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MORO – Forschungsvorhaben:
Sicherung der Daseinsvorsorge und Zentrale Orte Konzepte –
gesellschaftspolitische Ziele und räumliche Organisation in der
Diskussion
Im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)
Sonderexpertise: Postwesen
Arge Prof. Winkel
Stefan Greiving
Wiesbaden 2008
Sonderexpertise: Postwesen
Sonderexpertise: Postwesen
1
1.
Einordnung der Universaldienstleistungen in die Daseinsvorsorge
3
2.
Allgemeine Einführung zur Privatisierung
4
3.
Charakterisierung der Universaldienstleistung Postwesen
5
4.
Analyse von entsprechenden Regelungsstrukturen und deren Inhalte bzw.
der Instrumente zur Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge
7
4.1
4.2
4.3
EU-Rechtsvorschriften für den Postsektor
Nationale Rechtsvorschriften für den Postsektor
Absehbare zukünftige Entwicklung der rechtlichen Regelungen auf dem Postmarkt
5.
Akteure und ihre Interessen im Bereich des Postwesens
18
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
Die Bundesnetzagentur
Die Deutsche Post AG
Wettbewerber der DP AG
Lobbyorganisationen
Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK)
18
19
19
21
22
6.
Die räumliche Dimension der Bereitstellung von Leistungen und Angeboten
des Postwesens
23
6.1
6.2
6.3
6.4
Rechtliche Grundlagen
Vertriebsformen der DP AG
Räumliche Verteilung der stationären Einrichtungen in der Fläche
Bewertung
7.
Abbildungsverzeichnis
35
8.
Literatur
36
7
11
14
23
25
26
30
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Sonderexpertise: Postwesen
1.
Einordnung der Universaldienstleistungen in die
Daseinsvorsorge
Die Sicherung der Daseinsvorsorge kann als zwingende Voraussetzung für die
Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse angesehen werden. Die Schaffung
gleichwertiger Lebensverhältnisse ergibt sich bereits aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3
sowie dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Auf diese Weise soll allen Bürgern die
gleiche Chance zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit gegeben werden.
Auch mit Artikel 16 des EG-Vertrages wurde im Jahr 1997 klar gestellt, dass es Bereiche
nichthoheitlicher Leistungserstellung gibt, die jenseits des marktwirtschaftlichen
Steuerungssystems liegen. Da diese Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und
für den territorialen und sozialen Zusammenhalt der Menschen von Bedeutung sind, haben
die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass diese Dienste funktionieren. Das Weißbuch der
EU-Kommission zur Daseinsvorsorge (EU Kommission 2004) stellt klar, dass es unabhängig
von der Leistungserbringung durch öffentliche oder private Akteure Aufgabe staatlicher
Behörden sei, dafür Sorge zu tragen, dass Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
tatsächlich erbracht werden.
Der Begriff „gleichwertige Lebensverhältnisse“ findet sich auf der Ebene des Bundesverfassungsrechts zudem explizit in Art. 72 Abs. 2 GG. Hier ist diese Bestimmung Teil einer
Regelung über die konkurrierende Gesetzgebung und soll zum Ausdruck bringen, dass
zentralstaatliche Regulierung nur zulässig ist, wenn vorhandene Ungleichwertigkeit sie
„erforderlich macht“. Im Raumordnungsrecht (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 ROG) werden die
gleichwertigen Lebensverhältnisse dagegen zur aktiven Handlungsanweisung, indem sie „in
allen Teilräumen herzustellen“ sind.
Nun ist es verfassungsrechtlich unstrittig, dass diese Standards nicht für alle Ewigkeit
bestehen, sondern immer vor dem Hintergrund der Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft,
aber auch den bestehenden Versorgungsmöglichkeiten (z. B. über das Internet) zu sehen
sind. Insofern ist „Gleichwertigkeit“ kein statischer, sondern ein dynamischer Begriff. Im
Jahre 2002 hat der 2. Senat des BverfG zum Altenpflegegesetz befunden, dass die
konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes (und nur um sie geht es eigentlich in
Art. 72 Abs. 2 GG) nur greift, wenn sich die Lebensverhältnisse zwischen den Bundesländern
so gravierend auseinander entwickelt haben, dass das bundesstaatliche Sozialgefüge
erheblich beeinträchtigt wird oder sich eine solche Entwicklung konkret abzeichnet (vgl.
Kersten 2006a).
Es dürfte also davon auszugehen sein, dass das Bundesraumordnungsrecht die Herstellung
und Aufrechterhaltung „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ als Leitbild der Raumordnung und
der Strukturförderung verpflichtend vorschreibt, aber dem Landesgesetzgeber und der
Landesplanung einen weiten Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zubilligt. Der
Landesplanung kommt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, einerseits sicherzustellen,
dass die kommunalen Gebietskörperschaften ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten zur
Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben haben, und zwar auf der jeweils ihnen
zugewiesenen Zentralitätsstufe in dem durch diese Zentralitätsstufe festgelegten Umfang.
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Gleichzeitig erwächst aus dem Sozialstaatsprinzip auch die Verpflichtung, hinlänglich
leistungsfähige Verwaltungen zur Erbringung von örtlichen Daseinsvorsorgeleistungen zu
unterhalten. Sind Kommunen hierzu nicht in der Lage, kann eine Neuordnung bestehender
territorialer Zuständigkeiten gerechtfertigt sein (Gebietsreform).
Es besteht aber kein Anspruch auf „gleichartige“ Versorgung mit Gütern, Dienstleistungen
und Arbeitsplätzen (was die Raumordnung auch gar nicht leisten könnte). Vielmehr können
für Regionen mit sehr geringem Bevölkerungspotential und reduzierter Nachfrage auch
temporäre, mobile und flexible Infrastruktur-Versorgungsmodelle berücksichtigt werden (vgl.
BBR 2006, S. 14; Blotevogel 2006, S. 16, Hahne 2005, S. 262).
Räumliche Bezugsgröße des ROG sind für die Beurteilung der Gleichwertigkeit die Teilräume
im Sinne der Verflechtungsbereiche zentraler Orte oberster Stufe (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1
ROG) und nicht etwa jeder Punkt bzw. jede Gemeinde in diesem Teilraum (so auch Runkel, §
1 Rn. 83). Gleichwertigkeit bezieht sich auf alle Lebensbereiche und damit zu verbindende
gesellschaftliche (Mindest-)Standards etwa für soziale Infrastruktur. Diese können gerade in
dünn besiedelten Räumen auch in anderer Form angeboten werden (so ausdrücklich auch
Runkel, § 1 Rn. 86).
Dabei stellt sich natürlich die Frage, wer diese Leistungen anbietet und wie im Falle der
Erbringung durch Private die Aufgabenerfüllung sichergestellt wird, um die gesellschaftlich
definierten Standards zu gewährleisten. Dazu ist neben dem ROG und den
Landesplanungsgesetzen der Länder für den jeweiligen Daseinsvorsorgebereich auch die
fachgesetzliche Ebene zu berücksichtigen. Im Folgenden werden diese Fragestellungen am
Beispiel zweier gänzlich unterschiedlicher, aber gleichwohl bedeutsamer Bereiche der
Daseinsvorsorge untersucht: Dem Gesundheits- und dem Postwesen. Während im
Postbereich eine ehedem komplett in staatlicher Aufgabenwahrnehmung befindlicher Bereich
(Deutsche Bundespost) funktional privatisiert worden ist, war und ist das Gesundheitswesen
schon immer durch ein Nebeneinander staatlicher, kommunaler, konfessionsgebundener und
privater Träger im stationären Bereich geprägt gewesen. Der ambulante Bereich wird von
freiberuflich Tätigen dominiert.
2.
Allgemeine Einführung zur Privatisierung
Mit der Entscheidung, bestimmte Teilfunktionen auf Private zu übertragen, verbindet sich für
den Staat die Pflicht, für die Einhaltung der teilweise fortbestehenden rechtlichen Bindungen
und insbesondere für eine erfolgreiche Aufgabenerledigung im Interesse des Gemeinwohls
Sorge zu tragen. An die Stelle des klassischen Ordnungs- und des Leistungsrechts ist somit
das Gewährleistungsrecht getreten, mithin dasjenige Recht, das die Tätigkeit der Verwaltung
als „Ausschreibungsverwaltung“ reglementiert (vgl. Burgi 2007, S. 7).
Rechtswissenschaftlich gesehen existiert dabei kein einheitlicher Privatisierungsbegriff.
Gleichwohl wird gemeinhin zwischen einer formellen und materiellen Privatisierung
unterschieden (vgl. Janssen 2000, S. 53).
Formelle Privatisierung wird auch als Organisationsprivatisierung bezeichnet. Dabei bedient
sich der Verwaltungsträger zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der Formen des
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Privatrechts, d. h. es wird eine Eigengesellschaft gebildet. Dies ist im Rahmen der zweiten
Postreform 1995 vollzogen worden und faktisch bis heute Stand der Dinge, da der Bund
weiterhin einen Teil der Aktien der DP AG hält.
Materielle Privatisierung meint eine Aufgabenverlagerung auf Private und wird auch als
Aufgabenprivatisierung bezeichnet. Dabei trennen sich Hoheitsträger von bestimmten
Aufgaben. Dies ist im Postwesen genau genommen nicht der Fall, da lediglich privaten
Wettbewerbern schrittweise seit 1989 der Marktzugang zusätzlich zur DP AG ermöglicht
worden ist. Als vollständige materielle Privatisierung wird der komplette Rückzug des Staates
aus einer Aufgabe angesehen. Dies ist derzeit und auch zukünftig im Bereich des Postwesens
nicht zutreffend, da zwar nicht die Aufgabendurchführung (erfolgt durch Private), sehr wohl
aber die Aufgabenverantwortung weiterhin zu den Staatsaufgaben gehört (Art. 87 f GG) und
der Markt bzw. die Aufgabendurchführung über die Bundesnetzagentur überwacht bleibt.
Diese Konstruktion stellt im rechtlichen Sinne eine Unterform der materiellen Privatisierung
dar, die als „funktionale Privatisierung“ bekannt ist (Janssen 2000, S. 54).
3.
Charakterisierung der Universaldienstleistung Postwesen
Postdienstleistungen werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die Deutsche Post AG
und andere private Anbieter erbracht (Art. 87f Abs. 2 Grundgesetz). Dennoch besteht ein
verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine flächendeckende angemessene und ausreichende
Dienstleistung, der sich aus dem Gewährleistungsauftrag des Art. 87f GG ergibt. Die
wirtschaftliche Betätigung privater Anbieter ist Ausdruck grundrechtlicher Freiheitsausübung
(Art. 12 GG, Berufs- und Gewerbefreiheit). Danach ist grundsätzlich jedermann berechtigt,
Postdienstleistungen
am
Markt
anzubieten.
Für
das
Erbringen
bestimmter
Postdienstleistungen ist nach dem Postgesetz eine Erlaubnis (Lizenz) erforderlich
(Erlaubnisvorbehalt). Auf die Erteilung einer Lizenz besteht ein Rechtsanspruch, sofern die
Lizenzierungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Anzahl der Lizenzen ist nicht beschränkt. Eine
Lizenz benötigt grundsätzlich, wer Briefsendungen - das sind adressierte schriftliche
Mitteilungen - bis 1000 Gramm gewerbsmäßig für andere befördert, d.h. einsammelt,
weiterleitet oder ausliefert (Lizenzpflicht).
Postdienstleistungen stellen in Deutschland derzeit einen Markt von mehr als 23 Milliarden
Euro dar (vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 114). Auf dem Postmarkt gab es bereits vor
Inkrafttreten des jetzigen Postgesetzes Wettbewerb. Allein der Markt für Kurier-, Expressund Paketdienste, der so genannte KEP-Markt, umfasste 1997 bereits über acht Milliarden
Euro. Mit dem Postgesetz ist 1999 der Wettbewerbsbereich ausgeweitet worden (Zulassung
neuer Lizenznehmer) und beträgt im Jahr 2006 bereits mehr als 75% des gesamten
Postmarktes.
Die Überführung des gesamten Postmarkts in den Wettbewerb ist im Postgesetz bereits
vorgezeichnet: Die gesetzliche Exklusivlizenz der Deutschen Post AG für bestimmte
Postdienstleistungen ist bis zum 31.12.2007 befristet (vgl. auch Kap. 4.2).
Mit Blick auf die Neunte Marktbeobachtung für den Bereich der lizenzpflichtigen
Postdienstleistungen (vgl. Bundesnetzagentur 2006) wird schnell die zunehmende Bedeutung
der Wettbewerber der Deutschen Post AG deutlich: Während ihr Anteil an der
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Gesamtsendungsmenge auf der Exklusivlizenz der DPAG für Sendungen unter 50g bzw.
unter 50 Stück im Jahr 2005 6,7% betrug, war der Marktanteil der Gesamtsendungsmenge
dann 2006 bereits auf 9,3% gestiegen (vgl. Bundesnetzagentur 2007). Im Ergebnis der
Zehnten Marktbeobachtung sind für das Jahr 2007 12,7% Marktanteil zu verzeichnen (vgl.
