Wir machen BLAU

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Wir machen BLAU
ICON
JUNI 2014
Wir
machen
BLAU
WILLIAM HELBURN/CORBIS
Es geht los!
U
nd wie fahren Sie so in den Urlaub? Ich stelle mir vor, wie der Gentleman, der gerade noch letzte Hand anlegt, den RollsRoyce mit dem roten Kanu auf dem Dach und der Audrey-Hepburn-Kopie auf der Rückbank plötzlich statt in die Hamptons auf der A 7 gen Norden chauffiert ... Vorbei an belgischen Schleichautos mit Kugelwohnwagen hintendran, Volvos
mit praktischen Gepäcksärgen auf dem Dach, Turans mit Sechser-Fahrradhalterung am Heck, dänischen Linksbleibern,
Fords voller Menschen, Biberwäsche-bezogenen Bettdecken und Hausrat, Toyotas mit Häkelaccessoires und kurzsichtiger Fahrerin (oder warum klebt sie an der Scheibe?), schnittigen Audis, die sich den Weg frei blinken – und wen das Klischee sonst
noch so trifft auf dem Asphalt, der in die großen Ferien führt. Wobei dieselbe Ausstattung auch gen Süden fahren könnte. Ich wollte
mich auch immer mal für einen Packwunderwerbespot bewerben, wenn wir früher direkt vom Schultor in die Sommerferien Richtung Sylt abdüsten. Muss aber einräumen, dass man seinerzeit noch fünf Kinder und Hund ohne besondere Sitzkonstruktionen verstauen durfte. Wichtig aber war etwas ganz anderes: dieses wunderbare Gefühl von Freiheit! Das kann ich immer noch abrufen (gern in
Stress-Situationen): Meer, Luft, Freunde, Strand, Himmel – wir kommen! Für Wochen! Bei allem, was sonst ist: Ja, man darf ruhig mal
abtauchen. Also machen Sie einfach mal blau! Mit unserem Sommer-Entspannungsheft. Und natürlich mit sich und Ihren Lieben.
KRISTIAN SCHULLER Dieser Mann, man sieht es gleich, ist rastlos. Und dieser Mann, das sagt er gleich, ist immer auf der Suche. Auf der
Suche nach der Frau. „Cherchez la femme“, das sei sein Antrieb. Vielleicht ist es der Grund dafür, dass die von ihm
abgelichteten Wesen oft entrückt, romantisch, ja vage verschwommen wirken. Der 43-Jährige mit rumänischen Wurzeln sei nun mal kein Fan vom
glatten „Plastik-Look“. Und weil für Kristian Schuller, der sich an der Berliner Universität der Künste erst als Modedesigner und dann als Fotograf
ausbilden ließ, Kleid und Frau eng zusammengehören, spezialisierte er sich auf, klar, Modefotografie. Heute lebt und arbeitet er mit Kind und Frau –
die fürs Leben hat er immerhin gefunden – in New York. Für uns inszenierte er dort glamouröse Mode in der surrealen Kulisse eines der ältesten Vergnügungsparks der USA. Südlich von Brooklyn ist er auf der Halbinsel Coney Island zu Hause. Die
Traumreise beginnt auf Seite 22.
TITEL: KRISTIAN SCHULLER; DIESE SEITE: MARTIN U.K. LENGEMANN; KRISTIAN SCHULLER (2); HELGE SOBIK
Cover: Sibui Nazarenko trägt eine Fransenjacke von Wunderkind. Kleid und High Heels: Dior
HELGE SOBIK Was macht aus einem schönen Streifen Sand am Meer einen besonderen
Strand? Das Licht, die Luft, das Drumherum. Entscheidend aber sind die
Menschen – auch am Strand von St-Tropez, erzählt Helge Sobik, Reisejournalist und Autor aus
Leidenschaft. Vor allem sind es jedoch diejenigen, die jeden Tag dort verbringen: die Parkwächterin gleich hinter den Dünen, für die immer der beste Stellplatz reserviert ist. Der Bademeister, der
erst mit acht schwimmen gelernt hat. Und der Mann, der seit 33 Jahren die Liegen der Gäste vorbereitet und in all den Jahren nur Clint Eastwood und Mike Tyson um ein Autogramm gebeten
hat und viel öfter selber nach seiner Telefonnummer gefragt wird. Helge Sobik hat sie alle getroffen und nach ihren Jobs und diesem Strand befragt – für ICON und für sein neues Buch „Côte
d’Azur – Vom Duft des Lavendels und der Millionen“, das im Picus Verlag erscheint. Seite 55
IMPRESSUM ICON
Redaktionsleitung: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Nicola Erdmann, Silvia Ihring, Sarah Lehnert, Lisa Strunz, Mira Wiesinger. Mitarbeit: Julia Hackober.
Korrespondentin in New York: Huberta von Voss. Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Autoren: Susanne Opalka, Esther Sterath, Andreas Tölke Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver
Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Katja Schroedter, Maria Christina Agerkop Fotoredaktion: Julia Sörgel; Elias Gröb
Verlagsgeschäftsführung: Jan Bayer (Vorsitzender), Dr. Stephanie Caspar General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stephan Madel; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected])
Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: Axel Springer SE Repro: Druckvorstufe WELT GRUPPE Berlin Druck: Prinovis Ltd. & Co. KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf
ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 14. September 2014. Sie erreichen uns unter [email protected]
Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.
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IWC. THE FUTURE OF
WATCHMAKING SINCE 1868.
Portugieser Tourbillon
Mystère Rétrograde. Ref. 5044: Wie
Gangreserve von 7 Tagen auch die Zukunft. Und Sie haben sie am Handgelenk.
perfektes Uhrmacherhandwerk aussieht,
konnte man an ihr schon immer ablesen.
Genau wie die präzise Uhrzeit – ihr fliegen-
IWC . ENGINEERED FOR MEN.
des Tourbillon verhindert selbst kleinste
Abweichungen. Sie hat jedoch nicht nur
Mechanisches IWC-Manufakturwerk, fliegendes
Tourbillon, automatischer Pellaton-Aufzug,
7-Tage-Gangreserve mit Anzeige, Retrogrades Datum,
entspiegeltes Saphirglas, Saphirglasboden,
die Gegenwart im Griff, sondern mit einer
wasserdicht 3 bar, limitierte Auflage von
500 Exemplaren in 18 Kt. Rotgold
IWC Schaffhausen. Deutschland: +49 89 55 984 210. Schweiz: +41 52 635 63 63. Österreich: +43 1 532 05 80 51. www.iwc.de
Am Strand von Coney Island trägt Sibui Nazarenko ein Kleid von Miu Miu, den Drachen hat Peggy Schuller gebaut
ICON
JUNI 2014
AUSGEWÄHLT
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LE ID E NSCHAF T F ÜR LIQUI DES
Hier geht es ausnahmsweise mal nicht um
Hochprozentiges. Sondern um die Vorliebe
unserer Lifestyle-Experten für Gewässer
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D ON’ T GO CHASING
WATE RFALLS
Sondern folgen Sie unserem Rat und machen
im Urlaub einfach mal – nichts
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V E RBIND E NDES ELEM ENT
Icona und Iken sind dann mal am Meer
Rechts vor
dem Karussell
Sibui im Mantel
von Michael
Kors, Kleid:
Rochas,
Schuhe:
Santoni.
Daneben:
Poloshirt von
Tommy
Hilfiger, Kleid:
Elie Saab,
Schuhe:
Salvatore
Ferragamo,
Armreif und
Tasche:
Chanel.
Unten: Die
Jacke mit
Federverbrämung ist von
Valentino, Tülltop: Kostas
Murkudis, Rock:
Mulberry
MODE
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MODE RUMMEL
Wir fotografierten glamouröse Mode in der
surrealen Kulisse von Coney Island – einer
der ältesten Jahrmärkte der USA
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QUE LLE DE R INSP IRATION
Vier Designer (be)zeichneten ihre Liebe
zum Wasser – ein illustriertes Moodboard
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KRISTALLKLA R
Eine Ausstellung in Nordfrankreich würdigt
nun die gläserne Unterwasserwelt von Lalique
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GE SC HME IDI GES GESCHM EIDE
Aus Silikon formt Tzuri Gueta Schmuckstücke,
die von der Tiefsee inspiriert sind
Und natürlich digital: Auf dem iPad in der
WELT sowie täglich online auf welt.de/icon
ICON
KRISTIAN SCHULLER (4)
SCHMUCK
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THERE ARE EXCEPTIONS
TO EVERY RULE.
ES GIBT AUSNAHMEN ZU JEDER REGEL.
ROYAL OAK
ROSÉGOLD MIT
DIAMANTBESATZ.
AUDEMARS PIGUET DEUTSCHLAND GMBH
BAHNHOFSTRASSE 44/46
D-65185 WIESBADEN
TEL: + 49 / 611 / 34 17 50
AUDEMARSPIGUET.COM
IC N
JUNI 2014
Hübscher Ohrenkneifer:
Creole (links) mit Papagei
von Nach Bijoux
KOSMETIK
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GE PFLEGT A BTAUCHEN
In den Urlaub! Unsere Kosmetik-Weisen
verraten, welche Produkte mitmüssen
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M ACH’S MIT
Lichtschutzfaktor: Susanne Opalka weiß,
wie man die Haut vor Sonne schützt
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TIE FE NWIRK SAM
Bei Biotherm widmet man sich der Tiefseeforschung. Und gewinnt dabei auch
erstaunliche Erkenntnisse für die Schönheit
H AU(P)TSACHE SCHÖN
Sieben Kosmetika für die Sommerfrische
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ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER; GETTY IMAGES (2)
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A RC HITE KT U R-OAS E
Palm Springs ist das Dessau der USA – wir
haben es uns genauer angeschaut
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NAH AM WASSER GEBAUT
Erfrischende Investitionen – Poolmöbel
vom Designer
GESCHICHTEN
HYDRO PHIL
Ist das schlaue Wort für wasserliebend.
Diese 20 Produkte sind vom Wasser angezogen und lassen sich auch anziehen
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SURFER, SINGER, SO NGWRITER
Pearl-Jam-Sänger Eddie Vedder erzählte
uns, wie das Surfen seine Musik beeinflusst
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VIEL SA ND AM MEER
Helge Sobiks Buch über die Côte d’Azur
erscheint Ende Juli. Ein Vorgeschmack
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ZEIG DEIN O UTFIT
Und ich sag dir, woher du kommst. Eine
Strandtypologie von Oliver C. Schilling
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DER BAUPLAN
Diesmal durften wir dabei zusehen, wie eine
faltbare Sonnenbrille von Persol entsteht
DESIGN
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Goldig! „Parrot“Kette von
Flor Amazona
Kinderlieb: Sweatshirt
von Hundred Pieces
über smallable.com
Flauschigei:
Strandtuch
von Möve
Pflegeleicht:
Porzellanfigur von
Pols Potten über
byfurnish.com
UNTERWEGS
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GLO BA L DIA RY
Es geht zum Faulenzen nach Syrakus auf
Sizilien und auf die Mille Miglia in Italien
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KUR MIT KUNST
Bad Gasteins lockt nicht nur mit Quellen.
Hier sprudelt jetzt auch die Kunstszene
DUFTE E XPE DI TI ON
Mit einer ungewöhnlichen Besetzung erkundete Philip Cassier den Ozean vor
Mosambik
Treuer Begleiter: Die Uhr
„Ballon Bleu“ ist von
Cartier
Zier(vogel)teller
von Habitat
Für flatterhafte Damen:
Rock mit Papageiendruck von Oasis
Handzahm: bestickte KrokoClutch von Nancy Gonzalez
Leuchtendes
Gefieder:
Lampe von
Abigail Ahern
über debenhams.com
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Feurig: Streichhölzer
„Parrot“ von Skeem
über niche-beauty.de
STILISTEN
PAUL A. ZAHL/TASCHEN VERLAG
AUCH UNSERE LIFESTYLEWEISEN SIND IN SOMMERSTIMMUNG
Wunderwelt
ERINNERUNGEN ANS MEER
Ich bin am Meer geboren. Nicht etwa hinter dem Deich, wie man es an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste vermuten könnte. Von unserem Haus aus kann man über die Wiesen direkt
auf das Wattenmeer zwischen Nordstrand und Husum sehen. Als Kind spielt die Frage, ob man
das Meer liebt, keine Rolle. Es ist da, meistens grau, selten blau, bei Sturm wild und
schaumig, zum Baden salzig und trüb. Man lernt, sich darin und darauf zu bewegen, erst
schwimmen, dann segeln und rudern, später surfen, aber lieben? Wenn meine Mutter
am Fenster saß und in großer Stille weit über das Meer blickte, dachte ich immer: Was
hat sie bloß? Sie war nicht mehr erreichbar, eingetaucht, weggetaucht. In der Schule
lernten wir, dass rund 70 Prozent der Erde von Wasser bedeckt und darin 90 Prozent
des Lebensraums der gesamten Erde sind, dass es 10 Millionen Arten von Meeresbewohnern gibt im Vergleich zu 1,4 Millionen Arten an Land. Und dass die
Dr. Maria
Nordsee nur ein Nebenmeer ist und wirklich groß erst die Ozeane sind. Mich
Schneider
beeindruckte am meisten, dass der Meeresgrund nicht so flach ist wie unser
Kreativdirektorin
Watt, sondern ein riesiges Gebirge unter Wasser. Die tiefste Stelle, der
der Autostadt
Marianengraben, misst 11.000 Meter, und selbst in völliger Dunkelheit,
in Wolfsburg
Kälte und unter großem Druck gibt es dort Leben. Dass die Krabbenfischer Nahrung aus der Nordsee holten, wusste ich natürlich, auch, dass Schiffe Güter über das Meer transportierten oder dass das Meer Heilung und Erholung sein
kann. Aber wie sehr ich das Meer liebe, habe ich erst gemerkt, als ich es nicht mehr
sehen konnte, mitten im Land, ohne den weiten Himmel, das Salz in der Luft und ohne den rauen Wind. Und als ich anfing, die von Menschen verursachten Gefährdungen
immer ernster zu nehmen, den Anstieg der Durchschnittstemperatur, die Erhöhung des
Meeresspiegels mit allen Folgen und die Verunreinigung durch Plastikmüll, die jedes Jahr Millionen von Seevögel sterben lässt. Das Zusammenspiel von Mensch und Meer war nie einfach.
Die Bücher in unserem Schrank erzählten vom Ringen mit der Natur (Der alte Mann und das
Meer) und von den Geheimnissen des Meeres und der Hilflosigkeit der Menschen. Auf unseren
Bildern kämpften Fischer mit ihren Booten (Oscar Björck). Jetzt hat sich das Drama umgekehrt:
Das Meer braucht unseren Schutz. „Am grauen Strand, am grauen Meer, und seitab liegt die
Stadt ... Doch hängt mein ganzes Herz an Dir, Du graue Stadt am Meer“ (Theodor Storm).
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Man könnte meinen, dieses Bild entstamme
einem Animationsfilm. Doch die Fetzenfische
darauf sind echt. Zum Geburtstag des 1888
gegründeten „National Geographic“-Magazins
hat der Taschen Verlag den dreiteiligen Bildband
„National Geographic. In 125 Jahren um die Welt“
herausgebracht, ein kolossales Werk, das auf
knapp 1400 Seiten großartige Fotos aus aller Welt
zeigt. Wie auch dieses, das 1977 von Paul A. Zahl
in Australien aufgenommen wurde.
Schwarmintelligenz:
Das Service „Ocean“
aus Biskuitporzellan
huldigt den vielen flinken
Meeresbewohnern
V O N H E R I N G B E R L I N ( T E L . 0 3 0 / 8 8 91 7 5 71)
jourdhermes.com
das neue Eau de Parfum
HAFFMANS TOLKEMITT VERLAG
SCHICKE JUNGS: Giorgio Armani
stattet die nächsten drei Jahre
den FC Bayern München mit maßgeschneiderten Anzügen und Accessoires aus. æ ZU LANDE: Auch in
diesem Jahr fährt der Zug „Rocky
Mountaineer“ wieder durch die kanadischen Berge, ab jetzt mit
neuer Strecke und deutschem Bordservice. Infos über rockymountaineer.com. æ ZU WASSER: Das
„Aman Canal Grande“-Hotel in Venedig verfügt nun über zwei eigene Yachten. Sie können von den Hotelgästen für die An- und Abreise
oder für private Ausflüge genutzt
werden. æ BUCHTIPP I: Macht Lust
auf Meer: Lynn Sherr erzählt in
ihrem Buch „Swim“ die Geschichte
des Schwimmens (Haffmans Tolkemitt Verlag). æ BUCHTIPP II: Die
„Travel Books“ von Louis Vuitton
stellen Städte anhand von Zeichnungen verschiedener Künstler
vor, im neuesten führt
Lorenzo Mattotti durch
Vietnam.
ALICE SPRINGS
UND SONST NOCH
Man on Heels
Es ist unübersehbar: Der Fotograf Helmut Newton
und seine Frau June (alias Alice Springs) haben sich
gut miteinander amüsiert. In den 80er- und 90erJahren fotografierten sich die beiden immer wieder
gegenseitig, wodurch die tagebuchähnliche Bildserie „Us and Them“ entstand. Neben den Landschaftsfotografien „Sex and Landscapes“ wird diese
bis zum 16. November 2014 in der Berliner Helmut
Newton Stiftung ausgestellt.
Für Tagträumerinnen,
die am liebsten sofort
mit dem Boot auf
eine einsame Insel
fahren würden
KREOLEN SAMT ANHÄNGERN
LOUIS VUITTON
V O N D O D O. I T
VOM GLÜCK,
INSULANER ZU SEIN
Wenn jemand prädestiniert ist, übers Meer zu schreiben, dann wohl zweifelsohne ich. Schließlich bezeichnet man meine Wenigkeit als „inoffiziellen
Botschafter“ der Insel Sylt. Ich werde nämlich nicht müde, dem Rest der
Menschheit zu erzählen, welch Zauber hier herrscht. Was vor allem am
Wasser liegt – dieser Urgewalt, die jeden noch so verhaltenen Skeptiker in
Herbert Seckler ihren Bann zieht. In Worte fassen kann man das nicht, das muss man fühlen
– dieses Glück, das einen umhüllt, wenn man am Wasser sitzt und den WelKultwirt vom
len lauscht. Den Sand unter den Füßen spürt und die salzige Luft einatmet.
