenk an
Freundlichkeit, Zuverlässigkeit und
und fällt in Sachen Design aus dem
Genauigkeit und der Balance zwiRaster. Das organisch geformte Edelschen Natur und Urbanität fühlt er
stahlgehäuse im ungewöhnlichen gesich quasi im Paradies angekommen.
rundeten Hexagonal sieht aus wie die
„Warum die Deutschen nicht mit den
Miniatur einer fließenden Zaha-HaSchweizern können und umgekehrt,
did-Architektur, gepaart mit verspielist euer mysteriöses Ding.“ Emmanuten Details in Richtung Jugendstil. So
el Dietrich tickt eben anders.
Mehr Informationen zur Uhr finden
finden sich neben farbigen, luminis- Designt von einem Franzosen in der Schweiz mit einem Innenleben aus
Sie unter dietrich1969.com
zierenden, blattförmigen Zeigern, die Japan: Die „Organic Time Companion“ ist wahrhaft international
E
33
1_ Montblanc Chronometrie
„ExoTourbillon Minute
Chronograph Vasco da
Gama Limited Edition“
(45.000 Euro)
3_ Jean Richard
„JR 39 Bleu“ 2200 Euro
Blaue Stunde
Blau ist das neue Schwarz. Zumindest in der Welt
der Luxusuhren. Eine kleine Warenkunde
2_ IWC
„Portugieser Jahreskalender“ (21.100 Euro)
4_ Skagen „Anita SKW 2307
30MM“ (129 Euro)
1_ Das Zifferblatt dieses Säulenradchronographen mit Tourbillon-Mechanismus von Montblac besteht aus blauem Aventurin
2_ Fünf Jahre dauerte die Entwicklung des ersten Jahreskalenders in
der neuen Portugieser Kollektion von IWC
3_ Jean Richard setzt diese Saison auf jeansartig strukturierte
Zifferblätter und Straußenlederbänder
4_ Die Firma Skagen ließ sich vom dänischen
Nachthimmel für das Zifferblatt der mit Glassteinen
besetzten Stahluhr inspirieren
5_ Oris feiert sein jüngstes Modell mit einer
neuartigen Mondphasenanzeige, natürlich
auf mitternachtsblauem Grund.
6_ Parmigiani verarbeitet für das Zifferblatt dieser Titanuhr erstmals in
Säure gebadetes und blau
gefärbtes Meteoritengestein
7_ Als Ex-Marineoffizier tritt
Filmagent James Bond
diesen Herbst erstmals
mit der antimagnetischen SeamasterVariante von
Omega an
5_ Oris „Tycho Brahe Limited
Edition“ (2050 Euro)
6_ Parmigiani „Tonda 1950 Special
Edition Meteorite“ (17.500 Euro)
34
7_ Omega „Seamaster Aqua
Terra 150 M James Bond limited
Edition“ (5750 Euro)
ZUSAMMENGESTELLT VON JOERN F. KENGELBACH
TREND
SCHMUCKUHREN
Neue Blütezeit
Die Damenuhren der Stunde sind komplizierter als viele Herrenmodelle. Der Grund:
RICHARD MILLE
die Dekoration. Wer die Natur übertreffen will, der muss richtig was draufhaben
Peepshow: Die Richard Mille „RM-019 Tourbillon Fleur“ kostet knapp eine Million Euro – dafür entfaltet sich auf Knopfdruck nach sechs Sekunden eine Magnolienblüte über dem Tourbillon
Ausgerechnet Richard Mille: Der Gründer der gleichnamigen Genfer Uhrenmanufaktur, der den Titel „Macho-Mann“ als großes Kompliment versteht, entdeckt
plötzlich seine weibliche Seite. Wird der umtriebige Franzose, dessen Uhren bisher aussahen, als hätte sein Designteam im Motorraum eines Formel-1-Wagens
übernachtet etwa altersmilde? „Im Gegenteil“, gab er am Rande des Genfer Uhrensalons im Januar zu Protokoll, er wolle sich nur nicht zum Gefangenen seiner
eigenen Welt machen lassen. Also weg mit den technischen Produkten und scharfkantigen Hightech-Materialien. Her mit Magnolienblütenblättern! Die haben
es bei dieser Uhr doppelt in sich: Unter den jeweils fünf von Hand bemalten Weißgoldblättern der „RM-019 Tourbillon Fleur“ etwa verbergen sich zahllose kleine Hebelchen, die auf Knopfdruck dafür sorgen, dass sich alle sechs Sekunden die Blüte entfaltet und wieder schließt. Darunter verbirgt sich ein mit Edelstein
besetzter Tourbillonmechanismus zum Ausgleich der Schwerkraft, der bei dem komplexen Vorgang auch noch um einen Millimeter angehoben wird. So sieht
man das Schlagen des Uhrenherzens noch besser. Das Herz dürfte auch den 30 Menschen bis zum Hals schlagen, die die Uhr bezahlen müssen: Sie kostet knapp
eine Million Euro. Der enorme Aufwand für eine winzige und dann noch reichlich romantische Auflage geht für Richard Mille völlig in Ordnung. Wie er sagte:
„Am liebsten sind mir die ganz und gar verrückten – manche würden sagen blödsinnigen – Konzepte.“ Blödsinnig? Alter Macho.
Die Stickereien der Hublot „Big
Bang Broderie Steel Diamonds“
fertigt die St. Gallener Firma
Bischoff an (15.000 Euro)
Wer Sonnenblumen nicht mag,
kann sich auf das Kameenzifferblatt der Breguet „Reine de
Naples Cammea“ so gut wie
jedes Motiv ins Perlmutt schnitzen lassen (58.500 Euro)
Kein „Er liebt mich, er liebt mich
nicht“, sondern Perlmuttblätter als
Aufzugsrotor der Dior „VIII Grand
Bal Plissé Soleil“ (18.000 Euro)
Die 210 Diamanten auf dem
Zifferblatt der „Ballon Bleu Serti
Vibrant“ von Cartier hüpfen bei
Erschütterung (262.000 Euro)
Neu auf der Baselworld: „Camélia“
mit Brillant-Perlmutt-Zifferblatt von
Chanel mit einer 42-Stunden Gangreserve (ohne Preisangabe)
Auf besonderen Wunsch fertigt Patek
Philippe ganz besondere Modelle wie diese
Version der „Twenty-4“-Haute-JoaillerieKollektion. Beim Einzelstück „Butterflies
Referenz 4909/102R“ fliegen Schmetterlinge über das mit 1596 Diamanten besetzte
Blütenmeer (ohne Preisangabe)
35
WER IN SRI LANKA SONNENCOUTURE INSZENIERT, KANN EINEN NEUEN DICKEN FREUND FINDEN
Es war, als hätte Sri Lanka sich extra für uns in Szene gesetzt. In einer Vollmondnacht kamen wir in Galle, an der
Westküste der Insel, an. Vollmond bedeutet dort immer Feiertag. Die Menschen sind dann alle weiß gekleidet, sie
gehen in die Tempel und meditieren. Überall sind Blumen und Kerzen aufgestellt. Warane, diese Dinosauriervettern,
schleichen durch die Straßen. Dazu die Schwüle, das hat für Europäer etwas unergründlich Mystisches.
Weitaus realer waren der tägliche Monsun-Sturzregen und die Schlangen, die uns in allen Farben und zu jeder Gelegenheit über den Weg krochen. Während der Aufnahmen am Pool tauchte auf einmal ein drei Meter langes Exemplar auf, aber der Hoteldirektor meinte nur, wir könnten uns locker machen, das sei Hektor, die Hausschlange.
Wir hatten zudem ganz andere Sorgen: Elefanten sind schwerer zu buchen als Topmodels, ihr Terminkalender ist
stets voll. Hochzeiten, Feste, Tempel-Veranstaltungen – die großen Grauen gelten auf Sri Lanka als Arbeitstiere und
sind zugleich heilig, und sobald einer auftaucht, wollen ihn alle berühren. Unser Elefant hieß Sidevi und war – wie viele Models auch – noch ein Teenager. Jede Stunde musste er einen kleinen Snack in Form einer Bananenstaude zu
sich nehmen. Das waren aber seine einzigen Allüren, ansonsten hat er den Job perfekt gemacht. Und er hat uns vor
Augen geführt, dass auch ein Schwergewicht mit Falten wunderschön sein kann.
Wiebke Bosse
FOTOS: WIEBKE BOSSE; STYLING: ODESSA LEGEMAH; MODEL: ANNIEK KORTLEVE C / O WOMEN; HAARE & MAKE-UP: SERGIO
CO R VAC H O C / O M O O D B OA R D I N T E R N AT I O N A L / M I T N AG E L L AC K VO N U S L U A I R L I N E S ; F OTOA S S I S T E N Z : R U T H KO B B E ;
S T Y L I N G A S S I S T E N Z : K ATJ A S O N N E W A N D ; P R O D U K T I O N : M E TA R A M B A .C O M ; V I E L E N D A N K A N D A S W H Y H O U S E H O T E L
E L E-G A N Z
Am Pool des
„23 Palm Hotels“.
Kleid: Valentino
Sonnenschirm:
Parasolerie Heurtault.
Linke Seite: Badeanzug
von Chanel
37
Strand-Hopping von Taprobane nach Kubalgama:
Linke Seite: Top mit blauen Indigo-Details: Louis Vuitton.
Diese Seite (von links): Transparentes Strickkleid mit
goldenen Stickdetails: Bottega Veneta. Goldfarbene Sandalen mit
Blumenapplikationen: Marni. Mantel: Marc Cain. Slip: La Perla
39
In Kubalgama und Koggale
setzt Anniek auf
natürlichen Sonnenschutz.
Kleid: Hermès.
Kette: Mads Dinesen.
Tuch: Burberry Prorsum.
Linke Seite: Kleid: Wunderkind. Visor: Akris
40
41
Gestrandet auf der Insel Taprobane:
Linke Seite: Top und Hose mit
Stickereien: Manish Arora. Sandalen: Chanel.
Diese Seite: Tuch: Burberry Prorsum. Bustier: La Perla
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44
Top und Hose: Giorgio Armani. Hut mit Stickdetail:
Augustin Teboul. Ballerinas: Bottega Veneta
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Auf den Straßen von Yatagala:
Linke Seite: Kleid, Clogs und Seidenstrümpfe von Prada.
Tasche: Hermès.
Diese Seite: Jumpsuit: Elie Saab. Sandalen: Chanel
47
TASCHENTREND
Ein Knaller!
Ein Hoch auf Oranje:
„Fleming“ von Tory Burch
Schluss mit Grau. Auch modisch. Im Frühjahr kann es
uns gar nicht zu bunt werden. Zur Tasche, Schätzchen
Zwei in einer:
„Cybill M“ von Aigner
ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
Art Blumo:
Henkeltasche von Prada
Extra groß:
Shopper von Marc Cain
Es grünt wieder:
„Bamboo Daily“
von Gucci
Sag’s mit Stickern: Tasche von Anya Hindmarch (die Sticker gibt es auch einzeln)
Hier passt jede Menge rein:
Shopper „2.0“ von Longchamp
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Ta s b i s s c h
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ie:
Miu chade
Miu t be
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Ta h ö n
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Mach blau!
„Capucine“, Louis
Vuitton
Hier blüht schon was: „Sicily“ mit GlyzinienDruck von Dolce & Gabbana
Das ist Kunst: „Boy“ von Chanel
48
Freude am Regenbogen: Valentino-Tasche
(über monnierfreres.de)
Georgia May Jagger
WWW.THOMASSABO.COM
JUNG
C
Auf den Schulhöfen in Finnland
herrschen raue Sitten. Ein falscher Name und schon wird man
zum Gespött. Das ist auf der ganzen Welt so. Finnische Namen
wie Anna Nass hätten hierzulande sicher auch Potenzial für
Schulhoftiraden. Dass der Name
Chanel zu Heiterkeitsausbrüchen führt, verschließt sich Erwachsenen, zumal den modeaffinen, jedoch vermutlich weltweit.
Oona Chanel, Großnichte von
Coco, erzählt, wie sie über Jahre
mit dem Erbstück gehadert hat,
lieber hätte sie irgendwas Langes
mit Kömäkimakiütelhäten gehabt. Sie haderte mit Chanel bis
ins Teenageralter, als Fashion in
ihr eigenes Leben kam.
Oonas Großtante war nicht im
klassischen Sinne schön. Auch
Oona ist das, was in Modelkreisen, in denen sie sich bewegt, als
„speziell“ gilt und eben darum als
„hot“ gehandelt wird. Sie steht
gerne vor der Kamera des Enfant terrible Terry Richardson und ist neben Mode- auch für
Kosmetik-Produktionen gebucht. Aber die
physiognomische Spurensuche nach dem
Chanel-Look geht daneben: durchscheinend,
ätherisch, blond, sieht sie eher aus wie eine
Tochter von Tilda Swinton.
Nach einem Shooting in Wien steht Oona auf
der Straße. Sie trägt eine Jacke, die einen Chanel-Touch hat. Einen „Touch too much“,
möchte man meinen und es stellt sich heraus,
dass sie von einem deutschen Bling-Bling-Designer stammt: „Es ist ein Geschenk, das ich
gestern bekommen habe“, sagt Oona Chanel
lachend. Sie selber stehe mehr auf Balenciaga,
auf Rick Owens oder Céline. Warum dann dieser Look? „Es ist kühl“, sagt sie. Für ein Wochenende in Wien hat man doch ein wenig
Gepäck mit dem einen oder anderen Outfit?
Sie macht als Beweis ihren Trolley auf, und als
Erstes kommt ihr ein Kopfkissen entgegen:
„Das nehme ich immer mit, und damit ist das
Gepäck fast voll.“
Im Gegensatz zu ihrer weltberühmten Verwandten, die bis zu ihrem Lebensende im Pariser „Ritz“ residierte und es nur verließ,
wenn es unbedingt nötig war, ist Oona Chanel
dem allgegenwärtigen Reisewahnsinn unterworfen. Da gibt das eigene Kissen Sicherheit.
Schon als Kind, ihr Vater ist Dirigent, ging es
ROBERT CARBONNET
Chanel
50
Mehr Tilda Swinton als Coco Chanel und dabei immer
souverän: Oona Chanel posiert
von Helsinki nach Dubai, nach Moskau und
nach Indien. Das Englisch der Oona Chanel ist
akzentfrei, ihre Präsenz ohne jeden Makel, abgesehen vom Jäckchen. Gerade kommt sie aus
Bali, das sind über 20 Stunden Flug, hat
abends an der Jurysitzung des österreichischen Haute Couture Award 2014 teilgenommen und den nächsten Tag in acht Stunden zwölf Outfits von eben jenem Award an
sich fotografieren lassen.