Bundesnetzagentur 2008). Demgegenüber bemaß sich die Bedeutung der Wettbewerber im
nichtregulierten Wettbewerbsbereich auf 27,4% in 2005 und 32% in 2006 (gegenüber
22,8% in 2004).
Im Jahr 2008 ist aufgrund des Auslaufens der Exklusivlizenz ein weiterer Anstieg der
Bedeutung der Wettbewerber zu erwarten, aber kurz- bis mittelfristig kein auf ein mit dem
bereits vor 2008 geöffneten Wettbewerbsbereichen vergleichbares Niveau (vgl.
Bundesnetzagentur 2007a, S. 48). Die Folgen für die Gewährleistung der Daseinsvorsorge
sind kaum abzusehen, aber aufgrund der Dynamik der Entwicklung dringend
untersuchenswert. Immerhin gibt die Bundesnetzagentur an, dass mittlerweile
flächendeckend Lizenzen für Briefdienstleistungen vergeben worden seien und die
Lizenzdichte auch in strukturschwachen Regionen insbesondere in den neuen Bundesländern
eine Versorgung mit alternativen Anbietern gewährleiste (vgl. Bundesnetzagentur 2007a, S.
46). Konkrete Zahlen über die aktuelle Entwicklung im laufenden Jahr 2008 liegen aber noch
nicht vor.
Im Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Kostensstruktur kann gesagt werden, dass ein
Großteil der Kosten (69%) für die Erbringung zentraler Universaldienstleistungen wie dem
Briefmarkt im Rahmen der Zustellung anfallen, gegenüber 17% bei der Sortierung und
lediglich 13% für die Einsammlung (vgl. Kruse/Liebe 2005, S. 23). Ersterer Wert liegt weit
über dem europäischen Durchschnitt von knapp 50%. Da die Zustellkosten in Deutschland
ohnehin der dominierende Kostenfaktor sind, ist die abnehmende Haushaltsdichte in
ländlichen Räumen besonders kostenträchtig. Zwar liegen für Deutschland keine empirisch
belastbaren Studien vor, doch sind die für andere Länder ermittelten Werte bei gleicher
Bevölkerungsdichte als übertragbar anzusehen. Demnach ist für dünn besiedelte Räume eine
Kostenelastizität von 0,29 gegeben (d. h. bei einer Verdoppelung des Sendungsvolumens
würden die Kosten nur um 29% steigen, während der Wert für urbane Räume 0,57 beträgt)
(vgl. Kruse/Liebe 2005, S. 23). Eine andere Studie im Auftrag der EU-Kommission hat für die
alten EU-Länder im Durchschnitt 6,4% höhere Kosten bei 10% mehr Volumen ermittelt (vgl.
Dodgson/Rodriguez et al. 2004, S. 121-134). Umgekehrt erhöhen sich bei einem
Bevölkerungsrückgang um 10% die Kosten pro Brief um 6,7% (vgl. Kruse/Liebe 2004, S.
38), was die grundsätzliche Problematik der Leistungserbringung in schrumpfenden Räumen
verdeutlicht. Nicht zuletzt aufgrund der höheren Fixkosten ergeben sich in ländlichen
Gebieten daher Verbundvorteile zwischen der Briefeinsammlung und der Zustellung sowie
zwischen der Brief- und Paketzustellung.
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Sonderexpertise: Postwesen
4.
Analyse von entsprechenden Regelungsstrukturen und
deren Inhalte bzw. der Instrumente zur Gewährleistung
der öffentlichen Daseinsvorsorge
4.1
EU-Rechtsvorschriften für den Postsektor
Die Liberalisierung der Postdienste hat auf europäischer Ebene erst im Jahr 1997 mit der
Verabschiedung der EG-Richtlinie 97/67/EG begonnen. Zur Begründung der
Regulierungsnotwendigkeit führte die Kommission Artikel 7a des EG-Vertrags an. Demnach
sind Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes zu treffen. Dieser Markt umfasst
einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen,
Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Außerdem sei die Verwirklichung des
Binnenmarktes im Postsektor für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der
Gemeinschaft von großer Bedeutung, da die Postdienste ein wichtiges Instrument für
Kommunikation und Handel sind. Die Ungleichgewichte im Postsektor wirkten sich nachhaltig
auch auf Sektoren aus, die besonders von den Postdiensten abhängen, und hemmten den
Fortschritt im Hinblick auf den inneren Zusammenhalt der Gemeinschaft, da Regionen mit
Postdiensten von nicht hinreichender Qualität sowohl bei den Brief- als auch bei den
Warensendungen benachteiligt sind. Daher wurden Maßnahmen zur schrittweisen und
kontrollierten Liberalisierung des Marktes und zur Wahrung eines angemessenen
Gleichgewichts bei deren Durchführung für notwendig erachtet, um gemeinschaftsweit das
freie Angebot von Diensten im Postsektor unter Beachtung der Pflichten und Rechte der
Anbieter von Universaldienstleistungen zu gewährleisten. In Folge dessen wurde mit der o.
g. Richtlinie auf Gemeinschaftsebene die Harmonisierung der Rahmenbedingungen im
Postsektor vorangetrieben.
Gleichzeitig hatte die EG aber mit Art. 3 der Richtlinie klargestellt, dass es notwendig sei, auf
Gemeinschaftsebene einen Universaldienst zu gewährleisten, der ein Mindestangebot an
Diensten einer bestimmten Qualität umfasst, die in allen Mitgliedstaaten allen Nutzern zu
tragbaren Preisen unabhängig von ihrem Standort in der Gemeinschaft zur Verfügung
stehen. Dabei legt Art. 3 Abs. 2 fest, dass die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, dafür zu
sorgen, dass „die Dichte der Abhol- und Zugangspunkte den Bedürfnissen der Nutzer
entspricht“. Zudem ist nach Abs. 3 durch den oder die nationalen Universaldienstleister an
allen Arbeitstagen (mindestens fünf Tage pro Woche) eine Abholung und eine Zustellung zu
gewährleisten.
Bezogen auf die Universaldienstqualität legt die Richtlinie 97/67/EG Mindestvorgaben fest. In
Artikel 16 verpflichten sich die Mitgliedstaaten, im Interesse eines hochwertigen Postdienstes
für den Universaldienst Qualitätsnormen festzulegen und zu veröffentlichen. Diese
Qualitätsnormen beziehen sich insbesondere auf die Laufzeiten, die Regelmäßigkeit und die
Zuverlässigkeit der Dienste. Damit soll gewährleistet werden, dass der Universaldienst vom
nationalen Dienstleister in einer bestimmten Qualität erbracht werden muss. Es ist den
Mitgliedstaaten überlassen, darüber hinausgehende Normen für weitere Qualitätsmerkmale
festzulegen.
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Für die grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Postdienste legen der Rat und das
Europäische Parlament die Normen fest. Diese sind im Anhang zur Richtlinie aufgeführt.
Diejenigen Normen, die sich auf die Inlandsdienste beziehen, werden von den
Mitgliedstaaten
definiert
(vgl.
Kap.
4.2).
Für
die
grenzüberschreitenden
innergemeinschaftlichen Postdienste für Standardsendungen der schnellsten Kategorie
bestehen folgende Laufzeitziele:
• 85 % der Sendungen müssen innerhalb von drei Tagen nach Einlieferung (D+3) zugestellt
werden
• 97 % der Sendungen innerhalb von fünf Tagen (D+5).
Ziel des Universaldienstes ist es, allen Nutzern einen leichten Zugang zum Postnetz zu
ermöglichen, indem ihnen insbesondere eine ausreichende Anzahl fester Zugangspunkte und
zufrieden stellende Bedingungen hinsichtlich der Häufigkeit der Abholung und Zustellung
geboten werden. Der Universaldienst muss ferner die Grundanforderung des
ununterbrochenen Betriebs erfüllen. In diesem Zusammenhang wurde in Erwägungsgrund 16
festgehalten, dass die Beibehaltung bestimmter reservierbarer Dienste unter Einhaltung der
Bestimmungen des Vertrags und unbeschadet der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften
gerechtfertigt erscheine, um das Funktionieren des Universaldienstes unter finanziell
ausgewogenen Bedingungen zu gewährleisten. Dies kann als Rechtfertigungsgrundlage für
die Exklusivlizenz angesehen werden, die der DPAG als dem in Deutschland zurzeit einzigen
Universaldienstleister zugestanden worden ist.
Außerdem wurden die Dienstleistungen („nicht reservierten Dienste“) definiert, die neben
einem existierenden Universaldienstleister (z.B. Deutsche Post) von privaten Konkurrenten
erbracht werden dürfen, ohne dabei den besonderen Gemeinwohlverpflichtungen zu
unterliegen (d. h. alles, was nicht in der Positivliste des Art. 3 genannt wird, so z.B.
Briefdienste ausschließlich innerhalb von Großstädten).
Am 10. Juni 2002 haben das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 2002/39/EG
förmlich verabschiedet, durch die die ursprüngliche Postrichtlinie (97/67/EG) geändert
wurde; die Änderungen betreffen die weitere Vorgehensweise zur schrittweisen,
kontrollierten Marktöffnung, ferner die weitere Einschränkung reservierter Bereiche.
Entsprechend der neuen Richtlinie konnten die Mitgliedstaaten lediglich noch die folgenden
Briefsendungen vom Wettbewerb ausschließen:
• ab 1. Januar 2003 Briefsendungen bis 100 Gramm, deren Preis unter dem Dreifachen des
Standardtarifs liegt (dies entspricht einer geschätzten Marktöffnung von 9 %);
• ab 1. Januar 2006 Briefsendungen bis 50 Gramm, deren Preis unter dem
Zweieinhalbfachen des Standardtarifs liegt (dies entspricht einer zusätzlichen geschätzten
Marktöffnung von 7 %).
Des Weiteren ist die gesamte abgehende grenzüberschreitende Post seit dem 1. Januar 2003
für den Wettbewerb geöffnet, was einer zusätzlichen Marktöffnung von 3 % des
Gesamtmarktes entspricht. Ausnahmen hiervon sind dort möglich, wo sie zur
Aufrechterhaltung des Universaldienstes erforderlich sind, also beispielsweise, wenn die
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Einnahmen aus dem grenzüberschreitenden Postverkehr notwendig sind, um den
Universaldienst im Bereich der Inlandssendungen zu finanzieren, oder wo die nationalen
Postdienste eines Mitgliedstaates Besonderheiten aufweisen.
In der Änderungsrichtlinie wurde darüber hinaus der 1. Januar 2009 als provisorisches
Datum für die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste genannt. Dieser Termin muss
allerdings noch im so genannten Mitentscheidungsverfahren durch das Europäische
Parlament und den Rat bestätigt (oder geändert) werden. Gemäß der Richtlinie muss die
Kommission einen diesbezüglichen Vorschlag unterbreiten, und zwar auf Grundlage einer
Studie, die die Auswirkungen der weiteren Marktöffnung auf die Universaldienste der
einzelnen Mitgliedstaaten bewertet.
Die Kommission muss gleichzeitig das Europäische Parlament und den Rat über die
Entwicklung des Binnenmarktes für Postdienste auf dem Laufenden halten. In der Praxis
erfolgt dies alle zwei Jahre durch einen Bericht über die Anwendung der Postrichtlinie, worin
die Kommission insbesondere auf die wirtschaftlichen, sozialen und technologischen
Entwicklungen sowie den Beschäftigungsaspekt und die Qualität der Dienste einzugehen hat.
Am 18.10.2006 hat die Kommission den o. g. Vorschlag unterbreitet (Europäische
Kommission 2006a) und die Postrichtlinie steht vor einer erneuten Novelle. Dabei standen
ursprünglich vier Grundoptionen zur Diskussion (Europäische Kommission 2006d):
1. Kein Legislativvorschlag. In der Folge würde nach Auslaufen der geltenden Richtlinie
zum 31.12.2008 der Postsektor den Bestimmungen von Art. 86 EG-Vertrag
unterliegen, womit jeder Mitgliedstaat reservierte Dienstleistungen und im
Besonderen Universaldienste begründen könnte. Diese Option wurde aufgrund der zu
erwartenden größeren Unterschiede zwischen den Staaten und Hindernissen für den
Binnenmarkt verworfen.
2. Eine von Grund auf neue Richtlinie abzielend auf einen einheitlichen legislativen
Rahmen, um einen in vollem Umfang wettbewerbsfähigen Postmarkt zu schaffen.
Dieser Ansatz wurde eingedenk des Subsidiaritätsprinzips und der bestehenden
nationalen Unterschiede bei den Bedürfnissen der Nutzer nicht weiterverfolgt.