Sylter „Sansibar“
Dem Horizont entgegen durch die Dünen wandert. Immer berauscht vom
einzigartigen Licht. Hier kann man philosophieren. Aber vor allem ist man hier
ganz nah bei sich. Lässt los und hört den Erzählungen des Wassers zu. Ja, das
spricht. Und nein, nicht nur, wenn Sie dem 2007er „Corteforte Amarone Classico
Terre di San Zeno“ zugesagt haben. Aber das ist ein herrlicher Wein mit einer
wuchtigen Cuvée aus Corvina, Rondinella und Molinara, voller Dynamik, mit Noten von Anis, Lakritze und Gewürzen. Pure Leidenschaft also und genau richtig
für magische Meer-Momente.
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Jeden Sommer, wenn es in Atlanta unerträglich heiß
wurde, sind meine Schwester, mein Bruder und ich zu
den Großeltern gefahren. Sie haben in einem kleinen
Ort gelebt, und auch wenn es dort genauso heiß war wie
zu Hause, hatten wir eine Menge Spaß. Die meiste Zeit
haben wir mit unserer Großmutter am See verbracht. Sie liebte es zu angeln und
konnte Stunden damit verbringen, aufs Wasser zu schauen. Wir Kinder haben
solange den Wald erkundet. Der Gedanke bringt mich zum Lachen, denn heute
hätte ich große Angst davor, mich im Wald zu verlaufen. Als Kind ist man so viel
furchtloser! Wenn wir am Nachmittag zu meiner Großmutter zurückkehrten, saß
sie noch genauso da wie ein paar Stunden zuvor. Es war, als wäre sie eins mit der
Natur, als wäre sie die Königin der Umgebung. Als ich älter wurde, versuchte ich,
ihre Faszination für den See zu verstehen. Tag für Tag, Sommer für Sommer, es
war immer das Gleiche. Was machte ihn für sie nur so interessant, und vor allem:
Wie schaffte sie es, nicht einzuschlafen? Meine Großmutter hat bis zu ihrer
Hochzeit sehr viel gearbeitet. Sie lebte auf einer Farm. Das heißt, die Farm gehörte nicht ihr, aber sie und ihre Familie durften dort wohnen, solange sie auf der
Farm arbeiteten. Meine Großmutter zog vier Kinder groß und trug ihren Mann
35 Jahre vor ihrem eigenen Tod zu Grabe. Der See sei wie Meditation für sie,
sagte sie. Ein Ort, an dem sie der großen, lauten Welt entkommen konnte. Heute
fahre ich im Sommer immer noch am liebsten irgendwohin, wo es Wasser gibt
Dieses Jahr denke ich darüber nach, Urlaub an
einem kleinen Strand zu machen, mit möglichst
wenig Touristen. Ich möchte einfach nur dasitChris Glass
zen, dem Wasser zuhören, und die meditative
Membership
Haltung meiner Großmutter einnehmen.
Manager vom Soho
EIN TAG
AM SEE
House Berlin
GANZ OHNE FILTER
Inhaberin der
PR-Agentur
Stil-Art
Ich durfte im tiefsten Oberbayern aufwachsen, und das glich in den 70er-Jahren
mehr dem Wilden Westen, als man es dem wunderschönen Chiemgau heute ansieht.
Obwohl „zuagroast“ (eingewandert), steckt in mir mehr bayerischer Patriotismus als in
den meisten gebürtigen Münchnern, ich liebe „meinen“ Chiemsee und die Berge über
alles. Aber ich mag auch das Meer. Und auch das durfte ich schon als Kind kennenlernen, denn meine Eltern mussten hin und wieder mal raus aus der alpinen Bajuwarenkulisse. Über Jahre hinweg verbrachten wir die Pfingstferien an der Costa Rei auf
Sardinien, meine Schwester und ich waren Sand-Amazonen bis in unsere Teenietage.
Unsere Haare waren so herrlich ausgeblichen wie der weiße Traumstrand und die Zeit
am leuchtend türkisen Meer erschien uns endlos. Heute sind alle Erinnerungsbilder an
diese Zeit in meinem Gedächtnis wie mit einem Instagram-Filter optimiert. Als die
alljährlichen Familienurlaube angesichts altersbedingt abnehmender Gemeinschaftsidylle endeten und ich mit Freund und Freunden eigene Urlaube am Meer unternahm,
entwickelte ich eine zunehmende Strand-Depression: Je älter ich wurde, umso enttäuschender waren die meisten. Der Sand nicht weiß wie früher und fein
wie Staub, sondern grau, braun, steinig und oft schmutzig. War alles
nur eine romantisierte Kindheitserinnerung – und waren auch am
Meer meiner Jugend die Farben längst verblasst? Also gab es einen
Costa-Rei-Kontrollbesuch und den ersten Sardinien-Urlaub nach
mehr als 20 Jahren. Und siehe da: Meine Erinnerungen hatten mich
nicht getäuscht. Es gab ihn wirklich, den Bilderbuch-Strand aus Kindertagen, es war alles unverändert farbenprächtig und der Sand so
weiß wie heute die French Manicure an meinen Füßen.
REUTERS / LUKE MACGREGOR
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PAU L
SMITH
TRENDBAROMETER
VON WOLFGANG JOOP
Herr Haka
Yves-Klein-Blau-wohin man sieht! Kunst,
Mode, selbst Gartenskulpturen in St. Tropez, wo ich gerade Urlaub gemacht habe.
Übrigens herrlich dort. Es fing schon vor
zwei, drei Saisons an und ermüdetet wundersamerweise nicht: Alles wird angestrichen in dieser sehr bestimmten, einer Person zugeordneten Farbe. Vielleicht weil
Blau für Erfolg und die Erde gerade im
Zeichen des Wassermanns steht? Dem
Himmel so nah. Und übrigens: man mag
jetzt Donatella! Die 80er Grenzüberschreitungen sind das Schärfste unter den jungen
Leuten. Kürzlich sah ich eine Bartenderin in
Mailand in dem Liz-Hurley Overall. In dem
Movie „Hours of Versace“ sieht man wie
Donatella all die Niederlagen überwunden
hat . In dieser Welt geht es doch darum,
rauszuholen, was rauszuholen ist. Und das
konnte Versace immer schon.
Frau Dob
Während Du ja offenbar die Unschuld
pflegst. Wie ich sehe, hast du Dir in St.
Tropez tatsächlich gerade eine weiße Hose
gekauft. Die erste deines Lebens, richtig?
Aber so weit wie sie ist, sieht sie auch eher
aus wie deine Malerhosen. Also, dass Du als
Kerl mal eine Damenhose Celine tragen
würdest, wer hatte das gedacht? Aber das
Schlangentop dazu lässt Du weg, gell?
Geballte Gelassenheit
Dies ist eine optische Täuschung. Aufmerksame Betrachter erkennen
es gleich am angespannten Bizeps. Und trotzdem suggeriert diese Fotografie das Gegenteil der Anstrengung: Leichtigkeit, Ruhe, innere
Balance. Dabei ist die Komposition des Bildes Präzisionsarbeit bis ins
letzte Detail. Denn genau wie die Mode selbst ist auch die Modefotografie das Spiel mit der Illusion. Und Horst P. Horst (1909–1999), der
Schöpfer dieser Aufnahme und einer der bedeutendsten Fotografen
des 20. Jahrhunderts, gilt als Meister der Wahrnehmungskunst. Eine
Ausstellung im Victoria and Albert Museum in London würdigt ab dem
6. September 2014 sein illustres Lebenswerk. Lassen Sie sich betören.
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Lichtspiel
Ist das Kunst oder einfach nur unscharf? Nun, beides. Der deutsche
Künstler Stefan Heyne ist bekannt dafür, seine Motive so abstrakt
darzustellen, dass sie auf den ersten Blick nicht mehr zu erkennen sind.
Für seine Fotoserie „Seat“ fotografierte er zum Beispiel aus dem Flugzeug heraus die Stratosphäre, mal in der Morgen-, mal in der Abenddämmerung. Diese und weitere Werke von Heyne werden bis zum
14. September in der Ausstellung „Naked Light. Die Belichtung des
Unendlichen“ in der Städtischen Galerie Dresden ausgestellt.
Ich glaube, dass ein Drink jeden Menschen glücklicher
macht. Ein klitzekleiner Schwips lässt den Gedanken
Flügel wachsen. Am ersten Todestag meines Schwiegerpapas, des Wurst-Königs Karl Könecke (80†), saßen wir
mit seiner Kapitäns-Mütze in den sonnigen Dünen der
„Sansibar“ auf Sylt – zwölf seelenvolle Stunden mit einem Hektor-Liter Erdbeer-Bowle!
Bruce Willis wurde mal von seiner Tochter in Paris versetzt. Einsam lud er mich in die Bar des „George V.“ ein.
Um 3 Uhr früh spielten wir vierhändig auf dem SteinwayFlügel. Der Lebenskünstler Gunter Sachs weigerte sich,
Mineralwasser zu trinken: „Dann doch lieber Campari!“
Für mich als Bayer gibt es kein schöneres Getränk als
einen kalten Masskrug schäumendes Bier im Schatten
des „Augustiner Gartens“.
Der Drink wird Zeit-Geschenk: eine Stunde selbstbestimmtes Leben! Die blaue Stunde von Dämmerung
und Sonnenuntergang ist weltweit ein
Verschnaufen. Der Tag geht, die Nacht
lauert, aber die Zeit gehört dir. Ich saß
bei „Schumann’s“, im „Raffles“ in Singapur, im „Foreign Correspondents Club“
in Hongkong, im „Club 21“ in Manhattan, im „DO & CO“ in Wien.
David Blieswood
Jedes Mal kribbelt es im Körper, als
Connaisseur aus Hamburg
würden dich tausend Ameisen streicheln. Gerade stehe ich mit einem „mint pint of lager“
(Foster) bei vier Grad im Londoner Regen vor meinem
Lieblings-Pub „The Audley“ (100 m vom Hyde Park). Ich
nippe am Bier, telefoniere mit meinen Liebsten und
betrachte die Welt, wie im Kino. Ein Bettler steht an der
Ecke. Plötzlich hält ein weißer Chauffeurs-Bentley – 12
Zylinder. Ein Millionär aus Brunei steigt aus und steckt
zehn Pfund in den Papp-Becher. Leben und trinken
lassen. Auf dem Grabstein von Schwiegerpapa steht:
„Viel war es nicht, was er verpasst hat.“ Prosit.
Flotter (Kaschmir-)Roller:
Das Flausch-Spielzeug von
Loro Piana ist nicht nur ein
Traum für Kinder.
LOROPIANA.COM
MEIN PARADIES AUF ERDEN
Emmanuel de
Bayser
Mitbesitzer von
The Corner Berlin
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Täglich, am frühen Morgen, drehe ich meine Runde im Tiergarten, um das Erblühen der gigantischen, vielfarbigen Rhododendronbüsche zu verfolgen ... Und dann am Abend vertiefe ich mich
begierig in die Welt der englischsprachigen Literaten des vergangenen Jahrhunderts, wie Edith
Wharton und Nancy Mitford. Untertags dann heißt es, die floral bedruckten Modelle des belgischen
Designers Dries Van Noten in unseren Boutiquen richtig in Szene zu setzen. Dieses Jahr steht die warme Jahreszeit mehr denn je im Zeichen der Natur, verbunden mit einem Hauch Nostalgie. Vielleicht ist es
auch eine natürliche Reaktion auf Berlin: Die Stadt der Zukunft mit unzähligen Kränen und Baustellen, Touristenhorden, frenetischer Start-up-Hysterie und architektonischem Chaos verleitet mich zu einem gewissen
Neo-Romantizismus und zurück zum Ursprung. Dann sehne ich mich nach unserem Haus in der Normandie. Nach Varengeville, um im Rhythmus der
Natur zu leben. Dem der Gezeiten, Gartenarbeit, Tennispartien, Schwimmen in der Flut. Nach Krebse-, Hummer- und Garnelensammeln bei Ebbe, um
sie nachher genüsslich zu verspeisen. Nicht zu vergessen, die Milch, die man beim Bauern holt, die wilden Brombeeren, die gesammelt und zu köstlichen Konfitüren verarbeitet werden. Modellsitzen bei meinem Großvater, der es liebte, die Familienmitglieder in bukolischem Ambiente zu malen. Tag
für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, als Kind jeden Sommer drei Monate Ferien, unbekümmert und voll Poesie. Ein verlorenes Paradies? Undenkbar heute, würde man sagen. Das ist die Vergangenheit ... Man muss sich weiterentwickeln, verändern, neue Horizonte entdecken. Aber diesen
Sommer werde ich wieder zurückkehren zu meinen Krabben, die sich hinter den Felsen am Strand von Varengeville verstecken, und zu meinen Sonnenuntergängen auf den Klippen. Denn die Krähen auf den Kränen von Berlin sind eine andere Art von Poesie.
ZAURITZ
STEFAN HEYNE UND DVG BILD-KUNST,BONN 2014
WARUM
BLIESWOOD SO
GERNE BLAU IST
ESSAY
Luxus Langeweile
Im Alltag gehört es zum guten Ton, keine Sekunde übrig zu haben.
Aber nun ist Urlaubszeit. Ein Plädoyer dafür, sie am besten einfach so zu vertun.
Von Philip Cassier und illustriert von Tim Dinter
Z
Zu den wunderbarsten Eigenschaften der heutigen Zeit gehört, dass es zu jeder Stunde, in jeder
Lebenslage, an jedem Ort sofort Rat und Hilfe
gibt. Das schließt den Urlaub ausdrücklich mit
ein: Bücher, Nachrichtenagenturen, Internetforen und einschlägige Seiten in Magazinen beschäftigen sich derzeit besonders gern mit der
Frage: Wie mache ich richtig Ferien? Die Antworten – und das ist das Schöne an solchen Ratschlägen – sind an Schlichtheit nicht zu überbieten. Der wahre Weg ins Ferienglück scheint ausschließlich über die Effektivität zu führen, möglichst viel aktive Erholung in möglichst kurzer Zeit lautet das Ziel. Alles darf aufhören, nur der
Wettbewerb mit und gegen sich selbst nicht. Ist ja vollkommen klar, bei
Diäten geht es schließlich auch immer darum, möglichst viel Gewicht
in möglichst kurzer Zeit zu verlieren. Solcherlei Regeln dulden keine
Ausnahme, sonst könnte man sie gleich ganz abschaffen.
Bemerkenswert an den Handreichungen ist nicht, dass es an ihnen
kaum einen Weg vorbei gibt. Bemerkenswert ist, dass sie alle Vorgaben,
die im Alltag gelten, auf die alltagsfreie Zeit übertragen. Normalerweise läuft’s ja eher so: Wölfisches Schlingen in der Mittagspause bei Termindruck an einem Donnerstag? Freunde, ich bin dabei, wir sind hier
ja nicht in Frankreich oder Italien, wo Essen schmecken soll. Hektische
Telefonate um Dinge, die notfalls noch drei Wochen Zeit haben vor
dem einzigen freien Tag in der Woche? Notwendig – irgendwie muss
man die Umgebung davon in Kenntnis setzen, dass man auf der Welt
ist. Und erst wenn die letzte Spam-Mail – „Durch die Einnahme dieser
Zauberpille wird selbst dein arg kleiner Freund zum prächtigen Kerl“ –
in Sekundenschnelle am Smartphone gecheckt ist, erst wenn man
beim Kaffee nicht mehr mit dem Gegenüber spricht, erst dann kann
man sich über den elenden Stress in sich und um einen herum so richtig aufregen. Klau anderen die Zeit, sonst klaut man sie dir, es ist nun
einmal nicht genug für alle da. Wer nach dieser Methode vorgeht, wird
sich in einer Arbeitswoche keine überflüssigen Fragen stellen und als
vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft gelten.
Da ist es natürlich heilsam, wenn auch im Urlaub die Effizienz ihre Bedeutung behält. Glaubt man den Rat- und Taktgebern, ist die Gefahr immens, dass die viele freie Zeit – frei wovon eigentlich? – alles nur noch
verschlimmert. Wer falsch urlaubt, bringt sich in ernste Gefahr, lautet
die Botschaft, die besonders gern mit steigenden Herzinfarktstatistiken,
Beziehungsenden und wer weiß was noch untermauert wird. Urlaub
braucht einen Plan, und zwar einen ausgefeilten, um das zu verhindern.
Stehen Sie pünktlich auf, um mit der Erholung zu beginnen! Zweisamkeit ist herrlich, aber nicht zu viel davon, da könnte man am Ende tatsächlich herausfinden, für wen man sich überhaupt entschieden hat.
Treiben Sie Sport, trinken Sie gerade im Urlaub, wenn Sie mal drauf
achten können, mindestens zwei, drei, vier, fünf, acht Liter täglich
(kommt auf den Experten an, den Sie fragen). Achten Sie darauf, dass
mit der Entspannung nicht der Appetit wächst, und Fleischkonsum killt
ohnehin Tiere, also hören Sie jetzt damit auf. Denn so viel dürfte jedem
einleuchten: Wem es im Urlaub nicht gelingt, sich zu optimieren, wenn
er dem Druck und der Last des Alltags enthoben ist, für den müssen wir
bis ans Ende seiner Tage leider schwarzsehen. Und zwischendurch lassen Sie aber bitte einfach total entspannt die Seele baumeln und schalten mal ab, das wirkt bekanntlich Wunder. Nur die Erwägung, dass man
die Zeit, die man in die Lektüre der Ratgeber steckt, nicht mehr für die
Ferien zur Verfügung hat, gilt es zu vermeiden.
Neu sind diese Erkenntnisse nicht. Schon der Weltkriegs-Held und Käfersammler Ernst Jünger stellte einst fest, bei Langeweile handele es
sich um „verdünnten Schmerz“. Nun muss man vielleicht dazu sagen,
dass der gute Mann als Jugendlicher von zu Hause ausbüxte, weil er ein
Dasein als Fremdenlegionär für sich passender fand als das eines Apothekersohns. Wenn jemand, der sich gern von einem sadistischen Vorgesetzten schinden lässt, um hinterher womöglich zu sterben, ein Problem mit der Langeweile hat, dann hat er vermutlich noch sechs bis sieben andere. Was aber daran so grauenhaft sein soll, morgens aufzustehen und für ein paar Wochen nichts zu tun zu haben? Diese Frage löst
bei den Ratgebern eine solche Panik aus, dass sie sie lieber nicht stellen.
Das Elend der Welt, bemerkte der französische Philosoph Blaise Pascal
im 17. Jahrhundert, bestehe darin, dass es niemand eine Stunde lang mit
sich selbst in einem geschlossenen Raum aushalte. Wer mag, darf sich
aufgefordert fühlen, gerade jetzt das Gegenteil zu beweisen und einfach
mal ein paar Löcher in den Himmel gucken. Das soll aber bestimmt kein
Ratschlag sein: Wer den Luxus der Langeweile partout nicht empfinden
kann, muss ja nicht unbedingt Urlaub machen.
