als PDF - Finanz und Wirtschaft
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HERBST 2015 – 7 FRANKEN RATING HERREN-BOUTIQUEN UNTER DER LUPE AUTO BOLIDENTECHNOLOGIE FÜR DIE STRASSE DOSSIER DER NEUE LUXUS KUNST LOÏC GOUZER STAR DER AUKTIONEN INTERVIEW LAPO ELKANN DER FIAT-ERBE ÜBER STIL CLÉ DE CARTIER MANUFAKTUR-UHRWERK 1847 MC SEIT 1847 ENTWICKELT CARTIER AUSSERGEWÖHNLICHE UHREN, DIE GEWAGTES DESIGN UND HOHE UHRMACHERKUNST cartier.ch - 044 580 90 90 PERFEKT MITEINANDER VERBINDEN. CLÉ DE CARTIER VERDANKTSEINEN NAMEN DER EINZIGARTIGEN KRONE. KLARE LINIEN UND EINE AUSDRUCKSTARKE SILHOUETTE SIND DAS RESULTAT BEACHTLICHER PERFEKTION UND BALANCE: EINE NEUE FORM IST GEBOREN. Hermès in Basel, Bern, Crans-sur-Sierre, Genf, Gstaad, Lausanne, Luzern, Lugano, St.Moritz, Zürich. Hermes.com FLANIEREN MIT HERMÈS EDITORIAL Magazin zur Ausgabe der «Finanz und Wirtschaft» vom 26. September 2015. LUXE ist eine gemeinsame Publikation von «Bilan» und «Finanz und Wirtschaft» und erscheint vier Mal jährlich. – VERLAG FINANZ UND WIRTSCHAFT AG Werdstrasse 21, Postfach, 8021 Zürich Telefon 044 248 58 00, Fax 044 248 58 15 www.fuw.ch, [email protected] – Luxus als Thema VERLEGER Pietro Supino VERLAGSLEITER Walter Vontobel CHEFREDAKTOR Mark Dittli REDAKTION Hans Uli von Erlach ANZEIGENVERKAUF Tamedia Publications romandes Werbemarkt Werdstrasse 21 - 8021 Zürich Tel. 044 251 35 75 [email protected] – ART DIRECTOR Enzed, Mélanie & Nicolas Zentner, Mathieu Moret BILDREDAKTION David Huc – MITWIRKENDE DIESER AUSGABE Dino Aucielo, Antonio Barrella, Sylvie Bernaudon, David Bennett, Mario Brenna, Etienne Dumont, Jorge Guerreiro, Michel Jeannot, Sarah Jollien-Fardel, Carole Kittner, Sébastien Ladermann, Patricia Lunghi, Chantal Mathez De Senger, Quentin Mouron, Marc Ninghetto, Lucie Notari, Guillaume Perret, Nicolas Righetti, Knut Schwander, Mary Vacharidis, Myret Zaki. – ÜBERSETZUNG Béatrice Aklin, Sabine Dröschel, Gian Pozzy, – BILAN LUXE VERLEGER Tamedia Publications SA CHEFREDAKTOR Myret Zaki REDAKTIONELLE LEITUNG Cristina d’Agostino MARKETING Dahlia Al-Khudri, [email protected] David Olifson, [email protected] – FOTOLITHO Images3 Lausanne – DRUCK Stämpfli Publikationen AG Auflage 57 000 ISSN 1664-0152 «Darf man heute das Wort Luxus wieder in den Mund nehmen?», fragt sich Redaktionskollegin Cristina d’Agostino zu Beginn ihrer Gedanken auf Seite 28. Klar: Wer Luxus zum Thema macht, wie wir jeweils in diesem Magazin, darf ruhig hin und wieder über den Begriff und seinen Sinn reflektieren. Gerade heute. Was Luxus wem bedeutet, unter welchen Umständen, an welchem Ort dieser Erde und zu welchem Zeitpunkt eines Lebens er von wem wie definiert wird – man kann sich vorstellen, wie unterschiedlich und individuell man Luxus empfindet. Ist es der Urlaubstörn des norwegischen Kronprinzenpaares, dessen Volk sich echauffiert, weil die gecharterte Jacht pro Woche eine Viertelmillion Kronen kostet? Oder ist die Schweizer Reise auf Nebenstrassen, wo man sich Zeit nimmt für Beschaulichkeit, auch schon ein Luxus für geforderte und gestresste Zeitgenossen (beschrieben im Reisetagebuch ab Seite 78)? Was rechtfertigt den Luxus handgenähter Massschuhe? Und ist es übertriebener Luxus, ein barockes Wasserspiel in den Gärten von Versailles für 8 Mio. zu restaurieren? Muss luxuriöser Lebensstil immer zur Schau getragen werden, oder gönnt man sich Teures auch mal nur für sich selbst? Luxus in aller Bescheidenheit sozusagen? Uns Journalisten führt der Beruf zu ganz unterschiedlichen Menschen. Das ist ein Privileg, und wir profitieren, ich gebe es zu, oft ganz persönlich von diesen Begegnungen. Denn wir stellen ja, so hoffe ich, stets Menschen vor, die auf irgendeinem Gebiet Besonderes geleistet haben und jetzt ihre Erfahrungen mit uns teilen. Als innovative Unternehmerinnen oder verrückte Künstler, als selbstverliebte Operndiven oder weitsichtige Banker, als provokative Rocker oder visionäre Wirtschaftsgurus. Wie auch immer, es sind Menschen, die aussergewöhnlich sind. Und genau solche «Abweichung vom Normalen» ist, gemäss Duden, die eigentliche Definition des ursprünglich lateinischen Wortes Luxus. So gesehen ist luxuriös sein also durchaus erstrebenswert. Wie beruhigend! Wir wünschen Ihnen Zeit und Musse – auch ein Luxus – für eine luxuriöse Lektüre. Hans Uli von Erlach Redaktion «Luxe» Finanz und Wirtschaft LU X E | 9 INHALT Herbst 84 50 38 74 66 20 44 9 60 EDITORIAL 13MITWIRKENDE 14 MEIN BLICK Pablo Coppola 16 AGENDA 20 SCANNER 22 TECH-TRENDS 24 MUST HAVE 26 TREFFPUNKTE Schuhe nach Mass 28 DOSSIER Die Zukunft des Luxus 33 BEST BOUTIQUE AWARD 38 INTERVIEW Lapo Elkann 10 | Finanz und Wirtschaft LU X E 42 ERINNERUNG Mein Tag mit Gina Lollobrigida 63 MODE Sport wirft sich in Schale 44 UNTERNEHMEN Schweizer Textilen 66 SHOOTING Herrenmode 46 PATRIMOINE 74 Ein Schweizer Mäzen in Versailles 48 BUSINESS Das eigene Modelabel 78 49 GASTRONOMIE Die Renaissance des Chat-Botté 82 50 SPORT Mekka des Golf: St Andrews 83 54 SAVOIR-FAIRE Frauen an der Spitze 84 58 SPIRITUOSEN Cognac 86 60 BOUDOIR Loïc Gouzer UHREN Weltzeituhren Weitergeben von Know-How REISETAGEBUCH Grand Tour of Switzerland BEAUTY UND PFLEGE Schönheit Swiss Made DUFTNOTIZEN Exzentrische Eleganz AUTO Boliden-Technologie DIGILUXE Foto Titelbild : Fulvio Maiani MITWIRKENDE Chantal Mathez De Senger Nach dem Lizenziat am Institut des Hautes Etudes Internationales in Genf im Jahr 2001 absolvierte Chantal Mathez de Senger an der Universität Genf einen Master in Medien und Kommunikation. Sie startete ihre Karriere bei Radio Lac und arbeitete später als freie Journalistin für das Magazin «Bilan», wo sie nun auch für die neue Wein- und Gastrobeilage verantwortlich ist. Daneben schreibt sie regelmässig für die Sonderbeilagen «Luxe» und «Immoluxe». Mary Vacharidis Mary Vacharidis arbeitet als Journalistin bei «Bilan» und ist Community Manager für die Website Bilan .c h Nach dem Studium an der philosophischen Fakultät der Universität Lausanne arbeitete sie für verschiedene Tageszeitungen sowie für das Westschweizer Fernsehen und später für das Radio (RTS). Mary Vacharidis lebt seit 1997 in Zürich und liebt ihren Beruf, weil sie darin ihre Neugier voll ausleben kann. Jorge S.B. Guerreiro David Bennett Jorge S.B. Guerreiro, Erfinder des Blogs JSBG.me, hat seine Plattform nach und nach zu einem echten OnlineMagazin ausgebaut, das eine breite Themenpalette anbietet. Zusammen mit seinem Autorenteam schreibt er über Mode, Musik, Reisen, Design, Uhren, Kunst und Kino. Er liebt aber auch die Printmedien und verfasst Beiträge für Westschweizer und französische Titel. Gleichzeitig berät er Uhren-, Mode- und Luxusmarken. Ein veritabler «Influencer» in der Romandie. S. 46-47 David Bennent, Präsident von Sotheby’s Schweiz und Worldwide Chairman Haute Joaillerie International, gilt als Autorität für Edelsteine und Schmuck. Seit 1978 Auktionator, hat er in den vergangenen dreissig Jahren einige der spektakulärsten Versteigerungen geleitet. Darunter den historischen Verkauf des einmaligen rosa Diamanten von 24,78 Karat, der im November 2010 in Genf für 46,2 Mio. $ den Besitzer wechselte. Es war der höchste Betrag, der je an einer Auktion für einen Diamanten oder ein Schmuckstück bezahlt wurde. Im Laufe seiner Karriere hat «Monsieur 100 Carats» für sieben Diamanten von über 100 Karat den Zuschlag gegeben. Guillaume Perret Guillaume Perret lebt und arbeitet als unabhängiger Fotograf im Kanton Neuenburg. Nach der Maurerausbildung und zehnjähriger Lehrertätigkeit an einer Fachmittelschule führten Neugier und Sensibilität den 30-Jährigen zur Fotografie. In seiner Arbeit beschäftigt sich Guillaume Perret am liebsten mit Menschen, die Porträtfotografie ist sein Lieblingsgebiet, ob für Medien, Werbung oder eigene Projekte. Der unfassbare Aspekt dieses Genres fasziniert ihn besonders, denn für das Entstehen interessanter Aufnahmen gibt es weder Technik noch Rezepte. Sie entstehen im Laufe einer konstanten Suche nach dem bestimmten, zwischen den Linien schwebenden Moment. S. 20-21 S. 54-57 S. 60-62 S. 42 12 | Finanz und Wirtschaft LU X E - City, London Piaget Altiplano 900P Die flachste mechanische Uhr der Welt: 3,65 mm, eine vollendete Verschmelzung von Gehäuse und Manufakturwerk. Piaget, Meister ultraflacher Uhren. piaget.ch Piaget Boutiquen: Zürich, Bahnhofstrasse 38 - Luzern, Grendelstrasse 19 MEIN BLICK von Patricia Lunghi « Man fragt mich oft, woher ich meine Ideen nehme. Für mich ist Herrenmode voller unermesslicher Inspirationsquellen. Einige Ikonen und ihre Figuren sind ausgezeichnete Arbeitsgrundlagen. Steve McQueen, Robert Redford oder Peter Fonda zum Beispiel. Ich sehe ihren massgeschneiderten Jeans-Look und ihre aufgemotzten Bikerjacken noch immer vor mir. Auch die anderen Ideen schöpfe ich aus meiner Liebe zum Film. Vor kurzem habe ich Wes Andersons « The Royal Tenenbaums » gesehen. Ein herrlich schräger, bitterböser Streifen mit lauter unmöglichen Aufmachungen. Diese beiden völlig unterschiedlichen Welten haben den Modetrend für diesen Herbst und Winter vorgegeben. Die Saison wird retro-sportlich-schick. Nicht mehr und nicht weniger. » 14 | Finanz und Wirtschaft LU X E Illustration : Nicolas Zentner PABLO COPPOLA Pablo Coppola ist ein Kosmopolit. Der gebürtige Argentinier verbrachte einen Teil seiner Kindheit in den USA, bevor er in Barcelona eine Modeschule absolvierte und am Institut Français de la Mode in Paris graduierte. Während fast zehn Jahren war er für die Grössten tätig: Burberry, Alexander McQueen, Céline. Ausserdem arbeitete er als Accessoire-Designer für Dior und anschliessend für Tom Ford, der ihm die Leitung der markeneigenen Accessoire-Linie für Herren und Damen anvertraute. Sein Gefühl für Ästhetik und die Modernisierung der bestehenden Codes machte ihn schnell bekannt. Frédéric De Narp, Präsident von Bally, erkannte sein Potenzial und verpflichtete ihn 2014 als Kreativchef für die berühmte Schweizer Marke. Er meistert diese herausfordernde Aufgabe mit Bravour, indem er das Fachwissen, das Vermächnis und den Sinn für Eleganz des Hauses gekonnt umsetzt. BOUTIQUE JAEGER-LECOULTRE Bahnhofstrasse 32, Zürich Grande Reverso Night & Day Eduardo Novillo Astrada, Polospieler, Gewinner der argentinischen Triple Crown. Open a whole new world | AG E N DA | von Etienne Dumont WINTERTHUR BEASTLY Der gnomenhafte Henri de Toulouse-Lautrec war stets um sein Image besorgt. Für ihn war Fotografie ein Spiel, das in einem gewissen Sinn Verfälschungen zuliess. Wie viele Zeitgenossen nutzte auch er das neue Medium, das spontanere Abbildungen ermöglichte als das akademisch komponierte Gemälde. Die Ausstellung des Berner Kunstmuseums zeigt Bilder, Zeichnungen, Lithographien und Plakate des Künstlers und stellt sie zeitgenössischen Fotografien gegenüber. Bis 13. Dezember, www.kunstmuseumbern.ch Cohen Van Balen BERN TOULOUSE-LAUTREC UND DIE FOTOGRAFIE Darstellungen von Tieren sind heute in der Fotografie allgegenwärtig. Gleichzeitig hat sich unsere Haltung Tieren gegenüber verändert. Sie werden oft vermenschlicht oder aber zum reinen Industrieprodukt degradiert. Viele internationale Künstler setzen sich seit einiger Zeit intensiv mit diesem Thema auseinander. Mit den Fotografien und den Videos ist die Ausstellung « Beastly – Tierisch » auch eine gesellschaftliche Reflexion. Bis 4. Oktober, www.fotomuseum.ch AGENDA NATIONAL GENF JEAN-PIERRE SAINT-OURS Die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten angekündigte Retrospektive ehrt den bedeutendsten neoklassizistischen Maler der Schweiz. Der Genfer Saint-Ours (1752– 1809) machte in Paris und Rom Karriere, bevor er in seine Heimatstadt zurückkehrte, wo die Revolution voll im Gange war. Erst glühender Anhänger der Bewegung, war er über die exzessiven Ideen später entsetzt. Das Kunst- und Geschichtsmuseum zeigt seine grossformatigen Bilder mit antiken Motiven und ernsten Porträts. 25. September bis 31. Dezember, htt§p:// institutions.ville-geneve.ch/fr/mah/ GENF DER BUDDHISMUS DER MADAME BUTTERFLY Nach « Le Rois Mochica » und der präkolumbianischen Ära stellt das neue Musée d’ethnographie de Genève Asien ins Rampenlicht. Japan, das sich ab 1853 der westlichen Welt öffnete, weckte in Europa Staunen und Bewunderung, stiess aber auch auf Unverständnis, wie es die Puccini-Oper zeigt. Das MEG zeigt buddhistische Realität und ihre Interpretationen. Zu bewundern sind Werke aus der eigenen Kollektion sowie Leihgaben, vor allem des Musée Guimet in Paris. 9. September bis 10. Januar, www.ville-ge.ch/meg ZÜRICH JOHN WATERS 1946 in Baltimore geboren, hatte John Waters nie im Sinn, sich auf herkömmliches Kinoschaffen zu beschränken. Als Kultregisseur der Achtzigerjahre produzierte aussergewöhnliche Filme wie « Pink Flamingos ». Daneben arbeitet der Amerikaner auch als Schauspieler, Journalist und Bildhauer, seine Werke sind meistens hart an der Grenze zum Kitsch. Das Kunsthaus widmet ihm eine Ausstellung von Filmfotografien und plastischen Arbeiten. Die Kollektion ist die Leihgabe eines Fans. Bis 1. November, www.kunsthaus.ch LAUSANNE PENONE : DESSEINS Giuseppe Penone wird seit vielen Jahren von der Lausanner Galeristin Alice Pauli vertreten. Der piemontesische Künstler geniesst heute Weltruf und ist an renommierten Ausstellungsorten zu sehen. Seine Werke scheinen sich von seinen Debüts in der Arte Povera in den Sechzigerjahren zu entfernen. Der Künstler, der vor allem als Plastiker arbeitet, bereitet seine Werke in Zeichnungen vor, die das Waadtländer Kunstmuseum unter dem Titel « Desseins » (Absichten) zeigt. 25. September bis 3. Januar, www.musees.vd.ch/musee-des-beaux-arts 16 | Finanz und Wirtschaft LU X E Montblanc Heritage Chronométrie and Hugh Jackman Crafted for New Heights Mit der Montblanc Heritage Chronométrie Quantième Complet Vasco da Gama Special Edition würdigt die Maison den europäischen Entdecker und sein Streben nach höchster Präzision. Die Uhr verfügt über einen vollständigen Kalender und eine Mondphase, die von einer blau lackierten Sternenkonstellation umgeben ist. Sie zeigt jenen Nachthimmel über dem Kap der Guten Hoffnung, wie auch Vasco da Gama ihn 1497 auf seiner ersten Reise nach Indien sah. Visit Montblanc.com | AG E N DA | PARIS ELISABETH VIGÉE-LEBRUN LONDON SHOES: PLEASURE AND PAIN Elisabeth Vigée-Lebrun (1755–1842), Tochter eines Malers und Opfer eines unwürdigen Ehemannes, war eine der angesehensten Porträtmalerinnern der Zeit von Ludwig XVI. Dank Marie-Antoinette wurde sie Mitglied der Königlichen Akademie. Während der Revolution floh sie nach Rom, Wien und St. Petersburg, kehrte dann nach Paris zurück, wo sie allerdings nicht mehr en vogue war. Nach Niki de Saint Phalle widmet das Grand Palais eine Retrospektive einer weiteren Frau im Wandel ihrer Zeit. 23. September bis 11. Januar, www.grandpalais.fr Schuhe sind Kultobjekte par excellence, die Männer und Frauen gleichermassen faszinieren. Mehr als einfache Fussbekleidung, sind sie Ausdruck einer Persönlichkeit. Das auf Mode spezialisierte Victoria & Albert Museum unternimmt mit 200 Paar Schuhen eine Reise ins Reich der Extravaganz von schwindelerregenden Absätzen bis zu den winzigen Schühchen chinesischer Frauen, die ihre Füsse bandagierten. Bis 31. Januar, www.vam.ac.uk AGENDA INTERNATIONAL Gérard Blot MAILAND FOOD Parallel zur Expo 2015 Milano präsentiert das Triennale Museum eine von Germano Celant, renommierter Autor und Kurator, konzipierte Mammutausstellung zum Thema Essen. « Kunst und Ernährung : Rituale seit 1851 », lautet das Thema. Zahlreiche zeitgenössische Künstler, von Paul McCarthy über Urs Fischer bis Issey Miyake, komplettieren die künstlerische Reise durch die Esskultur. Die Reaktionen auf die Show waren durchwegs positiv. Das kommt selten vor. Bis 1. November www.triennale.org LYON LA BIENNALE Die 13. Biennale von Lyon leidet etwas unter dem gleichzeitig stattfindenden Kunstevent von Venedig. Direktor Thierry Raspail hat die diesjährige Ausgabe dem Amerikaner Ralph Rugoff anvertraut. Die Anlässe werden an verschiedenen Orten der Stadt durchgeführt, so wie bisher in der Sucrière et Musée d’Art contemporain oder im neuen Musée des Confluences. Sie stehen dieses Jahr unter dem Motto « La vie moderne », angesichts der düsteren Zukunft ein geradezu ironisches Thema. 10.September bis 3. Januar, www.biennaledelyon.com AMSTERDAM MUNCH UND VAN GOGH Matisse und Picasso, Klee und Kandinsky – die grossen Ausstellungen konfrontieren gerne berühmte Künstler. Um das Interesse wieder zu beleben oder ganz einfach Neugierde zu wecken. Jetzt mit Munch und Van Gogh. Edvard Munch starb 1944. Und man vergisst, dass der Norweger, der in den Achtzigerjahren in Paris gelebt hat, ein Zeitgenosse des Holländers war. Die Ausstellung zeigt mehr oder weniger überzeugende Parallelen auf. Die Prestigeshow findet in Zusammenarbeit mit dem Munchmuseum Oslo statt, welches das Kunstereignis vor dem Van-Gogh-Museum gezeigt hat. 25. September bis 17. Januar, www.vangoghmuseum.nl 18 | Finanz und Wirtschaft LU X E BILBAO ALEX KATZ In Lausanne gab es eine Gegenüberstellung von Alex Katz und Félix Vallotton. 1927 geboren, gilt Katz wegen seiner flachen, bunten Bilder als Vertreter der Pop Art, wobei er allerdings kein Kritiker des amerikanischen Konsumismus ist. Die Show « This ist now » präsentiert eine Serie von Landschaftsbildern, die in den Achtzigerjahren entstanden sind. Parallel dazu zeigt das Guggenheim-Museum Jean-Michel Basquiat (bis 1. November) und Jeff Koons (bis 27. September). 23. September bis 31. Januar, www.guggenheim-bilbao.es Mehr Dreh pro Moment: <wm>10CAsNsjY0MDQx0TW2MDU3MwUAAmA-mg8AAAA=</wm> <wm>10CFWLKw7DQAwFT-TV838dwygsKqjKQ6ri3h81DQsYacDMvrcPXKzb47U9m8FmpNMzvAM6Mmt21inAbBRMwL6wCUsk4naQWaRAj39DKDqVlbxI_ADr-L4_P8c5yWt0AAAA</wm> Der neue Cayenne S E-Hybrid mit 416 PS. Wenn Sie den neuen Cayenne S E-Hybrid oder den Panamera S E-Hybrid Probe fahren, testen Sie die Technologie aus dem 919 Hybrid, dem Doppelsieger von Le Mans. Und erleben, was Rennsporterfahrung für die Serie bedeutet. Mit mehr Ideen pro PS. Und mehr Drehmoment. Bei einem Normverbrauch von 3,4 Litern. Vereinbaren Sie eine Probebeschleunigung und überzeugen Sie sich, dass Performance und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sein müssen. Im Gegenteil. www.e-mobility-drive.ch Follow us on SCANNER von Jorge S. B. Guerreiro TAG HEUER REFLEX 3 TAG Heuer produziert seit über zehn Jahren auch Sonnenbrillen. Die dritte Generation der Brillenkollektion wurde total überarbeitet und mit neuartigen Scharnieren aus Titan versehen, die vollständig integriert sind und für eine fliessende Linienführung sorgen. Ihre mit Elastomer überzogenen Titanbügel sind nicht nur extrem leicht, sondern passen sich auch allen Gesichtsformen an und garantieren dank des Nasen-Pads Autofold einen hohen Tragekomfort. Hergestellt werden die Reflex-3-Sonnenbrillen in Frankreich aus hochtechnologischen Materialien. Sie sind als rahmenloses Modell für 360 Fr. und mit einer Umrandung aus Azetat für 430 Fr. zu haben. www.tagheuer.com VIU OBVIOUS Die junge Schweizer Marke möchte herausragende Qualität zu einem knapp kalkulierten Preis anbieten. Um dies zu bewerkstelligen, arbeitet sie ohne Zwischenhändler und verkauft ihre Brillen entweder in den eigenen Geschäften oder übers Internet direkt an den Endkäufer. Der Kunde erhält vier verschiedene Brillengestelle und hat vier Tage Zeit, eines auszusuchen und die anderen zurückzuschicken. Die Produkte von VIU sind über alle Kritik erhaben : Die Entwürfe stammen vom Zürcher Designstudio Aeberhard / Kaegi, den Köpfen hinter den trendigen Qwestion-Taschen, die von einer italienischen Familie in den Dolomiten genäht werden. Preis ab 195 Fr., je nach Korrektur der Gläser. www.shopviu.com 20 | Finanz und Wirtschaft LU X E AUGENBLICK PERSOL VINTAGE CELEBRATION Die italienische Marke Persol, eine Abkürzung von Per il sole oder auf Deutsch «für die Sonne», stand seit jeher in Konkurrenz mit der amerikanischen Marke Ray Ban. Seit die Gruppe Luxottica beide Marken aufgekauft hat, sind die Differenzen beigelegt. Trotzdem haben die Sonnenbrillen von Persol eine gewisse Coolness, vor allem seit sie ein Mister Steve McQueen mit seiner unverkennbaren Lässigkeit getragen hat. Die Modelle der Kollektion Vintage Celebration bestechen durch ihre zweifarbigen Gestelle: Feuer und Schiefer, Ebenholz und Gold oder Erde und Ozean. Preis 330 Fr. www.persol.com ITALIA INDEPENDENT I-PLASTIK Lapo Elkann, der Enkel von Ex-Fiat-Boss Gianni Agnelli, ist als einer der elegantesten Männer auf diesem Planeten bekannt und zufällig auch auf dem Titelblatt dieser Zeitschrift zu sehen. Neben seinen quasi hauseigenen Lieblingen Ferrari und Juventus widmet er seine Zeit auch Italia Independent. Die von ihm ins Leben gerufene Marke für Luxusartikel produziert unter anderem Brillen nach einem in der Automobilindustrie verwendeten Verfahren. Ihre Eigenheit : Sie sehen aus wie mit Samt überzogen und fühlen sich auch so an. Nicht von ungefähr haben alle grossen Luxusmarken versucht, ihn zu kopieren. Preis: 177 Euros www.italiaindependent.com MOSCOT ZOLMAN Der New Yorker Optiker Moscot feiert sein hundertjähriges Bestehen. Seit der berühmt-berüchtigte Modefotograf Terry Richardson das Unternehmen zu seiner Hausmarke erkoren hat, erlebt es ein regelrechtes Revival. Probieren Sie anstelle des nach ihm benannten Modells, des Terry LE, die Zolman an, die der Gründer Zolman « Sol » Moscot 1934 für sich selbst entworfen hat. Wagen Sie ruhig den Corbusier-Look, denn er kommt nie aus der Mode. Ein Gestell kostet 250 $ und kann im Internet bestellt werden. www.moscot.com BURBERRY GABARDINE-SPITZE Wussten Sie, dass die traditionelle englische Spitze nicht nur die neue Kollektion von Burberry inspiriert hat, sondern auch aus den gleichen Fäden hergestellt wird ? Die britische Schauspielerin Clare Paget trägt für die Werbekampagnen der Marke ein Modell mit einem Azetatgestell in der Form von Katzenaugen. Die Metallbügel sind in einem in der Juwelierskunst und der Bildhauerei verwendeten Verfahren hergestellt. Für 370 Fr. gehören sie Ihnen. www.burberry.