3. Verlängerung der Geltungsdauer der bestehenden Richtlinie über 2008 hinaus ohne
inhaltliche Änderungen. Dies würde eine Abkehr von der angestrebten weiteren
Liberalisierung und damit der Wettbewerbsfähigkeit bedeuten und wurde aufgrund
dessen abgelehnt.
4. Anpassung der geltenden Richtlinie in dem auf einen offenen Postmarkt
erforderlichen Umfang unter Vereinbarung der Erfordernisse des Universaldienstes
und einer vollständigen Marktöffnung. Diese Option wurde letztendlich zur Grundlage
des vorliegenden Kommissionsentwurfes gemacht.
Maßgeblichen Anteil an dieser Entscheidung hatte auch die so genannte „Prospektivstudie“,
die für jeden Mitgliedstaat die Auswirkung der Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste
im Jahre 2009 auf den Universaldienst ermittelt hat (vgl. PricewaterhouseCoopers 2006). Die
Kommission hat ferner eine eingehende Untersuchung des Postsektors der Gemeinschaft
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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durchgeführt, Studien zur wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Entwicklung in
diesem Sektor in Auftrag gegeben (WIK-Consult 2006) und intensive Konsultationen mit den
Interessengruppen durchgeführt (vgl. Europäische Kommission 2006c). Demnach kann das
grundlegende Ziel der dauerhaft garantierten Bereitstellung des Universaldienstes in der von
den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 97/67/EG festgelegten Qualität bis 2009 in der
gesamten Gemeinschaft ohne die Notwendigkeit eines reservierten Bereichs erreicht werden,
d. h. es besteht aus Sicht der Kommission keine Rechtfertigungsgrundlage für die weitere
Erteilung von Exklusivlizenzen (Erwägungsgründe 7 und 8, Kommissionsentwurf 2006).
Diese Einschätzung ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass sowohl objektive Zahlen zu
den Marktanteilen der Wettbewerber als auch die subjektive Wahrnehmung der
Marktteilnehmer die zögerliche Entwicklung des Wettbewerbes selbst in jenen
Mitgliedstaaten bestätigen, die den Markt vollständig oder zum größten Teil geöffnet haben.
Dies betrifft insbesondere Briefpostsendungen, aber auch - mit einigen Ausnahmen - die
Direktwerbung. Der Wettbewerb in diesem Segment hat in den Jahren 2000 bis 2005 nicht
wesentlich zugenommen; dies sei ein berechtigter Anlass zur Sorge. An dem Zieldatum 2009
für die vollständige Liberalisierung könnte aber festgehalten werden. Dennoch sei die
Notwendigkeit, den Universaldienst für Privatkunden und Klein- und Mittelbetriebe
aufrechtzuerhalten, unbestritten (vgl. Europäische Kommission 2006b).
Im vorliegenden Entwurf von Art. 4 der Änderungsrichtlinie wird den Mitgliedstaaten unter
Beibehaltung des Universaldienstes künftig mehr Spielraum bei der Frage gewährt, wie die
Erbringung des so genannten „Universaldienstes“ zu gewährleisten ist. Die Finanzierung des
Universaldienstes durch Einräumung von Monopolrechten ("reservierter Bereich") wird ab
dem 1. Januar 2009 ausgeschlossen. Zur Finanzierung eventueller Universaldienstdefizite
können die Mitgliedstaaten aber künftig unter einer Reihe von Optionen wählen, wie z. B.
staatliche Beihilfen, öffentliche Auftragsvergabe, Entschädigungsfonds und Kostenteilung.
Ausdrücklich zulässig sind nach Art .7 Ausgleichsmechanismen im Fall einer
unverhältnismäßigen finanziellen Belastung bei der Erbringung von Universaldiensten.
Eingeschränkt werden sollen die Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten, an Einheitstarifen
festzuhalten. Dies wird gemäß Art. 2 künftig nur noch für Einzelsendungen zulässig sein.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 15.12.2006 (BR-Drs. 753/06, 753/1/06) die
Forderung der Kommission nach Beendigung der noch bestehenden Exklusivrechte im
Postbereich zum 1. Januar 2009 unterstützt. Gleichzeitig hat er es im Interesse der
Planungssicherheit für alle Postunternehmen abgelehnt, von dem im Postgesetz festgelegten
Enddatum für die Exklusivlizenz der Deutschen Post AG zum 31.12.2007 abzuweichen. Zur
Begründung wurde angeführt, dass der Universaldienst auch ohne Exklusivlizenz gesichert
sei (nicht zuletzt über die §§ 15, 16 PostG), so dass die nach EU-Recht geforderte
Voraussetzung für eine nochmalige Verlängerung nicht gegeben ist.
Der Richtlinienvorschlag wurde in sechs Ausschüssen des Europäischen Parlaments beraten.
Federführend ist der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr. Der dortige
Berichterstatter Markus Ferber hat mit Datum vom 12.3.2007 einen umfangreichen Bericht
mit Empfehlungen zur Änderung des Richtlinienentwurfs vorgelegt. Ferner liegt der Entwurf
einer Stellungnahme der Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialpolitik des Ausschusses
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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der Regionen vor mit Datum vom 30. 3.2007. Der deutschen Ratspräsidentschaft ist es im
ersten Halbjahr 2007 nicht gelungen, unter den Mitgliedstaaten eine Einigung über den
endgültigen Termin der Liberalisierung herbeizuführen.
Auf nationaler Ebene trat in einem Antrag vom 29.11.2006 die Fraktion der FDP (BT-Drs.
16/3623) dafür ein, die Exklusivlizenz der Deutschen Post AG wie vorgesehen zum
31.12.2007 zu beenden und auf europäischer Ebene bis zum Jahre 2009 die vollständige
Liberalisierung des Postmarktes durchzusetzen. Demgegenüber setzt sich die Fraktion DIE
LINKE in ihrem Antrag 16/4044 vom 17.1.2007 dafür ein, das Briefmonopol über den
31.12.2007 hinaus zu verlängern, weil sie andernfalls die Finanzierung der flächendeckenden
Grundversorgung der Bevölkerung gefährdet sieht. Der federführende Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie hat dem Bundestag am 7.3.2007 (BT-Drs. 16/4600) mit Hinweis
auf den bestehenden Richtlinienvorschlag vom 18.10.2007, der beiden Anträgen gerecht
werde, empfohlen, diese abzulehnen.
Am 11.7.2007 hat das Europäische Parlament in erster Lesung den Kommissionsentwurf in
geänderter Form angenommen (vgl. Europäisches Parlament 2007). Dabei wurde der
1.1.2011 als Datum für die endgültige Vollendung des Binnenmarktes festgelegt. Am
8.11.2007 erfolgte die formelle Entscheidung für den gemeinsamen Standpunkt des Rates.
In Kraft getreten ist die Richtlinie durch Beschluss des Europäischen Parlaments am
1.2.2008.
Interessant ist die folgende Änderung des Art. 2 Nummer 19 Absatz 1: "Grundanforderungen
sind die im allgemeinen Interesse liegenden Gründe nichtwirtschaftlicher Art, die einen
Mitgliedstaat veranlassen können, für die Erbringung von Postdiensten Bedingungen
vorzuschreiben. Diese Gründe sind die Vertraulichkeit der Sendungen, die Sicherheit des
Netzes
bei
der
Beförderung
gefährlicher
Stoffe,
die
Beachtung
von
Beschäftigungsbedingungen und Systemen der sozialen Sicherheit, die durch Rechts- oder
Verwaltungsvorschriften und/oder Tarifverträge, die zwischen den nationalen Partnern
ausgehandelt wurden, geschaffen wurden, sowie in begründeten Fällen der Datenschutz, der
Umweltschutz und die Raumplanung." Damit könnte etwa auch das ZOS oder bestehende
Raumstrukturkonzepte (z. B. punkt-axiales Modell) zur Begründung für bestimmte
Bedingungen herangezogen werden.
4.2
Nationale Rechtsvorschriften für den Postsektor
Bis 1989 war das deutsche Postwesen als integrierte Post- und Fernmeldeverwaltung
organisiert. Das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen trug sowohl die
politische wie unternehmerische Verantwortung für die Bundesbehörde „Deutsche
Bundespost“. Mit der ersten Postreform durch das Poststrukturgesetze vom 1. Juli 1989
wurde diese Organisation grundlegend reformiert. Die Deutsche Bundespost wurde nach
diesem Gesetz neu strukturiert und in drei öffentliche Unternehmen aufgeteilt. Die
Unternehmen Postdienst, Postbank und Telekom werden seit dem von einem Vorstand und
einem Aufsichtsrat geleitet. So sollten Ineffizienzen und Größennachteile vermieden werden.
Ziel der Reform war es weiter, die Effizienz durch eine Angebotsvielfalt in den
Marktbereichen zu erweitern und zu fördern, in denen sich die Kundenbedürfnisse schnell
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Sonderexpertise: Postwesen
fortentwickeln. Die Geschäftsbereiche nahmen weiterhin hoheitliche Aufgaben unter der
Leitung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation wahr. Die Deutsche
Bundespost behielt weiterhin ihre Monopole bei der Briefbeförderung und beim Telefonnetz
mit Ausnahme des Mobilfunks, alle übrigen Dienstleistungen konnten fortan auch von
privaten Anbietern erbracht werden. Die politischen Kontrollmöglichkeiten wurden gesichert
und die Einheit der Deutschen Bundespost zunächst noch nicht angetastet. So konnten die
drei Unternehmen keine eigene Rechtspersönlichkeit bilden, eine Umwandlung in eine
Gesellschaft privaten Rechts war noch ausgeschlossen (BMWI 2002, S. 2)
Zum 1.1.1995 wurden die drei öffentlichen Unternehmen im Rahmen einer zweiten
Postreform dann doch in Aktiengesellschaften und damit eigene juristische Personen des
Privatrechts umgewandelt. Damit entstanden die Deutsche Post AG, die Deutsche Telekom
AG und die Postbank. So sollte die Stärkung des Eigenkapitals, die Beteiligung an
internationalen Konsortien und der Ausbau ihrer Positionen in der Welt ermöglicht werden.
Für den Verlust an politischer Steuerungskompetenz hatte der Bund zunächst die
Mehrheitsbeteiligung an den Postunternehmen behalten.
Der Bund bleibt zudem für die hoheitlichen Aufgaben im Postwesen und bei
Telekommunikation weiter zuständig. Zu den hoheitlichen Aufgaben zählen
flächendeckende, ausreichende und angemessene Sicherung der Bedürfnisse
Nachfragenden („Universaldienst“) sowie die Kontrolle der Netze. Dies wurde im Rahmen
zweiten Postreform sogar verfassungsmäßig abgesichert (Art. 87f GG).
der
die
der
der
Parallel zu den Organisationsreformen waren bereits in den 1980er und 1990er Jahren erste,
einzelne Schritte der Marktliberalisierung eingeleitet worden:
• Im Jahr 1989 wurde der Markt für Briefe zu einem Entgelt von mehr als 10 DM sowie für
grenzüberschreitende Kurierdienste geöffnet.
• Ab dem 1.1.1995 konnten Massensendungen mit einem Gewicht von mehr als 250g von
Wettbewerbern befördert werden (zum 1.1.1996 wurde die Gewichtsgrenze auf 100g
gesenkt).
Schließlich wurde 1998 als Ersatz für das Bundesministerium die Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post (RegTP) gegründet, welche für die Regulierung der technischen
Seite des Telekommunikationsmarktes zuständig war. Im Juli 2005 wurde die RegTP im
Übrigen zur Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und
Eisenbahnen, kurz BNetzA, umbenannt.
Das Postgesetz (PostG) als derzeitige maßgebliche nationale Rechtsquelle ist am 01.01.1998
in
Kraft
getreten.
Ferner
hat
die
Bundesregierung
durch
die
PostUniversaldienstleistungsverordnung am 15. Dezember 1999 Inhalt und Umfang des
Universaldienstes festgelegt.
Gemäß § 1 PostG soll durch Regulierung der Wettbewerb gefördert, aber weiterhin
flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleistet werden. Die
Regulierung des Postwesens ist gemäß § 2 Abs. 1 PostG eine hoheitliche Aufgabe des
Bundes. Ziele der Regulierung sind nach Abs. 2 sowohl die Sicherstellung eines
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Sonderexpertise: Postwesen
chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs auch in der Fläche, als auch die
Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu
erschwinglichen Preisen (der sog. „Universaldienst“).
Dies soll gewährleistet werden, indem bei der Lizenzerteilung geprüft wird, ob der
Antragssteller in der Lage ist, folgende Universaldienstleistungen (§ 11 PostG) mit
standardisierten Merkmalen flächendeckend zu erbringen:
• Dienstleistungen mit taggleicher Zustellung,
• mit Übernacht-Zustellung,
• mit termingenauer Zustellung,
• mit Sendungsverfolgung,
• sowie integrierte Brief-Logistik-Dienstleistungen.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 PostG umfasst der Universaldienst jedoch nur solche
Dienstleistungen, die allgemein als unabdingbar angesehen werden. Zudem ist gemäß § 11
Abs. 2 Satz 2 PostG die Festlegung des Universaldienstes an die technischen und
gesellschaftlichen Entwicklungen nachfragegerecht anzupassen. Mithin ist „Universaldienst“
als dynamischer Begriff aufzufassen.