17
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KLEID: HUGO BOSS.
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KLEID UND ARMREIFEN: CHANEL.
GEKNOTETER MANTEL: MAX MARA
MANTEL UND ROCK:
ANTONIO MARRAS.
SCHUHE: TORY BURCH.
RING: CHANEL
31
INSPIRATION
So schön nass
Kein Element beschäftigt den Menschen so sehr wie Wasser. Immerhin besteht sein
Körper zu mehr als 70 Prozent daraus. Und wer sich passend einkleiden möchte,
greift immer wieder auf Marinefarben zurück. Warum das so ist? Wir haben vier
„Wasser wird heutzutage vor allem als Ressource betrachtet –
sie ist entweder knapp, zu viel oder schmilzt. Die einzige Konstante
bleibt unser nachlässiger Umgang mit den Konsequenzen.
Der Zackenbarsch wohnt zwar im Wasser, aber sein Bestand ist
durch Überfischung stark bedroht.“
OLIVER LÜHR UND THOMAS BENTZ, DESIGNER UND INHABER VON ACHTLAND
DOROTHEE SCHUMACHER
ACHTLAND
Designer gefragt, was sie mit Wasser verbinden. Sie antworteten in Wort und Bild.
LEYLA PIEDAYESH
„Ich sehe hier eine Wasseroase im Orient. Ein tiefes Blau, das unendlich erscheint.
Die Quelle und Ursprung allen Lebens – und immer ein Ort der Entspannung und Inspiration.“
L E Y L A P I E D AY E S H , G R Ü N D E R I N U N D D E S I G N E R I N V O N L A L A B E R L I N
„Wasser ist unser Lieblingselement, vor allem
im Sommer. Kein Tag vergeht, an dem wir nicht
von einer Bootstour nach Formentera, einer
Wattwanderung auf Sylt, Yoga am Strand von
Parrot Cay oder einer aufregenden Nacht am South
Beach träumen. Wasser spielt deshalb auch immer
eine Hauptrolle in unseren Kollektionen, diesmal
als Plisseekaskade in hauchdünnem Chiffon, die bei
Wind und Wellen erst richtig zur Geltung kommt.
Unser Border Terrier Cooper ist immer dabei und
wird nächstes Jahr beim Waterski-Tournament vor
der Villa d’Este antreten.“
TALBOT RUNHOF
D E S I G N E R - D U O J O H N N Y TA L B O T U N D A D R I A N R U N H O F
„Vom Business blaumachen –
und im Neoprenkleid in den Pool
eintauchen ... Erfrischung und
Inspiration pur!“
DESIGNERIN DOROTHEE SCHUMACHER
33
KUNST
Blubb? Blubb!
Ganz ohne Schnorchel und Maske lädt die
MUSÉE LALIQUE
Wasserwelt von Lalique ein zur Entdeckung:
Ein magischer Tauchgang zu den
luxuriösesten Bijoux von Jugendstil und Art
déco in der elsässischen Provinz
Rund 200
Objekte werden
in der
Ausstellung
„Die Wasserwelt
von Lalique“
gezeigt.
Das liebste
Motiv des
Zeichners und
Goldschmieds
René Lalique
war die Unterwasserwelt
34
E
in schmuckes Meer liegt
derzeit in Wingen-sur-Moder. Bitte wo? Der kleine,
französische Ort mit kaum
mehr als 1500 Einwohnern
befindet sich zwischen Saarbrücken und Straßburg im
Elsass. Grüne Hügel und
Wälder, propere, biedere Häuschen und gepflegte Vorgärten, so weit das Auge reicht. Wo
sich normalerweise Fuchs und Hase „Gute
Nacht“ sagen, tummeln sich jetzt Meerjungfrauen, Seepferdchen, Medusen und andere
Arten von Wasserbewohnern, die aus Zeit und
Raum gefallen zu sein scheinen, weit ab vom
mondänen Paris der Belle Époque.
Ihr „Aquarium“ ist das Museum Lalique, das
erst vor drei Jahren in unmittelbarer Nähe zur
berühmten Glas- und Kristallmanufaktur eröffnete, in der kühn-kubistischen Architektur
der Agentur Wilmotte, die auch für den Umbau des Amsterdamer Reichsmuseums verantwortlich zeichnete. In der Ausstellung „Die
Wasserwelt von Lalique“ werden rund 200
Schmuckstücke, Vasen, Parfumflakons und
Tischdeko-Objekte aus der Zeit des Jugendstils bis in die 30er-Jahre gezeigt – einzigartige Preziosen, die sowohl die künstlerische als
auch technische Meisterschaft des Firmengründers René Lalique (1860–1945) veranschaulichen. Die Flora und Fauna des Wassers
– von der Libelle bis zur mythischen Najade –
gehörte von Anfang an zum Formenkanon Laliques. Eine Tradition, die bis zu seiner Enkelin Marie-Claude Lalique, die das Unternehmen in dritter Generation bis ins Jahr 1996
führte, lebendig gehalten wurde.
Gleich am Anfang des Rundgangs zeigen etliche Entwürfe, an sich schon kleine Kunstwerke, René Laliques Talent als Zeichner, der mit
unglaublicher Fantasie und Liebe zum Detail
die Formen der Natur abstrahierte und in raffinierte, luftig-verspielte Schmuckstücke
bannte. Der in der Champagne geborene
Zeichner und Goldschmied, der 1885 seine eigene Boutique am Place Vendôme in Paris
gründete, bestückte schon bald Sarah Bernhardt, die berühmteste Schauspielerin ihrer
Zeit, mit spektakulärem Bühnenschmuck und
wurde mit der Weltausstellung in Paris 1900
endgültig zum Shootingstar des Schmuckdesigns. Seine raffinierten und verspielten Kreationen im Geiste des Jugendstils fanden reißenden Absatz und machten ihn in kürzester
Zeit zu einem der einflussreichsten und
meistkopierten Juweliere seiner an Konkurrenz nicht armen Epoche, wie die Museumsdirektorin Veronique Brumm erzählt: „Zudem
war er es, der Gold und Edelsteine mit damals
ungewöhnlichen, weil gemeinhin als wertlos
angesehenen Materialien wie Schmelzglas
oder Horn kreuzte und somit auch als Begründer des Modeschmucks gilt.“
Ermüdet von den vielen Nachahmern, suchte
und fand er bald ein Feld, auf dem man ihm
nicht so schnell das Wasser reichen konnte.
Glas wurde sein neues Fetisch-Material. Laliques Bekanntschaft mit dem Parfümeur
François Coty brachte ihn ab dem Jahr 1907
mehr und mehr weg vom Schmuck hin zum
Design von Parfumflakons.
In den dramatisch illuminierten, in allen Farben schimmernden Glasobjekten aus späteren Jahren zeigt sich die immer feiner werdende Könnerschaft im Umgang mit den Möglichkeiten der Glaskunst, die er nun auch auf
Lüster, Möbel, Tischkultur und Dekorationsgegenstände ausweitete. Er verstand es wie
kaum ein Zweiter, die Eigenschaften von Wasser-Blubberblasen, Lichtreflexe, Spiegelungen, Strudel in einer verblüffenden Dreidimensionalität in Glas und Kristall zu bannen
und so die dargestellten Fische, Nixen und
Wasserpflanzen zu einem illusionistischen
„Stillleben“ zu erwecken.
1909 gründete er seine Glashütte in der Nähe
von Paris, die schnell zu klein wurde und 1921
in der Glasregion Elsass nach Wingen-surModer ein zweites Standbein bekam, wo heute noch Menschen von Hand die Öfen töpfern,
in denen das Kristall geschmolzen wird und
jedes einzelne Objekt in einer langen Kette
von Handarbeit entsteht. Vasen von Lalique
sind ein Luxus, den man sich leisten können
muss. Die meisten haben den Gegenwert eines Kleinwagens: um die 15.000 Euro.
„Die 20er-Jahre im Elsass wurden zur zweiten
Blütezeit Laliques“, erzählt Brumm. „Er produzierte nun im großen Maßstab, wurde Industrieller und blieb gleichzeitig Künstler.
Sein Design orientierte sich weiterhin an der
Natur und wurde im Geiste des nun tonangebenden Art déco geometrischer und reduzierter.“ Seine Präsenz auf der Pariser Messe für
Kunstgewerbe 1925 gab dem Unternehmen
weiteren Aufschwung.
Sein 15 Meter hoher Glasbrunnen zierte nicht
nur den Vorplatz des Invalidendoms während
der Messe, er wurde in Folge auch mit der Gestaltung des Speisewagens im Luxuszug Orient-Express und diverser Ozeandampfer beauftragt. Als begeisterter Autorennfahrer kreierte er für Bentley, Bugatti, Rolls-Royce und
andere große Marken einzigartige Kühlerfiguren aus Kristallglas: begehrte Sammlerobjekte, die heute auf Auktionen regelmäßig
Höchstpreise erzielen. Mitte der 30er-Jahre
war er auf der Höhe seines Ruhms angekommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte sein
Sohn Marc das Unternehmen weiter und spezialisierte es auf Objekte aus Kristallglas. Seine Tochter Marie-Claude löste ihn in den
70er-Jahren ab.
Das Fahrwasser wurde für das traditionsreiche Unternehmen in den 90er-Jahren immer
rauer, bis schließlich 2008 die schweizerische
Unternehmensgruppe Art & Fragrance mit
Silvio Denz, selbst Lalique-Sammler, das Ruder übernahm und Lalique wieder in die
schwarzen Zahlen führte. Noch heute stammt
der Flakon des Kult-Duftes von Nina Ricci
„L’Air du Temps“ aus dem Hause Lalique, auch
die Automarke Bentley lässt in Sondereditionen Flakons für ihre Duftwässerchen fertigen.
Ansonsten hat sich das Unternehmen auf eigene Parfumkreationen inklusive Flakons
spezialisiert. Für die schottische Whisky-Destillerie Macallan stellen sie für besonders edle
Tropfen Kristalldekanter her, die auf Auktionen bis zu 460.000 Euro pro Flasche erzielen
können. Karl Lagerfeld lässt sich vom Privatbutler seine Coke zero aus Lalique-Coupés
reichen. Limitierte Editionen von Stars aus
der Kunst- und Designszene wie Yves Klein
oder Zaha Hadid, die gerade ihre Vasenkollektion lancierte, fachen zusätzlich die Nachfrage
nach dem Luxusglas „made in France“ an.
Dank der wachsenden Nachfrage im asiatischen, russischen, indischen und arabischen
Markt, wo solche Summen bei niemandem einen Schluckauf verursachen – im japanischen
Hakone betreibt ein Sammler ein privates Lalique-Museum mit etwa 1500 historischen
Stücken –, hat die kleine, feine Manufaktur
mit rund 200 Angestellten plus dem Designteam in Paris wieder so richtig Oberwasser. Da
lachen die Gartenzwerge in den Vorgärten
Silke Bender
von Wingen-sur-Moder.
„Die Wasserwelt von Lalique“ – noch bis
11. November 2014 im Musée Lalique/
Wingen-sur-Moder, musee-lalique.com/de
Silicon is
a girl’s best
friend
Es müssen nicht immer Diamanten sein.
Die Schmuckkreationen von Tzuri Gueta
verwischen die Grenzen zwischen Kunst
und Natur und treiben das Material
Silikon buchstäblich auf die Spitze.
Diese Saison sieht der Designer blau
auf dem Wasser schweben. Der Künstler freute sich diebisch, die Besucher bei der Erkundung zu beobachten: „Fast alle haben intuitiv
die Pflanzen ertastet, um zu wissen, wo die
Natur aufhört und die Kunst anfängt. Genauso
hatte ich mir das vorgestellt.“
Für seine neue Schmuckkollektion kam er
wieder auf sein Lieblingsthema zurück. „Mich
hat immer das Meer fasziniert“, sagt der Israeli, der seine Kindheit in Givat Olga am Mittelmeer verbrachte. Sein großer Bruder zog den
damals Dreijährigen bei seinen Tauchgängen
nämlich stets auf einem Autoreifen hinter
sich her, während Tzuri mit seiner Tauchermaske von oben die Unterwasserwelt beobachtete – eine visuelle Erfahrung, die ihn nie
wieder losließ. „Irgendwie habe ich meine
Heimat wohl nach Paris mitgebracht.“
Der Blick in unbekannte und für das bloße
Auge verborgene Welten übte auch in dem
Kibbuz, in den er auf eigenen Wunsch mit bereits 15 Jahren ging, einen großen Reiz aus.
„Meine Zeit verbrachte ich dort am liebsten
mit dem Tierpräparator. So lernte ich das Innenleben von Vögeln und Kaninchen kennen.
Und das Mikroskop war mein liebstes Instrument im Labor“, erzählt er. Silikon, der Stoff,
der eher dafür bekannt ist, weibliche Oberweiten schwellen zu lassen, ist sein FetischMaterial. Schon als Student für Textil-Ingenieurwissenschaften und Design am Shenkar
College in Israel begann er, traditionelle Produktionsweisen gegen den Strich zu bürsten.
„Einmal sollten wir ein Kleid nähen – doch
statt Schere und Faden nahm ich eine Säge
und Silikonkleber, um den Stoff zu bearbeiten. So entdeckte ich das technische und ästhetische Potenzial von Silikon.“
Die ersten Stoffdesigns Guetas, die er noch
immer in einer Mappe gesammelt hat, zeigen
bereits seine typische Handschrift: Prints, die
an mikroskopisch vergrößerte Kristallstrukturen und Zellen erinnern, dreidimensionale,
durch Silikon und Perlen veredelte Oberflächen und Formen, die der Unterwasserwelt
entlehnt sind. Diese Proben im Gepäck, flog er
1997 mit seiner Universitätsklasse das erste
Mal nach Paris zur Stoffmesse „Première Vision“. Auf seiner Liste: Thierry Mugler und Li
Edelkoort, die berühmte Trend-Forscherin
und Verfasserin der Zeitschrift „View on Colour“. „Mugler war damals der angesagteste
Modedesigner in Paris, Edelkoort verfasste
mit ihrem Magazin quasi die Bibel des visuellen Designs“, erinnert sich Gueta lächelnd.
„Jeder frisch diplomierte Design-Student
träumte davon, für diese Leute zu arbeiten.
Gut, dass mir das damals nicht so klar war.
Sonst hätte ich bestimmt nicht ganz naiv bei
Mugler angerufen und auf Englisch darum gebeten, mit ihm persönlich zu sprechen.“ Die
Assistentin, überzeugt, es handele sich um einen privaten Freund des Modeschöpfers, stellte ihn direkt durch. Einen Tag später durfte er
Mugler persönlich seine Mappe zeigen.
Kurz darauf begann seine langjährige Mitarbeit für die Haute Couture von Mugler, zu der
unter anderem das ikonische Medusen-Kleid
mit Silikon-Fischschuppen in Wasserblau gehört. Auch bei Li Edelkoort rannte der junge
Israeli offene Türen ein. Für die Ausgabe von
„View on Colour“ zum Millenniumswechsel
gehörte er mit zum Recherche- und Designteam. Von da an rückte der junge Israeli in die
erste Reihe der Pariser Modewelt vor und tüftelte in seinem 25-Quadratmeter-Appartement weiter an der Verfeinerung seiner Technik. „Ich glaube, dass der begrenzte Platz bei
mir zu Hause schließlich dafür verantwortlich
war, dass ich quasi zwangsläufig die Perfektionierung im mikroskopischen Maßstab suchte“, grinst er. 2006 schließlich gründete er
sein Schmucklabel, der Rest ist Geschichte. Er
erhielt 2009 den Grand Prix de la Création de
la Ville de Paris und 2010 eine Einzelausstellung im Tel Aviv Museum of Modern Art. Heute werden seine Schmuckstücke vom MoMa
New York, dem Centre Pompidou in Paris bis
nach Tokio verkauft. Auch in Deutschland ist
sein Schmuck seit diesem Jahr bei vielen
Adressen erhältlich, etwa bei Aquamarin in
Berlin oder Eclectic in Frankfurt. Silke Bender
Sieht stachelig
aus, ist aber
aus weichem
Silikon:
Schmuck von
Tzuri Gueta
OPHÉLIE BAL
S
chon beim Stopp vor dem
Schaufenster
bekommt
man Lust auf Meer. Die
hier kunstvoll präsentierten Ketten, Armbänder,
Clutches und Ringe erinnern an Korallen, Seeigel,
Algen, Muscheln, Medusen
– alles schimmert in transluzidem Blau, Türkis und Petrol. Die Sommerkollektion des Pariser Designers Tzuri Gueta, 45, ist eine Ode an
die Tiefen des Meeres. Doch stacheln und piksen tut hier nichts. Das weiche, elastische Material, das geradezu dazu einlädt, befühlt und
ertastet zu werden, ist silikoneingespritztes
Textil.
Guetas Atelier und Showroom befinden sich
im „Viaduc des Arts“, der kurz hinter der Bastille beginnt. Die insgesamt 4,5 Kilometer lange, stillgelegte Eisenbahntrasse beherbergt
oben auf den ehemaligen Gleisen einen urbanen Wanderweg unter dichtem Bambusgrün
und unten im Innern der Rundbögen französische Handwerkskunst. Jedes der Objekte
von Tzuri Gueta entsteht in der Werkstatt hinter der Boutique von Hand. Auf den Arbeitstischen sind feinste Spitzenstoffe gespannt, auf
die seine Mitarbeiter mit Spritzpistolen und
chirurgischer Präzision die farbige Silikonmasse auftragen. Eine in jahrzehntelanger
Forschung ausgetüftelte Technik, die der Textilingenieur wie kein Zweiter auf der Welt beherrscht und ihn selbst zu einem Hybrid zwischen den Disziplinen werden lässt: Neben
seinem Schmuck gestaltet er Stoffe und Accessoires für die Haute Couture – von Armani,
Chanel über Givenchy bis Jean Paul Gaultier
und Lacroix, arbeitet für Innenarchitekten
und stellt seine Kunstobjekte in Museen von
Tel Aviv bis São Paulo aus.