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 21 TECH-TRENDS von Jorge S.B. Guerreiro D er kanadische Konzern Bombardier stellt die unterschiedlichsten Transportmittel her : von Linienflugzeugen und Privatjets über Züge bis hin zu Pistenbullys. Seine Sparte BRP (für Bombardier Recreationnal Products) produziert Fun-Gefährte wie Jetski, Schneemobile, Quads, kleine elektrische Geländefahrzeuge und, unter dem Label Can-Am, diesen Dreirad-Roadster. Das jüngste Modell : der Can-Am Spyder F3. Sein kraftvolles Y-Rahmendesign (zwei Räder vorne und eines hinten) er- innert zwangsläufig an das eines sommer- zigen Tankfüllung. Der Auspuff erzeugt tauglichen Schneemobils. Im Unterschied einen schmeichelhaft röhrenden Sound. zum nicht ganz ungefährlichen Quad sorgt Wer keine Erfahrung mit Motorrädern hat, diese Konfiguration für ein motorradähn- kann sich auch für ein halbautomatisches liches Fahrerlebnis. Angetrieben wird das Getriebe entscheiden, bei dem die Gänge hippe Vehikel von einem hauseigenen Ro- nicht mit dem Fussschalthebel, sondern tax-1330-Dreizylinder-Reihenmotor mit mit dem Finger über eine Schaltwippe ge115 PS Leistung und 130 Nm Drehmoment. wechselt werden. Dynamische ServolenDieser starke Motor garantiert sportliche kung, Brembo-Bremsen, Stabilitäts- und Leistungen und eine satte Beschleunigung, Traktionskontrollsystem und ABS vervolllässt aber auch komfortables Cruisen bei ständigen die technische Ausstattung des niedrigen Drehzahlen zu. Im ECO-Modus motorgetrieben Dreirads. Und damit auch ermöglicht er bis zu 406 km mit einer ein- der Komfort nicht zu kurz kommt, wurde im Bug ein Gepäckstaufach untergebracht. Alles am Can-Am Spyder F3 dient eigentlich nur einem Zweck : dem Vermitteln von Sicherheits- und Freiheitsgefühl kombiniert mit dem Fahrspass eines Motorrads. Der Canada Dry der heissen Feuerstühle exben. Preis : ab 22 000 Franken D E R C A N A D A D E S M O T O R R A D S 22 | Finanz und Wirtschaft LU X E D R Y Eine Marke der Daimler AG <wm>10CAsNsjY0MDQx0TW2MDYxNwUAxrAIpA8AAAA=</wm> <wm>10CFWLMQ7DMAwDXySDtGTLqsYgW9Ch6O6l6Nz_T3G6ZSBwwB2PI1vBf9v-fO-vJGgmOtS8ZYcW92B6LAATAa9geyA4rA_n7SBmfXmdVyMIWUhdUmyytuEGL7_P9wQfuTrTdwAAAA==</wm> Viel mehr als ein neuer Name. Der neue GLE. Erleben Sie den Nachfolger der legendären M-Klasse. Der neue GLE beeindruckt mit unübertroffenem Komfort und zahlreichen Neuerungen, zum Beispiel dem SeitenwindAssistenten und dem optionalen Fahrassistenz-Paket Plus. Der neue GLE ist ebenfalls als PLUG-IN HYBRID erhältlich. www.mercedes-benz.ch/GLE MUST HAVE von Patricia Lunghi TROMPE-L’ŒIL Der französische Plastiker Claude Chavent beherrscht die Kunst, flachen Objekten vermeintlich Volumen zu verleihen. Diese Brosche aus gebräuntem Stahl mit bearbeiteter Oberfläche vermittelt die optische Illusion eines Reliefs. Erhältlich bei Viceversa, Galerie für zeitgenössischen Schmuck in Lausanne Preis : 1130 Fr. GEM Diese Kollektion von eckigen Leuchten, Tischen und Spiegeln erinnert an geschliffene Edelsteine – daher ihre Bezeichnung Gem. Der sechseckige Beistelltisch aus facettiertem Aluminium ist vom Designer Tom Dixon. Preis : ab 1000 Fr. ORIGAMI Wenn sich die Fantasie des Parfümeurs mit der des Designers zusammentut, entsteht diese charmante Kollektion duftender Objekte von Hermès. Eine subtile Alchemie von Formen und Düften. Die von Guillaume Bardet ziselierten Kerzengläser fangen in den zarten Keramikfalten die Duftnuancen ein. Preis : ab 210 Fr. IN-EI Mehrfach ausgezeichnet, kombinieren die vom japanischen Designer Issey Miyake für Artemide gestalteten Leuchten aus recyceltem PET Tradition und Modernität. Die Falttechnologie von Miyake lässt aus einem flachen Objekt eine strahlende, dreidimensionale Skulptur entstehen. Preis : ab 200 Fr., je nach Modell DIAMOND Ob extravagantes Dekostück oder futuristische Skulptur, Diamond ist auch eine Badewanne. Maison Valentina, das neue Label für hochpreisige Badezimmerausstattung, hat exklusives Mobiliar im Programm. Kühnes Design, das auch mal kitschig sein darf. Preis : 28 690 € 24 | Finanz und Wirtschaft LU X E BONBON Verreum ist ein junges Unternehmen, das der böhmischen Glasbläserei zur Renaissance verhilft. Kollektionen aufstrebender Designer basieren auf traditionellem Savoir-faire. So auch der Beistelltisch Bonbon aus versilbertem Glas von Luca Nichetto. Preis auf Anfrage PALANCO Eine glänzende Idee der Brüder Bouroullec aus Paris. Sie kreierten einen beidseitigen Spiegel und montierten ihn mit Stahlseilen und Laufrollen an der Decke. Für Balance sorgen Gegengewichte aus mundgeblasenem Glas in verschiedenen Farben. Palanco wurde am letzten Möbelsalon in Mailand von Glas Italia präsentiert. Preis auf Anfrage UNCLE JIM & UNCLE JACK Philippe Starck nennt das Sofa Uncle Jack, den Sessel Uncle Jim, wie « die minimalistische Version und Technologie, die meine Onkel und Tanten benutzten, um gemütlich vor dem Kamin Pfeife zu rauchen und zu stricken ». Kartell präsentiert eine Meisterleistung der Spritzgiesstechnolgie : Transparenter Kunststoff gegossen aus einer einzigen Form. Preis Sessel Uncle Jim : 524 Fr. Preis Sofa Uncle Jack : 1356 Fr. LILY LASER K-Way, das Label unserer Kindheit, ist auf Erfolgskurs und feiert sein Comeback mit trendig geschnittenen Jacken. Technomaterial und moderne Farben garantieren urbanen Chic. Wie diese leichte Nylonweste mit Laserperforation. Preis : 249 € BUBBLEGUM « Ich zeichne Emotionen », sagt Mattia Bonetti. Der extravagante, in Paris lebende Schweizer Designer kreiert Aussergewöhnliches. Den aus Glas und Acryl gefertigten, nierenförmigen Tisch Bubblegum gibt es auch in patinierter schwarzer Bronze. Erhältlich in der Galerie David Gill in London. Limitierte Edition von zwanzig Exemplaren. Preis auf Anfrage Finanz und Wirtschaft LU X E | 25 TREFFPUNKTE von Hans Uli von Erlach Schön zu Fuss HANDGEMACHTE MASSSCHUHE SIND DIE HAUTE COUTURE FÜR DIE FÜSSE DES GENTLEMAN, FÜR ELEGANZ UND PERSÖNLICHEN STIL, SCHRITT FÜR SCHRITT. WIR TRAFEN EINIGE DER WENIGEN SCHUHMACHER, DIE IN DER SCHWEIZ NOCH SCHUHE NACH MASS FERTIGEN. 26 | Finanz und Wirtschaft LU X E fLE MAJORDOME ZÜRICH / FRIBOURG / MONTREUX Die Brüder Gian-Luca und Florian Cavigelli haben eine Vision verwirklicht: Vor drei Jahren haben sie Le Majordome gegründet, ein ambitioniertes Konzept, um den Mythos des rahmengenähten Massschuhs neu zu definieren und erschwinglich zu machen. «Liebe zum ästhetischen Objekt, Faszination edler Materialien und Leidenschaft» sind bis heute ihre Motivation. In Zürich, Fribourg oder Montreux werden die Füsse der anspruchsvollen Kunden mit dem L-MD-Passformkonzept vermessen. Handgefertigt werden die edlen Schuhe in hundertjähriger handwerklicher Tradition im Südosten Spaniens. Die vielfältigen, manchmal auch gewagten Designs der stammen von den Cavigellis selbst. Als Kunde wählt man dann unter schier unendlichen Möglichkeiten die persönliche Ausführung. Marktgasse 4, 8001 Zürich / Rue de Lausanne 67, 1700 Fribourg / Grand Rue 70, 1820 Montreux, www.lemajordome.ch HUWYLER MASSSCHUHE BIRMENSDORF / ZÜRICH / BERN / BASEL Vater Huwyler gründete vor 58 Jahren am Zürcher Bellevue seine Schuhmacherei, um feine Markenschuhe aus aller Welt zu reparieren. Das macht die Firma, die 1991 von seinem Sohn und einstigen Börsenhändler Fritz Huwyler übernommen wurde, natürlich noch immer (zu den Kunden gehört auch Prominenz wie Tina Turner). Inzwischen gehört Huwyler aber auch zu den ersten Adressen, wenn es um Damen- und Herren-Massschuhe geht oder um rahmengenähte Masskonfektion. «Das Konzept haben wir den Schneidern abgeschaut», sagt Huwiler. Nachdem die Masse genommen wurden – wichtig ist auch die Weite des Schuhs! –, bestimmt der Kunde aus einer Fülle von Grundmodellen, Lederarten und -farben seinen Lieblingsschuh. Dieser wird dann am Hauptsitz in Birmensdorf hergestellt. ARTURO BELLI, BOTTIER GENF Vor vier Generationen kam ein grossartiger Schuhmacher aus der Toscana und liess sich in Genf nieder, 1909 gründete er dort seine erste Manufacture de souliers sur mesure Arturo Belli. Inzwischen ist der Name Synonym für handgefertigte Herren-Massschuhe der Luxusklasse. Tony Giglio, der heutige Besitzer, ist stolz darauf, dass jeder Schritt vom Entwurf bis zur Herstellung seiner Produkte zu 100% vor Ort entsteht. Und er signiert dies quasi mit dem für Kenner berühmten schwarzen Kreuz auf der Schuhsohle. Der Kunde wählt aus dreizehn Modellen seine persönliche Lieblingsform und aus einem breiten Strauss von Farben, Ledern und ihrer Bearbeitung bis zum Finish, wie sein Traumschuh aussehen soll. Hier ergänzen sich Luxus und Komfort. Rue de la Cité 19, 1204 Genf, www.arturobelli.ch Stallikonerstr. 58, 8903 Birmensdorf / Stadelhoferstr. 42, 8001 Zürich / Marktgass-Passage 3, 3011 Bern / Gerberstr. 16, 4001 Basel, www.huwyler.com CORDONNERIE DEUZET LAUSANNE Mit 23 Jahren ist Guillaume Deuzet der jüngste unter unseren Schuhmachermeistern. Wir haben ihn in Lausanne entdeckt, wo er im Herbst 2014 seine eigene Werkstatt und Boutique eröffnet hat. Nach vier Wanderjahren, die den gelernten Schuster zu den renommiertesten Cordonniers-Bottiers in Frankreich, Italien und der Schweiz führten, bei denen er sein Handwerk verfeinerte und schliesslich sein Gesellenstück ablieferte und zum «Compagnon du Devoir» ernannt wurde. Dank Leidenschaft und Innovation (zum Beispiel das raffinierte Patinieren oder Tätowieren der Lederoberfläche) wurde er rasch zum Geheimtipp für Schuhliebhaber weit über Lausanne hinaus – für perfekte Reparaturen von Schuhen der Extraklasse ebenso wie für die eigenhändige Herstellung von Massschuhen. Ruelle de Bourg 1, 1003 Lausanne, www.cordonnerie-deuzet.ch RISCH SHOES ZÜRICH Der exklusive Golfschuh Augusta ist nur eine der Spezialitäten des Schuhmachers Dominik Risch. Er wird genauso massgeschneidert wie die vielen übrigen Modelle, aus denen man seinen Lieblingsschuh aussucht. Vorher bekommt aber der Fuss seine eigene Risch Foot DNA – will heissen: Ein 3D-Scanner umkreist die Füsse des Kunden und vermisst sie passgenau. Nach traditioneller italienischer Schusterkunst wird das Traumpaar anschliessend in Florenz in über hundert Arbeitsschritten aus feinstem Leder individuell gefertigt. Und da die Fuss-DNA gespeichert ist, kann man jederzeit die nächsten Schuhe bequem online bestellen. Mass genommen wird übrigens nicht nur in Zürich, sondern tageweise auch in Schaan FL, Basel, Bern und St. Gallen. Grubenstr. 45, 8045 Zürich, oder Müllerstr. 36, 8004 Zürich. www.risch-shoes.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 27 | D O S S I E R LU X U S | von Cristina d’Agostino - Illustrationen : Nicolas Zentner D I E Z U K U N F T D E S LU X U S REICH DER SINNE UND DES SINNS DARF MAN DAS WORT LUXUS WIEDER IN DEN MUND NEHMEN ? WÄHREND DIE BRANCHE IM ERSTEN JAHRZEHNT DES 21. JAHRHUNDERT DANK DEN AUFSTREBENDEN SCHWELLENLÄNDERN FLORIERTE, TRUGEN GLOBALISIERUNG UND DAS KRISENJAHR 2008 DAZU BEI, DASS LUXUS AN BEDEUTUNG VERLOR. SEIT EINIGEN MONATEN IST LUXUS WIEDER IN. HAT DIE TRENDWENDE ZUKUNFT ? EINE ANALYSE. «N icht die Herstellung superteurer von Prestigeprodukten), ein Phänomen Produkte war die Geburtsstunde der Zeit von 1980 bis 2000, hatte zur Folge, des Luxus, sondern das bewusste Geld- dass Luxus seinen Sinn verlor. Internetblaausgeben. » Dies schreibt der französische se, die lähmende Unsicherheit nach dem Autor und Philosoph Gilles Lipovetsky in 11. September, Subprime-Krise bremsten seinem neu aufgelegten Werk « Le luxe die Verschwendungsenergie im Westen. éternel ». Für ihn ist Luxus vielmehr mit « No Show, no Logo », lautete jetzt die DeKultur und Entwicklung der Menschen vise, Luxus war höchstens im sehr privaverbunden als lediglich ein Zeichen unse- ten Kreis noch ein Thema. Im Gegensatz rer materialistischen Gesellschaft. Es be- dazu die aufstrebenden Brics-Staaten, wo gann vor Millionen Jahren, als der Mensch die Zurschaustellung von Luxus eine neue das Bedürfnis verspürte, seiner Existenz Ausdrucksmöglichkeit war und die Befreieine göttliche Dimension zu geben und ung des Ich manifestierte. Klassischer Luversuchte, die Götter mit luxuriösen Ga- xus war also weiterhin gefragt und dank ben günstig zu stimmen. Die Verschwen- neuen Märkten auf Wachstumskurs. Heudung von Reichtum war sinnvoll und be- te sieht es allerdings ein wenig anders aus. wusst. Später mass sich der Mensch die Enttäuschende Wachstumsraten, Zerfall göttliche Rolle an und entfaltete ein fast der Rohstoffpreise inklusive jener für Erdgrenzenloses Prachtgebaren. Luxus wur- öl sowie die grössere Ungleichheit in diede zum Mittel, vermeintliche Unsterblich- sen Ländern machen, dass Luxus immer keit zu erlangen. Während Jahrhunder- mehr Misstrauen weckt. Markenlogos sind ten Teil der Spiritualität, driftete Luxus nicht länger gefragt, weshalb sich die Luin die Oberflächlichkeit und Arroganz ab, xusindustrie neu erfinden muss, um neue demokratisierte sich dafür dank gesell- Territorien zu erobern. Lokal und nicht schaftlicher Emanzipation und Kapitalis- global denken ist jetzt ein Muss. Mark mus. Luxus wurde käuflich und spiegelte Schumacher, Professor Luxury Managedie soziale Stellung. Es ging nicht länger ment an der Haute Ecole de Gestion in um die Unsterblichkeit im Jenseits, son- Genf : « In der globalisierten Welt, wo jedern man strebte nach extremer Ästhetik, dermann alles on- oder offline im Geschäft Schönheit, Raffinesse in Kunst, Architek- kaufen kann, ist die geografische und histur und Bekleidung, der gesellschaftliche torische Identität mehr denn je eine MögAufstieg fand über das Luxusobjekt statt. lichkeit, sich zu unterscheiden. » Im 20. Jahrhundert war Luxus Schein, eine Möglichkeit, sich vom Nächsten zu LUXUS FÜRS ICH, DER NEUE SINN unterscheiden. Die Ära der Sorglosigkeit, Dank der Demokratisierung des Luxus der Petrodollar, der Golden Boys, der All- kann sich jedermann erhoffen, sich in seimacht des Geldes machte die Luxuslabels nem gesellschaftlichen Milieu damit ausreich, denn ihre Produkte symbolisierten zuzeichnen. Luxus ist etwas, was man für Erfolg. « Masstige » (Massenproduktion sich selbst erlebt. Catherine Becker, Grün- 28 | Finanz und Wirtschaft LU X E derin und Direktorin des Consultingunternehmens M&tis-Jujing in Schanghai : « In China haben Luxus und die Lust, sich ihn zu gönnen, immer mehr mit Anerkennung des Individuums zu tun, mit Hedonismus und Spass, als Schutz vor dem Stress, den Empowerment, Macht und Karrieredenken verursachen. Luxus hat nicht länger eine Statusfunktion, sondern man geniesst ihn allein oder mit Freunden und Familie. Ausserdem hat die Antikorruptionspolitik das Entstehen von mehr oder weniger okkulten Sekundärmärkten gefördert. So beobachtet man in China das Aufkommen von Privatclubs und ein zunehmendes Interesse für Inneneinrichtung und Dienstleistungen im privaten Heim. » Trotzdem ist das gegenseitige Überbieten von Prunk und Pracht beileibe nicht passé. Handwerkskunst und Massgeschneidertes sind gefragter denn je und gelten als das Nonplusultra des raffinierten Lebensstils. Benoît Lecat, Kursbeauftragter an der California Polytechnic State University und Gast an der Universität Genf : « Luxusobjekte müssen qualitativ erstklassig und einmalig, müssen Meisterwerke sein. Handwerk ist der wahre Luxus. Eine Marke muss die Falle standardisierter Produktion unbedingt vermeiden und danach trachten, sich möglichst nahe bei den Werten und der Philosophie des Unternehmensgründers zu positionieren. Mit anderen Worten, sie muss authentisch bleiben. » Die Abteilungen für massgeschneiderte Projekte der traditionellen Luxushäuser geniessen denn auch höchstes Ansehen. Das Departement Horizon von Chanel offeriert seinen Kunden Zahllos sind heute die Marken, die von Museen ausgestellt werden oder Retrospektiven ihrer Kreationen organisieren. Finanz und Wirtschaft LU X E | 29 | D O S S I E R LU X U S | Ein Luxusobjekt muss nicht nur einen ästhetischen, sondern vor allem einen ethischen Anspruch reflektieren Fertigung nach Mass und macht Unmögli- Software das Stück online gestaltet. Chris- erklärte neulich : « Ein Luxusobjekt muss ches möglich. So dekorierte es das Apart- tophe Gras, mit Pierre Feron Mitbegrün- nicht nur einen ästhetischen, sondern vor ment eines asiatischen Kunden ganz im der des Unternehmens : « Wir wollen die allem einen ethischen Anspruch reflekHermès-Stil, von den Tapeten bis zum Ikonen von morgen kreieren. Luxus ist tieren. An erster Stelle stehen TranspaSofa aus Krokoleder. Auch individuelle Le- massgeschneidert. Der Name des Künst- renz sowie die soziale und die umweltbederbezüge für Fahrzeuge, Boote und He- lers ist ein Luxus, den sich jeder seinen wusste Verantwortung der Marke, denn die Kunden von heute sind informiert und likopter werden hier gefertigt. Bei Lan- Wünschen entsprechend leisten kann. » Aber Topqualität und die Gewissheit, bewusst. Das Unternehmen muss durch vin an der Rue du Faubourg-Saint-Honoré gehören zur Massschneiderei für Herren ein massgeschneidertes Einzelstück zu be- das Produkt, aber auch durch zahlreiche auch individualisierte Stoffe. Wünscht sitzen, reichen noch nicht, um ein Image dem Kunden gebotene Erfahrungen beder Kunde Diamantpuder auf seinem ge- aufzubauen. Denn heute hat Luxus weni- weisen, dass es nichts zu verbergen hat. » streiften Anzug, wird dieser Wunsch um- ger mit Status, sondern vielmehr mit Geist gehend ausgeführt. Das kürzlich gegrün- zu tun. Gewinner sind die Marken, die BEDÜRFNIS NACH MEHR TRANSPARENZ Während die Generation X (zwischen dete Schweizer Start-up Bespoke Edition eine Vision haben, die dem Objekt dank bietet massgeschneiderte Möbel an, die Funktionalität, Dauerhaftigkeit, Qualität, 1966 und 1976 Geborene) den ethischen von namhaften Architekten oder Desi- Einfachheit und Authentizität Sinn ver- Anspruch des Luxus nicht wirklich ernst gnern gestaltet werden. Etwa von Jean leihen. Heinz Ramseier, Mitglied des Ver- nahm, ist er für die Generation Y, die Nouvel, der dank einer hochentwickelten waltungsrats der Schweizer Skimarke Zai, Millennials (geboren zwischen 1980 und 30 | Finanz und Wirtschaft LU X E 2000), die Basis überhaupt, denn sie sind die Aktionäre anders über Umweltpolitik mit ökologischem und sozialem Bewusst- informiert werden als die Konsumenten. sein aufgewachsen. Für diese neuen Kon- Was man nicht kommuniziert, kann auch sumenten sind Ethik, Transparenz und nicht debattiert werden. Im Gegensatz zu Rückverfolgbarkeit massgebend für Iden- dem, was Luxusmarken immer noch glautifizierung und Auslösung des Kaufs. Eric ben, bin ich der Meinung, dass die KonsuBriones, Leiter Strategieplanung bei Pub- menten Transparenz erwarten. Wer Luxus licis EtNous, Co-Autor des Buches «La gé- kauft, kauft ein perfektes Produkt, idealernération Y et le luxe» : « Für die Millenni- weise ein Ganzfabrikat. Aber nachhaltige als ist Luxus weder mysteriös noch Grund Entwicklung endet nie. Aus diesem Grund für Begehrlichkeit, sie verlangen einfach, pflegt der Luxusbereich eine sehr eloquendass er seinen Preis wert ist. Luxuskauf ist te Sprache, wenn es um das Thema NachSynonym für den perfekten Kauf. Auch ge- haltigkeit geht. » Dauerhafte Entwicklung ist perfektiohen sie mit dem Begriff Luxus, der wegen ‹Masstige› der Neunzigerjahre in Verruf ge- nierbar. Könnte dies bedeuten, dass Nachkommen ist, sehr vorsichtig um. Sie verlan- haltigkeit und die Idee vom perfekten gen vielmehr Transparenz, Rarität, Sinn, Luxusprodukt kompatibel sind ? Im Bedie Berücksichtigung ethischer und mo- reich der herkömmlichen Luxusprodukralischer Regeln. Vereinigt Luxus all diese te (Schmuck, Mode) gibt es renommierte Werte, wird sein Besitz zum Zeichen für Firmen, die sich als Pioniere einen Namen Erfolg, vor allem weil der Millennial beim machen. Chopard hat als erstes Haus der Kauf keinerlei jüdisch-christliche Schuld- Haute Joaillerie auf Initiative von Co-Prägefühle empfindet. Gemäss einer Untersu- sidentin Caroline Scheufele die Kollektion chung würden es 83 % nicht schockierend Green Carpet entwickelt. Die Edelsteine finden, in Krisenzeiten ein Luxusprodukt sind von A bis Z rückverfolgbar und werzu erwerben. » Der Begriff von « perfektem den unter streng ökologischen BedingunKauf » strahlt über die Privatsphäre hinaus, gen geschürft und produziert. Selbstverdenn Millennials sind hoch vernetzt und lieben es, ihre Errungenschaften via soziale Netze vorzustellen. Im Gegenzug werden Fehlkäufe und Geschmacksverirrungen von der Gemeinschaft postwendend sanktioniert. Beschäftigt man sich intensiver mit dem Gespann Luxus und Nachhaltigkeit bzw. Philanthropie, stellt man schnell fest, dass ständlich können diese umweltfreundlich positive Beispiele selten sind. Zwar fahren gewonnenen Preziosen Chopards Jahresalle grossen französischen Luxuskonzerne bedarf an Edelsteinen und Gold nicht deauf dieser Schiene, aber die Informations- cken. Fakt ist, dass diese Kostbarkeiten von politik über die eigenen Praktiken ist wenig superreichen Kunden begehrt werden, die klar. (Die Regeln werden weiter verschärft, ihrerseits häufig an der Spitze philanthrodenn das 2016 in Kraft tretende Umwelt- pischer Stiftungen stehen. Cécile Lochard : gesetz Grenelle 2 verpflichtet alle Unter- « Die jungen Erben oder High Net Worth nehmen, auch nicht kotierte und die mit Individuals investieren oder kreieren Umweniger als 300 Mitarbeitenden, über die weltfonds, die sich für den Schutz von FauAnwendung gesellschaftlicher und ökologi- na und Flora einsetzen. Es ist daher wichtig, scher Normen zu informieren.) Heute ist es dass Luxusmarken bezüglich Beschaffung dank dem Califonia Transparency in Supply und Produktion für Transparenz sorgen. Chains Act aus dem Jahr 2010 einfacher, zu Das jüngste Beispiel für diese Notwendigwissen, wie kostbare Rohstoffe gewonnen keit war diesen Sommer die Birkin Bag aus werden und wie die Arbeitsbedingungen Krokodilleder. » Neue Studien zeigen auch, vor Ort sind. Aber die Marken kommuni- dass dieses neue Konsumentenbewusstsein zieren nicht darüber. Dazu Cécile Lochard sowohl im Westen als auch in Asien aktu(Gründerin und CEO von Citizen Luxury & ell ist. Cécile Lochard : « In China steht die Citizen Philanthropy, Paris) : « Es ist nicht Zusammensetzung des Produkts an zweiselbstverständlich, nachhaltige Werte und ter Stelle, am wichtigsten ist nach wie vor Konsumenteninformationen in Einklang zu das Design. Vor nur fünf Jahren war es bringen. Anders als für andere Akteuren ist das Label, das zählte, gefolgt von Design, für die Luxusbranche das Risiko, ihren Ruf die Zusammensetzung lag in der Rangliszu gefährden und dem Image zu schaden, te weit hinten. Für die Brasilianer hat die immens. Dies ist auch der Grund, weshalb Wahrung des Ökosystems oberste Priorität, was wiederum zeigt, wie schnell sich die Konsumgewohnheiten in aufstrebenden Länder ändern. » KUNST UND LUXUS – FREIHEIT ODER REPUTATION Kunst und Luxus sind seit jeher eng miteinander verbunden. Der Blick auf die mächtigen Familien der Vergangenheit, die als Kunstmäzene wirkten, zeigt, dass sie über die Kunst ihre Macht demonstrierten und sich quasi in die Nähe des Göttlichen rückten. Kunstmilieu und Museen ermöglichen es dem Luxus, sich zu institutionalisieren und einen höheren Status zu erlangen. Zahllos sind heute die Marken, die von Museen ausgestellt werden oder Retrospektiven ihrer Kreationen organisieren. Sie empfangen so ihre höheren Weihen. Louis Vuitton, Cartier, Patek Philippe und andere mehr liessen sich in renommierten Museen bewundern, einige haben gar ihr eigenes Museum eröffnet. Die Beziehung zwischen Kunst und Luxus wird komplexer, auch pervertierter, wenn man diesen Aspekt genauer unter die Lupe nimmt. Catherine Becker : « Einerseits bedienen sich die Künstler der Luxusmarken, um ihre eige- Luxus und nachhaltige Entwicklung : ein nach wie vor kompliziertes Duo nen Kreationen zu realisieren oder ihre politischen oder religiösen Überzeugungen zu manifestieren. Im Gegenzug honorieren sie ihre Mäzene, indem sie einen Teil ihrer Kreativität in deren Dienst stellen. Oft ist es schockierend zu beobachten, wie grosse Künstler als kreatives Alibi eines Labels dienen und eine autoritäre Harmonie akzeptieren. Aber letztendlich sind es die Künstler, die das letzte Wort haben. Wenn Louis Vuitton im neuen Shop in Macao eine Christus- und eine Buddha-Figur des chinesischen Künstlers Zhang Huan einander gegenüberstellt, bedeutet dies auch die Transzendenz der politisch-sozialen Ordnung in einem Raum des Glaubens. » Transparenter, weniger arrogant, vernetzt, konzipiert fürs Ich und weniger als individuelle Bewertung des Individuums, muss Luxus diesen Aspekten der Erfahrung des Lebens und der Kultur des Einzelnen gerecht werden. In einer Zeit, wo man immer häufiger online einkauft, mutiert der Verkaufspunkt zum Showroom, zum Ort des Erlebens und zur Plattform der Wünsche, Passionen und Sinne. Finanz und Wirtschaft LU X E | 31 | D O S S I E R LU X U S | von Myret Zaki Der neue Luxus der Banken: mehr Ethik, mehr Individualität I m Finanzsektor gibt es Bankinstitute, die die gleiche Exklusivität besitzen wie etwa Hermès in der Modebranche. Diese sich im oberen Segment positionierenden Unternehmen entwickeln für ihre Kunden hochindividualisierte Dienstleistungen. Im Finanzbereich war Luxus lange Zeit Synonym für massgeschneiderten Service, VIP-Behandlung, grosse Diskretion und Qualität der Beziehung zum Berater. Später haben Industrialisierung der Dienstleistungen und Fintech (Spitzenfinanztechnologien) Riesenfortschritte gemacht. Traditioneller Luxus wurde marginalisiert zugunsten der Standardisierung der Produkte und vereinfachter Transaktionen. « Luxus, die Rede ist von echtem Luxus, definiert sich in Zukunft über die Qualität der erstklassigen Arbeit. Es geht nicht mehr um Schein, sondern um den kompromisslosen Luxus professionellen Bewusstseins und Qualitätsarbeit », so Claude Gonet, Berater der Generaldirektion bei Baring Brothers Sturdza in Genf. Der ehemalige Verantwortliche für die Entwicklung des Schweizer Marktes bei Julius Bär war früher Direktor der SBS Waadt, später Chef Vermögensverwaltung bei der UBS Genf. Als Julius Bär aufeinanderfolgend von Ferrier Lullin, ING, Bank of China, Merrill Lynch und Leumi Schweiz übernommen wurde, « war es sehr schwierig, gemeinsame Werte zu finden ». Claude Gonet stellt auch fest, dass mit den immer grösseren Bankinstituten und den damit verbundenen Einschränkungen und der Rigidität das Angebot kleiner, die Leistungen uniformer und oft auch unbefriedigender werden. « Die Zukunft liegt 32 | Finanz und Wirtschaft LU X E in Nischenprodukten, die von ‹Banken-Luxusboutiquen› angeboten werden. » Claude Gonets Aufgabe bei Sturdza besteht darin, die Privatkundschaft zu vergrössern, indem in Bezug auf den selbstverständlich transparenten Preis hohe Qualität geboten wird. Luxus bedeutet auch Ehrlichkeit. « Die Spesen der grossen Institute liegen weit höher als diejenigen, die tatsächlich kommuniziert werden. » Angesichts der zahlreichen Banken, die erstklassige technologische Plattformen bieten mit Courtage und Depotgebühren, liegt der Mehrwert bei der Beratung. « Der Trend geht Richtung sehr weitgehender Individualisierung der Dienstleistungen. » Zum Beispiel der Kunde, für den der Berater ein Flugzeug chartert oder für dessen Tochter er eine Schule im Ausland sucht. Die Bank an der Genfer Rue du Rhône peilt die grossen Schweizer und