Gegenwärtig umfasst
Postdienstleistungen:
der
Universaldienst
gemäß
§
1
Abs.
1
PUDLV
folgende
• die Beförderung von Briefsendungen bis 2.000 g, darunter auch
•
Einschreibesendungen,
•
Wertsendungen,
•
Nachnahmesendungen,
•
Sendungen mit Eilzustellung.
• Die Beförderung von adressierten Paketen bis 20 kg;
• die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften.
Mit dem Zweiten Postrechtsänderungsgesetz wurden im Jahr 2002 die 1998 erlassenen
Vorschriften zum Universaldienst des PostG (§§ 12 – 17) suspendiert (das erste
Änderungsgesetz von September 2001 hatte die Exklusivlizenz von Ende 2002 bis Ende 2007
verlängert). Die im Postgesetz vorgesehene Möglichkeit zur Ausschreibung von
Universaldienstleistungen, die Finanzierung von Universaldienstleistungen durch einen
Universaldienstleistungsfonds
sowie
die
Regulierung
der
Entgelte
für
Universaldienstleistungen
nach
dem
Standard
der
Kosten
der
effizienten
Leistungsbereitstellung wurden dabei für den Zeitraum der Geltung einer gesetzlichen
Exklusivlizenz gemäß § 51 PostG für die DP AG für Briefe unter 50g und 50 Stück außer Kraft
gesetzt. Gleichzeitig wurde die Deutsche Post AG für den Zeitraum der gesetzlichen
Exklusivlizenz explizit verpflichtet, die Universaldienstleistungen nach Maßgabe der PUDLV zu
erstellen. War zuvor kein bestimmtes Unternehmen zur Erbringung des Universaldienstes
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Sonderexpertise: Postwesen
vorgesehen, ist in Folge dessen also nur die DP AG zur Erbringung des Universaldienstes
verpflichtet (§ 52 PostG). Im Gegenzug für diese Exklusivlizenz wurde die Post für sämtliche
Universaldienstleistungen von der MwSt befreit (§ 4 Nr. 11b UStG).
Aufgrund
dieser
Auslegung
der
MwSt-Befreiung
läuft
gegenwärtig
ein
Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland. Am 24.07.2007
verschickte sie eine so genannte mit Gründen versehene Stellungnahme an die
Bundesrepublik. László Kovács, EU-Kommissar für Steuern und Zölle argumentiert: „Die
MwSt-Befreiung für Postdienste ist noch in den EU-Rechtsvorschriften verankert und sollte so
angewendet werden, dass Wettbewerbsverzerrungen zwischen ehemaligen Monopolen und
neuen
Marktteilnehmern
möglichst
vermieden
werden,
so
dass
sämtliche
Wirtschaftsbeteiligten in ganz Europa Postdienste anbieten können". Dies geschah mit der
Begründung, dass diesen Anbietern besondere Verpflichtungen im Hinblick auf die
Bereitstellung der universalen Postdienste übertragen wurden. Andere Postanbieter müssen
für ihre Dienste die MwSt erheben. Dadurch abgedeckt sieht die Kommission aber nicht die
Sonderkonditionen der DP AG für Großkunden, die ebenfalls keine MwSt zu entrichten
hätten.
Ein weiterer für die Sicherung der Daseinsvorsorge relevanter Aspekt ist die
Entgeltregulierung. Unternehmen, die im lizenzierten Bereich eine marktbeherrschende
Stellung besitzen (was auf die DPAG zutrifft), unterliegen demnach bei der Festsetzung der
Endkundentarife einer vorherigen Entgeltgenehmigung (gilt nicht für Massensendungen, (vgl.
BMWI 2002, S. 7)).
Ausdrücklich erwähnt werden sollte der Umstand, dass Bankdienstleistungen, erbracht durch
die rechtlich selbständige Postbank, nicht zu den Postuniversaldienstleistungen zählen.
Dennoch ist der Zugang zur Postbank, der in vielen Fällen über den gleichen Schalter einer
Postfiliale erfolgt, für viele Kunden ein, wenn nicht der wesentliche Aspekt bei der
Erreichbarkeit einer Postfiliale (vgl. Interview mit Dr. Ritter, 17.1.2007). Dies kann aber nicht
als Argument für die Aufrechterhaltung einer stationären Einrichtung im Sinne der PUDLV
geltend gemacht werden. Ohnehin werden weder durch PostG noch PUDLV subjektive
Rechte der Kunden begründet; die Regelungen entfalten also keine Drittwirkung. Mithin
besteht kein einklagbarer Anspruch auf Errichtung oder Beibehaltung einer postalischen
Infrastruktur (Modery 2004). Das Landgericht Hannover hat übrigens bereits im Jahr 1998
eine diesbezügliche Klage als unzulässig abgewiesen (vgl. Urteil vom 16.11.1998, Az.
10A241/98).
4.3
Absehbare zukünftige Entwicklung der rechtlichen Regelungen
auf dem Postmarkt
Solange die Deutsche Post jedenfalls eine marktbeherrschende Stellung besitzt, gelten die
Bestimmungen der PUDLV für sie weiter. Sie ist also auch nach Auslaufen ihrer Exklusivlizenz
zur Erbringung des Universaldienstes verpflichtet. Dies wird von der Bundesnetzagentur ab
2008 nicht nur getrennt für die einzelnen o. g. Dienstleistungen, sondern auch regionalisiert
betrachtet werden (vgl. Interview mit Frau Ringler, Referat 314, Lizensierung am 5.1.07).
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Grundsätzlich ist dabei der derzeitige rechtliche Rahmen des PostG auch nach Marktöffnung
zum 1. Januar 2008 noch als Regulierungsgrundlage geeignet. Mithin ist keine grundlegende
Neugestaltung beabsichtigt. Allerdings sind die gesetzlichen Regelungen (PUDLV) aber dahin
gehend zu überprüfen, ob sie die optimalen Voraussetzungen für chancengleichen und
funktionsfähigen Wettbewerb auf den Postmärkten bieten und den Bedürfnissen der
Verbraucher gerecht werden. Eine neue PUDLV liegt mit Stand November 2008 bislang nicht
vor – auch nicht im Entwurf.
Im PostG ist bereits heute geregelt, dass nach Wegfall des Monopols alle im Briefbereich
tätigen Unternehmen gemeinsam zur Erbringung der Grundversorgung verpflichtet sind. Das
Wirtschaftsministerium hegt die Hoffnung, dass der Universaldienst ohne weitere
Regulierung im Wettbewerb erbracht wird. Nur für den Fall, dass potenzielle
Versorgungslücken auftreten, ist im PostG ein besonderer Mechanismus enthalten:
Leistungen können ausgeschrieben und erforderlichenfalls aus einem Universaldienstfonds
bezahlt werden, in den alle Unternehmen - entsprechend ihres Marktanteils (sofern der
Umsatz im lizenzierten Bereich 500.000 € übersteigt) – einzahlen. Diese Lösung ist konform
mit Art. 7 Nr. 3 der Änderungsrichtlinie der Richtlinie 97/67/EG über die Vollendung des
Binnenmarktes für Postdienste.
Dieser Ausschreibungswettbewerb wird auch als „Wettbewerb um den Markt“ bezeichnet,
wobei der Sieger dann temporär der Universaldiensterbringer wäre. Ein solcher Wettbewerb
liefert aber keine ökonomische Begründung für institutionelle Markteintrittsbarrieren gegen
Dritte, falls diese einzelne Adressaten (z. B. Großkunden) bedienen wollen (vgl. Kruse/Liebe
2005, S. 56).
Wie o. g. steht nach wie vor eine Überprüfung des Universaldienstes vor dem Hintergrund
geänderter Bedürfnisse der Verbraucher an. Universaldienstleistungen sollen auf solche
Bereiche beschränkt werden, die allgemein als unabdingbar angesehen werden (vgl. Husch
2006). Die Verbraucherverbände lehnen hingegen Abstriche an den bestehenden Vorgaben
der PUDLV strikt ab (vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband 2005). Eine definierte Anzahl
von Einrichtungen wird es womöglich nicht mehr geben, sondern materielle Kriterien, die
sich wohl an Entfernungen orientieren werden (Wabenlösung, Einzugsbereiche; vgl. Auskunft
von Herrn Steinmann, BMWI, 17.1.2007). Überlegungen, die etwa aus dem BDI kommen
(vgl. Thumann 2006), Preise für Postdienstleistungen zu regionalisieren, sprich den realen
Kosten und Erlösen anzupassen, wird jedoch eine Absage erteilt. Dies würde in letzter
Konsequenz eine dramatische Verteuerung von Postdienstleistungen im peripheren
ländlichen Raum und das Ende eines Einheitstarifs bedeuten, den das
Bundeswirtschaftsministerium nicht in Frage stellt (vgl. Interview mit Herrn Steinmann). Die
Aufhebung der Tarifeinheit wird sogar von der DPAG nicht angestrebt, um den Kunden
gegenüber möglichst transparente Preise anbieten zu können. Demgegenüber spielen
mögliche Erlösverbesserungen kaum eine Rolle, da der Markt mit privaten Endverbrauchern
nur noch einen Umsatzanteil von 15% besitzt (vgl. Interview mit den Herren Maschke,
Bodenbender 30.3.2007).
Man muss die Problematik aus Kundensicht insoweit aber relativieren, als dass ein
durchschnittlicher Haushalt pro Jahr nicht mehr als 50 € (bzw. pro Monat 4,40 € für
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Universaldienstleistungen ausgibt (vgl. Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes).
Bei den etwa 1.000 Bürgereingaben im Sinne § 5 PUDLV, die die Netzagentur von
Verbrauchern erhält, wird ausschließlich die Erreichbarkeit, nicht aber die Preisproblematik
thematisiert. Daher wird eine mögliche Aufhebung der Tarifeinheit als wenig konfliktträchtig
eingeschätzt (vgl. Interview mit Dr. Ritter am 24.1.2007). Zudem wäre eine solche
Aufhebung der Tarifeinheit rechtlich wohl unproblematisch, da die Kosten für die Erbringung
einer Universaldienstleistung zwar „erschwinglich“ zu sein haben, nicht aber
notwendigerweise gleich, wie in Art. 12 der Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG
über die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste (Kommissionsentwurf 2006) zu lesen
ist. Dem hat das Europäische Parlament zwar hinzugefügt „erschwinglich ungeachtet der
geografischen Lage und im Hinblick auf landesspezifische Bedingungen“, doch bleibt die
Einführung eines Einheitstarifes gemäß Art. 12 lediglich eine Option zu der Art. 12 die
Mitgliedstaaten zwar ermächtigt („können“), wenn es im öffentlichen Interesse erforderlich
ist, aber nicht verpflichtet. Daher lassen sich für höhere Kosten der Leistungserbringung in
Grenzen auch höhere Preise verlangen („Preise müssen kostenorientiert sein und die
Effizienz fördern“) (vgl. auch Kersten 2006a, S. 949).
Problematischer ist gegenwärtig wohl die Qualität der Leistungserbringung bei der Zustellung
(kein Abwarten, keine Karte eingeworfen, ungefragt beim Nachbarn abgegeben).
Unterschiede zwischen Stadt und Land sind dabei nicht vorhanden; eher zwischen den
Direktionen. Überhaupt wird nicht der Versender, sondern der Empfänger in der
schwierigeren Situation gesehen, zumal die gesetzlichen Vorhaben zwar die Dichte
stationärer Einrichtungen, nicht jedoch die Entfernung zur Filiale regeln, wo der Empfänger
im Bedarfsfall seine Sendung abholen muss (vgl. Interview mit Frau Ringler, Referat 314,
Lizenzierung am 5.1.07).
Dies wird auch im Tätigkeitsbericht 2005 der Bundesnetzagentur deutlich (vgl.
Bundesnetzagentur 2005, S. 291). Zwar wird auch aufgrund fehlender Nachfrage die
Streichung der Universaldienstleistungen „Nachnahme“, „Sendung mit Eilzustellung“ sowie
die Festlegung einer Obergrenze bei “Wertsendungen“ empfohlen, demgegenüber wird dazu
geraten, die Empfängerseite stärker in der PUDLV zu verankern, indem die Lagerung nicht
zustellbarer Briefe in den Katalog aufgenommen wird. Ferner wird vorgeschlagen, den
Universaldienst nur auf die Beförderungsleistungen zu beschränken, die gegenüber Privatbzw. Kleinkunden als Absender zu erbringen sind. Demgegenüber wird keine Einschränkung
für die Empfängerseite vorgeschlagen. Allerdings wird eine Flexibilisierung des § 2 Nr. 3 Satz
1 PUDLV angeregt, der sich auf die Laufzeiten der Briefsendungen bezieht. Gegen
reduziertes Entgelt sollen die Anbieter in die Lage versetzt werden, auch längere
Regellaufzeiten anzubieten. Dabei ist aber ein Zeitpunkt für die späteste Zustellung
vorzusehen, orientiert an den üblichen Bürozeiten (vgl. Bundesnetzagentur 2005, S. 299).
