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MORO – Forschungsvorhaben: Sicherung der Daseinsvorsorge und Zentrale Orte Konzepte – gesellschaftspolitische Ziele und räumliche Organisation in der Diskussion Im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Sonderexpertise: Postwesen Arge Prof. Winkel Stefan Greiving Wiesbaden 2008 Sonderexpertise: Postwesen Sonderexpertise: Postwesen 1 1. Einordnung der Universaldienstleistungen in die Daseinsvorsorge 3 2. Allgemeine Einführung zur Privatisierung 4 3. Charakterisierung der Universaldienstleistung Postwesen 5 4. Analyse von entsprechenden Regelungsstrukturen und deren Inhalte bzw. der Instrumente zur Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge 7 4.1 4.2 4.3 EU-Rechtsvorschriften für den Postsektor Nationale Rechtsvorschriften für den Postsektor Absehbare zukünftige Entwicklung der rechtlichen Regelungen auf dem Postmarkt 5. Akteure und ihre Interessen im Bereich des Postwesens 18 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Die Bundesnetzagentur Die Deutsche Post AG Wettbewerber der DP AG Lobbyorganisationen Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) 18 19 19 21 22 6. Die räumliche Dimension der Bereitstellung von Leistungen und Angeboten des Postwesens 23 6.1 6.2 6.3 6.4 Rechtliche Grundlagen Vertriebsformen der DP AG Räumliche Verteilung der stationären Einrichtungen in der Fläche Bewertung 7. Abbildungsverzeichnis 35 8. Literatur 36 7 11 14 23 25 26 30 Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 2 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen 1. Einordnung der Universaldienstleistungen in die Daseinsvorsorge Die Sicherung der Daseinsvorsorge kann als zwingende Voraussetzung für die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse angesehen werden. Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ergibt sich bereits aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 sowie dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Auf diese Weise soll allen Bürgern die gleiche Chance zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit gegeben werden. Auch mit Artikel 16 des EG-Vertrages wurde im Jahr 1997 klar gestellt, dass es Bereiche nichthoheitlicher Leistungserstellung gibt, die jenseits des marktwirtschaftlichen Steuerungssystems liegen. Da diese Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und für den territorialen und sozialen Zusammenhalt der Menschen von Bedeutung sind, haben die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass diese Dienste funktionieren. Das Weißbuch der EU-Kommission zur Daseinsvorsorge (EU Kommission 2004) stellt klar, dass es unabhängig von der Leistungserbringung durch öffentliche oder private Akteure Aufgabe staatlicher Behörden sei, dafür Sorge zu tragen, dass Dienstleistungen von allgemeinem Interesse tatsächlich erbracht werden. Der Begriff „gleichwertige Lebensverhältnisse“ findet sich auf der Ebene des Bundesverfassungsrechts zudem explizit in Art. 72 Abs. 2 GG. Hier ist diese Bestimmung Teil einer Regelung über die konkurrierende Gesetzgebung und soll zum Ausdruck bringen, dass zentralstaatliche Regulierung nur zulässig ist, wenn vorhandene Ungleichwertigkeit sie „erforderlich macht“. Im Raumordnungsrecht (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 ROG) werden die gleichwertigen Lebensverhältnisse dagegen zur aktiven Handlungsanweisung, indem sie „in allen Teilräumen herzustellen“ sind. Nun ist es verfassungsrechtlich unstrittig, dass diese Standards nicht für alle Ewigkeit bestehen, sondern immer vor dem Hintergrund der Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft, aber auch den bestehenden Versorgungsmöglichkeiten (z. B. über das Internet) zu sehen sind. Insofern ist „Gleichwertigkeit“ kein statischer, sondern ein dynamischer Begriff. Im Jahre 2002 hat der 2. Senat des BverfG zum Altenpflegegesetz befunden, dass die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes (und nur um sie geht es eigentlich in Art. 72 Abs. 2 GG) nur greift, wenn sich die Lebensverhältnisse zwischen den Bundesländern so gravierend auseinander entwickelt haben, dass das bundesstaatliche Sozialgefüge erheblich beeinträchtigt wird oder sich eine solche Entwicklung konkret abzeichnet (vgl. Kersten 2006a). Es dürfte also davon auszugehen sein, dass das Bundesraumordnungsrecht die Herstellung und Aufrechterhaltung „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ als Leitbild der Raumordnung und der Strukturförderung verpflichtend vorschreibt, aber dem Landesgesetzgeber und der Landesplanung einen weiten Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zubilligt. Der Landesplanung kommt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, einerseits sicherzustellen, dass die kommunalen Gebietskörperschaften ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten zur Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben haben, und zwar auf der jeweils ihnen zugewiesenen Zentralitätsstufe in dem durch diese Zentralitätsstufe festgelegten Umfang. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 3 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Gleichzeitig erwächst aus dem Sozialstaatsprinzip auch die Verpflichtung, hinlänglich leistungsfähige Verwaltungen zur Erbringung von örtlichen Daseinsvorsorgeleistungen zu unterhalten. Sind Kommunen hierzu nicht in der Lage, kann eine Neuordnung bestehender territorialer Zuständigkeiten gerechtfertigt sein (Gebietsreform). Es besteht aber kein Anspruch auf „gleichartige“ Versorgung mit Gütern, Dienstleistungen und Arbeitsplätzen (was die Raumordnung auch gar nicht leisten könnte). Vielmehr können für Regionen mit sehr geringem Bevölkerungspotential und reduzierter Nachfrage auch temporäre, mobile und flexible Infrastruktur-Versorgungsmodelle berücksichtigt werden (vgl. BBR 2006, S. 14; Blotevogel 2006, S. 16, Hahne 2005, S. 262). Räumliche Bezugsgröße des ROG sind für die Beurteilung der Gleichwertigkeit die Teilräume im Sinne der Verflechtungsbereiche zentraler Orte oberster Stufe (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 ROG) und nicht etwa jeder Punkt bzw. jede Gemeinde in diesem Teilraum (so auch Runkel, § 1 Rn. 83). Gleichwertigkeit bezieht sich auf alle Lebensbereiche und damit zu verbindende gesellschaftliche (Mindest-)Standards etwa für soziale Infrastruktur. Diese können gerade in dünn besiedelten Räumen auch in anderer Form angeboten werden (so ausdrücklich auch Runkel, § 1 Rn. 86). Dabei stellt sich natürlich die Frage, wer diese Leistungen anbietet und wie im Falle der Erbringung durch Private die Aufgabenerfüllung sichergestellt wird, um die gesellschaftlich definierten Standards zu gewährleisten. Dazu ist neben dem ROG und den Landesplanungsgesetzen der Länder für den jeweiligen Daseinsvorsorgebereich auch die fachgesetzliche Ebene zu berücksichtigen. Im Folgenden werden diese Fragestellungen am Beispiel zweier gänzlich unterschiedlicher, aber gleichwohl bedeutsamer Bereiche der Daseinsvorsorge untersucht: Dem Gesundheits- und dem Postwesen. Während im Postbereich eine ehedem komplett in staatlicher Aufgabenwahrnehmung befindlicher Bereich (Deutsche Bundespost) funktional privatisiert worden ist, war und ist das Gesundheitswesen schon immer durch ein Nebeneinander staatlicher, kommunaler, konfessionsgebundener und privater Träger im stationären Bereich geprägt gewesen. Der ambulante Bereich wird von freiberuflich Tätigen dominiert. 2. Allgemeine Einführung zur Privatisierung Mit der Entscheidung, bestimmte Teilfunktionen auf Private zu übertragen, verbindet sich für den Staat die Pflicht, für die Einhaltung der teilweise fortbestehenden rechtlichen Bindungen und insbesondere für eine erfolgreiche Aufgabenerledigung im Interesse des Gemeinwohls Sorge zu tragen. An die Stelle des klassischen Ordnungs- und des Leistungsrechts ist somit das Gewährleistungsrecht getreten, mithin dasjenige Recht, das die Tätigkeit der Verwaltung als „Ausschreibungsverwaltung“ reglementiert (vgl. Burgi 2007, S. 7). Rechtswissenschaftlich gesehen existiert dabei kein einheitlicher Privatisierungsbegriff. Gleichwohl wird gemeinhin zwischen einer formellen und materiellen Privatisierung unterschieden (vgl. Janssen 2000, S. 53). Formelle Privatisierung wird auch als Organisationsprivatisierung bezeichnet. Dabei bedient sich der Verwaltungsträger zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der Formen des Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 4 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen Privatrechts, d. h. es wird eine Eigengesellschaft gebildet. Dies ist im Rahmen der zweiten Postreform 1995 vollzogen worden und faktisch bis heute Stand der Dinge, da der Bund weiterhin einen Teil der Aktien der DP AG hält. Materielle Privatisierung meint eine Aufgabenverlagerung auf Private und wird auch als Aufgabenprivatisierung bezeichnet. Dabei trennen sich Hoheitsträger von bestimmten Aufgaben. Dies ist im Postwesen genau genommen nicht der Fall, da lediglich privaten Wettbewerbern schrittweise seit 1989 der Marktzugang zusätzlich zur DP AG ermöglicht worden ist. Als vollständige materielle Privatisierung wird der komplette Rückzug des Staates aus einer Aufgabe angesehen. Dies ist derzeit und auch zukünftig im Bereich des Postwesens nicht zutreffend, da zwar nicht die Aufgabendurchführung (erfolgt durch Private), sehr wohl aber die Aufgabenverantwortung weiterhin zu den Staatsaufgaben gehört (Art. 87 f GG) und der Markt bzw. die Aufgabendurchführung über die Bundesnetzagentur überwacht bleibt. Diese Konstruktion stellt im rechtlichen Sinne eine Unterform der materiellen Privatisierung dar, die als „funktionale Privatisierung“ bekannt ist (Janssen 2000, S. 54). 3. Charakterisierung der Universaldienstleistung Postwesen Postdienstleistungen werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die Deutsche Post AG und andere private Anbieter erbracht (Art. 87f Abs. 2 Grundgesetz). Dennoch besteht ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine flächendeckende angemessene und ausreichende Dienstleistung, der sich aus dem Gewährleistungsauftrag des Art. 87f GG ergibt. Die wirtschaftliche Betätigung privater Anbieter ist Ausdruck grundrechtlicher Freiheitsausübung (Art. 12 GG, Berufs- und Gewerbefreiheit). Danach ist grundsätzlich jedermann berechtigt, Postdienstleistungen am Markt anzubieten. Für das Erbringen bestimmter Postdienstleistungen ist nach dem Postgesetz eine Erlaubnis (Lizenz) erforderlich (Erlaubnisvorbehalt). Auf die Erteilung einer Lizenz besteht ein Rechtsanspruch, sofern die Lizenzierungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Anzahl der Lizenzen ist nicht beschränkt. Eine Lizenz benötigt grundsätzlich, wer Briefsendungen - das sind adressierte schriftliche Mitteilungen - bis 1000 Gramm gewerbsmäßig für andere befördert, d.h. einsammelt, weiterleitet oder ausliefert (Lizenzpflicht). Postdienstleistungen stellen in Deutschland derzeit einen Markt von mehr als 23 Milliarden Euro dar (vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 114). Auf dem Postmarkt gab es bereits vor Inkrafttreten des jetzigen Postgesetzes Wettbewerb. Allein der Markt für Kurier-, Expressund Paketdienste, der so genannte KEP-Markt, umfasste 1997 bereits über acht Milliarden Euro. Mit dem Postgesetz ist 1999 der Wettbewerbsbereich ausgeweitet worden (Zulassung neuer Lizenznehmer) und beträgt im Jahr 2006 bereits mehr als 75% des gesamten Postmarktes. Die Überführung des gesamten Postmarkts in den Wettbewerb ist im Postgesetz bereits vorgezeichnet: Die gesetzliche Exklusivlizenz der Deutschen Post AG für bestimmte Postdienstleistungen ist bis zum 31.12.2007 befristet (vgl. auch Kap. 4.2). Mit Blick auf die Neunte Marktbeobachtung für den Bereich der lizenzpflichtigen Postdienstleistungen (vgl. Bundesnetzagentur 2006) wird schnell die zunehmende Bedeutung der Wettbewerber der Deutschen