internationalen Vermögen an, die keine standardisierten, sondern massgeschneiderte Leistungen suchen. Auch gesetzliche Schikanen fördern nicht eben den Hochleistungsservice. « Die Systeme müssen mehr auf Kunden als auf interne Kontrollen ausgerichtet sein », schliesst Claude Gonet. Man macht hier also die ähnlichen Überlegungen wie in anderen Sektoren, wo Luxus weniger ins Auge springt, sondern etwas ist, was man schätzt und geniesst – Haute Joaillerie, Mode, Hotellerie, Privatschulen. | SECHS LUXUSREGELN FÜR BANKEN, GEMÄSS CLAUDE GONET 1 Makellose Ethik, Vertrauensklima mit Kunden 2 Hohe professionnelle Kompetenz 3 Ausgezeichnete Performance der Investitionen 4 Topservice und mehr Zeit für die Kunden 5 Technologie und innovative Produkte 6 Minimale gesetzliche und administrative Einschränkungen | RANKING | Dossier zusammengestellt von Cristina d’Agostino Koordination : Sylvie Bernaudon Fotos : François Wavre und Dominic Büttner 2 01 5 « LUXE » VERÖFFENTLICHT ZUM ZWEITEN MAL EINE RANGLISTE DER BESTEN HERRENAUSSTATTER AN DER ZÜRCHER BAHNHOFSTRASSE UND DER RUE DU RHÔNE IN GENF. AUSSCHLAGGEBEND FÜR EIN GUTES ABSCHNEIDEN WAREN VOR ALLEM FACHKOMPETENZ, ENGAGEMENT IN DER PERSÖNLICHEN BERATUNG UND ANALYSE DES KUNDENWUNSCHES. DIE ERGEBNISSE VERRATEN ABER NOCH VIEL MEHR. | RANKING | Zweiter Best Boutique Award für Herrenausstatter W arum macht man sich überhaupt die Mühe, den Kunden- tery Shoppers aus dieser Altersklasse gewählt. Das Fazit ist trotz dienst in Herrenkonfektionsgeschäften unter die Lupe zu einiger unprofessioneller Begrüssungen insgesamt positiv. Einige nehmen, wo doch die grossen Luxusmeilen noch immer von Frauen- Boutiquen fielen negativ auf, weil sie die Kunden beim Betreten des modegeschäften in Beschlag genommen werden? Ganz einfach Geschäfts bis zu fünf Minuten warten liessen oder gar nicht beachweil das Angebot für den Mann an der Zürcher Bahnhofstrasse und teten. War der Verkaufsprozess aber erst einmal im Gang, spielten der Rue du Rhône in Genf in den letzten fünf Jahren erheblich zu- die anfänglichen Vorurteile keine Rolle mehr. Die meisten Geschäfgenommen hat und die Marktanteile der Luxus-Herrenmode von te nahmen die Wünsche ernst und erteilten praktische Tipps, womit geringfügig auf lukrativ gewachsen sind. Vor zwei Jahren such- sie bei dieser informationshungrigen Kundschaft wertvolle Punkte man in Genf noch vergeblich nach Prada, Armani oder Zegna. te sammelten. Besonders Gucci, die Nummer eins des Rankings Woher kommt dieser plötzliche Hype ? Gemäss einer Studie des in Genf, stach hier hervor : « Ich habe mich sofort wohlgefühlt », französischen Modeinstituts litt die Herrenbekleidung im Zeit- erzählt der Mystery Shopper. « Ich wurde ernst genommen. Der raum von 2007 bis 2012 weniger stark unter der Rezession als die Verkäufer* wusste, welches Modell mir steht und was mir gefällt. Damenmode. Eine Feststellung, die auch Bain & Company macht. Er kannte seine Produkte aus dem Effeff und fand das Passende Die Herrenmode stelle 41 % des Umsatzes und wachse schnel- für meine Figur. Er beriet mich, wie ich Anzüge tragen soll, und ler (12 %) als die Damenmode, heisst es in einem Bericht über die gab mir allgemeine Styling-Tipps. Seine Beratung ging weit über Branche aus dem Jahr 2012. Die grossen Luxuskonzerne haben die den simplen Verkauf hinaus. » Auf eine solch zuvorkommende BeGunst der Stunde als Erste genutzt und ihre Kollektionen deutlich handlung legt auch Simone Scalone grossen Wert. « Ich trichtere vergrössert. Was auffällt, ist die immer jüngere Kundschaft. Dieser meinen Angestellten immer wieder ein, dass sie den Kunden unTrend lässt sich weltweit feststellen, was auch die Modedesigner voreingenommen begegnen sollen. Ich will nicht, dass sie sie wevor neue Herausforderungen stellt. Jedes Kleidungsstück muss die gen ihres Alters und des Aussehens anders behandeln », betont der richtige Mischung aus Chic und Streetwear aufweisen, egal, ob es Geschäftsführer von Hackett London, dem diesjährigen und auch in der Oper, im Büro oder am Wochenende getragen werden soll. letztjährigen Sieger des Zürcher Rankings. Dass seine Einstellung Die « Millennial Generation », wie die 18- bis 25-Jährigen genannt richtig ist, zeigt die Erfahrung: « Viele junge Männer interessieren werden, ist stilbewusst. Sie will Qualität, Authentizität und edle, rückverfolgbare Stoffe und lässt sich das auch etwas kosten. Viele gönnen sich sogar Luxusmode. Wer diese neue Kundschaft für sich gewinnen möchte, muss einen entsprechenden Kundendienst bieten. Und er muss mit Fachwissen und kompetenter Betreuung glänzen, denn nur so kann er gegen den starken Franken und das unendlich grosse Angebot im Internet ankommen. «Luxe» wollte RANGLISTE wissen, wie sich die Herrenausstatter schlagen, und hat zum zwei Rang | Geschäft | Mittelwert ten Jahr in Folge diesen grossen Test gestartet. Fünfzehn Mystery Shoppers wurden zwecks Kauf eines Anzugs in eines der zwölf bzw. zehn ausgewählten Geschäfte an der Zürcher Bahnhofstrasse und der Rue du Rhône in Genf geschickt. Das dabei entstandene Ranking ist höchst aufschlussreich. ZÜRICH 1Hackett London 4.87 TRENDS 2Brioni 4.76 3Gucci 4.62 Was als Erstes auffällt : Die Differenz zwischen den Boutiquen hat sich in beiden Städten vergrössert. Auf einer Skala von 0 bis 5 weisen die Geschäfte an der Rue du Rhône ein Gefälle von 1.81 bis 4.63 auf (nach 2.41 bis 4.15 im Jahr 2014). An der Bahnhofstrasse reichen die Noten von 2.08 bis 4,87 (2014 : 2.78 bis 4.39). Punkto Kundenbetreuung halten sich die beiden Städte im Grossen und Ganzen die Waage. Ausnahmen sind die Produktpräsentation (Produkterklärungen, Markenkenntnis, Argumentation) und die Berücksichtigung des Kundenwunsches, die in Zürich deutlich besser abschneiden als in Genf. Umgekehrt scheinen die Boutiquen an der Bahnhofstrasse eher geneigt, die Kunden nach ihrem Äusseren zu beurteilen. 4Zegna 4.60 5Hannes B 4.56 7Thom Browne 3.51 DIE JUNGE KUNDSCHAFT NICHT UNTERSCHÄTZEN Wir wollten herausfinden, wie auf die Wünsche der dank Inter net, Social Media und Blogs meist bestens informierten « Millenni als » eingegangen wird, und haben deshalb absichtlich einige Mys * Aus Gründen der Vertraulichkeit präzisieren wir nicht, ob es eine Verkäuferin oder ein Verkäufer war und verwenden generell die männliche Form 6Hermès 3.65 8 Giorgio Armani 3.44 9 Brunello Cuccinelli 3.00 10 Dolce Gabanna 2.52 11 Hugo Boss 2.41 12 Tom Ford 2.08 Scalone Simone, Store Manager von Hackett London in Zürich, Gewinner des Ranking in Zürich. sich für Luxusmode », so Scalone weiter. Vor kurzem besuchte uns ein Sechzehnjähriger. Er wollte Anzüge und Accessoires probieren. Wir haben uns um ihn gekümmert und ihm gezeigt, wie er die einzelnen Stücke tragen und kombinieren kann. Er hat das Geschäft verlassen, ohne etwas zu kaufen. Aber am nächsten Tag ist er mit seinem Vater zurückgekommen. Er war so zufrieden mit dem Kundendienst und der Beratung, dass er zwei Anzüge gekauft hat. » EINKAUFEN ALS ERLEBNIS In den letzten zwanzig Jahren hat sich das Verkaufsverhalten rasant geändert. Heute zeichnet sich eine neue Tendenz ab: Im Ladengeschäft wird Einkaufen zum Erlebnis. Es weckt Emotionen und stimuliert die Sinne. In der Boutique erlebt und lebt der Kunde die Markenwelt wie in einer Art « Supershowroom ». Da Online-Käufe immer mehr an Bedeutung gewinnen, müssen die Verkaufsstellen die subjektiven und menschlichen Aspekte der Marke vermitteln. Sie müssen eine emotionale Bindung aufbauen, die das Internet unmöglich schaffen kann, und auch in Kauf nehmen, dass der Kunde das Geschäft unverrichteter Dinge verlässt. Hauptsache, es wurde eine Beziehung geknüpft. Simone Scalone: « Ein Kunde, der nichts kauft, darf auf keinen Fall verurteilt werden. Die Boutique muss ein Ort sein, an dem man neue Erfahrungen macht. Auch ich fühle mich oft unwohl, wenn ich ein Geschäft verlasse, ohne etwas zu kaufen. Dieses Gefühl sollte gar nicht erst aufkommen. » Bei Hermès Genf, der zweitplatzierten Boutique, klingt es ähnlich. « Durch die Hermès-Boutique zu schlendern, ist eine Abfolge von Sinneserfahrungen », sagt Laurette Belleville, die das Geschäft seit neun Jahren führt. « Seide, Düfte, Farben, sogar die Berührung des lederverkleideten Treppengeländers sind ein Antonio Bosco, Store Manager der Boutique Brioni, zweitbester Platz in Zürich. | RANKING | GENF Erlebnis. Das Offensichtliche besteht aus Details. » 40 % der Kunden von Hermès Schweiz haben zunächst im Internet recherchiert. Wie wichtig der Kundendienst im Laden ist, liegt deshalb auf der Hand. Bezeichnend für die Eigenheiten der Schweizer Kundschaft ist auch der Erfolg der Funktion Clic & Collect. Damit kann auf der RANGLISTE Homepage von Hermès eine Bestellung aufgegeben werden, die Rang | Geschäft | Mittelwert dann aber im Geschäft abgeholt wird. Nirgendwo sonst läuft dieser Service so gut wie in der Schweiz. Er zeigt, dass hiesige Kunden das Bedürfnis nach einem menschlichem Kontakt haben. Bei Brioni Zürich, der zweitbesten Adresse des Zürcher Rankings, ist den Mystery Shoppers vor allem die Leidenschaft der Verkäufer positiv aufgefallen. « Ich wurde freundlich und zuvorkommend begrüsst », erzählt einer. « Gerade als ich eintreten wollte, hielt mir der Geschäftsführer die Tür auf und hiess mich mit einem breiten Lächeln willkommen. Er hat mir eine Vielzahl verschiedener Kleider zur Anprobe empfohlen. Am Schluss wusste er genau, welchen Stil ich bevorzuge. Seine Tipps waren sehr kompetent und stimmig, und der Verkäufer war über alle Kollektionen bestens informiert. » Für Store Manager Antonio Bosco eine Selbstverständlichkeit : « Wahrhaftigkeit und Transparenz sind beim Kundenkontakt das A und O. Mit Bluff kommt man nicht weit. Auch gegenüber einem sehr fordernden Kunden – und es ist sein Recht, das zu sein – wollen wir unser Feu sacré transportieren. » Erlebnis ist aber nicht gleich Erlebnis. Eine Erfahrung, die nicht den Erwartungen entspricht, kann dem Markenimage erheblich 8Prada 3.46 schaden. Ein Testkäufer berichtete nach seinem Besuch bei einer 9Fendi 3.00 italienischen Topmarke in Zürich (zehnter Platz) : « Die Begrüs 10 Brunello Cucinelli 1.81 sung hätte angemessener sein können. Als ich eintrat, diskutierten die Verkäufer zusammen. Ich hatte das Gefühl zu stören. Der Verkäufer schien mir nicht wirklich einen Anzug verkaufen zu wollen. Seine Fragen waren auf ein Minimum reduziert. Zunächst liess Verfügung stehen werden. » Bei Hugo Boss Genf (sechster Platz) er mich eine zu grosse Jacke anprobieren, und als er eine zweite hat sich die genaue Figur- und Stilanalyse bezahlt gemacht. « Mit holte, liess er mich mit der ersten auf dem Arm stehen. Zwischen- einigen gezielten Fragen über Schnitt, Verwendung, Material und zeitlich ging ein zweiter Verkäufer grusslos an mir vorüber. Zum meine aktuelle Garderobe hat die Verkäuferin effizient erkannt, Schluss wurde ich nicht mit einem Händedruck verabschiedet, wonach ich suche, und mich dann intelligent beraten », schildert sondern nur mit einem kurz angebundenen Gruss. » Manchmal ein Testkäufer. « Sie konnte bei jedem gezeigten Modell präzis arsind es auch die kleinen Aufmerksamkeiten, die fehlen und zu ei- gumentieren und allfällige Vor- und Nachteile für die geplante Verner ungleichen Behandlung führen. Unser Mystery Shopper er- wendung nennen. Ausserdem hat sie meine Grösse sofort erraten. innert sich an eine italienische Spitzenboutique in Zürich (Platz Während sie mir die Modelle präsentierte, nahm sie immer wieder neun der Rangliste) : « Der Verkäufer war sehr freundlich, hat mir Bezug auf historische Schnitte und frühere Modelle und erläuterte aber nichts zu trinken angeboten, obwohl zwei Kundinnen, die mir jedes Material genau. » noch nichts gekauft hatten, von einem anderen Verkäufer gerade Dass die Ausbildung der Verkäuferinnen und Verkäufer entscheidend ist, weiss auch Laurette Belleville, die Geschäftsfühmit Champagner verwöhnt wurden. » rerin von Hermès Genf. « Sie ist zentral », bestätigt sie. « Ich setFACHWISSEN, KOMPETENTE STILBERATUNG ze mich jeden Morgen vor der Eröffnung zwanzig Minuten mit UND MASSANZÜGE ALS TRUMPF dem Verkaufsteam zusammen. Dabei muss jeder Mitarbeiter den Herrenausstatter, die Masskonfektion anbieten (als Alternati- anderen eine Neuheit oder ein noch unbekanntes Detail vorstelve zu einer nicht verfügbaren Grösse im Geschäft), sind klar im len. Davon profitieren alle. Und für das Team wirkt diese MassVorteil, wie auch die Erfahrung des Mystery Shopper bei Arma- nahme motivierend. » | ni Zürich (Platz acht des Rankings) beweist : « Der Verkäufer hat mich zunächst nach meinem Vornamen gefragt, um etwas Nähe METHODIK: zu schaffen. Er war warmherzig und verstand es, ein persönliches «Luxe» hat die Qualität der Kundenfreundlichkeit und des Kundendienstes bei Gespräch zu führen und dabei mehr über meinen Geschmack zu 22 Herrenausstattern an zwei renommierten Einkaufsmeilen, der Zürcher Bahnhoferfahren. Er verkörperte den italienischen Charme, dem die Mar- strasse und der Genfer Rue du Rhône, unter die Lupe genommen. Fünf Mystery ke so grosse Bedeutung beimisst. Da er keinen passenden Anzug Shoppers unterschiedlichen Alters und Profils wurden losgeschickt, um an den in meiner Grösse finden konnte, versuchte er mir mit Stoffmustern prestigeträchtigen Modeadressen den passenden Anzug zu finden. Die Rangliste einen Eindruck von weiteren Modelle zu verschaffen. Zudem lud basiert auf fünfzig Kriterien, darunter Kundenfreundlichkeit, Produktpräsentation er mich ein, wiederzukommen und mich mit einem der grössten und Kundenbeziehung. Jedes Geschäft wurde im Abstand von zwei bis drei Schneider Italiens zu treffen. Der Verkäufer notierte die Referenzen Wochen zwei bis drei Mal besucht, sodass mehrere Mitarbeiter getestet werden der von mir gewünschten Stoffe und Knöpfe und wies mich dar- konnten. Es wurden zwei Ranglisten erstellt: eine für die Bahnhofstrasse, die andere auf hin, dass meine Masse in allen Armani-Boutiquen der Welt zur für die Rue du Rhône. 1Gucci 4.63 2Hermès 4.41 3Louis Vuitton 4.24 4Hackett London 4.23 5Hugo Boss 4.21 7Giorgio Armani 3.76 6Zegna 3.93 Laurette Belleville, Directrice der Boutique Hermès, zweiter Rang in Genf. | I N T E R V I E W | von Cristina d’Agostino - Foto: Mario Brenna LAPO ELKANN « Schönheit muss Sinn machen » SEINE VORFAHREN BEHERRSCHTEN DEN ULTIMATIVEN STIL UND WAREN DIE INDUSTRIELLEN, DIE DAS «MADE IN ITALY» GEPRÄGT HABEN. LAPO ELKANN, UR-URENKEL DES FIAT-GRÜNDERS, LIESS SICH VOM GEWICHT DER FAMILIENGESCHICHTE NICHT ERDRÜCKEN UND HAT SEIN EIGENES IMPERIUM AUFGEBAUT. ITALIA INDEPENDENT, SO DER NAME DES KOTIERTEN UNTERNEHMENS, HAT MIT HUBLOT EINE ZUSAMMENARBEIT VEREINBART. EINE BEGEGNUNG. L apo Elkann ist Spross der legendären Agnelli-Dynastie. Während langer Zeit Enfant terrible der Familie, ist der in New York geborene Sohn der jüngsten Tochter des Avvocato und des Autors Alain Elkann heute ein seriöser Unternehmer, Trendsetter und Designer. Die wilden Jahre sind definitiv Vergangenheit. Der 37-Jährige hatte nie die Absicht, sein Unternehmen auf dem ruhmreichen Familiennamen aufzubauen, sondern zog den Weg der Unabhängigkeit vor. Mit Erfolg. Er steht mit zwei Partnern an der Spitze des Brillenlabels Italia Independent sowie der Image- und Kommunikationsagentur Independent Ideas und arbeitet daneben mit berühmten Marken zusammen. Eines der jüngsten Beispiele einer solchen Kooperation ist die aus Kompositwerkstoff gefertigte Uhr Big Bang Unico Italia Independent Blue von Hublot. Das Treffen mit Lapo Elkann, an einem Sonntagabend in seiner Wohnung im Herzen von Mailand, ist eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lässt. Der im perfekt geschneiderten blauen Anzug gekleidete Hausherr lädt den Gast mit unwiderstehlicher Liebenswürdigkeit ein, seine private Welt zu entdecken. Eine Welt ganz in Blau – blaue Böden und Wände, jeder Raum in Blautönen des Ozeans gestrichen, denn seine Inspirationsquelle sei das Meer, sagt er. Blau sind auch die Augen, die er an diesem Abend nicht wie gewohnt hinter gefärbten Gläsern versteckt, was signalisiert, dass man einen Blick hinter die Fassade tun darf. Das Gespräch ist direkt, ohne Ausschweifungen, denn Lapo Elkann hat keine Zeit für lange Floskeln. Der Ton ist freundschaftlich, so gar nicht dem eher finsteren, melancholischen Image entsprechend, das die Medien von ihm zeichnen; die ausgesuchte Höflichkeit erinnert an die Epochen, als Chic sich an der Aufmerksamkeit und der Freundlichkeit mass, mit denen ein Dandy Umwelt und Gegenüber be38 | Finanz und Wirtschaft LU X E trachtete. Lapo Elkann gibt sich offen, er führt durch seine Privaträume, erklärt Fotos an den Wänden, spricht über seine Leidenschaft für Gegenwartskunst, vor allem für Basquiat. Er erklärt seine Liebe zum Fiat 500, seinem Baby, dem er vor zehn Jahren zur Renaissance verholfen hat und das ihn auch zu einer Möbelkollektion inspiriert hatte. Er durchforstet seinen zweistöckigen Dressing Room, um unter all den Sneakern, Stiefeln, Hüten, Mänteln, Anzügen das Stück zu finden, das sein Ideal von « sur mesure » am besten illustriert. Achtzig Prozent seiner Anzüge stammen von Caraceni Milano, dem seiner Meinung nach besten Schneider, der seine Masse auswendig kennt, der auch schon für Grossvater Gianni Agnelli gearbeitet hat und dessen Preis-Leistungs-Verhältnis unschlagbar sei. Denn Lapo Elkann weigert sich, für einen Anzug mehr als 2000 € zu bezahlen. Die Modeikone besitzt einen ebenso sicheren wie extravaganten Geschmack, mixt unbeschwert Karos, Farben und Streifen. Er will niemandem ähnlich sein. Seine bisherige Geschichte gibt ihm recht. Lapo Elkann, Sie stehen regelmässig auf der Liste der elegantesten Männer der Welt. Ist Stil wichtig ? Ich möchte mich lieber als jemanden definieren, der eher das gewisse Etwas besitzt als Stil. Stil haben ist eher oberflächlich. Ich setze mich mit Materialien, Ästhetik, Schönheit auseinander. Mein Approach ist reflektierter. Ich liebe es, Genres und Materialien zu verbinden, Automobildesign mit Wohndesign, Tradition mit Innovation, das Vokabularium des Schneiders in der Herstellung von Turnschuhen anzuwenden. Ich liebe diese gegenseitige Befruchtung. Ihre Definition von Massarbeit ? In meiner Arbeit von kapitaler Bedeutung. Massarbeit ist omnipräsent, vor allem bei unserem Brillenlabel Italia Independent. Eine demokratische Massarbeit notabene, die ab 80 € zu haben ist. Schönheit muss nicht zwingend teuer sein. Ein 80 € teurer Sportschuh kann ebenso schön sein wie ein Sportwagen, der 250 000 € kostet. Schönheit muss Sinn machen. Ich schätze Massarbeit, wenn ich einen unerwarteten Effekt erzielen möchte. So habe ich meinen Gläsern einen persönlichen Touch verliehen, indem ich ein Logo applizieren liess, das an die Welt des Automobils erinnert. Ist bei Ihnen alles personalisiert ? Ja, ich liebe es, wenn jedes Detail einzigartig ist. Weshalb ? Ich wollte schon immer Dinge haben, die die andern nicht besassen. Ich wollte mich unterscheiden, nicht sein wie andere. Diese Unabhängigkeit ist für mich von grösster Bedeutung. Sie ermöglicht, dass ich unbelastet diverse Industrien zusammenbringen kann, die a priori nichts miteinander zu tun haben. Dieses Bedürfnis nach Einzigartigkeit hat es mir ermöglicht, die verschiedensten Bereiche zu testen, alle Akteure kennenzulernen, vom Mechaniker, Designer bis zum Besitzer. Ich liebe es, auf allen Stufen mitzuarbeiten, mit allen Beteiligten zu sprechen. Ich hasse Kastenwesen. Ob in der Luxusboutique, die Massgeschneidertes verkauft, oder bei H&M, ich möchte mit dem Verkäufer oder der Verkäuferin reden, um zu verstehen und zu wissen, was sich gut beziehungsweise schlecht verkauft. Wer Schönheit verstehen will, muss vor allem über die entsprechenden Mittel verfügen. Nein. Ich liebe Menschen, die sich anpassen können, die eine Vision oder Passion haben. Menschen, die Geld haben, sind mir gleichgültig. Es ist nicht das Geld, das | INTERVIEW | einen Menschen interessant macht, sondern das, was er tut. Unter Mitteln verstehe ich nicht nur finanzielle, sondern auch geistige Möglichkeiten. Wann und wie haben Sie festgestellt, dass Ihre Ideen bezüglich Stil und Design wegweisend sind und dass man Ihnen vertrauen sollte ? Ich glaube, meine grösste Chance war das Pensionat. Ich hasste es und flüchtete mich in eine Fantasiewelt, wo ich unerreichbar war. So gesehen war es eine gute Schule, die mich lehrte, im Imaginären zu kreieren. Das habe ich schon als Kind getan, weil ich mich oft langweilte und weil die Dinge, die ich sah, häufig weniger schön waren, als sie es hätten sein können. stab bleiben. Es handelt sich somit nicht Die Sie inspiriert ? Bei Hublot bestehen noch familiäre um eine subjektive Verteidigung von Beziehungen. Wie bei uns. Zwar ist Ita- « Made in Italy ». lia Independent kotiert, aber wir sind ein menschlich überblickbares Unternehmen. Was ist Ihre persönliche Definition von Jean-Claude und ich verkaufen Emotionen. « Made in Italy » ? Andrea Tessitore und ich hatten das PriKann auch ein millionenteures Produkt vileg, im Ausland zu studieren und dort unsere ersten Berufserfahrungen zu sammeln. Emotion sein ? Emotionen gibt es ebenso bei einem Unsere Liebe gründet darin, dass wir sehr T-Shirt wie bei einem Privatjet. Ich schaf- lange Zeit sehr weit weg von Italien lebten. Wir lieben dieses Land und seinen Lebensstil, um den uns die ganze Welt beneidet. Es gibt hier einen Sinn für Leichtigkeit, Lebensfreude und guten Geschmack, den ich in sämtliche fe und konsumiere Emotionen. Das Buch Aktivitäten einfliessen lassen möchte. Ich « Lovemarks » von Kevin Roberts, das sich habe kürzlich Garage Italia Customs lanmit Liebe generierenden Marken beschäf- ciert, eine « Massschneiderei » für Autos, tigt, hat mich sehr inspiriert. Was muss man Helikopter oder Flugzeuge, die unsere Idee tun, um diese Passion zu bewahren? Diese von « Made in Italy » konkretisieren wird. Energie in der Gesellschaft, im Produkt, in der Kommunikation, in der Vision lebendig Dennoch haben Sie entschieden, die neue erhalten. Dazu muss man die Mitarbeiter 78 € teure Brillenkollektion Eyeeye in China ständig motivieren. Und um kreieren zu produzieren zu lassen. Weshalb ? können, muss man offen und flexibel sein. Wir wollten Brillen und die damit verbundene Mode demokratisieren. In EuroIhre grösste Stärke ? pa wechselt man optische Brillen alle vier, Ich bin ein guter Menschenkenner. Mein Sonnenbrillen alle zweieinhalb Jahre. Dies Partner Andrea Tessitore und ich ergänzen entspricht dem Stand des Uhrenmarktes uns hervorragend, und wir besitzen die Fä- der Achtzigerjahre, bevor die Swatch lanhigkeit, uns mit den richtigen Menschen zu ciert wurde. Eine Brille muss cool sein, man umgeben. Deshalb hat unser Börsengang muss sie dem Outfit anpassen können. Eine auch sehr gut funktioniert. Er war ein po- starke Message und eine Passion, die wir sitives Signal in einem für die italienische vermitteln wollen. Wirtschaft schwierigen Moment. Es war wichtig zu zeigen, dass es Alternativen Das Wirtschafts- und Handwerksgefüge der zu Bankkrediten gibt, dass Kapitalmärkte italienischen KMU hat in den vergangenen Wachstum fördern können. Zwar ist Italia Jahren gelitten. Viele Betriebe wurden Independent nach neun Jahren Existenz von ausländischen Luxusunternehmen noch nicht sehr bekannt, aber das Unter- übernommen. Ihre Meinung nehmen geniesst Achtung und Glaubwür- als Unternehmer ? digkeit. Der Börsengang hat es uns ermögIch habe nichts dagegen, wenn eine licht, die Internationalisierung der Marke Übernahme dem Unternehmen hilft und dadurch Arbeitsstellen bewahrt werden zu beschleunigen. Das ist ein guter Start. können. Bei Ducati beispielsweise hat es sich gelohnt, dank dem Volkswagen-KonItalia Independent vermittelt eine zern konnte das Unternehmen in Technobestimmte Idee von « Made in Italy ». logien investieren. Persönlich frustriert es Was steckt dahinter ? Im Brillensektor ist Italien nach wie vor mich aber, wenn italienisches Know-how weltweit führend. Wir glauben, dass In- in ausländische Hände übergeht. Man muss novation und Materialien bedeutsamer rationell bleiben, denn es ist auch eine Tatsind als Vielfalt im Design. Für uns ist es sache, dass im Automobilbau viel Wissen wichtig, dass Forschung und Entwicklung verloren gegangen ist, das nicht ins Ausland in Italien bleiben, denn das Know-how im abgewandert ist. Ich will keine Namen nenBereich Brillen ist gross. Man muss daraus nen, aber es gibt renommierte Designer, die einen Hub schaffen. Man kann durchaus sehr schlechte Strategien entwickelt haben. im Ausland produzieren, aber das Sa- Wer Visionen haben will, muss über die voir-faire muss ein weltweit gültiger Mass- entsprechenden Voraussetzungen verfügen. « Ich schaffe Emotionen und ich konsumiere sie auch. » Wie hat sich Ihr Blick aufs Schöne geprägt ? Wahrscheinlich war es die Autoindustrie, die mich Schönheit lehrte. Ich arbeitete in diesem überaus komplexen Sektor, als er tief in der Krise steckte. Als ich dort eintrat, ging schon fast nichts mehr. Ich arbeitete je zwei Jahre bei Ferrari und Maserati und vier Jahre in der Fiat-Gruppe, nach dem Tod meines Grossvaters und Chairman, als der Konzern fast in Konkurs ging. Wenn die Mittel fehlen, braucht es umso mehr Kreativität. Dies erleben Sie gegenwärtig bei Italia Independent ? Ja, wir verfügen über viel Kreativität und wenig Mittel. Die Zahlen sind zwar gut, aber es gibt noch viel zu tun. Ich kann nicht agieren wie LVMH, Richemont oder Kering, deren Modelabels auch noch Brillen verkaufen. Wir haben aus den Brillen unser Kerngeschäft gemacht. Um die Bekanntheit zu erhöhen, kreieren wir darum herum verschiedene Aktivitäten. Italia Independent ist kein Lizenzunternehmen, wir kontrollieren die ganze Wertschöpfungskette. Daher die Zusammenarbeit mit Hublot? Ja. Die Zusammenarbeit mit Hublot entstand aus einer Freundschaftsbeziehung, die sich im Laufe der Jahre entwickelt hat. Als ich vor einigen Jahren Jean-Claude Biver an einem Dinner in New York traf, verstanden wir uns auf Anhieb. Er ist ein Visionär, dem es gelungen ist, jeder seiner Marken seinen Stempel aufzudrücken. Er ist kreativ und von ansteckender Humanität. 