Organisch und futuristisch zugleich, scheinen
Tzuri Guetas Kreationen nicht von dieser Welt
zu sein: wie von fernen Sternen oder aus der
Tiefsee. Das Spiel mit vertrauten und fremden
Formen gehört zum Programm. Zuletzt verwandelte er den Glaspavillon des Pariser Jardin des Plantes in ein poetisches Alice-imWunderland. Für die Ausstellung „Noces végétales“ ließ er die echten Pflanzen dort von seinen künstlichen Organismen bevölkern. Bizarre Lianen, die sich wie stark vergrößerte
Kettenmoleküle an Baumstämmen hochranken, spitzenfeines Gewebe, das sich wie Mehltau über Blätter legt, und seltsame Eier, die
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Der Urlaub beginnt – nun ja,
jetzt. Zumindest, was die Schönheits-Rituale angeht. Denn eine
gepflegte Bräune braucht Vorbereitung. Peelings sind unerlässlich. Für das Gesicht empfehle ich den neuen „Mineral
Face Exfoliator“ von La Prairie
aus Meteoritenstaub und Mineralien, für den Körper das
„Lipo Peel“ von MBR. Wer lieber
vorgebräunt am Urlaubsort
ankommen mag, sollte alle drei
Tage die angenehm geruchsneutrale „Xen-Tan“-Emulsion
benutzen. Sie zaubert eine
natürliche Bräune. Und vergessen Sie vor lauter Vorbereitung dann nicht die Sonnencreme. Die neue „Cellular Protective“-Serie von Sensai schützt
vor UV-Strahlen und hat die
Anti-Aging-Pflege integriert.
Die Tagespflege könnte somit
getrost zu Hause (im Kühlschrank) auf Sie warten. Meine
Sommer-Geheimwaffe? Das
Roucou-Öl von Ligne St. Barth.
Es regt die Melaninproduktion
der Haut an (man wird schneller
braun), schützt die Haut perfekt
und wehrt Mücken ab.
Caroline Prenzler
Geschäftsführerin der
Parfümerie Liebe in
Hannover
Weich-Macher:
Spröde, trockene
Lippen sind ein
No-Kiss. Und faltig
will man sie auch
nicht. Skin Ceuticals
hat nun eine kleine
Wunderwaffe im
Pumpspender entwickelt, die Feuchtigkeit spenden, mit
Vitamin E freien
Radikalen vorbeugen und mit
Hyaluronsäure für
Volumen sorgen soll.
Am besten morgens
und abends auf die
ungeschminkten
Lippen auftragen.
Komm runter: Der
firmeninterne Spitzname dieses Nahrungsergänzungsmittelchens lautet
„The Chill Pill“.
Nein, wir wollen
Ihnen hier keine
verbotenen Substanzen vorstellen.
Aber mit „Holy Basil
B Complex“ hat The
Organic Pharmacy
Tabletten entwickelt, die helfen
sollen, den Adrenalinspiegel zu senken
und das Nervensystem zu beruhigen. Klingt verlockend. Gibt’s über
greenglam.de
Unsterblich: Auf
Korsika wächst ganz
unspektakulär am
Straßenrand die
Immortelle. Eine
wilde Blume, die
niemals verblüht
und deren AntiFalten-Wirkung
L’Occitane-Gründer
Olivier Baussan vor
knapp 15 Jahren
zufällig entdeckte.
Die Pflegeserie wird
nun auch von einem
Augen-Make-upEntferner ergänzt.
Große Welle, statt
Dauerwelle: Im
Urlaub mögen wir es
gern lässiger. Auch
die Haare dürfen
sich luftgetrocknet
und unfrisiert erholen. Um den
Schwung kümmert
sich das „Texture
Wave“-Spray von
Shu Uemura, das
durch ein Mineralpuder Struktur geben
soll und mit Baumwollsamenöl pflegt.
Shuuemuraartofhair.de
KOSMETIKKOFFER
Pack nur die Badehose ein?
Nein, auch die geliebten Kosmetikprodukte dürfen im Urlaub nicht fehlen, und dafür
riskieren wir gern Übergepäck.
Besonders gut als Schutz vor
schädlichen UV-Strahlen eignet
sich die kleine, feine „Sun Protection“-Serie der Schweizer
Luxusmarke La Prairie. Wer
doch mal etwas zu viel Sonne
abbekommen hat, dem empfehle ich das „Soothing After
Sun Mist“ (für Gesicht und
Körper) aus dieser Serie. Es
lindert Rötungen rasch und
kühlt. Lust auf einen Farbwechsel? Nehmen Sie doch ein
paar Nagellacke von Koh mit, es
gibt 110 Nuancen! Sie sorgen
nicht nur für bunte Abwechslung, sondern pflegen die Nägel
auch mit Vitamin B5 und E.
Tobias Kern
38
Inhaber der
Parfümerie Kern
in Freiburg
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Das Leben ist ein Swimmingpool
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40
un scheint es wohl amtlich. Konsequenter, täglich
aufgetragener Lichtschutz mit SPF 15 verlangsamt
den Hautalterungsprozess um 24 Prozent. Was von
Dermatologen und Anti-Aging-Experten seit Jahren
runtergebetet wird, hat eine Studie in Australien
(2013 veröffentlicht) zum ersten Mal belegt. Und zwar
eindrucksvoll, weil die Untersuchung mit 900 Teilnehmern über vier Jahre lief. Da gucken Sie jetzt – am besten gleich ins
Regal mit den Sonnencremes. Denn die sind in der Sommersaison 2014
schon einen Schritt voraus: Neue UV-Filter? Brauchen wir nicht mehr!
Annähernd 20 verschiedene, zugelassene, effektive, hautverträgliche
decken das Spektrum bestmöglichen Schutzes ab.
Viel wichtiger: köstliche, luxuriöse Texturen, die wir mit größtem Vergnügen und reichlich an unsere immer anspruchsvollere Haut lassen.
Und die mit ihren Talenten alle Wünsche abdecken. Ob „Radiant Glow“,
„Uniform Tan“ (etwa bei Lancaster), „Anti Wrinkle & Dark Spots“ (Sensai), „BB-Cream“ (Lancôme und Vichy) oder „DD“ (bei Decléor) – beim
Sonnenschutz, vielmehr: Sonnenpflege, ist jetzt alles drin. Ob individualisiert (nach 17 Fragen und zwei Minuten stellt Mutisun ihr Produkt
online vor), ob UV-A-Schutz nach doppelt so strengen US-Richtlinien,
sogar vegan, kosher und halal (wie bei Bakel) – an jeden wird gedacht.
Auch von der psychischen Warte aus: Wer schon leicht gebräunt an den
Strand geht, setzt sich weniger der prallen Sonne aus. Also wird immer
häufiger gleich das Make-up mitgeliefert (Shiseido). „Dazu kommt, dass
die Toleranzschwelle der Haut gegenüber der Sonne mit den Jahren
sinkt“, so Dr. Olivier Doucet, Forschungschef bei Lancaster.
Meint: Die Haut der Babyboomer-Generation reagiert nicht nur empfindlicher auf UV, sondern bräunt auch unregelmäßiger. Konsequenz:
Selbst Faktor 50+ wird noch mit Anti-Age-Wirkstoffen angereichert,
sorgt für einen frischen, jugendlich-appetitlichen Tan-Ton und fühlt
sich trotzdem leicht auf der Haut an. Ergibt ja auch Sinn, denn effektiv
ist Sonnenschutz nur, wenn Sie richtig zulangen! Konkret sollen pro
Auftrag 60 Milliliter auf dem Körper landen. Nur dann wirkt wirklich
der Schutzfaktor, der aufgedruckt ist. Bevor Sie nun Übergepäck bei der
Airline anmelden: Was in den Sonnen-Cremes, -Fluids, -Gelen, -Sprays
und jetzt auch -Seren an Pflege untergebracht ist, schickt eben die tägliche Tiegelparade in die Ferien. Die bleibt einfach allein zu Haus.
Aber war da nicht noch was mit Infrarot? Dieser fiesen intensiven Wärmestrahlung, die noch tiefer in die Haut eindringt? Nach wie vor gibt es
kein Molekül, keinen speziellen Filter, der Infrarot abblockt oder absorbiert. Aber es gibt Technologien, die die Auswirkungen des Infrarotlichts eindämmen (bei Lancaster und Artemis). Obwohl – wir müssen
das eigentlich gar nicht wissen. Denn nur wer stundenlang stumpf in
der prallen Sonne brät, bekommt eine IR-Überdosis. Unser Konto füllt sich sowieso eher im Alltag. Die alltägliche unbewusste Sonnendosis wird noch immer unterschätzt und ist für
Schäden bedeutsamer als die Urlaubszeit. Es sei denn ... sieSusanne Opalka
he oben! Life is the beach.
ILLUSTRATION UND MONTAGE: FLORENCE BOUCHAIN FÜR ICON
Was nun in jede Badetasche gehört? Ist doch klar, die neuesten Sonnencremes
T H E C U L T U R E O F T O TA L B E A U T Y
Exklusive Haarpflege und Kosmetik.
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Haarbruch. Das luxuriöse Spa – Konzept Cheveux Longs gleicht Strukturschäden aus,
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pflegt das Haar mit hochwirksamen Inhaltsstoffen und umschmeichelt es mit einem bezaubernden
Auf
Tauchgang
In den Tiefen der Ozeane
entdecken Forscher immer
mehr Wirkstoffe gegen Falten.
Biotherm ist Vorreiter dieser
Bewegung, und Susanne Opalka
drang tief in die Historie ein
H
42
ach, das haben die aber schön hingekriegt!
Wenn man ihn schüttelt, den schlichten
schweren Glasflakon, steigen aus der Tiefe,
aus der dunkleren grünblauen Sphäre am
Boden, gleichmäßige kleine Perlen nach
oben ins Helle auf. Ganz sacht. So zart und
anmutig wie bei Champagner. Nein, ich habe keine Aktien von der Firma. Ja, vielleicht
könnte ich sonst täglich in der neuen „Life
Plankton Essence“ baden. Aber darum geht
es gar nicht, hier steckt mehr dahinter. Viel
Meer! Genauer: Blaue Biotechnologie.
Ein zukunftsträchtiger Zweig der Forschung, der noch im Kaulquappenstadium
steckt, aber zu optimistischen Hymnen berechtigt. Dr. Antje Labes ist Meeresbiologin
im Kieler Wirkstoff-Zentrum am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR), Vorstandsmitglied der European Society of Marine Biotechnology (ESMB) und
forscht seit Jahren an marinen Mikroorganismen. Sie weiß, wo es in der Medizin und
der Kosmetik hingeht. „Die Blaue Biotechnologie nutzt die biologische Vielfalt der
Meere. Und zwar nicht aus, sondern zu unser
aller Vorteil.“ Ohne die Natur zu zerstören,
werden im Labor Mikroorganismen gezüchtet, an Land kultiviert und jene tragen sogar
dazu bei, Probleme wie die Überdüngung
der Meere zu reduzieren. „Und diese Mikroorganismen sind so interessant, weil sie
Substanzen entwickeln, die ihnen helfen,
den extrem lebensfeindlichen oder Umweltbedingungen zu trotzen.“
Diese Substanzen wiederum können für die
Gesundheit und die Schönheit eingesetzt
Mehr Meer kann bei der
Hautpflege nicht schaden.
Darauf setzt Biotherm
werden. „Sie fungieren vor allem als Zellkommunikatoren und sind in ganz kleinen
Portionen wirksam“, sagt die Biologin. Und
was davon in den Tiefen schlummert, ist gigantisch und zum größten Teil unentdeckt.
„Wir kennen erst 0,1 Prozent der Mikroorganismen wie Plankton, mikroskopisch kleine
Algen. Bei den Bakterien und Pilzen sind
uns sogar nur 0,01 Prozent bekannt“, so Labes. Und Dr. Bernard Kloareg, Direktor der
Biologischen Station in Roscoff, Frankreich,
fügt hinzu: „Es gibt viele Gründe zu glauben,
dass Moleküle aus Meerespflanzen und -tieren den menschlichen Molekülen im Hinblick auf die Evolution näher sind als Moleküle aus Bodenpflanzen. Daraus folgt, dass
menschliche Zellen diese Moleküle leichter
erkennen können.“
Der Mann ist ein Pionier und erforscht an
der bretonischen Küste vielfältige Meeresthemen, vom Zellzyklus der Seeigel bis zur
Ökophysiologie der Fauna hydrothermaler
Quellen. Die Kollegin aus Kiel ergänzt: „Die
Evolution war da faul. Wir Menschen kommen aus dem Meer und verschiedene Zelltypen ähneln sich tatsächlich immer noch. Der
Zebrafisch beispielsweise oder auch der
Schwamm haben Zelltypen, die unseren humanen in der Haut ähneln.“ Logisch, dass die
Industrie hier ihre Zukunft sieht. „Es ist
großartig, dass einige Kosmetikfirmen hier
in Meereswissenschaften investieren. Man
muss dabei Biotherm beziehungsweise die
Mutter L’Oréal, neben etwa Estée Lauder,
wirklich herausstellen. Sie forschen selbst
und produzieren mit nachhaltiger Biotechnologie“, sagt auch Antje Labes. Für Biotherm selbst ist das schlicht eine Selbstverständlichkeit und pure Tradition. Bereits
1952 fing es an – mit dem Thermalplankton
der Quelle in Molitg-Les-Bains, einem winzigen Ort mit rund 200 Einwohnern in der
Region Languedoc-Roussillon.
Eine junge Visionärin namens Jeanine Marissal erfand damals drei Produkte auf
Grundlage eines ungewöhnlichen Inhaltsstoffes – des Thermalplanktons – und sorgte
so für einen Durchbruch in der Hautpflege.
1990, nach 20 Jahren Forschung, Biotherm
gehörte inzwischen zu L’Oréal, gelang es,
reinen Thermalplankton-Extrakt, also den
reinen und wirksamen Teil des Mikroorganismus, durch Biotechnologie zu isolieren
und nachhaltig zu produzieren. 2000 entdeckten die Biologen der Marke zusammen
mit der Stanford University, dass dieser Extrakt (MnSOD genannt) ein für die Haut
wichtiges „Lebensenzym“ stimulieren kann,
um so deren Abwehrkräfte zu stärken. Aus
Überzeugung, dass im blauen Element unseres Planeten die Zukunft liegt, setzt die Marke seit ihrem 60. Geburtstag im Jahr 2012
komplett auf die Blaue Technik, richtete eine Biotechnologie-Plattform ein und konzentriert sich auf die Entwicklung neuer
Moleküle aus aquatischer Biodiversität.
Eine Abteilung des Zentrums für Biotechnologie in Tours arbeitet im Rahmen der Erforschung, Isolierung und Kultivierung dieser
aus dem Meer und Frischwasser stammenden Mikroorganismen und Algen mit führenden Wissenschaftlern zusammen. Ihnen
ist es bereits gelungen, viele Moleküle der
nächsten Generation zu extrahieren. Hierzu
zählen die „Venuceane“, die in der Nähe von
hydrothermalen Quellen in verschmutztem
Wasser gedeihen und als UV- und Infrarotschutz eingesetzt werden, oder aber die antibakteriellen, gegen Unreinheiten wirkenden
Braunalgen L. Digitata, die sich durch Absonderung einer aktiven Substanz dem Bakterienwachstum widersetzen (wirken etwa
in „Pure.Fect Skin“). Oder Extrakte der Spirulina-Alge, die eine hervorragende Quelle
für Antioxidantien, für Betacarotin und
pflanzliche Omega-3- und -6-Fettsäuren darstellt. Sie wird in Meerwasserentsalzungsanlagen gezüchtet, wobei man auch noch CO2
reduziert, weil Spirulina es zum Wachstum
braucht (wie in der Serie „Skin Best“).
Bisher mochte ich vor allem die Legenden,
die sich um die Thermalquelle von Biotherm rankten: Als Hundefan besonders die
von dem Grafen, der seinem geliebten Tier
eines Tages folgte und sah, wie der schlaue
Hund sich die verletzte Schnauze im
Schlamm der Quelle von Molitg-Les Bains
rieb ... das leuchtet doch ein?
Wer aber braucht noch Legenden, wenn die
Zukunft der Schönheit derart faszinierend
aus den Tiefen unseres Blauen Planeten zu
uns hinaufsteigt. „Wir werden wohl noch
auf viele Erfolgsmodelle in den Tiefen stoßen, die die Evolution so belassen hat“, sagt
Forscherin Antje Labes und fügt hinzu: „Da
steht selbst der Wissenschaftler manchmal
staunend davor und überlegt, ob es nicht
doch etwas Unerklärliches, Größeres da
draußen gibt.“
BIOTHERM; MONTAGE: ICON
MARKENGESCHICHTE
Duft-Wasser
SS
Di
PS e Ne
An heißen Sommertagen
kann selbst das am Morgen aufgetragene Parfüm
schon zu viel des Guten
sein. Angenehmer sind in
diesem Fall die frischeren
Eau-de-Cologne-Varianten, die auch Hermès
seit Jahren kreiert. Nun
gibt es mit „Le Bain“ erstmals eine ganze Serie von
Seifen-, Bade- und Duschprodukten, die zum Beispiel nach „Un Jardin en
Méditerranée“ duftet.
S
t!
Wasser marsch!
Hello Sailor
Für Guerlain steht
fest: Im Anti-FaltenKampf kann es nur
eine „Waffe“ geben –
und zwar die Versorgung der Haut mit
Feuchtigkeit. So entstand schon 1987 das
„Super Aqua-Serum“,
2012 gab es eine neue
Rezeptur und in diesem Sommer nun
noch ein paar Verwandte, wie etwa die
„BB+Hydra“-Creme
(in zwei Farbtönen).
Sie soll einen ebenmäßigen Teint zaubern und gleichzeitig
Feuchtigkeit spenden.
Falls Sie demnächst mal
auf einer Yacht oder einem
kleineren Wasser-Gefährt
eingeladen sind – der neue
„Nautic Spirit“-Duft von
Baldessarini wäre ein sinniges Gastgeschenk. Der
Flakon ist nämlich inspiriert
von Schiffsbau-Materialien
wie Holz (achten Sie auf
das Deck), Metall und
Glas. Und natürlich vom
Blau des Meeres. Mit
Mango-, Ingwer- und
Moschus-Noten kommt
auch der Duft frisch und
belebend daher.
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Bella
Acqua
Es ist der sechste
Ort an den Mittelmeerküsten Italiens,
der nun von Acqua
di Parma und der
„Blu Mediterraneo“Linie geehrt wird.
Sardinien hat das
Glück und nun auch
einen eigenen Duft:
„Ginepro di Sardegna“ duftet nach
Wacholder (dessen
Geruch die Insel
prägt wie kein anderer), Salbei, Pfeffer
und Zedernholz.
Durstlöscher
Ohne Wasser und Sauerstoff könnten wir nicht
überleben. Auch die
Haut will mit beidem
ausreichend versorgt sein
– falls das (etwa in stressigen Zeiten) nicht der Fall
ist, sehen wir das dem
Teint an. Der neue, Gelartige „Skin Therapy
Moisture Booster“ von
Lancaster soll helfen, die
Haut mit einem Vitalstoff-Konzentrat sowie
einem Hyaluron-Komplex zu versorgen und ja,
den Durst zu stillen.