Post AG deutlich: Während ihr Anteil an der Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 5 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Gesamtsendungsmenge auf der Exklusivlizenz der DPAG für Sendungen unter 50g bzw. unter 50 Stück im Jahr 2005 6,7% betrug, war der Marktanteil der Gesamtsendungsmenge dann 2006 bereits auf 9,3% gestiegen (vgl. Bundesnetzagentur 2007). Im Ergebnis der Zehnten Marktbeobachtung sind für das Jahr 2007 12,7% Marktanteil zu verzeichnen (vgl. Bundesnetzagentur 2008). Demgegenüber bemaß sich die Bedeutung der Wettbewerber im nichtregulierten Wettbewerbsbereich auf 27,4% in 2005 und 32% in 2006 (gegenüber 22,8% in 2004). Im Jahr 2008 ist aufgrund des Auslaufens der Exklusivlizenz ein weiterer Anstieg der Bedeutung der Wettbewerber zu erwarten, aber kurz- bis mittelfristig kein auf ein mit dem bereits vor 2008 geöffneten Wettbewerbsbereichen vergleichbares Niveau (vgl. Bundesnetzagentur 2007a, S. 48). Die Folgen für die Gewährleistung der Daseinsvorsorge sind kaum abzusehen, aber aufgrund der Dynamik der Entwicklung dringend untersuchenswert. Immerhin gibt die Bundesnetzagentur an, dass mittlerweile flächendeckend Lizenzen für Briefdienstleistungen vergeben worden seien und die Lizenzdichte auch in strukturschwachen Regionen insbesondere in den neuen Bundesländern eine Versorgung mit alternativen Anbietern gewährleiste (vgl. Bundesnetzagentur 2007a, S. 46). Konkrete Zahlen über die aktuelle Entwicklung im laufenden Jahr 2008 liegen aber noch nicht vor. Im Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Kostensstruktur kann gesagt werden, dass ein Großteil der Kosten (69%) für die Erbringung zentraler Universaldienstleistungen wie dem Briefmarkt im Rahmen der Zustellung anfallen, gegenüber 17% bei der Sortierung und lediglich 13% für die Einsammlung (vgl. Kruse/Liebe 2005, S. 23). Ersterer Wert liegt weit über dem europäischen Durchschnitt von knapp 50%. Da die Zustellkosten in Deutschland ohnehin der dominierende Kostenfaktor sind, ist die abnehmende Haushaltsdichte in ländlichen Räumen besonders kostenträchtig. Zwar liegen für Deutschland keine empirisch belastbaren Studien vor, doch sind die für andere Länder ermittelten Werte bei gleicher Bevölkerungsdichte als übertragbar anzusehen. Demnach ist für dünn besiedelte Räume eine Kostenelastizität von 0,29 gegeben (d. h. bei einer Verdoppelung des Sendungsvolumens würden die Kosten nur um 29% steigen, während der Wert für urbane Räume 0,57 beträgt) (vgl. Kruse/Liebe 2005, S. 23). Eine andere Studie im Auftrag der EU-Kommission hat für die alten EU-Länder im Durchschnitt 6,4% höhere Kosten bei 10% mehr Volumen ermittelt (vgl. Dodgson/Rodriguez et al. 2004, S. 121-134). Umgekehrt erhöhen sich bei einem Bevölkerungsrückgang um 10% die Kosten pro Brief um 6,7% (vgl. Kruse/Liebe 2004, S. 38), was die grundsätzliche Problematik der Leistungserbringung in schrumpfenden Räumen verdeutlicht. Nicht zuletzt aufgrund der höheren Fixkosten ergeben sich in ländlichen Gebieten daher Verbundvorteile zwischen der Briefeinsammlung und der Zustellung sowie zwischen der Brief- und Paketzustellung. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 6 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen 4. Analyse von entsprechenden Regelungsstrukturen und deren Inhalte bzw. der Instrumente zur Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge 4.1 EU-Rechtsvorschriften für den Postsektor Die Liberalisierung der Postdienste hat auf europäischer Ebene erst im Jahr 1997 mit der Verabschiedung der EG-Richtlinie 97/67/EG begonnen. Zur Begründung der Regulierungsnotwendigkeit führte die Kommission Artikel 7a des EG-Vertrags an. Demnach sind Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes zu treffen. Dieser Markt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Außerdem sei die Verwirklichung des Binnenmarktes im Postsektor für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft von großer Bedeutung, da die Postdienste ein wichtiges Instrument für Kommunikation und Handel sind. Die Ungleichgewichte im Postsektor wirkten sich nachhaltig auch auf Sektoren aus, die besonders von den Postdiensten abhängen, und hemmten den Fortschritt im Hinblick auf den inneren Zusammenhalt der Gemeinschaft, da Regionen mit Postdiensten von nicht hinreichender Qualität sowohl bei den Brief- als auch bei den Warensendungen benachteiligt sind. Daher wurden Maßnahmen zur schrittweisen und kontrollierten Liberalisierung des Marktes und zur Wahrung eines angemessenen Gleichgewichts bei deren Durchführung für notwendig erachtet, um gemeinschaftsweit das freie Angebot von Diensten im Postsektor unter Beachtung der Pflichten und Rechte der Anbieter von Universaldienstleistungen zu gewährleisten. In Folge dessen wurde mit der o. g. Richtlinie auf Gemeinschaftsebene die Harmonisierung der Rahmenbedingungen im Postsektor vorangetrieben. Gleichzeitig hatte die EG aber mit Art. 3 der Richtlinie klargestellt, dass es notwendig sei, auf Gemeinschaftsebene einen Universaldienst zu gewährleisten, der ein Mindestangebot an Diensten einer bestimmten Qualität umfasst, die in allen Mitgliedstaaten allen Nutzern zu tragbaren Preisen unabhängig von ihrem Standort in der Gemeinschaft zur Verfügung stehen. Dabei legt Art. 3 Abs. 2 fest, dass die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass „die Dichte der Abhol- und Zugangspunkte den Bedürfnissen der Nutzer entspricht“. Zudem ist nach Abs. 3 durch den oder die nationalen Universaldienstleister an allen Arbeitstagen (mindestens fünf Tage pro Woche) eine Abholung und eine Zustellung zu gewährleisten. Bezogen auf die Universaldienstqualität legt die Richtlinie 97/67/EG Mindestvorgaben fest. In Artikel 16 verpflichten sich die Mitgliedstaaten, im Interesse eines hochwertigen Postdienstes für den Universaldienst Qualitätsnormen festzulegen und zu veröffentlichen. Diese Qualitätsnormen beziehen sich insbesondere auf die Laufzeiten, die Regelmäßigkeit und die Zuverlässigkeit der Dienste. Damit soll gewährleistet werden, dass der Universaldienst vom nationalen Dienstleister in einer bestimmten Qualität erbracht werden muss. Es ist den Mitgliedstaaten überlassen, darüber hinausgehende Normen für weitere Qualitätsmerkmale festzulegen. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 7 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Für die grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Postdienste legen der Rat und das Europäische Parlament die Normen fest. Diese sind im Anhang zur Richtlinie aufgeführt. Diejenigen Normen, die sich auf die Inlandsdienste beziehen, werden von den Mitgliedstaaten definiert (vgl. Kap. 4.2). Für die grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Postdienste für Standardsendungen der schnellsten Kategorie bestehen folgende Laufzeitziele: • 85 % der Sendungen müssen innerhalb von drei Tagen nach Einlieferung (D+3) zugestellt werden • 97 % der Sendungen innerhalb von fünf Tagen (D+5). Ziel des Universaldienstes ist es, allen Nutzern einen leichten Zugang zum Postnetz zu ermöglichen, indem ihnen insbesondere eine ausreichende Anzahl fester Zugangspunkte und zufrieden stellende Bedingungen hinsichtlich der Häufigkeit der Abholung und Zustellung geboten werden. Der Universaldienst muss ferner die Grundanforderung des ununterbrochenen Betriebs erfüllen. In diesem Zusammenhang wurde in Erwägungsgrund 16 festgehalten, dass die Beibehaltung bestimmter reservierbarer Dienste unter Einhaltung der Bestimmungen des Vertrags und unbeschadet der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften gerechtfertigt erscheine, um das Funktionieren des Universaldienstes unter finanziell ausgewogenen Bedingungen zu gewährleisten. Dies kann als Rechtfertigungsgrundlage für die Exklusivlizenz angesehen werden, die der DPAG als dem in Deutschland zurzeit einzigen Universaldienstleister zugestanden worden ist. Außerdem wurden die Dienstleistungen („nicht reservierten Dienste“) definiert, die neben einem existierenden Universaldienstleister (z.B. Deutsche Post) von privaten Konkurrenten erbracht werden dürfen, ohne dabei den besonderen Gemeinwohlverpflichtungen zu unterliegen (d. h. alles, was nicht in der Positivliste des Art. 3 genannt wird, so z.B. Briefdienste ausschließlich innerhalb von Großstädten). Am 10. Juni 2002 haben das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 2002/39/EG förmlich verabschiedet, durch die die ursprüngliche Postrichtlinie (97/67/EG) geändert wurde; die Änderungen betreffen die weitere Vorgehensweise zur schrittweisen, kontrollierten Marktöffnung, ferner die weitere Einschränkung reservierter Bereiche. Entsprechend der neuen Richtlinie konnten die Mitgliedstaaten lediglich noch die folgenden Briefsendungen vom Wettbewerb ausschließen: • ab 1. Januar 2003 Briefsendungen bis 100 Gramm, deren Preis unter dem Dreifachen des Standardtarifs liegt (dies entspricht einer geschätzten Marktöffnung von 9 %); • ab 1. Januar 2006 Briefsendungen bis 50 Gramm, deren Preis unter dem Zweieinhalbfachen des Standardtarifs liegt (dies entspricht einer zusätzlichen geschätzten Marktöffnung von 7 %). Des Weiteren ist die gesamte abgehende grenzüberschreitende Post seit dem 1. Januar 2003 für den Wettbewerb geöffnet, was einer zusätzlichen Marktöffnung von 3 % des Gesamtmarktes entspricht. Ausnahmen hiervon sind dort möglich, wo sie zur Aufrechterhaltung des Universaldienstes erforderlich sind, also beispielsweise, wenn die Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 8 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen Einnahmen aus dem grenzüberschreitenden Postverkehr notwendig sind, um den Universaldienst im Bereich der Inlandssendungen zu finanzieren, oder wo die nationalen Postdienste eines Mitgliedstaates Besonderheiten aufweisen. In der Änderungsrichtlinie wurde darüber hinaus der 1. Januar 2009 als provisorisches Datum für die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste genannt. Dieser Termin muss allerdings noch im so genannten Mitentscheidungsverfahren durch das Europäische Parlament und den Rat bestätigt (oder geändert) werden. Gemäß der Richtlinie muss die Kommission einen diesbezüglichen Vorschlag unterbreiten, und zwar auf Grundlage einer Studie, die die Auswirkungen der weiteren Marktöffnung auf die Universaldienste der einzelnen Mitgliedstaaten bewertet. Die Kommission muss gleichzeitig das Europäische Parlament und den Rat über die Entwicklung des Binnenmarktes für Postdienste auf dem Laufenden halten. In der Praxis erfolgt dies alle zwei Jahre durch einen Bericht über die Anwendung der Postrichtlinie, worin die Kommission insbesondere auf die wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Entwicklungen sowie den Beschäftigungsaspekt und die Qualität der Dienste einzugehen hat. Am 18.10.2006 hat die Kommission den o. g. Vorschlag unterbreitet (Europäische Kommission 2006a) und die Postrichtlinie steht vor einer erneuten Novelle. Dabei standen ursprünglich vier Grundoptionen zur Diskussion (Europäische Kommission 2006d): 1. Kein Legislativvorschlag. In der Folge würde nach Auslaufen der geltenden Richtlinie zum 31.12.2008 der Postsektor den Bestimmungen von Art. 86 EG-Vertrag unterliegen, womit jeder Mitgliedstaat reservierte Dienstleistungen und im Besonderen Universaldienste begründen könnte. Diese Option wurde aufgrund der zu erwartenden größeren Unterschiede zwischen den Staaten und Hindernissen für den Binnenmarkt verworfen. 2. Eine von Grund auf neue Richtlinie abzielend auf einen einheitlichen legislativen Rahmen, um einen in vollem Umfang wettbewerbsfähigen Postmarkt zu schaffen. Dieser Ansatz wurde eingedenk des Subsidiaritätsprinzips und der bestehenden nationalen Unterschiede bei den Bedürfnissen der Nutzer nicht weiterverfolgt. 3. Verlängerung der Geltungsdauer der bestehenden Richtlinie über 2008 hinaus ohne inhaltliche Änderungen. Dies würde eine Abkehr von der angestrebten weiteren Liberalisierung und damit der Wettbewerbsfähigkeit bedeuten und wurde aufgrund dessen abgelehnt. 