Gute Stimmung hat sie jedenfalls im Überfluss im Gepäck: „Auf Bali war ich bei einem
Guru. Ich weiß, das hört sich schrecklich esoterisch an, aber es gibt Dinge, die man nicht
erklären kann, sondern erfahren muss“, erläutert sie ihren hohen Grad an Entspannung. Sie
hat in Indien die Mutter-Teresa-Heime besucht und dort gearbeitet und träumt davon,
ein Waisenhaus aufzubauen. Aber: „Solange
ich mir in New York ein Apartment mit Freundinnen teilen muss, ist das in weiter Ferne.“
Was sie allerdings plant, ist ein eigenes Magazin: „Ich bin Teil der nächsten Generation, die
eine andere Sicht auf Mode hat“, erklärt Oona
Chanel. Das Heft, das noch in diesem Jahr herauskommen soll, wird auf Englisch erschei-
nen, ein Investor soll im Spiel sein, aber
gehen wir davon aus: Sie könnte es auch
ganz allein stemmen.
Oona Chanel bei der Arbeit zuzuschauen,
wie sie ebenjene Haute-Couture-Outfits
vorführt, eröffnet dem Betrachter die
glamouröse Seite des Modeljobs. Sie rekelt sich auf einer beleuchteten Plexiglasscheibe – und das mit Souveränität.
Sie scheint in sich zu versinken. Kleine,
kleinste Bewegungen, die schlagartig der
Robe einen besonderen Look geben. Es
sind die Entwürfe der zwölf Finalisten –
allesamt Nachwuchsdesigner – des Haute
Couture Awards, der in Österreich eine
Institution ist und bereits zum zehnten
Mal stattfindet. Oona ist eine freundliche
Jurorin mit strengen Maßstäben: „Präzision, Material und Look müssen eine gelungene Symbiose bilden“, sagt sie. Unter
diesen Kriterien gefällt ihr besonders der
Entwurf der Wiener Designerin Alexandra Gogolok-Nagl.
Hat sie jemals Couture-König Karl Lagerfeld getroffen? „Bis jetzt nicht, aber das
wird sich ergeben“, sagt sie und betont,
dass sie es peinlich fände, sich nur ob ihrer Familiengeschichte bei ihm „einzuschleimen“. Ihrer Agentur hat Oona untersagt, sie für die Chanel-Schauen vorzuschlagen. Ihr ist der eigene Weg wichtig. „Ich werde auch nur unter Oona
geführt.“ Mehr braucht es auch nicht,
denn nicht mal der Scout, der die damals
19-Jährige auf der Straße ansprach, konnte ja ahnen, welchen Namen sie noch
trägt. Es war ihre Präsenz, die überzeugt
hat. Dass ein Hauch Chanel mitschwingt
– das ist eben ein herrlicher Bonus.
Oona Chanel wird als das nächste
Supermodel gehandelt. Dabei ist sie
seit gerade mal drei Jahren Profi.
Die Großnichte von Coco Chanel hat
exzeptionellen Stil in ihren Genen,
findet Andreas Tölke
EH
Als sie den Raum betritt, ganz in Schwarz gekleidet, fasst sie die langen silbergrauen Haare
im Nacken zusammen und legt sie sich über
die Schulter wie andere einen Schal. Sie
schüttelt ihre schlanken Beine aus, als wollte
sie sich für ein Grand Jeté warm machen.
Setzt sich hin, breitbeinig, angriffslustig.
Schaut spitzbübisch ihr Gegenüber an, als
wolle sie sagen: Hier bin ich. Model, das ist
schnell klar, diese Bezeichnung will nicht
recht zu ihr passen. Dafür ist Eveline Hall einfach zu sehr Eveline Hall.
Ihre Stimme klingt nach langen Nächten,
nach Rotwein und Gauloises, dabei hat sie nie
geraucht. Ihrem Gesicht sieht man an, dass sie
gelebt, nichts ausgelassen hat. Die Höhen
ebenso wie die Tiefen. Von ihrem kurvenreichen Weg, von den Phasen und Brüchen ihres
Lebens, handelt ihre vor einem Jahr erschienene Biografie „Ich steig’ aus und mach ’ne eigene Show“. In einem Alter, in dem andere
sich auf die Pflege ihres Gartens konzentrieren, stand die 69-Jährige für Starfotografen
wie Patrick Demarchelier, Peter Lindbergh
und Ellen von Unwerth vor der Kamera, lief
für Jean Paul Gaultier und kann auf eine ganze Reihe von High-Fashion-Editorials blicken.
Glatte Beautystrecken sind nicht ihr Ding. Sie
brilliert immer dann, wenn es darum geht, eine Rolle zu spielen.
Der Startschuss für ihre Karriere fiel, als sie 65
Jahre alt war: Neben Größen wie Kirsten
Owen und Toni Garrn auf der Berlin Fashion
Week lief sie vor vier Jahren auf einer Show
für Michalsky. Anders als die jungen Mädchen
fing sie an, mit dem Publikum Kontakt aufzunehmen: „Ich flirtete mit ihnen. Der Funke
sprang über. Es war großartig!“, erinnert sie
sich. Am nächsten Morgen waren die Zeitungen voll von ihr.
Vor Kurzem wurde Eveline Hall mit dem „Fashion Icon Award“ ausgezeichnet, ein Preis,
mit dem Persönlichkeiten für ihren Einfluss
in der Mode, Kultur, Kunst und Musik geehrt
werden. Hall bedankte sich: „Habt den Mut,
aus dem Rahmen zu fallen.“ Um Schönheit
geht es ihr nicht: „Ich möchte, dass ältere
Frauen mich ansehen und denken: Das kann
ich auch. Ich färbe meine Haare nicht mehr,
aber ich trainiere jeden Tag. Ich möchte ein
Vom Mut, aus dem
Rahmen zu fallen
JAAN-ERIC FISCHER
ALT
Nur wenige Karrieren beginnen mit über 60. Das Model Eveline
Hall ist mit fast 70 Jahren ganz oben angekommen.
Eva Eusterhus freut sich nach dem Treffen aufs Älterwerden
Vorbild sein, kein Idol. Mit dem Begriff „Silver
Surfer“ kann sie absolut nichts anfangen. „Ich
surfe nicht irgendwo rum und liege in der
Sonne, ich schufte, wie ich es mein Leben
lang getan habe.“
Geboren 1945 in Greifswald, wuchs sie als
Tochter einer Balletttänzerin und des Schauspielers Kurt Klopsch in Hamburg auf. Mit
acht Jahren entdeckte sie ihre Liebe zum Ballett. Sie tanzte solo an der Hamburger Staatsoper und ging als Showgirl nach Las Vegas.
„Klopschi“ trat am Lido auf und traf privat auf
Showgrößen wie Elvis Presley, Sammy Davis
Jr., Diana Ross und Barbra Streisand. Dort
lernte sie auch ihren Mann David Hall kennen.
Die Beziehung hielt neun Jahre. Wieder zurück in Europa, arbeitete sie als Schauspielerin auf verschiedenen Bühnen unter anderem
am Thalia Theater in Hamburg, aber auch in
München, Basel und Straßburg, zuletzt lebte
sie in Paris. Als sich ihr Bruder das Leben
nahm, kehrte sie mit über 50 zurück nach
Hamburg, wo sie seitdem zusammen mit ihrer
Mutter in der Wohnung ihrer Kindheit wohnt.
Wie geht das? „Nur, wenn man zusammen
noch mal bei null anfängt. Alles auf den Tisch
legt, schonungslos.“ Für ihre Mutter und sie
seien die ersten Monate des Zusammenlebens
wie eine Therapie gewesen.
Es folgten Jahre des Suchens und des sich
Aufraffens. Eveline Hall ergatterte kleinere
Rollen und Auftritte, moderierte auf Messen
und Modenschauen und trainierte fleißig jeden Tag. Sie lernte Gesang, studierte Texte ein
und entwickelte ein Trainingsprogramm, mit
dem sie sich auf engstem Raum fit halten
konnte. Ein täglicher Programmpunkt, den
sie heute immer noch zusammen mit ihrer
93-jährigen Mutter absolviert: „Ich halte sie,
damit sie ihre Pliés machen kann, das hält ihre
Gelenke geschmeidig.“ Über einen alten
Freund bekam sie Kontakt zu einer People-
Agentur, die nach echten Typen für die Werbung suchte. Sie stellte sich am Telefon vor:
„Ich bin 60, aber so eine 60-Jährige hast du
noch nie gesehen.“ Von da an ging es bergauf:
Hall drehte Werbespots, aus jedem Engagement entwickelte sich ein neuer Auftrag. Das
harte Training, das ihren Körper gestrafft hatte, vor allem aber ihr Können als erfahrene
Schauspielerin zahlten sich aus.
Ihre Paraderollen sind die Fitnesssüchtige,
die ewig junge Mutter, die elegante Monarchin und die reife Geliebte. „Ich liebe gerade
diese Rolle, und es ist kein Geheimnis, dass
ich auch privat auf deutlich jüngere Männer
stehe. Nicht auf schöne, aber solche, die mit
mir mithalten können, spontan sind und ganz
wichtig: Fantasie haben.“ Sie würde wer weiß
was darum geben, mal mit Sean Penn essen zu
gehen. „Ein geiler Typ ist das.“
Das meiste in ihrem Leben verdanke sie ihrer
Intuition, sagt sie: „Sie hat mich immer rechtzeitig erkennen lassen, wann ich Adieu sagen
muss, bevor ich anfange, mich selbst und andere unglücklich zu machen.“ Doch davon ist
sie heute weiter entfernt denn je. Ihre nächste
Mission lautet: Rocksängerin werden. Produziert wurde ihr Album von Franz Plasa, dem
Hamburger Produzenten und Liedschreiber,
der schon für Udo Lindenberg, Nena und Rio
Reiser am Werk war.
Ihre Stimme sei tief und schwarz: „Sie taugt
einfach nicht zum Trällern, also singe ich
Rock“, sagt sie und erzählt von dem Musikvideodreh kürzlich in Island, von der wildromantischen Landschaft, von düsteren
Schwarz-Weiß-Aufnahmen, von Lack und Latex. Es gibt auch zwei Chanson-Stücke auf
dem Album, eines auf Deutsch, das eine Liebeserklärung an ihren Vater ist. Es heißt „Dett
kriegen wa hin“. Die zarte Frau streckt triumphierend eine Faust in die Luft – wie ein siegreicher Boxer nach einem harten Kampf.
51
F
G
PERSÖNLICHKEIT
52
Ich enthülle mich
nie, warum sollte ich
das? Ich drücke
mich in meinen Bildern aus... alles
steckt darin, aber
nicht jeder kann es
entziffern.“ In den
Sechzigern schrieb
sie den Bestseller
„Leben mit Picasso“,
das, was man heute
wohl ein SkandalBuch nennen würde.
Die
Veröffentlichung konnte Picasso damals nicht verhindern.
Autor Malte Herwig
baute über viele Jahre hinweg ein beinahe freundschaftliches Verhältnis zu ihr auf, besuchte sie in ihren Ateliers in New York und Paris. Zusammen philosophierten sie über Gott, die Welt
und die Liebe, aßen zusammen Foie gras, und
Gilot brachte ihm das Zeichnen bei. „Die Frau,
die Nein sagte“ ist nicht nur ein Buch über
Kunst, sondern über die Kunst des Lebens geworden. Und von der versteht Gilot etwas.
Sie kannte Picassos Abgründe, seine liebevollen und seine grausamen Seiten. Aber sie
wusste auch, dass sie und die Kinder zugrunde
gehen würden, wenn sie weiter bei Pablo blieben. Sie habe lieber in der Wüste als weiter in
seinem Schatten leben wollen, so Herwig in
seinem Buch. Picasso habe sich immer darauf
verstanden, die Frauen in seinem Leben auch
finanziell abhängig zu machen. Bei der freigeistigen und sturen Françoise war das nicht
möglich, nicht umsonst stammt die Beschreibung „Die Frau, die Nein sagt“ von ihm selbst.
Die zarte, starke, beherrschte Françoise ertrug
zunächst still und in Würde seine Affären mit
anderen Frauen und seine cholerischen Ausbrüche, aber lies sich nie von ihm besetzen.
Laut ihr war er es, der sich Kinder von ihr
wünschte und damit versuchte, sie noch enger an sich zu binden. Er war ihr vierzig Jahre
älterer Meister, sie die Muse, entdeckt mit
zweiundzwanzig, als sie noch eine weiße, leere Leinwand war, auf die man eine Menge projizieren konnte. Nach der Geburt des zweiten
Kindes verlor sie Gewicht, und er soll zu ihr
gesagt haben: „Früher warst du eine Venus,
jetzt siehst du aus wie ein leidender Christus.“
Heute ist nur der kleinste Teil von Gilots Bildern in Museen zu sehen, die meisten befinden sich im Privatbesitz von Sammlern. Das,
was sie beim Malen gelernt hat, ist auch ihre
Lebensphilosophie: „Du musst aus deinen
Fehlern lernen, anstatt sie wegzuwischen. Was
gelebt wurde, ist für immer ein Teil von dir,
am Ende zählt das Ganze, das du daraus
Susanne Kaloff
machst.“
ANA LESSING; FRANÇOISE GILOT
1948 an der Côte d’Azur: Die junge Frau schaut
lächelnd den Strand entlang. Hinter ihr Pablo
Picasso, der stolz den Sonnenschirm über sie
hält. Das Bild kennt fast jeder, der Name der
Frau ist den wenigsten geläufig: Françoise Gilot. Der Fotograf Robert Capa hielt damals diese Szene fest, und im Nachhinein lässt sich
viel in sie hineindeuten: „Ich bin die Sonne
und die Dunkelheit, ich bin der Mittelpunkt
des Universums.“ So interpretiert Autor Malte
Herwig den Blick des Malers in seinem gerade
erschienenen Buch „Die Frau, die Nein sagte“.
Alle hatten stets in Picassos Schatten zu stehen, notfalls mithilfe eines Sonnenschirms.
Und alle machten mit. Bis auf eine.