GETTY IMAGES (2); MONTAGE: ICON; ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
All-inclusive
All der vielen Tiegel
und Tuben im Bad
überdrüssig? Rettung
naht. Denn die neue
„Visionnaire Crème“
von Lancôme soll mit
einer hochwirksamen
Inhaltsstoff-Kombination korrigieren,
kaschieren und pflegen. Star-Molekül ist
das neu entdeckte LR
2412, das der Jasmonsäure entnommen wird,
die bei Pflanzen Alterung und Wachstum
reguliert. Eincremen
müssten Sie aber
noch selbst.
Mehr Meer
Gratulieren können wir
den Ozeanen nun nicht
mehr (der alljährliche
World Oceans Day war
bereits am 8. Juni). Aber
wir könnten zum Schutz
der Weltmeere beitragen.
Und zwar mit dem Kauf
des limitierten MeeresTiegel der Crème de la
Mer. Damit unterstützt
das Unternehmen in diesem Jahr die Biologin
Andrea Marshall, die mit
ihren Forschungsprogrammen die bedrohten
Mantarochen beschützt.
Tut allen Beteiligten gut.
43
Auf Zeitreise: Mit Architektur-Guide Robert Imber
(rechts) zu den schönsten
Plätzen der Stadt. Spots zum
Feiern: Das „Ace Hotel“ und
das „Tropical“
ARCHITEKTUR
Hier wird die Wüste cool
Einst die Rückzugs- und Partyzone von Hollywood-Stars, ist Palm Springs
heute der Hotspot für alle Design-Liebhaber. Zur jährlichen Modernism Week
stehen die Türen vieler Privatresidenzen offen. Silke Bender besuchte das wohl
schönste Open-Air-Museum für Mid-Century-Modern-Architektur der Welt
Fotografiert von René & Radka
D
44
ie späte Nachmittagssonne taucht die SanJacinto-Berge in ein
diffus-blaues
Licht.
Wie Wellen türmen sie sich im Hintergrund
der Wüste auf. Davor scheint sich das ausladende Dach des Besucherzentrums wie die
Flügel eines Manta-Rochens zu erheben. Das
„Visitor Center“ am Ortseingang ist eine ehemalige Tankstelle, erbaut 1965 vom Schweizer
Architekten Albert Frey und das erste architektonische Bijou, das die Besucher von Palm
Springs empfängt. Hier wartet Robert Imber
auf seine Tour-Gäste und während er seinen
Kaffee trinkt, grüßt er ungefähr jeden, der –
meist stilecht in einem Oldtimer-Cabriolet
mit Flossenheck – vorbeifährt. Imber bringt
es auf den Punkt: „Es ist ein Paradies hier.
Friede und Schönheit, wohin man blickt.“
Er ist das wandelnde Architektur-Lexikon von
Palm Springs und kennt die Geschichte und
die Bewohner fast jedes Hauses. Seit 2003 bietet der Architektur-Enthusiast mit seiner Firma „Palm Springs Modern Tours“ Führungen
zu den Zeugnissen des „Mid-Century Modern“-Stils. Nirgends auf der Welt findet sich
moderne Baukunst aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in geballterer Form, nir-
gends ist der Swing der Sinatra-Ära so spürbar
wie hier. Es ist wie eine Zeitreise zurück in die
50er-Jahre, deren Gesicht jedoch keine einzige Falte bekommen hat und deren Glamour so
sexy ist, dass heute 40.000 Design-Liebhaber
jährlich zur „Modernism Week“ pilgern. Tendenz: ununterbrochen steigend.
Warum ausgerechnet ein Wüstenkaff zum
Mekka der Architektur-Avantgarde wurde? In
den 20er-Jahren entdeckten die wohlhabenden Leute aus Los Angeles die Wüste als Winter-Refugium, wegen des beständigen Klimas
und um dort in den heißen, natürlichen Quellen zu baden. Sie beauftragten die österreichischstämmigen Baupioniere wie Richard
Neutra oder Rudolph Schindler, ihnen dort
entsprechende Residenzen zu bauen. Zusammen mit dem Corbusier-Schüler Albert Frey
brachten diese die Ideen der europäischen
Moderne und des Bauhauses in die Wüste und
entwickelten mit ihren amerikanischen Kollegen wie Donald Wexler, E. Stewart Williams
oder William F. Cody einen ganz eigenen „Desert Modernism“.
„Doch erst mit den Hollywood-Stars wurde
Palm Springs zum Place-to-be, zum glamourösen Treffpunkt des Jetsets“, erzählt Imber.
Marilyn Monroe, Cary Grant, Bob Hope, Wil-
liam Holden, Elvis Presley: Alle ließen sich
dort Wochenendhäuser bauen, um es – von
den Knebelverträgen der Filmfirmen beurlaubt – dort so richtig krachen zu lassen. Palm
Springs liegt nur rund 100 Meilen von Los Angeles entfernt, und die meisten Verträge sahen
vor, dass sich die Stars nicht weiter als genau
ebendiese von den Studios entfernen durften.
Zudem sah eine Klausel vor, dass sie sich in
diesem Bannkreis gefälligst moralisch einwandfrei zu verhalten hätten. „Wenn Frank Sinatra sein Rat Pack um Dean Martin und Peter
Lawford zum Saufen einlud, hisste er die USFlagge zwischen den Zwillingspalmen in seinem Garten“, sagt Imber lachend, während
wir an dem Haus vorbeifahren.
Das von E. Stewart Williams 1947 erbaute
Twin Palms Estate gilt als ein Musterbeispiel
des Desert Modernism: Die schlanken, scheinbar schwerelosen Formen und die leichten
Dächer aus Aluminiumkonstruktionen, die zu
schweben scheinen und unter denen große,
verschiebbare Fensterflächen das Innen und
Außen aufheben und die Natur integrieren:
Felsen und Bäume werden von den Mauern
umarmt, das Sonnenlicht wird als Gestaltungselement eingesetzt: In der Sinatra-Villa
beispielsweise malen die Schatten der Arka-
Schön bunt hier: das Saguaro Hotel.
Darunter: Alles Vintage bei Modernway. Inhaber Courtney Newman vor
seinem 68er Prototyp-Cadillac
den am flügelförmigen Pool mittags eine Klaviatur aufs Wasser.
Die Sinatra-Villa ist heute als Ferienhaus für
etwa 2600 Dollar pro Tag zu mieten – und gerade besetzt, wir müssen also draußen bleiben. „Das meiste ist noch original darin“, weiß
Imber. „Sogar das Aufnahmestudio, auf dem
Frankie seine Songs zu ‚Capitol Records‘ nach
L.A. überspielte. Und es gibt noch das zersprungene Waschbecken im Bad. Dort haben
sich Sinatra und Ava Gardner einen handfesten Ehekrach geliefert, bei dem sie eine Whiskeyflasche nach ihm geworfen hat.“
Auch das Kaufmann-Haus von Richard Neutra, einer der berühmtesten Bauten der Stadt,
ist nur von außen zu sehen. Das Besitzerpaar
hat sich scheiden lassen, die Versteigerung bei
Christie’s brachte vor sechs Jahren 19 Millionen Dollar. Gerüchte sagten, Brad Pitt sei der
anonyme Bieter gewesen. Doch letztlich
scheiterte der Verkauf an Vertragsdetails.
Wie harmonisch Sonnenlicht, Architektur
und Natur in der Innenansicht funktionieren,
sehen wir im Haus von Imbers Freund Chris.
Er bewohnt eines der sechs Modellhäuser mit
dem
charakteristischen,
schwebenden
Schmetterlingsdach von 1957, die die Architekten Palmer + Krisel für den Bauunterneh-
mer Alexander schufen. Nicht nur sein Oldtimer vor der Tür huldigt dem Chic der Zeit.
Chris, Architektur-Fan wie Imber, hat alles –
vom Stuhl bis zur Lampe – mit Designklassikern und Vintage-Objekten eingerichtet und
ließ das Haus sogar wieder im matten Olivgrün des Originalentwurfs streichen. „Es ist
einfach ein Glück, hierin zu leben“, sagt der
stolze Bewohner. „Es ist eine Bauweise, die
den Menschen mit sich und der Natur versöhnt.“ Und weil es so schön ist, kaufte er
gleich nebenan noch ein zweites dazu, diesmal ein Flachdach-Haus in modularer Bauweise, und renovierte es nach dem gleichen
Prinzip. Die Perle mit dem originalen
Hermès-Sofa aus den 50er-Jahren will er nun
für stolze 842.000 Dollar verkaufen.
Immer mehr wohlhabende Design-Aficionados wie er haben sich in den vergangenen
zehn Jahren wieder in Palm Springs niedergelassen und arbeiten daran, das großartige architektonische Erbe zu erhalten. Das war
nicht immer so. In den 80er-Jahren fing der
Glamour Palm Springs’ nämlich an, Krampfadern zu bekommen. Golfspielende Rentner
übernahmen die Stadt und kauften die damals
als Ladenhüter geltenden Häuser zu Spottpreisen, ließen sie abreißen oder gestalteten
sie neu im Toskana-Stil. „So richtig mit Stuck,
Springbrunnen und antiken Säulen“, sagt Imber – und kann nicht anders, als sich ob dieser
ästhetischen Entweihung einmal kräftig zu
schütteln. Der Zeitgeist änderte sich erst über
20 Jahre später. 1999 kamen das berühmte
Coachella-Festival und angesagte Bands in die
Wüste. Stilikonen wie Tom Ford kauften Neutra-Häuser. Fotografen wie Steven Klein oder
Bruce Weber adelten die Architektur in opulenten Fotostrecken namhafter Magazine.
Auf der Tour durch die „El Rancho Vista Estates“ stehen zehn der 75 Privathäuser offen –
und in ausnahmslos allen begrüßen ziemlich
frische Besitzer. In der Regel Kreative aus
Film, Werbung und Design, die sich hier einen stilechten Wohntraum geschaffen haben.
Die die Martini-Poolparty-Kultur neu beleben
oder Kunst-Events veranstalten wie die junge
Fotografin Jaime Kowal, die seit zwei Monaten das Mid-Century-Modern-Gästehaus „The
Amado“ betreibt.
Im Garten eines der Häuser der „El Rancho
Vista Estates“ sitzt als Ehrengast der Architekt
persönlich: Donald Wexler, die 88-jährige Architekturlegende von Palm Springs, der auch
den Flughafen der Stadt baute. Als junger Ar3
chitekt fuhr er von Minnesota mit dem
45
Die junge Fotografin Jaime Kowal
betreibt das Gästehaus „Amado“,
Kunstparties inklusive
Dieses Haus zum Beispiel
könnte man für gut 800000
Dollar kaufen
Schöner urlauben:
Die „El Rancho
Vista Estates“
waren eines der
ersten großen
Bauprojekte von
Architekt Donald
Wexler (unten)
Wüstenblumen: Schon die
Vorgärten in Palm Springs
sind Kunstwerke der Natur
46
3 Auto nach Los Angeles, um sein Vorbild Richard Neutra zu treffen. „Er hat mich sofort
eingestellt“, sagt er grinsend. Dann machte
Wexler sich selbstständig und wurde ein Pionier der Stahlkonstruktion im privaten Hausbau. „Diese Häuser hier habe ich 1960 als eines
meiner ersten Projekte gebaut – als günstige
Feriensiedlung für die wachsende Mittelschicht. Ein Haus kostete nur etwa 35.000 Dollar“, erzählt er. „Unglaublich, dass sie heute eine solch hippe Klientel begeistern. Es ist wunderbar. Diese Leute bewohnen diese Häuser
viel schöner, als ich mir das je erträumt hätte.“
Und dann flüstert er verschwörerisch: „Vor
ein paar Tagen erst hat Leonardo DiCaprio ein
Haus von mir gekauft. Wurde mir erzählt.
Wissen kann ich es natürlich nicht.“ Es handelt sich um das 650 Quadratmeter große Anwesen, das Wexler 1965 für die Lesben-Ikone,
Sängerin, Golfspielerin und TV-Moderatorin
Dinah Shore baute, die dort die rauschendsten
Partys von Palm Springs gab.
Das junge Hollywood kommt offenbar zurück
nach Palm Springs. Ihr Lieblingshotel ist das
„The Parker“. Dieses von Design-Star Jonathan Adler im Edel-Hippie-Stil gestaltete Hotel zelebriert einen ziemlich lässigen Luxus.
Wegen des weitläufigen, wie ein Labyrinth
konstruierten Gartens – Verlaufen auf dem
Weg zum Zimmer ist gewolltes Programm –
gibt es Hunderte verschwiegener Ecken für
diskrete Tête-à-Têtes. Hier
checkten als welche der ersten
Gäste 2005 der frisch verliebte
Brad Pitt mit Angelina Jolie ein, als „Mr. &
Mrs. Smith“, nach dem Film, in dem sie sich
kennenlernten. Cate Blanchett, Keanu Reeves,
Jake Gyllenhaal oder Charlize Theron wurden
auch schon gesichtet. Wer einen draufmachen
will, geht jedoch besser ins „Ace Hotel“. Aus
dem Motel und ehemaligen Fast-Food-Laden
„Denny’s Diner“ in der typisch kalifornischen
50er-Jahre-Googie-Architektur ist die neue
Partyhochburg geworden. Sobald die Sonne
hinter den Bergen verschwunden ist, beschallen DJs die Pool-Landschaft und heben die
Gäste mit den trainierten Bäuchen im Wasser
die Martini-Cocktails. Man kann Robert Imber nur recht geben: Schönheit, wohin man
blickt. Palm Springs ist ein
einziger ästhetischer Overkill. Ein in Architektur destillierter Lebensstil, der
süchtig macht.
Touren mit Robert Imber im
Internet unter: www.palmspringsmoderntours.com
Die nächste Modernism
Week findet vom 12. bis 22.
Februar 2015 statt,
www.modernismweek.com
Donald Wexler (unten)
freut Palm Springs’
Boom: Die neuen
Hipster „bewohnen
diese Häuser viel
schöner, als ich mir das
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Cooler Wurf – Strandball
als Tischleuchte. Von
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Frühling ist die Art der Natur, uns
zu sagen „Let’s party“. Das gilt auch
für den Sommer, oder? Die Möbelindustrie ist vorbereitet. Kaum ein Unternehmen, das nicht plötzlich Buntes für
draußen dekoriert. Die italienische Designerin Paola Lenti entwarf Sonnenschirme, die mit
angedockten Poufs wie kleine Inseln aussehen, der
Brite Toby Sanders dachte an sein Kinderspielzeug
und stellt Gute-Laune-Leuchten aus gestreiften Wasserbällen her. Das spanische Design-Team Imaisde hat aufblasbare Liegen entworfen, die jedem Rasen „Miami-BeachFlair“ verleihen. Elegante Karaffen und Gläser dürfen jetzt
auch sorglos ins Freie: Mario Luca Giusti hat eine ganze Kollektion edlen Geschirrs in klassisch-opulenten Formen designt. Erst
beim Berühren stellt man fest: alles Plastik.
Was noch fehlt? Wasser, am besten in einem großen Becken. Eine
Einladung zu einer Pool-Party verspricht bei steigenden Temperaturen einen Kurzurlaub. Swimmingpools waren Hauptdarsteller in
legendären Hollywood-Hits: Grace Kelly tanzte mit Frank Sinatra in
„Die oberen Zehntausend“ am Beckenrand entlang, Dustin Hoffman träumte auf einer Luftmatratze in „Die Reifeprüfung“, Romy
Schneider und Alain Delon in „Swimming Pool“.
Um der eigenen Party etwas Hollywood-Charme zu verleihen,
könnte man die Tipps der besten Film-Schwimmerin von allen, Esther Williams, berücksichtigen. Ihr Rat: „Haben Sie immer etwas
Schwanenförmiges in Ihrem Garten. Schwan ist klasse. Flamingos
sind für ordinäre Frauen, die Badetücher als Strandlaken verwenden.“ Oder, ein Zitat aus der „Huffington Post“: „Wenn Sie einen
Pool besitzen, ist es nur anständig, ein Pool-Haus zu haben, das größer ist als Ihr erstes Apartment und es sollte, richtig geraten, genügend Tequila geben.“ Ach so, Sie haben gar keinen Pool? Macht nix!
Man kann ja auch zu zweit im gerade eröffneten „Hotel Molitor“ in
Paris feiern. Ehemals das „Piscine Molitor“ und im 16. Arrondissement gelegen, verfügt das Hotel über einen 33 Meter langen Pool in
Art-déco-Szenerie. Hier hat schon Johnny Weissmüller Schwimm−
unterricht gegeben. Oder doch lieber ein Trip zum höchsten Pool
der Welt? In Singapur kann man im „Marina Bay Sands“ 200 Meter
über der Erde planschen, 150 Meter des insgesamt 340 Meter langen
Dachgartens nimmt der Pool ein.
Aber natürlich gehen Pool-Partys auch anders. Planschbecken sind
wunderbare Getränkekühler, das Designstudio Poetic Lab stellt mit
dem österreichischen Traditionshaus Lobmeyer Leuchten her, deren Schatten Wasseroberflächenreflexe auf Wänden schimmern
lassen, und India Mahdavi, Interior- und Möbeldesignerin aus Paris,
hat in Miami eine elegante Hotel-Dachterrasse mit einem Trick in
einen der angesagtesten Hotspots verwandelt: Wasserbetten! In Kalifornien finden die coolsten Pool-Partys übrigens auf dem Trockenen statt: Da feiern Skater die Kurven in leeren Swimmingpools.
Nein, sie sind nicht echt.
Aber goldig! Beistelltisch „Up
in the air“ von Viccerba
Imaisde ein Star
Für das Nickerchen am Nachmittag:
Liege „Dormeuse Hervé“ von Driade
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Dies ist ein Tisch und
kein Abfallkorb. „Mesh“
von Kettal
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So
ZUSAMMENGESTELLT VON ESTHER STRERATH
t.d
Die Idee zu „Kaskad“ war ein Wasserfall.
Die Interpretation: der Gitterlook. Von Nola
Knackiges Leichtgewicht und
zusammenklappbar: RelaxChair von „A Lot Of Brasil“
47
Alles klar
„Cool Water“ heißt Davidoffs
Verkaufsschlager bei den
Herrendüften. Der Name ist
Verpflichtung: Gemeinsam mit
dem „National Geographic“
kümmert sich das Unternehmen
um die Weltmeere. Philip
Cassier war vor der Küste
Mosambiks dabei
48
Gleichgewicht:
Die kleinen Fische sind
nicht zur Zierde da –
sie putzen die Qualle
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rgendwann an diesem Mittwochvormittag, andernorts werden gerade Koteletts für die Kantine geklopft, ist es am Strand des Indischen Ozeans so weit: Die Welt
sieht tatsächlich aus wie im Werbefernsehen. Die Geschichte, die der
Spot für diesen Herrenduft erzählt,
darf man als überschaubar bezeichnen: Ein unglaublich gut gebauter Beau entsteigt den unendlich blauen Fluten des Meeres, am Strand beobachtet ihn dabei eine Frau mit Idealmaßen. Beide
sehen nicht so aus, als seien sie vor Ort, um nach
dem Bad die Vor- und Nachteile der Nimzoindischen Verteidigung beim Schach zu diskutieren.