4. Anpassung der geltenden Richtlinie in dem auf einen offenen Postmarkt erforderlichen Umfang unter Vereinbarung der Erfordernisse des Universaldienstes und einer vollständigen Marktöffnung. Diese Option wurde letztendlich zur Grundlage des vorliegenden Kommissionsentwurfes gemacht. Maßgeblichen Anteil an dieser Entscheidung hatte auch die so genannte „Prospektivstudie“, die für jeden Mitgliedstaat die Auswirkung der Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste im Jahre 2009 auf den Universaldienst ermittelt hat (vgl. PricewaterhouseCoopers 2006). Die Kommission hat ferner eine eingehende Untersuchung des Postsektors der Gemeinschaft Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 9 von 37 Sonderexpertise: Postwesen durchgeführt, Studien zur wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Entwicklung in diesem Sektor in Auftrag gegeben (WIK-Consult 2006) und intensive Konsultationen mit den Interessengruppen durchgeführt (vgl. Europäische Kommission 2006c). Demnach kann das grundlegende Ziel der dauerhaft garantierten Bereitstellung des Universaldienstes in der von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 97/67/EG festgelegten Qualität bis 2009 in der gesamten Gemeinschaft ohne die Notwendigkeit eines reservierten Bereichs erreicht werden, d. h. es besteht aus Sicht der Kommission keine Rechtfertigungsgrundlage für die weitere Erteilung von Exklusivlizenzen (Erwägungsgründe 7 und 8, Kommissionsentwurf 2006). Diese Einschätzung ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass sowohl objektive Zahlen zu den Marktanteilen der Wettbewerber als auch die subjektive Wahrnehmung der Marktteilnehmer die zögerliche Entwicklung des Wettbewerbes selbst in jenen Mitgliedstaaten bestätigen, die den Markt vollständig oder zum größten Teil geöffnet haben. Dies betrifft insbesondere Briefpostsendungen, aber auch - mit einigen Ausnahmen - die Direktwerbung. Der Wettbewerb in diesem Segment hat in den Jahren 2000 bis 2005 nicht wesentlich zugenommen; dies sei ein berechtigter Anlass zur Sorge. An dem Zieldatum 2009 für die vollständige Liberalisierung könnte aber festgehalten werden. Dennoch sei die Notwendigkeit, den Universaldienst für Privatkunden und Klein- und Mittelbetriebe aufrechtzuerhalten, unbestritten (vgl. Europäische Kommission 2006b). Im vorliegenden Entwurf von Art. 4 der Änderungsrichtlinie wird den Mitgliedstaaten unter Beibehaltung des Universaldienstes künftig mehr Spielraum bei der Frage gewährt, wie die Erbringung des so genannten „Universaldienstes“ zu gewährleisten ist. Die Finanzierung des Universaldienstes durch Einräumung von Monopolrechten ("reservierter Bereich") wird ab dem 1. Januar 2009 ausgeschlossen. Zur Finanzierung eventueller Universaldienstdefizite können die Mitgliedstaaten aber künftig unter einer Reihe von Optionen wählen, wie z. B. staatliche Beihilfen, öffentliche Auftragsvergabe, Entschädigungsfonds und Kostenteilung. Ausdrücklich zulässig sind nach Art .7 Ausgleichsmechanismen im Fall einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung bei der Erbringung von Universaldiensten. Eingeschränkt werden sollen die Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten, an Einheitstarifen festzuhalten. Dies wird gemäß Art. 2 künftig nur noch für Einzelsendungen zulässig sein. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 15.12.2006 (BR-Drs. 753/06, 753/1/06) die Forderung der Kommission nach Beendigung der noch bestehenden Exklusivrechte im Postbereich zum 1. Januar 2009 unterstützt. Gleichzeitig hat er es im Interesse der Planungssicherheit für alle Postunternehmen abgelehnt, von dem im Postgesetz festgelegten Enddatum für die Exklusivlizenz der Deutschen Post AG zum 31.12.2007 abzuweichen. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Universaldienst auch ohne Exklusivlizenz gesichert sei (nicht zuletzt über die §§ 15, 16 PostG), so dass die nach EU-Recht geforderte Voraussetzung für eine nochmalige Verlängerung nicht gegeben ist. Der Richtlinienvorschlag wurde in sechs Ausschüssen des Europäischen Parlaments beraten. Federführend ist der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr. Der dortige Berichterstatter Markus Ferber hat mit Datum vom 12.3.2007 einen umfangreichen Bericht mit Empfehlungen zur Änderung des Richtlinienentwurfs vorgelegt. Ferner liegt der Entwurf einer Stellungnahme der Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialpolitik des Ausschusses Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 10 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen der Regionen vor mit Datum vom 30. 3.2007. Der deutschen Ratspräsidentschaft ist es im ersten Halbjahr 2007 nicht gelungen, unter den Mitgliedstaaten eine Einigung über den endgültigen Termin der Liberalisierung herbeizuführen. Auf nationaler Ebene trat in einem Antrag vom 29.11.2006 die Fraktion der FDP (BT-Drs. 16/3623) dafür ein, die Exklusivlizenz der Deutschen Post AG wie vorgesehen zum 31.12.2007 zu beenden und auf europäischer Ebene bis zum Jahre 2009 die vollständige Liberalisierung des Postmarktes durchzusetzen. Demgegenüber setzt sich die Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag 16/4044 vom 17.1.2007 dafür ein, das Briefmonopol über den 31.12.2007 hinaus zu verlängern, weil sie andernfalls die Finanzierung der flächendeckenden Grundversorgung der Bevölkerung gefährdet sieht. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat dem Bundestag am 7.3.2007 (BT-Drs. 16/4600) mit Hinweis auf den bestehenden Richtlinienvorschlag vom 18.10.2007, der beiden Anträgen gerecht werde, empfohlen, diese abzulehnen. Am 11.7.2007 hat das Europäische Parlament in erster Lesung den Kommissionsentwurf in geänderter Form angenommen (vgl. Europäisches Parlament 2007). Dabei wurde der 1.1.2011 als Datum für die endgültige Vollendung des Binnenmarktes festgelegt. Am 8.11.2007 erfolgte die formelle Entscheidung für den gemeinsamen Standpunkt des Rates. In Kraft getreten ist die Richtlinie durch Beschluss des Europäischen Parlaments am 1.2.2008. Interessant ist die folgende Änderung des Art. 2 Nummer 19 Absatz 1: "Grundanforderungen sind die im allgemeinen Interesse liegenden Gründe nichtwirtschaftlicher Art, die einen Mitgliedstaat veranlassen können, für die Erbringung von Postdiensten Bedingungen vorzuschreiben. Diese Gründe sind die Vertraulichkeit der Sendungen, die Sicherheit des Netzes bei der Beförderung gefährlicher Stoffe, die Beachtung von Beschäftigungsbedingungen und Systemen der sozialen Sicherheit, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder Tarifverträge, die zwischen den nationalen Partnern ausgehandelt wurden, geschaffen wurden, sowie in begründeten Fällen der Datenschutz, der Umweltschutz und die Raumplanung." Damit könnte etwa auch das ZOS oder bestehende Raumstrukturkonzepte (z. B. punkt-axiales Modell) zur Begründung für bestimmte Bedingungen herangezogen werden. 4.2 Nationale Rechtsvorschriften für den Postsektor Bis 1989 war das deutsche Postwesen als integrierte Post- und Fernmeldeverwaltung organisiert. Das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen trug sowohl die politische wie unternehmerische Verantwortung für die Bundesbehörde „Deutsche Bundespost“. Mit der ersten Postreform durch das Poststrukturgesetze vom 1. Juli 1989 wurde diese Organisation grundlegend reformiert. Die Deutsche Bundespost wurde nach diesem Gesetz neu strukturiert und in drei öffentliche Unternehmen aufgeteilt. Die Unternehmen Postdienst, Postbank und Telekom werden seit dem von einem Vorstand und einem Aufsichtsrat geleitet. So sollten Ineffizienzen und Größennachteile vermieden werden. Ziel der Reform war es weiter, die Effizienz durch eine Angebotsvielfalt in den Marktbereichen zu erweitern und zu fördern, in denen sich die Kundenbedürfnisse schnell Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 11 von 37 Sonderexpertise: Postwesen fortentwickeln. Die Geschäftsbereiche nahmen weiterhin hoheitliche Aufgaben unter der Leitung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation wahr. Die Deutsche Bundespost behielt weiterhin ihre Monopole bei der Briefbeförderung und beim Telefonnetz mit Ausnahme des Mobilfunks, alle übrigen Dienstleistungen konnten fortan auch von privaten Anbietern erbracht werden. Die politischen Kontrollmöglichkeiten wurden gesichert und die Einheit der Deutschen Bundespost zunächst noch nicht angetastet. So konnten die drei Unternehmen keine eigene Rechtspersönlichkeit bilden, eine Umwandlung in eine Gesellschaft privaten Rechts war noch ausgeschlossen (BMWI 2002, S. 2) Zum 1.1.1995 wurden die drei öffentlichen Unternehmen im Rahmen einer zweiten Postreform dann doch in Aktiengesellschaften und damit eigene juristische Personen des Privatrechts umgewandelt. Damit entstanden die Deutsche Post AG, die Deutsche Telekom AG und die Postbank. So sollte die Stärkung des Eigenkapitals, die Beteiligung an internationalen Konsortien und der Ausbau ihrer Positionen in der Welt ermöglicht werden. Für den Verlust an politischer Steuerungskompetenz hatte der Bund zunächst die Mehrheitsbeteiligung an den Postunternehmen behalten. Der Bund bleibt zudem für die hoheitlichen Aufgaben im Postwesen und bei Telekommunikation weiter zuständig. Zu den hoheitlichen Aufgaben zählen flächendeckende, ausreichende und angemessene Sicherung der Bedürfnisse Nachfragenden („Universaldienst“) sowie die Kontrolle der Netze. Dies wurde im Rahmen zweiten Postreform sogar verfassungsmäßig abgesichert (Art. 87f GG). der die der der Parallel zu den Organisationsreformen waren bereits in den 1980er und 1990er Jahren erste, einzelne Schritte der Marktliberalisierung eingeleitet worden: • Im Jahr 1989 wurde der Markt für Briefe zu einem Entgelt von mehr als 10 DM sowie für grenzüberschreitende Kurierdienste geöffnet. • Ab dem 1.1.1995 konnten Massensendungen mit einem Gewicht von mehr als 250g von Wettbewerbern befördert werden (zum 1.1.1996 wurde die Gewichtsgrenze auf 100g gesenkt). Schließlich wurde 1998 als Ersatz für das Bundesministerium die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) gegründet, welche für die Regulierung der technischen Seite des Telekommunikationsmarktes zuständig war. Im Juli 2005 wurde die RegTP im Übrigen zur Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, kurz BNetzA, umbenannt. Das Postgesetz (PostG) als derzeitige maßgebliche nationale Rechtsquelle ist am 01.01.1998 in Kraft getreten. Ferner hat die Bundesregierung durch die PostUniversaldienstleistungsverordnung am 15. Dezember 1999 Inhalt und Umfang des Universaldienstes festgelegt. Gemäß § 1 PostG soll durch Regulierung der Wettbewerb gefördert, aber weiterhin flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleistet werden. Die Regulierung des Postwesens ist gemäß § 2 Abs. 1 PostG eine hoheitliche Aufgabe des Bundes. Ziele der Regulierung sind nach Abs. 2 sowohl die Sicherstellung eines Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 12 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs auch in der Fläche, als auch die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen (der sog. „Universaldienst“). Dies soll gewährleistet werden, indem bei der Lizenzerteilung geprüft wird, ob der Antragssteller in der Lage ist, folgende Universaldienstleistungen (§ 11 PostG) mit standardisierten Merkmalen flächendeckend zu erbringen: • Dienstleistungen mit taggleicher Zustellung, • mit Übernacht-Zustellung, • mit termingenauer Zustellung, • mit Sendungsverfolgung, • sowie integrierte Brief-Logistik-Dienstleistungen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 PostG umfasst der Universaldienst jedoch nur solche Dienstleistungen, die allgemein als unabdingbar angesehen werden. Zudem ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 