40 | Finanz und Wirtschaft LU X E Angesichts dieser Erkenntnisse – welche Fehler sind zu vermeiden ? Nicht übermütig und eingebildet zu werden. Während meines ganzen Berufslebens herrschten Krisenzeiten. Dies hilft, Ruhe zu bewahren, wenn sich Probleme abzeichnen. te erzählen müssen, die es nicht gibt, kreieren Forschung und Entwicklung durch die gegenseitige Befruchtung diverser Bereiche Luxus. Wer hat Sie diesen Sinn für Luxus gelehrt ? Ich habe das Glück, in einer Familie aufgewachsen zu sein, die sehr lange Zeit in Wohin tendiert Luxus im Jahr 2015 ? Schönheit gelebt hat und dies immer noch Es gibt Massenluxus und echten Luxus. tut. Und ich hatte das Glück, meinen eigeDrei Viertel der Boutiquen an der Avenue nen Geschmack und Sinn für Schönheit Montaigne in Paris repräsentieren Massen- zu entwickeln. Meine Ansprüche an Raffiluxus, denn jedermann kann diese Dinge nesse und Ästhetik meines eigenen Hauses kaufen, die sich zudem alle ähneln. Wahrer sind extrem. So verwende ich Segelstoff aus Luxus ist einmalig. Bei Italia Independent Karbonfaser für die Tapeten, die lackierten definieren wir unsere Kreationen als « Per- Wände des Salons sind von Autokarosserien sonal Belongings ». Personalisierung gibt es inspiriert. Sofas und Parkett sind einzigarbei Massenprodukten, wie bei Nike oder tig und von mir designt und realisiert, wie unseren erschwinglichen Brillenkollekti- auch alle übrigen Details. onen, oder im Luxusbereich, etwa Brillen Ihre Bezugspunkte ? aus Krokoleder, aus Jeansstoff … Ich bin einfach nur neugierig. Kunst, Die einzige Lösung ist also der Aufstieg in Design, Automobile, Boote, Kino – alles eine höhere Kategorie ? inspiriert mich. Der Sinn für Schönheit Ja, aber es muss ehrlich geschehen. Die entwickelt sich auf Reisen. Luxus heisst Kunden sind intelligent. Um luxuriös zu Kompliziertes einfach machen. Früher sein, reicht es nicht, ein Logo mit zwei umgaben sich die Menschen mit zehn DieBuchstaben auf ein Objekt zu drucken und nern, weil sie nichts selbst machten. Heudieses dann für 3000 € zu verkaufen. Diese te bedeutet Luxus Einfachheit. Die AmeZeiten sind vorbei. Luxus ist eine Geschich- rikaner haben uns viel gelehrt. Man muss te, die man erzählen kann, die aber keine über die Fähigkeit verfügen, sich durchzuLüge sein darf. Die Leute glauben nicht setzen, überzeugt sein, dass alles möglich mehr daran. Und wenn Sie eine Geschich- ist, Selbstvertrauen haben, Mittel besitzen, die über das Finanzielle hinausgehen. Luxus ist Offenheit, Vision, Emotion, Leidenschaft. Viele Superreiche haben eine Passion, weil es ihrem gesellschaftlichen Status entspricht. In Wirklichkeit haben sie mit all den Jachten, Autos, Uhren überhaupt nichts am Hut. Unabhängigkeit ist ein zentrales Thema für Sie. Als Mittel oder als Zweck ? Beides. Als ich jung war, war die wirtschaftliche Unabhängigkeit ein persönliches Ziel, denn sie ist die Basis für alle anderen Formen der Unabhängigkeit. Ich war damals sehr stur, und es kam nicht in Frage, dass mir jemand sagen durfte, wo es langgehen sollte. Auf beruflicher Ebene ist diese Unabhängigkeit von grösster Bedeutung, denn bei der Entwicklung eines Projekts ermöglicht sie eine eigene, klare Vision. Was verbindet Sie mit der Schweiz ? Ich war in der Schweiz im Pensionat. Leider im französischen Sprachraum und in nicht besonders sympathischen Schulen von Jesuiten. Das war keine sehr amüsante Zeit. Aber die Schweiz verkörpert für mich viele vergnügliche Erlebnisse. Als Junge ging ich häufig Ski fahren. Meine Mutter wohnt in der Schweiz – übrigens ganz in der Nähe von Hublot (lacht), und ich besitze ein Haus in St. Moritz, wo ich mich sehr wohlfühle. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 41 | ERINNERUNG | von David Bennett* MEIN TAG MIT ... Gina Lollobrigida M ein Taxi hatte das Zentrum von Rom verlassen und fuhr auf der berühmten antiken Prachtstrasse, die mit grossen, von der Geschichte eines ganzen Reichs gezeichneten Basaltplatten gepflastert ist. Ich war fasziniert von der Romantik und der Magie des Ortes. Diese weltweit einzigartige Umgebung bildete die perfekte Kulisse : Ich war auf dem Weg zu einer Frau, die mit ihrer Schönheit und ihrem Charme die Filmwelt im Sturm erobert hatte : Gina Lollobrigida. Allmählich wich die Stadt mit Grabmälern gesäumten Feldern. In Gedanken versetzte ich mich mehrere Jahrhunderte zurück, in die Zeit, als die Einwohner von Rom ihre Toten ausserhalb der Stadtmauern begraben mussten. Auf dem majestätischen, kerzengeraden Weg war die glorreiche Vergangenheit noch immer zu spüren. Diva hat eine ganze Generation Kinogänger verzaubert, sich als Fotojournalistin einen Namen gemacht und als begnadete Bildhauerin erwiesen. Mir gegenüber ist sie verspielt, unterhaltsam. Eine Inspirationsquelle! An jenem Tag zeigte sie mir ihre Schmucksammlung, darunter viele grossartige Kreationen von Bulgari. Die Schätze passten perfekt zu dieser wunderbaren Frau, die den ganzen Charme und die Verwegenheit der Filmkunst in sich vereint. Den Blick forsch in die Zukunft gerichtet, erzählte sie mir von ihren Projekten. Wir trafen uns noch etliche Male, und jedes Mal beglückte sie mich mit Anekdoten aus ihrer Filmkarriere. Bei einem meiner Besuche entdeckte ich hinter einem Raum eine lange Wand voller Originalfotos. Darauf war Gina neben den berühmtesten Persönlichkeiten der letzten fünfzig Jahre zu Als ich das Anwesen betrat, flüsterte ich dem Chauffeur sehen : John F. Kennedy, Fidel Castro, Tito… 2013 teilte sie zu : « Was Sie gleich sehen werden, wird Sie bestimmt über- mir mit, sie wolle einen Teil ihres Schmucks zugunsten der raschen. » Der Mann im gehobenen Alter drehte sich verdutzt Stammzellenforschung verkaufen. Also organisierte ich die um. Plötzlich öffnete sich die Tür, und Gina Lollobrigida trat Auktion. Am Abend der Ausstellungseröffnung wartete ich auf die Stufen der monumentalen Treppe, um mich zu be- auf den Stufen zum Hotel Beau Rivage in Genf auf sie. Ihre grüssen. Der Fahrer traute seinen Augen nicht. « Aber das Ankunft, elegant und strahlend in einem Sportwagen, an desist... das ist ja Gina ! », stotterte er. Im Haus merkte ich, dass sen Steuer der Automobildesigner Horatio Pagani sass, war ich etwas im Auto vergessen hatte. Ich eilte nach draussen, bezeichnend für das Temperament und die Vitalität dieser in der Hoffnung, das Taxi noch zu erwischen, und traf den Grande Dame Italiens. | Chauffeur immer noch vor. Er stand wie versteinert da, als hätte man ihn hypnotisiert, und sagte, kaum hörbar : « Das ist einer der schönsten Momente in meinem ganzen Leben ! » *David Bennet, seit über vierzig Jahren Schmuckexperte bei Sotheby’s, Diese Reaktion kennt Signora Lollobrigida nur zu gut. Sie ist auch mit achtzig Jahren noch wunderbar energisch, fährt einen roten Ferrari und schmiedet ständig Zukunftspläne. Die 42 | Finanz und Wirtschaft LU X E kramt für « Luxe » in der Schatzkiste seiner Erinnerungen und gibt in jeder Ausgabe ein paar besondere Juwelen von seinen Begegnungen in allen Teilen der Welt preis. Seine Rekordauktionen machen international Schlagzeilen. Die von ihm versteigerten Schmuckstücke oder Edelsteine sind intime Zeugen einer persönlichen Geschichte, die nur er kennt. M ESUR E ET D ÉMESUR E * TONDA 1950 TOURBILLON Das weltweit flachste (3,4mm) Fliegende Tourbillon mit Automatikwerk Mikrorotor aus Platin Der weltweit leichteste Tourbillon Käfig aus Titan (0,255g) Hermès-Alligatorlederband 100% entwickelt und gefertigt von Parmigiani Fleurier Schweiz www.parmigiani.ch STUDIO PARMIGIANI GSTAAD ASCONA GIOIELLI-OROLOGI HERSCHMANN | BASEL GÜBELIN | BERN GÜBELIN INTERLAKEN KIRCHHOFER | KLOSTERS MAISSEN | LUZERN GÜBELIN | ST. GALLEN LABHART-CHRONOMETRIE ST. MORITZ GÜBELIN | ZERMATT HAUTE HORLOGERIE SCHINDLER | ZÜRICH GÜBELIN, ZEIT ZONE | U N T E R N E H M E N | von Carole Kittner SCHWEIZER TEXTILIEN TRADITIONELL BESTÄNDIG UNABHÄNGIGKEIT, FACHWISSEN UND KREATIVITÄT : DIESE DREI MERKMALE HABEN DIE IN DER LUXUS-TEXTILBRANCHE ERFOLGREICHEN SCHWEIZER FAMILIENUNTERNEHMEN CHRISTIAN FISCHBACHER, CRÉATION BAUMANN UND ALUMO GEMEINSAM. TROTZ KRISE SPIELEN SIE AUCH INTERNATIONAL NOCH IMMER IN DER ERSTEN LIGA. WIR ZEIGEN WARUM. S t. Gallen, Langenthal, Appenzell. Mai- Dunhill und andere Edelmarken beliefert. land, Paris, New York, London. Was Alle drei Textilhäuser befinden sich noch stimmt hier nicht ? Nichts – oder eben al- in Familienhand und haben es verstanden, les. Création Baumann, seit 1866 in Lan- sich den verschiedenen Konjunktursituagenthal zu Hause, produziert und vertreibt tionen anzupassen. Ihr Rezept scheint eihochwertige Textilien für die Innenaus- gentlich ganz einfach : Identität, Qualität stattung institutioneller und privater Kun- und Kreativität. den auf der ganzen Welt. Als Expertin für intelligente Textilien und Stoffe mit Zu- MARKENSTÄRKE « Unsere Firma konnte infolge der Wertssatzfunktionen kann die Firma im internationalen Wettbewerb bequem mithalten. teigerung des Frankens nur dank der StärKonkurrenz kommt wohl eher aus heimi- ke des Labels Christian Fischbacher eine schen Reihen. Von Christian Fischbacher Preiserhöhung in Europa durchsetzen », zum Beispiel, dem Giganten für luxuriöse sagt Michael Fischbacher, CEO der bald Heimtextilien und Bettwäsche aus St. Gal- 200-jährigen Marke. Die Endkunden aklen, der seit sechs Generationen zu den Big zeptieren die Preiserhöhung, weil sie gePlayers gehört. Oder von Alumo, dem Spe- nau dieses und kein anderes Produkt möchzialisten für Hemdenstoffe für das höchste ten. Im Geschäftsjahr 2014 erwirtschaftete Anspruchssegment mit Sitz in Appenzell, Christian Fischbacher 56 Mio. Fr. Umsatz, der seit neunzig Jahren Kunden wie Brioni, wobei 80 % der Produktion in den ExHermès, Zegna, Stefano Ricci, Zilli, Alfred port gingen. « Unsere Aushängeschilder sind Bettwäsche und Heimtextilien. Auch wenn 75 % unseres Geschäftsvolumens aus Textilien bestehen, wissen die Leute in bestimmten Ländern erstaunlicherweise nicht einmal, dass wir diese selbst herstellen. In Italien und Japan, unseren nach DACH – Deutschland, Österreich, Schweiz – grössten Absatzmärkten, ist dies aber nicht der Fall. » Bei Romuald Eicher, CEO von Alumo, klingt es ähnlich : « Unsere grösste Konkurrenz kommt aus Italien, unter anderem von der Albini-Gruppe. Jedoch die Leute, die uns kennen, bleiben uns treu. » Ganz lässt sich der Markt der Premium-Herrenhemden aber nicht mit demjenigen der Heimtextilien vergleichen. Die Kunden des Appenzeller Herstellers von Baumwoll-Vollzwirnqualitäten, der sich im Besitz mehrerer, streng unter Verschluss gehaltener Familien befindet, lassen sich in zwei Kategorien einteilen : die grossen Herrenmarken auf der einen, die Massschneider wie Fray in Bologna auf der anderen Seite. Je die Hälfte der jedes Jahr verkauften Million Meter Stoff entfällt auf Mass- und auf Konfektionshemden. Der starke Franken wirkt sich kaum auf den Geschäftsgang aus. « Die Preisdifferenz ist zweitrangig, denn es geht um Prestigeproduktionen », heisst es bei Alumo. « Ein Teppich Aureola, Christian Fischbacher Savoir-faire und Innovation: das Erfolgsgeheimnis bei Création Baumann und Christian Fischbacher Mann, der ein Geschäft betritt und ein Hemd aus Alumo-Stoff verlangt, wird seine Meinung nicht ändern, wenn es etwas teurer ist. Er will Qualität. » EINE EINZIGE QUALITÄT : DIE BESTE « Von der Verarbeitung des Garns bis zum fertigen Stoff: Bei uns wird nur das Beste vom Besten verwendet, und wir produzieren alles in Langenthal», hält Philippe Baumann, CEO des Familienunternehmens Création Baumann, fest. Die Marke beschäftigt 180 Personen am Hauptsitz und rund 60 in den Filialen und hatte 2014 einen Exportanteil von 65 %. « Unser Umsatz beläuft sich auf 46 Mio. Fr., der ertragsstärkste Markt ist die Schweiz, gefolgt von Deutschland, wo wir eine Filiale betreiben, den USA, Japan und dem übrigen Europa. » Auch hier machen die Textilien für die Innenausstattung mit nahezu 80 % des Absatzes den Löwenanteil aus. In St. Gallen verpackt und prüft Christian Fischbacher die Ware, die Produktion aber wurde nach Europa verlagert. « Mit dem starken Franken war es schlicht nicht mehr möglich, in der Schweiz zu produzieren. Leinen und Baumwolle für Bettwäsche kommen aus Italien und werden bei Schweizer Lieferanten verarbeitet, mit denen wir teilweise schon mehr als hundert Jahre zusammenarbei- viele andere innovative Produkte für priten », sagt der Markenmanager. Das obers- vate Kunden, Museen, Spitäler und Büros te Credo sei einwandfreie Qualität, betont werden bei Baumann in den Abteilungen Romuald Eicher. « Die Textilfasern werden Création und Entwicklung entworfen. Der bei Alumo oder bei Lieferanten, die uns sehr Aufwand scheint sich zu lohnen : Création nahe stehen, gesponnen, gewoben und ge- Baumann zählt prominente Institutionen färbt. Bei uns arbeiten rund 200 Angestell- wie das British Museum in London und das te. Das Know-how befindet sich also hier Zentrum Paul Klee in Bern zu seinen Kunin der Schweiz, nur so können wir die ge- den. Bei Fischbacher leitet Michaels Frau samte Wertschöpfungskette kontrollieren. » Camilla als Art Director das hauseigene DeDie Konkurrenz aus Italien ist gross, trotz- sign Studio. Die von ihr entworfenen Prodem ist genau dieses Land Alumos grösster duktlinien überraschen immer wieder mit Absatzmarkt, noch vor den USA und Euro- unerwarteten Materialien wie recycelten pa. Die einen verlegen ihre Produktion ins PET-Flaschen. Auch Alumo hält die Kunden Ausland, die anderen geraten durch die ho- mit neuen Kreationen bei Laune, beispielshen Löhne und Kosten in der Schweiz unter weise mit der seltenen ägyptischen BaumDruck. Beide müssen sich etwas einfallen wolle Soyella Duecento, die sich wie eine lassen, um weiterhin bestehen zu können. zweite Haut anfühlt. Alle drei Unternehmen Kreativität ist gefragt. « Der starke Franken behaupten sich auf ganz unterschiedliche ist eine grosse Herausforderung und belas- Art in dieser schwierigen Wirtschaftslage, tet unsere Geschäfte massiv. Die Konsumen- aber alle halten dabei an ihrer Tradition fest ten überlegen zweimal, bevor sie in ihre In- und blicken dank gelebter Innovationsdynenausstattung investieren. Um sie nicht zu namik zuversichtlich in die Zukunft. « Das verlieren, suchen wir nach neuen Ideen, die ist zweifellos eine typisch schweizerische für mehr Lebensqualität sorgen », erklärt Mentalität », urteilt Philippe Baumann. « Ich Philippe Baumann seine Strategie. bin die vierte Generation und hoffe, dass einer meiner drei Söhne die Firma einmal INNOVATION UND ÜBERLIEFERUNG übernimmt. Also gebe ich nicht auf. Ein Akustische und antimikrobielle Stoffe, Amerikaner wäre vielleicht bereits der VerHafttextilien, lasergeschnittene Muster und suchung erlegen, zu verkaufen. » | Finanz und Wirtschaft LU X E | 45 | PAT R I M O I N E | von Mary Vacharidis Ein Schweizer Mäzen in Versailles DIE RESTAURIERUNG DES LATONA-BRUNNENS IM SCHLOSSPARK VON VERSAILLES HAT ES ERMÖGLICHT, ALTE HANDWERKSKUNST AN EINE NEUE GENERATION WEITERZUGEBEN.DIES ENTSPRICHT DER ABSICHT DER FONDATION PHILANTHROPIA DER BANK LOMBARD ODIER, DIE DAS PROJEKT FINANZIERT HAT. 46 | Finanz und Wirtschaft LU X E W elch eine Pracht! In der Maisonne funkeln Wasserfontänen um die weisse Marmorstatue der Latona, Geliebte des Zeus. Weil sie von Bauern verfolgt wurde, verwandelte der oberste olympische Gott diese zur Strafe in Frösche und Eidechsen. Dank der Unterstützung der Fondation Philanthropia der Bank Lombard Odier, die die über 8 Mio. teure Restauration finanziert hat, erstrahlt der Brunnen nach dreijähriger Totalrenovation in neuem Glanz. Hinter dem Grossprojekt steht das Know-how zahlreicher Handwerker, für die es eine einmalige Gelegenheit war, eine neue Handwerkergeneration auszubilden. Neun Brunnenmacher, siebzehn Gärtner, sieben Vergolder, neun Steinmetze, neun Kesselbauer sowie vier auf Blei spezialisierte Dachdecker nahmen am Abenteuer teil. Am Anfang dieser gross angelegten Restaurierung war ein in Genf wohnhaftes, kinderloses Paar, das sein Vermögen sinnvoll der Allgemeinheit vermachen wollte. Die Begegnung mit einem ehemaligen Konservator von Versailles machte sie auf den Latona-Brunnen aufmerksam, der sich in einem pitoyablen Zustand befand und dessen Fundamente einzustürzen drohten. Sie beschlossen, die Instandstellung des einzigartigen Monuments zu finanzieren, und wandten sich an die Fondation Philanthropia. Leider war es den beiden Mäzenen nicht mehr vergönnt, den Abschluss der Arbeiten zu erleben. « Für die Bleiskulpturen wendeten wir die Vergoldung mit Mixtion an und trugen dann Blattgold von 25 Karat auf », schreibt Florence Bruneau des Pariser Ateliers Gohard in der Pressedokumentation. Die Skulpturen, Frösche und verwandelte Bauern, repräsentieren eine Fläche von 200 m2. In 600 Arbeitsstunden wurden 35 000 Goldblättchen mit dem Pinsel aufgetragen. Auch Brunnenbauer ist ein seltener Beruf. Gelernte Installateure wurden in Versailles vor Ort dazu ausgebildet, nachdem sie einen Wettbewerb des Ministeriums für Kultur und Kommunikation erfolgreich absolviert hatten. Neun Brunnenmacher sind in Versailles für 35 Kilometer Kanalisation und 55 Brunnen mit 600 Wasserspielen verantwortlich. Sie beherrschen die Technik der Soudure à la louche (Löten mit der Kelle), die zur Zeit Ludwigs XIV. praktiziert wurde. Die Besucher sind beeindruckt, wenn sie im Untergrund die Eisenrohre sehen, die mit dem königlichen Fleur-de-Lys-Wappen aus dem Jahr 1689 geschmückt sind. ANSPRUCHSVOLLES MÄZENATENTUM « Die Fondation Philanthropia engagierte sich als Mäzenin für dieses Projekt mit der Absicht, den Wissenstransfer von Kunsthandwerk zu fördern. Dank dieser Vorgabe liess sich eine einzigartige Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellen », erklärt Catherine Pégard, Präsidentin des dem Staat gehörenden Musée Versailles. Für die Baustelle wurde ein Dutzend Lehrlinge rekrutiert. Das von der Stiftung vorgegebene Ziel erwies sich als wegweisend, denn ab jetzt wird die Ausbildung im Rahmen von nationalen Projekten systematisiert. « Unser wichtigstes Ziel ist die Weitergabe von Kulturerbe », so Anne-Marie de Weck, Vizepräsidentin der Fondation Philanthropia. « Da wir auch das Publikum in die Arbeiten einbeziehen wollten, konnte die Baustelle besichtigt werden, Tausende Besucher hatten Gelegenheit, spektakulären Aktionen beizuwohnen. » Das vom königlichen Jardinier André Le Nôtre 1665 geschaffene und vom Barock- und Hofarchitekten Jules Hardouin-Mansart verschönerte Bassin gilt als Schlüsselwerk der hydraulischen Wasserspiele von Versailles. Es kann öffentlich während der Öffnungszeiten des Parks besichtigt werden. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 47 | B U S I N E S S | vom Dino Auciello DAS EIGENE MODELABEL EIN HINDERNISLAUF DER AUFBAU UND DAS MANAGEN EINER MODEMARKE SIND IN DER SCHWEIZ EIN RISKANTES UNTERFANGEN. VON DER PRODUKTION BIS ZUR FINANZIERUNG GILT ES ZAHLREICHE HÜRDEN ZU MEISTERN. BETROFFENE BERICHTEN. D ie Eröffnung eines eigenen Geschäfts ist der Traum vieler junger Modedesigner. Wenn es in der Schweiz aber einen Wirtschaftssektor gibt, der mit Hürden nur so gespickt ist, dann wohl die Modebranche. Besonders frappant sind die Probleme bei Herrenausstattern. Julian Zigerli gehört zu den jungen Talenten, die sich im Modezirkus etablieren konnten. Der Zürcher Designer hat mit seiner ersten äusserst gewagten Kollektion schon 2011 einen Angriff auf den internationalen Markt gestartet. Er versuchte auf Anhieb in Deutschland, den USA, Japan und Südkorea Fuss zu fassen. « Das Internet und die Social Media sind für ein junges Label wie meines unverzichtbar, sie sorgen für die nötige Medienpräsenz. Die Teilnahme an Messen und Präsentationen erhöht die Sichtbarkeit ebenfalls », sagt der Schweizer Shootingstar. Sieben Jahre nach der Lancierung will auch die Herrenmarke Berence international Marktanteile gewinnen. « Ich suche aktiv nach einem Standbein im Ausland, insbesondere in Asien und im Mittleren Osten », sagt der Genfer Modeschöpfer Tarik Adam über seine Pläne. Seine Kreationen werden bei Bongénie angeboten, doch jetzt möchte das Label « mehr Risiken eingehen und über das ursprüngliche Ziel, die Genfer einzukleiden, hinausgehen ». Laut Franck Belaich braucht das Modebusiness dringend mehr Manager. Die Industrie sei heute komplett transversal, so der Direktor der Masterausbildung in Modemanagement, die die Crea Genève (siehe Kasten rechts) ab Oktober 2015 anbietet. « In der Designbranche müsste man idealerweise mit Praktika hinter den Kulissen einer be48 | Finanz und Wirtschaft LU X E kannten Marke beginnen. Man muss in wird es auch beim Vertrieb : « Für eine Mailand, Paris oder London seine Sporen gute Marktdurchdringung gibt es in der abverdienen, daran führt kein Weg vor- Schweiz zu wenig Mehrmarkengeschäfbei. Nur so kann man das Geschäftliche te. Bongénie Grieder, Globus oder PKZ werden von jungen Designern und grosmit dem Kreativen verbinden. » Julian Zigerlis Werdegang gibt ihm sen Marken geradezu überschwemmt. » recht. Ihm hat Giorgio Armani die Tür zum Schweizer Markt geöffnet. Der be- VERHALTENE INVESTOREN Investoren lassen sich nur zögerlich rühmte italienische Modemacher hatte den jungen Designer im Jahr 2014 an aufs Modegeschäft ein. « Genau deshalb die Milan Fashion Week eingeladen, wo brauchen wir ein starkes Image, das wir er seine Kollektion zeigen durfte. « Ich mit unseren Kollektionen und Partnerwerde noch immer darauf angesprochen », schaften aufbauen », weiss Julian Zigersagt Julian Zigerli, dessen Kreationen seit li. Seine Marke wurde von Beginn an von letztem Jahr in mehreren Schweizer Bou- den berühmten FFF (Family, Friends, tiquen verkauft werden. Fools) unterstützt und sucht derzeit nach Wer ein Modelabel lancieren möchte, Investoren. « Wir konnten die Ausgaben muss aber auch tief in die Tasche grei- in den letzten fünf Jahren decken. Jetzt fen. Die nötigen Investitionen werden müssen wir aber viel schneller wachsen. » auf mehrere Millionen, wenn nicht soAuch Berence wurde von Angehörigen gar auf zweistellige Millionenbeträge des Designers finanziert. Das Label hat geschätzt. « Allein für die aufwendige bei Risikokapitalgebern und anderen Buund kostspielige Produktion wird viel siness Angels angeklopft. « Die Anleger in Cashflow benötigt, denn es müssen die der Schweiz sind nicht wirklich an Mode Rohstoffe und die Logistik bezahlt wer- interessiert, sie konzentrieren sich auf die den », bestätigt Tarik Adam. Schwierig Technologie », bedauert der Markengründer. « Und bevor die Industriefonds über eine mögliche Finanzierung nachdenken, verlangen sie einen bestimmten Umsatz, der für kleine Marken viel zu hoch ist », so Tarik Adam weiter. Franck Belaich pflichtet ihm bei : « Immer häufiger wird Rendite verlangt, und zwar so schnell wie möglich. Das ist die Realität. » Wer dabei nicht frustriert aufgibt, braucht eine gehörige Portion Julian Zigerli Durchhaltevermögen. | NEUE AUSBILDUNG Die « Ecole de création en communication » CREA in Genf bietet ab Oktober 2015 einen Masterstudiengang in Modemanagement an. Mit diesem Lehrgang soll den Bedürfnissen der Grossverteiler und der Spezialisten für Textilien entsprochen werden. «Unser Ziel besteht darin, Fachleute im Bereich Sourcing und Logistik sowie spezialisierte Produktleiter auf den Markt zu bringen», sagt Frank Belaich, der Leiter der Ausbildung. « Designer sind hier am richtigen Ort. Zahlreiche frisch diplomierte Modeschöpfer haben den Wunsch, ihr eigenes Label zu managen und zu entwickeln. » | G A S T R O N O M I E | von Knut Schwander IN WENIGEN TAGEN WEIHT DAS GENFER HÔTEL BEAU RIVAGE SEIN NEUES, MIT STIL UND ELEGANZ RENOVIERTES RESTAURANT « CHAT BOTTÉ » EIN. AUF PRIVATBESUCH ALS VORPREMIERE. 