Eine maskuline Stimme aus dem Off intoniert die
Worte „Davidoff Cool Water – the power of cool“.
Das war’s. Vor der Küste Mosambiks fehlt nun abgesehen von Beau und Frau nichts: Da ist er, der
sattblaue Himmel, dem ein paar Wölkchen Kontur
geben; da ist es, das Wasser, das zwischen Tiefblau
und Türkis changiert; da sind sie, die Wellen, die
genau hoch genug kommen, damit sich die Sonne
tausendfach in ihnen brechen kann. Und über dieser Wasserwelt liegt die Erkenntnis, dass es Dinge
gibt, die nur die Natur vermag. Der Mensch inszeniert sie mehr oder weniger gut. Aber er sollte
sich hüten, sie auszubeuten.
Davidoff baut einen Teil seines Images seit geraumer Zeit darauf auf, das verstanden zu haben: Die
Marke beteiligt sich an Expeditionen des „National Geographic“ – jener amerikanischen Institution, die bis heute Wissenschaft und Journalismus
so einzigartig verbindet – in Meeresgebiete, die
ihr ökologisches Gleichgewicht gehalten haben.
Wochenlang wird gesegelt, getaucht, gemessen
und analysiert, damit das so bleibt. PR-Effekte
sind dankend erbeten: Als der Designer Pierre
Bourdon erstmalig Koriander mit Lavendel mixte
und „Cool Water“ vor mittlerweile 29 Jahren auf
den Markt kam, gab es in Deutschland jährlich
zwei neue Herrendüfte. Das Rezept lag sogar jahrelang in der Schublade. Mittlerweile werden
jährlich weltweit 230 Herrenwässerchen eingeführt, die allermeisten finden den Weg in die Bundesrepublik. Man muss sich etwas einfallen lassen, wenn man unter den Topsellern bleiben will.
Die Mission vor der Küste Mosambiks ist bereits
die zehnte dieser Art und die sechste, die das Haus
sponsert. Thomas Lalague, der Marketing Director von Davidoff, ein eleganter Franzose um
die 40, sagt am Strand der Insel Bazaruto mit
Blick auf die Kulisse offen: „Es ist nicht unsere
Aufgabe, die Welt zu retten.“ Aber dass man die
Ozeane liebe, das dürfe man bei einem Unternehmen schon für wahr halten, dessen Verkaufsschlager das Wort Wasser im Namen trägt und Meeresfrische verspricht. Wer ein Flakon aus der „Love
the Ocean“-Serie ersteht, hilft nach Berechnungen des „National Geographic“ dabei, 10.000 Quadratmeter Ozeanfläche zu schützen.
Die Parfumhersteller sind also nicht nur nach Mosambik gekommen, weil das Meer so gut zum
Werbespot passt (der letzte wurde übrigens nicht
hier, sondern auf Hawaii gedreht). Das Land kann
Aufmerksamkeit generell sehr gut gebrauchen.
Nach 16 Jahren Bürgerkrieg herrscht große Armut. Die Insel Bazaruto ist einer der wenigen Flecken, in denen wenigstens der Tourismus funktioniert. Zwei hochklassige Resorts haben sich hier
angesiedelt. Wegen des Ozeans eben – und weil es
die Malaria, eine weitere Geißel Mosambiks, nicht
hierhergeschafft hat. Ihr Trinkwasser gewinnen
die Resorts selbst. Doch auch hier gibt es eine 3
49
ENRIC SALA
Zweimal Cool Water: Vor Mosambik bieten Korallenriffe und
Seegrasweiden Biotope für
seltene Fischarten. Im Flakon ist
der Duft ein Verkaufshit
50
3 Kehrseite, man kann sie bei einem simplen
Strandspaziergang erleben: Schwarze Kinder
spielen im Watt mit einer Lumpenkugel Fußball. Auf die Weißen, die vorbeiflanieren, laufen sie lachend zu. Noch so ein Bild aus dem
Fernsehen. Die Gäste wollen sich schon freuen, da hören sie die Worte: „Money, Mister,
please, Money.“ Mehr Worte beherrschen die
Kinder auf Englisch nicht. Aber die Weißen
haben kein Geld dabei, und so verlieren die
Einheimischen schnell das Interesse.
Paul Rose, der britische Expeditionsleiter des
„National Geographic“, sagt, die Mission habe
nicht nur den Zweck, den Ozean zu erforschen. Seinen Männern gehe es auch darum,
Mosambik bei diversen Umweltkonferenzen
auf die Tagesordnung zu setzen, sodass die
Welt überhaupt Notiz nehme. Einem wie ihm
ist das problemlos zuzutrauen: Jeder Quadratzentimeter dieses Mannes, der durch seine
BBC-Dokumentationen in der angelsächsischen Welt den Status des „Indiana Jones of
the oceans“ erreicht hat, strahlt Tatkraft aus:
Der kurze ergraute Schopf, die stahlblauen
Augen und der drahtige gebräunte Körper erzählen von einem Leben als Abenteurer. Mehr
als 8000 Tauchgänge hat Rose, dem es als Jugendlichen im englischen Essex schnell zu
eng wurde, hinter sich: In den Ozeanen, in der
Antarktis, einfach überall, wo es Wasser gibt.
Zu Beginn des Gesprächs sagt er, eben gerade
sei er noch knapp an einem Bullenhai vorbeigeschwommen – einem gefährlichen Zeitgenossen. Doch wo man bei anderen automatisch von Seemannslatein ausginge, da würde
man die Worte bei Rose nie in Zweifel ziehen.
Besonders interessant macht das Seegebiet
für seine Mannschaft, dass sich hier tropische
Meeresströmungen mit kälterem Wasser mischen. Ein einzigartiges Biotop für seltene Lebewesen wie Dugongs, eine seltene SeekuhArt, Riesenmantas und Haie. Aber auch die
Korallenriffe und Seegrasweiden haben die
Forscher im Blick: Sie sind der Lebensraum
und das Futter für Hunderte Krabben- und
Fischarten, sie wiederum dienen als Nahrung
für die großen Meeresbewohner. Ein fragiles
Gleichgewicht, bisher fast ungestört. Den örtlichen Fischern stehen kaum Motorboote zur
Verfügung, sie stellen keine Gefahr dar.
Die ersten Wochen an Bord der beiden Boote,
die dem 20-köpfigen Team zur Verfügung stehen, waren härter als gedacht. Viel Wind und
Regen, eigentlich sehr untypisch für diese Region, sagt Rose. Er lädt zum Besuch auf die
„Ocean Adventurer 2“ ein, dem größeren der
Katamarane. Das Meer ist ruhig an diesem
Abend. Das Schlauchboot, das zum Ziel
bringt, schaukelt kaum, die Abendsonne
wärmt Gesicht und Oberkörper. Als die Besucher über das Heck aufentern, strecken sich
ihnen kräftige Männerhände entgegen und
ziehen sie an Bord. Roses Crew besteht aus
sonnengebräunten Kerlen im Alter von Mitte
20 aufwärts. Sie eint, dass sie bei ihren Einsätzen schon einmal in ernster Gefahr schwebten: Ihre Gesten, ihre Sprache – alles ist abgezirkelt, eine harte Genauigkeit, in die sich Bescheidenheit mischt. Alle erzählen von einem
Leben, das es gebietet, für ihre Sache für Wochen und Monate auf die Lieben zu verzichten. Obwohl sie, wie Rose es sagt, durch die
moderne Technik schon erreichbarer seien
als in den 70er-Jahren. Damals hat er begonnen – und wer auf eine Expedition ging, der
war erst einmal weg. Die meisten kamen wieder. Manche aber eben auch nicht.
Der Bordtag auf der „Ocean Adventurer 2“
geht von 4.30 Uhr bis kurz vor Mitternacht.
Die Ergebnisse der Tauchgänge – im Schnitt
sind Rose und die Seinen mehr als zwei Stunden am Stück unter Wasser – müssen nach
Einbruch der Dunkelheit direkt notiert und
ausgewertet werden. Man lernt sich hier gut
kennen, auf Rückzugsmöglichkeiten haben
die Konstrukteure so gut wie verzichtet. Ein
paar doppelstöckige Kojen, mehr ist nicht. Die
Betten haben keine Sicherungsnetze am
Rand. Wie sich das denn bei einem Sturm anfühle, will einer der Besucher wissen. Der
Bordarzt, ein sanfter Mittdreißiger aus Australien, antwortet beiläufig, Katamarane seien
glücklicherweise so konstruiert, dass sich die
Wellenbewegungen kaum auf das Boot übertrügen. Man will trotzdem nicht tauschen.
Ein Blick in die winzige Küche lehrt endgültig
Demut. Wie es dem Koch an Bord gelingen
soll, auf diesem Quadratmeter für eine ganze
Besatzung zu sorgen, ist kaum vorstellbar.
Trotzdem schwärmen sie an Bord von den gemeinsamen Mahlzeiten, vor allem vom frischen Fisch. Wer einmal Meeresgetier aus dieser Region probiert hat, wird das begreifen.
Bier und Wein sind ebenfalls vorhanden, die
Besucher bekommen einen tiefen Schluck.
Vielleicht, so denkt man auf der Brücke mit
Blick in den Sonnenuntergang, vielleicht sind
diese Typen in Wirklichkeit so etwas wie
Süchtige, die an der Nadel hängen. Dann wiederum ist noch kein Quadratmeter Ozean von
Leuten geschützt worden, die am Schreibtisch großen Gedanken nachhängen und aufschreiben, was dringend mal nötig wäre.
Um die Einzigartigkeit dieses Seegebiets kennenzulernen, muss man übrigens nicht einmal tauchen können. Bereits ein Schnorchelausflug reicht. Das Wasser hat laue 28 Grad,
wenn etwas davon in Mund und Nase kommt,
dann brennt und beißt es nicht wie anderswo.
Das Panorama ist zu überwältigend, um es
vollkommen zu erfassen: Sind diese fliegenden Fische da Barrakudas? Wie weit reichen
bloß die Korallenriffe? Wie nennt man diese
Fische in dem gelbblauen Schwarm, der da in
circa acht Meter Entfernung durchs Wasser
zischt? Verscheuche ich auch die Riesenschildkröte nicht, die da ganz gemütlich vor
sich hinpaddelt? Und – ups – dahinten, ist das
nun eine Seekuh, ein Manta, ein Hai oder doch
nur das Hirngespinst des Europäers? Ein wenig trüb ist der Ozean durch das viele Plankton ja schon, also besser nicht nervös werden
(man wird’s natürlich doch, und zwar ziemlich). Es ist ein Blick in eine Welt, die viel zu
vielen Menschen verschlossen bleibt. Sonst
würden sie darauf kommen, dass sie unbedingt fortleben muss: „Man schützt nur, was
man liebt, und man liebt nur, was man kennt“,
das ist ein feststehender Ausspruch beim „National Geographic“. Nach der Schnorchel-Expedition leuchtet er erst so richtig ein.
Die Institution hat errechnet, dass elf Prozent
der Landflächen weltweit unter Naturschutz
stehen. Beim Wasser sind es nur 1,4 Prozent.
Was also tun, wenn die großen Energiekonzerne der Welt beginnen sollten, sich für ein
Seegebiet wie dieses zu interessieren? Paul
Roses Antwort ist sehr pragmatisch: Seiner
Erfahrung nach wiegen die wirtschaftlichen
Interessen gerade in armen Ländern wie Mosambik stets so schwer, dass sie nichts aufhält.
Wenn die Expedition das Ergebnis habe, ein
Regelwerk zu etablieren, an das sich die Konzerne halten müssten, dann sei schon viel erreicht. Vor allem aber dürfe die industrielle
Fischerei keinen Einzug erhalten. Ein moderner Fischtrawler sei so furchtbar effizient,
dass er das Gleichgewicht in sehr kurzer Zeit
für Jahre zerstören könne. Man sei mit der Regierung in Gesprächen, nachdem erste Messungen ergeben hätten, dass die Unterwasserwelt so gut wie unberührt sei.
Beim Abendessen unter einem funkelnden
Sternenhimmel erzählt dann Terry Garcia, ein
Bekannter Barack Obamas, der sich beim „National Geographic“ um die Koordination der
Expeditionen kümmert, die Geschichte von
Ernest Shackleton. Die Grillen zirpen, das
Meer säuselt harmlos vor sich hin, und doch
passt die Geschichte dieses rastlosen Polarforschers – er starb im Jahr 1922 vor seiner dritten Antarktismission in Georgien – an diesen
Strand. Die Besatzung für seine Schiffe rekrutierte Shackleton durch Zeitungsanzeigen: In
ihnen war von einem Job in totaler Dunkelheit die Rede, bei miesem Essen in grauenhafter Kälte. Dafür winke im unwahrscheinlichen Fall des Erfolges ein wenig Ruhm. Angeblich hat es immer fünfmal mehr Bewerber
für den Trip gegeben als Plätze an Bord. Das,
sagt Garcia, sei der Geist, den seine Institution
noch immer suche. Den es auch noch immer
gebe, erst vergangenes Jahr sei ein Tornadoforscher in Diensten seiner Institution bei der
Arbeit gestorben. Doch die nächsten Expeditionen, wieder mit finanzieller Hilfe Davidoffs, sind schon in Vorbereitung.
Als sich der Besucher am nächsten Morgen
voller Wonne in die Fluten stürzt, muss er an
Garcias Worte denken. Das Wasser fühlt sich
anders als gewohnt an. Noch seidiger und angenehmer. Vor allem aber viel kostbarer.
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forget me not“ von Carthusia
51
OBERWASSER
Die Welle als Droge
Eddie Vedder, das ist der Typ von Pearl Jam, auf den so viele Frauen stehen.
Er selbst steht besonders gern auf einem Surfbrett. Martin Scholz erzählte er,
warum ihm das beim Komponieren hilft – und was ihn an den Beach Boys stört
Z
52
Zu Zeiten der GrungeÄra wollte jede Gymnasial-Pausenhofqueen
ihn gern persönlich
kennenlernen.
Gute
Aussicht, in einer Kategorie „Duette mit berühmten Rock-Ikonen“
irgendwann ins Guinnessbuch der Rekorde
einzuziehen, hätte er obendrein gehabt. PearlJam-Sänger Eddie Vedder trat mit den Rolling
Stones, The Who, mit Paul McCartney, U2,
Bruce Springsteen, den Doors, Neil Young,
REM, den Ramones, Tom Petty, den Kings of
Leon, Iggy Pop, Jay-Z oder Beach-Boy Brian
Wilson auf. Warum er das macht? „Ich kann
immer noch ein bisschen dazulernen“, sagt er,
„bei den meisten der genannten hätte es mir
schon gereicht, wenn ich nur einen Kaffee mit
ihnen getrunken hätte. Mit ihnen auf der Bühne zu stehen – das ist jedes Mal aufs Neue ein
Ausnahmezustand.“ Der 49-jährige Amerikaner liebt Ausnahmezustände – nicht nur auf
der Bühne, sondern vor allem auf den Ozeanen. Noch bevor er anfing, erste Songs zu
schreiben, war er Surfer. Das ist er immer
noch. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, sich mit einem Brett in die Wellen zu stürzen, nutzt er sie. Selbst auf Tournee. Sofern
ein Ozean in der Nähe ist. Zurzeit stellen Pearl
Jam ihr Album „Lightning Bolt“ (Universal)
auf einer Welt-Tournee vor. Wenn die Band allerdings am 26. Juni ihr einziges Konzert in
Deutschland in der Berliner Wuhlheide gibt,
dürfte das mit dem Surfen schwierig werden.
Aber wer weiß – vielleicht sieht man ihn tags
darauf zumindest beim Windsurfen auf dem
Wannsee oder Müggelsee.
Mr Vedder, Ihr Landsmann, der Schriftsteller
John Irving, hat mal ein Buch über Gemeinsamkeiten zwischen Sport und Kunst geschrie-
ben. Er schildert darin, wie seine große Leidenschaft, das Ringen, immer wieder auch
sein Schreiben inspiriert. Könnten Sie so etwas
auch über Surfen und Songs schreiben?
Mit Sicherheit. Meine Leidenschaft fürs Surfen hat immer wieder meine Musik befeuert.
Und das ist bis heute so geblieben. Dieses
Buch von Irving kannte ich bisher noch nicht.
Was genau hat er denn über das Ringen und
Literatur geschrieben?
Beispielsweise, dass er als Literat im wahrsten
Sinne des Wortes mit seinen Romanen, mit den
Wörtern, mit den Abschnitten ringe. Dass man
auf „eine Geschichte zugehen muss wie auf einen Gegner“.
Verstehe. Er profitiert als Schriftsteller von
der Perspektive und den Techniken des Ringers. Das geht mir als Sänger und Songschreiber ganz genauso. Es gibt viele Eindrücke und
Erfahrungen beim Surfen, die mich später
Jaaaaaaa. Ich bin mir dieses Films sehr bewusst. Ich würde sagen, er schafft es unter die
ersten drei meiner Liste mit Surffilmen
Ein beeindruckender Film.
Moment. Ich war noch nicht fertig. Ich wollte
sagen: Er kommt unter die ersten drei auf
meiner Liste der schlechtesten Surffilme aller
Zeiten. (lacht)
Autsch! Was finden Sie so schlimm daran?
Sie stellt die Surferszene in dem Film einfach
völlig verzerrt dar.
REFLEX; UNIVERSAL MUSIC
Sie wollen sagen: Es gibt nicht so viele Surfer,
die, wie in dem Film, Banken ausrauben,
wenn sie mal nicht auf Wellen reiten?
Ja. Also, ich bitte Sie. Das ist doch wie ein
Cartoon.
„Wenn du surfst, spürst du, dass es tief
in der Welle diese große Kraftquelle
gibt“, sagt Eddie Vedder
beim Komponieren inspirieren. Da ist zum
Beispiel diese ungeheure Kraft, die in einer
Welle steckt. Aber standen Sie überhaupt
schon mal auf einem Surfbrett?