Sollte sich die DPAG ab 2008 aus betriebswirtschaftlich schwierigen Regionen zurückziehen
wollen, so müsste sie dies sechs Monate vorher der Bundesnetzagentur anzeigen, die für die
Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung zuständig ist. Diese würde dann in einem
Vergabeverfahren einen neuen Lizenznehmer suchen. Die gesetzliche Grundlage zur
Sicherstellung der Postdienste ist § 15 PostG („Ausgleichsleistung“). Sie würde greifen, wenn
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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ein Lizenznehmer nachweist, dass die langfristigen zusätzlichen Kosten der effizienten
Bereitstellung der von ihm geforderten Dienstleistung die Erträge der Dienstleistung
übersteigen (etwa in peripheren, dünn besiedelten Regionen). An den damit verbundenen
Kosten haben sich alle anderen Lizenznehmer gemäß § 16 PostG („Ausgleichsabgabe“) im
Verhältnis ihrer Umsätze, d. h. wettbewerbsneutral, zu beteiligen. In der Konsequenz kämen
die Verbraucher für das Versagen des Universaldienstleistungsmarktes auf und nicht etwa
der Staat und damit die Steuerzahler.
Faktisch vergibt die DPAG in diesen Fällen aber bisher eher Unteraufträge an
Subunternehmer, die effizienter arbeiten. Auch nach Auskunft der DPAG ist keinesfalls damit
zu rechnen, dass sich das Unternehmen aus bestimmten Regionen zurückziehen wird;
unabhängig von der Rentabilität der Leistungserbringung, da sie unter der Annahme,
weiterhin eine marktbeherrschende Stellung zu besitzen, über die Ausgleichsabgabe quasi
einen Konkurrenten zu großen Teilen subventionieren würde (vgl. Interview mit den Herren
Maschke, Bodenbender 30.3.2007).
Falls ab 2008 Wettbewerber der DP AG gewillt sind, als Universaldienstleister aufzutreten,
wären sie der Verordnung und ihren Anforderungen an stationäre Einrichtungen ebenso
unterworfen wie die DP AG. Ein Markteintritt wäre aus Marketinggesichtspunkten heraus
plausibel, weil Wettbewerber dann mit der ganzen Produktpalette in einen Preis- und
Qualitätswettbewerb mit der DP AG treten könnten.
Freilich wird teilweise argumentiert, dass die DPAG aufgrund der vertikalen Integration der
einzelnen Wertschöpfungsstufen von der Einsammlung über die Verteilung bis zur Zustellung
zumindest auf dem Briefmarkt über einen monopolitischen „Bottleneck“ verfügt und somit
verhindern kann, dass andere, aus sich selbst heraus wettbewerbsgeeigneten
Wertschöpfungsstufen aus marktwirtschaftlichen Kräften heraus in einen Wettbewerb
eintreten können (vgl. Kruse/Liebe 2005, S. 60). Dabei wird eine Analogie zur Situation auf
dem Strommarkt gezogen (vertikale Integration von Energieerzeugung und Verteilung).
Daraus wird die Forderung abgeleitet, dass für jede Wertschöpfungsstufe ein tatsächlicher
Netzzugang auf alle Wettbewerber wirtschaftlich möglich sein muss, was durch die
Netzagentur über die Festlegung entsprechender Konditionen sicherzustellen sei (vgl.
Kruse/Liebe 2005, S. 67). Dem hält die DPAG entgegen, dass es sich bei dem Briefmarkt
nicht um ein Netz im physischen Sinne handele (vgl. Interview mit Walter Maschke
„Managing Director Corporate Regulation“ sowie Wolfgang Bodenbach, „Director Regulation
Management“ am 30.3.2007 in Bonn). Dennoch ist die DPAG als marktbeherrschendes
Unternehmen durch Beschlüsse des Bundeskartellamts und des OVG Düsseldorf im Jahre
2005 dazu gezwungen worden, Wettbewerbern einen Zugang zu ihrem Netz zu eröffnen
(vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 118). Dies bedeutet konkret, dass Wettbewerber, die im
Bereich der Exklusivlizenz Sendungen mehrerer Absender bündeln und zur Einlieferung in die
Briefzentren der DPAG vorbereiten, Zugang zu diesen besitzen.
Zudem hat auch die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten nach § 44 Postgesetz
deutliche Defizite bei der Wettbewerbsentwicklung auf dem Postmarkt festgestellt (vgl.
Monopolkommission 2005). So werde das im Postgesetz genannte Ziel der Erstellung von
chancengleichem und funktionsfähigem Wettbewerb nach wie vor verfehlt. Dafür sei primär
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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die Exklusivlizenz der Deutschen Post AG verantwortlich. Sie beschränke das Marktvolumen,
auf dem Wettbewerb möglich ist, und hindere Wettbewerber daran, Größen- und
Verbundvorteile für einen verstärkten Marktauftritt in den liberalisierten Teilen des Marktes
zu nutzen. Die Exklusivlizenz schaffe Raum für Quersubventionen. Die vollständige
Abschaffung der Exklusivlizenz habe nach Auffassung der Monopolkommission daher oberste
Priorität. Diese Quersubventionsproblematik mache zudem eine strikte Handhabung der
Missbrauchsaufsicht unumgänglich. Hier sieht die Monopolkommission erhebliche Defizite bei
der Bundesnetzagentur.
Mit Stand August 2008 liegen für das Jahr 2008 noch keine Zahlen der Bundesnetzagentur
vor. Bekannt ist allerdings, dass die Netzagentur mittlerweile davon ausgeht, dass sich im
Briefmarkt auch nach Wegfall der Exklusivlizenz mittelfristig nichts an der
marktbeherrschenden Stellung der DP AG ändert (vgl. Bundesnetzagentur 2007a).
5.
Akteure und ihre Interessen im Bereich des Postwesens
Sowohl im Hinblick auf die Vorbereitung der zweiten Fachtagung als auch die Entwicklung
von Handlungsempfehlungen erscheint es angebracht, systematisch darzulegen, welche
Akteure im Bereich des nationalen Postwesens die Entwicklung maßgeblich beeinflussen und
worin ihre wesentlichen Interessen bestehen.
5.1
Die Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen ist
eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie mit Sitz in Bonn. Seit dem 13. Juli 2005 ist die
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, die aus dem Bundesministerium für
Post und Telekommunikation (BMPT) und dem Bundesamt für Post und Telekommunikation
(BAPT) hervorging, umbenannt in Bundesnetzagentur (www.bundesnetzagentur.de).
Die Bundesnetzagentur hat die Aufgabe, durch Liberalisierung und Deregulierung für die
weitere Entwicklung auf dem Elektrizitäts-, Gas-, Telekommunikations-, Post- und seit dem
01. Januar 2006 auch auf dem Eisenbahninfrastrukturmarkt zu sorgen.
Die Regulierungsentscheidungen der Bundesnetzagentur werden in den Bereichen
Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Post durch Beschlusskammern gefasst. Die
unmittelbar betroffenen Unternehmen können sich an den Beschlusskammerverfahren
beteiligen lassen. Die vom Verfahren berührten Wirtschaftskreise können beigeladen werden.
Die Entscheidungen der Bundesnetzagentur basieren auf dem Telekommunikationsgesetz,
dem Postgesetz und dem Energiewirtschaftsgesetz und sind rechtlich überprüfbar.
Entscheidungen der Beschlusskammern können im Falle eines Rechtsstreits von der
Aufsichtsbehörde, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), nicht
aufgehoben werden. Eine so genannte Ministerentscheidung ist, abweichend von den
Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), nicht vorgesehen. Gegen
die Entscheidungen der Beschlusskammern kann unmittelbar vor den Verwaltungsgerichten
in den Bereichen Post und Telekommunikation und vor den Zivilgerichten im Bereich Energie
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geklagt werden. Ein Widerspruchsverfahren findet
Hauptsachverfahren haben keine aufschiebende Wirkung.
nicht
statt.
Klagen
im
Nach § 125 TKG und § 44 PostG erhält die Bundesnetzagentur bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben fortlaufend wissenschaftliche Unterstützung. Diese wird insbesondere durch den
"Wissenschaftlichen Arbeitskreis für Regulierungsfragen" gewährleistet.
Für die Regulierung des Postmarktes ist Abteilung 3 zuständig, die von Herrn Quanter
geleitet wird. Ferner widmet sich das Referat Universaldienste, das von Herrn Dr. Ritter
geführt wird, insbesondere der Einhaltung der Vorgaben der PUDLV.
5.2
Die Deutsche Post AG
Die DPAG ist aus der Deutschen Bundespost hervorgegangen und ist seit dem 1.1.1995 als
AG eine eigene Rechtspersönlichkeit.
Mittlerweile firmiert der Konzern als „Deutsche Post Worldnet“, der über fünf verschiedene
Unternehmensbereiche verfügt:
•
Brief (als „DHL Global Mail" als Komplettanbieter auf vier Kontinenten vertreten)
•
Express
•
Logistik
•
Finanzdienstleistungen (Postbank)
•
Service
Der Unternehmensbereich Brief trug im Jahr 2006 19,9% zum Konzernumsatz bei. Nach
eigenen Angaben (vgl. Interview mit Walter Maschke „Managing Director Corporate
Regulation“ sowie Wolfgang Bodenbach, „Director Regulation Management“ am 30.3.2007 in
Bonn) entfallen im Inland lediglich 15% des Umsatzes des Briefmarktes auf das Geschäft mit
privaten Endkunden.
Im Hinblick auf die PUDLV wünscht man sich eine Flexibilisierung der Vorgaben für
stationäre Einrichtungen in Richtung „Nachfragegerechte Erbringung der Universaldienste“
ohne die genauen Vertriebswege zu definieren.
5.3
Wettbewerber der DP AG
Mittlerweile ist eine ganze Reihe von privaten Wettbewerbern auf den Plan getreten, die
außerhalb der Exklusivlizenz auf dem Markt agieren, aber ab 2008 beabsichtigen, im
Universaldienstbereich Präsenz zu zeigen. Die drei wichtigsten Anbieter werden im Folgenden
kurz vorgestellt.
TNT
TNT Post konzentriert sich in Deutschland auf die Zustellung von Direktwerbung an
Privathaushalte sowie die regionale und nationale Briefzustellung von Geschäftskunden. Im
Markt für Direktwerbung ist das Unternehmen der zweitgrößte Anbieter nach der Deutschen
Post AG.
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Im Jahr 2006 hat TNT Post einen Umsatz von 200 Millionen Euro erzielt. Nach eigenen
Angaben will TNT Post seinen Marktanteil am Postmarkt in Deutschland binnen fünf Jahren
auf rund zehn Prozent steigern.
Zurzeit verfügt TNT über bundesweit 31 Niederlassungen in großen Städten. Über eigene
regionale Strukturen mit eigenen Zustellern sowie Netzwerkpartnern erreicht TNT Post nach
eigenen Angaben mehr als 90 Prozent der deutschen Haushalte. Allerdings wird nur
Geschäftspost
ab
50
Briefen
versendet
(vgl.
http://www.tntpostregioservice.de/niederlassungen/index.asp, Stand 11.8.08).
Dabei spielt zumindest nach Angaben des Unternehmens die Einigung auf einen PostMindestlohn in Höhe von 8 – 9,8 €/Stunde eine entscheidende Rolle, entgegen vormaliger
Überlegungen
kein
umfassendes
und
flächendeckendes
Angebot
an
Universaldienstleistungen zur Verfügung zu stellen.
PIN-Mail
Die PIN Group AG bietet unter der Marke PIN Mail Briefdienstleistungen an – von der
klassischen Beförderung bis hin zur kompletten Mailabwicklung. PIN verfügt über ein eigenes
flächendeckendes Zustellnetz und ist dabei, auch stationäre Einrichtungen sowie Briefkästen
aufzubauen.
Mit mehr als 7.000 Mitarbeitern, einem täglichen Volumen von rund 2,3 Millionen Sendungen
und einem konsolidierten Umsatz im Jahr 2006 von 168,3 Millionen Euro ist die PIN Group
AG der drittgrößte Briefdienstleister nach der DP AG und TNT. Die PIN-Group hat 2007 einen
Umsatz von 275 Mio. Euro erwirtschaftet. Der Umsatz wird für das Jahr 2008 auf 350 Mio.
Euro geschätzt.