1972 sternegekrönt, sammelt das « Chat Botté » seither Kochmützen, Punkte und andere prestigereiche Auszeichnungen. Seit über vierzig Jahren ist das Lokal der kulinarischen Mode stets einen Schritt voraus und lanciert mit bewundernswerter Konstanz und Exzellenz neue Trends. Im Laufe der Zeit wurde die prächtige Ausstattung immer wieder den Erwartungen der Gäste angepasst, mit Takt und Diskretion, ohne vulgäre Effekthascherei oder modisches Chichi. In einigen Tagen wird das « Chat Botté » den raffinierten Charme eines grossen urbanen Restaurants enthüllen, stolzer Erbe der 150-Jahre alten Tradition des ältesten Luxushotels der Stadt. Bitte eintreten! Man gelangt in eine Art Salon-Bibliothek, schlicht und intim, Sofas und Fauteuils sind von zeitloser Eleganz und komfortabel wie die Sitze eines hochmodernen Rolls-Royce, Palisander, gedämpfte Töne, unterbrochen hier und da von Farbtupfern, die für Pep sorgen. Bei einem Glas beobachtet man den Sommelier in Aktion in seiner Loggia, einer Exklusivkreation. Ein paar Stufen höher die mit exklusivem Ge- DIE RENAISSANCE DES « CHAT BOTTÉ » schirr gedeckten Tische. Es stammt von der Manufaktur Hering-Berlin und ist die Kreation einer Gestalterin aus Deutschland, hochgelobt von renommierten Gastro-Fotografen und den besten Küchenchefs der Welt. So auch von Dominique Gauthier, Chef des « Chat Botté », von Vincent Debergé, Restaurantdirektor, und Alexandre Nickbarte, Generaldirektor des Hotels. Beileibe keine Kleinigkeit, denn die Bestellung umfasste zweitausend exklusive Exemplare. Die Renovation eines Luxusrestaurants ist ein Grossprojekt : Beleuchtung, Heizung, Mobiliar, Teppiche, Vorhänge, Geräuschkomfort, Zugang zu den Küchen – jeder Aspekt zählt. Die Gesamtrenovation des Lokals kam auf 1 Mio. Fr. zu stehen. Entstanden ist eine Mischung von futuristischer Jacht und Kreuzfahrtdampfer der Dreissigerjahre. Das Restaurant ist zwar ganz neu, aber nicht völlig verändert. Stammgäste erkennen die spezielle Intimität wieder, die das Beau-Rivage zum Familienunternehmen macht, das traditionsbewusst mit der Zeit geht. « So tragen beispielsweise die Kellner keine Krawatte mehr », erklärt Alexandre Nickbarte. Denn man möchte sicherstellen, dass sich auch die jüngere Generation hier wohlfühlt. Die Küche ist selbstverständlich von zentraler Bedeutung. Auch hier gibt es Neuheiten zu melden. Chef Dominique Gauthier hat die Karte neu konzipiert. Mittags offeriert er ein Expressmenü für 60 Fr., das Abendmenü gibt es ab 120 Fr. Das grosse Menü basiert auf einem Hauptprodukt, das in diversen Assoziationen und Zubereitungen serviert wird. Ein interessanter und origineller Ansatz, der es dem Chef ermöglicht – er gilt als einer der talentiertesten seiner Generation –, sein grosses Können zu entfalten. Diesem Talent ist auch ein Kochbuch gewidmet, das unter dem Titel « 40 recettes pour tous les fourneaux » (40 Rezepte für jeden Herd) erscheinen wird und das Dominique Gauthier zusammen mit dem Genfer Journalisten Jérôme Estèbe realisiert hat. Die Besonderheit dieses Oeuvre : Jedes Rezept gibt es in zwei Versionen : wie im « Chat Botté » zubereitet oder einfacher für den oder die Durchschnittsköchin. Clever und elegant. Wie das Beau-Rivage seit 150 Jahren. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 49 | S P O R T | von Sébastien Ladermann G B eim Golf ist es wie beim Kaviar : Man mit dem Golfbag auf dem Rücken. Welliebt ihn, oder man hasst ihn. Oder come in St Andrews, Home of Golf. Seit fast fünfhundert Jahren besteht gibt Letzteres zumindest vor, ohne jemals einen Ball geschlagen zu haben. Wie auch die enge Verbindung der Stadt mit dem immer, Golf lässt niemanden gleichgültig, Golfsport, wobei seine Ursprünge nicht was, wie beim edlen Rogen, vor allem mit wirklich bewiesen sind. Möglicherweidem Image zu tun hat. Beide polarisieren, se waren es schottische Hirten, die ihre da sie als elitär und nur wenigen vorbehal- Langeweile vertrieben, indem sie mit ihten wahrgenommen werden. Eine Reise in ren Stöcken auf die Kieselsteine schlugen. die Heimat des Golfs ermöglicht eine dif- Vielleicht waren es holländische Händler, ferenziertere Vision, denn das Rasenspiel die das Ballspiel nach Schottland brachten. wird demokratischer und zählt weltweit Fest steht, dass King James II den Sport verbieten liess, weil sich die Bogenschütimmer mehr Anhänger. zen beim Training davon ablenken liessen. ST ANDREWS – HOME OF GOLF In ganz Schottland war Golf bis Anfang des Vom Flughafen Edinburgh führt die Au- 16. Jahrhunderts untersagt. tobahn durch grüne Landschaft, die mit den dunklen Wolken kontrastiert und mit PRESTIGEREICH UND POPULÄR schönster Regelmässigkeit von RegengüsDie rund 15 000 Einwohner von St sen genetzt wird. Eine Gegend genau wie Andrews haben das Privileg, an ihrer Küste auf den Postkarten mit den roten Backste- sieben Golfplätze bespielen zu können. Der inhäusern und den Wegweisern, die zu be- legendärste ist zweifellos der Old Course, der eine Regelung praktiziert, die nur in rühmten Whiskyproduzenten führen. Plötzlich taucht St Andrews am Hori- Grossbritannien möglich ist: Sonntags ist zont auf. Die idyllisch an der Ostküste der Platz für Golfer geschlossen, damit gelegene Kleinstadt ist stolz ist auf ihr auch Nichtgolfer seine Schönheit geniereiches kulturelles Erbe und blickt auf ssen können. Familien treffen sich auf dem eine lange und bewegte Geschichte zu- minutiös gepflegten Rasen zum Picknick, rück. Glanzstück ist die 1413 gegründete Jogger drehen ihre Runden, Hunde werUniversität, die älteste Schottlands. Und den spazieren geführt. Anderswo wäre dies natürlich der Golfsport, der omniprä- schlicht undenkbar. sent ist, die Strassen voller Menschen Der Old Course ist zwar nicht der älteste 50 | Finanz und Wirtschaft LU X E O FÜR GOLFER IST ST ANDREWS DER ABSOLUTE MYTHOS. DIE SCHOTTISCHE KLEINSTADT AN DER OSTKÜSTE DER INSEL GILT ALS DIE WIEGE DIESES SPORTS SCHLECHTHIN. HIER WERDEN TRADITIONEN EBENSO GEPFLEGT, WIE DIE WELTWEITE VERBREITUNG DES GOLFSPORTS GEFÖRDERT WIRD. AUF SPURENSUCHE BEIM BRITISH OPEN, DER DRITTEN ETAPPE DES GRAND SLAM. L ST ANDREWS: NOBEL UND POPULÄR F sichter sowie die in allen Sprachen der Welt verfassten Kommentare von der Intensität des Erlebnisses. BETRÄCHTLICHES ENTWICKLUNGSPOTENZIAL Der Castle Course, auf einer Klippe mit spektakulärer Sicht auf St Andrews gelegen, ist der letzte, 2008 eröffnete Parcours Golfplatz der Welt, aber bestimmt der an- Paradies zu ergattern. Ein wahrer Hindergesehenste und erwiesenermassen Mek- nislauf also. Vor allem verglichen mit den ka dieses Sports. In St. Andrews werden privilegierten Studierenden der University jährlich 250 000 Partien gespielt, wovon 45 of St. Andrews, die zum Preis einer einzi000 allein auf dem Fairway des Old Course. gen Partie ein ganzes Jahr spielen können. Während in der Regel die Plätze sehr exklu- Was wiederum von einem ausgesprochen siven Clubs gehören und nur von Mitglie- demokratischen Verständnis zeugt. dern genutzt werden können, steht der Old Wer das Glück hat, einer der wenigen Course gemäss Statuten jedermann offen. Auserwählten zu sein, erlebt ein emotioWer hier spielen möchte, braucht aller- nales Wechselbad zwischen Angst und Aufdings Geduld, denn der Platz ist auch Opfer geregtheit. Ganz klar, denn es ist schlicht seines Erfolgs. Die Organisiertesten kön- unmöglich, sich der grandiosen Historie nen sich online einschreiben, allerdings nur des Ortes zu entziehen. Wer jemals das Priwährend zwei Septemberwochen. Über ihr vileg hatte, in St. Andrews Golf zu spielen, Glück entscheidet das Los. Die andern be- wird sich ewig daran erinnern. Wenn am geben sich vor Ort und hoffen, anlässlich Schluss der Runde die glücklichen Golfer der täglichen Verlosung den Eintritt zum ihr Bild ins Netz stellen, erzählen ihre Ge- Golf wird zwar seit Jahrhunderten praktiziert, aber seine internationale Entwicklung begann erst vor einigen Jahrzehnten. « Vor zwanzig Jahren kamen Japaner und Amerikaner hierher, jetzt sind es die Chinesen », erklärt Michael Tate, Sales Manager des Royal and Ancien Golf Club (R&A). Neue Märkte – Asien, Südamerika, Naher Osten – repräsentierten ein gewaltiges Entwicklungspotenzial, aber man will sorgfältig darüber wachen, dass der Sport seine Seele nicht verliert. Dies ist das vordringliche Anliegen und für R&A Grund, mit renommierten Partnern zusammenzuarbeiten, die diese Entwicklung begleiten und unterstützen können. Zum Beispiel Rolex. Die Genfer Uhrenmarke mit dem Krönchen engagiert sich seit Ende der Siebzigerjahre zusammen mit den Führungsgremien des Golfsports für günstige Rahmenbedingungen, die den Sport respektieren und gleichzeitig seine Entwicklung fördern. « Ich möchte mir eines Tages sagen können, dass Golf sein internationales Wachstumspotenzial erreicht hat, unter gleichzeiFinanz und Wirtschaft LU X E | 51 | SPORT | tiger Wahrung seiner Einzigartigkeit und seines Erbes », hofft Peter Dawson, Generaldirektor R&A. « Dies ist unsere grösste Herausforderung. Das Problem des Golfsports liegt darin, dass er im Wettstreit mit vielen Freizeitbeschäftigungen steht. Das Angebot ist unendlich. Aber mit Unterstützung engagierter Partner sollte es möglich sein, die Anzahl Anhänger auch in aufstrebenden Ländern zu erhöhen. Das Engagement von Rolex im Golfsport beginnt 1967 mit der Partnerschaft mit Arnold Palmer, einem Champion mit schwindelerregendem Palmarès. Grund für die Reputation, die die Uhrenfirma in der Welt des Golfs geniesst, ist auch die Tatsache, ST ANDREWS LINKS TRUST: dass sie nicht nur Profis sponsert, son- EINE ORIGINELLE INSTITUTION 1974 gegründet, ist der St. Andrews dern sich auch um Amateure, Junioren und Nachwuchsspieler kümmert, an den Links Trust (SALT) von der Stadt beaufbedeutendsten Turnieren präsent ist und tragt, sämtliche Einrichtungen und OrganiOrganisationen unterstützt, die sich für die sationen in Verbindung mit dem Golfsport zu kontrollieren und zu verwalten. SelbstEntwicklung des Sports einsetzen. « Eine eigentlich sehr logische Verbin- verständlich die diversen Plätze, aber auch dung », betont Arnaud Boetsch, Direktor Akademien und Camps für Kinder soCommunication & Image bei Rolex. « In wie die zahlreichen SportartikelgeschäfZukunft wird es zweifellos neue Rekor- te. Die von Euan Loudon, Ex-Offizier der de und neue Champions geben, die viel- britischen Armee und Organisator der befach aus Ländern mit kleiner Golftraditi- rühmten Military Tattoo von Edinburgh, on kommen. Sie werden eine Geschichte geleitete Institution hat die Mission, für weiterschreiben, nämlich die einer der be- Ausgewogenheit zu sorgen, um so jedermerkenswertesten Sportarten überhaupt. mann den finanziellen Zugang zu einem Rolex ist seit jeher aufs Engste mit Werten der sieben Plätze zu ermöglichen. wie Tradition und Innovation verbunden. » Ein Widerspruch, für den Direktor aber Ein gutes Omen ist auch die Tatsache, eine Selbstverständlichkeit. « Natürlich dass der Sport ab den Spielen von Rio im könnten wir die Green Fees erhöhen (3 Jahr 2016 wieder eine olympische Diszip- bis 170 £ je nach Jahreszeit und Parcours), lin sein wird. Nur gerade zwei Mal in sei- denn wir müssen jeden Tag Spieler aus alner Geschichte, 1900 in Paris und 1904 ler Welt zurückweisen. Dies stünde aber in Saint-Louis (USA), stand Golf auf dem im Gegensatz zu unserer Einstellung und olympischen Programm. Es sollte mehr als Überzeugung. Wir möchten offen und zuhundert Jahre dauern, bis die Generalver- gänglich bleiben. » Die Zahlen bestätigen sammlung des IOK 2009 in Kopenhagen diese Philosophie : Die Hälfte der Parcours beschloss, Golf wieder in den Wettbewerb wird von Ausländern, die andere von der aufzunehmen. Je sechzig Spielerinnen und lokalen Bevölkerung absolviert. Darunter sind viele junge Leute und Spieler werden vier Tage auf vier Plätzen Menschen aus allen Gesellschaftsschichum olympische Ehren kämpfen. Der Amerikaner Zach Johnson hat 2015 das 144. British Open gewonnen 52 | Finanz und Wirtschaft LU X E Für jedermann offen: Old Course, der älteste und symbolträchtigste Golfplatz der Welt Jordan Spieth, Testimonial Rolex und weltweit die Nummer 1 , im August 2015 ten. Euan Loudon : « Wir möchten vorbild- welt und Nachhaltigkeit nur ein Konzept lich und verantwortungsvoll sein, indem oder Wunschdenken, für St. Andrews eine wir stets nach dem optimalen Gleichge- Realität. So engagiert sich der SALT ganz wicht zwischen unseren Aktivitäten und selbstverständlich beim Wiederaufbau der der Umwelt streben. Das ist nicht zuletzt nahen Dämme, die kürzlich von Stürmen eine Voraussetzung für eine in jeder Be- beschädigt wurden. Der Trust tut es den ziehung erfreuliche Entwicklung. Es muss Schafhütern gleich, die hier ihre Tiere weiein einmaliges, unvergessliches Erlebnis den liessen und so für die intakte Umwelt bleiben, in St. Andrews Golf zu spielen. Das sorgten. Mit diesen Zielen wurden diverwar gestern so und soll es auch in Zukunft se Partnerschaften geknüpft, unter denen sein. » Eine beispielhafte Haltung zur ei- Rolex eine Hauptposition einnimmt. Kein ner Zeit, wo der Golfsport weltweit immer Wunder bei den Engagements auf allen mehr Bedeutung erhält, was aber auch viele Ebenen, welche die Marke fördert. Ressourcen nötig macht. Zum Beispiel vor Nach dem 144. British Open, das am 19. allem Wasser, ein in vielen Regionen über- Juli von Zach Johnson gewonnen wurde, und dem Abzug der 200 000 Zuschauer ist aus kostbares Element. Es ist auch nicht zu befürchten, dass Im- auf dem Old Course wieder Ruhe einkehrt. mobilienprojekte die Wiege des Golfsports Eine Ruhe, die so gut zum Mythos dieses in Gefahr bringen. Für manche sind Um- Platzes passt. | | S AVO I R- FA I R E | von Cristina d’Agostino Fotos: Antonio Barrella und Guillaume Perret Zwei Spitzen-Frauen der Spitzen-Juwelenund Uhrenszene SIE GEHÖREN SEIT JAHREN ZUR SPITZE DER STRATEGIEABTEILUNGEN VON ZWEI PRESTIGEREICHEN SCHMUCK- UND UHRENUNTERNEHMEN, DER LUXUSKONZERNE LVMH UND RICHEMONT. SIE SIND DIE AUSNAHME IN EINER MÄNNERDOMINIERTEN WELT UND BEHERRSCHEN IHR METIER IN PERFEKTION. BESSER ALS ALLE ANDERN ERSPÜREN SIE DIE BEDÜRFNISSE DES MARKTES. LUCIA SILVESTRI, DIREKTORIN DER ABTEILUNG KREATION HAUTE JOAILLERIE BEI BULGARI, UND CAROLE FORESTIER-KASAPI, VERANTWORTLICHE KREATION UHRWERKE BEI CARTIER, HABEN UNS IN IHREN ATELIERS EMPFANGEN. UND WIR HABEN UNS BEGEISTERN LASSEN. LUCIA SILVESTRI ORAKEL DER FARBEN mir macht man eine Ausnahme, aber nur widerwillig.» Lucia gilt heute als eine der wichtigsten Expertinnen für Farbsteine. Sie besitzt die Fähigkeit, bei jedem einzelnen Stück das Potenzial zu entdecken und den Bulgari-Geist aufzuspüren. Das ist ihre eigentliche Aufgabe, denn aussergewöhnliche Steine wollen alle grossen Bijoutiers. «Es geht darum, den zu finden, von dem man sich vorstellen kann, dass er Bulgari verkörpert. Ich kann den seltensten Saphir der Welt in der Hand halten und werde ihn nicht wählen, wenn er nicht den Visual Appeal besitzt, das heisst diese bestimmte Sanftheit, die weder zu helle noch zu dunkle Farbe. Er darf auch nicht zu schwer sein, sonst müssen wir ihn schneiden, damit er die italienische Eleganz erhält, den typischen Cabochon-Griff. Bei uns kommt Stil vor Karat. Rom. Lungotevere. Im Saal der Steine. spüre ihre Energien, die ich nicht wirkLucia Silvestri betrachtet die Kleinode, lich erklären kann. Deshalb muss ich sie Hunderte von kostbaren Steinen, die ein berühren. Ich glaube, die Liebe ist gegenzufälliges Mosaik ergeben. Das Ritual wird seitig. Damals im Sommer habe ich mich seit dreissig Jahren gepflegt, Lucia Silves- Hals über Kopf in die farbigen Steine ver- DAS BESTE AUS EINEM STEIN tri und Paolo Bulgari treffen sich zum Mor- liebt, die Passion hat mich seither nie mehr HERAUSHOLEN genkaffee. Sie sind allein, sitzen sich ge- verlassen.» Sie erinnert sich an die Risiken, die sie genüber. In einer fast kirchlichen Stille einging, als sie vor zwei Jahren wegen eireden sie über Befindlichkeiten, tauschen MÄNNERDOMÄNE nes Colliers mit zylinderförmigen SaphiTagesneuigkeiten aus. Dann beginnen sie Lucia Silvestri studierte Biologie, die ren von insgesamt 3000 Karat nach Jaipur Colliers zusammenzustellen, reihen Ca- Bulgari-Brüder, beide Väter noch kleiner reiste. «Als ich das wuchtige, zu ethnische bochons von Smaragden, birmanischen Sa- Kinder, suchten eine Person, der sie ihr Collier mit den zu dunklen Steinen sah, phiren und noch selteneren Steinen zu- Know-how weitergeben konnten. Sie fan- konnte ich es so nicht akzeptieren. Obsammen. Die beiden ergänzen sich perfekt. den sie in einer Frau, eine Novità in diesem wohl ich im Kern der Saphire Leben sah. Die junge Frau, die als Neunzehnjährige Milieu. Lucia erzählt von den anfänglich Also empfahl ich meinem Kontaktmann, für einen Sommerstage bei Bulgari ein- schwierigen Verhandlungen mit Verkäu- einem renommierten indischen Liefegetreten ist, geniesst das volle Vertrau- fern, von der Härte dieses Business. Aber ranten, der schon für die Maharadschas en des Patrons, den sie siezt und dessen sie hatte Respekt vor dieser Arbeit, lernte gearbeitet hatte, die Steine entzweizuZustimmung sie mit ihren jadefarbigen und hielt durch. Heute lacht sie darüber. schneiden. Er hielt mich für verrückt. VerAugen sucht. Lucia verdankt ihr berufli- «Jetzt macht es mir Spass, die Männer in ständlich, denn wer will schon bei 3000 ches Wissen den Brüdern Paolo und Ni- Verlegenheit zu bringen, die Oberhand zu Karat ein Risiko eingehen. Acht Monate cola Bulgari. Sie hat es sich im täglichen behalten. Leider bin ich nach wie vor eine später präsentierte er mir die halbierten Kontakt mit ihnen angeeignet und hätte der wenigen Frauen, die in diesem Metier Steine. Es war ein Schock, ein Wunder! Er es aus keinem Buch lernen können. Wis- einkaufen und verhandeln. Auch ist es im- war meiner Intuition gefolgt, das Resultat senschaft der Farben, Einkauf der Steine, mer aufregend, in die Minen hinabzustei- war spektakulär. Ich telefonierte mit Paolo Geheimnisse, die nur die Edelsteine ver- gen. Ich tue es zwar selten, denn ich kaufe Bulgari, der mir vertraute, ohne die Steiraten. Vorausgesetzt, man weiss sie zu in- keine Rohsteine, aber es lohnt sich, wenn ne gesehen zu haben. Ich blieb in Jaipur, terpretieren, zu betrachten, zu berühren, man die Arbeitsbedingungen verstehen um zu verhandeln. Ich war überaus nerihre Energie und ihren Wert zu spüren. will. Wenn man bedenkt, dass in Sri Lan- vös, denn die Steine waren von einmali«Vielleicht weil die Steine Millionen Jah- ka Frauen in den Minen nicht willkommen ger Grösse und repräsentierten eine Riere alt sind», vermutet Lucia Silvestri. «Ich sind, denn sie sollen Unglück bringen. Bei sensumme Geld. Das Risiko war enorm. 54 | Finanz und Wirtschaft LU X E Als die Steine schliesslich in Rom eintrafen, setzte sich Paolo Bulgari mir gegenüber, wie immer streng und ernsthaft, und öffnete das Papier. Er schwieg lange und rief dann aus: ‹Brava, bellissimo! Wir machen daraus ein Armband.› Und begann unverzüglich mit der Skizze. Das Bracelet wurde eines der schönsten Schmuckstücke in der Geschichte von Bulgari. Es ist einmalig, ein Kunstwerk, 250 Karat Smaragde sowie Diamanten, Rubine, Spinelle. Die erste Kundin, die am ersten Tag den Bulgari-Haute-Joaillerie-Event in Portofino besuchte, kaufte es auf der Stelle. Es war eine Asiatin mit exquisitem Geschmack. Der einmalige Takhti-Schliff wurde Basis einer neuen Kollektion. Bei Bulgari ist immer ein Stein oder ein römisches Symbol die Ausgangslage.» GEWALTIGE HERAUSFORDERUNGEN Bulgari, die Marke für Haute Joaillerie und Haute Horlogerie, gehört heute zum Luxuskonzern LVMH (die Über- sierung der Kreation, Investitionen in Innovation. In Rom arbeiten 35 Personen in der Produktion, darunter achtzehn Goldschmiede und acht Mitarbeiter, die Prototypen anfertigen. Mit einem Produktionswachstum 2013 von 13% gegenüber dem Vorjahr und einem Umsatz von geschätz über einer Milliarde will Bulgari im gleichen Tempo weiterfahren. Beim Besuch der Ateliers, wo der hochpreisige Schmuck entsteht, wird ersichtlich, dass die Kollektionen 2016 und 2017 konzipiert sind, um die Marktanteile der Marke zu erhöhen. Lucia Silvestri arbeitet mit einem Kreativteam von sechs Personen, aber sie ist es, die die grossen Linien der Haute-Joaillerie-Kollektionen vorgibt und entwirft, die jedes Jahr aus fünfzig Einzelstücken bestehen. Im « Ich spüre ihre Energien. Deshalb muss ich die Steine immer berühren » nahme fand im März 2011 für 4,3 Mrd. € statt) und hat grosse Ambitionen. Bernard Arnault will das italienische Luxuslabel zum Zugpferd des Marktes machen. In den vergangenen achtzehn Monaten war der Bulgari-Sitz in Rom Schauplatz für Reorganisation und Internationalisierung der Produktionskette, für Moderni- Finanz und Wirtschaft LU X E | 55 | S AVO I R- FA I R E | Juni wurde den Medien und den interna- logerie anerkannt. Sie ist eine der wenigen tionalen Kunden in einem noblen toska- Frauen, denen es dank genialen Ideen genischen Palazzo mit grandiosem Park die lungen ist, sich auf dem Schachbrett der allKollektion «I Giardini» vorgestellt. Der mächtigen Könige einen Platz zu verschafGeist des Dolce Vita vermag immer noch fen. Die Anfänge waren hart. «Es ist ein sehr zu begeistern, denn drei Viertel der Stücke konservatives Milieu. Wie in jeder anderen wurden in wenigen Tagen verkauft. Von Branche auch muss man sich beweisen, als dieser Faszination zeugen auch die zahllo- Frau allerdings doppelt. Man startet mit eisen Neugierigen, die die Schaufenster der nem zweifachen Handicap. Und dass ich legendären Boutique an der Via Condotti Pariserin bin, hat auch nicht gerade geholbewundern, wo schon Richard Burton und fen, ich hatte also alle Nachteile», lacht sie. Liz Taylor sich mit Smaragden und Saphiren ihre Liebe gestanden. Eine Erfolgs- IN 3-D DENKEN Carole ist im Uhrmachermilieu aufgestory, die weitergeht. Allerdings, so der Manager des Geschäfts, nehmen auf den wachsen. Ihre Eltern betrieben in Paris ein berühmten Velourssofas weniger altmo- Atelier für die Restaurierung alter Uhren, dische Romantiker und Hollywood-Stars Mikromechanik war quasi ihr Spielfeld. Platz, sondern Geeks aus Asien, die auf «Nach der Schule hielt ich mich am liebsten ihrem Tablet spielen und warten, bis die im Atelier auf, erfand neue Werke, zerlegte Partnerin ihre Wahl getroffen hat. Eine Uhren, um die Funktionsweise zu verstehen. Aber die Uhrwerke wieder zusammenzuandere Art von Glamour eben. setzen, dafür fehlte mir die Geduld. Zum Leidwesen meines Vaters interessierte ich mich nicht für Uhrmacherei, sondern wollCAROLE te Ingenieurin werden. Dieser Beruf war FORESTIER-KASAPI meine Passion.» Sie kam an die Uhrmacherschule in La Chaux-de-Fonds in einer Zeit, DIE REVOLUTIONÄRIN als die Branche fast am Boden war. Man arCarole Forestier-Kasapi lässt sich von der beitete damals noch auf dem Zeichenbrett, Geschichte der Uhrmacherei ebenso wenig aber sie wollte ihren Abschluss in Informabeeindrucken wie von der Technik eines tik machen – das hatte es noch nie gegeben. hundertfach neu interpretierten Mechanis- Anschliessend besuchte sie eine Ingenieurmus. Bei dieser Frau mit dem hellwachen schule und versuchte ihr Glück in einem unBlick wirkt alles einfach und trivial. Trotz abhängigen Ingenieurbüro. «Ich war aber der grossen strategischen Herausforderun- schnell frustriert, denn ich konnte nicht den gen der Branche führt sie bei Cartier die Di- ganzen Produktionsprozess kontrollieren. visionen Haute Horlogerie und Uhrwerke Auf die von mir kreierten Werke erhielt ich mit fester Hand, aber auch risikofreudig. Sie keinerlei Feedback. Schliesslich bot mit Giuträgt die Verantwortung für die Abteilung lio Papi von Renaud & Papi, der ZulieferfirUhrwerke mit den rund hundert für tech- ma für Uhrenkomplikationen, die Leitung nische Entwicklung zuständigen Ingenieu- des technischen Büros an. Endlich hatte ich ren mit offensichtlichem Vergnügen. Die eine integrierte Manufaktur zur Hand, die grosse Manufaktur (Cartier ist der gröss- es mir ermöglichte, auch beim kreativen te Arbeitgeber in La Chaux-de-Fonds) ist Prozess mitzuwirken.» noch jung genug, um sich nicht von UhrmaDie grosse Herausforderung in der Macherlegenden einengen zu lassen. In sechs nufaktur Cartier entspricht