Offen gestanden, nein. In Berlin, wo ich arbeite, gibt es nicht so viele Wellen. Aber meine beiden Söhne haben vor einem Jahr mit dem
Windsurfen angefangen. Ich habe ihnen geholfen, ihre schweren Surfbretter an den
Strand zu schleppen. Reicht das, um dieses Gespräch weiterzuführen?
Besser als gar nichts. (lacht) Da haben Sie
schon mal ein Brett in der Hand gehabt.
Es gibt zahlreiche Filme, die sich der Faszination des Surfens widmen. Oscarpreisträgerin
Kathryn Bigelow beispielsweise hat in „Gefährliche Brandung“ Keanu Reeves und Patrick Swayze als surfende Widersacher inszeniert. Kennen Sie den Film?
Es ist eben ein Thriller: Aber sie zeigt auch
sehr eindrucksvoll die Momente der Grenzerfahrung, wenn die Wellen über Surfern zusammenbrechen und sie nicht darauf vorbereitet sind.
Na, in dem Fall bin ich froh, dass dieser Film
bei Ihnen offenbar doch eine gewisse Essenz
dessen vermittelt hat, was das Surfen eigentlich ausmacht. Diese enge Verbindung zur Natur, die man als Surfer ständig hat. Und diese
Konfrontation mit großen Wellen und kritischen Situationen, die man jedes Mal aufs
Neue wieder durchstehen muss. Das ist ein
fantastisches Erlebnis. Ich persönlich würde
Ihnen allerdings andere Filme empfehlen:
den Dokumentarfilm „Riding Giants“ von Stacy Peralta sowie „Step Into Liquid“ von Dana
Brown. Da werden die höchsten Wellen der
Welt gezeigt. Diese Filme werden Sie läutern.
Sie surfen, seit Sie als Teenager nach San Diego kamen, und machen das auch heute noch,
sogar wenn Sie auf Tour sind, sofern es der
Zeitplan erlaubt. Was ist es, das Sie seit Jahren
so sehr am Surfen fasziniert?
Wenn ich auf meinem Surfbrett im Ozean
treibe, ist das für mich einfach der beste Ort
der Welt. Da kann ich mich fokussieren und
auch meditieren. Eben weil ich dort nichts anderes mache, als mich auf die nächste Welle
zu konzentrieren.
Auf dem Ozean gibt es ja nicht nur Wellen und
Sonne. Sie haben mal erzählt, dass Begegnungen mit Haien diese Erfahrung eher trüben
würden. Haben Sie nie Angst, wenn Sie vor
den Küsten Hawaiis oder Kaliforniens surfen?
Keiner wünscht sich Haie beim Surfen. Aber
wir Surfer machen über so was kein großes
Gerede. Einmal ist ein Hai beim Surfen hinter
mir hergeschwommen – ohne dass ich es bemerkt hätte. Ein paar Freunde waren dabei
und haben es mir erst später erzählt, nachdem
wir wieder an Land waren. Wissen Sie, die
meiste Zeit bin ich da draußen in einem ganz
anderen Aggregatzustand.
Sie haben diese Erfahrung oft in den Songs
von Pearl Jam geschildert: „I’ll ride the wave
where it takes me“, singen Sie in „Release“ oder
in einem anderen Lied vom Gefühl, „Amongst
The Waves“ zu sein.
Auf dem Brett wird mein Kopf frei. Dann
kommen die Melodien. Ich bin da draußen auf
dem Ozean kreativer, als wenn ich zu Hause
am Schreibtisch sitze, so viel steht fest. Aber
das Surf-Gefühl hat sich in den vergangenen
Jahren ja noch mal verändert, seit es wasserdichte iPods mit Kopfhörern gibt, die man unter Wasser aufsetzen kann. Die Dinger werden
immer besser. Es ist angenehm, wenn du auf
ruhigem Wasser auf dem Brett paddelst und
dabei Musik hörst. Aber wenn du die Welle
reitest und dabei Musik hören kannst, ist das
noch einmal eine völlig andere Erfahrung.
Inwiefern anders?
Beim Wellenreiten Musik hören zu können –
diesen Traum habe ich, seit ich 15 bin. Es ist so,
als würdest du zum ersten Mal überhaupt Musik hören. Für mich ist es der Himmel auf Erden. Wenn du surfst, spürst du, dass es tief in
der Welle diese große Kraftquelle gibt. Und
wenn du in diese Regionen kommst, nimmst
du Geschwindigkeit auf. Dann kommst du
wieder hoch – und es geht von vorne los.
Was hören Sie denn auf Ihrem UnderwateriPod – Grunge oder Klassik?
Meistens sind es schnelle laute Songs, die
kraftvoll sind. Neil Young, Neil Finn oder Fugazi. Ein Song von Fugazi heißt „Caustic
Acrostic“, den höre ich oft beim Surfen. Am
Ende des Songs hat man den Eindruck, in einem Güterzug zu sitzen, der den Berg runterrast und kurz davor ist, zu entgleisen.
Klingt beängstigend.
Das ist es gar nicht. Wenn ich so etwas höre,
während ich gerade auf einer Welle surfe, versetzt mich das in absolute Euphorie. Das ist
für mich die beste natürliche Droge.
Nachdem Sie schon Bigelows Surf-Film in die
Tonne getreten haben, traue ich mich die
nächste Frage gar nicht mehr zu stellen.
Nur zu.
Haben Sie auch die Beach Boys auf Ihrem
wasserdichten iPod? Oder finden Sie die genauso kitschig wie Kathryn Bigelow?
Hahahahahaha!
Immerhin sind Sie ja mal mit Beach-BoysSänger Brian Wilson zusammen aufgetreten.
Stimmt. Ich habe mal Backing Vocals bei einem seiner Auftritte gesungen. Sein Manager
hatte mich darum gebeten und uns beide vorgestellt. Ich wollte höflich sein, sagte: „Es ist
mir eine große Freude.“ Was auch zutraf. Brian sagte nur: „Yeah.“ Das war alles. Dann saßen
wir eine gefühlte Ewigkeit da. Nebeneinander.
Wir schwiegen. Bis er urplötzlich sagte: „Du
könntest eigentlich das hier singen, ,Round
round, get around I get around.“ Er sang den
Song in acht verschiedenen Versionen vor.
Das ging etwa 15 Minuten so. Ich kam mir vor,
als würde ich neben Beethoven sitzen, während er komponiert.
Sind die Beach Boys nun auf Ihrem Unterwasser-iPod oder nicht?
Noch nicht. Aber sie müssten eigentlich darauf sein. Nicht, weil sie über das Surfen singen. Diese Lieder fand ich eher kitschig. Ich
habe Brian Wilson vor allem deshalb bewundert, weil er diese vielschichtigen Harmonien
schrieb. Es ist höchste Zeit, dass ich ein paar
dieser „Schönheiten“ auf meinen Unterwasser-iPod packe. Aber nicht „Surfing USA“ –
der ist wirklich genauso schlimm wie der
Film „Gefährliche Brandung“. (lacht)
53
Z
U
M
Ausparken
den Besitzer wechseln.
Die wirklich Berühmten
sind
nicht geizig, aber
deutlich bescheidener
im Auftritt – und die Indiskreten kommen ohnehin
eher von der Wasserseite: per
Boot, falls man bei einer Fünfzig-Meter-Yacht noch von „Boot“
sprechen kann. Sie lassen ihre Schiffe so nah wie irgend möglich ans Ufer
heranmanövrieren und steigen unter den
Augen derer, die es sehen wollen, für die
letzten dreißig, vierzig Meter in ein Beiboot
mit Außenborder um.
Besonders begehrt sind Stellen als sogenannter „Plagist“, ein Beruf, der nicht mit einem
Wort zu übersetzen ist. Jeder Beach
Club beschäftigt so jemanden: meistens ein Schrank von einem Kerl, immer ein ausgebildeter Rettungsschwimmer. Plagisten sind morgens
die Ersten am Strand, bauen die Liegen ihres Strandpächters auf, rücken
Polster zurecht, klappen die Sonnenschirme auf, stellen sicher, dass ihre
Stammgäste auch den jeweiligen
Lieblingsplatz bekommen.
Sie sind es auch, die im Laufe des Tages die Sonnenschirme umsetzen
Am Strand von St-Tropez kostet die Flasche
und immer für eine kurze charmante
Champagner schon mal 25.000 Euro.
Plauderei zu haben sind.
Mathieu Lany ist seit fünf Jahren daEntsprechend viele Leute würden ihn gern
bei – und durch Zufall an den begehrten Job als Plagist im „Key West“
servieren. Helge Sobik hat vorbeigeschaut
geraten: „Du musst ein paar Mal da
gewesen sein, die Leute vom Laden
müssen dich kennen, das geht über
lionär mit Lamborghini oder vom ewigen Stu- die persönliche Ebene. Da gibt es keine Musdenten mit Uralt-Renault. Was für Autos hier ter-Laufbahn.“ Lany hat mit acht Schwimmen
abgestellt werden? „Keine Ahnung“, sagt sie gelernt, längst das Rettungsschwimmer-Diund lacht. „Dafür habe ich mich nur den ers- plom in der Tasche. Und das Trinkgeld? „Wir
ten Sommer interessiert. Viele teure Autos, hier schmeißen nach Feierabend zusammen,
große Autos. Welche, die es nicht oft gibt. Und was jeder bekommen hat, und teilen es dann
dazwischen ganz normale wie mein Toyota.“
auf. Da ist es egal, ob du Plagist bist oder KellWas ihren Job von dem all der anderen Sai- ner oder Koch.“ Einen Nachteil hat der Job übsonarbeiter an Frankreichs exklusivstem rigens auch: „Bei schönem Wetter hast du an
Sandstrand unterscheidet? Dass es kaum diesem Strand ein echtes Parkplatzproblem.“
Trinkgeld gibt! „Die Leute finden Parkgebüh- Mathieu Lany kommt deshalb mit dem Roller.
ren lästig. Sie zahlen passend oder lassen sich Die meisten der Beachclubs hier haben eine
korrekt herausgeben – obwohl manche von Schokoladenseite und eine, die eher ramschig
ihnen dann im Beach Club eine Flasche wirkt. Meistens ist die schönere die Richtung
Champagner für 25.000 Euro bestellen.“
Meer. Den Gästen scheint das egal zu sein. Wer
Ganz anders ist das schräg gegenüber bei schon mal hier war, hat seinen Stamm-Club,
Christopher Ferreira, der seit 20 Jahren die auf dessen Seeseite er sich den Tag über auf
Fahrzeuge der Gäste des „Club 55“ einparkt: einer der Anmiet-Liegen rekelt – oder gratis
„Ich habe einfach Glück gehabt mit diesem gleich nebenan im Sand, denn verpachtete
Job. Ein Freund hatte mir damals erzählt, dass Strandabschnitte wechseln grundsätzlich mit
die Stelle zu haben ist.“ Es gibt Gerüchte, laut freien Bereichen ab. Wer einmal liegt, genießt
denen bis zu sechsstellige Ablöse-Summen das Leben – mal in Designer-Bademode. Mal
für die trinkgeldintensivsten Strandjobs ge- in den vertrauten alten Lieblingssachen. Am
boten werden. Warum so viel Geld fließt? Ende ist hier jeder entspannt. Egal, dass geraWeil schnell 10, 20 oder 100 Euro fürs Ein- und de draußen auf dem Wasser ein paar laute Jet-
Geld wie Sand
am Meer
LAIF/LE FIGARO MAGAZINE
Für Marie Mouret ist am Strand von St-Tropez immer ein Platz reserviert – und für ihr
Auto gleich mit: Selbst im Hochsommer,
wenn auf dem öffentlichen Stellplatz hinter
den Dünen zwanzig Schritte vom berühmten
„Club 55“, zehn Schritte vom Beach-Club „Key
West“ seit Stunden gar nichts mehr geht. In
erster Reihe, mit Meerblick durch die Windschutzscheibe, gleich neben der Einfahrt. Mit
einem Absperrband ist der Ort gesichert, damit ihn sich nur ja kein anderer einfach so
nimmt und dort mal eben seinen Porsche Cayenne oder irgend so ein teures Cabrio abstellt. Marie kommt jeden Tag aus Port Grimaud. Manchmal gleich morgens um kurz vor
acht, manchmal erst am frühen Nachmittag, je
nach Dienstplan. Und stets rollt sie an der
Warteschlange der Parkplatzzufahrt vorbei,
dreht das Lenkrad um neunzig Grad nach
rechts und parkt ihren silbernen Toyota Yaris
mit Schwung ein.
Seit fünfzehn Jahren geht das schon so, immer von Ostern bis Mitte Oktober. Im Winter
ist hier ohnehin nichts los. Marie Mouret arbeitet als Parkwächterin an der Plage de Ramatuelle, hockt im Kassenhäuschen an der
Schranke, sammelt vier Euro vierzig Parkgebühr fürs Tagesticket ein – egal, ob vom Mil-
Wer hier einparkt, gibt auch mal Trinkgeld:
Der „Club 55" in St-Tropez
ST
R
A
N
D
Ski
vorbeiröhren. Jung
zu sein ist
hier
nicht
Pflicht. Schön zu
sein wird gern gesehen, aber ist kein
Muss. Trotzdem oder gerade deswegen steht Pampelonne-Plage nicht für Dauer-Party, sondern auch für viel
Ruhe und vor allem für viel Individualität.
Gerard Bartolo ist seit dreiunddreißig
Jahren Plagist. Nun lehnt er am Tresen
seines Bereichs, hat das Fernglas griffbereit, daneben eine Halbliterflasche Mineralwasser. Er schaut aufs Wasser, die Wellen, die
Yachten, auch auf die Leute auf den Liegen. Er
ist braun gebrannt, trägt Spiegel-Sonnenbrille. Bartolo dürfte Anfang bis Mitte fünfzig
sein, hat sich gut gehalten und scheint es zu
genießen, sich unaufdringlich als Gesamtkunstwerk an der See in Szene zu setzen. Ob
es Frauen gibt, die ihn nach seiner Handynummer fragen? Jetzt grinst er. „Ist schon
mal vorgekommen. Aber in der letzten Zeit ist
es ein bisschen weniger geworden.“
Um 18 Uhr ist Feierabend. Anders als drüben
im Key West schließen sie hier am frühen
Abend – selbst in der Hochsaison. Bartolo
räumt die Liegen wieder weg, schleppt die
Polster nach hinten, verstaut die Sonnenschirme. Und morgen beginnt alles von vorne. Was
für ein Auto er fährt? Für ihn unwichtig. Er
geht zu Fuß, läuft über den Strand. Das ist am
schönsten. Und gut für den Teint.
Vom Autor dieses Beitrags erscheint Ende Juli
der Band „Côte d’Azur – Der Duft des Lavendels und der Millionen“ (Picus Verlag, im
Buchhandel für 14,90 Euro). Die Reise wurde
unterstützt vom Fremdenverkehrsamt der Region Var und Lufthansa
A
M
Anleitung zum
Strandlook
Welche Nation trägt was am Meer –
und vor allem wie? Oliver C. Schilling
hat ganz genau für Sie hingeschaut
Lip Plumper: Laura
Mercier, über
niche-beauty.com,
Tasche: Fendi, Kleid:
Mango, Wedges:
Michael Kors
DIE RUSSIN
Bluse: Tory Burch,
Hose: Etro, über
mytheresa.com,
Sandale: Birkenstock,
Sonnencreme:
Lancaster, Beutel: Souve
WIE SIE IST: Würde es Rus-
sen nicht geben, man müsste
sie erfinden. Denn selbstverständlich fährt man nicht nur in
den Urlaub, um ein gutes Buch
zu lesen und ein wenig Farbe zu
bekommen. Nein – natürlich ist
das Strandleben auch immer eine Art von Daily Soap. Und die
Hauptdarstellerinnen kommen
aus Russland. Frauen, für die
Champagnerduschen erfunden
wurden, die die Klaviatur der
Stimmungsschwankungen von
frivol bis verträumt absolut perfekt beherrschen. Sind Russen
am Strand, hat das Wort „Sehen
und gesehen werden“ plötzlich
wieder einen Sinn. Oder wer
sonst lässt einen Beachclub-Hiwi
einen Sonnenschirm in die erste
Reihe schleppen und knallt dafür einen Bund Geldscheine auf
den Tresen?
ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER UND CAROLINE BÖRGER
WAS SIE TRÄGT: Die Russin an
sich trägt gerne wenig – das aber
reich verziert. Flashy ist kein
Schimpfwort, sondern ein Kompliment. Dennoch muss man zugeben, dass sich auch Russinnen
an westliche Statussymbole herangerobbt haben und längst
nicht mehr nur auf Logo-Taschen
abfahren. Vielmehr sind minimalistische Taschen von Céline
inzwischen die neuen Silikonbrüste. Man geht mit der Zeit,
zeigt aber dennoch gerne, was
man hat. Gelangweilt werden die
Designer-Taschen in den Sand
gepfeffert. Was kostet schon die
Welt. Ansonsten ist allerdings alles wie gehabt. Die Absätze sind
hoch, die Röcke kurz und die
Lippen überaus üppig.
DIE DEUTSCHE
WIE SIE IST: Keine Experimente.
Die Deutsche verreist gerne an
Orte, die sie kennt. Und wenn sie
eine neue Destination ausprobiert – der Frühbucher-Rabatt
war einfach zu verlockend –,
muss es zumindest wohlorganisiert sein. Es gibt doch wahrlich
nichts Schöneres, als wenn der
Luigi noch immer weiß, dass
man seine Liege am liebsten in
der zweiten Reihe am Strand belegt oder seinen Cappuccino
auch im Ausland in der Muttersprache bestellen kann.
WAS SIE TRÄGT: Das ganze Jahr
Vollmilch-Nuss naschen und
dann wundern, wenn der Bikini
nicht mehr sitzt. Die Deutsche ist
vor ihrem Urlaub erst mal im
Stress. Zwar wird das Größenproblem meistens auf das
schlechte Licht in Umkleidekabinen geschoben – aber es hilft
nichts: Ein bisschen muss kaschiert werden. Gerne werden
daher Kaftane über pfiffigen
Caprihosen getragen, dazu eine
edle Sandalette – fertig ist der
Look für den Strand. Praktisch
denkend, würde niemals die gute
Designerhandtasche (siehe die
Russin) mit an den Strand genommen werden. Es könnte ja
Sand in die Tasche kommen. Der
Jutebeutel tut es auch. Das wichtigste Accessoire überhaupt ist
sowieso ein anderes: Sonnenmilch mit Lichtschutzfaktor 50.