Ende 2007 meldeten zahlreiche Einzelunternehmen der PIN Group Insolvenz an. Mittlerweile
hat sich aber geklärt, dass das Geschäft unter dem Namen „PIN-Mail“ fortgeführt werden
soll.
Im Unterschied zu TNT bietet PIN eigene Briefmarken und ab dem 1.1.2008 die Versendung
von Einzelbriefen auch für Privatkunden an (45 ct für den Standardbrief).
Hermes Logistik Gruppe
Die Hermes Logistik Gruppe ist Deutschlands größter postunabhängiger Logistik-Dienstleister
bei der Zustellung an Privatpersonen (B2C und C2C-Sektor). Dabei fokussiert sich die
Hermes Logistik Gruppe auf folgende Geschäftsfelder: Paketservice, Möbel- und
Großstückservice, Brief- und Infoservice sowie Reparaturservice. Mit ihren 13.500 Hermes
PaketShops (vgl. http://www.hermespaketshop.de, Stand 8.8.08) verfügt die Gruppe
mittlerweile über ein bundesweit flächendeckendes Netz von Annahmestellen für den
privaten Paketversand, die auch vom Versandhandel als alternative Zustelladresse genutzt
werden können. Diese breite Präsenz in der Fläche unterscheidet Hermes von den anderen
Wettbewerbern der DPAG auf dem Paketmarkt (z. B. UPS, GLS) wie auch dem Briefmarkt
(siehe TNT und PIN). Auf dem Briefmarkt trifft die Gruppe mit primeMail – einem 50:50-Joint
Venture mit der Swiss Post International – und einer 29%igen Beteiligung an der TNT Post
ebenfalls auf, verfügt aber über keine nennenswerte Präsenz in der Fläche.
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Sonderexpertise: Postwesen
Bei primeMail ist zwar ein Produkt ab 5g (- 600 g) im Angebot, da aber der Preis 1,35 €
beträgt, besteht faktisch kein Angebot für Standardbriefe.
Der im Jahr 2007 bestehende gemeinsame Plan der TNT Post und Hermes, die 13.500
Hermes-Paketannahmestellen 2008 zu Briefzentren für Verbraucher und Geschäftskunden
umzubauen, ist nach Angaben des Unternehmens ebenfalls aufgrund des Mindestlohns
gestoppt worden.
5.4
Lobbyorganisationen
Insbesondere im Bereich der Wettbewerber der DPAG findet sich eine Fülle von Akteuren,
die für die Liberalisierung der Märkte eintritt.
Bundesverband internationaler Express- und Kurierdienste e. V. (BIEK)
Im BIEK (www.biek.de) sind führende Anbieter für Kurier-, Express- und Paketdienste in
Deutschland organisiert - DPD, FedEx, GLS, GO!, Hermes Logistik, TNT, UPS.
Innerhalb des BIEK besteht ein Ausschuss „Post & Regulierung“. Der BIEK setzt sich für faire
Wettbewerbsbedingungen im Postmarkt ein. Im Ausschuss werden Wege und Möglichkeiten
ausgelotet, Verbesserungen in der Postmarktregulierung voranzutreiben.
Den BIEK Vorsitz hat RA Dr. Ralf Wojtek inne.
Deutscher Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation
e.V.
Der Deutsche Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation e. V.
(www.dvpt.de) wurde 1968 als Verband der Postbenutzer e. V. gegründet und 1997
umbenannt in Deutscher Verband für Post und Telekommunikation e. V. Um den
veränderten Bedingungen moderner Kommunikation in Unternehmen gerecht zu werden,
wurde 2006 die Informationstechnologie als weiterer Schwerpunkt der Verbandstätigkeit in
die Satzung und den Namen mit aufgenommen. Der DVPT engagiert sich heute für ca. 1000
Geschäftskunden-Mitglieder.
Er
tritt
ein
für
die
Deregulierung
und
einen
wettbewerbsorientierten Markt und insbesondere für
• eine nachhaltige Reduzierung des Briefmonopols der DPAG,
• die Abschaffung wettbewerbsverzerrender Regelungen im Postrecht,
• den Abbau bestehender Benachteiligung der mittelständischen Wirtschaft sowie
• eine
quantitative
und
Verbraucherversorgung.
qualitative
Verbesserung
der
flächendeckenden
Den Vorstand des DVPT bilden Elmar Müller und Manfred Rühl.
Bundesverband Deutscher Postdienstleister e.V. (BvDP)
Der Verband (www.bvpt.de) begreift sich als die Interessenvertretung aller Postdienstleister,
die direkt oder indirekt einen Beitrag zur gesamten postalischen Wertschöpfungskette
leisten. Dabei richtet er sich konsequent auf die Anforderungen der globalisierten und
liberalisierten Postmärkte aus.
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Sonderexpertise: Postwesen
Der BvDP sichtet und koordiniert die branchenübergreifenden politischen, wirtschaftlichen
und technologischen Themen. Er nimmt dabei die Interessenlagen der Unternehmen auf und
führt sie zu gemeinsamem Handeln. Geschäftsführer ist Herr Eugen Pink.
Zu seinen Mitgliedern zählt im Unterschied zu den o. g. Organisationen auch die Deutsche
Post AG.
Verbraucherzentrale Bundesverband
Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (www.vzbv.de) ist die Dachorganisation der 16
Verbraucherzentralen der Länder sowie von 25 verbraucherpolitisch orientierten Verbänden.
Der vzbv vertritt die Interessen der Verbraucher gegenüber Politik, Wirtschaft und
Zivilgesellschaft und stellt Informationen zu Verbraucherschutz, Verbraucherpolitik und
Verbraucherrecht zur Verfügung.
Innerhalb des vzbv ist Herr Michael Bobrowski als Referent Telekommunikation, Post, Medien
zuständig.
Der vzbv vertritt die Position, dass die PUDLV und die darin enthaltenden Kriterien für den
Universaldienst unverändert auch nach 2008 beizubehalten ist.
5.5
Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und
Kommunikationsdienste (WIK)
WIK (www.wik.org) wurde im Jahre 1982 als Ideenschmiede des damaligen
Postministeriums gegründet. Nach der Privatisierung hat sich das WIK zum bedeutendsten
Forschungs- und Beratungsinstitut für Kommunikationsdienste in Deutschland entwickelt. Im
Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit stehen regulierungs- und ordnungspolitische
Fragestellungen
in
den
Bereichen
Telekommunikation,
Post,
Medien
und
Informationstechnologie.
Neben die öffentliche Grundlagenforschung ist die Auftragsforschung getreten. Seit Mitte der
1990er Jahre hat sich das WIK verstärkt auch internationalen Einrichtungen (z.B. EUKommission, Weltbank, ausländische Regulierungsbehörden) und privaten Auftraggebern
geöffnet. Durch die Gründung der WIK-Consult GmbH Anfang 2001 wurde dieser Bereich
ausgebaut. WIK hat in den letzten Jahren (vgl. auch Literaturliste) maßgebliche Gutachten
zur Vorbereitung der Liberalisierung der Postmärkte u. a. für die EU-Kommission erstellt. In
der Abteilung Post & Logistik arbeiten fünf Volkswirte unter der Leitung von Herrn Alex
Dieke.
Getragen wird das WIK durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Vertreter aus
Wissenschaft, Wirtschaft und Politik begleiten im Aufsichtsrat und in den Wissenschafts- und
Wirtschaftsbeiräten mit ihrem Know-how aktiv die Arbeit des WIK.
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Sonderexpertise: Postwesen
6.
Die räumliche Dimension der Bereitstellung von Leistungen
und Angeboten des Postwesens
6.1
Rechtliche Grundlagen
Mit Blick auf das ROG findet sich nur ein sehr allgemeiner Bezug zum Postwesen. In § 2 Nr.
4 Satz 3 ROG wird als Grundsatz der Raumordnung normiert: „Die soziale Infrastruktur ist
vorrangig in Zentralen Orten zu bündeln“. Daraus lässt sich ableiten, dass stationäre
Postdienstleistungen prioritär dort vorzuhalten sind.
Die PUDLV als fachgesetzliche Rechtsnorm ist im Gegensatz dazu hier erstaunlich konkret, da
unter Bezugnahme auf das ZOS eine Mindestversorgungsdichte für Brief- wie für
Paketdienstleistungen normiert wird. Gemäß § 2 Abs. 1 gelten die folgenden
Qualitätsmerkmale:
• Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein. Die
Anforderung nach Satz 1 wird bis zum 31. Dezember 2007 unter Berücksichtigung der
Nachfrage überprüft. 1
• Bis zum 31. Dezember 2007 müssen mindestens 5.000 stationäre Einrichtungen mit
unternehmenseigenem Personal betrieben werden.
• In Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern und Gemeinden, die gemäß
landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben, ist grundsätzlich zu
gewährleisten, dass in zusammenhängend bebauten Gebieten eine stationäre Einrichtung
in maximal 2.000 Metern für die Kunden erreichbar ist.
• In allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern muss mindestens eine stationäre
Einrichtung vorhanden sein; dies gilt in der Regel auch für Gemeinden, die gemäß
landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben. Zudem muss in der Fläche
in jedem Landkreis je 80 km² eine stationäre Einrichtung vorgehalten werden. 2
Neben der PUDLV ist auch die Selbstverpflichtungserklärung der DPAG zu nennen, die diese
am 25.4.2004 eingegangen ist, um einer Novelle der PUDLV zuvorzukommen. Dabei hat sich
die DP AG bereit erklärt, in allen zusammenhängend bebauten Gebieten mit mehr als 2.000
Einwohnern eine stationäre Einrichtung vorzuhalten. Dies war erforderlich geworden, weil
aufgrund der kommunalen Gebietsreformen zunehmend Ortsteile in der Größenordnung von
2 – 4.000 Einwohnern entstehen, die durch das Netz der o. g. Kriterien der PUDLV fallen.
Diese Selbstverpflichtung stößt durchaus auch auf Kritik von Seiten der Wettbewerber. So
wird moniert, dass es keinerlei Sanktionsmöglichkeiten im Fall eines Verstoßes gäbe (vgl.
Müller 2004). Seitens der Kommunen wird zudem die mangelnde Beteiligung der Betroffenen
1
Diese Überprüfung hat zu keiner Veränderung geführt.
2
Der Umfang der Universaldienstleistungen wurde mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Postgesetzes in 2002
ausgedehnt. Nach dieser Änderung war die Deutsche Post AG verpflichtet, in allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern
eine stationäre Einrichtung einzurichten. Außerdem muss in allen Landkreisen mindestens je Fläche von 80 km2 eine stationäre
Einrichtung vorhanden sein. Um diese Vorgaben zu erfüllen, hatte die Deutsche Post AG 328 zusätzliche Filialen einzurichten.
(vgl. Monopolkommission 2005, S. 21)
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Sonderexpertise: Postwesen
bei Änderungen moniert, die die Inhalte der Verpflichtung betreffen, wie die Schließung einer
Filiale. Im Jahresbericht 2006 kündigt die Bundesnetzagentur an (vgl. Bundesnetzagentur
2007, S. 27), dass die Regelungen der Selbstverpflichtung künftig direkt in die PUDLV
übernommen werden sollen.
Unter Bezug auf § 34 BauGB wird in § 2 Abs. 2 und 3 weiterhin verlangt, dass Briefkästen so
ausreichend vorhanden sein müssen, dass die Kunden in zusammenhängend bebauten
Wohngebieten in der Regel nicht mehr als 1.000 Meter zurückzulegen haben, um zu einem
Briefkasten zu gelangen. Ferner hat sich die DPAG im Rahmen der o. g. Selbstverpflichtung
erstmals bereit erklärt, eine bestimmte Anzahl von Briefkästen bereitzustellen (konkret:
109.778 bundesweit zum 31.12.2006,vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 27). Dies ist allerdings
ausdrücklich an die Laufzeit der Exklusivlizenz geknüpft, die Ende 2007 ausläuft. Für den
Zeitraum danach wird eine neue Regelung gefunden werden müssen, die noch offen ist.
Die Zustellung von Briefen muss mindestens einmal werktätig erfolgen. 80% der Sendungen
müssen im Jahresdurchschnitt am nächsten Werktag, 95% am übernächsten zugestellt
werden – flächendeckend und zwar gemäß § 6 Abs. 3 unter Anwendung eines Einheitstarifes
ohne Rücksicht auf die realen Kosten im Einzelfall.
Von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Paketen müssen gemäß § 3 Abs. 2 im
Jahresdurchschnitt mindestens 80 von Hundert bis zum zweiten auf den Einlieferungstag
folgenden Werktag ausgeliefert werden.
In ihrem Tätigkeitsbericht von Dezember 2005 hat die Bundesnetzagentur (vgl.