ganz ihrem TaProduktionsstätten unterteilt, fertigt das lent. Sie hat 45 Uhrwerke entwickelt, daUnternehmen in La Chaux-de-Fonds Ge- von 33 im Bereich Haute Horlogerie. Wobei häuse, Mineralgläser, Zeiger, Armbänder ihr die Anzahl unwichtig ist. Ihre Stärke? und Schliessen; es gibt eine Fassondrehe- Sie besitzt die Fähigkeit, sich in ein dreirei für Triebe und Räder, eine Fertigung dimensionales Werk hineinzudenken, sie für Brücken und Platinen, eine Abteilung kann sich vorstellen, wie gross ein Chip ist, für Assemblage, Einschalen und sogar für sich virtuell auf den Rand einer Ausfräsung die Restaurierung von alten Uhren. Im Jahr setzen und den Rädern zusehen, die sich 2000 eingeweiht, wurde die Produktion neu über ihr drehen. Sie träumt fast jede Nacht organisiert und online vernetzt, wodurch von der Uhrmacherei. «Ich habe stets eidie Zeitspanne zwischen Produktion eines nen Notizblock auf dem Nachttisch, damit Modells bis zur Verfügbarkeit im Laden von ich jederzeit meine Träume aufschreiben 250 auf 20 Tage reduziert werden konnte. kann. Dies kommt häufig vor.» Sie schmunHeute ist Carole Forestier als eine der be- zelt: «Es sind die einzigen Träume, an die deutendsten Expertinnen der Haute Hor- ich mich erinnere. » 56 | Finanz und Wirtschaft LU X E INNOVATION MUSS SINNVOLL SEIN Carole Forestier sagt, dass sie noch nie eine kreative Idee in der Manufaktur gehabt hat. Vor Ort muss sie führen, Lösungen finden. «Ich weiss, wie ich den kreativen Prozess auslösen kann. Das kann man erarbeiten und kultivieren. Kreativität ist nur möglich, wenn man positiv gestimmt ist. Bin ich traurig oder melancholisch, kann ich es gleich vergessen.» Vor allem ist sie überzeugt, dass man sein Wissen lebendig erhalten muss, um kreativ zu sein. Seit ihrer Kindheit sind die Uhrenbücher der umfangreichen Familienbibliothek Quelle dieses Wissens. Wenn sie eine Komplikation erfinden muss, macht sie sich kundig und liest « Ich habe keinerlei Lust, Trends zu folgen, ich will sie machen » alles, was zum Thema geschrieben wurde. Auch dies sei Kreativität, und sie braucht es. Perfektes technisches Wissen ist geradezu eine Obsession und auch eine Frage des Vertrauens. «Es ist unmöglich, alles zu wissen. Gleichzeitig geht es aber auch darum, die Geschichte der Uhrmacherei fortzuschreiben, sonst ist es völlig uninteressant. Aber das braucht Zeit, und Cartier schenkt mir Vertrauen. Wenn ich mich ins Jahr 2025 versetzen muss, verfüge ich über keinerlei Parameter. Der einzige Massstab, den ich mir gestatte, ist der Kunde, dessen Bedürfnisse ich vorauszusehen versuche. Ich habe keinerlei Lust, Trends zu folgen, ich will sie kreieren. Dies entspricht auch seit jeher dem Esprit von Cartier.» Besser sein als die Vergangenheit, besser als Berufskollegen in einem hoch kompetitiven Kontext – ein doppelter Anspruch ? Carole Forestier hat den riesigen Vorteil, dass sie nicht von Element zu erfinden, als ein neues Teil, das einem Unternehmen eingeschränkt wird, schliesslich in mehreren Werken verwendet das einem grossen Erbe verpflichtet ist. Sie wird. Beide Projekte aber setzen die Prokann sich neue Sichtweisen und Visionen jektion in die Zukunft und eine hoch enterlauben, die diversen Entwicklungen der wickelte Produktionslogik voraus. Uhrmacherei definieren und ihnen Sinn geben. Was liebt sie am meisten? Das berühm- EINER DER KREATIVSTEN GEISTER te weiss Blatt. « Als Cartier mich beauftrag- DER BRANCHE te, das Tourbillon neu zu erfinden, war ich Carole Forestier gilt als einer der kreativsglücklich. Ich musste die Anzeige neu er- ten und visionärsten Köpfe der Branche. finden, gleichzeitig dem Cartier-Geist treu Das Team ihrer Entwicklungsabteilung für bleiben. Also stellte ich mir die kleine Se- Uhrwerke besteht aus rund vierzig Persokunde vor, die oft im Tourbillon-Käfig inte- nen, die jedes Jahr Neuheiten erarbeiten. griert ist. Davon ausgehend entwickelte ich «Die Ideen entstehen nicht beim Durchblätdie Zentralsekunde, indem ich den Tour- tern von Uhrenfachzeitschriften, um zu sebillon-Käfig ins Zentrum positionierte. Die hen, was die Kollegen machen. Das funkIdee hatte ich im Handumdrehen, und ich tioniert nicht. In erster Linie muss man wusste, wie ich vorgehen musste. Das Astro- neugierig sein. Neulich habe ich den Staubtourbillon war geboren ! » Für die Uhrma- sauger auseinandergenommen. Mein Mann cherin ist es viel spannender, ein kreatives glaubte, ich sei verrückt geworden», lacht sie. «Ich wollte wissen, wie das Teil funktioniert, welches das Kabel aufrollt. Dazu musste ich das Ding zerlegen. Nachher war ich natürlich unfähig, es zusammenzusetzen. Doch Innovation kennt keine Grenzen, und die Uhrmacherei ist nicht das Zentrum der Welt. Man muss sich auch in der Medizin, im Automobil- oder im Flugzeugbau umsehen. Trotz allem gibt es immer wieder jemanden, der vor Ihnen die gleiche Idee hatte. Das ist mir einmal ein paar Monate vor dem SIHH passiert. Ich musste mich also wieder ans Werk machen, es modifizieren. Dies wünsche ich niemandem, denn die Welt stürzt ein.» Carole Forestier kann gelassen in die Zukunft schauen beziehungsweise das Jahr 2025 abwarten. Sie hat bereits Dutzende von Konzepten in der Pipeline. Nur die Konjunktur könnte ihr einen Strich durch die Rechnung machen. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 57 | S P I R I T U O S E N | von Sébastien Ladermann - illustration: Mathieu Moret C O G Drei moderne Arten, Cognac zu geniessen, vorgeschlagen von Bruno Seguin (Barmanager Swissôtel Métropole Geneva und Träger diverser Auszeichnungen in der Schweiz und in Frankreich) COMME UN RÊVE 2 1 cl Kastaniensirup, 4 cl Cognac, 2 cl Amaretto, mit Crème fraîche nappiert und Goldpuder verziert. Diese Kreation von Bruno Seguin verbindet die Stärke des Alkohols mit der Süsse der Crème fraîche. Ein Genuss nach dem Essen. Eben : Comme un rêve! 1 SIDE CAR 1 cl Zitronensaft, 4 cl Cognac, 2 cl Cointreau. Der 1931 in Paris von Harry Mac Elhone kreierte Cocktail ist wunderbar ausgewogen und erlebt zurzeit seinen zweiten Frühling. 3 COGNAC TONIC 4 cl Cognac, 10 cl Schweppes Tonic, 1 Zitronenschnitz Erfrischend und einfach zuzubereiten. 58 | Finanz und Wirtschaft LU X E N A C AUF DEM WEG ZUR RENAISSANCE SCHMERZLICHER UND UNERWARTETER EINBRUCH DER SCHLÜSSELMÄRKTE, EIN UNSCHARFES PROFIL, RÜCKLÄUFIGER INLANDKONSUM – DAS SIND GROSSE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DAS EINST POPULÄRSTE FRANZÖSISCHE EAU DE VIE, DESSEN ERFOLG HEUTE AUF NEUEN MÄRKTEN BASIERT. S pricht man von Cognac, so geht es zu- dern Künstlern konsumiert wird. Mit annächst um den Sektor Wein und Spiri- deren Worten: Für die einen ist Cognac tuosen, den drittstärksten Motor der fran- altmodisch, für die andern hip und festlich. zösischen Exporte, jedoch seit Mitte 2013 Sicher : Das Führen der drei wichtigsim Rückwärtsgang. Nach dem Rekordjahr ten Unternehmen – Martell (Pernod Ri2012 brachen die Zahlen ein, als Folge der card), Rémy Martin (Rémy Cointreau) brüsken Kehrtwendung im chinesischen und Hennessy (LVMH) – ist gewiss kein Markt. Antikorruptionsgesetze und Eth- Zuckerschlecken. Aber der Einsatz lohnt nisierung des öffentlichen Lebens verän- sich, denn es geht um sehr viel. Der globaderten fest verankerte Gewohnheiten, teu- le Spirituosenmarkt wird auf 200 Mrd. $ re Geschenke als Ehrerbietung oder zum geschätzt, der Anteil der hochpreisigen Erhalt der Freundschaft waren plötzlich Brands ist im Laufe der letzten fünf Jahverpönt, an grossen Banketten und Karao- re durchschnittlich um 11 % oder doppelt ke-Abenden waren Luxusgetränke nicht so stark gestiegen wie die übrigen Marken. länger angesagt. Verständlich, dass der Appetit – oder besCognac hat ein wenig kohärentes Image. ser vielleicht der Durst – der Cognaclabels Junge Europäer, allen voran die Franzosen und ihrer Besitzerkonzerne gross ist. selbst assozieren, assoziieren den WeinEine Renaissance des Cognacs wird brand mit nicht enden wollenden Sonn- realistisch, wenn die neuen, schon heue tagsessen bei Grosspapa. Auf der andern attraktiven Märkte (USA, englischspraSeite die Amerikaner, die Südafrikaner chige Länder in Afrika, Südostasien und und die Nigerianer, für die Cognac en Lateinamerika) stärker werden. Und invogue ist, da er mit Vorliebe von den be- dem es gelingt, jüngere Konsumenten wunderten Musikern, Performern und an- zu überzeugen und Konsumgewohnhei- ten zu verändern. Ein echter Challenge, wenn man weiss, dass Frankreich letztes Jahr mehr Wodka als Cognac exportiert hat. Für das Haus Hennessy, das dieses Jahr seinen 250. Geburtstag feiert, mit ein Grund, das Jubiläum gebührend zu feiern. Es hat eine Assemblage kreiert, die in 250 Fässern à 250 Liter lagert, und eine Wanderausstellung um die Welt organisiert. « Hennessy ist offen für alle Kulturen », so die Botschaft des Präsidenten Bernard Peillon. Die Zukunft des legendären Branntweins aus der Charentes basiert nicht nur auf seinen bekannten Qualitäten, sondern auch auf seinem kulturellen Wert und seinem authentischen und reichen Erbe. Als Träger einer jahrhundertealten Tradition hat sich Cognac jedoch selbst nach und nach ins Abseits manövriert und ist heute mehr denn je gezwungen, sich zu öffnen und neue Konsumenten, wo und wie immer sie leben, anzusprechen. Es geht darum, ihre Erwartungen und ihren Geschmack zu verstehen, ohne die eigene Herkunft zu verleugnen, kostbares Knowhow zu verlieren und Qualitätsdenken aufzugeben. Denn es sind genau diese Faktoren, die das Renommee des Cognacs begründet haben. Eine Herausforderung, die es in sich hat. Risikoreich und vor allem folgenschwer. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 59 BOUDOIR von Chantal Mathez de Senger Gouzer LOÏC DER SHOOTING STAR IM AUKTIONSBUSINESS SPRICHT ÜBER SEIN METIER D DER 34-JÄHRIGE SORGTE VOR EINIGEN MONATEN IN DER WELT DER AUKTIONEN FÜR AUFSEHEN, DENN ER STAND HINTER DEM JAHRHUNDERTVERKAUF DES BILDES « LES FEMMES D’ALGER » VON PICASSO. LOÏC GOUZER ERZÄHLT, WIE ER BEI CHRISTIE’S IN REKORDZEIT KARRIERE GEMACHT HAT UND MIT DEN GRÖSSTEN AUF DU UND DU VERKEHRT. ie Terrasse des Hotels Les Trois-Rois Gouzer stösst die Gepflogenheiten train Basel eignet sich prächtig für den ditioneller Auktionen zeitgenössischer Austausch von Vertraulichkeiten. Loïc Kunst um und bietet an einem einzigen Gouzer, als Vice President bei Christie’s Abend mehrere wichtige Werke moderverantwortlich für den Bereich zeitge- ner Künstler an. Es soll eine Serie histonössische Kunst, sagt gleich zu Beginn rischer Rekorde werden mit Preisen, die des am Rand der Art Basel stattfindenden noch nie für ein Bild oder eine Skulptur Gesprächs, dass er eigentlich lieber über bezahlt wurden. Picassos Meisterwerk Umwelt spricht als über Kunst. Vielleicht « Les femmes d’Alger », Version « O » weil er ein paar Stunden zuvor mit Leo- (1955), findet für 179 Mio. $ einen Käunardo DiCaprio gespeist hat. Für den in fer, während der legendäre « Zeigende New York lebenden Genfer sind Umwelt Mann » (1947) von Giacometti für 141.2 und der Schutz von gefährdeten Tierar- Mio. $ den Besitzer wechselt. Die Beten, darunter Haien und Rhinozerossen, gegnung mit einem Mann, dem während ein wichtiges Anliegen, das er mit dem des Interviews die weltweit bedeutendsamerikanischen Filmstar teilt. Beide en- ten Sammler und Galeristen, allen voran gagieren sich für den Schutz von Fauna Larry Gagosian, Hallo sagen. und Flora, weshalb sie 2013 eine einzigartige Benefiz-Auktion organisiert haben. Was machen Sie nach dem « Verkauf Die Arbeiten zeitgenössischer Künstler er- des Jahrhunderts » ? zielten damals 38 Mio. $, die der Leonardo Ich weiss es noch nicht. In den komDiCaprio Foundation zugutekamen. Bis menden Wochen werde ich mich auf die heute die höchste Summe, die je zuguns- Umwelt konzentrieren. Ich bereite ein ten der Umwelt gespendet wurde. sehr ehrgeiziges Projekt zugunsten des Es sind solche Spitzenleistungen, mit Umweltschutzes vor, das beträchtliche denen der 34-jährige Kunstexperte von Spendengelder generieren dürfte. Ökosich reden macht. Vergangenen Mai or- logie ist ein Thema, das mich sehr umganisierte er den « Verkauf des Jahrhun- treibt und das ich systematisch in meine derts ». Er liess sich von seinem sicheren Kunstaktivitäten integriere. Bei jedem Instinkt leiten, der auch Patron und Men- Beratungsgespräch mit einem Kunden tor François Pinault, Geschäftsmann und schlage ich folgenden Deal vor : Als HoChristie’s-Besitzer, aufgefallen ist. Loïc norar für meine Empfehlungen investiert 60 | Finanz und Wirtschaft LU X E er 10 % seiner Ausgaben für Kunst in den Umweltschutz. Woher stammt dieses Bedürfnis, den Planeten zu retten ? Ich bin viel im Wasser und habe so im Laufe der Zeit die Zerstörung der Unterwasserfauna und -flora beobachtet, etwa der Haie, die vom Verschwinden bedroht sind. Der Schutz der Umwelt und der Ozeane ist heute eine Priorität. Es ist wie bei Kunst, Fussball und Frauen – sobald ich etwas im Kopf habe, wird es zur Obsession. Wie sind Sie zur Kunst gekommen ? Es war ein bisschen ein Alleingang. Schon als Kind malte ich und sammelte Zeichnungen. Als junger Mensch verhandelte ich mit Galeristen, damit sie mir bestimmte Bilder zum Studententarif überliessen. Ich kaufte Arbeiten und verkaufte sie teurer weiter. Zudem wollte ich immer Künstler werden und besuchte Ausstellungen. Die von Gerhard Richter, die ich während eines Sprachaufenthalts in Deutschland sah, hat mich sehr geprägt. Ich fand diesen Künstler schon einzigartig, als er noch nicht so hoch kotiert war wie heute. Gerhard Richter – Ihr Aha-Erlebnis ? Das wirkliche Aha-Erlebnis hatte ich als 16-Jähriger, als ich in einem Tabakladen in Bryan Thomas | BOUDOIR | Genf ein Bild sah. Es war eine Zeichnung von Basquiat, die als Poster für ein Theaterstück verwendet wurde. Ich wusste damals nicht, wer der Künstler war, aber die Arbeit beeindruckte mich, weil sie eine ungeheure Kraft ausstrahlte. Netterweise schenkte mir der Ladenbesitzer das Poster. Danach begann ich das Werk dieses Künstlers zu entdecken. Dies war der Beginn. Das Unglaubliche geschah Jahre später, als ich bei Sotheby’s London arbeitete und den Besitzer der Originalzeichnung traf. Ich erzählte ihm meine Geschichte und gab ihm das Poster aus dem Kiosk. Worauf der Sammler mir, einem Neuling, sagte : « Sollte ich eines Tages das Bild verkaufen, werde ich es mit Dir tun. » Er hat sein Versprechen gehalten, die Zeichnung erzielte 13 Mio. $, die Höchstsumme, die je für einen Basquiat bezahlt wurde. Was gefällt Ihnen an Basquiat ? Ich bin geradezu verrückt nach ihm. Es ist mir gelungen, drei seiner Werke zu Rekordpreisen zu verkaufen, und ich habe damit vermutlich den Marktwert dieses Künstlers beeinflusst. In diesem Metier ist man dermassen auf einen Künstler fokussiert, dass man mit der Zeit alle Besitzer kennt. Ich weiss von den meisten Basquiat-Werken, wo sie sich gerade befinden. Was ist Ihre Spezialität bei Christie’s ? Meine Arbeit besteht darin zu erkennen, wann der richtige Moment für den Verkauf eines bestimmten Künstlers gekommen ist. Das heisst, den Markt antizipieren, vor allen andern die Bilder definieren, die einen Rekordpreis erzielen könnten. Man muss die Fähigkeit besitzen, ein Werk zu verkaufen, selbst wenn der Künstler noch nicht im Rampenlicht steht. Die Arbeit hat viel mit Intuition zu tun. Es ist einer der wenigen Berufe, wo kolossale Summen nur wegen des Instinkts auf dem Spiel stehen. Man muss spüren, welcher Künstler den Lauf der Geschichte der Kunst beeinflussen kann und wer kauf- beziehungsweise verkaufswillig ist. tionshaus die Differenz. Umgekehrt erhält Auktionen den Kunstmarkt nicht wirklich es Kommissionen, wenn die Verkaufssum- reflektieren. Sie sind nur gerade die Spitme höher als die Garantie ist. Dies hat die ze des Eisbergs. Es gibt viele Künstler, die Lage verändert, da es nun einfacher ist, verschwinden, deren Preise einbrechen, Sammler zum Verkauf zu motivieren. und solche, die in den Medien nie thematisiert werden. Haben Sie schon mal eine zu hohe Garantie abgegeben ? Welches ist das Profil des typischen Nein, es ist noch nie vorgekommen, dass Käufers ? ein Werk zu einem tieferen Preis weggeEine neugierige und passionierte Pergangen ist als durch Christie’s oder Dritte son, die in ihrem Leben viel Risiko auf sich garantiert. Dies ist der Grund, weshalb ich genommen und nicht zwingend prestigemir einen Platz in diesem Milieu schaffen reiche Schulen absolviert hat. Die grossen konnte und bei Christie’s sehr schnell auf- Sammler sind vielfach Leute, die ihren Ingestiegen bin. dustriebereich revolutioniert haben. Also nicht unbedingt Mitglieder alter Familien Wie sieht Ihr Arbeitstag aus ? oder Erben. Ich verbringe nur wenig Zeit im Büro. Ich bin viel in Museen unterwegs, wo Wie steht es mit der Transparenz ich mir Bücher über Künstler und alte in diesem Bereich ? Kataloge ansehe, um mir ein neues Bild Die geheimen Transaktionen und die hovon Künstlern zu machen, zu verstehen, hen Preise regen die Fantasie an. Dabei sind wo sie gerade stehen, und die Energie zu die Käufer in den meisten Fällen bekannt. spüren, die sie ausströmen. So entsteht Die Bouvier-Affäre hat die Spekulationen plötzlich eine Idee, die schliesslich zur angeheizt, dabei handelt es sich aber um Obsession wird. Hingegen interessiere einen Einzelfall. ich mich weniger für Retrospektiven. Ich finde, sie haben eine negative Wirkung auf Was tun die Käufer mit millionenteurer den Künstler. Kunden befürchten, dass Kunst ? Stellen sie sie bei sich zu Hause aus ? Ja, sie zeigen sie in ihrem Heim, die Amerikaner im Wohnzimmer, die Europäer in der Regel im Schlafzimmer (lacht). « Man muss fähig sein, ein Werk zu verkaufen, auch wenn der Künstler noch nicht im Rampenlicht steht. » Retrospektiven die Kotierung des Künstlers überhöhen, was ihre Kauflust dämpft. Gibt’s eine Blase im Kunstmarkt ? Haben Sie sich noch nie in einem Künstler Es stimmt, die Preise sind sehr hoch, getäuscht ? aber die internationale Nachfrage ist geBis jetzt ist die Bilanz sehr gut, aber ich waltig. Es gibt immer mehr Kunstsammkann mich durchaus einmal täuschen. Auf- ler in den aufstrebenden Ländern. Das grund meines Track Record sowie dank Interesse ist enorm, es werden überall dem Garantiesystem geniesse ich eine Museen gebaut, die es zu füllen gilt, der hohe Glaubwürdigkeit. Dabei wird dem Publikumsansturm an Messen ist riesig. Verkäufer eine minimale Verkaufssumme Je virtueller die Welt wird, desto grösser garantiert. Geht das Werk unter der ga- die Nachfrage nach konkreten Dingen. Alrantierten Summe weg, erstattet das Auk- lerdings muss man sich bewusst sein, dass 62 | Finanz und Wirtschaft LU X E Haben Sie in Basel eine Liebe gefunden ? Ich habe an Messen noch nie eine Entdeckung gemacht. Es gibt von allem zu viel, zu viele Verpflichtungen, Informationen und Lärm, was eher Verwirrung stiftet. Normalerweise sehe ich nach zehn Minuten nichts mehr. Allerdings ist es interessant, neue Trends zu beobachten. Ich besuche sehr selten Messen. Sammler sollten sich auch nicht zu sehr von Galeristen beeinflussen lassen. Sobald man mit den Ohren statt mit den Augen kauft, kann man Fehler begehen. Eine besondere Liebe für einen Schweizer Künstler ? Möglicherweise ist Urs Fischer der nächste Giacometti. Er ist der Federer der Schweizer Kunst. Im Übrigen habe ich die beiden letztes Jahr in New York einander vorgestellt. Ein unerfüllter Traum ? Ich möchte den Fussballclub meiner Kindheit, den UGS – den ältesten Genfer Club –, übernehmen. Eigentlich ein Kindertraum (lächelt). | | M O D E | von Jorge S.B. Guerreiro DER SPORT WIRFT SICH IN SCHALE A uch wenn Sie diesen Artikel im Büro lesen, ist es sehr gut möglich, dass Sie im Sporttenue am Pult sitzen. Denn Anzüge und andere Kleidungsstücke unseres Alltags gehen auf die Sportbekleidung vergangener Zeiten zurück. Während Ende des 18. Jahrhunderts die französischen Adligen ihr Leben am Hof genossen, zogen die englischen Aristokraten das Leben auf dem Land vor, wo sie dem Reitsport frönten oder auf Fuchsjagd gingen. Ihre Bekleidung war allerdings dafür nicht besonders geeignet, weshalb sie sie kürzten und den « Riding Coat » erfanden, der als Redingote oder Gehrock auch jenseits des Ärmelkanals begeisterten Anklang fand. Im Laufe der Zeit wurde man körperbewusster und verlangte nach mehr Bewegungsfreiheit. So entstand erst die Reiterjacke und daraus schliesslich der Anzug, wie wir ihn heute kennen. Die Ladies und SPORT IST MODE. SCHNITTE, STOFFE, KOMFORT – AUCH DIE GESCHÄFTSKLEIDUNG DES ALLTAGS INSPIRIERT SICH ZUNEHMEND AM UNIVERSUM SPORT. GLEICHZEITIG MUTIEREN ELITESPORTLER ZU VERITABLEN MODEIKONEN. MÖGLICHERWEISE IST DER TREND NUR GERADE DIE RÜCKKEHR ZU DEN URSPRÜNGEN DER MODE. Gentlemen hatten sich an ihre bequeme sische Anzug zyklisch verändert, wobei Kleidung gewöhnt und wollten auch im sich der Rhythmus der Entwicklung in Stadtleben nicht darauf verzichten – eine den letzten Jahren massiv beschleunigt neue Mode war geboren. Allerdings sah hat. Auf den ersten Blick haben Sport und man sich wegen der schmutzigen Stras- Mode zwar immer noch wenig gemeinsen und der von den Kohleheizungen ge- sam (Funktionalität versus Stil), Fakt ist schwärzten Luft gezwungen, die bunten aber, dass die Outfits des Alltags bezügStoffe durch dunklere und weniger heik- lich Schnitt und Materialien immer mehr le zu ersetzen. Fall Sie sich, geehrter Le- den genetischen Code der Sportbekleiser, in Ihrem Zweiteiler eingeengt fühlen dung übernehmen. sollten, denken Sie daran, dass Sie eigentGleichzeitig ist es heute ohne weiteres lich die moderne Version einer Sportklei- möglich, sich im sportlichen Outfit im Alltag zu bewegen. Gemäss einer kürzlidung tragen. Seit seiner Erfindung hat sich der klas- chen Untersuchung werden zwei Drittel Gerard Uferas Les Bleus en bleu: die französischen Nationalspieler eingekleidet von Smalto | MODE | Stilikone: einmal mehr arbeitet David Beckham mit H&M und wählt seine Lieblingsmode aus bei Modern Essentials der Sportswear nicht mehr ausschliesslich für den Sport gekauft, und auch die Unterscheidung in Freizeit- und Geschäftskleidung verblasst immer mehr. SPORTSWEAR INSTITUIONALISIERT SICH In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts löste das Aufkommen der Sportswear eine wahre Evolution aus. Die Haute Couture begann sich in den Sechzigerjahren nach und nach Richtung Prêt-à-porter zu entwickeln. Kleidungsstücke, die anfänglich ausschliesslich für den Sportplatz bestimmt waren, etwa das 1920 von René Lacoste erfundene Poloshirt, fanden schnell Anhänger in der schicken Gesellschaft. Und die amerikanischen Helden, die vor kurzem im Thalys-Zug ein Attentat verhindert haben, trugen statt formeller Kleidung ein schlichtes Lacoste-Shirt, als sie für ihren mutigen Einsatz im Elysée-Palast ausgezeichnet wurden. Die am 20. September zu Ende gegangene Ausstellung « En Mode Sport » im Musée National du Sport in Nizza erzählte die Geschichte der Beziehung zwischen Sport und Mode von 1880 bis 2015. Mehr als 400 Kleidungsstücke aus privaten Kollektionen und Museumssammlungen luden zur Zeitreise durch die Modelwelt und erklärten, wie sportliche Aktivitäten – vom Volks- bis zum Elitesport – die Modewelt beeinflusst haben. Die Erkenntnis: Noch nie waren sich Sport und Mode so das der italienische Designer Ricardo Tisci nahe wie heute. 