Françoise Gilot, 1921 in Neuilly-sur-Seine geboren, war die Frau, die zunächst zehn Jahre
ihres Lebens Ja zu einem Leben mit dem Genie sagte, ihm zwei Kinder gebar und dann die
Chuzpe hatte, ihn eines Tages zu verlassen. Alle anderen verließ er. Vorher brach er ihnen
aber noch das Herz: Die Tänzerin Olga Chochlowa, Fotografin Dora Maar, Marie-Thérèse
Walter oder Jacqueline Roque gehören zu diesem traurigen Club. Die beiden Letzteren
nahmen sich sogar das Leben. Trotz großer
Liebe und Leidenschaft, das Leben und die
Lebensfreude hätte sich Gilot, die ebenfalls
Malerin ist, niemals stehlen lassen, auch nicht
von einem der begnadetsten Künstler aller
Zeiten. Dafür war sie immer ein zu unabhängiger Geist und kluger Kopf hinter ihren markanten Augenbrauen, deren Form an das französische „accent circonflexe“ erinnerten. Eines ihrer Lebensmottos war. „Wenn du etwas
riskierst, erlebst du auch schlimme Dinge,
aber du lebst und verstehst immer mehr. Vor
allem wirst du nicht langweilig. Das ist das Allerschlimmste: langweilig werden.“ Sie riskierte viel, packte ihre zwei kleinen Kinder
Paloma und Claude in ein Taxi und zog zurück
zu ihren wohlhabenden Eltern. Für ihren ehemaligen Liebhaber blieb sie immer geheimnisvoll und undurchschaubar: „Selbst Picasso
kannte mich trotz unserer zehn gemeinsamen
Jahre nie, denn ich habe mich verschlossen.
Die Malerin,
ehemalige Geliebte
Picassos und Frau,
die zum Malergenie
und seinem Verhalten Nein sagte:
Françoise Gilot in
ihrem New Yorker
Atelier
Viel
Schatten,
mehr Licht
Françoise Gilot war die einzige
Frau, die es wagte, Pablo Picasso
zu verlassen. Von dieser
Romanze erzählt ein neues
Buch: „Die Frau, die Nein sagte“
* Dieses Angebot gilt nur für die teilnehmenden Stores / POS und solange der Vorrat reicht.
TRENCHCOAT
UVP
159
99
EUR*
MÄNNER I
Ein Maß
Opulenz
Dolce & Gabbana steigen in den Markt
für geschneiderte Herrenmode ein. Für
die Konkurrenz ist das eine schlechte
Nachricht, stellte Philip Cassier bei der
Präsentation in Mailand fest
H
54
interher haben es wieder alle vorher gewusst. Die Kunden,
die Kritiker, die Bussiverteiler mit dem rhetorischen Rasiermesser in der Tasche. Auf
einmal sind Domenico Dolce und Stefano
Gabbana schon immer die Größten gewesen,
die Einzigen, die die recht stillen Mailänder
Männerschauen dieses Jahr noch hätten pushen können. Eine ganz klare Angelegenheit,
nach der Präsentation. Wobei es selbstverständlich schon vorher allen hier besser als
super gegangen war. Man ist sich das immer
schuldig am Mailänder Corso Venezia, unter
all den Renaissancemalereien an den kirchenhohen Decken; irgendwie muss man ja auf
Diskurshöhe kommen und bleiben.
Aber der Beweis dafür, dass hier heute etwas
Außergewöhnliches passiert, ist die Standing
Ovation, kaum dass das letzte Model über den
Laufsteg geschritten ist. Sie kommt so schnell
und spontan, dass es nur eine Interpretation
geben kann: Die Begeisterung nach der Einladung ist echt.
Smoking und Frack neu
interpretiert – nur zwei
Inspirationshilfen aus dem
Hause Dolce & Gabbana
Und sie haben ja recht, die Kritiker. Was Dolce
& Gabbana als „Alta Sartoria“, also maßgefertigte Feinschneiderei für den Mann, vorstellt,
das ist nicht nur ein weiterer Akzent in der
Herrenbekleidung. Es handelt sich ohne jeden Zweifel um eine Ansage in einer Branche
voller Widersprüche. Das Label hat wie die
Konkurrenz von Brioni oder Zegna registriert,
dass das wirtschaftliche Potenzial der Männermode sehr hoch ist. Speziell die kaufkräftige Klientel kümmert sich mehr und mehr um
ihr Aussehen. Gleichzeitig kann niemand mit
Sicherheit sagen, ob die Männer irgendwann
gewillt sein werden, Moden so schnell zu folgen wie Frauen.
Die meisten Designer behelfen sich damit, besonders hochwertige Teile ihrer Kollektionen
mit Attributen „nach Maß“ oder „handgemacht“ zu versehen. Man will so konservative
Herren überzeugen, ihr Geld nicht für etwas
auszugeben, das sie in fünf Monaten nicht
mehr anziehen können, weil sich der Trend
gedreht hat. Und doch blieb bisher das Gesetz
in Kraft, dass Konfektionäre kaum Glaubwürdigkeit als Maßschneider erlangen und sich
Maßschneider schwer mit Kollektionen tun.
Gerade in Mailand ließ sich das seit je beob-
achten: Hier, wo das Zentrum eine beispiellose Zahl an Boutiquen der größten Designer
versammelt, gehen die Männer mit dem alten
Geld immer noch wie einst Fiat-Chef Gianni
Agnelli zur Schneiderei A. Caraceni. Die Suche nach Diskretion treibt sie dorthin – das
Atelier ist im ersten Stock eines grauen Geschäftshauses untergebracht, beim Besuch
muss man klingeln. Die Stücke folgen absolut
den eigenen Bedürfnissen und korrigieren
körperliche Unzulänglichkeiten. Kleidung
von der Stange wird so etwas nie leisten können. Als sich A. Caraceni aber an einer Kollektion versuchte, gab er rasch wieder auf. Eine
individuelle Anatomie in den Griff zu bekommen, läuft anscheinend der Fähigkeit zuwider,
eine universale Formensprache zu finden.
Mitten in diese Gemengelage hinein lanciert
nun Dolce & Gabbana seine maßgeschneiderte Linie. Die Qualitätsversprechen kommuniziert das Haus laut: Von 50 Stunden Handarbeit, die allein in eine Jacke flössen, spricht
Domenico Dolce hinter seiner Brille mit dem
dicken schwarzen Rand. Und davon, dass 25
DOLCE & GABBANA (9), ANDREA PASSUELO (5)
50 Stunden Handarbeit fließen in ein
Jackett der maßgeschneiderten Linie
von Dolce & Gabbana. Bei der Präsentation konnte man unter anderem
einen Blick ins von Hand pikierte
Revers werfen. Und was die Muster
angeht, gibt es, abgesehen vom eigenen Budget, keine Grenzen
der am besten ausgebildeten Schneider am
Werk seien – in der zweiten Etage des Mailänder Stammhauses wohlgemerkt. Ein Blick in
die Werkstatt findet am Tag der Präsentation
nicht statt, man sei in diesen Dingen sehr an
der Privatsphäre interessiert, heißt es. Dolce
fügt allerdings hinzu, es handele sich bei dem
Projekt um eine „Herzensangelegenheit“.
Man darf es ihm glauben. Sein Unternehmen
hatte in den vergangenen Jahren einiges zu
bewältigen. Eine Steueraffäre belastete Kasse
und Image, und man stellte die Untermarke
D&G ein, die sich an ein jüngeres Publikum
richtete. Generell kämpfen mehr und mehr
Labels und Designer um Marktanteile. Solche
Herausforderungen wären in den Nullerjahren undenkbar gewesen: Damals zog das Haus
mit den sizilianisch geprägten Entwürfen
ganz selbstverständlich mit Madonna den
größten Popstar des Planeten an. Oder sorgte
dafür, dass der damals überaus erfolgreiche
AC Mailand auch abseits des Fußballplatzes
als coolster Klub der Welt galt. In jüngster Vergangenheit funktionierte die 2012 gegründete
Haute-Couture-Linie für Frauen sehr
gut: Handwerklich unterfütterte Opulenz ohne Rücksicht auf Kosten, das
kam an. Dieses Konzept übernimmt
Dolce & Gabbana nun auch für Herren.
Im ersten Stock am Corso Venezia stehen für Tages- und Abendgarderobe
zahlreiche unterschiedliche Anprobezimmer
bereit. Die schweren Teppiche, riesigen Spiegel und Edelhölzer lösen beim Gast ein mittelschweres Schwindelgefühl aus; eine Pracht,
gegen die Ateliers klassischer Maßschneider
wie Eckkneipen wirken.
Dazu passt, dass die zur Präsentation geladene
Kundschaft – sie stammt aus China, Russland,
den USA, Europa und der arabischen Welt –
über jene Art von Teint verfügt, die ein Dasein
irgendwo zwischen „first class“ und Learjet
voraussetzt. Siegelringe. Diamanten. Kaschmir. Krokoleder. Wetgel. Sonnenbrillen. Frauen machen heute geschätzte 35 Prozent der
Anwesenden aus – und sie bewegen sich auf
ihren 18-Zentimeter-Absätzen, als gehörten
die von Geburt an zum Bein.
Fröhlicher Austausch über die Wintersportmöglichkeiten von St. Moritz im Vergleich zu
Aspen, Colorado in nicht völlig akzentfreiem
Englisch. Aus den Lautsprechern informiert
vor der Show Mariah Carey mit der Botschaft:
„I can’t live, if living is without you.“ Ein prima
Motto für das, was hier abgehen wird. Man
lässt sich auf mit Blattgold überzogenen Stühlen nieder, die Asiaten verziehen von nun an
keine Miene mehr. Russen und Araber dagegen rutschen je aufgeregter hin und her, je
mehr die Jacketts an den hart gescheitelten
Models funkeln.
Es ist keine Kollektion, die hier gezeigt wird,
darauf muss Dolce & Gabbana Wert legen.
Vorgeführt werden lediglich die Möglichkeiten der Maßschneiderei: Einreiher, Zweireiher, Persianer, Smokings und Fräcke – sozusagen eine Inspiration für Herren um die 50
Millionen plus. Im Presse-Handout heißt es
dazu frohgemut: „Der Mann, der Alta Sartoria
trägt, hat einen bewusst freien Lebensstil, ultra-raffiniert und jenseits aller bekannten Wege. Er mag es, sich kontinuierlich neu zu erfinden, nicht nur in dem, wie er sich kleidet,
sondern auch in seinem Denken und Handeln.“ Dabei helfen am Körper offenkundig
nur Superlative: die dünnsten Fasern und die
leichtesten Stoffe, die intensivsten Farben, die
engsten Schnitte, die meisten Edelsteine auf
dem Stoff und die üppigsten handgestickten
Blumenmuster.
Beim Mittagessen nach der Schau im lichtdurchfluteten Innenhof des hauseigenen Restaurants wirkt Domenico Dolce in seinem gepunkteten Seidenhemd zur Glencheck-Hose
gelöst wie lange nicht mehr: „Das war ein
wichtiger Tag für uns“, sagt er, die Aufmerksamkeit stets zum Teil auf die Kundschaft gerichtet. Vor ihm steht ein Teller mit fangfrischem Thunfisch („Müssen Sie probieren“).
Viel konkreter wird er nicht, dafür erzählt er
Anekdote um Anekdote: Wie er sich in der
Mailänder Scala hinter der Bühne für die Entwürfe inspirieren ließ; dass er privat über ein
Badezimmer mit Fenster verfüge und es als
gutes Zeichen gedeutet habe, als dadurch am
Morgen die Sonne schien; dass er sich morgens am wenigsten leiden könne und dergleichen Geplauder mehr. Ein Mann, der unter
Druck steht, redet anders.
Abends ab halb elf, als Dolce & Gabbana in ihr
Haus zur Party laden, verflüchtigen sich die allerletzten Zweifel: Dolce trägt einen schwarzen Smoking, Gabbana einen weinroten, Kellner in Frack und Zylinder servieren Roséchampagner unter Kronleuchtern. Kurz darauf
stürmt eine Horde Tänzerinnen und Tänzer
mit wenig am Körper zu „Material Girl“ – Madonna, wer sonst? – den Saal, schon sehr bald
grooven alle mit.
Und da mag man nun denken, dass es sich hier
lediglich um einen Kleinen-Jungen-Traum
handele; um den naiven Glauben, irgendwo da
draußen existiere das Leben als ewige Party,
als nie endender Rausch ohne Kater, aber diese Inszenierung, die hat ja sonst niemand
drauf. Designer, Kritiker und Gäste liegen sich
in den Armen und werfen sich die Boas der
Tänzerinnen gegenseitig um den Hals, Song
für Song wird das Gelächter lauter – und am
Ende steht die Erkenntnis: An diesem Tag haben die Herren Dolce & Gabbana viele Bewunderer zurückgeholt oder neu hinzugewonnen. Nun brauchen sie nur noch Käufer.
55
MÄNNER II
Zukunft
made in Italy
Handwerk und Hightech:
Wie die italienische Herrenmarke
Pal Zileri neu durchstartet
Stütznähte nach tradiertem
System sorgen für Stabilität
während der Produktion
D
56
ie jungen Männer stehen
auf rotierenden Plattformen, Neonröhren in der
Hand und von abstrakten,
bewegten Lichtmustern
hinterleuchtet, die aussehen wie die Visualisierungen komplexer Algorithmen. An andere Wände werden Collagen projiziert aus Palladio-Villen (klassischer und
schöner geht es nicht) sowie Versatzstücken
des Schneiderns: mal hier eine Schere, mal
dort eine Hand an einem Saum.
Die Präsentation der Modemarke Pal Zileri
während der Herrenmodenschauen in Mailand findet in einem alten Industriebau etwas
außerhalb des Zentrums statt. Während sich
andere Kollegen an diesem Abend in Theatralik und Konzeptkunst versuchen, ist die Message hier vollkommen klar. Das Haus, 1980 gegründet, startet einen Neuanfang. Noch immer ist das Stammhaus in der Kleinstadt
Quinto Vicentino im Veneto, noch immer
wird die Ware in Italien produziert. Aber neben dem traditionellen Handwerk lautet die
Hauptkomponente nun: kompromisslose Gegenwart mit Blick nach vorn.