Bundesnetzagentur 2005, S. 291) übrigens empfohlen, die Mindestzahl von 12.000
Postfilialen zu streichen, da diese entbehrlich sei, wenn über eine Modifizierung des
Flächenkriteriums innerhalb einer Fläche von 80 km² mindestens eine Postfiliale vorhanden
sein müsse. Zudem wurde empfohlen, den Begriff „Gemeinde“ durch einen anderen Begriff
(z. B. „Ort“) zu ersetzen, der die innerhalb einer geschlossenen Bebauung wohnenden
Bürger umfasst, um auf diese Weise die Problematik der unselbstständigen Ortsteile zu
lösen. Davon abgesehen gelte es, den Leistungsumfang des mobilen Postservice zu
präzisieren. Schließlich wird auch Regelungsbedarf dahingehend gesehen, eine Mindestzahl
von Briefkästen, die sich am derzeitigen Bestand orientiert, festzulegen.
Im Hinblick auf die Beschäftigung von 400 €-Kräften als „unternehmenseigenes Personal“
erfüllt die DPAG zwar den Wortlaut, aber nicht den Geist der Verordnung, die den
klassischen, voll ausgebildeten Postbediensteten im Sinne hatte (§ 2 Nr. 1 Satz 3 PUDLV).
Allerdings ist für die Netzagentur kein sachlicher Grund dieser Restriktion erkennbar und wird
dessen Streichung empfehlen. Dies sieht der Bundesverband der Postagenturnehmer freilich
anders und verweist darauf, dass es sich in der Regel um Beschäftige in Quelle-Agenturen
handelte, die maximal 12 Stunden/Woche von der DPAG bezahlt werden und eine als eigene
Postfiliale deklarierte Einrichtung für etwa 2 Stunden/Tag öffnen (vgl. Modery 2004). Hier
nütze die DPAG die Lücke in der PUDLV, die keine konkreten Mindestöffnungszeiten
vorschreibt; die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes „nachfragegerecht“ habe des
Öfteren zu Auslegungsproblemen geführt (vgl. Ritter 2004). Der Postagenturnehmerverband
fordert hier übrigens 22 Stunden/Woche als Minimum (vgl. Modery 2004).
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Sonderexpertise: Postwesen
6.2
Vertriebsformen der DP AG
Die bestehenden stationären Einrichtungen unterscheiden sich durchaus hinsichtlich ihres
Angebotes und ihrer Rechtsform. Folgende Vertriebsformen sind hier zu nennen:
• Konzerneigene Filialen werden mit eigenem Personal betrieben und zeichnen sich durch
mehrere
Schalter
und
ein
umfassendes
Dienstleistungsangebot
inklusive
Postbankdienstleistungen aus. Eine Sonderform der konzerneigenen Filialen sind CenterFilialen. Mit den Center-Filialen spricht die Post neben Privatkunden insbesondere auch
Geschäftskunden an. Neben den kompletten Post-Produkten gibt es auch Papeterie-Artikel
sowie Produkte und Leistungen im Bereich der Telekommunikation. Davon bestehen ca.
750 bundesweit. Nach Auslaufen des § 2 Abs. 1 Satz 2 PUDLV hat die DP AG am
13.6.2008 angekündigt, bis 2011 alle verbleibenden 750 Filialen in Postagenturen bzw.
PostPoints umzuwandeln.
• Partnerfilialen (früher Postagenturen) werden von lokalen Kooperationspartnern (meistens
Einzelhändler) im Auftrag der Post betrieben. Sie bieten alle wesentlichen
Postdienstleistungen (Annahme und Ausgabe von Briefen und Paketen, Verkauf von
Briefmarken etc.) sowie die grundlegenden Bankdienstleistungen (Eröffnung sowie Einund Auszahlungen von Sparbüchern und Girokonten der Postbank) an.
• Post-Service-Filialen, die mit unternehmenseigenem Personal (aber in der Regel nur von
400€ -Kräften) betrieben werden, bieten die Postdienstleistungen an, die nach der PUDLV
zur Aufrechterhaltung der Universaldienste angeboten werden müssen. Hierzu gehören
die Annahme von Briefen und Paketen, aber auch Einschreibesendungen, Nachnahmen,
Eilsendungen, Auslandssendungen usw.; Bankdienstleistungen werden nicht angeboten.
Pakete werden nicht gelagert und können hier nicht abholt werden. Diese kleinsten
Filialen der Deutschen Post finden sich in lokalen Einzelhandelsgeschäften (Shop- imShop-Konzept). Ihre Öffnungszeiten sind sehr eingeschränkt.
• PostPoints bieten ein postalisches Basisangebot und rangieren außerhalb des
vorgegebenen Leistungsangebotes der PUDLV als ein zusätzliches Angebot der DP AG.
Ähnlich wie Postagenturen werden auch Post-Points von Fremdpersonal betrieben;
Service und ggf. Öffnungszeiten sind eingeschränkt. POST-Points bieten selbstklebende
Briefmarken, bereits frankierte Umschläge, Päckchen, Packsets und Paketmarken und
nehmen frankierte Briefsendungen und freigemachte Päckchen und Pakete sowie
Retouren an.
• Der Mobile Post-Service wird schließlich in allen Gemeinden angeboten, in denen keine
stationären Einrichtungen mehr bestehen. Beim mobilen Post-Service können Briefmarken
und Telefonkarten erworben und Pakete aufgegeben werden. Postbank-Leistungen sind
nicht möglich. Mobile Lösungen (sog. „MOPS“) werden nach derzeitiger Rechtslage
ansonsten von der Bundesnetzagentur an Orten, an denen eine stationäre Einrichtung
vorzuhalten ist, nur für bis max. 90 Tage als Übergangslösung zwischen Schließung einer
Filiale und Betriebsaufnahme einer Agentur akzeptiert.
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Sonderexpertise: Postwesen
6.3
Räumliche Verteilung der stationären Einrichtungen in der
Fläche
Nach Integration der Deutschen Post der DDR verfügte die Deutsche Bundespost 1997 über
etwa 22.000 stationäre Einrichtungen (Maschke 2004). Zum 31.12.2006 besaß die DPAG
noch 12.628 stationäre Einrichtungen, wovon 5.566 eigene Filialen (von denen allerdings
3.800 nur mit Teilzeitpersonal betrieben werden) und weitere gut 7.000 Postagenturen sind
(vgl. Bundesnetzagentur 2007, S. 27). Mithin wurden insgesamt etwa 47% der Einrichtungen
abgebaut, aber bezogen auf die ehedem komplett eigen betriebenen Einrichtungen hat sogar
eine Reduktion um 75% stattgefunden.
Zum Stichtag 12/2005 (Stand der georeferenzierten Daten) bestanden 12.414 rechtlich
selbständige Städte und Gemeinden in Deutschland, auf die insgesamt 12.976 stationäre
Einrichtungen der DP AG entfielen. Dass von den in § 2 Abs.1 PUDLV normierten Kriterien
die zentralörtliche Einstufung die Wichtigste ist, wird mit Blick auf die Verteilung dieser
Einrichtungen zum o. g. Stichtag deutlich: Der Standort von 9.696 bzw. 75% dieser 12.976
Einrichtungen liegt in zentralen Orten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die übrigen
Kriterien der PUDLV sowie die freiwillige Selbstverpflichtung den Standort von etwa 2.000
weiteren Filialen sichern und mithin keineswegs leer laufen. Dies berücksichtigt die Aussage
von Herrn Maschke, dass die DP AG lediglich über 1.000 Standorte nach rein
betriebswirtschaftlichen Kriterien befinden könne.
Im Übrigen kann die Aussage der Bundesnetzagentur, alle Zentralen Orte verfügten
tatsächlich über mindestens eine stationäre Einrichtung, als weitestgehend bewährt gelten.
In den Daten fanden sich zwar 19 Zentrale Orte bzw. deren Teile, die zum Stichtag über
keine Einrichtung verfügten, doch hat ein schneller Blick auf die webside „yellowmap“ der DP
AG mit Ausnahme von sechs Orten ein oder sogar mehrere Filialen ausgewiesen. Von diesem
wiederum ist einer davon (Brunau) lediglich Teil eines gemeinsamen Grundzentrums, womit
die Bestimmungen der PUDLV erfüllt sind, da der andere Teil, Fleetmark, über eine Filiale
verfügt. Für die fünf anderen konnte zumindest ohne nähere Nachforschungen keine Klärung
herbeigeführt werden, doch ist angesichts der extrem geringen Anzahl zu vermuten, dass
auch hier Erklärungen möglich sind (z. B. der zwischenzeitliche Verlust der gemeindlichen
Selbständigkeit).
Blickt man auf die Verteilung der Filialen auf die einzelnen Stufen des Zentrale Orte Systems,
so wird zunächst sichtbar, dass sich mit 58% rein quantitativ immer noch die Mehrzahl der
Filialen in Grund-, Klein, Unterzentren sowie Orten ohne zentralörtliche Einstufung befindet:
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Sonderexpertise: Postwesen
Abbildung 1: Verteilung der Filialen auf die einzelnen Stufen des Zentrale Orte Systems
Anzahl Filialen pro Stufe
3500
3281
3000
2607
2385
2500
2004
2000
1527
1500
1000
500
242
136
41
199
226
183
18
3
124
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un
g
0
zentralörtliche Stufe
Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage einer BBR-Auswertung
Dieses Bild relativiert sich natürlich, wenn die Anzahl der Filialen pro Ort berücksichtigt wird,
was anhand der folgenden Abbildung verdeutlicht wird:
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Sonderexpertise: Postwesen
Abbildung 2: Anzahl der Filialen pro Ort
Durschnittl. Anzahl von Filialen je zentralörtlicher Stufe
25
21,5
20
15
10,1
10
5
5
3,7
3,2
2
1,7
1,2
1,8
1,3
1
1,3
1,1
0,4
ei
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Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage einer BBR-Auswertung
So liegen zwar „nur“ 2004 Filialen in vollwertigen Oberzentren, doch sind dies bei lediglich 93
Städten immerhin durchschnittlich 21,5 Standorte. Plausibel ist auch das Ergebnis, dass sich
die Anzahl der Filialen pro Ort immer mehr dem sich aus § 2 Abs. 1 PUDLV ergebenden
Mindestkriterium von einer Filiale annähert und bei Teilen eines Kleinzentrums den Wert 1,1
erreicht und bei Orten ohne Zentralität mit 0,4 deutlich unterschreitet. Doch die Abbildung
birgt noch mehr interessante Erkenntnisse: Sie ist ein Indiz dafür, dass die Sonderformen
des ZOS in der Regel eher auf normative Aussagen, denn auf deskriptive Kriterien
zurückgehen. Sowohl Teile eines möglichen Oberzentrums, möglichen Mittelzentrums bzw.
deren Teile als auch mögliche Grund- oder Unterzentren weisen jeweils weniger
Filialstandorte auf, als die jeweils darunter liegende vollwertige Stufe Mittel-, Grund- bzw.
Kleinzentrum im Durchschnitt vorzuweisen hat.
Neben dem hier skizzierten bundesweiten Überblick über die Verteilung stationärer
Einrichtungen im Verhältnis zum Zentrale Orte System wird im Folgenden exemplarisch am
Beispiel des Landkreises Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) untersucht, wie sich die
räumliche Situation in dünn besiedelten Regionen konkret darstellt. Der Landkreis besitzt auf
einer Fläche von 1.576,7 km² 101.092 Einwohner (31.12.2006). Die durchschnittliche
Bevölkerungsdichte beträgt dabei 64,1 EW/km². Der Kreis besteht aus sieben
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verwaltungseinheiten (vier Verwaltungsgemeinschaften und drei Einheitsgemeinden) bzw.
über 50 Gemeinden, wie die folgende Karte illustriert:
Abbildung 3: Verwaltungsstruktur Landkreis Jerichower Land
Quelle: Landkreis Jerichower Land.
Innerhalb dieses Gebietes bestanden zum 1.5.2007 neun vollwertige Filialen der DP AG,
sieben Service Filialen, sieben Postagenturen sowie 14 Hermes Paketshops. Weitere private
Wettbewerber treten bisher nicht auf. Seit 1998 sind fünf Filialen, eine Service-Filiale sowie
ein Hermes Paketshop weggefallen. 3 Daraus ergibt sich das folgende Bild:
3
Ergebnis einer Befragung aller Verwaltungseinheiten durch den Landkreis. Stand 1.5.2007
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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Sonderexpertise: Postwesen
Abbildung 4: Verteilung der Filialen im LK Jerichower Land
Quelle: Eigene Darstellung
Deutlich wird an den oben stehenden Darstellungen erneut, dass die PUDLV eingehalten
wird. Die linke Abdeckung stellt die Kriterien Einrichtungen in zentralen Orten sowie Orten
mit mehr als 2.000 Einwohnern dar. Die rechte verdeutlich, dass das Kriterium, pro 80 km²
eine Einrichtung vorzuhalten, wichtig zum Auffangen der Versorgung in zentrenfernen
Räumen ist (die größere Lücke im Südosten ist ein Sperrgebiet). Ersichtlich ist auch, dass
sich die Reduzierung des Filialnetzes primär dort vollzogen hat, wo ohnehin eine
Mehrfachversorgung vorlag bzw. auch weiterhin vorliegt. Interessant ist schließlich die
Beobachtung, dass sich Hermes, obwohl in der Summe inzwischen bundesweit vergleichbar
viele Shops wie Postfilialen bestehen, auf die einträglicheren Zentren zu konzentrieren
scheint und in Kleinstgemeinden nicht vertreten ist.