2011 für Givenchy auf den Markt gebracht Diese Entwicklung manifestiert sich hat. Kostenpunkt 265 $. heute durch das Aufkommen von Hybridformen, die beide Bereiche mixen. Gros- DER KONSUMENT WILL EINFLUSS se Konzerne wie Kering, mit Gucci, Saint AUSÜBEN Laurent und Puma im Portfolio, irrten sich Gemäss Valentine Ebner, Kursbeaufnicht, wenn sie Sport-Lifestyle als einen tragte Bachelor Design Mode und Trendader grossen Trends definierten, in die man nalystin an der Genfer Haute Ecole d’Art investieren muss. Aus diesem Grund hat et de Design, HEAD, ist diese Entwicklung sich vor zehn Jahren Puma mit Alexander eine Reaktion auf eine globalere Evolution, McQueen zusammengetan; Adidas arbeitet die der Konsumenten, die mehr Einfluss mit Stella McCartney und Yohji Yamamoto. haben und sich nicht länger Diktaten unDer Einfluss des japanischen Modedesig- terwerfen oder in Kasten eingesperrt werners ist beträchtlich, vor allem dank sei- den wollen. Lockerere Bekleidungscodes ner Linie Y3, einer Quintessenz der sport- haben zur Entwicklung weniger formellichen Streetwear. Auch das banale T-Shirt ler, hybrider Produkte beigetragen. « Urist zum unverzichtbaren Couture-Teil ge- sprünglich für Extremsport konzipiert, worden, wie etwa das berühmte Rottweiler, bieten innovative Textilien viel Komfort 64 | Finanz und Wirtschaft LU X E (atmungsaktiv, leicht, solid, elastisch). Die für Anzugsstoffe angewendeten Nanotechnologien ermöglichen weniger häufiges Waschen, Bügeln usw. Neue Materialien führen zu neuen Formen. Ich denke an die Mode mit Schaumstoff, Neopren und 3-D-Maschen, die Nicolas Guesquière für Balenciaga lanciert hat. Dank neuartiger Textilien war es ihm möglich, den typischen Stil des Hauses neu zu interpretieren. Wobei es sich bei Neopren nicht um das Material handelt, aus dem Taucheranzüge gefertigt sind, sondern um eine Version, die sich auch für Prêt-à-porter und das Luxussegment eignet. » Nicht unerwähnt bleiben darf der Beitrag der Hip-Hop-Musik, die der Bewegung zu zusätzlichem Schwung verholfen hat, indem Rapper und R&B-Sänger in Sportswear auftraten und so Vorbild für die Outfits ihrer jungen Fans waren. Wegbereiter David Beckham geradezu der Urvater in diesem Business. Den umgekehrten Weg gehen die AusVOM SPORTPLATZ AUF DEN CATWALK rüster, die die Mode aufs Spielfeld bringen. Das Phänomen zeigt sich ebenfalls bei Man erinnert sich an die karierten Shorts den Schuhen. Sneakers sind heute auch von Stan Wavrinka, die am Tennisturnier im Büro gang und gäbe. Wurde der Markt von Roland-Garros für Aufsehen sorgten. vor nicht allzu langer Zeit von den bei- Das vom Label Yonex konzipierte Teil war den Giganten Nike und Adidas beherrscht, erst ein Gag, der sich zum riesigen kommersind heute dank der Vielfalt der Model- ziellen Erfolg entwickelte. le auch Fashion Labels wie Maison Martin Margiela, Givenchy, Valentino, Saint EDLE UND TECHNISCHE MATERIALIEN Laurent, Lanvin oder Balenciaga im GeEine Chance, die sich einige Schweizer schäft. Den ultimativen Beweis für diese Unternehmer nicht entgehen lassen möchmodische Revolution liefert die Schuhma- ten. Etwa die junge Westschweizer Marke nufaktur Berluti. Das massgebende Haus Emyun, die das Konzept Running Couture für Lederschuhe hat den Sneaker-Siefel lanciert. Gemäss Co-Gründer Rodolphe Playtime in feinsten Lederarten lanciert. Huynh werden diese Kleider heute unabAngetrieben von der neuen Konkurrenz hängig von Zeit, Genre und Ort getragen. grosser Modehäuser sichern sich renom- « Sportswear hat die Barrieren zwischen mierte Sportlabels die Zusammenarbeit Geschäfts- und Sportbekleidung aufgehomit Designern, indem sie limitierte Edi- ben. Heute muss man bei allen Aktivitätionen wie Raf Simons für Adidas oder ten, inklusive der körperlich anstrengenConverse für Missoni lancieren. Oder sie den, gut aussehen und sich wohlfühlen. » bringen erfolgreiche Neuauflagen frühe- Die neuen Sportler identifizieren sich eher rer Modelle wie den Stan Smith von Adi- mit Werten des Wohlbefindens oder des das auf den Markt. Eine weitere Besonderheit im Schuhbereich sind die Sportstars, die Trendsetter geworden sind. Unbestrittener Champion ist der Ex-Basketballspieler Michael Jordan, der jährlich fast 100 Mio. $ dafür kassiert, dass er dem Sportartikelgiganten Nike seinen Namen für die Kollektion Air Jordan leiht. Fussball ist die weltweit populärste Sportart und das beste Beispiel für die Beziehung Sportplatz – Catwalk. Der Look der Spieler wird beobachtet, analysiert und kopiert. Mehr noch als Kinostars oder Sänger sind Fussballer heute die wahren Modeikonen. Dies geht so weit, dass Marken, die eigentlich wenig mit Sport zu tun haben, massiv in diese Imageträger investieren. Das französische Modehaus Smalto stattet die Nationalmannschaft, die « Bleus », mit Strassenanzügen aus, während die Spieler von Juventus Turin sich, nebst einer Hublot am Handgelenk, von Trussardi einkleiden lassen. Und das argentinische Wunderkind Lionel Messi hat mit Dolce & Gabbana einen Exklusivvertrag abgeschlossen. Als Botschafter zahlreicher Modemarken ist Handwerks und wünschen weniger überladene, dafür elegantere Sporttenues, wollen aber gleichzeitig von den Eigenschaften edler und technischer Materialien profitieren. Die letzte Etappe des Vordringens der Sportbekleidung in die klassische Mode sind die elektronisch vernetzten Kleidungsstücke, die Wearables. Z Zegna, Sport- und Freizeitmode des italienischen Modehauses Ermenegildo Zegna, rüstet Kleidungsstücke mit drahtlos aufladbaren Batterien aus, die den Träger im Winter bei sportlichen Outdoor-Aktivitäten aufwärmen. Einen Schritt weiter geht Ralph Lauren. Das amerikanische Label lanciert ein Outfit mit integrierten Fasern, die Herzrhythmus, Stressniveau oder Sauerstoffaufnahme registrieren und die Werte in Realzeit ans Smartphone übermitteln. Die Anfänge dieser futuristischen Entwicklung liegen weit zurück. Die Fusion von Sport und Mode ist ein starker, wahrscheinlich dauernder Trend, den die grossen Akteure beider Branchen voll aufgenommen haben. Vielleicht finden dereinst die Fashion Weeks in Olympiastadien statt. | Pionier: mit Jean René Lacoste, Gründer der legendären Marke, wird der Sport chic. Finanz und Wirtschaft LU X E | 65 RÜCKKEHR DER KLASSE ART DIRECTION : Cristina d’Agostino und Nicolas Zentner FOTOGRAFIE : Marc Ninghetto ASSISTENTIN : Gabrielle Lechevallier MODEL : Jan Aeberhard @ Marilyn Agency STYLISTIN : Mélane FRISUR UND MAKE-UP : Julie Monot Wir bedanken uns herzlich bei Bulgari STARKE STÜCKE, ANGESAGTE ACCESSOIRES, NOBLE MATERIALIEN. DIESEN HERBST KOMBINIERT DIE MÄNNERMODE RAFFINIERT ELEGANZ MIT KRAFT Kakifarbene Bomberjacke aus Wolle Lanvin (Grieder) Weisser Rollkragenpullover aus Seide (Bally) Uhr BVLGARI Octo Finissimo, extraflaches Manufakturwerk mit Handaufzug (2.23 mm), Stunden und Minuten, dezentrale kleine Sekunde, Gangreserveanzeige auf dem Gehäuserücken, Gehäuse aus Platin, Zifferblatt schwarz lackiert und poliert, Armband aus schwarzem Alligatorenleder Cremefarbener Pullover aus Merinowolle De Fursac (Globus) Uhr BVLGARI ROMA FINISSIMO, extraflaches mechanisches Manufakturwerk mit Handaufzug, Stunde, Minute, kleiner Sekunde und Gangreserveanzeige auf dem Gehäuserücken, opalin-silbernes Zifferblatt, Armband aus braunem Alligatorenleder Bordeauxfarbene Hose PT01 (Grieder) Aktenmappe Louis Cartier aus Leder und Krokodilleder (Cartier) Blauer Anzug aus Cashmere, Seide und Wolle (Brunello Cucinelli) Graue Cashmere-Strickjacke (Brunello Cucinelli) Klassischer schwarzer Gürtel (John Lobb) Zweifarbiger Schal (Fendi) Socken Falke (Globus) Bordeauxfarbene Lackschuhe Paul Smith (Globus) Teppich « Relax » aus Seide und Wolle (Domiciles) Helm Biltwell Camelfarbener Pullover mit Zopfdesign und Knötchenmuster (Globus) Uhr Bulgari Diagono Magnesium, mechanisches Uhrwerk mit Automatikaufzug, Edelstahlgehäuse mit Mittelteil aus Magnesium und PEEK (Polymer) und MotorlackBeschichtung, farblich zum Mittelteil passendes Zifferblatt, Keramiklünette, Kautschukarmband Camelfarbener Mantel aus Wiesel (Bally) Blauer Chevron-Pullover Tom Ford (Grieder) Hose aus grauem Flanell (Bally) Graue Socken Burlington (Globus) Schwarze Ranger-Stiefel (Hermès) Aktenmappe Racing (Longchamp) Stuhl « Arper » von Aava (Structure 17) Teppich « Orage » aus Seide und Wolle (Domiciles) Blaues Baumwollhemd, anthrazitfarbene Weste, beige Hose in Feincord, brauner Kordelgürtel, und Schuhe Derby (alles Ermenegildo Zegna) Geflochtenes Lederarmband Tod’s Teppich « Orage » aus Seide und Wolle (Domiciles) Mantel Prince de Galles, grau, De Fursac (Globus) Blaue Hose Dries van Noten (Grieder) Blaue Ledertasche Ted Baker (Globus) Blaue Schuhe mit doppelter Seitenschnalle Santoni (Grieder) Braune Lederhandschuhe Twinstitch mit Schnalle (John Lobb) Geflochtenes Lederarmband Tod’s Stuhl «Arper» von Aava (Structure 17) Teppich «Relax» aus Seide und Wolle (Domiciles) | U H R E N | von Michel Jeannot Patrimony Traditionnelle Heures du Monde, Vacheron Constantin a Escale Worldtime, Louis Vuitton o M I T E I N E M Z E I G E R U M L AU F o Amvox 5 World Chronograph, Jaeger-LeCoultre E I N M A L U M g Heures Universelles, Patek Philippe 74 | Finanz und Wirtschaft LU X E Galactic Unitime Sleek, Breitling d D I E W E LT f Heritage Spirit Orbis Terrarum, Montblanc MACHTHABER INSTRUMENTALISIEREN DIE ZEITZONEN FÜR IHRE POLITISCHEN ZWECKE – UHRMACHER VERSUCHEN SIE MECHANISCH ZU REPRODUZIEREN. DANK EINER DER EINDRÜCKLICHSTEN KOMPLIKATIONEN DER UHRMACHERKUNST, DER WELTZEIT, SIND DIE ZEITZONEN IN ECHTZEIT ABLESBAR. KLEINE REISE EINMAL UM DAS ZIFFERBLATT UND UM DIE WELT. A m 15. August hat Kim Jong Un +5h45), nicht berücksichtigt. Das Gleidie « Pjöngjang-Zeit » eingeführt. che gilt für die neue Zeitzone NordkoSie soll den « unerschütterlichen Wil- reas (GMT +8h30). Nur bei Uhren, die len des nordkoreanischen Volkes » spie- mehr als 24 Zeitzonen anzeigen, könngeln und die von den « boshaften japa- te der Beschluss des nordkoreanischen nischen Imperialisten » auferlegte Zeit Machthabers von Bedeutung sein. So abschaffen, so die Begründung. Venezue- zum Beispiel für die Patrimony Traditilas Präsident Hugo Chávez hatte es ihm onelle Heures du Monde von Vacheron 2007 mit einer eigenen Zeitzone (GMT Constantin. Sie integriert 37 Zeitzonen, –4h30) vorgemacht. Müssen die Schwei- einschliesslich partieller Zeitzonen, die zer Uhrmacher ihre Weltzeit- oder Zeit- von ihrem natürlichen Meridian um eine zonenuhren aufgrund der von Kim Jong Viertel-, eine halbe oder eine DreivierUn beschlossenen Zeitumstellung jetzt telstunde abweichen. Technisch wäre überarbeiten? In den meisten Fällen lau- die Aufnahme der Pjöngjang-Zeit kein tet die Antwort wohl Nein, denn Pjöng- Problem, liess uns Vacheron Constanjang wird in der Regel auf den Zifferblät- tin wissen. Die Schwierigkeit wäre eher tern so oder so übergangen. Daran dürfte die Ablesbarkeit, zumal zwischen GMT sich auch nichts ändern, im Gegenteil. +8 und GMT +9 bereits die Sonderzone Woran aber liegt das ? GMT +8h45 liegt, die Vacheron ConstanDie Unterteilung in 24 Zeitzonen und tin mit der südaustralischen Stadt Eucla die Festlegung des Greenwich-Meridi- darstellt. Und ohnehin stellt sich die Fraans als Nullmeridian wurden anlässlich ge, ob überhaupt ein Interesse besteht, der Konferenz von 1884 in Washington Pjöngjang in die Weltzeituhr aufzunehbeschlossen. Ein halbes Jahrhundert spä- men. Damit hat sich die Genfer Manuter präsentierte der Genfer Uhrmacher faktur bisher noch nicht befasst. Louis Cottier, der unter anderem mit Vacheron Constantin und Patek Philippe ZEITZEUGEN zusammengearbeitet hat, ein noch imFür die Hersteller von Weltzeituhren mer massgebendes System, an das sich mit 24 Zeitzonen sind diese Fragen jedie heutige Weltzeit anlehnt. In den al- doch irrelevant. Referenz auf diesem lermeisten Fällen werden die 24 Zeit- Gebiet ist zweifellos Patek Philippe. Die zonen auf den heutigen Weltzeituhren Manufaktur hat diesen Frühling eine gleichzeitig angezeigt. Dazu wird stell- neue Version ihrer Heures Universelles vertretend für jede Zeitzone ein Refe- in Roségold vorgestellt. Auch Montblanc renzort festgelegt. Besonders in dicht hat im Januar von sich reden gemacht, besiedelten Zonen kann diese Wahl zur als das Unternehmen den Markt mit seiKnacknuss werden. GMT +9 zum Bei- ner ersten Weltzeituhr, der Heritage Spispiel umfasst ganz China, Westaustralien, rit Orbis Terrarum, aufmischte. Das Modie Philippinen, Singapur und einen Teil dell sieht vielen bestehenden Modellen Russlands. Aber auch dann, wenn eine sehr ähnlich, ist aber deutlich günstiger Zone so gut wie nicht besiedelt ist, weil (ab 5400 Fr.). Manchmal wird die Weltsie zum Beispiel grösstenteils im Ozean zeit mit weiteren Komplikationen kombiliegt und keinen bekannten Ort enthält, niert, wie bei der AMVOX5 World Chroist die Entscheidung schwierig. Denken nograph von Jaeger-LeCoultre. Breitling beteiligt sich dieses Jahr wir an South Georgia zwischen der Zeitzone von Rio (GMT –3) und derjenigen ebenfalls am Reigen der Universalzeituhren. In der Galactic Unitime Sleek T der Azoren (GMT –1). Auf Uhren mit simultaner Anzeige der tickt das neue benutzerfreundliche Welt24 Zeitzonen werden solche, die im Ver- zeit-Manufakturkaliber B35. Tatsächlich hältnis zur vollen Stunde um 15, 30 oder kann die innovative Uhr vollständig über 45 Minuten verschoben sind, wie Vene- die Kronen bedient werden. zuela (GMT –4h30) oder Nepal (GMT Betrachtet man die Weltzeitmodelle auf dem Markt etwas genauer, drängt sich ein etwas nüchternes Fazit auf : Abgesehen von den teils erheblichen technischen Unterschieden sehen die Modelle der Schwergewichte auf dem Markt alle irgendwie gleich aus. Letztes Jahr hat Louis Vuitton mit der Escale Worldtime für willkommene Abwechslung gesorgt: Die Uhr fällt schon durch ihr ungewöhnliches Äusseres auf – sie treibt es im wahrsten Sinne des Wortes bunt, was in der Haute Horlogerie Seltenheitswert hat. Als Inspiration dienten den Machern die farbigen Streifen, Initialen und anderen Symbole, mit denen Louis Vuitton einst die Koffer der Kunden personalisierte. Auch technisch fällt die Escale Worldtime durch Originalität auf : Das von der Fabrique du Temps Louis Vuitton entwickelte System funktioniert ganz ohne Uhrzeiger. Das einzige feste Element des Zifferblatts ist das zentrale schwarze Dreieck. An seiner oberen Spitze endet es in einem gelben Pfeil, an dem sich die Uhrzeit und der Referenzort ablesen lassen. Die drei beweglichen Scheiben, die das Zifferblatt bilden, lassen sich mithilfe einer einzigen Krone einstellen. Man ahnt es : Hinter dieser einfachen Handhabung und der besonderen Weltzeitfunktion des Kalibers LV 106 steckt ein raffinierter Mechanismus. Genau das macht die hohe Uhrmachkunst aus: Ihre grösste Schwierigkeit besteht darin, hochkomplexe Funktionen einfach bedienbar zu machen. Am 15. August hat Nordkorea uns wieder einmal vor Augen geführt, dass der Umgang mit den Zeitzonen ein politischer Akt ist. China, das sich eigentlich über fünf Zeitzonen erstreckt, verwendet nicht ohne Grund im ganzen Land die gleiche Zeit. Die Pekinger und die Pjöngjanger Zeit verweisen jeweils auf eine Hauptstadt; sie stehen für ein Nationalgefühl und verkörpern Macht. Doch Macht ist vergänglich. Insofern sind Weltzeituhren auch interessant, weil sie uns etwas über die geopolitische Weltgeschichte, die Veränderungen der Hoheitsgebiete und das Ansehen der Städte erzählen. Die Referenzorte auf den Zifferblättern der Uhren aus dem 18. und dem 19. Jahrhundert sind heute nicht mehr unbedingt die gleichen. Uhren, auf denen die Zeit in Konstantinopel oder Ispahan angegeben ist, verweisen auf eine andere Epoche und andere Machtzentren. In diesem Sinne sind Zifferblätter auch Zeitzeugen, die man immer wieder gerne neu entdeckt. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 75 | U H R E N | von Michel Jeannot WEITERGEBEN VO N U H R M AC H E RKNOW-HOW UHRMACHERSCHULEN SPIELEN BEI DER VERMITTLUNG VON WISSEN DIE WICHTIGSTE ROLLE. MIT VERSCHIEDENEN INITIATIVEN WIRD VERSUCHT, AUCH DIE HEUTE NICHT MEHR UNTERRICHTETEN UHRMACHERTECHNIKEN ZU RETTEN. GLEICHZEITIG SOLLEN DAMIT JUNGE TALENTE GEFÖRDERT WERDEN. Wissen vermitteln D as Projekt ist so verrückt, dass nur damit sie der Nachwelt erhalten bleiben. Passionierte dahinterstecken können. Dennoch ist die Grundidee, einen ZeitmesRobert Greubel und Stephen Forsey (Grün- ser fast vollständig von Hand anfertigen zu der von CompliTime im Jahr 2001 und können. Wer glaubt, dass sei der Alltag der Uhrder Marke Greubel Forsey im Jahr 2004) und der unabhängige Uhrmacher Philip- macher, täuscht sich gewaltig. Heutzutape Dufour (eine Kapazität auf seinem Ge- ge werden Dekorationen, Feinarbeiten und biet) gehören zu dieser Sorte Mensch. Ge- Einstellungen zwar manuell in speziell dameinsam haben sie viel Zeit und Geld in für eingerichteten Manufakturen ausgedas Projekt «Le Garde Temps – Naissance führt, die Komponenten einer Uhr aber ald’une montre» gesteckt. Ihr Ziel: das ge- lesamt von digital gesteuerten Maschinen samte uhrmacherische Fachwissen und fabriziert. Seien wir ehrlich: Nur noch sehr die alt-überlieferten Fertigkeiten, die für wenige Uhrmacher besitzen die Fähigkeit, die Handanfertigung einer Uhr mit Kom- eine Uhr von A bis Z von Hand herzustelplikationen nötig sind, an interessierte Per- len. Natürlich droht dadurch das Fachwissonen weiterzugeben. Für die Fabrikation sen verloren zu gehen. «Aufgrund der Ausollen ausschliesslich traditionelle Tech- tomatisierung der Fabrikationsprozesse niken und Werkzeuge zum Einsatz kom- geraten viele traditionelle Techniken und men – mit einer einzigen handwerkliches Fachwissen allmählich in François-Paul Ausnahme: Die techni- Vergessenheit», warnt Stephen Forsey. «Mit Journe, Pate der schen Pläne werden mit anderen Worten: Die Uhrmacherkultur Young Talent dem Computer erstellt, kommt jeden Tag etwas mehr abhanden.» Competition 76 | Finanz und Wirtschaft LU X E SECHS JAHRE FÜR EINE UHR Dieses Problem schien aber lange niemanden zu kümmern. Nicht einmal als die drei Passionierten 2006 mit den Uhrmachern Kari Voutilainen und Vianney Halter die Stiftung Time Æon gründeten, die sich an der Ausbildung künftiger und selbständiger Uhrmacher beteiligen wollte. Doch die Mittel dazu fehlten. Also beschlossen Robert Greubel, Stephen Forsey und Philippe Dufour im Jahr darauf, einen Schritt weiter zu gehen. Sie überlegten sich «eine ambitionierte Aktion, die das gemeinsame Engagement für die Uhrenkultur konkret umsetzt». Entstanden ist das ProMichel Boulanger, jekt «Le Garde Temps – Uhrmacher Naissance d’une montre». aus Frankreich, Mit der Fertigstellung der verschrieb sich ersten Uhr wurde das ersdem Abenteur te Ziel nun verwirklicht. «Le Garde-Temps Neben Philippe Dufour, Naissance d’une montre» der sich bereit erklärt hat, sein Wissen zu vermitteln Die erste Uhr, die im Projekt und die dafür nötige Zeit «Le Gardeaufzuwenden, und Greubel Forsey, die die gesam- Temps Naissance d’une montre» te Aktion finanziert hat entstand – die Rede ist von mehreren Millionen Franken –, haben auch viele Firmenangestellte einen Beitrag zu diesem Abenteuer geleistet. Konkret gestartet wurde das Projekt 2009 mit der Wahl eines Schülers. Er musste bereit sein, alles andere stehen und liegen zu lassen, um sich voll und ganz seiner neuen Aufgabe zu widmen. Sie bestand darin, sich das Wissen und die Techniken anzueignen, sie Schritt für Schritt zu dokumentieren und sie dann seinerseits weiterzugeben. Angesichts dieser anspruchsvollen Aufgabe fiel die Wahl nicht auf ein Greenhorn, sondern auf Michel Boulanger, einen diplomierten Uhrmacher und Lehrkraft für Uhrmacherei in Paris. Auf ihn wartete eine kolossale Arbeit. Er musste nicht nur eine Uhr mit drei Zeigern und einem Tourbillon entwickeln, sondern auch – mit der Hilfe der drei Projektinitianten – zahlreiche Werkzeuge für die Fabrikation der Uhr herstellen. Ausserdem hatte er den Auftrag, jeden einzelnen Produktionsschritt in Schrift und Bild festzuhalten, damit die Informati- für unsere Zukunft und die Zukunft der Paul Journe (Seele und Eigentümer der onen später interessierten Uhrmachern als mechanischen Uhrmacherei muss dieses Marke FP Journe, ebenfalls Mitglieder der Wissen verstanden, beherrscht und erhal- AHCI) die Patenschaft des Wettbewerbs Grundlage dienen können. übernahm, änderte sich das schlagartig. «Anfangs stiess das Projekt auf wenig Re- ten werden.» Dank des gewonnenen Bekanntheitsgrads sonanz, aber als die Uhr anfing, Gestalt anerhielt die Ausgabe 2015 der «Young Talent zunehmen, machte es Klick», sagt Stephen JUNGE TALENTE IM FOKUS Mehrere andere, meist private Projek- Competition» eine neue Dimension. Die Forsey. Auslöser für das plötzliche Interesse war vor allem die Präsentation des te fördern junge Talente oder ihre Ausbil- Kreationen der drei von den AHCI-MitUhrwerks an der SIHH 2012. Davor habe dung. Dies geschieht auf unterschiedliche gliedern bestimmten Preisträger aus Däneer fast nur mit Problemen zu kämpfen ge- Art. Die Aktion «Young Talent Competi- mark, Schweden und der Schweiz fanden habt, räumt Michel Boulanger ein: «Mir tion» der Académie Horlogère des Créa- grosse Beachtung und lösten ein entspredie Fertigkeiten und das Wissen anzueig- teurs Indépendants (AHCI) zum Beispiel chendes Medienecho aus. Zwei der Gewinnen, war schwieriger, als ich angenommen will besondere Begabungen von Lernen- ner werden bei FP Journe ein mehrwöchihatte. Einen Handgriff so zu verstehen den und jungen Uhrmachern ans Licht ges Praktikum absolvieren, um sich mit der und zu beherrschen, dass man ihn sozusa- fördern. Sie wurde 1985 ins Leben gerufen Praxis einer integrierten Manufaktur vergen automatisch durchführen traut zu machen. kann, fordert viel Zeit und geDie Bewerbungen für 2016 schieht schrittweise, Abkürkönnen bereits eingereicht zungen gibt es hier nicht. Das werden, die Anforderungen Erlernen der hohen Uhrmaaber sind hoch. Laut den Vercherkunst lehrt Demut.» anstaltern soll das Niveau der Sobald die erste Uhr fertig Kreationen fortlaufend erhöht war, wurden zehn weitere Exwerden, wovon man sich auch emplare hergestellt und zum eine zunehmende MedienpräMICHEL BOULANGER Verkauf angeboten. Der Erlös senz erhofft. Neu haben neben geht zur Nachwuchsförderung den AHCI-Mitgliedern auch an die Stiftung Time Æon. Und Michel Bou- und zählt die namhaftesten unabhängigen die Öffentlichkeit und die Journalisten die langer gibt das neu erworbene Wissen an Uhrmacher zu ihren Mitgliedern. Aller- Möglichkeit, die Qualität der eingereichten die aufstrebende Generation weiter. Mit dings fehlte es der AHCI anfangs an Geld Kreationen zu beurteilen. Ob die nächsten dieser ersten abgeschlossenen Phase ist ein und Unterstützung. Die erste Ausgabe des Preisträger die Uhrmacher-Stars von morwichtiger Schritt getan, freut sich Stephen Nachwuchswettbewerbs ging deshalb fast gen sein werden, wird sich in ein paar JahForsey: «Das ist unglaublich wichtig, denn unbemerkt über die Bühne. Als François- ren zeigen. | « Das Erlernen der hohen Uhrmacherkunst lehrt Demut » Finanz und Wirtschaft LU X E | 77 | R E I S E TAG E B U C H | von Quentin Mouron - Fotos : Nicolas Righetti D I E G R A N D T O U R O F SWITZERLAND Die Postkarten können wir vergessen! Man soll sich nicht täuschen lassen: Die Natur ist das Original, nicht die Postkarte. Die Grand Tour of Switzerland besteht aus mehreren verschiedenen Routen. Sie ist eine Einladung, abseits der Autobahnen die Umgebung zu entdecken, Natur zu geniessen, Land und vielleicht Leute kennen zu lernen, einen Gang tiefer zu schalten. Der hier gewählte Roadtrip führte von Bern nach Meggen. 