Einige Stunden davor stehen Paolo Roviera
und Mauro Ravizza Krieger zwischen frisch
angelieferten Snacks, Plastikcontainern für
die Getränke und zum Fitting angereisten Models. Und natürlich der neuen Kollektion, die
an Industriekleiderständern aufgehängt ist
und auf ihren Auftritt am Abend wartet. Roviera ist der neue CEO von Pal Zileri, Krieger
der Creative Director. Beide haben zuvor bei
großen italienischen Marken gearbeitet, kennen also die kreativen und geschäftlichen Seiten des Business. Und trotzdem wirken die
beiden, man kann es nicht anders sagen, wie
aufgeregte Schuljungen, deren Enthusiasmus
PAL ZILERI (5)
Präzise Zuschnitte für eine makellose Silhouette: Pal Zileri verfolgt den Ansatz, dass die
Stücke vielen Männern zugänglich sein sollen
und Offenheit ungewöhnlich
ist in dieser Branche. Wer in
der Mode etwas auf sich hält,
der macht sich rar, spricht nur
noch mit Journalisten, die ihm
gewogen und seit Jahren benieren Handwerk mit den inkannt sind. Oder gar nicht.
novativsten VerarbeitungsDass der Ton bei Pal Zileri ein
techniken. Naturfaser mit
wenig anders ist, mag zwei
Waterproofbeschichtungen
Gründe haben. Die Marke geund Klebenähten.“ Und Rahört seit einem Jahr zu May- Saubere Schulterlinie: Der geübte vizza ergänzt: „Die Kollegen,
hoola for Investments, einer Blick des Fachmanns ist für das
die seit vielen Jahren bei Pal
vom Königshaus von Katar kon- Label unersetzlich
Zileri sind, sagen, dass wir altrollierten Firma, die sich in
le Regeln gebrochen haben.
den vergangenen Jahren mit Druck und Ge- Ich aber glaube, dass wir einfach ein Update
schick im Luxusmarkt etabliert hat. Man kann gemacht haben.“ Wie er das meint, lässt sich
sich also gleichermaßen auf eine solide Finan- zum Beispiel an dem daunengefütterten Parzierung verlassen wie auf einen Zugang zum ka aus der Herbst/Winter-Kollektion erklären:
enorm wichtigen Markt im Nahen Osten. Das Schlanker Schnitt, technische Details, außen
schafft Selbstvertrauen. Der andere Grund: hochsolide Wolle mit einem Futter im PixelTraditionell ist Pal Zileri eine Marke, die an look. „Wir sprechen nicht den supermodiZugänglichkeit glaubt. Man könnte es eine de- schen Mann an, sondern den modebewussmokratische Grundhaltung nennen.
ten“, sagt Ravizza. Was wie eine linguistische
Im Jahre 1970, als weltweit Klassenschranken Spitzfindigkeit klingt, könnte der Schlüssel
und gesellschaftliche Normen infrage gestellt zum Erfolg sein. In einem Markt wie Deutschwurden, gründeten die beiden Textilhändler land sowieso.
Gianfranco Barizza und Arrone Miola die Fir- Ehrgeiz und Eigensinn der Marke, der Umsatz
ma Forall Confezione S.p.A., aus der Pal Zileri soll in den nächsten fünf Jahren verdoppelt
hervorging. Der Name war Programm: Den werden, lassen sich an ihrer aktuellen ImageGlauben an die Kraft des italienischen Schnei- broschüre ablesen. Neben ikonischen Archiderhandwerks – traditionell geprägt von der tekturfotos – immerhin kommt man aus dem
Liebe zum Material und zur makellosen Sil- Veneto, der Heimat Palladios – sieht man
houette – verband er mit der Überzeugung, Garnrollen, halb fertige Jacken, Schnittmusdass sehr gute Kleidung für jeden („for all“) ter. Das ist natürlich Qualitätsversprechen in
verständlich und erschwinglich sein sollte. dem verführerischen Gewand der BescheiFür eine Marke mit internationaler Strahlkraft denheit: Keine Traumwelt mit unerreichbar
– vertreten in 500 Läden weltweit – ist Pal Zi- jungen, schönen und schlanken Gestalten
leri bis heute bezahlbar geblieben.
wird hier inszeniert. Sondern die Poesie des
„Unser Konzept für Pal Zileri nennen wir Praktischen. Das Versprechen, dass ein guter
Avantcraft“, sagt Roviera: „Savoir-faire ist eine Look, auch und vor allem bei Männern, von
Adriano Sack
der großen Stärken dieser Firma. Wir kombi- innen kommt.
HURRA
WAS TUN, WENN PARTOUT KEINE BLUMEN WACHSEN? AM
BESTEN ZIEHT MAN SIE SICH AN. UND BRINGT SO DEN GEIST DER
70ER-JAHRE IN DIE TEXANISCHE LANDSCHAFT UM MARFA. UND
MIT DIESEN KLEIDERN BLÜHEN SIE NICHT NUR DORT AUF
F OTO G R A F I N : C L A U D I A G R A S S L ; S T Y L I N G : J U L I A F R E I TAG ; M O D E L : A D R I A N H I L L I A R D C / O K I M DAW S O N AG E N C Y; H A A R E /
M A K E - U P : S H A N E M O N D E N C / O WA L L F LO W E R M A N AG E M E N T; P R O D U K T I O N : G I S E L A B O R G H I ; F OTOA S S I S T E N T: DA N I E L S I M P S O N
& D O M I N I C J O N E S ; S T Y L I N G A S S I S T E N Z : DA N I E L A SC H M I T Z & M A R C S P ECOW I U S ; LO C AT I O N : M A R FA / P R E S I D I O, T E X A S
HIPPIE
Adrian vor dem
„Thunderbird Hotel“
in Marfa: Shorts,
Blumenkitteltop:
Viktor & Rolf. Brille,
Schuhe: Dior. Arm-
cuff: Chanel.
Strumpfhose: Kunert
59
Top, Rock und Schuhe: Dior.
Blumencollier: Ek Thongprasert
Countryside: Kleid mit Stehkragen: Prada.
Ohrhänger: Hervé Van der Straeten. Sandalen: Bally.
Alle Strumpfhosen auf dieser Seite: Kunert
Donald Judd Skulpturen,
ausgestellt von der Chinati Foundation
61
Highway Palmtree: Hosenanzug mit
angesetztem Volantrock: Céline. Sandalen: Bally
62
„Old Stardust Hotel“: Cape: Chanel. Jeans: Victoria Beckham Denim über mytheresa.com.
Leinenhemd: Aquilano & Rimondi. Jeanstasche, Brosche: Chanel. Ringe: Vintage
63
Langarmtop, Rock, Stiefel und Fischerhut:
Max Mara. Perlenkette: Vintage
Artist House: Minikleid von Fendi.
Nappalederhose: Sly 110. Neoprenrucksack: Hunter.
Kette: Ek Thongprasert
65
Retro-Parkplatz: Weißes Shirt zum Tellerrock aus Tüll, Gürtel:
Michael Kors. Tasche: Prada. Kette: Ek Thongprasert
67
Fast schwebend schlafen:
Glasbett vom ArchitekturStudio Santambrogio Milano
DESIGN
T R A N S
PA R E NZ
„Ivy“ lässt Licht und Regen „passieren“: Outdoor-Sessel von Emu
Glasglocke meets
Nieten: Vitrine
„Ghost Shell“
aus der neuen
Kollektion von
Diesel und Seletti
Soundkiste, die überall
hinpasst: Lautsprecher des
schwedischen DesignStudios People People
Leichtgewicht:
„AA“-Sessel
von Airborne
Glasklar: Coffeetable „Kirk
Cross“ von Rodolfo Dordoni
für Minotti
Durchblick
Klare Sicht voraus – der Trend zu transparenten
Möbeln ist nur scheinbar schnell durchschaut …
Esther Strerath behält den Überblick
Das ist Plastik:
Schale aus der
Tisch-Kollektion von Patricia
Urquiola für
Kartell
Will sehen! Sideboard von Case
Furniture für alle möglichen Schätze
68
W
as ist der Zweck eines Schrankes,
der zeigt, was er verbergen sollte,
der schützt, aber gleichzeitig enthüllt? Diese Frage stellt die deutsche Designerin Meike Harde anhand ihres „Hybrid Cabinets“,
dessen Funktion zugleich Aufbewahrungsobjekt und Vitrine ist.
„Transparenz“ wird allerorts gefordert (die EU führt seit
2011 ein Transparenz-Register, das Aufschluss über Lobbyarbeit gibt) – und Designer machen aus diesem Zeitgeist Möbel; klare, durchsichtige, aus Glas, Plexiglas,
Kunststoff oder fein gewebtem, somit semi-transparentem Draht. Mit Transparenz geht Leichtigkeit einher.
Der klassische Sessel „AA“ von „Airborne“ (1951) beispielsweise wird im Garten dank seines durchsichtigen
Bezugs zum Objekt, das den Blick in das Grün überhaupt
nicht stört. Für einen der Erfinder der Durchsichtigkeit,
Philippe Starck (sein Stuhl „Ghost“ von 1997 ist der Bestseller von Kartell), ist Transparenz eine „visuelle Metapher für Dematerialisierung“ (Interni Magazin). Das italienische Architekten-Duo Carlo Santambrogio und Ennio Arosio hat sogar ein ganzes Haus aus Glas gebaut, mit
ausschließlich gläsernem Interieur – Badewanne, Bett,
Couch und Herd, alles ist gläsern wie in einem modernen
Märchen. „Einfachheit ist“, so die Architekten, „wenn im
Akt des Schaffens eines Wohnhauses die Materie transparent wird, zu einem Medium für ästhetische Werte, zu
Bühne und Theater der Repräsentation.“ Kurz und klar:
Transparenz ist ein Hingucker!
Freie Sicht aufs Bankgeschehen: „Diapositive“ nannten die Brüder Bouroullec
ihre Möbelserie für Glas Italia
Cooler Kochen:
Der Glastopf
von Massimo
Castagna für
Knindustrie
steht auch im
MoMa
Ein bisschen
zeigt es, ein
bisschen verdeckt es, das
„Hybrid Cabinet“
von Meike Harde
e-motion “pure Black”
Die dynamische Silhouette von e-motion „pure Black“ weckt Begehrlichkeiten.
Besondere Faszination übt der maskuline Aluminiumschaft aus,
der mit einer Guillochierung versehen ist: Seine angenehm kühle Haptik
begeistert jeden technikaffinen Liebhaber der Schreibkultur.
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Zwei Männer, eine
Leidenschaft für
Design: Prinz Carl
Philip von Schweden
und sein Designpartner
Oscar Kylberg
Schwedisches Wasserspiel
Beste Freunde, die sich an der Uni kennenlernten und zusammen die
Designagentur Bernadotte & Kylberg gründeten: Prinz Carl Philip von
Schweden und Oscar Kylberg haben nun den Geist von Stockholm in
Vasen und Schalen von Stelton gegossen. Inge Ahrens traf sie vor Ort
TUE SCHIØRRING (3)
D
ie skandinavischen Königshäuser haben einen
Hang zum Kreativen:
Der 2002 verstorbene
Sigvart Bernadotte von
Schweden war als Leiter
der dänischen Silbermanufaktur Georg Jensen
ein international anerkannter Produktdesigner. Sein Kaffeeservice steht im New Yorker
Museum of Modern Art. Und Königin Margrethe II. von Dänemark ist für ihre Decoupagen berühmt, hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und Bühnenbilder geschaffen. Auch
Prinz Carl Philip von Schweden hat diesen
Weg gewählt. Er studierte unter anderem Grafikdesign an der Rhode Island Design School
und der Stockholmer Forsberg Skola. Dort
lernte er seinen heutigen Partner Oscar Kylberg kennen, mit dem er das Label Bernadotte
& Kylberg gründete. Auch Kylberg stammt aus
einer künstlerischen Familie: Carl Kylberg,
ein Vorfahre aus dem 19. Jahrhundert, schaffte
es mit seinem Gemälde „Homecoming“ auf eine schwedische Briefmarke und ins Nationalmuseum der Landeshauptstadt.
Seit 2012 entwerfen die beiden Designer gemeinsam Mode, Textilien und Porzellan. Ihr
neuester Wurf ist die Stockholm-Kollektion
„Aquatic“, die vor Kurzem auf der Messe „Ambiente“ in Frankfurt präsentiert wurde. Für
das dänische Traditionsunternehmen Stelton
gestalteten sie vier Schalen und drei Vasen unterschiedlicher Größe aus Edelstahl und ließen sich dafür vom allgegenwärtigen Wasser
ihrer Lebensstadt inspirieren: Stockholm
schwimmt schließlich auf 14 Inseln im Mälarsee und in der Ostsee. Tintenblaue Seen ließen die Designer dann auch im cremeweiß
emaillierten Edelstahl sich spiegeln.
Zum Interview in Stockholm zeigen sich Carl
Philip Bernadotte und Oscar Kylberg als gut
gelauntes und eingespieltes Team, das nicht
nur die gemeinsame Arbeit, sondern auch die
Liebe zu ihrer Heimatstadt verbindet.
Heute morgen habe ich meinen Kaffee aus kobaltblauen Tassen von Villeroy & Boch getrunken. Welches Geschirr steht bei Ihnen zu Hause
auf dem Frühstückstisch?
Carl Philip von Schweden: Oh je, ich bin gar
kein Frühstücksmensch! Wir haben sowohl
Porzellan von Gustavsberg als auch von Villeroy & Boch im Schrank.
Oscar Kylberg: Bei uns gibt es von Ikea bis
Royal Copenhagen alles. Wie das so ist in einem Familienhaushalt.
Schwedisches Design ist seit je in Material und
Form stark beeinflusst von der Natur. Was hat
Sie beide bei der Gestaltung der Vasen und
Schalen für das dänische Unternehmen Stelton
bewegt?
Carl Philip: Wasser, immer wieder Wasser.
Schließlich liegt Stockholm auf einer Insel.
Das haben wir versucht einzufangen.
Kylberg: Wir entschlossen uns, kein Einzelstück, sondern eine Linie zu entwickeln. Wie
Sie sehen, gehört alles zusammen: die Schalen, die Vasen. Die Form fasst alles zu einem
Ganzen, wie eine Familie.
70
Ihre Kollektion heißt „Aquatic“. Was stand zuerst fest: der Titel oder die Serie?
Oscar Kylberg: Da wir leidenschaftliche Stock-
holmer sind, war die Idee mit dem Wasser sofort da.
Carl Philip: Sie hätten uns mal sehen sollen,
wie wir in unserem Atelier mit allen Blautönen aquarelliert haben.
Sie haben mit blauer Tinte Ihre Designstücke
selbst bemalt?
Carl Philip: Wir haben auf Papier aquarelliert,
beide zusammen auf einem Bogen. Alles war
sehr spielerisch. Ein wenig so, als würde man
wieder zur Schule gehen. Eine schöne Arbeit,
die dann von Stelton umgesetzt wurde. In
Handarbeit. Stück für Stück. Es ist schon etwas Besonderes, dort in einer Reihe mit Gestaltern wir Arne Jacobsen zu stehen.
Vasen sind traditionell aus Porzellan oder
Glas. Was hat Sie dazu bewogen, Aluminium
als Rohstoff zu verwenden?