PostG die Festlegung des Universaldienstes an die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen nachfragegerecht anzupassen. Mithin ist „Universaldienst“ als dynamischer Begriff aufzufassen. Gegenwärtig umfasst Postdienstleistungen: der Universaldienst gemäß § 1 Abs. 1 PUDLV folgende • die Beförderung von Briefsendungen bis 2.000 g, darunter auch • Einschreibesendungen, • Wertsendungen, • Nachnahmesendungen, • Sendungen mit Eilzustellung. • Die Beförderung von adressierten Paketen bis 20 kg; • die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften. Mit dem Zweiten Postrechtsänderungsgesetz wurden im Jahr 2002 die 1998 erlassenen Vorschriften zum Universaldienst des PostG (§§ 12 – 17) suspendiert (das erste Änderungsgesetz von September 2001 hatte die Exklusivlizenz von Ende 2002 bis Ende 2007 verlängert). Die im Postgesetz vorgesehene Möglichkeit zur Ausschreibung von Universaldienstleistungen, die Finanzierung von Universaldienstleistungen durch einen Universaldienstleistungsfonds sowie die Regulierung der Entgelte für Universaldienstleistungen nach dem Standard der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung wurden dabei für den Zeitraum der Geltung einer gesetzlichen Exklusivlizenz gemäß § 51 PostG für die DP AG für Briefe unter 50g und 50 Stück außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig wurde die Deutsche Post AG für den Zeitraum der gesetzlichen Exklusivlizenz explizit verpflichtet, die Universaldienstleistungen nach Maßgabe der PUDLV zu erstellen. War zuvor kein bestimmtes Unternehmen zur Erbringung des Universaldienstes Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 13 von 37 Sonderexpertise: Postwesen vorgesehen, ist in Folge dessen also nur die DP AG zur Erbringung des Universaldienstes verpflichtet (§ 52 PostG). Im Gegenzug für diese Exklusivlizenz wurde die Post für sämtliche Universaldienstleistungen von der MwSt befreit (§ 4 Nr. 11b UStG). Aufgrund dieser Auslegung der MwSt-Befreiung läuft gegenwärtig ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland. Am 24.07.2007 verschickte sie eine so genannte mit Gründen versehene Stellungnahme an die Bundesrepublik. László Kovács, EU-Kommissar für Steuern und Zölle argumentiert: „Die MwSt-Befreiung für Postdienste ist noch in den EU-Rechtsvorschriften verankert und sollte so angewendet werden, dass Wettbewerbsverzerrungen zwischen ehemaligen Monopolen und neuen Marktteilnehmern möglichst vermieden werden, so dass sämtliche Wirtschaftsbeteiligten in ganz Europa Postdienste anbieten können". Dies geschah mit der Begründung, dass diesen Anbietern besondere Verpflichtungen im Hinblick auf die Bereitstellung der universalen Postdienste übertragen wurden. Andere Postanbieter müssen für ihre Dienste die MwSt erheben. Dadurch abgedeckt sieht die Kommission aber nicht die Sonderkonditionen der DP AG für Großkunden, die ebenfalls keine MwSt zu entrichten hätten. Ein weiterer für die Sicherung der Daseinsvorsorge relevanter Aspekt ist die Entgeltregulierung. Unternehmen, die im lizenzierten Bereich eine marktbeherrschende Stellung besitzen (was auf die DPAG zutrifft), unterliegen demnach bei der Festsetzung der Endkundentarife einer vorherigen Entgeltgenehmigung (gilt nicht für Massensendungen, (vgl. BMWI 2002, S. 7)). Ausdrücklich erwähnt werden sollte der Umstand, dass Bankdienstleistungen, erbracht durch die rechtlich selbständige Postbank, nicht zu den Postuniversaldienstleistungen zählen. Dennoch ist der Zugang zur Postbank, der in vielen Fällen über den gleichen Schalter einer Postfiliale erfolgt, für viele Kunden ein, wenn nicht der wesentliche Aspekt bei der Erreichbarkeit einer Postfiliale (vgl. Interview mit Dr. Ritter, 17.1.2007). Dies kann aber nicht als Argument für die Aufrechterhaltung einer stationären Einrichtung im Sinne der PUDLV geltend gemacht werden. Ohnehin werden weder durch PostG noch PUDLV subjektive Rechte der Kunden begründet; die Regelungen entfalten also keine Drittwirkung. Mithin besteht kein einklagbarer Anspruch auf Errichtung oder Beibehaltung einer postalischen Infrastruktur (Modery 2004). Das Landgericht Hannover hat übrigens bereits im Jahr 1998 eine diesbezügliche Klage als unzulässig abgewiesen (vgl. Urteil vom 16.11.1998, Az. 10A241/98). 4.3 Absehbare zukünftige Entwicklung der rechtlichen Regelungen auf dem Postmarkt Solange die Deutsche Post jedenfalls eine marktbeherrschende Stellung besitzt, gelten die Bestimmungen der PUDLV für sie weiter. Sie ist also auch nach Auslaufen ihrer Exklusivlizenz zur Erbringung des Universaldienstes verpflichtet. Dies wird von der Bundesnetzagentur ab 2008 nicht nur getrennt für die einzelnen o. g. Dienstleistungen, sondern auch regionalisiert betrachtet werden (vgl. Interview mit Frau Ringler, Referat 314, Lizensierung am 5.1.07). Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 14 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen Grundsätzlich ist dabei der derzeitige rechtliche Rahmen des PostG auch nach Marktöffnung zum 1. Januar 2008 noch als Regulierungsgrundlage geeignet. Mithin ist keine grundlegende Neugestaltung beabsichtigt. Allerdings sind die gesetzlichen Regelungen (PUDLV) aber dahin gehend zu überprüfen, ob sie die optimalen Voraussetzungen für chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb auf den Postmärkten bieten und den Bedürfnissen der Verbraucher gerecht werden. Eine neue PUDLV liegt mit Stand November 2008 bislang nicht vor – auch nicht im Entwurf. Im PostG ist bereits heute geregelt, dass nach Wegfall des Monopols alle im Briefbereich tätigen Unternehmen gemeinsam zur Erbringung der Grundversorgung verpflichtet sind. Das Wirtschaftsministerium hegt die Hoffnung, dass der Universaldienst ohne weitere Regulierung im Wettbewerb erbracht wird. Nur für den Fall, dass potenzielle Versorgungslücken auftreten, ist im PostG ein besonderer Mechanismus enthalten: Leistungen können ausgeschrieben und erforderlichenfalls aus einem Universaldienstfonds bezahlt werden, in den alle Unternehmen - entsprechend ihres Marktanteils (sofern der Umsatz im lizenzierten Bereich 500.000 € übersteigt) – einzahlen. Diese Lösung ist konform mit Art. 7 Nr. 3 der Änderungsrichtlinie der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste. Dieser Ausschreibungswettbewerb wird auch als „Wettbewerb um den Markt“ bezeichnet, wobei der Sieger dann temporär der Universaldiensterbringer wäre. Ein solcher Wettbewerb liefert aber keine ökonomische Begründung für institutionelle Markteintrittsbarrieren gegen Dritte, falls diese einzelne Adressaten (z. B. Großkunden) bedienen wollen (vgl. Kruse/Liebe 2005, S. 56). Wie o. g. steht nach wie vor eine Überprüfung des Universaldienstes vor dem Hintergrund geänderter Bedürfnisse der Verbraucher an. Universaldienstleistungen sollen auf solche Bereiche beschränkt werden, die allgemein als unabdingbar angesehen werden (vgl. Husch 2006). Die Verbraucherverbände lehnen hingegen Abstriche an den bestehenden Vorgaben der PUDLV strikt ab (vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband 2005). Eine definierte Anzahl von Einrichtungen wird es womöglich nicht mehr geben, sondern materielle Kriterien, die sich wohl an Entfernungen orientieren werden (Wabenlösung, Einzugsbereiche; vgl. Auskunft von Herrn Steinmann, BMWI, 17.1.2007). Überlegungen, die etwa aus dem BDI kommen (vgl. Thumann 2006), Preise für Postdienstleistungen zu regionalisieren, sprich den realen Kosten und Erlösen anzupassen, wird jedoch eine Absage erteilt. Dies würde in letzter Konsequenz eine dramatische Verteuerung von Postdienstleistungen im peripheren ländlichen Raum und das Ende eines Einheitstarifs bedeuten, den das Bundeswirtschaftsministerium nicht in Frage stellt (vgl. Interview mit Herrn Steinmann). Die Aufhebung der Tarifeinheit wird sogar von der DPAG nicht angestrebt, um den Kunden gegenüber möglichst transparente Preise anbieten zu können. Demgegenüber spielen mögliche Erlösverbesserungen kaum eine Rolle, da der Markt mit privaten Endverbrauchern nur noch einen Umsatzanteil von 15% besitzt (vgl. Interview mit den Herren Maschke, Bodenbender 30.3.2007). Man muss die Problematik aus Kundensicht insoweit aber relativieren, als dass ein durchschnittlicher Haushalt pro Jahr nicht mehr als 50 € (bzw. pro Monat 4,40 € für Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 15 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Universaldienstleistungen ausgibt (vgl. Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes). Bei den etwa 1.000 Bürgereingaben im Sinne § 5 PUDLV, die die Netzagentur von Verbrauchern erhält, wird ausschließlich die Erreichbarkeit, nicht aber die Preisproblematik thematisiert. Daher wird eine mögliche Aufhebung der Tarifeinheit als wenig konfliktträchtig eingeschätzt (vgl. Interview mit Dr. Ritter am 24.1.2007). Zudem wäre eine solche Aufhebung der Tarifeinheit rechtlich wohl unproblematisch, da die Kosten für die Erbringung einer Universaldienstleistung zwar „erschwinglich“ zu sein haben, nicht aber notwendigerweise gleich, wie in Art. 12 der Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste (Kommissionsentwurf 2006) zu lesen ist. Dem hat das Europäische Parlament zwar hinzugefügt „erschwinglich ungeachtet der geografischen Lage und im Hinblick auf landesspezifische Bedingungen“, doch bleibt die Einführung eines Einheitstarifes gemäß Art. 12 lediglich eine Option zu der Art. 12 die Mitgliedstaaten zwar ermächtigt („können“), wenn es im öffentlichen Interesse erforderlich ist, aber nicht verpflichtet. Daher lassen sich für höhere Kosten der Leistungserbringung in Grenzen auch höhere Preise verlangen („Preise müssen kostenorientiert sein und die Effizienz fördern“) (vgl. auch Kersten 2006a, S. 949). Problematischer ist gegenwärtig wohl die Qualität der Leistungserbringung bei der Zustellung (kein Abwarten, keine Karte eingeworfen, ungefragt beim Nachbarn abgegeben). Unterschiede zwischen Stadt und Land sind dabei nicht vorhanden; eher zwischen den Direktionen. Überhaupt wird nicht der Versender, sondern der Empfänger in der schwierigeren Situation gesehen, zumal die gesetzlichen Vorhaben zwar die Dichte stationärer Einrichtungen, nicht jedoch die Entfernung zur Filiale regeln, wo der Empfänger im Bedarfsfall seine Sendung abholen muss (vgl. Interview mit Frau Ringler, Referat 314, Lizenzierung am 5.1.07). Dies wird auch im Tätigkeitsbericht 2005 der Bundesnetzagentur deutlich (vgl. Bundesnetzagentur 2005, S. 291). Zwar wird auch aufgrund fehlender Nachfrage die Streichung der Universaldienstleistungen „Nachnahme“, „Sendung mit Eilzustellung“ sowie die Festlegung einer Obergrenze bei “Wertsendungen“ empfohlen, demgegenüber wird dazu geraten, die Empfängerseite stärker in der PUDLV zu verankern, indem die Lagerung nicht zustellbarer Briefe in den Katalog aufgenommen wird. Ferner wird vorgeschlagen, den Universaldienst nur auf die Beförderungsleistungen zu beschränken, die gegenüber Privatbzw. Kleinkunden als Absender zu erbringen sind. Demgegenüber wird keine Einschränkung für die Empfängerseite vorgeschlagen. Allerdings wird eine Flexibilisierung des § 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV angeregt, der sich auf die Laufzeiten der Briefsendungen bezieht. Gegen reduziertes Entgelt sollen die Anbieter in die Lage versetzt werden, auch längere Regellaufzeiten anzubieten. Dabei ist aber ein Zeitpunkt für die späteste Zustellung vorzusehen, orientiert an den üblichen Bürozeiten (vgl. Bundesnetzagentur 2005, S. 299). Sollte sich die DPAG ab 2008 aus betriebswirtschaftlich schwierigen Regionen zurückziehen wollen, so müsste sie dies sechs Monate vorher der Bundesnetzagentur anzeigen, die für die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung zuständig ist. Diese würde dann in einem Vergabeverfahren einen neuen Lizenznehmer suchen. Die gesetzliche Grundlage zur Sicherstellung der Postdienste ist § 15 PostG („Ausgleichsleistung“). Sie würde greifen, wenn Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 16 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen ein Lizenznehmer nachweist, dass die langfristigen zusätzlichen Kosten der effizienten Bereitstellung der von ihm geforderten Dienstleistung die Erträge der Dienstleistung übersteigen (etwa in peripheren, dünn besiedelten Regionen). An den damit verbundenen Kosten haben sich alle anderen Lizenznehmer gemäß § 16 PostG („Ausgleichsabgabe“) im Verhältnis ihrer Umsätze, d. h. wettbewerbsneutral, zu beteiligen. In der Konsequenz kämen die Verbraucher für das Versagen des Universaldienstleistungsmarktes auf und nicht etwa der Staat und damit die Steuerzahler. Faktisch vergibt die DPAG in diesen Fällen aber bisher eher Unteraufträge an Subunternehmer, die effizienter arbeiten. Auch nach Auskunft der DPAG ist keinesfalls damit zu rechnen, dass sich das Unternehmen aus bestimmten Regionen zurückziehen wird; unabhängig von der Rentabilität der Leistungserbringung, da sie unter der Annahme, weiterhin eine marktbeherrschende Stellung zu besitzen, über die Ausgleichsabgabe quasi einen Konkurrenten zu großen Teilen subventionieren würde (vgl. Interview mit den Herren Maschke, Bodenbender 30.3.2007). Falls ab 2008 Wettbewerber der DP AG gewillt sind, als Universaldienstleister aufzutreten, wären sie der Verordnung und ihren Anforderungen an stationäre Einrichtungen ebenso unterworfen wie die DP AG. Ein Markteintritt wäre aus Marketinggesichtspunkten heraus plausibel, weil Wettbewerber dann mit der ganzen Produktpalette in einen Preis- und Qualitätswettbewerb mit der DP AG treten könnten. Freilich wird teilweise argumentiert, dass die DPAG aufgrund der vertikalen Integration der einzelnen Wertschöpfungsstufen von der Einsammlung über die Verteilung bis zur Zustellung zumindest auf dem Briefmarkt über einen monopolitischen „Bottleneck“ verfügt und somit verhindern kann, dass andere, aus sich selbst heraus wettbewerbsgeeigneten Wertschöpfungsstufen aus marktwirtschaftlichen Kräften heraus in einen Wettbewerb eintreten können (vgl. Kruse/Liebe 2005, S. 60). Dabei wird eine Analogie zur Situation auf dem Strommarkt gezogen (vertikale Integration von Energieerzeugung und Verteilung). Daraus wird die Forderung abgeleitet, dass für jede Wertschöpfungsstufe ein tatsächlicher Netzzugang auf alle Wettbewerber wirtschaftlich möglich sein muss, was durch die Netzagentur über die Festlegung entsprechender Konditionen sicherzustellen sei (vgl. Kruse/Liebe 2005, S. 67). Dem hält die DPAG entgegen, dass es sich bei dem Briefmarkt nicht um ein Netz im physischen Sinne handele (vgl. Interview mit Walter Maschke „Managing Director Corporate Regulation“ sowie Wolfgang Bodenbach, „Director Regulation Management“ am 30.3.2007 in Bonn). Dennoch ist die DPAG als marktbeherrschendes Unternehmen durch Beschlüsse des Bundeskartellamts und des OVG Düsseldorf im Jahre 2005 dazu gezwungen worden, Wettbewerbern einen Zugang zu ihrem Netz zu eröffnen (vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 118). Dies bedeutet konkret, dass Wettbewerber, die im Bereich der Exklusivlizenz Sendungen mehrerer Absender bündeln und zur Einlieferung in die Briefzentren der DPAG vorbereiten, Zugang zu diesen besitzen. Zudem hat auch die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten nach § 44 Postgesetz deutliche Defizite bei der Wettbewerbsentwicklung auf dem Postmarkt festgestellt (vgl. Monopolkommission 2005). So werde das im Postgesetz genannte Ziel der Erstellung von chancengleichem und funktionsfähigem Wettbewerb nach wie vor verfehlt. Dafür sei primär Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 17 von 37 Sonderexpertise: Postwesen die Exklusivlizenz der Deutschen Post AG verantwortlich. Sie beschränke das Marktvolumen, auf dem Wettbewerb möglich ist, und hindere Wettbewerber daran, Größen- und Verbundvorteile für einen verstärkten Marktauftritt in den liberalisierten Teilen des Marktes zu nutzen. Die Exklusivlizenz schaffe Raum für Quersubventionen. Die vollständige Abschaffung der Exklusivlizenz habe nach Auffassung der Monopolkommission daher oberste Priorität. Diese Quersubventionsproblematik mache zudem eine strikte Handhabung der Missbrauchsaufsicht unumgänglich. Hier sieht die Monopolkommission erhebliche Defizite bei der Bundesnetzagentur. Mit Stand August 2008 liegen für das Jahr 2008 noch keine Zahlen der Bundesnetzagentur vor. Bekannt ist allerdings, dass die Netzagentur mittlerweile davon ausgeht, dass sich im Briefmarkt auch nach Wegfall der Exklusivlizenz mittelfristig nichts an der marktbeherrschenden Stellung der DP AG ändert (vgl. Bundesnetzagentur 2007a). 5. Akteure und ihre Interessen im Bereich des Postwesens Sowohl im Hinblick auf die Vorbereitung der zweiten Fachtagung als auch die Entwicklung von Handlungsempfehlungen erscheint es angebracht, systematisch darzulegen, welche Akteure im Bereich des nationalen Postwesens die Entwicklung maßgeblich beeinflussen und worin ihre wesentlichen Interessen bestehen. 5.1 Die Bundesnetzagentur Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie mit Sitz in Bonn. Seit dem 13. Juli 2005 ist die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, die aus dem Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT) und dem Bundesamt für Post und Telekommunikation (BAPT) hervorging, umbenannt in Bundesnetzagentur (www.bundesnetzagentur.de). Die Bundesnetzagentur hat die Aufgabe, durch Liberalisierung und Deregulierung für die weitere Entwicklung auf dem Elektrizitäts-, Gas-, Telekommunikations-, Post- und seit dem 01. Januar 2006 auch auf dem Eisenbahninfrastrukturmarkt zu sorgen. Die Regulierungsentscheidungen der Bundesnetzagentur werden in den Bereichen Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Post durch Beschlusskammern gefasst. Die unmittelbar betroffenen Unternehmen können sich an den Beschlusskammerverfahren beteiligen lassen. Die vom Verfahren berührten Wirtschaftskreise können beigeladen werden. Die Entscheidungen der Bundesnetzagentur basieren auf dem Telekommunikationsgesetz, dem Postgesetz und dem Energiewirtschaftsgesetz und sind rechtlich überprüfbar. Entscheidungen der Beschlusskammern können im Falle eines Rechtsstreits von der Aufsichtsbehörde, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), nicht aufgehoben werden. Eine so genannte Ministerentscheidung ist, abweichend von den Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), nicht vorgesehen. Gegen die Entscheidungen der Beschlusskammern kann unmittelbar vor den Verwaltungsgerichten in den Bereichen Post und Telekommunikation und vor den Zivilgerichten im Bereich Energie Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 18 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen geklagt werden. Ein Widerspruchsverfahren findet Hauptsachverfahren haben keine aufschiebende Wirkung. nicht statt. Klagen im Nach § 125 TKG und § 44 PostG erhält die Bundesnetzagentur bei der Erfüllung ihrer Aufgaben fortlaufend wissenschaftliche Unterstützung. Diese wird insbesondere durch den "Wissenschaftlichen Arbeitskreis für Regulierungsfragen" gewährleistet. Für die Regulierung des Postmarktes ist Abteilung 3 zuständig, die von Herrn Quanter geleitet wird. Ferner widmet sich das Referat Universaldienste, das von Herrn Dr. Ritter geführt wird, insbesondere der Einhaltung der Vorgaben der PUDLV. 5.2 Die Deutsche Post AG Die DPAG ist aus der Deutschen Bundespost hervorgegangen und ist seit dem 1.1.1995 als AG eine eigene Rechtspersönlichkeit. Mittlerweile firmiert der Konzern als „Deutsche Post Worldnet“, der über fünf verschiedene Unternehmensbereiche verfügt: • Brief (als „DHL Global Mail" als Komplettanbieter auf vier Kontinenten vertreten) • Express • Logistik • Finanzdienstleistungen (Postbank) • Service Der Unternehmensbereich Brief trug im Jahr 2006 19,9% zum Konzernumsatz bei. Nach eigenen Angaben (vgl. Interview mit Walter Maschke „Managing Director Corporate Regulation“ sowie Wolfgang Bodenbach, „Director Regulation Management“ am 30.3.2007 in Bonn) entfallen im Inland lediglich 15% des Umsatzes des Briefmarktes auf das Geschäft mit privaten Endkunden. Im Hinblick auf die PUDLV wünscht man sich eine Flexibilisierung der Vorgaben für stationäre Einrichtungen in Richtung „Nachfragegerechte Erbringung der Universaldienste“ ohne die genauen Vertriebswege zu definieren. 5.3 Wettbewerber der DP AG Mittlerweile ist eine ganze Reihe von privaten Wettbewerbern auf den Plan getreten, die außerhalb der Exklusivlizenz auf dem Markt agieren, aber ab 2008 beabsichtigen, im Universaldienstbereich Präsenz zu zeigen. Die drei wichtigsten Anbieter werden im Folgenden kurz vorgestellt. TNT TNT Post konzentriert sich in Deutschland auf die Zustellung von Direktwerbung an Privathaushalte sowie die regionale und nationale Briefzustellung von Geschäftskunden. Im Markt für Direktwerbung ist das Unternehmen der zweitgrößte Anbieter nach der Deutschen Post AG. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 19 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Im Jahr 2006 hat TNT Post einen Umsatz von 200 Millionen Euro erzielt. Nach eigenen Angaben will TNT Post seinen Marktanteil am Postmarkt in Deutschland binnen fünf Jahren auf rund zehn Prozent steigern. Zurzeit verfügt TNT über bundesweit 31 Niederlassungen in großen Städten. Über eigene regionale Strukturen mit eigenen Zustellern sowie Netzwerkpartnern erreicht TNT Post nach eigenen Angaben mehr als 90 Prozent der deutschen Haushalte. Allerdings wird nur Geschäftspost ab 50 Briefen versendet (vgl. http://www.tntpostregioservice.de/niederlassungen/index.asp, Stand 11.8.08). Dabei spielt zumindest nach Angaben des Unternehmens die Einigung auf einen PostMindestlohn in Höhe von 8 – 9,8 €/Stunde eine entscheidende Rolle, entgegen vormaliger Überlegungen kein umfassendes und flächendeckendes Angebot an Universaldienstleistungen zur Verfügung zu stellen. PIN-Mail Die PIN Group AG bietet unter der Marke PIN Mail Briefdienstleistungen an – von der klassischen Beförderung bis hin zur kompletten Mailabwicklung. PIN verfügt über ein eigenes flächendeckendes Zustellnetz und ist dabei, auch stationäre Einrichtungen sowie Briefkästen aufzubauen. Mit mehr als 7.000 Mitarbeitern, einem täglichen Volumen von rund 2,3 Millionen Sendungen und einem konsolidierten Umsatz im Jahr 2006 von 168,3 Millionen Euro ist die PIN Group AG der drittgrößte Briefdienstleister nach der DP AG und TNT. Die PIN-Group hat 2007 einen Umsatz von 275 Mio. Euro erwirtschaftet. Der Umsatz wird für das Jahr 2008 auf 350 Mio. Euro geschätzt. Ende 2007 meldeten zahlreiche Einzelunternehmen der PIN Group Insolvenz an. Mittlerweile hat sich aber geklärt, dass das Geschäft unter dem Namen „PIN-Mail“ fortgeführt werden soll. Im Unterschied zu TNT bietet PIN eigene Briefmarken und ab dem 1.1.2008 die Versendung von Einzelbriefen auch für Privatkunden an (45 ct für den Standardbrief). Hermes Logistik Gruppe Die Hermes Logistik Gruppe ist Deutschlands größter postunabhängiger Logistik-Dienstleister bei der Zustellung an Privatpersonen (B2C und C2C-Sektor). Dabei fokussiert sich die Hermes Logistik Gruppe auf folgende Geschäftsfelder: Paketservice, Möbel- und Großstückservice, Brief- und Infoservice sowie Reparaturservice. Mit ihren 13.500 Hermes PaketShops (vgl. http://www.hermespaketshop.de, Stand 8.8.08) verfügt die Gruppe mittlerweile über ein bundesweit flächendeckendes Netz von Annahmestellen für den privaten Paketversand, die auch vom Versandhandel als alternative Zustelladresse genutzt werden können. Diese breite Präsenz in der Fläche unterscheidet Hermes von den anderen Wettbewerbern der DPAG auf dem Paketmarkt (z. B. UPS, GLS) wie auch dem Briefmarkt (siehe TNT und PIN). Auf dem Briefmarkt trifft die Gruppe mit primeMail – einem 50:50-Joint Venture mit der Swiss Post International – und einer 29%igen Beteiligung an der TNT Post ebenfalls auf, verfügt aber über keine nennenswerte Präsenz in der Fläche. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 20 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen Bei primeMail ist zwar ein Produkt ab 5g (- 600 g) im Angebot, da aber der Preis 1,35 € beträgt, besteht faktisch kein Angebot für Standardbriefe. Der im Jahr 2007 bestehende gemeinsame Plan der TNT Post und Hermes, die 13.500 Hermes-Paketannahmestellen 2008 zu Briefzentren für Verbraucher und Geschäftskunden umzubauen, ist nach Angaben des Unternehmens ebenfalls aufgrund des Mindestlohns gestoppt worden. 5.4 Lobbyorganisationen Insbesondere im Bereich der Wettbewerber der DPAG findet sich eine Fülle von Akteuren, die für die Liberalisierung der Märkte eintritt. Bundesverband internationaler Express- und Kurierdienste e. V. (BIEK) Im BIEK (www.biek.de) sind führende Anbieter für Kurier-, Express- und Paketdienste in Deutschland organisiert - DPD, FedEx, GLS, GO!, Hermes Logistik, TNT, UPS. Innerhalb des BIEK besteht ein Ausschuss „Post & Regulierung“. Der BIEK setzt sich für faire Wettbewerbsbedingungen im Postmarkt ein. Im Ausschuss werden Wege und Möglichkeiten ausgelotet, Verbesserungen in der Postmarktregulierung voranzutreiben. Den BIEK Vorsitz hat RA Dr. Ralf Wojtek inne. Deutscher Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation e.V. Der Deutsche Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation e. V. (www.dvpt.de) wurde 1968 als Verband der Postbenutzer e. V. gegründet und 1997 umbenannt in Deutscher Verband für Post und Telekommunikation e. V. Um den veränderten Bedingungen moderner Kommunikation in Unternehmen gerecht zu werden, wurde 2006 die Informationstechnologie als weiterer Schwerpunkt der Verbandstätigkeit in die Satzung und den Namen mit aufgenommen. Der DVPT engagiert sich heute für ca. 1000 Geschäftskunden-Mitglieder. Er tritt ein für die Deregulierung und einen wettbewerbsorientierten Markt und insbesondere für • eine nachhaltige Reduzierung des Briefmonopols der DPAG, • die Abschaffung wettbewerbsverzerrender Regelungen im Postrecht, • den Abbau bestehender Benachteiligung der mittelständischen Wirtschaft sowie • eine quantitative und Verbraucherversorgung. qualitative Verbesserung der flächendeckenden Den Vorstand des DVPT bilden Elmar Müller und Manfred Rühl. Bundesverband Deutscher Postdienstleister e.V. (BvDP) Der Verband (www.bvpt.de) begreift sich als die Interessenvertretung aller Postdienstleister, die direkt oder indirekt einen Beitrag zur gesamten postalischen Wertschöpfungskette leisten. Dabei richtet er sich konsequent auf die Anforderungen der globalisierten und liberalisierten Postmärkte aus. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 21 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Der BvDP sichtet und koordiniert die branchenübergreifenden politischen, wirtschaftlichen und technologischen Themen. Er nimmt dabei die Interessenlagen der Unternehmen auf und führt sie zu gemeinsamem Handeln. Geschäftsführer ist Herr Eugen Pink. Zu seinen Mitgliedern zählt im Unterschied zu den o. g. Organisationen auch die Deutsche Post AG. Verbraucherzentrale Bundesverband Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (www.vzbv.de) ist die Dachorganisation der 16 Verbraucherzentralen der Länder sowie von 25 verbraucherpolitisch orientierten Verbänden. Der vzbv vertritt die Interessen der Verbraucher gegenüber Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft und stellt Informationen zu Verbraucherschutz, Verbraucherpolitik und Verbraucherrecht zur Verfügung. Innerhalb des vzbv ist Herr Michael Bobrowski als Referent Telekommunikation, Post, Medien zuständig. Der vzbv vertritt die Position, dass die PUDLV und die darin enthaltenden Kriterien für den Universaldienst unverändert auch nach 2008 beizubehalten ist. 5.5 Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) WIK (www.wik.org) wurde im Jahre 1982 als Ideenschmiede des damaligen Postministeriums gegründet. Nach der Privatisierung hat sich das WIK zum bedeutendsten Forschungs- und Beratungsinstitut für Kommunikationsdienste in Deutschland entwickelt. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit stehen regulierungs- und ordnungspolitische Fragestellungen in den Bereichen Telekommunikation, Post, Medien und Informationstechnologie. Neben die öffentliche Grundlagenforschung ist die Auftragsforschung getreten. Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich das WIK verstärkt auch internationalen Einrichtungen (z.B. EUKommission, Weltbank, ausländische Regulierungsbehörden) und privaten Auftraggebern geöffnet. Durch die Gründung der WIK-Consult GmbH Anfang 2001 wurde dieser Bereich ausgebaut. WIK hat in den letzten Jahren (vgl. auch Literaturliste) maßgebliche Gutachten zur Vorbereitung der Liberalisierung der Postmärkte u. a. für die EU-Kommission erstellt. In der Abteilung Post & Logistik arbeiten fünf Volkswirte unter der Leitung von Herrn Alex Dieke. Getragen wird das WIK durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik begleiten im Aufsichtsrat und in den Wissenschafts- und Wirtschaftsbeiräten mit ihrem Know-how aktiv die Arbeit des WIK. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 22 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen 6. Die räumliche Dimension der Bereitstellung von Leistungen und Angeboten des Postwesens 6.1 Rechtliche Grundlagen Mit Blick auf das ROG findet sich nur ein sehr allgemeiner Bezug zum Postwesen. In § 2 Nr. 4 Satz 3 ROG wird als Grundsatz der Raumordnung normiert: „Die soziale Infrastruktur ist vorrangig in Zentralen Orten zu bündeln“. Daraus lässt sich ableiten, dass stationäre Postdienstleistungen prioritär dort vorzuhalten sind. Die PUDLV als fachgesetzliche Rechtsnorm ist im Gegensatz dazu hier erstaunlich konkret, da unter Bezugnahme auf das ZOS eine Mindestversorgungsdichte für Brief- wie für Paketdienstleistungen normiert wird. Gemäß § 2 Abs. 1 gelten die folgenden Qualitätsmerkmale: • Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein. Die Anforderung nach Satz 1 wird bis zum 31. Dezember 2007 unter Berücksichtigung der Nachfrage überprüft. 1 • Bis zum 31. Dezember 2007 müssen mindestens 5.000 stationäre Einrichtungen mit unternehmenseigenem Personal betrieben werden. • In Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern und Gemeinden, die gemäß landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben, ist grundsätzlich zu gewährleisten, dass in zusammenhängend bebauten Gebieten eine stationäre Einrichtung in maximal 2.000 Metern für die Kunden erreichbar ist. • In allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern muss mindestens eine stationäre Einrichtung vorhanden sein; dies gilt in der Regel auch für Gemeinden, die gemäß landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben. Zudem muss in der Fläche in jedem Landkreis je 80 km² eine stationäre Einrichtung vorgehalten werden. 2 Neben der PUDLV ist auch die Selbstverpflichtungserklärung der DPAG zu nennen, die diese am 25.4.2004 eingegangen ist, um einer Novelle der PUDLV zuvorzukommen. Dabei hat sich die DP AG bereit erklärt, in allen zusammenhängend bebauten Gebieten mit mehr als 2.000 Einwohnern eine stationäre Einrichtung vorzuhalten. Dies war erforderlich geworden, weil aufgrund der kommunalen Gebietsreformen zunehmend Ortsteile in der Größenordnung von 2 – 4.000 Einwohnern entstehen, die durch das Netz der o. g. Kriterien der PUDLV fallen. Diese Selbstverpflichtung stößt durchaus auch auf Kritik von Seiten der Wettbewerber. So wird moniert, dass es keinerlei Sanktionsmöglichkeiten im Fall eines Verstoßes gäbe (vgl. Müller 2004). Seitens der Kommunen wird zudem die mangelnde Beteiligung der Betroffenen 1 Diese Überprüfung hat zu keiner Veränderung geführt. 2 Der Umfang der Universaldienstleistungen wurde mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Postgesetzes in 2002 ausgedehnt. Nach dieser Änderung war die Deutsche Post AG verpflichtet, in allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern eine stationäre Einrichtung einzurichten. Außerdem muss in allen Landkreisen mindestens je Fläche von 80 km2 eine stationäre Einrichtung vorhanden sein. Um diese Vorgaben zu erfüllen, hatte die Deutsche Post AG 328 zusätzliche Filialen einzurichten. (vgl. Monopolkommission 2005, S. 21) Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 23 von 37 Sonderexpertise: Postwesen bei Änderungen moniert, die die Inhalte der Verpflichtung betreffen, wie die Schließung einer Filiale. Im Jahresbericht 2006 kündigt die Bundesnetzagentur an (vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 27), dass die Regelungen der Selbstverpflichtung künftig direkt in die PUDLV übernommen werden sollen. Unter Bezug auf § 34 BauGB wird in § 2 Abs. 2 und 3 weiterhin verlangt, dass Briefkästen so ausreichend vorhanden sein müssen, dass die Kunden in zusammenhängend bebauten Wohngebieten in der Regel nicht mehr als 1.000 Meter zurückzulegen haben, um zu einem Briefkasten zu gelangen. Ferner hat sich die DPAG im Rahmen der o. g. Selbstverpflichtung erstmals bereit erklärt, eine bestimmte Anzahl von Briefkästen bereitzustellen (konkret: 109.778 bundesweit zum 31.12.2006,vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 27). Dies ist allerdings ausdrücklich an die Laufzeit der Exklusivlizenz geknüpft, die Ende 2007 ausläuft. Für den Zeitraum danach wird eine neue Regelung gefunden werden müssen, die noch offen ist. Die Zustellung von Briefen muss mindestens einmal werktätig erfolgen. 80% der Sendungen müssen im Jahresdurchschnitt am nächsten Werktag, 95% am übernächsten zugestellt werden – flächendeckend und zwar gemäß § 6 Abs. 3 unter Anwendung eines Einheitstarifes ohne Rücksicht auf die realen Kosten im Einzelfall. Von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Paketen müssen gemäß § 3 Abs. 2 im Jahresdurchschnitt mindestens 80 von Hundert bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden. In ihrem Tätigkeitsbericht von Dezember 2005 hat die Bundesnetzagentur (vgl. Bundesnetzagentur 2005, S. 291) übrigens empfohlen, die Mindestzahl von 12.000 Postfilialen zu streichen, da diese entbehrlich sei, wenn über eine Modifizierung des Flächenkriteriums innerhalb einer Fläche von 80 km² mindestens eine Postfiliale vorhanden sein müsse. Zudem wurde empfohlen, den Begriff „Gemeinde“ durch einen anderen Begriff (z. B. „Ort“) zu ersetzen, der die innerhalb einer geschlossenen Bebauung wohnenden Bürger umfasst, um auf diese Weise die Problematik der unselbstständigen Ortsteile zu lösen. Davon abgesehen gelte es, den Leistungsumfang des mobilen Postservice zu präzisieren. Schließlich wird auch Regelungsbedarf dahingehend gesehen, eine Mindestzahl von Briefkästen, die sich am derzeitigen Bestand orientiert, festzulegen. Im Hinblick auf die Beschäftigung von 400 €-Kräften als „unternehmenseigenes Personal“ erfüllt die DPAG zwar den Wortlaut, aber nicht den Geist der Verordnung, die den klassischen, voll ausgebildeten Postbediensteten im Sinne hatte (§ 2 Nr. 1 Satz 3 PUDLV). Allerdings ist für die Netzagentur kein sachlicher Grund dieser Restriktion erkennbar und wird dessen Streichung empfehlen. Dies sieht der Bundesverband der Postagenturnehmer freilich anders und verweist darauf, dass es sich in der Regel um Beschäftige in Quelle-Agenturen handelte, die maximal 12 Stunden/Woche von der DPAG bezahlt werden und eine als eigene Postfiliale deklarierte Einrichtung für etwa 2 Stunden/Tag öffnen (vgl. Modery 2004). Hier nütze die DPAG die Lücke in der PUDLV, die keine konkreten Mindestöffnungszeiten vorschreibt; die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes „nachfragegerecht“ habe des Öfteren zu Auslegungsproblemen geführt (vgl. Ritter 2004). Der Postagenturnehmerverband fordert hier übrigens 22 Stunden/Woche als Minimum (vgl. Modery 2004). Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 24 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen 6.2 Vertriebsformen der DP AG Die bestehenden stationären Einrichtungen unterscheiden sich durchaus hinsichtlich ihres Angebotes und ihrer Rechtsform. Folgende Vertriebsformen sind hier zu nennen: • Konzerneigene Filialen werden mit eigenem Personal betrieben und zeichnen sich durch mehrere Schalter und ein umfassendes Dienstleistungsangebot inklusive Postbankdienstleistungen aus. Eine Sonderform der konzerneigenen Filialen sind CenterFilialen. Mit den Center-Filialen spricht die Post neben Privatkunden insbesondere auch Geschäftskunden an. Neben den kompletten Post-Produkten gibt es auch Papeterie-Artikel sowie Produkte und Leistungen im Bereich der Telekommunikation. Davon bestehen ca. 750 bundesweit. Nach Auslaufen des § 2 Abs. 1 Satz 2 PUDLV hat die DP AG am 13.6.2008 angekündigt, bis 2011 alle verbleibenden 750 Filialen in Postagenturen bzw. PostPoints umzuwandeln. • Partnerfilialen (früher Postagenturen) werden von lokalen Kooperationspartnern (meistens Einzelhändler) im Auftrag der Post betrieben. Sie bieten alle wesentlichen Postdienstleistungen (Annahme und Ausgabe von Briefen und Paketen, Verkauf von Briefmarken etc.) sowie die grundlegenden Bankdienstleistungen (Eröffnung sowie Einund Auszahlungen von Sparbüchern und Girokonten der Postbank) an. • Post-Service-Filialen, die mit unternehmenseigenem Personal (aber in der Regel nur von 400€ -Kräften) betrieben werden, bieten die Postdienstleistungen an, die nach der PUDLV zur Aufrechterhaltung der Universaldienste angeboten werden müssen. Hierzu gehören die Annahme von Briefen und Paketen, aber auch Einschreibesendungen, Nachnahmen, Eilsendungen, Auslandssendungen usw.; Bankdienstleistungen werden nicht angeboten. Pakete werden nicht gelagert und können hier nicht abholt werden. Diese kleinsten Filialen der Deutschen Post finden sich in lokalen Einzelhandelsgeschäften (Shop- imShop-Konzept). Ihre Öffnungszeiten sind sehr eingeschränkt. • PostPoints bieten ein postalisches Basisangebot und rangieren außerhalb des vorgegebenen Leistungsangebotes der PUDLV als ein zusätzliches Angebot der DP AG. Ähnlich wie Postagenturen werden auch Post-Points von Fremdpersonal betrieben; Service und ggf. Öffnungszeiten sind eingeschränkt. POST-Points bieten selbstklebende Briefmarken, bereits frankierte Umschläge, Päckchen, Packsets und Paketmarken und nehmen frankierte Briefsendungen und freigemachte Päckchen und Pakete sowie Retouren an. • Der Mobile Post-Service wird schließlich in allen Gemeinden angeboten, in denen keine stationären Einrichtungen mehr bestehen. Beim mobilen Post-Service können Briefmarken und Telefonkarten erworben und Pakete aufgegeben werden. Postbank-Leistungen sind nicht möglich. Mobile Lösungen (sog. „MOPS“) werden nach derzeitiger Rechtslage ansonsten von der Bundesnetzagentur an Orten, an denen eine stationäre Einrichtung vorzuhalten ist, nur für bis max. 90 Tage als Übergangslösung zwischen Schließung einer Filiale und Betriebsaufnahme einer Agentur akzeptiert. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 25 von 37 Sonderexpertise: Postwesen 6.3 Räumliche Verteilung der stationären Einrichtungen in der Fläche Nach Integration der Deutschen Post der DDR verfügte die Deutsche Bundespost 1997 über etwa 22.000 stationäre Einrichtungen (Maschke 2004). Zum 31.12.2006 besaß die DPAG noch 12.628 stationäre Einrichtungen, wovon 5.566 eigene Filialen (von denen allerdings 3.800 nur mit Teilzeitpersonal betrieben werden) und weitere gut 7.000 Postagenturen sind (vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 27). Mithin wurden insgesamt etwa 47% der Einrichtungen abgebaut, aber bezogen auf die ehedem komplett eigen betriebenen Einrichtungen hat sogar eine Reduktion um 75% stattgefunden. Zum Stichtag 12/2005 (Stand der georeferenzierten Daten) bestanden 12.414 rechtlich selbständige Städte und Gemeinden in Deutschland, auf die insgesamt 12.976 stationäre Einrichtungen der DP AG entfielen. Dass von den in § 2 Abs.1 PUDLV normierten Kriterien die zentralörtliche Einstufung die Wichtigste ist, wird mit Blick auf die Verteilung dieser Einrichtungen zum o. g. Stichtag deutlich: Der Standort von 9.696 bzw. 75% dieser 12.976 Einrichtungen liegt in zentralen Orten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die übrigen Kriterien der PUDLV sowie die freiwillige Selbstverpflichtung den Standort von etwa 2.000 weiteren Filialen sichern und mithin keineswegs leer laufen. Dies berücksichtigt die Aussage von Herrn Maschke, dass die DP AG lediglich über 1.000 Standorte nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien befinden könne. Im Übrigen kann die Aussage der Bundesnetzagentur, alle Zentralen Orte verfügten tatsächlich über mindestens eine stationäre Einrichtung, als weitestgehend bewährt gelten. In den Daten fanden sich zwar 19 Zentrale Orte bzw. deren Teile, die zum Stichtag über keine Einrichtung verfügten, doch hat ein schneller Blick auf die webside „yellowmap“ der DP AG mit Ausnahme von sechs Orten ein oder sogar mehrere Filialen ausgewiesen. Von diesem wiederum ist einer davon (Brunau) lediglich Teil eines gemeinsamen Grundzentrums, womit die Bestimmungen der PUDLV erfüllt sind, da der andere Teil, Fleetmark, über eine Filiale verfügt. Für die fünf anderen konnte zumindest ohne nähere Nachforschungen keine Klärung herbeigeführt werden, doch ist angesichts der extrem geringen Anzahl zu vermuten, dass auch hier Erklärungen möglich sind (z. B. der zwischenzeitliche Verlust der gemeindlichen Selbständigkeit). Blickt man auf die Verteilung der Filialen auf die einzelnen Stufen des Zentrale Orte Systems, so wird zunächst sichtbar, dass sich mit 58% rein quantitativ immer noch die Mehrzahl der Filialen in Grund-, Klein, Unterzentren sowie Orten ohne zentralörtliche Einstufung befindet: Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 26 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen Abbildung 1: Verteilung der Filialen auf die einzelnen Stufen des Zentrale Orte Systems Anzahl Filialen pro Stufe 3500 3281 3000 2607 2385 2500 2004 2000 1527 1500 1000 500 242 136 41 199 226 183 18 3 124 O Te be rz il ei en ne tru s m O be m r Te ög ze nt l ic il ei ru h ne es m s s O m b er ög ze li c nt he ru n m O be rz en tru m M s Te i tt e il l z ei en ne tru s m M i t te m lz ög Te en l ic il tru ei h es ne m s s M m i t te ög lze li c nt he ru G n m ru M Te nd i t te il z lz ei en en ne tru tru s m G m /U m ru s nt ög nd e l ic ze rz he en nt s ru tru G m m ru /U nd nt ze er ze nt ru nt ru m /U m nt er ze nt ru m Kl e Te in ze il ei nt oh n ru ne es m K ze le nt in ra ze lö nt rt l ru ic m he E in st uf un g 0 zentralörtliche Stufe Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage einer BBR-Auswertung Dieses Bild relativiert sich natürlich, wenn die Anzahl der Filialen pro Ort berücksichtigt wird, was anhand der folgenden Abbildung verdeutlicht wird: Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 27 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Abbildung 2: Anzahl der Filialen pro Ort Durschnittl. Anzahl von Filialen je zentralörtlicher Stufe 25 21,5 20 15 10,1 10 5 5 3,7 3,2 2 1,7 1,2 1,8 1,3 1 1,3 1,1 0,4 ei ne s m ög ög lic m Te il lic en he tru n G m M ru Te it t n el dz il z ei en en ne tru tru s m m G /U s ru m nd nt ög er ze lic ze he nt nt ru s ru m G m /U ru nd nt er ze ze nt nt ru ru m m /U nt er ze nt ru m Kl e Te in ze il ei nt oh ne ru ne s m K ze le nt in ra ze lö nt rtl ru ic m he Ei ns tu fu ng m s it t el z he s M es ei n il M itt e lz en tru en tru m s itt el z M en tru m Te m ög l ich en es ög lic h ei ne s Te il O be rz ru m s m O be rz en t rz en tru be m Te il ei ne s O O be rz en tru m 0 Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage einer BBR-Auswertung So liegen zwar „nur“ 2004 Filialen in vollwertigen Oberzentren, doch sind dies bei lediglich 93 Städten immerhin durchschnittlich 21,5 Standorte. Plausibel ist auch das Ergebnis, dass sich die Anzahl der Filialen pro Ort immer mehr dem sich aus § 2 Abs. 1 PUDLV ergebenden Mindestkriterium von einer Filiale annähert und bei Teilen eines Kleinzentrums den Wert 1,1 erreicht und bei Orten ohne Zentralität mit 0,4 deutlich unterschreitet. Doch die Abbildung birgt noch mehr interessante Erkenntnisse: Sie ist ein Indiz dafür, dass die Sonderformen des ZOS in der Regel eher auf normative Aussagen, denn auf deskriptive Kriterien zurückgehen. Sowohl Teile eines möglichen Oberzentrums, möglichen Mittelzentrums bzw. deren Teile als auch mögliche Grund- oder Unterzentren weisen jeweils weniger Filialstandorte auf, als die jeweils darunter liegende vollwertige Stufe Mittel-, Grund- bzw. Kleinzentrum im Durchschnitt vorzuweisen hat. Neben dem hier skizzierten bundesweiten Überblick über die Verteilung stationärer Einrichtungen im Verhältnis zum Zentrale Orte System wird im Folgenden exemplarisch am Beispiel des Landkreises Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) untersucht, wie sich die räumliche Situation in dünn besiedelten Regionen konkret darstellt. Der Landkreis besitzt auf einer Fläche von 1.576,7 km² 101.092 Einwohner (31.12.2006). Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt dabei 64,1 EW/km². Der Kreis besteht aus sieben Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 28 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen Verwaltungseinheiten (vier Verwaltungsgemeinschaften und drei Einheitsgemeinden) bzw. über 50 Gemeinden, wie die folgende Karte illustriert: Abbildung 3: Verwaltungsstruktur Landkreis Jerichower Land Quelle: Landkreis Jerichower Land. Innerhalb dieses Gebietes bestanden zum 1.5.2007 neun vollwertige Filialen der DP AG, sieben Service Filialen, sieben Postagenturen sowie 14 Hermes Paketshops. Weitere private Wettbewerber treten bisher nicht auf. Seit 1998 sind fünf Filialen, eine Service-Filiale sowie ein Hermes Paketshop weggefallen. 3 Daraus ergibt sich das folgende Bild: 3 Ergebnis einer Befragung aller Verwaltungseinheiten durch den Landkreis. Stand 1.5.2007 Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 29 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Abbildung 4: Verteilung der Filialen im LK Jerichower Land Quelle: Eigene Darstellung Deutlich wird an den oben stehenden Darstellungen erneut, dass die PUDLV eingehalten wird. Die linke Abdeckung stellt die Kriterien Einrichtungen in zentralen Orten sowie Orten mit mehr als 2.000 Einwohnern dar. Die rechte verdeutlich, dass das Kriterium, pro 80 km² eine Einrichtung vorzuhalten, wichtig zum Auffangen der Versorgung in zentrenfernen Räumen ist (die größere Lücke im Südosten ist ein Sperrgebiet). Ersichtlich ist auch, dass sich die Reduzierung des Filialnetzes primär dort vollzogen hat, wo ohnehin eine Mehrfachversorgung vorlag bzw. auch weiterhin vorliegt. Interessant ist schließlich die Beobachtung, dass sich Hermes, obwohl in der Summe inzwischen bundesweit vergleichbar viele Shops wie Postfilialen bestehen, auf die einträglicheren Zentren zu konzentrieren scheint und in Kleinstgemeinden nicht vertreten ist. 6.4 Bewertung Es steht außer Frage, dass die gegenwärtigen Vorgaben der PUDLV von der DPAG eingehalten und der Bundesnetzagentur überprüft werden. Freilich darf nicht verhehlt werden, dass es weiterhin Lücken in der PUDLV gibt. So wird nicht zu Unrecht moniert, dass es Gemeinden gebe, in denen auch unter 2.000 Einwohnern und ohne zentralörtlichen Status einen erheblichen Bedarf an Postdienstleistungen - etwa aus dem Tourismus – gibt. Zudem werden eine Reihe von Postagenturen mittlerweile durch die betroffenen Gemeinden selbst getragen; insbesondere in Fällen, in denen diese nur defizitär betrieben werden können (vgl. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 30 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen Sonnenschein 2004). Mithin findet eine Art Sozialisierung der Kosten des Universaldienstes über Steuern statt, die so nicht gewollt ist. Zudem ist die PUDLV in gewisser Weise innovationsfeindlich, da ein Status Quo festgeschrieben wird, obwohl sich das, was als „unabdingbar“ für die Daseinsvorsorge anzusehen ist, dynamisch im Zeitverlauf ändert und an technische Entwicklungen anzupassen ist. So wird von der Netzagentur weniger streng auf die Anbietung bzw. Einhaltung bestimmter Leerungszeiten für Postkästen zur Gewährleistung der Teilnahme am nächtlichen Umlauf geachtet, da zeitgebundene, eilige Nachrichten heute häufig per E-mail erfolgen. Insgesamt kann trotz des fortschreitenden Abbaus stationärer Einrichtungen und teilweise eingeschränkter Öffnungszeiten aber nicht davon gesprochen werden, dass die „flächendeckende angemessene und ausreichende Dienstleistung“ im Sinne von Art 87f GG gefährdet wäre. So lautet auch die jüngste Einschätzung der Bundesnetzagentur (vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 27). Dies gilt auch nicht speziell für den ländlichen, schrumpfenden Raum. Mit Blick auf eine Konsumentenbefragung aus dem Jahre 2004 wird deutlich, dass dies auch die Kunden selber so nicht wahrnehmen, da keine signifikant schlechteren Bewertungen für Kunden aus Orten mit unter 5.000 Einwohnern zu verzeichnen waren, wenngleich der Anteil der Unzufriedenen überall recht hoch ist: Abbildung 5: Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit von Postfilialen nach Ortsgröße Quelle: WIK Consult 2004, S. 53. „5“ steht für „sehr zufrieden“; „1“ für „sehr unzufrieden“. In jedem Fall ist aber davon auszugehen, dass die Daseinsvorsorge auch nach vollständiger Liberalisierung des Postmarktes in der Fläche gesichert bleibt; zumindest bei Beibehaltung der PUDLV. Dies ist auch der Stand vom August 2008. Allerdings findet weiterhin kein wirklicher Wettbewerb statt, sondern kommt der DP AG für Universaldienstleistungen auch ohne Exklusivlizenz im wettbewerbsrechtlich liberalisierten Markt eine marktbeherrschende Stellung zu – nicht zuletzt aufgrund des Post-Mindestlohns, den offenbar nur die DP AG Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 31 von 37 Sonderexpertise: Postwesen aufgrund ihrer fortbestehenden Wettbewerbsvorteile (Mehrwertsteuerbefreiung, günstigere betriebswirtschaftliche Kostensstruktur aufgrund der bestehenden Verbundvorteile zwischen der Briefeinsammlung und der Zustellung sowie zwischen der Brief- und Paketzustellung) trägt. Für die Sicherung der Daseinsvorsorge bleibt gleichwohl unbeachtlich, wie es um den Wettbewerb bestellt ist. Solange die PUDLV fortbesteht, darf die flächendeckende Versorgung mit Postuniversaldienstleistungen als gesichert gelten. Die Rolle der Wettbewerber auf dem Briefmarkt bleibt also im ländlichen Raum eher gering und damit auch ihre mögliche Substitutionsfunktion. Da die DPAG sich aber weiterhin nicht aus der Fläche zurückziehen will, spielt dies auch keine große Rolle für die Sicherung der Daseinsvorsorge. Nach eigenen Angaben könnte daran nur der massive Verlust von Marktanteilen etwas ändern. In diesem Fall müsste sich zeigen, ob die in den §§ 15,16 PostG vorgesehene Ausgleichsleistung bzw. Ausgleichsabgabe (Vgl. dazu Kap. 4.2) effektiv greift, was gegenwärtig nicht abschließend beurteilt werden kann. Anders stellt sich die Lage auf dem Paketmarkt dar, wo ein scharfer Wettbewerb herrscht und die Präsenz der Hermes Shops in der Fläche eher zu einer Verbesserung des Angebotes geführt hat. Problematisch ist weiterhin eher die Situation der Empfänger, doch hier greifen die Vorgaben der PUDLV bisher nicht, was sich allerdings mit deren Novelle wohl ändern wird. Aus Sicht der Kunden wird häufig Post mit Postbank vermischt; ist eher der Wunsch, eine Postbankfiliale in der Nähe zu haben ausschlaggebend für Proteste. Bankdienstleistungen fallen jedoch nicht unter die PUDLV, wenngleich sie sicherlich relevant sind für die Sicherung der Daseinsvorsorge. Ein Steuerungsanspruch analog zu Postdiensten besteht aber nicht und kann auch nicht begründet werden, da auf dem Bankenmarkt ein funktionierender Wettbewerb herrscht. Insgesamt sind bereits etwa 11.000 Filialstandorte über die Kriterien der PUDLV sowie der freiwilligen Selbstverpflichtung definiert, was den betriebswirtschaftlichen Handlungsspielraum des Unternehmens stark einschränkt. Hier muss man sich fragen, ob dies noch zu rechtfertigen ist. Ähnlichen Bindungen sehen sich jedenfalls die anderen privatisierten ehemaligen Staatsbetriebe Deutsche Telekom, Postbank oder auch die DB AG nicht ausgesetzt, obwohl auch deren Tätigkeitsfelder unstrittig relevant sind für die Daseinsvorsorge. Natürlich besteht ein legitimes raumordnungspolitisches Interesse daran, Postfilialen in zentralen Orten zu halten, doch muss die Kosten dafür ein privates Unternehmen tragen? Nach Auslaufen von Exklusivlizenz und Mehrwertsteuerbefreiung entfällt dafür eigentlich die Rechtfertigungsgrundlage. Es müsste daher diskutiert werden dürfen, ob es dem Staat nicht finanziell etwas wert sein müsste, Zentralität über stationäre Einrichtungen des Postwesens zu erhalten. Im Hinblick auf die räumlichen Steuerungsmöglichkeiten lässt sich aus dem empirischen Befund folgern, dass eine Straffung des ZOS negative Auswirkungen auf die Dichte von Postdienstleistungen zumindest in Orten unter 2.000 Einwohnern haben kann. Vor diesem Hintergrund ist es eine spannende Frage, welche Auswirkungen der komplette Verzicht auf die Festlegung von Grundzentren in Brandenburg haben wird. An dieser Stelle wird allerdings auch deutlich, dass eine Orientierung am ZOS problematisch ist, da keine Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 32 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen bundeseinheitlichen Kriterien dafür existieren, was ein zentraler Ort ist bzw. was er mindestens zu erfüllen hat. In der Konsequenz ist die DPAG völlig losgelöst von Rentabilitätskriterien und, aus Sicht der Daseinsvorsorge schlimmer, auch nur sehr bedingt an der faktischen Nachfrage orientiert, gezwungen, etwa in Bayern ein sehr dichtes Filialnetz aufrecht zu erhalten (Bayern sieht neben Klein- sogar noch Unterzentren vor), während in Brandenburg womöglich einem Rückzug Tür und Tor geöffnet ist. In der Diskussion ist wie bereits erwähnt die Ablösung der bestehenden, auf eine bestimmte Anzahl von stationären Einrichtungen ausgerichteten Vorgabe durch Entfernungskriterien. Im Übrigen könnte eine Flexibilisierung der PUDLV im Hinblick auf die Zulassung alternativer Angebotsformen wie den MOPS anstelle einer stationären Einrichtung durchaus auch im Sinne der Kunden sein. So weit zu gehen, wie es die DPAG gerne hätte, d. h. völlig auf Vorgaben zu stationären Einrichtungen zu verzichten, dürfte nicht zielführend sein; insbesondere nicht für die Empfänger von Postdienstleitungen (Abholproblem bei Abwesenheit in dünn besiedelten Räumen). Auch die DPAG stellt die Relevanz bzw. den Steuerungsanspruch des ZOK generell in Frage. Es wird argumentiert, dass sich die Kundennachfrage nicht an der zentralörtlichen Funktion einer Gemeinde orientiere. Überhaupt käme es im Kern doch darauf an, dass Universaldienste „nachfragegerecht“ angeboten werden und über die räumliche, zeitliche und inhaltliche Nachfrage sei die DPAG bestens informiert. Darüber hinaus sei keine Normierung bestimmter Angebotsformen erforderlich, womit es offen bleiben bzw. der DPAG überlassen würde, ob das Angebot über eine stationäre Einrichtung mit eigenem Personal, einer Postagentur, einem reduzierten Service („Postpoint“) oder nur mobil („MOPS“) erfolgen würde (vgl. Interview mit den Herren Maschke ,Bodenbach, 30.3.2007). Die DP AG strebt folgerichtig eine Verlagerung ihrer Einrichtungen aus den Ortskernen in die großen Einkaufszentren an, weil sie so näher am Kunden sein würde. Freilich ist hier ein Konflikt zwischen Kundeninteressen und dem raumordnungspolitischen Wunsch nach Bündelung von Infrastruktur offensichtlich. Die gegenwärtige Verlagerungstendenz könnte zudem gerade in Grund- und Mittelzentren mit der Anforderung in Konflikt geraten, dass in zusammenhängend bebauten Gebieten eine stationäre Einrichtung in maximal 2.000 Metern für die Kunden erreichbar sein muss, da dies für eine im Zentrum eines Ortes gelegene Einrichtung leichter zu erfüllen ist, als mit einer Randlage. Bei einer Umstellung auf eine reine Orientierung an der Erreichbarkeit könnte hier Steuerungswirkung verloren gehen. Das ZOS würde als Steuerungsgröße aber auch nur bedingt weiterhelfen, nämlich nur dann wenn die Landesplanung eine Funktionszuweisung nicht an eine Gemeinde als Gebietskörperschaft in Gänze, sondern nur an bestimmte Siedlungskerne vergibt. Andernfalls würde auch eine Einrichtung „auf der grünen Wiese“ kriterienkonform sein. Zudem müsste sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, zentrale Versorgungsbereiche festzulegen und die Auffassung vertreten, dass Postdienste zu den zentrenrelevanten Dienstleistungen zählen, was allerdings mit Blick auf vorhandene Ausstattungskataloge für die Festlegung zentraler Orte ebenso nahe liegt. Demnach zählt eine Postfiliale zur Grundversorgung (vgl. z. B. LEP Hessen 2000). Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 33 von 37 Sonderexpertise: Postwesen Freilich wäre mit einem reinen Entfernungskriterium ein weiteres Problem verbunden: Die Einrichtungen wären mehr oder weniger dispers im Raum verteilt, womit die raumordnerisch beabsichtigte Konzentration der Daseinsvorsorge in Frage gestellt wäre. Allerdings muss einschränkend gesagt werden, dass die Orientierung von stationären Einrichtungen des Postwesens an zentralen Orten zwar theoretisch Sinn macht, sich aber aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Zentrale Orte Systeme in den Bundesländern nur bedingt dafür eignet – zumindest solange die Systeme nicht bundesweit deutlich gestrafft sind. Dennoch scheint die bestehende Kombination aus Kriterien, die Zentralität und Erreichbarkeit abbilden, noch am sinnvollsten zu sein, um der Sicherung der Daseinsvorsorge gerecht zu werden. Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Seite 34 von 37 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sonderexpertise: Postwesen 7. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Verteilung der Filialen auf die einzelnen Stufen des Zentrale Orte Systems .....27 Abbildung 2: Anzahl der Filialen pro Ort ...........................................................................28 Abbildung 3: Verwaltungsstruktur Landkreis Jerichower Land............................................29 Abbildung 4: Verteilung der Filialen im LK Jerichower Land ...............................................30 Abbildung 5: Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit von Postfilialen nach Ortsgröße ..............31 Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Seite 35 von 37 Sonderexpertise: Postwesen 8. Literatur Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2002): Das Postwesen im Umbruch – Ziele und Perspektiven der deutschen Postpolitik. Bonn 2002. Bundesnetzagentur (2005): Stellungnahme gemäß § 47 Postgesetz. Bonn Dezember 2005. Bundesnetzagentur (2006): Tätigkeitsbericht 2005. Bonn. Bundesnetzagentur (2007): Tätigkeitsbericht 2006. Bonn. Bundesnetzagentur (2007a): Tätigkeitsbericht 2006/2007 gemäß § 47 Abs. 1 Postgesetz. Lage und Entwicklung auf dem Gebiet des Postwesens. Bonn Bundesnetzagentur (2008): 10. Marktuntersuchung für den Bereich der lizenzpflichtigen Postdienstleistungen. Bonn. Burgi, M. (2007): Kriterien für die Vergabe von Postdienstleistungen im Gewährleistungsstaat. Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Postdienstleister e.V. (BvDP). Ruhr-Universität Bochum 2007. Europäische Kommission (1998): Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität. Amtsblatt Nr. L 015 vom 21.1.1998. 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