78 | Finanz und Wirtschaft LU X E I Es ist am Chauffeur, an der Fahrererin - egal ob Abenteurerin oder Sonntagsfahrer - die Initiative zu ergreifen, sich lustvoll zu entscheiden zwischen dem Entdecken von Nebenstrecken und geruhsamer Fahrt auf Landstrassen m gleissenden Sonnenlicht fährt der Chrysler Sebring die verlassenen Berner Landstrassen entlang. Der Tacho zeigt 75 Kilometer pro Stunde, das Thermometer 36 Grad. Das Stoffdach ist glühend heiss. Es ist Anfang Juli, und die Strasse gleicht einer Magmazunge, die sich ihren Weg zwischen den fast seltsam anmutend grünen Hügeln hindurch bahnt. « Das ist es », sage ich mir, « das muss die Grand Tour sein. » Obwohl die Route von den Medien fantasielos als « Schweizer Route 66 » bezeichnet wird, hat sie nichts mit ihrer entfernten amerikanischen Verwandten gemeinsam. Einerseits hat die Verbindung Chicago-Los Angeles ursprünglich weder einen touristischen Hintergrund, noch dient sie dazu, das kulturelle Erbe aufzuwerten oder die Begeisterung für die nationalen Landschaften zu wecken. Andererseits ist die Route 66 eine in sich geschlossene Einheit, die klar definiert, auf Landkarten ersichtlich und im Navigationssystem zu finden ist. Die Schweizer Grand Tour hingegen setzt sich aus verschiedenen Routen zusammen, die weder ausgeschildert noch direkt als solche erkennbar sind. Vielmehr ist sie eine Einladung, abseits der Autobahnen die Umgebung zu entdecken, die Natur zu geniessen, die Hügel hinauf und den Suonen entlang zu fahren. Auf der so malerisch. Zahlreiche Fabriken, SortierWebsite findet man nur eine ungefähre Rich- bahnhöfe und Militärfahrzeuge erinnern im tung und zahlreiche interessante Adressen. Es passenden Moment daran, dass die Schweiz ist Aufgabe des Fahrers – egal, ob erfahrener mehr ist als eine Postkarte, ein Urlaubsort, eine Abenteurer oder Sonntagsfahrer –, die Initiati- riesige Schokoladenfabrik. Schweiz Tourismus ve zu ergreifen, die Zügel in die Hand zu neh- wollte mit seiner Grand Tour keine leblose Stamen und zu entscheiden, ob er sich lieber auf tue oder Mumie ausstellen. Die Schweiz, die es Neben- oder Landstrassen verlieren oder sich zu entdecken gilt, ist lebendig und belebt; das an die übersichtlichen Kurven der Kantons- Blut pulsiert in ihren Adern. In dieser Hinsicht strassen halten will. Selbstverantwortung ist findet sich auch etwas vom amerikanischen gefragt. Jeder soll persönliches Engagement Geist in der Grand Tour wieder: Trotz einiger zeigen und sich einbringen. Genau das tue ich. Touristenorte (Hackberry, Oatman) verkam Mehrmals schon habe ich angehalten, um mei- die Route 66 nie zu einer kitschigen Disney ne Karte zu Rate zu ziehen. Ich habe Bern ver- World. Schäbige Wohnwagen, heruntergekomlassen und bin durch das Emmental gefahren, mene Schuppen, verlassene Dörfer und verfaldas einige Überraschungen bereithält. Ich den- lene Diners sind geblieben. Nicht nur in Erfolke dabei an die Lueg-Arena, weit abgelegen, gen, auch in Misserfolgen liegt ein tieferer Sinn. mitten in der Natur, ein Open-Air-Theater mit Dies ist die Erfahrung, welche die Fernfahrer über 200 Plätzen. Aber auch an das Dorf Affol- auf der Achse Chicago-Los Angeles machen. tern, das Mekka des Emmentalers mit unzäh- Und es ist seltsamerweise auch etwas, was man ligen Käsereien, Museen, Restaurants – tou- zwischen Bern und Luzern lernt. ristisch, ohne reisserisch zu sein –, das seine Besucher in die Geheimnisse des wohl symTrotzdem meldet sich die Idylle zurück. Ich bolträchtigsten Produkts der Schweiz einführt. fahre durch Küssnacht. Vorbei an Greppen näIch nähere mich Luzern. Erste katholische here ich mich Weggis und komme immer weiKapellen säumen den Weg. Die Landschaft ter aufs Land hinaus. Ich bin im Haldihof verwird industrieller, die Dörfer sind nicht mehr abredet, einem Bio-Familienbauernhof, der Die Schweiz, die es zu entdecken gilt, ist lebendig und pulsierend; in diesem Sinn findet sich etwas Route 66 in der Schweizer Grand Tour. Finanz und Wirtschaft LU X E | 79 wieder etwas dazugelernt. In unserem Land wird also auch Gin hergestellt, der sogar aussergewöhnlich gut sein kann. Nach einer Stunde spannender Gespräche über Gott und die Welt, Diskussionen über landwirtschaftliche Entwicklung und lautem Lachen steige ich wieder in mein Auto und mache mich auf den Weg nach Weggis. Bruno Muff, Gründer des Haldi Hof, war nicht immer Biobauer. Der ehemalige Programmierer verkaufte sein Unternehmen an Google. Florian Gilges, mit 15 GaultMillau-Punkten dekorierter Chef des Restaurant Sparks in Weggis. Nora Breitschmid, unterm Strohhut. Mit ihren drei Schwestern und den Eltern managet sie das hochdotierte Weingut Sitenrain. aufgrund der Qualität seiner Produkte und der freundlichen Bewirtung in der Region einen besonderen Ruf geniesst. Dort treffe ich mich mit dem Gründer Bruno Muff, einem leicht ergrauten 49-Jährigen mit sympathischem Lächeln und funkelnden Augen. Nicht immer hat er sich mit biologischer Landwirtschaft beschäftigt. Der ehemalige Informatiker hat seine Firma an Google verkauft (seine innovativen Ideen haben die Verfeinerung des Google-Maps-Programms erlaubt). Aber Muff spricht lieber über die Gegenwart. Über die ethischen und die philosophischen Beweggründe, die seinen Bemühungen zugrunde liegen. Über sein ganzheitliches Engagement für seine Lebensmittel ohne Pestizide und Zusatzstoffe. Über die Vielfältigkeit seiner Produktion (hochprozentige Schnäpse, Konfitüren, Senfe, Kosmetika etc.). Und über die freundschaftlichen und solidarischen Beziehungen zwischen den Bio-Produzenten der Region und Luzern. Dann holt er eine quaderförmige Flasche und fordert mich auf, einen Schluck zu nehmen. « Gin ! In der Schweiz ? », rufe ich erstaunt. Er lächelt. « Das ist unsere Spezialität. » Schon 80 | Finanz und Wirtschaft LU X E Ein einmaliger Blick über den Vierwaldstättersee, grüne Hügel, die Drahtseilbahn, schmucke Hotels und Kieselstrände : Ich scheine in einer Postkartenlandschaft gelandet zu sein. Aber man darf sich nicht täuschen lassen. Die Landschaft und nicht die Postkarte ist das Original. Es gab sie vorher, so wie es Beethovens Fünfte Symphonie vor der x-ten Werbung für billige Schuhe gab, die Tragödie vor Racines Gedicht, das nach einem Abendessen rezitiert wird, und das Bild der Mona Lisa vor den Nachdrucken auf Briefmarken oder Postern. Weggis, ein Touristenort par excellence, hat nicht weniger Geschichte oder Tiefe, und es wäre dumm, den Ort unter dem Vorwand zu meiden, alle Welt reise dorthin. An diesem glühend heissen Samstag können auch die sanften Windstösse keine Abhilfe schaffen, und die verschwitzten, aber glücklichen Touristen verschiedener Kulturen, die den Anblick des Wassers, des Himmels und der Berge gierig in sich aufsaugen, versuchen sich zu erfrischen. Familien tummeln sich im See und geniessen das Nass in vollen Zügen. Ich bin weit weg vom Emmental, weit weg von den Kurven und den hügeligen Landschaften. Weggis ist eine Oase. Hier kann man die Seele baumeln lassen und sich erholen. Auch ich profitiere davon. Ich stelle den Chrysler ab, nehme mein Badetuch und gehe zu Fuss zum See. Erfrischt und entspannt komme ich im Hotel Weggis Park an. Die Architektur verbindet Altes mit Neuem (das erste Gebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert, während das jüngste nur ein paar Jahre alt ist), und das an japanische und tibetische Traditionen angelehnte Design ist durchweg gepflegt. Ein ausgezeichneter Service, eine Reihe verschiedener Bars und Restaurants – alle mit eigener Atmosphäre, gleich einer Reise in eine andere Welt – und ein einzigartiges Panorama machen das Hotel einzigartig. Von der Hitze und der Reise erschöpft unterschreibe ich schnell den Papierkram, den mir der Rezeptionist vorlegt, und eile zum Park Grill, um ein Glas amerikanischen Syrah zu kosten. Ich verschmähe die Entrecôtes, Filets und Meeresfrüchte und geniesse eine grillierte Seezunge im Sparks, dem mit unzähligen Gault-Millau- Punkten (15, um genau zu sein) ausgezeichne- wirtschaftszone. Da hat er eben Reben geten Restaurant von Florian Gilges. Die Sonne pflanzt. » Das Weingut Sitenrain trägt also die geht über dem Vierwaldstättersee unter, die Früchte des Zufalls ? Auf gewisse Weise schon. Gäste scheinen versorgt. Und ich bestelle mir Aber Zufall heisst nicht Dilettantismus. Die Familie Breitschmid entstammt einer der ältesten noch etwas Wein. Weinbaudynastien. 2015 wurde ihr Solaris als Am nächsten Tag mache ich mich auf nach bester biologischer Weisswein des Jahres ausMeggen. Zu meiner Rechten erstrecken sich gezeichnet. Nach einer Degustation schliesse die Reben des Weinguts Sitenrain. Ich parke ich mich den Juroren gerne an. Es ist Mittag. inmitten eines mittelgrossen, alten Gebäude- Nora und ihre Schwester haben vor, sich im komplexes, der eine prachtvolle Landschaft See zu erfrischen. Ich mache mich wieder auf überblickt. Nora Breitschmid, 25 Jahre alt, mit den Weg. Zurück in meinem Chrysler sehe einem Strohhut auf dem Kopf, empfängt mich. ich, dass das Thermometer wieder eine ReNora führt den Betrieb mit ihren drei Schwes- kordhöhe erreicht hat. Die Strasse glüht in tern und ihren Eltern und kümmert sich um der Hitze. Und ich fahre. Meine Gedanken alles in Alleinregie : um die Ernte genauso wie schweifen zurück zur Urschweiz, die man um die Werbung (sie hat soeben ihren Bachelor unbeschwert und gelassen verlässt. Hier liein Marketing und Kommunikation abgeschlos- gen unsere Wurzeln. Es sind Wurzeln, die uns sen) und den Verkauf. Das Bild der Schwestern, nähren, nicht solche, die uns erwürgen oder die sich ihren Reben widmen, ist überraschend uns im Boden festhalten. Bruno Muff, Nora und passt nicht zu dem etwas altmodischen Breitschmid und Florian Gilges machen die Eindruck, den man oft von der Innerschweiz Schweiz schöner und gleichzeitig jünger. Ich und den Weinbaubetrieben hat. « Mein Vater drücke aufs Gaspedal. Die Klimaanlage arbeikam eines Tages hier vorbei und fand diesen tet auf Hochtouren. « Die schönsten Reisen wunderschönen Ort. Das Grundstück stand sind die zu seinem Innern », hört man manchzum Verkauf, und er hat es erstanden. » Und mal. Es sind auch diejenigen, die man innerdanach ? « Na ja, es befand sich in der Land- halb seines eigenen Landes unternimmt. | Die Grand Tour of Switzerland ist ein Projekt von Schweiz Tourismus und lädt Sie auf einer Traumstrecke zu den Highlights der Schweiz ein – von Gletschern zu Palmen, von urigen Bergdörfern zu lebendigen Städten, von der rustikalen Unterkunft zum Luxushotel. Die Tour kann in einzelnen Abschnitten oder als Ganzes und mit ganz verschiedenen Verkehrsmitteln bereist werden. Detailinformationen unter www.myswitzerland.com WEITERE ADRESSEN Gasthaus Engel Park Weggis Emmentaler Schaukäserei Restaurant, Boutique, Museum 3416 Affoltern im Emmental Geöffnet von 9 bis 18.30 Uhr Biobauernhof Haldihof Der Hofladen ist den ganzen Tag geöffnet. Online-Verkauf Spezialitäten : Gin, Birne (Brand), Aprikose (Brand), Senf, Konfitüre, Kosmetikprodukte. Famille Muff 6353 Weggis Parkhotel / Park Grill / Restaurant Sparks Hertensteinstrasse 34 6353 Weggis FläckeKafi Sitenrain Famille Breitschmid Spezialitäten : Solaris und Solaris Barrique Sitenstrasse 6 6045 Meggen Sommerhaus Schöne, schattige Terrasse zwischen Burgdorf und Lueg mit einer traumhaften Aussicht auf die Berner Landschaft. Grosse Auswahl an traditionellen Gerichten. Sommerhaus 1 3400 Burgdorf Gasthaus Engel Nach Sonnenuntergang eindeutig die beliebteste Terrasse in Küssnacht. Nach der Fahrt noch ein letztes Bier ! Gute Stimmung inklusive. Hauptplatz 1 6403 Küssnacht am Rigi FläckeKafi Auf dem Luzerner Land erwartet man nicht unbedingt den « besten Burger des Landes » – aber meine Geschmacksnerven sind eindeutig dieser Meinung. Und sie sind sich alle einig! Fläcke 3 6215 Beromünster Finanz und Wirtschaft LU X E | 81 MADE SWISS SCHÖNHEIT | B E A U T Y U N D P F L E G E | von Hans Uli von Erlach WO KLARES GLETSCHERWASSER FLIESST UND GESUNDE ALPENKRÄUTER WACHSEN, DA KANN AUCH SCHÖNHEIT NICHT WEIT SEIN: EINIGE DER LUXURIÖSESTEN BEAUTY-BRANDS KOMMEN AUS DER SCHWEIZ. MIT ECHT SCHWEIZERISCHEN INGREDIENZEN : NATUR, INNOVATION UND SAVOIR-FAIRE. «D ie Schweiz ist reich an natürlichen Ressourcen », sagt Didier Guillon, der zusammen mit seiner Frau das Kosmetikunternehmen Valmont in Montreux führt. Er meint damit unter anderem « das Gletscherwasser mit seinem perfekten Mineraliengehalt, der den Gewebeaustausch und den Stoffwechsel der Zellen fördert ». Die Pflanzen im eigenen Alpengarten, von Ringelblume bis Nessel oder Sonnenhut, steuern das Ihre an Essenzen für die erfolgreichen Produkte bei. Auch Alexandre Flueckiger sagt : « Wir schöpfen unsere Inspiration aus der Natur, sie ist unser Erbe. » Der botanische 82 | Finanz und Wirtschaft LU X E Garten Flore-Alpe in Champex im Wallis, auf fast 1500 M. ü. M., hütet die Geheimnisse pflanzlicher Elixiere, die er für die Pflegelinie Alpeor entschlüsselt hat. Die Walliserin Jacqueline Piotaz liess sich für ihren Kosmetik-Brand von der Sündenfrucht Apfel verführen. Stammzellen von ihm, von Walliser Trauben und von Alpenrosen sind die Basis für die Rezepturen ihrer zwei luxuriösen Anti-Aging-Pflegelinien. Die Produkte von Artemis of Switzerland tragen ihre Herkunft schon im Label-Namen. Für die Natural-Hightech-Männerlinie wirbt man sogar mit Gipfelstürmern, denen die Produkte einen neuen Kick für Höchstleitungen geben. Zum Beispiel mit einem Sauerstoff-Gesichtsbooster, falls die Luft zum Gipfel dünn wird… Auf Schweizer Know-how und Qualität setzt auch Wolfgang Meyer, COO der Skin Concept, mit den Beauty-Linien Swisscode Pure und Swisscode Bionic. Nomen est omen: Für die Fluggesellschaft Swiss hat Swisscode die Pflegeprodukte für Businessclass-Passagiere kreiert. Zum selben Haus gehört auch die biologische Luxuslinie Vetia Floris, deren Name von der guten, alten Helvetia inspiriert ist, sozusagen der ersten Beauty Queen des Landes. | Valmont www.boutiquevalmont.com Swisscode www.swisscode.net Jacqueline Piotaz www.jps-cosmetics.com Alpeor www.alpeor.com Artemis www.artemis-skincare.com von Sarah Jollien Fardel | D U F T N OT I Z E N | A mber, klassischer Baustein von Parfums, verströmt Liebe und die animalische Schönheit des Körpers. Ambre Eccentrico ist der neue, opulente Duft der Armani Privé Collection und unentbehrliches Accessoire des Verführers. Elegant, charmant, exzentrisch, nicht zuckrig, sondern aus den schönen Essenzen bestehend, die ein gutes Parfum ausmachen. Das jüngste Mitglied der Armani Privé Collection ist eine Kreation der Parfumeuse Calice Becker, die Amber, Zimt, Patschuli, Tonkabohnen, Zistrose und Prunol kombiniert hat. Typisch für La Collection der hochelegante, viereckige schwarze Flacon – Kleider machen eben immer noch Leute – mit dem kieselförmigen Verschluss, der an versteinerten Bernstein erinnert. Die Ingredienzen sind einfach, der Duft ist es nur auf den ersten Blick. Tatsächlich ist er wunderbar subtil, wie ein listiger Verführer. Und hat uns inspiriert… EXZENTRISCHE ELEGANZ DANDELYAN London, Hotel Mondrian am Themse-Ufer, das der englische Designer Tom Dixon neu gestaltet hat. Art-déco-Stil, Dandy-Ambiente, extravagante Farben, Leder in Lavendel-, Lodenund Kupfertönen. Mr. Lyon heisst der phänomenale Barkeeper, der für seine Cocktails mit zahllosen Preisen geehrt wurde. Jeden Dienstagabend gibt es Livemusik. Eine Empfehlung, ein Hauch Parfum. That’s it. EIN ORT « TRUE DETECTIVE » STAFFEL 2 EINE Vince Vaugh alias Frank TV-SERIE Semyon ist der Hölle seiner verunglückten Kindheit entflohen und zum Karriereverbrecher aufgestiegen. Ein finsterer Mann, gequält von seiner Vergangenheit, nicht besonders attraktiv, perfekt dafür der dunkle Anzug, das Hemd korrekt geöffnet. Der Bösewicht könnte auch den Banker geben. Oder den Frauenhelden, dabei liebt er nur die eine. Sein ultimatives Accessoire : ein italienisches Parfum. Di gran classe ! LEDER Amber und Leder sind ein ebenso perfektes wie verwirrendes Duo. Griff, Patina, Düfte und Gefühle. Es könnte ein abgenutzter Clubsessel sein, Zeuge wilder Nächte mit viel Alkohol und Zigarren. Oder der Lounge Chair von Charles & Ray Eames, seit Jahren Dauerbrenner, von Vitra wieder neu interpretiert und stets aktuell. Ambre Eccentrico, ein bissEIN MATERIAL chen versnobt, ein bisschen elitär. Vielleicht ist es auch ein dunkelbrauner Blouson, der in gewissen Momenten unglaublich aufregend duftet. « STILLES CHAOS » VON SANDRO VERONESI Pietro Paladini ist ein junger italienischer Witwer, der die Trauerzeit im Park vor der Schule seiner Tochter verbringt. Er besitzt die Lässigkeit des Erfolgreichen. Auf der Parkbank und im Luxuswagen vertrauen ihm Menschen ihre Geschichten an. Ein Hauch Ambre Eccentrico würde bestens zu ihm passen, vor allem im Kapitel mit der heftigen, meisterhaft beschriebenen Erotikszene, die erkennen lässt, dass Schmerz und Sex sich weder um Stand noch um Herkunft kümmern. EIN BUCH Finanz und Wirtschaft LU X E | 83 | A U TO | von Jorge S.B. Guerreiro IM RENNTEMPO DER AUTORENNSPORT IST TRADITIONELL AUCH DAS LABOR FÜR DEN BAU KÜNFTIGER SERIENFAHRZEUGE. WELCHES SIND DIE TECHNOLOGISCHEN ERRUNGENSCHAFTEN DER DREI WICHTIGSTEN DISZIPLINEN FORMEL 1, ENDURANCE UND FORMEL E? UND WERDEN WIR SIE VIELLEICHT BALD IN UNSEREN FAHRZEUGEN WIEDERFINDEN ? T eams und Konstrukteure von RennboIronischerweise muss der Erfindergeist tion von Verbrennungsmotor und Elektroliden sind stets auf der Suche nach im- der Rennstall-Ingenieure laufend durch motor, die, 1997 lanciert, seit 2009 auch auf mer gewagteren Lösungen. Da diese nur neue Reglemente gebändigt werden. Denn die Formel 1 adaptiert wurde. ein Rennen lang halten müssen, können sie sonst würde sich die Leistung der MaschiSehr viel Geld und die Reputation der viel schneller umgesetzt werden, als dies in nen exponentiell vergrössern – zulasten Rennställe stehen auf dem Spiel, weshalb der Serienkonstruktion möglich wäre. Auch des « Schwachpunktes » Mensch, des Pilo- die Autobauer ständig versuchen, sich geunterscheiden sich die Ziele: Im ersten Fall ten. Faktisch ist der technologische Input genseitig zu übertrumpfen und ihre Innogeht es vor allem um Performance, im zwei- des Rennsports im serienmässigen Automo- vationen streng geheim halten. Wir lüften bilbau massiv zurückgegangen. Man beob- die Geheimnisse mit einer Übersicht über ten um Zuverlässigkeit und Sicherheit. Scheibenbremsen, Direkteinspritzung, achtet heute vielmehr den gegenteiligen Technologien, die für den Autorennsport aktive Aufhängung, Traktionskontrolle – die Trend, indem Technologien, die für Perso- konzipiert wurden und eines Tages für den Liste der Erfindungen, die für Rennautos nenwagen entwickelt wurden, nun auch im Personenwagenbau interessant sein könngedacht und später für Personenfahrzeuge Rennwagenbau Anwendung finden. Zum ten. Ausgangspunkt sind Formel 1, Formel angewendet wurden, ist fast endlos. Beispiel das Hybridsystem, die Kombina- E und Endurance. FORMULE E LÄRM Während der Benzinmotor eines F1-Fahrzeugs mit über 15 000 U/min einen Lärm von bis 140 Dezibel verursacht, was dem eines startenden Flugzeugs entspricht, übersteigt die Lärmbelastung eines Formel E nie 80 dB. Adaptiert auf Personenfahrzeuge könnte sich dieser Vorteil allerdings zum Nachteil oder gar zu einer Gefahr entwickeln, da die Fussgänger beim Überqueren der Strasse vielfach ihrem Gehör vertrauen und ein heranfahrendes Auto nicht hören könnten. 84 | Finanz und Wirtschaft LU X E ELEKTROMOTOR Das grösste Entwicklungspotenzial der Formel E liegt zweifellos im Antriebsstrang. Ziel ist es, die Effizienz bzw. die Kapazität zu erhöhen, das heisst, das Maximum der in der Batterie gespeicherten Energie auf die Strasse zu bringen, indem die Leistung optimiert und der Energieverlust (Reibung, Wärme usw.) reduziert werden kann. Die Effizienz liegt heute bereits bei 90 %. In der Formel E wird nun das Unmögliche in Angriff genommen : 100% der gespeicherten Energie auf die Strasse zu bringen, indem sehr kompakte und leichte Motoren gebaut werden. Ein Trumpf für die künftigen, serienmässig gebauten Autos. BATTERIE In der Formel E ist es mit den heutigen LithiumBatterien noch nicht möglich, eine ganze GrandPrix-Strecke zu absolvieren, weshalb die Piloten bei Halbzeit das Gefährt wechseln müssen. Williams Advances Engineering, eine Filiale des Williams-Rennstalls, arbeitet simultan an Grösse, Gewicht, Ladedauer und Kühlsystem und hat sich zum Ziel gesetzt, in spätestens fünf Jahren eine bessere Batterieleistung zu erreichen. Dann sollte es möglich sein, ein ganzes Rennen mit einem einzigen Fahrzeug zu bestreiten. Die Optimierung von Autonomie und Ladezeiten der Batterien wird schlussendlich auch darüber entscheiden, ob Elektrofahrzeuge sich im Privatbereich durchsetzen können. F1 – FERRARI SF15-T HYBRID Seit 2009 sind die Formel-1-Wagen auch hybrid, das heisst, sie sind mit einem Benzin- und einem Elektromotor ausgerüstet. Wie bei den Personenwagen bezieht der Elektromotor den Antrieb aus der Rückgewinnung der kinetischen Energie, die während des Bremsvorgangs entsteht (Wärme und Reibung). Neu gibt es eine zweite Kraftquelle für den Motor, einen Generator nämlich, der einen Teil der Energie vom Auspuff und von der Trägheit des Turbos, dessen Drehgeschwindigkeit 100 000 U/min erreicht, bezieht. PORSCHE 919 HYBRID ENDURANCE PNEU AERODYNAMISCH Weil Aerodynamik für geringeren Treibstoffverbrauch und verbesserte Strassenhaftung sorgt, ist sie in der Formel 1 permanentes Forschungsthema. Die verbesserte Fahrzeugströmung ermöglichte den vollständigen Verzicht auf hervortretende Spoiler, die bei Hochgeschwindigkeit für Bodenhaftung sorgen. Dank innovativer Aerodynamik des Unterbodens konnten der Negativauftrieb erhöht und die Spur reduziert werden. In Zukunft wird es die bessere Nutzung des Coanda-Effekts erlauben, die Heissluftströme aus den Auspüffen für optimale Strassenhaftung zu nutzen. SICHERHEIT Endurance-Fahrzeuge bestehen aus einem Monoblock aus KohlenstofffaserVerbundwerkstoff, der den Piloten schützt. Dieser Block wird teilweise mit Platten verstärkt, die aus ähnlichem Material hergestellt sind wie kugelsichere Westen, aus Zylon. Das ultrafeine, leichte Material ist ein Produkt aus der Militärforschung. Zwar erhöht es nicht die Rigidität des Fahrzeugs, verhindert aber, das beim Zusammenprall mechanische oder andere Teile ins Cockpit eindringen. 3-D-PRINT Unter den Autoherstellern, die an EnduranceRennen teilnehmen, wenden Audi, Nissan und natürlich Porsche 3-D-Drucktechnnologie an. Der Effizienzgewinn ist enorm, da die Ingenieure mit CAD-Software Teile konzipieren, die direkt in die Endproduktion gehen. Elemente der Aufhängung, Carters und andere nicht strukturelle Teile werden bereits auf diese Weise hergestellt. Porsche geht schon weiter und plant die Produktion von Teilen von Chassis, Karosserie und Motor mit 3-D-Technologie. Zurzeit erlauben die hohen Produktionskosten nur kleine Quantitäten. Längerfristig sind aber Produktionsgewinne und die Möglichkeiten für die Individualisierung von Serienfahrzeugen auch für die grossen Automobilhersteller ein unumgängliches Thema. Reifen sind der einzige physische Kontakt zwischen Fahrzeug und Boden, und sie haben in Bezug auf Optimierung Priorität. Aber es ist die Quadratur des Kreises : je weicher der Reifen, desto besser seine Bodenhaftung, aber desto schneller auch der Verschleiss. Eine Problematik, die Renn- und Personenwagen gleichermassen kennen. Pirelli, Ausrüster der Formel-1-Meisterschaft, hat das Konzept Supersoft entwickelt, das Wärme und Energie effizienter auf die Reifenoberfläche abgibt und so deren Lebensdauer verlängert. Der stärkere Druck auf die Kontaktzone wirkt sich zudem günstig auf die Haftung aus. Finanz und Wirtschaft LU X E | 85 | LU X E D I G I TA L | von Jorge S. B. Guerreiro Z ZEGNA ICON WARMER Für kommende Saison hat das Haus Zegna die innovative Icon Warmer vorgestellt. Die Jacke hält dank verschweisster Nähte und eines ins Rückenteil integrierten Systems aus aufheizbaren Elementen, das über einen kleinen Knopf in der Innentasche aktiviert wird, wunderbar automatisch warm. Sobald die Anzeige aufleuchtet, heizt die Jacke innerhalb einer Minute auf 29o. Zum Aufladen der integrierten Batterie wird das Kleidungsstück einfach mit dem mitgelieferten kabellosen Ladegerät verbunden. Sieben Stunden kuschelige Wärme sind garantiert. www.zegna.com D I G I L U X E CHAMPAGNE KRUG ID Die renommierte Champagnermarke Krug betritt mit ihrer Mobile App Krug ID Neuland in Sachen Rückverfolgbarkeit. Das Kontrolletikett der Flaschen ist auf der Rückseite mit einem sechsstelligen Identifikationscode versehen, der über eine App mehr über die Herstellung des Champagners verrät. Éric Lebel, der Direktor des Weinkellers, gewährt Einblick in seine berühmten Notizbücher, die Auskunft über die Feinheiten der jeweiligen Assemblage, die Einflüsse des Wetters und die verschiedenen Höhepunkte der Cuvée geben. Mit der Krug ID können Sie zudem Ihren eigenen Champagnerkeller organisieren. www.krug.com DIOR EYES Hinter den Kulissen einer Modeschau Mäuschen spielen, bei der Vorbereitung der Models mithelfen, die Geheimnisse der Kollektionen eines Haute-Couture-Hauses entdecken : Das möchte Dior den Kunden mit einem Virtual-Reality-Helm ermöglichen. Die in Zusammenarbeit mit der Agentur DigitasLBi Frankreich entwickelte Haube hat eine Bildauflösung von 2k auf einem Gesichtsfeld von fast 100o und ist mit einem binauralen System ausgestattet, das einen dreidimensionalen Klangraum entstehen lässt. Ein einmaliges Erlebnis, das Dior in ausgewählten Boutiquen anbietet. www.dior.com SMARTE FLASCHEN VON JOHNNIE WALKER An dieser Whiskyflasche werden Sie bestimmt hängen bleiben : Die von Johnnie Walker entwickelte Flasche kann personalisierte Nachrichten verschicken. Das Etikett ist mit einem kontaktlosen NFC-Empfänger versehen und sendet Empfehlungen für einen verantwortungsvollen Konsum, Cocktailvorschläge und Informationen zu Aktionen auf das Smartphone des Käufers. Der Besitzer der Flasche kann sogar nachsehen, ob sich jemand heimlich an der Flasche bedient hat oder ob sie seit dem letzten Gebrauch verschlossen geblieben ist… Wer hat hier gepetzt ? www.johnniewalker.com DAS HERMÈS MANIFEST Vierzehn Jahre nach der Aufschaltung der Seite Hermès.com lanciert der wohl modischste Lederwarenhersteller eine ganz neue Plattform nur für Männer mit dem Namen LeMANifeste. Prêt-à-porter, Schuhe, Lederwaren, Krawatten: Auf spielerische Weise wird auf der Seite das gesamte Herrenuniversum von Hermès präsentiert, um sich, laut Chefdesignerin Véronique Nichanian, von den üblichen Einkaufslisten, To-do-Rankings und anderen Hitparaden abzuheben und den Alltag der Männer besser zu organisieren. MANifest präsentiert mehrmals monatlich neue Listen, bietet einen Zugang zum E-Shop und eignet sich für alle Medien (Smartphones, Tablets, Computer). www.lemanifestedhermes.com 86 | Finanz und Wirtschaft LU X E MP05-LaFerrari. Eine außergewöhnliche Uhr. Eine technische Bestleistung. Gangreserve von 50 Tagen und ein mit Ferrari gemeinsam entwickeltes High-Tech Design. Auf 20 Exemplare limitierte Serie. BOUTIQUES LUZERN • ZURICH hublot.com