Kylberg: Stelton arbeitet sehr viel mit Edelstahl und Holz in zylindrischen Formen. Wir
wollten das Organische dazutun. Weiche Formen, kühl und glänzend einerseits und – je
nach Exponat – innen oder außen Stück für
Stück handgearbeitetes, hauchdünnes creme-
zess, von der Sinnfrage bis hin zur Form. Die
wird dann hoffentlich auch schön.
auch über unsere Arbeit. Ich finde, sie ist
wirklich eine gute Künstlerin.
Sie studierten beide an der Stockholmer Forsberg Skola Grafikdesign. Wie hat diese Ausbildung Sie beeinflusst?
Carl Philip: Während des Studiums haben sie
uns gepusht, mit unseren Ideen auch mal aus
dem Rahmen zu fallen.
Kylberg: Wir konnten unsere Fantasien ausleben. Das hat uns sicher geformt.
Wo und wann haben Sie sich kennengelernt
und vor allem: Wie kamen Sie darauf, 2012 ein
gemeinsames Label zu gründen?
Kylberg: Ein Freund brachte uns zusammen.
Wir kannten uns schon vorher flüchtig. Wir
waren sofort auf einer Wellenlänge und hatten uns viel zu erzählen. Schnell entstand der
Wunsch, irgendwann etwas Gemeinsames zu
machen. Das hat dann aber doch noch zehn
Jahre gedauert. Wir verstehen uns ohne Worte. Wir sehen etwas und denken das Gleiche.
Fast wie Zwillinge.
Carl Gustav III. , einer Ihrer Vorfahren aus
dem 18 Jahrhundert , war ein großer Förderer
der Künste. Der gustavianische Stil, ein kühler
Klassizismus in einer Mischung aus Licht und
Anmut, ist legendär. Können Sie beide beschreiben, was Ihren gemeinsamen Stil unverwechselbar macht?
Carl Philip: Oscar und ich machen Dinge, die
wir lieben. Ob sie gefallen und ob sie Bestand
haben, das weiß man erst später. Es ist einfacher, zurückzuschauen und zu werten. Wer
weiß schon, was die Zukunft bringt? Denken
Sie an Andy Warhol, der in den 50er-Jahren
als Werbegrafiker startete.
„Wenn es ornamental wird,
schrillen bei uns die Alarmglocken“
OSCAR KYLBERG, Designer
weißes Emaille mit einem tiefblauen See, der
schimmert wie wirkliches Wasser.
Carl Philip: Eigentlich kommen wir damit zurück auf die Klassiker der 50er-Jahre, als
emaillierter Edelstahl in Skandinavien bereits
en vogue war.
Haben Sie eine Vorliebe für bestimmte Blumen,
und welche würden Ihrer Meinung nach am
besten in Ihren Vasen aussehen?
Carl Philip: Das sind doch persönliche Vorlieben. Müssen es denn Blumen sein? Es kann
doch auch eine Pflanze sein oder junges
Schilf von den Ufern des Schärengartens.
Kylberg: Also für mich ist das eher ein Designstück. Es sei denn natürlich, meine Frau sieht
das anders.
Worum geht es Ihnen bei der Gestaltung? Muss
das Objekt in jedem Fall nützlich sein, oder
darf es auch einfach nur schön sein?
Carl Philip: Wenn etwas nützlich ist, muss es
ja nicht gleich hässlich sein. Außerdem wird
nicht selten das Benutzte mit der Zeit noch
schöner. Denken Sie nur an ein altes Ledermöbel.
Kylberg: ... oder an ein altes Fahrrad. Es bekommt Persönlichkeit.
Ist es ein Luxus, sich mit Schönheit beschäftigen
zu können?
Carl Philip: Schönheit ist das, was man sieht.
Das kann manchmal auch einfach ein Detail
sein. Schönheit ist überall.
Kylberg: Für mich ist Schönheit auch Timing.
Den richtigen Moment erkennen, im richtigen Licht. Wir durchlaufen einen Designpro-
Oscar Kylberg, Sie stammen aus einer Künstlerfamilie. Das Gemälde „Homecoming“ von
Carl Kylberg ziert sogar eine schwedische
Briefmarke. Hat Sie das geprägt?
Kylberg: Auch auf dem Gemälde „Homecoming“ spielt das Wasser eine große Rolle. Es
ist ein Seestück und hängt heute im Nationalmuseum in Stockholm, Schwedens größtem
Kunstmuseum. Eigentlich malt meine ganze
Familie, wenn auch heute eher nebenberuflich. Das liegt also im Blut. Ich habe schon
während des Unterrichts lieber meinen Lehrer gezeichnet als seinen Ausführungen zu
folgen. Ich male auch Porträts. Aber den Prinzen habe ich noch nicht verewigt.
Carl Philip, Ihr Großonkel Sigvart Bernadotte
war ein anerkannter Gestalter. Sein Kaffeeservice steht sogar im New Yorker Museum of Modern Art. Als er starb, waren Sie 23 Jahre alt.
Wie nah waren Sie ihm und seiner Arbeit? Gab
Ihr Onkel Ihnen etwas mit auf den Weg?
Carl Philip: Als ich ein sehr junger Mann war,
wusste ich zwar von der Bedeutung Sigvarts
als Gestalter. Aber mein eigenes Interesse an
Design entwickelte sich erst einige Jahre später. Ich entschied mich, Grafikdesign zu studieren. Wir hatten also keine Chance, uns darüber auszutauschen. Jetzt gibt es dieses tolle
gestalterische Vermächtnis. Ich wünschte, ich
könnte heute mit ihm sprechen.
Tauschen Sie sich auch mit Ihrer Patentante,
Königin Margrethe II. von Dänemark über Ihre Designarbeit aus?
Carl Philip: Ehrlich gesagt, sehen wir uns
nicht so häufig, aber wenn, dann sprechen wir
Carl Philip, Sie haben für „Gense“, das bald 160
Jahre alte schwedische Unternehmen und seit
Langem Hoflieferant, ein Silberbesteck entworfen. Knüpfen Sie da an die Tradition Ihres
Großonkels an?
Carl Philip: Ich kann das nicht beurteilen,
aber tatsächlich sagen manche, mein Silberbesteck „CPB 2091“ sei dem von Sigvart nicht
allzu fern. Die Verbindung zur Arbeit meines
Großonkels könne man sehen. Wir sind beide
auf unsere Art modern und schnörkellos.
Kylberg: Wenn es ornamental wird, schrillen
bei uns die Alarmglocken.
Sie haben bereits Daunenjacken entworfen
und für das Kaufhaus Åhléns Textilien für das
Interiordesign. „Svenska Djur“ heißen Ihre
Servierplatten mit Hasen und Maulwürfen,
die Sie für die 190 Jahre alte Porzellanmanufaktur Gustavsberg entwickelten. Wie wichtig
ist Humor für die Gestaltung?
Carl Philip: Humor ist immer dabei. Wir haben einfach Spaß bei der Arbeit.
Kylberg: Lachen gehört dazu, auch wenn wir
seriöse Dinge tun. Vor allem während des frühen Designprozesses mit der Hand auf dem
Papier können wir unserem Spieltrieb freien
Lauf lassen.
Wenn Sie jetzt mit der Stockholm Collection
„Aquatic“ für Stelton auf den internationalen
Markt gehen, ist Ihnen schon wegen Ihrer Persönlichkeit Aufmerksamkeit gewiss. Aber ist es
damit auch leichter, dass Ihr kreatives Können
als solches anerkannt wird?
Carl Philip: Im Gegenteil: Es ist sehr viel mühevoller. Wir müssen immer besser sein als
andere. Glauben Sie mir, wir arbeiten umso
härter. Das war auch der Grund, warum ich in
Rhode Island in den USA unter Pseudonym
Design studierte. Ich wollte mir keine Vorteile
verschaffen. Ich habe dort an einem DesignWettbewerb teilgenommen und bekam eine
Auszeichnung für die Entwicklung eines Logos, das den Leuchtturm von Martha’s Vineyard zeigt. Das fühlte sich richtig gut an!
Sie haben als Erkennungszeichen für Ihr Label
die Buchstaben B+K Rücken an Rücken gestellt.
Es erinnert mich an den Schriftzug von ABBA,
die ja auch ihre zwei B gegeneinanderstellten.
Ist das vielleicht ein geheimes schwedisches Erfolgsrezept?
Carl Philip und Kylberg abwechselnd: Oh, das
ist lustig. Das ist uns noch gar nicht aufgefallen. Ob wir uns allerdings an ABBA orientierten? Rücken an Rücken, das ist auf jeden Fall
Absicht. Wir sind in unserer Arbeit ja fast wie
untrennbare Zwillinge.
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Blumenkinder 2015
Was lässt eine Frau noch mehr
strahlen als Diamanten? Eine
ebenmäßige, gesunde, glatte
Haut. Sie ist meistens auch um
einiges erschwinglicher. Kleine
Helferlein auf dem Weg dahin
sind etwa die Kosmetikprodukte
von Retrouvé, der Nischenmarke von Jami Morse-Heidegger,
die zur Gründerfamilie von
Kiehl’s gehört, mit ihrem Mann
das Kultlabel aufbaute und
später verkaufte. Daraufhin
begann sie, ihre eigenen Tinkturen zu mixen, mit dem Resultat,
dass sie seit 2013 vier wunderbare (reichhaltige) Pflegeprodukte anbietet. Auch empfehlenswert sind die „RenewSkin“-Pads von Bakel. Das
Säure-Pad entfernt abgestorbene Hautzellen, mit Pad zwei
(basisch) gleicht man den pHWert der Haut wieder aus und
verkleinert die Poren. Best
friends, oder?
Ein Motor pro Blüte. Und es waren Hunderte, die Karl Lagerfeld zur Inszenierung seiner HauteCouture-Kollektion vor ein paar Wochen im Pariser Grand Palais installieren ließ, damit sich die
Papierblumen vor dem staunenden Publikum einzeln öffneten. Die Models hatten entsprechend
(siehe oben) die Kunsthaare schön. Wir haben uns derweil mal im Kosmetik-Garten umgesehen
Der April macht? Was er will. Daher
passt Burberrys „Rain or Shine“Rouge ganz wunderbar zu diesem
Monat und zaubert erst Sonne ins
Gesicht, und dann Frische. Achtung:
gibt’s nur über burberry.com
74
HOCHKARÄTER
Weise: Ein chinesisches Sprichwort besagt, dass das Leben an
dem Tag beginnt, an dem man
einen Garten anlegt. JeanClaude Ellena hat für Hermès
bereits den fünften Garten
kreiert. Einen chinesischen.
„Le Jardin de Monsieur Li“
Parfüm im Blut: Als Enkelin von Estée
Lauder hat man bestimmt das BeautyGen. Aber nur kopieren mag Aerin Lauder nicht. Ab April sind erstmals ihre fünf
Eaux de Parfums, wie „Gardenia Rattan“,
in Deutschland zu kaufen (bei Breuninger,
im KaDeWe oder über esteelauder.de)
Grüne Insel: Mitten in Manhattan liegt die grüne Lunge der
New Yorker. Den Ur-Capreser
und Inhaber der Parfüm-Manufaktur Carthusia, Silvio Ruocco,
inspirierte das Grün und die
Frische zu „The Essence of Central Park“. Ein Teil des Erlöses
geht an die Central Park Conservancy-Organisation. Bellissima!
Geschäftsführerin der
„Kurfürsten Parfümerie“
in Mannheim
Für Parfümerie-Inhaber gibt es
eine Menge Juwelen. Allerdings
kommen sie in der Haut, nicht
darauf zur Geltung. Und einen
Tresor brauchen wir dafür glücklicherweise nicht. Obwohl bei
einigen Preisen ... Aber was gut
ist, hat einfach seinen Preis, wie
etwa die „Skin Caviar Luxe
Sleeping“-Maske von La Prairie.
Die Extrakte aus Kaviar sollen
über Nacht die Feuchtigkeitsreserven auffüllen und das
Hautbild festigen. Ein Pinsel
zum professionellen Auftragen
wird mitgeliefert. Doch auch
Schmuckhäuser wie Van Cleef
& Arpels machen in „FlüssigSchmuck“. Die „Collection
Extraordinaire“ umfasst mittlerweile sechs Düfte. Mein
Liebling ist das sinnlich-orientalische Precious Oud.
Markus Bingger
PRIVAT
Im Namen der Rose:
Die „Le Nobili“-Serie
von Acqua di Parma
hat (Blumen-)Zuwachs bekommen.
Der vierte Duft
„Acqua Nobili Rosa“
ist der Rose gewidmet. Der Hauch von
Sommer ist ab April
im Handel
Elke Popp
Inhaber der Parfümerie
Bingger in Oberstaufen
Wir woll’n den Glow
Welch Glanz in der Hütte
Den ersten Test hat das neueste Kosmetikprodukt
von Giorgio Armani bestanden. Und zwar in Paris,
als die Models im Januar in den großen HauteCouture-Roben des Maestros über den Laufsteg
liefen. Ihre Gesichter? Makellos. Wahrscheinlich
ohnehin. Aber Armanis Make-up-Direktorin
Linda Cantello hatte zudem die „Crema Nuda“
schon mal eingesetzt. Sie ist ein Kosmetik-Multi,
funktioniert allein (da Feuchtigkeitsspender) oder
auch als Make-up-Ersatz, denn Hybrid-Pigmente
sollen den Teint strahlen lassen. Für alle, die ungeschminkt, aber nicht zu natürlich aussehen
möchten. Gibt’s ab April.
Sie wollen mal so richtig glänzen? Nicht falsch
verstehen, denn nicht Ihre T-Zone (Stirn, Nase
Kinn) soll es, sondern Ihr Teint. Das könnte die
„True Radiance“-Formel von Clarins erreichen. In
der leichten Foundation (gibt leider kein schöneres
deutsches Wort) sind lichtreflektierende Pigmente
eingebaut, die die Haut strahlen lassen sollen.
Praktischerweise wurde auch ein Sonnenschutzfaktor 15 integriert, damit die UV-Strahlung den
hellen Zauberteint nicht wieder ruiniert. Tipp:
Schnell und gleichmäßig eine kleine Menge mit
den Fingerspitzen auftragen und von der Gesichtsmitte nach außen verteilen.
Ein Hauch von Farbe
Und jetzt einmal ganz tief einatmen. Nein, nicht
Sie sind gemeint, sondern Ihre Haut. Viel zu lange
steckte sie doch in der Vergangenheit unter dicken
Make-up-Schichten fest. Aber die Zeiten sind
glücklicherweise vorüber, und die Kosmetikmarken
produzieren mittlerweile ultraleichte Texturen. So
auch Dior. „Nude Air Sérum de Teint“ wird mit
einer Pipette aufgesogen, und wenige Tropfen des
Fluids reichen für ein Gesicht aus. Am besten mit
einem Pinsel hauchdünn verteilen. Deckt auch –
ohne nach Schminke auszusehen und ist auch
noch schön für die Haut.