S
T
R
A
N
D
Brille: Max Mara
T-Shirt, Markus Lupfer
Shorts: Ralph Lauren,
über zalando.de
Tasche: Koku, über
net-a-porter.com
Wedges: Patrizia Pepe
Brille: Chanel, Kette:
Christian Dior, Kaftan:
H&M, antiker Korallenarmreif über classiqs.com,
Sandale: Lanvin, über mytheresa.com
DIE BRITIN
WIE SIE IST: Wer die Vorteile
einer Schuluniform-Pflicht besichtigen will, muss sich nur die
Briten ansehen. Da jeder individuell aussehen möchte, legen
sie Wert auf Details, die sie von
den anderen Uniformierten unterscheidet. Was zwischen Mathe-Klausur und Physik-Formeln funktioniert, ist auch im
Urlaub ein Style-Garant. Egal ob
betrunkene Mädels-Clique im
mallorquinischen Magaluf oder
Jetset-Sause auf Mykonos –
Engländerinnen verbindet ein
individueller, meist sehr kunterbunter Look.
WAS SIE TRÄGT: Die Welt kann
untergehen, auf ihre High Heels
würden Engländerinnen niemals verzichtet. Sie gehören zu
ihnen wie die Winkehand zur
Queen. Sei es beim Alkohol oder
dem Styling: Im Urlaub wird
stets eine Schippe draufgepackt.
Letztlich möchte jede eine Kate
Moss sein, eine Mischung aus
Rock Bitch und Strand-Schönheit. Jede Menge Ketten sind daher genauso Pflicht wie die fahrradgroße Sonnenbrille. Wenn
bei Accessoires ein „Mehr“ genau richtig ist, ist beim Rest der
Kleidung ein „Weniger“ gewünscht. Kürzeste Röcke, engste Tops oder schmalste Jeans
werden mit höchst amüsanten
Details aufgetunt.
DIE FRANZÖSIN
WIE SIE IST: Wenn Sie an der
Beachbar eine Frau sichten, die
zum Lunch nur eine Traube isst,
diese aber mit einem Gläschen
Rosé herunterspült, können Sie
sicher sein, dass Sie neben einer
Französin sitzen. Genuss und
Schönheit, so ihre Botschaft,
schließen sich nicht aus. Die
Französin ist stets einen Touch
gelangweilt und immer cool.
Dass auch sie fünf Stunden im
Stau von Paris an die Côte stand,
wird natürlich verheimlicht.
WAS SIE TRÄGT: Hippie-, par-
don, Boheme-Chic ist der Stil,
den die Französin trägt, sobald
sich ein Strand in (gefühlter)
Sichtweite befindet. Bunte Tuniken, glitzernde Sandaletten, jede
Menge Modeschmuck und irgendwas von Chanel – die Französin sieht den Beach selbstverständlich als Laufsteg. Niemals
würde sie schlecht oder, Mon
Dieu!, praktisch gekleidet am
Meer entlanggehen. Letztlich
würde sie sogar aus Binz auf Rügen modisch gesehen ein kleines
Saint-Tropez machen.
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SONNTAG, 15. JUNI 2014
Global Diary
Erinnern Sie sich? An die Zeit, als man statt SMS und E-Mail noch
Karten von fremden Orten schrieb? Wir tun es noch immer
10 Jahre A-ROSA
Feiern Sie mit!
SYRAKUS, SIZILIEN
Es soll ja Leute geben, die nach Sizilien fahren, um nur sein
reiches, griechisches, römisches und barockes Erbe zu besichtigen. Welches – zugegeben – in Syrakus, einer der bedeutendsten Städte der Antike, tatsächlich beeindruckend
ist. Und dann gibt es kulturferne Sonnenanbeter, die sich im
Hochsommer Liegestuhl neben Liegestuhl am Strand grillen. Arme Würstchen! Dieses Mal sollen mir auch Kirchen
gestohlen bleiben. Beim Betreten ebendieser habe ich als
Atheistin sowieso immer die Angst, vampirgleich zu Staub zu
zerfallen. Mein Setting für einen kleinen Kurztrip Richtung Sommer ist: eine Villa, ein Pool und viele gute Bücher, ganz für meine
Freundin und mich allein. Na ja, nicht ganz: Die Villa San Tomasso, versteckt in den Bergen hinter Syrakus, verfügt noch über einen diskreten Hausgeist, der das Frühstück
serviert und auch sonst jeden Wunsch von den Augen abliest. Wenn man will, ruft er den Koch ins
Haus: Arancini, Risotto, Fisch, Pasta – was das Herz begehrt und die lokale Küche an Schätzen hergibt. Der perfekte Ort zum gediegenen Eremitentum mit drei Schlafzimmern und drei Bädern. Den
WiFi-Code will ich gar nicht wissen und vom Pool nicht mehr weg. Die Palmen rauschen leise im
Wind, die Zikaden zirpen im weitläufigen Garten und das Wasser gluckert – vor mir breitet sich ein
Panorama aus grünen Hügeln aus, üppig bewachsen mit Zitronen- und Olivenbäumen, alles bio und
in Familienhand. Die Gedanken schweifen langsam wie die Schäfchenwolken am blauen Himmel. Gegen Nachmittag serviert Butler Asithe sizilianisches Hüftgold: köstliches Mandelgebäck von Nonna
Vincenza und knusprige Cannelloni, gefüllt mit Ricotta-Schaum. Und als Gruß des Hauses: selbst gemachten Zitrone-Sahne-Likör von der Schwägerin des Eigentümers. Dagegen ist „La Dolce Vita“ von
Fellini nur eine Fantasie in Schwarz-Weiß.
Die Privatvilla fand Silke Bender auf thinksicily.com. Das angefutterte Kilo verlor sie beim Joggen
am Dünensandstrand von Corratois
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ILLUSTRATIONEN: TIM DINTER
BRESCIA, ITALIEN
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Der Tagebucheintrag kommt aus dem schönsten Norditalien, aber die Geschichte nahm vom Stadtrand Hannovers aus ihren Ursprung: Der Vater des Autors liebte
es, seinen Sohn zu Studienzeiten mit der Bemerkung
zu foppen, dass seine Aufzucht und Ausbildung ihn
den ein oder anderen Sportwagen gekostet habe. Zum
70. Geburtstag des Vaters drehte der Sohn das Argument um und sagte, er wolle nun endlich einen Jaguar EType geschenkt bekommen, weil er dem Vater schon so
lange nicht mehr auf der Tasche liege. Der Vater sah das
schmählicherweise nicht ein. Als der Sohn aber im Mai bei der
Oldtimer-Rallye Mille Miglia die Möglichkeit erhielt, einen F-Type, den modernen Nachfolger des E-Types zu steuern, zögerte er nicht.
Und fand heraus: Jeder, der die Veranstaltung für eine Belustigungsfahrt gelangweilter Multimillionäre hält, irrt gewaltig. Nirgendwo sind so viele Männer auf einem Haufen anzutreffen, die zu einer Mischung aus Vollnerd und Kleinkind werden, wie am Startpunkt Brescia. Der Anblick von Mercedes 300
SL, Alfa Romeo, Jaguar und Co. kriegt sie alle klein. Sternstunden des Fachsimpelns über Straßenlage
und PS in allen Sprachen Europas: Für Jaguar sind Kaliber wie der Oscarpreisträger Jeremy Irons,
AC/DC-Sänger Brian Johnson oder Talkmoderator Jay Leno am Start. Allen ist die Nervosität anzumerken, was diese 1000 Meilen bringen werden. Ihre Autos stammen aus den 50ern, als das Rennen
noch als echte Rallye stattfand. Da muss man fahren können, von Servolenkung und ABS keine Spur.
Johnson bezeichnet seinen Stil als „aggressiv“, Irons posiert oscarverdächtig mit einer Sonnenbrille
hinter dem Steuer seines Cabrios und Leno reißt Witze: Mit dem Autofahren sei es wie mit dem Sex,
alle Männer dächten, sie seien fantastisch in dieser Disziplin, nur die Frauen frage niemand. Am Ende
werden die Herren – der Sieg ist unwichtig – heil ins Ziel gekommen sein. Aber auch abgekämpft.
Denn so viel steht fest: Die Strecke schafft den Mann auch in einem F-Type, obwohl der mit modernster Technik vollgestopft ist. 550 Pferdchen hat das Geschoss unter der Haube, von 0 auf 100 geht’s in
4,2 Sekunden und wenn man so richtig kräftig aufs Gas tritt, dann schwimmt das Heck auf den ruckeligen Straßen ein wenig. Was am Straßenrand – der ist voll von Menschen – niemanden abhält, noch etwas mehr Motorröhren und Geschwindigkeit zu fordern. Ein Wahnsinn, vielleicht hat die Großmutter
da vor der Osteria als Kind schon hier gestanden. Es geht über Berge, durch antike Stadtkerne, am
Gardasee und am Meer entlang. Und bereits nach wenigen Kilometern ist klar: Gott war gnädig zu
den Italienern – und zu allen, die diese 1000 Meilen in einem F-Type erleben durften.
Philip Cassier wird zu Weihnachten in Sachen E-Type noch einmal auf seinen Vater zugehen
UNTERWEGS
Von der Versenkung auf den Gipfel
Bad Gastein? Klingt nach Gesundheitslatschen, nicht nach High Heels. Doch der Kurort im
Salzburger Land hat sich von der miefigen Sommerfrische für Busreisende zum Kunst- und Kulturtreff
PICTURE ALLIANCE/ARCO IMAGES
herausgemacht. Andreas Tölke entdeckte eine Alpenüberraschung der Sonderklasse
Supergeil: Ein dicklicher Mittfünfziger mit
grauem Vollbart tanzt zwischen Regalen eines
Supermarkts und lockt innerhalb von 24
Stunden über 250.000 Menschen auf die Seite
des Lebensmittelhändlers. Er, Friedrich
Liechtenstein, ist der Internet-Zampano des
Frühlings 2014. Dahinter steckt ein kluger
Kopf. Ein Schauspieler, der die Nase voll hatte
vom oft klaustrophobischen Theaterzirkus
und lieber „sein Ding“ macht und der,
man höre und staune, seine neueste
CD „Bad Gastein“ nennt. Der Barry
White von Mitte war in Berliner
Szenekreisen längst ein Hero,
bevor Hamburger Werber
ihn entdeckten.
Dass Typen wie Liechtenstein in der Hauptstadt ihr
Publikum finden, erstaunt nicht. Dass das
jüngste Werk den Titel
eines Kurorts trägt,
schon. Hat der Mann
sich vertan oder nur zu
lange im Radon-Bad gelegen? In Bad Gastein
gibt es einen Stollen, in
dem Radioaktives eingeatmet wird, und in den
Kurhotels ist ebenjener
Wirkstoff in den Wellnessbädern. Soll gesund sein.
Friedrich Liechtenstein, der Flaneur, trägt vor Ort in den Alpen
knielange Hosen und hat sehr weiße
Beine. Er steht, wie fast immer mit Sonnenbrille, vor dem Hotel „Miramonte“ und
macht sich mit seiner Begleiterin auf in die
Berge. Von der Terrasse des Gasthauses ein
weiter Blick durch das Gasteiner Tal, nach
oben ist es weit und steil. Liechtenstein lächelt süffisant.
Derweil versucht Telse Bus ihre viereckige
Mopsmischung Bon Bon erfolglos vom Büfett
fernzuhalten. Noch eine, im besten Sinne
Wahnsinnige, die man nicht in einem Kaff
vermuten würde, das zu Sissis Zeiten glamourös war. Doch der Ort erwacht aus dem kulturellen Koma. Auch dank Dancing-King Liechtenstein und Telse Bus. Dame Bus macht
Food-Konzepte für die Hotellerie in Gastein,
dreht durch, wenn ihre Kreationen als „Catering“ bezeichnet werden.
Vor acht Jahren war sie mit Liechtenstein und
anderen Kreativen vom innovativsten Hotelbesitzer-Paar, Evelyn und Ike Ikrath, eingeladen worden, die Frage zu beantworten, wie
Bad Gastein seinen Mief loswerden könne.
Ein Herr Duval, damals sehr reich und sehr
alt, heute tot, besaß zig Immobilien im Ort.
Grandhotels, gerade auch auf dem „Prachtboulevard“, der Kötschachtaler Straße, ließ
Duval einfach verfallen. Die Gäste – mit Berlinale-Bären dekorierte Filmproduzenten,
S
In der Mitte entspringt ein Fluss. Na ja – oder eben
wie in Bad Gastein der Wasserfall der Gasteiner Ach
Künstler, Musikverleger und ein Journalist –
entwickelten für die 4172 Einwohner lieber
euphorische Visionen, Gedankenspiele auf
1050 Meter Höhe. Und die Erkenntnis, einen
schrägen Ort mit viel Potenzial als Naherholungspreziose entdeckt zu haben.
Doch eins nach dem anderen: Ein Wasserfall
kracht hier mehr als 250 Meter in die Tiefe.
Spektakulär und zu bestaunen von einer Brücke, die mitten durch den Ortskern führt. Am
Fuße des großen Rauschens, ein altes Wasserwerk aus den 20er-Jahren. Natur trifft Architektur, bezauberndes Steinwerk noch dazu.
Ob von oben oder unten: Direkt neben den
stürzenden Wassermassen klebt ein 70er-Jahre Betonklotz in Terrassen am Hang. Musterbeispiel für Brutalismus. Erstmalige Besucher
empfinden den Bau als Irritation, stehen im
Umfeld doch gefällige Prachtbauten, wie das
„Grand Hotel de L’Europe“, das Wilhelm Opel,
Heinrich Mann oder Liza Minnelli anlockte.
Heute werden junge Wilde von Andrea von
Goetz und Schwanenfliess an den Hang gelockt. Die Hamburgerin greift auf, was ein
Jahr nach dem Nachdenken im Gruppenausflug realisiert wurde: Kunstbespaßung im Ort.
Bevor Frau von Goetz und Schwanenfliess
sich engagierte, war Ulli Sturm die erste
Kunstkennerin im Ort. Die Kuratorin aus Salzburg erfand das Open-Air-Event mit dem Titel
„sommer.frische.kunst.“ Ein mutiger Auftakt,
der Fotografie im Wasserwerk zeigte. Die
adelige Andrea, eine quirlige, zierliche
Frau, deren Enthusiasmus für junge
Talente aus der Kunstwelt ansteckend ist, „kolonialisierte“ Bad
Gastein, wurde unterstützt von
den Vordenkern Ike und Evelyn Ikrath. Die Kurdirektorin
Doris Höhenwarther erkannte das Potenzial der
Hamburgerin und stellte
der Kunstkennerin das Gebäude direkt hinter dem
Wasserwerk zu Verfügung. Das Artist-in-Residence-Programm war geboren.
Für vier Wochen werkeln
junge Künstler, die eine Jury
benennt und auswählt, in der
sogenannten Kunstresidenz.
Hier wächst zusammen, was zusammengehört: Bad Gasteiner
und Künstler. Tanzen, trinken und
gute Gespräche. Wer jemals ein soziales Defizit empfunden hat: Einfach an
die Bar setzen, die neuen Freunde sind
schon da. Neben ihren Balenciaga-Täschchen
und auf Jimmy Choos das urbane Völkchen,
und davon nur mit viel Mühe zu unterscheiden die Einheimischen. Gesprächsstoff: das
Jazzfestival (gibt es nämlich auch noch), Aufbau und selbstredend Kunst. Wahlweise akademisch, aber gern auch höchst emotional.
In den fünf Jahren sind bis dato fast fünfzig
Künstler in die Belle-Époque-Sommerfrische
abgetaucht. Sie lassen sich inspirieren von
Berg und Tal. Das Ergebnis: goldene Bauzäune
vor unbelebten Grandhotels (Clemens Wolf),
schwebende Baumstämme im Atelier (Florian
Neufeldt) oder beeindruckende, leuchtende
Schaukästen (Philipp Fürhofer). Kunst zum
Anfassen. Mit dem Kreativen in seinem Atelier über das Gezeigte zu sprechen – wie oft
kann man das schon mit einem Ausflug verbinden? Den furiosen Abschluss bildet die
Vernissage Ende Juni mit dem anschließenden Dinner. Künstler und Gäste und wiedermal Telse Bus konzeptionelle Köstlichkeiten.
Wer die Augen voll hat und auch den Bauch,
der hat vielleicht ein offenes Ohr: „Summer
jazz in the city“ löst in Bad Gastein AlphornZither-Seeligkeit ab. Und dann einfach mit
dem iPod zu Liechtenstein die Berge hoch.
Supergeil!
57
BAUPLAN
4
2
3
5
6
8
9
7
10
DIE „PO 9649S“
VON PERSOL
In den Ateliers und Manufakturen werden weiterhin
Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen zu
58
Persol wurde 1917 von Giuseppe Ratti in Turin gegründet und bot ursprünglich komfortable Schutzbrillen für Piloten und Sportler an. Über die Jahre wurden die Brillen weiterentwickelt, und spätestens als der italienische Schauspieler Marcello Mastroianni das Modell 649 im Film „Scheidung
auf Italienisch“ trug, war die Marke weltweit bekannt. Der Name Persol wird übrigens vom italienischen „per il sole“ (also: „für die Sonne“) abgeleitet und soll auf den Sonnenschutz hinweisen. Bis heute werden die Brillen in einer Fabrik in Lauriano bei Turin gefertigt. Wir haben uns einmal angeschaut, wie der zusammen faltbare Klassiker „PO 9649S“ entsteht. Hier die wichtigsten zehn Schritte: 1. Zunächst wird der metallene Nasensteg in
eine kleine Aushöhlung in eine Tafel aus Celluloseacetat eingesetzt. 2. Nachdem der Brillenrahmen aus der Tafel geschnitten wurde, wird die Front
des Rahmens eben geschliffen. 3. Mit einem vergoldeten Bürstchen beseitigt man eventuell verbliebenes Fräspulver. 4. Nun werden die Bügel aus
der Tafel geschnitten. Es ist wichtig, dass sie exakt die gleiche Form und Biegung haben. 5. Anschließend werden die Gelenke in die Bügel eingefügt. 6. Mithilfe einer rotierenden Schleifplatte werden die Bügel gesäubert und geglättet. 7. Nun folgt das sogenannte Trommelschleifen. Bei diesem Poliervorgang legt man Rahmen und Bügel auf ein Gitter mit Holzstückchen, die um sich selbst rotieren und dabei Schmirgelpaste verteilen.
Dadurch wird das Acetat glatt und glänzend. 8. Um die Brille später am Nasensteg falten zu können, werden mit einer Säge drei Einschnitte auf der
Innen- und Außenfläche gemacht. 9. Je nach Modell wird die Brille mattiert. Dafür hält man sie unter einen Luftdruckstrahl aus Mikroglassplittern. 10. Zuletzt werden die Kristallgläser in die Fassung gesetzt. Ein letzter Qualitätscheck, dann kann die Brille in den Verkauf gehen.
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