Stiftchen
P S SS t !
Die amerikanischen Teenie- und ModelSchwestern Ally und Taylor Frankel, hatten
keine Lust (und es auch noch nicht nötig)
sich morgens ewig vor dem Spiegel fertig zu
machen. Viel lieber wollten sie ihre natürliche
Schönheit betonen, Unebenheiten korrigieren. Aber auf eine praktische Weise.
Drum gründeten sie im vergangenen Herbst
„Nudestix“ und stecken jedes ihrer Produkte,
wie etwa den „Moisture Pencil“ (soll an rauen,
geröteten Stellen etwa um die Nase herum
Linderung schaffen), in Stiftform. Passt noch
in jedes Etui. Über beautylish.com
S
Luftikus
ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER; GETTY IMAGES (2)
Erinnern Sie die orangefarbenen Markenbefeuchter, die in jeder Postfiliale standen, als es noch keine
selbstklebenden Briefmarken gab? So ähnlich sieht
das neueste Make-up-Familienmitglied „Miracle
Cushion“ (also Wunderkissen) von Lancôme aus.
Nur verbirgt sich unter dem Schwammkissen nicht
Wasser, sondern Farbe. Erst auf leichten Druck (des
Fingers oder des mitgelieferten Applikators) reagiert das Kissen und gibt dann eine kleine Menge
des getönten Fluids (in sechs Farben) frei. Macht
Spaß, deckt ab und kann sogar nachgefüllt werden.
Es wurde übrigens zunächst nur für den koreanischen Markt erfunden.
Die Ne
ulinge
Streichelei
Bislang war die Londoner Kosmetikmarke Rodial bekannt für Pflegeprodukte mit vielversprechenden
Inhaltsstoffen wie Bienengift (soll Falten schneller
glätten) oder „Drachenblut“ (Feuchtigkeitsspender).
Doch nun wird es äußerlich. Inhaberin Maria Hatzistefanis hat drei Jahre lang an einer eigenen Make-Up
Linie gewerkelt. Neben Puder, Primer, Mascara & Co.
hat sie auch die jeweils passenden Pinsel dazu entwickelt. Die „Foundation brush“ ist absichtlich aus
Kunsthaar, damit die Flüssig-Foundation nicht aufgesogen wird, ein runder Pinselkopf soll für einen
ebenmäßigen Auftrag sorgen. Tipp: Waschen Sie ihn
regelmäßig mit einem milden Shampoo aus. Föhnen ist
nicht nötig. Gibt’s über niche-beauty.de
Ei, ei, ei
Falls Sie noch etwas kalorienfreies für das Osternest
suchen: Wie wäre es mit einem „Beautyblender“?
Dem kleinen latexfreien, mehrfach verwendbaren
Schwamm in Eiform, mit dem sich jegliche Art von
Concealer oder Make-up leicht und streifenlos
auftupfen lässt. Feuchten Sie ihn mit Wasser an (er
entspricht etwa der abgebildeten Größe), stupsen
sie ihn kurz auf ein Handtuch, tunken ihn vorsichtig
in die Farbe, und los geht’s mit dem Verteilen! Die
Farben haben übrigens eine Bedeutung: Schwarz ist
für Profis (dafür wurde der Blender übrigens in
Hollywood entwickelt), Weiß für ganz Sensible und
Pink für alle anderen. Gibt’s über Douglas.
Eine für alle
Keinen Platz mehr im Schminktäschen? Ruckeln,
quetschen, abwägen, ob Make-Up, Concealer,
Puder & Co. auch alle hineinpassen? Bobbi Brown
schafft nun Abhilfe mit der „Face Touch-Up“Palette, in dem alle notwendigen Helferlein in einer
nur Handflächen kleinen (!) Schatulle Platz finden.
Aus den beliebtesten Make-up-Kombinationen
ihrer Kundinnen hat die Amerikanerin nun 15 dieser
Paletten entwickelt. Damit sollen Augenringe in
zwei Schritten überdeckt, soll der Teint mit der Skin
Foundation überall getüncht werden und zum
Schluss das Kompaktpuder ein Absetzen in den
Fältchen verhindern. Und was zeigt uns das? Dass
wir eben doch alles haben können.
75
MARKENGESCHICHTE
Der Duft von
Diamanten
Sie ist ein Juwel unter Juwelen. Cartier gönnt sich mit Mathilde Laurent
A
uch heute, vier Jahre danach, entsinne ich mich
genau an mein Gefühl und
die Gesichter der Kolleginnen, als wir in den Ballsaal
geführt wurden, in dem
uns der neue Cartier-Duft
präsentiert wurde. Ungläubig, völlig betört, schritten
wir durch einen Parcours voller Lilien, Hunderte, jede einzelne aus Papier und von Hand
gefertigt, vervielfacht von riesigen Wandspiegeln, reflektiert von den Kristallen eines
überdimensionalen Lüsters; hinten im Raum,
winzig, ob der Dimensionen, ein Pianist am
Flügel. Ebenso funkelnd schilderte die Parfümeurin ihre Komposition „Baiser Volé“. Ein
Meer aus wogenden Lilien, abgefüllt in feine
Kristallfläschchen, so echt und natürlich, dabei elegant und frisch – ganz ohne narkotische Migräne-Note und: ohne einen einzigen
Tropfen Lilie. Denn es existiert keine Essenz
aus Lilie, kein ätherisches Öl der Blüte. „Es ist
ein olfaktorisches Hologramm der Lilie. Und
es ist ein Parfüm für Frauen, die Blumen mögen, aber keine blumigen Parfüms.“ Die hohe
Schule des Parfümhandwerks. Und ich verstand, warum Mathilde Laurent als Ausnahmeerscheinung gilt. Ein Juwel – so einfallslos
die Wortwahl, so zutreffend –, das sich als einziger Juwelier nur Cartier leistet: Mathilde ist
die exklusive Nase des Hauses, In-house-Perfumer genannt. „Ich verstehe nicht, warum
wir die Einzigen sind. Du hast eine ganz andere Passion und Motivation, wenn du zum
Haus gehörst. Die Geschichte, die anderen
Kreateure, alles macht dich stolz und inspiriert dich.“
Dabei verfügt Cartier, gegründet 1847, über eine vergleichsweise kurze Historie, wenn es
um Düfte geht. Zwar hatte Louis Cartier
schon 1930 (er übernahm das berühmte Haus
1898 von seinem Großvater) beschlossen, exquisite Parfüms komponieren zu lassen.
Schließlich fertigte man seit 1870 bereits aufwendige Flakons, kostbare
Unikate aus wertvollen Schmucksteinen wie Jade und Bergkristall. Doch erst 1938
gründete er tatsäch-
76
lich die Marke „Parfums Cartier“. Maßgeblicher Auslöser war Jeanne Toussaint, Designerin des Hauses, Freundin von Coco Chanel
und „Ma Panthère“ genannt. Eine Muse der
Pariser Kunst- und Kulturszene, der nachgesagt wurde Diamanten zu parfümieren. Der
Krieg machte Cartiers Parfüm-Projekt jedoch
zunichte, der Initiator starb 1942.
Erst mit der Kollektion „Les Must de Cartier“
gab es 1973 ein neues Produktkonzept im Haus
– Armbanduhren, Lederwaren, Kugelschreiber und Parfüms zählen dazu. Acht Jahre später die Premiere von „Santos de Cartier“, eine
Hommage an den brasilianischen Flieger und
Freund Alberto Santos-Dumont, dem Cartier
1904 den Prototyp seiner „Santos“-Uhr gewidmet hatte. Darauf folgte „Must de Cartier“. Mit
dem grün-orientalischen Duftakkord, kalt
und warm zugleich, eine nie dagewesene
Kombination. Und wie es sich für exzeptionelle Werke gehört: Die Meinungen sind sehr geteilt. Für manche ist der Duft kaum zu ertragen, andere können sich vor Wonne kaum halten. Fakt ist: „Must de Cartier“ wird zur Duftlegende, Originale sind Vintage-Jägern ein
Vermögen wert. Und so geht es weiter: 1986
mit dem blumig-orientalischen „Panthère“,
1992 folgt „Pasha“, 1998 „Déclaration“. Er begründet die frisch-würzige Duftfamilie und
wird zum meistkopierten Duft seit „Cool WaIm Inneren des
schlichten Flakons
wogt ein LilienMeer: „Baiser Volé“
von Cartier
ter“. 2001 folgt „Eau de Cartier“, feminin und
maskulin zugleich.
Bis 2005 erneut eine Ära beginnt: Parallel zur
Wiedereröffnung der historischen Adresse
von 1899 in der Pariser rue de la Paix No.13
werden zum ersten Mal Werkstatt, Archiv, und
Boutique vereint. Und Mathilde Laurent wird
mit 35 Jahren Hausparfümeurin, komponiert
im ersten „Salon des Parfums“ zunächst maßgeschneiderte Düfte für hochkarätige Kunden. Nach und nach fügt die Künstlerin dem
Portfolio ihre Werke hinzu: „Delices“, „Roadster“, „Cartier de Lune“, die vielfach ausgezeichnete Kollektion „Les Heures“ und „Baiser
Volé“. Dann wagt sie sich an die Geschwister
der Klassiker: „Déclaration d’un Soir“, „La
Panthère“, „Eau de Cartier Vetiver Bleu“. „Das
ist der Unterschied“, sagt Mathilde, „wir
möchten die Düfte relaunchen, aber dabei
neu formulieren. Wir bewahren die Originale,
aber fügen der Linie etwas hinzu, eine jüngere Schwester, die die ältere doch respektiert.
Es sind Variationen einer Melodie.“ In diesem
Herbst wird Mathilde ein aktuelles „Must de
Cartier“ vorstellen. Keine einfache Aufgabe,
oder? „Schon als ich vor zehn Jahren bei
Cartier begann, hatte ich eine Idee zu ‚Must‘.
Und als wir dann darüber sprachen, hatte ich
sofort im Kopf, wie ich es machen werde. Es
ist wie beim Schmuck. Wenn du einen wundervollen Stein hast, musst du nicht unzählige
drumherum setzen. Du besitzt bereits ein berauschendes Stück.“ Konzentriert, üppig, gewagt – das ist Cartiers ästhetische und ätherische Signatur.
CARTIER (2), MONTAGE: ICON, ILLUSTRATION: DELIA BOB
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MANUEL LOPEZ (4); GETTY IMAGES
E RR L I C
PFERDESTÄRKEN
Normalerweise ist St. Moritz ein ungeheuer diskretes Fleckchen Erde, hier kann jeder unbemerkt
zur Ruhe kommen. Doch am Tag des Schnee-Pferderennens auf dem zugefrorenen See zeigt der Ort ein
anderes Gesicht voller Pelz und Champagner. Mittendrin hat Rolls-Royce ein Zelt, und der Kölner
Händler Michael Gleissner (gr. Foto) erklärt potenziellen Kunden gern die Vorzüge seiner Autos.
Dass er sonderlich viel Wert darauf legen würde,
diskret zu wirken, lässt sich nicht behaupten. Dafür
wird’s rasch rheinisch-herzlich
Rock ’n’ Rolls
in St. Moritz
Was passiert, wenn ein Kölner Händler im
Schweizer Jetset-Ort ultimative
englische Nobelautos verkaufen will?
Philip Cassier hat sich das angesehen.
Und erlebte halb entrückt, wie viel Spaß
Klischees machen können
I
In einer Welt voller Superlative
ist Michael Gleissner der Mann
für die persönlichen Momente.
Mit dem englischen Understatement ist es bei seinem Arbeitgeber Rolls-Royce seit einigen Jahren nicht mehr so weit her: Neulich beispielsweise, als das Unternehmen ein neues Modell ankündigte,
hieß es in der Mitteilung, der Phantom sei
„nach Kundenmeinung das beste Auto der
Welt“. Das mag nicht falsch sein, nützt Gleissner aber nur begrenzt. Und so befinden wir
uns circa 1900 Meter über dem Meeresspiegel
in einer Berghütte in St. Moritz, nebenan hatten schon der Schah von Persien, Onassis und
Karajan ihr Domizil. Im Raum intoniert ein
Trio heimische Lieder, das Kaminfeuer prasselt, und Gleissner, ein Kölner mit ausgeprägter Abneigung gegen Nachnamen, erklärt einem Kunden um die 60 und aus seiner Region
erst einmal das Menü: „Nä Jopi, dat SchinoiseFondue is mit Fleisch, dat Käse is ohne“, sagt
er vernehmlich unter Dauerschulterklopfen –
und Kunde Jopi klopft zurück. Dann ist es an
der Zeit, dem Pressemann am Tisch näherzubringen, was es wirklich heißt, ein RollsRoyce-Händler zu sein.
Also, da standen vor gut zehn Jahren diese
drei Typen aus Armenien mit den riesigen
Pelzkragen in seiner Niederlassung, die wollten „jetzt mal ’nen Rolls kaufen“. Schön nachtblaues Phantom-Modell mit cremefarbenem
Leder drin, „dat is ja allet kein Problem bei
uns“. Und die verlangten selbstverständlich
auch, „dat ich den Wagen selbst in Jerewan
vorbeibring’. Mein Chef war da eigentlich dagegen, is ja keine unjefährliche Nummer. Aber
ich hab ’nen Übersetzer jefunden, und wir
sind da mit ’nem Flieger runter.“ Gab natürlich ein großes Hallo, der Deutsche mit dem
Rolli ist da, Einladung zum Essen mit der ganzen Familie. Gleissner saß am Tisch, neben
ihm der Übersetzer: „Da kam ’ne große Silberhaube, darunter liegt da dat rohe Herz eines
Hammels, dat is da ja die lokale Delikatesse.“
Gleissner stieg es hoch. Aber der Übersetzer
flehte ihn an, er müsse das jetzt essen, sonst
könne man sich hier nie wieder blicken lassen, so sei das mit der Gastfreundschaft. Da
hat Gleissner gebissen und geschluckt: „War
aber nur der erste Gang. Danach kam die Leber und dann“, der Verkäufer mit der akkuraten braunen Haartolle legt vor dem blubbernden Käsetopf eine Kunstpause ein, „waren die
Eier dran.“ Hat er auch noch weggekriegt:
„Seitdem gehör’ ich da zur Familie.“ So läuft
das Geschäft.
Der Pressemann in der 14-köpfigen Runde
zieht es vor, zunächst nichts zu sagen. Irgendwo in seinem Hinterkopf kommt die Frage
auf, ob das jetzt markenkonform war. Denn
selbst wenn sich Rolls-Royce seit 1998 im Besitz von BMW befindet – der Deutschen, ausgerechnet –, deutet alles an diesem Produkt
noch immer auf die diskrete britische Oberschicht hin. Die leiseste Art, das Interieur eines Clubs mit all seinen Ledersesseln und
Edelhölzern von A nach B zu bringen: Das war
und ist der Kern der Marke, seit Charles Rolls
und Henry Royce 1906 beschlossen, gemeinsame Sache zu machen. Bis heute sind die Modelle Phantom, Ghost und Wraith keine Autos,
sondern fahrende Burgen, die einen von den
Fährnissen der Welt da draußen abschirmen.
Das weiß jeder, der so einen Wagen schon bewegen durfte: Der Säulen-Kühler des zur Verfügung gestellten Ghost weist als steife Oberlippe aus Stahl den Weg, die Kühlerfigur „Spirit of Ecstasy“ bildet auch auf den engsten Serpentinen der Schweizer Alpen immer eine
ungerührte Vorhut. Mehr als 530 PS lassen
den Ghost selbst bei steilsten Anstiegen nie in
Verlegenheit kommen. Das Einzige, was man
bei höherem Tempo hört, ist tatsächlich das
Ticken der Armbanduhr. So liegt über allem
das schöne Gefühl: Selbst wenn dieser vor
Schnee glitzernde Berg da vorn zusammenbricht, bin ich in diesem Fond sicher. Das vermag kein Konkurrenzmodell, darin liegt die
Faszination. Aus dem Werk, das sich seit 2003
im südenglischen Goodwood befindet, hört
man, dass dort, neben dem Fokus auf das
Handwerk, Wert auf großzügige Teepausen
gelegt wird. „We shall not be moved.“
Gleissners Geschichte und sein Tonfall passen
zu all dem eher so mittel. Und nicht alle von
Rolls-Royce, die ihre deutsche Kundschaft
zum traditionellen Schnee-Pferderennen auf
dem zugefrorenen St. Moritzersee eingeladen
haben, geben sich so locker wie der Kölner.
Marcus Reil, der General Manager für
Deutschland aus München, wo es wie in Köln,
Berlin und Dresden eine Niederlassung gibt,
wird selbst auf den schweren Sofas der entsprechenden Hotels oft nur mit Tweedkappe
gesichtet. Doch von den etwas mehr als 100 er findet, das wäre auf Kosten seiner Glaubneuen Rolls-Royce, die man 2014 in Deutsch- würdigkeit gegangen: „Ich kann doch nicht
land verkaufte, gingen sehr viele durch Gleiss- den einen Tag erzählen, dass ein Rolli das besners Hände. Dabei darf es nicht zu englisch te Auto der Welt ist, und am nächsten Tag ist
werden. Im klassischen Gentlemen’s Club es ein anderes.“ Den Einwand seines Beifahherrscht ein viel zu rigides Ausschlussverfah- rers, sein Geschäftsgebaren vor Ort sei doch
ren: Diejenigen, die vor der Tür bleiben müs- arg rheinisch, kontert er prompt: „Jetzt passte
sen, sind fürs Ego der Mitglieder fast noch mal auf“, sagt er, wählt die Nummer einer
wichtiger als diejenigen, die dazugehören. In Kundin aus dem Norden – und nach einer MiGleissners Bundesland dagegen braucht man nute tut es der Dame, der Stimme nach zu urkaum den Vornamen zu erinnern, um jeman- teilen, leid, nicht dabei zu sein. „Aber das
den als Freund zu bezeichnen – und das wich- nächste Mal bist ’es“, brüllt Gleissner enthusitigste ist ein funktionierendes Netzwerk: Nur astisch in den Hörer: „Küsschen, tschö!“
wenn der Kunde ihm vertraue, sagt der Händ- Die nächste Anekdote handelt davon, dass seiler, könne es was werden. „Und je länger der ne Klientel kaum mehr an ihrer Kleidung und
mich kennt, desto leichter wird es“, erläutert am Auftreten zu erkennen sei. Das erste NoGleissner ganz analytisch.
belauto seines Lebens, einen Bentley, verkaufIn St. Moritz, wo Rolls-Royce so selbstver- te Gleissner einem Mann, der in Handwerkerständlich dazugehört wie Bulgari, Brioni und montur ins Autohaus kam: „Wollte keiner mit
Bucherer, besteht Gleissners Netzwerk vor al- dem reden. Mir hat er die 631.000 Mark bar
lem aus zwei Personen: Da ist Stefan, ein Köl- auf den Tisch gelegt. Das wird beim Rennen
ner, der eine Galerie für Gegenwartskunst be- spannend, da die Richtigen zu finden.“
treibt, und da ist Wolfgang, ein Schweizer Zum Event auf dem See sind am Vormittag
Double des reifen Ernest Hemingway, der sich tatsächlich alle da: Superreiche, Reiche, Verin der Saison vor Ort als Assistent für die mögende, Gutverdiener und ein paar Angeber
reichsten Touristen verdingt: „Der stand vor und Schnorrer. Viele Tiere sind im Vorfeld geein paar Jahren auf dem See einfach neben storben, die Russinnen kommen mit rosa
mir, fährt auch ’nen Rolls, dat ging sofort.“
Pelzhauben, die Italiener mit Pelzmantel zum
Kunde Jopi, er stammt aus der Kölner Immo- Smoking. Die Sonne scheint zum Glück wiebilienbranche, hat vom Yachtausflug vor Ibiza der, Gleissner stand ab frühmorgens vor dem
noch seine Frau und einen Olaf aus dem Köl- weißen Rolls-Royce-Zelt und hat den Ghost
ner Immobiliengeschäft mitgebracht. Peter, geputzt: „Herrlich, dat macht den Kopf so
hier Pitter, war früher Leistungsschwimmer schön frei.“ Der erste Roséchampagner ist serund macht nun in riesengroßem Stil in Versi- viert, gleich gibt’s Rösti mit Rauchlachs, ein
cherungen. Er ist auch mit seinem „Mädchen“ Italiener mit Gitarre intoniert Johnny Cash: „I
da und besitzt noch keinen Rolls. Die aller- shot a man in Reno, just to watch him die.“ So
meisten Sätze in diesem Kreis beginnen mit weit also nichts Besonderes, bis ein chinesieinem „Hömma“ – und wo die Herrschaften sches Kamerateam auftaucht und den Wagen
auftauchen, da wird man’s hören.
neben dem Zelt filmt: „Läuft doch super“, sagt
Gleissner hat selbst bei Hochbetrieb die Ruhe Gleissner, „die zeigen das doch weltweit.“
weg. Bei der Probefahrt im Ghost
schneit und stürmt es, nicht gut für
die Fotos. Aber er sagt nur, es solle
sich niemand Gedanken machen,
wenn Schnee von den Stiefeln auf M I C H A E L G L E I S S N E R , R o l l s - R o y c e - H ä n d l e r a u s K ö l n
den Lammfellteppich komme: „Ist ja
nur ’n Auto.“ Viele Kunden, sagt
Gleissner, während er mitten im dicksten Leute bleiben vor dem Wagen stehen, Männer,
Schneetreiben in einer Haarnadel-Serpentine Frauen – und Kinder häufig zuerst. Ein Rollsfür ein Foto wendet, hätten ja doch eher ’ne Royce zieht einfach. Bei einem Mittdreißiger
„Batman-Garage“: „Da steht ein Ferrari, ein As- mit Gelfrisur steht Gleissner plötzlich daneton Martin – und dann muss halt noch ’n Rolli ben: „Kann ich helfen?“ Schon sitzt der Mann
her.“ Es zähle, wie in St. Moritz, nur das indivi- hinter dem Steuer, es folgt das Programm Miduelle Erlebnis, das er um den Wagen herum cha in Aktion, das Holz, das Leder, der Motor,
baue. Luxus könnten die sich ja überall kauf- das Entertainment, alles ist immer noch ein
en. Vom Handel verstehen fast alle seine Kun- bisschen besser, ausgefeilter, erlesener als anden etwas, nur Banker betreut Gleissner äu- derswo. Dazu die Details wie die Schirme in
ßerst selten. Das kann man in Deutschland der Tür: ein Träumchen. Aber richtig intereseinfach nicht vermitteln, deren Klientel denke sant wird’s für den Händler erst, als er herauszu oft: Ich bezahle doch keinen Rolls mit.
gefunden hat, dass sein potenzieller Kunde eiGern bringt Gleissner die Story von dem Köl- ne Beziehung zum Rheinland hat, da stimmt
ner Tanzlehrer an: Über Jahrzehnte hatte der die persönliche Ebene. Der Kunde lächelt segespart – und als es so weit war, stand er wei- lig, Gleissner säuselt, er sei noch bis Mittwoch
nend vor dem Auto und wusste kaum mehr da, dann muss er abwarten. Bis zum Abend
weiter. Solche Leidenschaft mag Gleissner. Er wird er einen Wraith verkauft haben, ein weigeht automatisch aufs Gas, sofort beschleu- terer Kunde zeigt belastbares Interesse und
nigt der Wagen wie ein Bolide. „Und wie viele ordert im Verlauf der Woche.
Ihrer Kunden müssen sparen, wie viele haben Aber nun ist „dat Pfännchen mit dem Rösti
eine Batman-Garage?“ – „Fifty-fifty“, sagt heiß“, Gleissner und die Seinen hauen mit alGleissner. Wer ihm lieber ist, das sagt er nicht lerbestem Appetit rein. Als sich die Wege
explizit, eine rheinische Interpretation des trennen, kurz bevor die Pferde loslaufen,
britischen „Never complain, never explain“.
umarmt der Händler den Pressemann im gleiSeit 1996 arbeitet Gleissner, liiert, keine Kin- ßenden Sonnenlicht: „Bleib sauber, Jong.“
der, nun für das Unternehmen, das war noch Und der Reporter kann nicht anders, er denkt
vor der Übernahme durch BMW. Beim White vollkommen im Ernst: Sicher dat, Micha, und
Turf in St. Moritz ist er bereits zum zehnten wenn ich mal ’n Jackpot knacke oder sonst
Mal. Ist ja klar, nie ist der Ort so voll wie in die- wie zu Kohle komm, kauf ich mir auch so ’n
ser Woche. Es gab Abwerbungsversuche, aber Rolli, aber von dir, dat dat klar is.
„Je länger mich der Kunde kennt, desto
leichter wird es für mich“
79
WIDDER
WIDDER HOTEL ZURICH (3)
Keines der 49 Zimmer gleicht dem anderen,
in jedem trifft Alt auf Neu. In „A 15“ zum Beispiel zieren Wandgemälde aus dem 17. Jahrhundert (von Conrad Meyer) den Raum. Man
kann sie am besten auf der Charlotte-Perriand-Liege in Rückenlage betrachten, oder
auch aus dem Ledersessel vor dem pneumatischen Tisch (per Knopfdruck höhenverstellbar) und dabei die Bang-&-Olufsen-Anlage anwerfen. In anderen Räumen flirten BauhausKlassiker mit Himmelbetten, ergänzt altes
Mauerwerk einen Schreibtisch um eine Ablage, manche Zimmer haben Kachelöfen, alle eiIm Zeichen des Widders: Die Zimmer des Züricher Hotels
nen Fernseher im Badezimmerspiegel und
sind gemütlich, doch keinesfalls überladen eingerichtet
Regenduschen. Die schweren Bettüberwürfe
aus Leder wurden jüngst durch Stoffe in Rautenmustern ersetzt, Corbusier-Sessel passend
in Mintgrün oder
Rot bezogen, und
UNTERWEGS
manche Vorhänge sind gerafft,
wie
gesmokte
Puffärmel. Tilla
Theus hat auch
jetzt, beim MaNeun Häuser, ein Gedanke: Das neu dekorierte Hotel
keover, jedes Detail konzipiert.
„Widder“ verbindet Historie, Innovation und sorglose
„Das Textile geEleganz. Esther Strerath weiß jetzt, wo es langgeht
stalte ich gerne
mit, weil es atmosphärisch prägt.
lötzlich steht man in einem Es hat doch keinen Sinn, dass ich mich als
Flur zwischen fünf Häusern. Frau um die Baugrube kümmere und dann
Und doch nicht im Freien. Ge- kommt jemand, ein anderer Designer, und geradezu geht es zum „Haus zum staltet meine Räume. Das mache ich lieber
Bankknecht“, links ist das selbst“, erklärt sie resolut.
„Haus zum Tatzfuss“, die Trep- Dabei ist mancher Blickfang, wie die stählerpe hinauf liegt das „Haus der nen Säulen in der Lobby, der baulichen NotWidderzunft“, jedes hat eine wendigkeit geschuldet. „Die Stahlstützen sind
andere Farbe – das Hotel „Widder“ in der Züri- kein dekoratives Element, sondern Statik mit
cher Altstadt ist ein kleines Labyrinth, doch einem dekorativen Touch – damit es verträgein großartiges.
lich wird“, so die Architektin, die auch zugibt:
Moderne Treppenhäuser mit hellen Steinbö- „Ich möchte nicht, dass man meine Arbeit so
den führen in verschiedene Epochen, ein glä- schnell umbauen kann. Alte Häuser verlieren
serner Fahrstuhl verbindet neun Ebenen. Das schnell ihr Gesicht.“
1995 eröffnete und jetzt neu überarbeitete Ho- Um sie aber ihrer ursprünglichen Schönheit
tel besteht aus neun Gebäuden – aus sieben zurückzuführen, bedarf es Forschung, und daJahrhunderten. Der Gast streift binnen weni- rin ist Theus, Architektin bei „Home of FIFA“,
ger Augenblicke durch Mittelalter und Moder- Spezialistin. „Wir gehen in Archive, suchen
ne, kleine Schilder weisen den Weg zu Zielen Personen, die in dem Haus gearbeitet oder gewie „Loos Stube“ (Originaleinrichtung des Ar- lebt haben. Sie haben oft Bildmaterial, auf
chitekten Adolf Loos) oder der Bibliothek, in dem man hinter der Großmutter oder dem
der übrigens bauchige Gläser Gäste mit Süßig- Kinderwagen etwas entdeckt. So habe ich etkeiten versorgen. Einem Geschäftsmann wur- wa über ein altes Foto vom ‚Haus zur Widderde einmal an der Rezeption ein buntes Woll- zunft‘, wo jetzt das Penthouse ist, herausgeknäuel in die Hand gedrückt, als GPS. „Kom- funden, dass dort früher eine Waschküche
plex und kompliziert“ charakterisiert Archi- war, also Nutzfläche. Deshalb, das besagt die
tektin Tilla Theus das Ensemble. „Ich bilde Bestandsgarantie nach altem Zürcher Baumir ein, dass die Gäste es lieb gewinnen, dass recht, konnten wir die Suite bauen, ohne die
es keine schnurgeraden Korridore gibt, son- das Hotel im sechsten Stock aufhören würde“,
dern ein Spiel, das neugierig macht.“
erläutert Theus den höchsten Bau in der Züri-
Zunftig in Zürich
P
80
cher Altstadt. Auch die tiefsten Etagen des
Viertels zählen zur „Widder“-Welt, die bis zu
neun Meter unter dem Wasserspiegel liegt.
Nun wird unter Tage gewaschen und gebügelt,
auch die Technik ist in den Tiefen untergebracht.
In den 70er-Jahren hatte die USB-Bank die
Häuser der „Widderzunft“ (das ist die Gilde
der Metzger, 1401 gegründet) gekauft. Sie plante Büros, doch die Stadt bestand auf Erhaltung
der 60 Prozent Wohnanteil im Quartier. So
entstand die Idee eines Hotels. Die gebürtige
Bündnerin Theus kennt jeden Winkel der Gebäude – vor 30 Jahren war sie für den Umbau
engagiert worden. Ihr Auftrag: ein klassisches,
zeitloses Hotel zu entwerfen. „Es ist ja so“, erklärt sie rückblickend, „im Normalfall werden
Fünf-Sterne-Häuser alle fünf Jahre auf den
neuesten Trend gebracht. Das wollten wir
nicht. 1985 hieß ‚Fünf Sterne‘ Brokat, Baluster
und bitte roter Samt. Wir hatten damals die
Möglichkeit, zu zeigen, dass es eben nicht so
sein muss, dass es Authentizität gibt und man
dem Gast Echtheit zumuten kann. Das war
völlig neu“, erinnert sie sich. Auch daran, dass
sie mehrere Male aus dem Projekt entfernt
worden ist, „weil man den Eindruck hatte, ich
sei nicht in der Lage, diesen Spirit zu entwickeln. Ich hatte bis dato nur Seniorenheime
gebaut, was sich mehr ähnelt, als man denkt.“
„Ich brauche die Reibung, eigentlich etwas,
das mich stört“, verrät sie. Mal ist es die Bauaufsicht, mal der Denkmalschutz, der sie nicht
lässt, wie sie mag. Kurz vor der Eröffnung des
Hotels 1995 wollte der Denkmalschutz noch
eine Veränderung in der Fassadenmalerei. „Da
hatte ich genug“, blickt Theus, selbst 38 Jahre
Mitglied der Kantonal-Kommission, zurück.
„Es war ein Freitag, am Dienstag wollten wir
abrüsten. Gesagt, getan. Doch dann erreichte
mich ein Telefonat, es gäbe Sprayereien an der
Hausfassade.“ Diese entpuppten sich jedoch
als Hommage: Die Denkmalpfleger hatten unbemerkt an der Hauswand einen Gruß an die
Architektin verewigt: Dort sitzt nun eine
schwarze, gemalte Katze, „mit meiner Brille,
als Symbol, weil ich diese Häuser bemuttert
habe wie eine Katze.“
Ein wenig wacht sie auch heute noch über den
„Widder“. „Dreimal im Jahr mache ich Schulungen für das Personal. Es ist mir ein Anliegen, dass sie das Hotel verstehen. Ich zeige ihnen Bilder von früher, erkläre, dass jedes Haus
sein eigenes Holz und seinen eigenen Stein
hat. Aus diesem Grund müssen sie in einem
Zimmer anders reinigen als in dem daneben,
das wäre sonst fatal. Das gibt ihnen eine Kompetenz, die der Gast spürt. Wenn ein Gast eine
Frage hat, werde ich häufig persönlich von
den Mitarbeitern angerufen. Das wäre eigentlich nicht nötig. Aber ich finde es fantastisch.“
SONNTAG, 22. MÄRZ 2015
Global Diary
ILLUSTRATIONEN: TIM DINTER
Erinnern Sie sich? An die Zeit, als man statt SMS und E-Mail noch Karten von fremden Orten schrieb? Wir tun es noch immer
ALGARVE
PELOPONNES
Auf der bis zu 50 Meter hohen Algarve-Steilküste, direkt am Atlantik gelegen, wirkt die Villenlandschaft des
Vila Vita Parc wie ein Verbindungsstück zwischen Meer
und Himmel. Im milden Morgendunst gehört der weitläufige, subtropische Park noch den Vögeln, sie spazieren auf dem dicken Rasenteppich, unter Palmen, Zedern und vielen Blüten. Early-Bird-Golfer versuchen
auf dem Neun-Loch Pitch- und Putt-Platz, der Par-3Anlage und dem 18-Loch-Putting-Green den „Wurm
zu fangen“, also möglichst gute Runden zu spielen. Unten in der Badebucht mit direktem Zugang grüßen Ferien-Yogis die Sonne.
Später findet jeder Gast über Weg und Steg seinen ungestörten Platz an einem der vielen Pools auf den unterschiedlichen Ebenen. Gefühlte
Nähe auch zum Orient: Die
jahrhundertealte von Mauren geprägte Architektur
wurde für die neuen
Villen des Fünf-Sterne-Anwesens aufgegriffen. Sie sind
auch für Großfamilien geeignet:
Bis zu zwölf Personen haben in ihnen
ausreichend Platz.
Die „1001 Nacht Aladin Bar“ unter dem
selten bewölkten Sternenhimmel ehrt mit dem
opulent-marokkanischen Interieur die bewegte Historie,
ebenso das Spa. Dieses hält angeblich
königliche Behandlungen bereit: Die Rituale „Königin
von Saba“ oder „König Salomon“ beispielsweise lassen
einen mittels orientalischer Öle und Massagekunst für
Stunden der Realität entrücken.
In der Küche gestattet Chefkoch Hans Neuner interessierten Gourmets aktive Teilhabe an jedem Zubereitungsschritt der portugiesischen Fischpfanne „Cataplana“. Sehr begehrt bei Portugiesen sind „Percebes“, die
häufig unter Lebensgefahr aus der Brandung geernteten Entenmuscheln. Ebenso mögen sie das typische
Schwarzschweingericht. Wer es probiert, weiß, warum
der Michelin dem Tiroler zwei Sterne zusprach. Neuner
kann außerdem auf 11.000 Flaschen vielfach prämierter
Weine in den Tiefen des gotischen Weinkellergewölbes
„Cave de Vinhos“ zugreifen. „Herdade dos Grous“ der
Hauswein, reift sogar auf dem hoteleigenen Land- und
Weingut im Alentejo. Dorther beziehen die sieben Hotelküchen auch Olivenöle, Gemüse und Fleisch. Alles
folgt dem Gebot der Nachhaltigkeit, davon können
sich die Gäste bei einem Ausflug überzeugen.
Die Schönheit dieses Beach Resorts an der Kante Europas zeigt sich einmal mehr von der 22 Meter langen
Princess-Motoryacht aus: In der Abendsonne, bei Canapés und schwimmender Begleitung von Delfinen
scheint das Anwesen mit den Klippen zu verschmelzen.
Uta Petersen befürchtet, dass sie von so großartigen
Orten irgendwann nicht mehr abreisen will
Der „Guardian“ hat schon vor diesem Ort gewarnt: Einmal
eingecheckt, wolle man das weitläufige Gelände des LuxusBurghotels „Kinsterna“ in den Bergen oberhalb von Monemvasia gar nicht mehr verlassen. Den Felsen mit der Zitadelle? Sieht man auch von der Hotelterrasse aus. Das
Städtchen? Morgen vielleicht. Der Fjord von Gerakas?
Nächstes Mal. Der Traumstrand von Elafonisos? Wenn
überhaupt. Theo Terzopoulos, der Manager des Luxushotels im Süden des östlichen Fingers des Peloponnes, lacht
und sagt: „Dass die britischen Paare, die hier ihre Flitterwochen verbringen, weniger an den Sehenswürdigkeiten der
Region interessiert sind, liegt ja in der Natur der Sache, aber
auch sonst bietet unser Haus einiges an Zerstreuung.“ Mit einem
Glas Malvasia aus dem eigenen Weinberg des alten byzantinischen
Herrenhauses aus dem 13. Jahrhundert in der Hand kann man zwischen antiken Säulen rund um das alte Wasserreservoir sitzend die Umgebung schnell vergessen.
Auch der Blick einer Dame auf der Terrasse schweift über 15 Hektar Land voller Weinberge,
Olivenhaine, Zypressen und Eukalyptusbäume sowie alter Zitrusbäume. Wie früher werden
sie von Quellen aus den Bergen gespeist. „Kinsterna“ bedeutet Zisterne, das Wasser machte
den Landsitz schon immer von der Außenwelt unabhängig. Das Anwesen bietet 41 Zimmer
und Suiten, manche davon in byzantinischen Rundgewölben mit alten Feuerstellen, manche
in neu erbauten Villen. Überall ruht alter Baumbestand. Der Hauptpool ist ein Unikat: wie ein
Flusslauf durchzieht er den ehemaligen Obstgarten. „Der Besitzer hat in anderen Luxushotels beobachtet, wie alter Baumbestand aus Gründen der Neubebauung oder Neuanlage eines Pools aus dem Boden gerissen und dann in Kübel gepflanzt auf Rollwagen wieder an den
Pool herangefahren wurden,“ erklärt Manager Terzopoulos die ungewöhnliche Form des
Kinsterna-Pools, „das fand er absurd.“ Wie schön.
Klaus Vogt wird wohl bald wieder zur Lektüre englischer Tagespresse greifen
PORTO-VECCHIO
Dass schon Napoleon meinte, er könne seine
Heimat Korsika mit verbundenen Augen am
Duft erkennen, ist ja ein alter Hut. Doch das
zum ersten Mal selbst zu schnuppern, kaum hat
man mit dem Mietwagen den Flughafen von Figari verlassen, ist eine unvergessliche, fast schon
transzendente Erfahrung. Überall auf der immergrünen Insel liegt ein schwerer, würzig-ätherischer Duft
in der Luft. Im Kräutergarten des „Grand Hotel Cala Rossa“
in Porto-Vecchio explodiert er. Man kann das nur noch als einen
orgiastischen, olfaktorischen Angriff auf die Sinne nennen, was Myrte und Lavendel, Salbei
und Thymian, Erdbeerbaum und Cedrat-Zitronen so draufhaben, wenn ihnen die Sonne
lang genug auf Blätter und Blüten geschienen hat. Es ist später Nachmittag, und Küchenchef
Pascal Cayeux sammelt die Ingredienzien für seine sterneprämierte Küche ein. Die Minze
wird uns später mit korsischen Langusten serviert, mit dem Rosmarin räuchert er die Taubenschenkel. Das Restaurant des Hotels gilt als eine der besten Adressen auf der an lukullischen
Freuden wahrlich überbordenden Insel. Doch das ist bei Weitem nicht der einzige Grund,
warum dieses Grand Hotel so besonders ist. Statt pompös kommt es als genau das daher,
was es ist: Ein elegantes, intimes Familienhotel, seit über 30 Jahren geführt von der Großfamilie Canarelli, denen auch ein exzellentes Weingut gehört. Eingebettet in einen verschwenderisch grünen Park aus Olivenbäumen und Pinien, macht sich das Gebäude in der Natur
ganz klein. Sogar eine Baumhütten-Suite gibt es seit Neuestem. Und der private Strand erst!
Rote, rund gespülte Felsen, die dem Cala Rossa seinen Namen gaben, mehlweißer Sand und
ein psychedelisches Türkis, was man sonst nur am Indischen Ozean geboten bekommt. Kein
Wunder, dass sogar schon Stars wie George Clooney hier eincheckten. Ups, das sollte ich ja
nicht verraten.
Wenn Silke Bender demnächst wieder eine Farbtherapie in Türkis braucht, muss sie nicht
mehr so weit fliegen: Ab April öffnet das Hotel nämlich wieder seine Pforten
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DER „HERITAGE
SPIRIT PULSOGRAPH“
VON MONTBLANC
In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt werden weiterhin
Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen zu
Montblanc schaut zurück. In einer limitierten Edition von 90 Exemplaren lassen die Uhrmacher den „Heritage Spirit Pulsograph“ neu aufleben. Das Kaliber
dieses Zeitmessers, MB M13.21, erinnert an das erste Chronographenwerk, das von der Uhrenmanufaktur Minerva, heute Montblanc, 1923 gefertigt wurde. Damals schätzten besonders Ärzte die genauen Instrumente, die mit einer Pulsometeranzeige ausgestattet war, sodass man kurze Zeitabstände messen konnte.
Heute wird die Uhr in Handarbeit im schweizerischen Villeret gefertigt. Ein einzelner Uhrmacher fügt alle 239 Werkteile in mehrmonatiger Arbeit zusammen.
Wir haben ihm bei den wichtigsten neun Schritten über die Schulter geschaut: 1. Neusilberplatinen mit einer rostfreien Kupfer-Nickel-Zink-Legierung sind
die Basis für die Werkteile 2. Die Chronographenbrücke wird aus der Platine gefräst. 3. Nun wird die Öffnung für die zentrale Achse gefräst und mithilfe einer semiindustriellen, handgesteuerten Maschine diamantpoliert. (Nicht im Bild: Die Kanten der Brücke werden per Hand geschliffen und poliert.) 4. Das
Auswuchten der Unruh, des gangregelnden Herzens, findet mittels Goldschrauben statt, um eine gleichmäßige Schwingung sicherzustellen. 5. Ein Stift hält
Unruhspirale und Spiralrolle zusammen. Unruhspirale und Unruh werden im zweiten Schritt verbunden. Der Produktionsschritt nennt sich „Virolage“. 6.
Manuelles Abzählen der Unruh. Die genaue Länge der Spirale wird ermittelt, um mit äußerster Präzision die richtige Frequenz zu erreichen. 7. Nun folgt das
Zusammensetzen des Räderwerks des Chronographen-Kalibers MB M13.21. 8. Erst das Setzen der Unruh lässt den Zeitmesser zum Leben erwachen. 9. Abschließend erfolgt die ästhetische und funktionelle Kontrolle des Meisterstücks. Übrigens: Auch alle Werksteile werden vor Ort in Villeret gefertigt.
MONTBLANC (10)
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