6.4
Bewertung
Es steht außer Frage, dass die gegenwärtigen Vorgaben der PUDLV von der DPAG
eingehalten und der Bundesnetzagentur überprüft werden. Freilich darf nicht verhehlt
werden, dass es weiterhin Lücken in der PUDLV gibt. So wird nicht zu Unrecht moniert, dass
es Gemeinden gebe, in denen auch unter 2.000 Einwohnern und ohne zentralörtlichen Status
einen erheblichen Bedarf an Postdienstleistungen - etwa aus dem Tourismus – gibt. Zudem
werden eine Reihe von Postagenturen mittlerweile durch die betroffenen Gemeinden selbst
getragen; insbesondere in Fällen, in denen diese nur defizitär betrieben werden können (vgl.
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Sonderexpertise: Postwesen
Sonnenschein 2004). Mithin findet eine Art Sozialisierung der Kosten des Universaldienstes
über Steuern statt, die so nicht gewollt ist.
Zudem ist die PUDLV in gewisser Weise innovationsfeindlich, da ein Status Quo
festgeschrieben wird, obwohl sich das, was als „unabdingbar“ für die Daseinsvorsorge
anzusehen ist, dynamisch im Zeitverlauf ändert und an technische Entwicklungen
anzupassen ist. So wird von der Netzagentur weniger streng auf die Anbietung bzw.
Einhaltung bestimmter Leerungszeiten für Postkästen zur Gewährleistung der Teilnahme am
nächtlichen Umlauf geachtet, da zeitgebundene, eilige Nachrichten heute häufig per E-mail
erfolgen.
Insgesamt kann trotz des fortschreitenden Abbaus stationärer Einrichtungen und teilweise
eingeschränkter Öffnungszeiten aber nicht davon gesprochen werden, dass die
„flächendeckende angemessene und ausreichende Dienstleistung“ im Sinne von Art 87f GG
gefährdet wäre. So lautet auch die jüngste Einschätzung der Bundesnetzagentur (vgl.
Bundesnetzagentur 2007, S. 27).
Dies gilt auch nicht speziell für den ländlichen, schrumpfenden Raum. Mit Blick auf eine
Konsumentenbefragung aus dem Jahre 2004 wird deutlich, dass dies auch die Kunden selber
so nicht wahrnehmen, da keine signifikant schlechteren Bewertungen für Kunden aus Orten
mit unter 5.000 Einwohnern zu verzeichnen waren, wenngleich der Anteil der Unzufriedenen
überall recht hoch ist:
Abbildung 5: Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit von Postfilialen nach Ortsgröße
Quelle: WIK Consult 2004, S. 53. „5“ steht für „sehr zufrieden“; „1“ für „sehr unzufrieden“.
In jedem Fall ist aber davon auszugehen, dass die Daseinsvorsorge auch nach vollständiger
Liberalisierung des Postmarktes in der Fläche gesichert bleibt; zumindest bei Beibehaltung
der PUDLV. Dies ist auch der Stand vom August 2008. Allerdings findet weiterhin kein
wirklicher Wettbewerb statt, sondern kommt der DP AG für Universaldienstleistungen auch
ohne Exklusivlizenz im wettbewerbsrechtlich liberalisierten Markt eine marktbeherrschende
Stellung zu – nicht zuletzt aufgrund des Post-Mindestlohns, den offenbar nur die DP AG
Modellvorhaben zur Raumordnung (MORO) ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
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aufgrund ihrer fortbestehenden Wettbewerbsvorteile (Mehrwertsteuerbefreiung, günstigere
betriebswirtschaftliche Kostensstruktur aufgrund der bestehenden Verbundvorteile zwischen
der Briefeinsammlung und der Zustellung sowie zwischen der Brief- und Paketzustellung)
trägt.
Für die Sicherung der Daseinsvorsorge bleibt gleichwohl unbeachtlich, wie es um den
Wettbewerb bestellt ist. Solange die PUDLV fortbesteht, darf die flächendeckende
Versorgung mit Postuniversaldienstleistungen als gesichert gelten. Die Rolle der
Wettbewerber auf dem Briefmarkt bleibt also im ländlichen Raum eher gering und damit
auch ihre mögliche Substitutionsfunktion. Da die DPAG sich aber weiterhin nicht aus der
Fläche zurückziehen will, spielt dies auch keine große Rolle für die Sicherung der
Daseinsvorsorge. Nach eigenen Angaben könnte daran nur der massive Verlust von
Marktanteilen etwas ändern. In diesem Fall müsste sich zeigen, ob die in den §§ 15,16 PostG
vorgesehene Ausgleichsleistung bzw. Ausgleichsabgabe (Vgl. dazu Kap. 4.2) effektiv greift,
was gegenwärtig nicht abschließend beurteilt werden kann. Anders stellt sich die Lage auf
dem Paketmarkt dar, wo ein scharfer Wettbewerb herrscht und die Präsenz der Hermes
Shops in der Fläche eher zu einer Verbesserung des Angebotes geführt hat.
Problematisch ist weiterhin eher die Situation der Empfänger, doch hier greifen die Vorgaben
der PUDLV bisher nicht, was sich allerdings mit deren Novelle wohl ändern wird. Aus Sicht
der Kunden wird häufig Post mit Postbank vermischt; ist eher der Wunsch, eine
Postbankfiliale in der Nähe zu haben ausschlaggebend für Proteste. Bankdienstleistungen
fallen jedoch nicht unter die PUDLV, wenngleich sie sicherlich relevant sind für die Sicherung
der Daseinsvorsorge. Ein Steuerungsanspruch analog zu Postdiensten besteht aber nicht und
kann auch nicht begründet werden, da auf dem Bankenmarkt ein funktionierender
Wettbewerb herrscht.
Insgesamt sind bereits etwa 11.000 Filialstandorte über die Kriterien der PUDLV sowie der
freiwilligen
Selbstverpflichtung
definiert,
was
den
betriebswirtschaftlichen
Handlungsspielraum des Unternehmens stark einschränkt. Hier muss man sich fragen, ob
dies noch zu rechtfertigen ist. Ähnlichen Bindungen sehen sich jedenfalls die anderen
privatisierten ehemaligen Staatsbetriebe Deutsche Telekom, Postbank oder auch die DB AG
nicht ausgesetzt, obwohl auch deren Tätigkeitsfelder unstrittig relevant sind für die
Daseinsvorsorge. Natürlich besteht ein legitimes raumordnungspolitisches Interesse daran,
Postfilialen in zentralen Orten zu halten, doch muss die Kosten dafür ein privates
Unternehmen tragen? Nach Auslaufen von Exklusivlizenz und Mehrwertsteuerbefreiung
entfällt dafür eigentlich die Rechtfertigungsgrundlage. Es müsste daher diskutiert werden
dürfen, ob es dem Staat nicht finanziell etwas wert sein müsste, Zentralität über stationäre
Einrichtungen des Postwesens zu erhalten.
Im Hinblick auf die räumlichen Steuerungsmöglichkeiten lässt sich aus dem empirischen
Befund folgern, dass eine Straffung des ZOS negative Auswirkungen auf die Dichte von
Postdienstleistungen zumindest in Orten unter 2.000 Einwohnern haben kann. Vor diesem
Hintergrund ist es eine spannende Frage, welche Auswirkungen der komplette Verzicht auf
die Festlegung von Grundzentren in Brandenburg haben wird. An dieser Stelle wird allerdings
auch deutlich, dass eine Orientierung am ZOS problematisch ist, da keine
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bundeseinheitlichen Kriterien dafür existieren, was ein zentraler Ort ist bzw. was er
mindestens zu erfüllen hat. In der Konsequenz ist die DPAG völlig losgelöst von
Rentabilitätskriterien und, aus Sicht der Daseinsvorsorge schlimmer, auch nur sehr bedingt
an der faktischen Nachfrage orientiert, gezwungen, etwa in Bayern ein sehr dichtes Filialnetz
aufrecht zu erhalten (Bayern sieht neben Klein- sogar noch Unterzentren vor), während in
Brandenburg womöglich einem Rückzug Tür und Tor geöffnet ist.
In der Diskussion ist wie bereits erwähnt die Ablösung der bestehenden, auf eine bestimmte
Anzahl von stationären Einrichtungen ausgerichteten Vorgabe durch Entfernungskriterien. Im
Übrigen könnte eine Flexibilisierung der PUDLV im Hinblick auf die Zulassung alternativer
Angebotsformen wie den MOPS anstelle einer stationären Einrichtung durchaus auch im
Sinne der Kunden sein. So weit zu gehen, wie es die DPAG gerne hätte, d. h. völlig auf
Vorgaben zu stationären Einrichtungen zu verzichten, dürfte nicht zielführend sein;
insbesondere nicht für die Empfänger von Postdienstleitungen (Abholproblem bei
Abwesenheit in dünn besiedelten Räumen).
Auch die DPAG stellt die Relevanz bzw. den Steuerungsanspruch des ZOK generell in Frage.
Es wird argumentiert, dass sich die Kundennachfrage nicht an der zentralörtlichen Funktion
einer Gemeinde orientiere. Überhaupt käme es im Kern doch darauf an, dass
Universaldienste „nachfragegerecht“ angeboten werden und über die räumliche, zeitliche und
inhaltliche Nachfrage sei die DPAG bestens informiert. Darüber hinaus sei keine Normierung
bestimmter Angebotsformen erforderlich, womit es offen bleiben bzw. der DPAG überlassen
würde, ob das Angebot über eine stationäre Einrichtung mit eigenem Personal, einer
Postagentur, einem reduzierten Service („Postpoint“) oder nur mobil („MOPS“) erfolgen
würde (vgl. Interview mit den Herren Maschke ,Bodenbach, 30.3.2007). Die DP AG strebt
folgerichtig eine Verlagerung ihrer Einrichtungen aus den Ortskernen in die großen
Einkaufszentren an, weil sie so näher am Kunden sein würde. Freilich ist hier ein Konflikt
zwischen Kundeninteressen und dem raumordnungspolitischen Wunsch nach Bündelung von
Infrastruktur offensichtlich.
Die gegenwärtige Verlagerungstendenz könnte zudem gerade in Grund- und Mittelzentren
mit der Anforderung in Konflikt geraten, dass in zusammenhängend bebauten Gebieten eine
stationäre Einrichtung in maximal 2.000 Metern für die Kunden erreichbar sein muss, da dies
für eine im Zentrum eines Ortes gelegene Einrichtung leichter zu erfüllen ist, als mit einer
Randlage. Bei einer Umstellung auf eine reine Orientierung an der Erreichbarkeit könnte hier
Steuerungswirkung verloren gehen. Das ZOS würde als Steuerungsgröße aber auch nur
bedingt weiterhelfen, nämlich nur dann wenn die Landesplanung eine Funktionszuweisung
nicht an eine Gemeinde als Gebietskörperschaft in Gänze, sondern nur an bestimmte
Siedlungskerne vergibt. Andernfalls würde auch eine Einrichtung „auf der grünen Wiese“
kriterienkonform sein. Zudem müsste sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, zentrale
Versorgungsbereiche festzulegen und die Auffassung vertreten, dass Postdienste zu den
zentrenrelevanten Dienstleistungen zählen, was allerdings mit Blick auf vorhandene
Ausstattungskataloge für die Festlegung zentraler Orte ebenso nahe liegt. Demnach zählt
eine Postfiliale zur Grundversorgung (vgl. z. B. LEP Hessen 2000).
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Freilich wäre mit einem reinen Entfernungskriterium ein weiteres Problem verbunden: Die
Einrichtungen wären mehr oder weniger dispers im Raum verteilt, womit die raumordnerisch
beabsichtigte Konzentration der Daseinsvorsorge in Frage gestellt wäre. Allerdings muss
einschränkend gesagt werden, dass die Orientierung von stationären Einrichtungen des
Postwesens an zentralen Orten zwar theoretisch Sinn macht, sich aber aufgrund der
unterschiedlichen Ausgestaltung der Zentrale Orte Systeme in den Bundesländern nur
bedingt dafür eignet – zumindest solange die Systeme nicht bundesweit deutlich gestrafft
sind. Dennoch scheint die bestehende Kombination aus Kriterien, die Zentralität und
Erreichbarkeit abbilden, noch am sinnvollsten zu sein, um der Sicherung der Daseinsvorsorge
gerecht zu werden.
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7.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Verteilung der Filialen auf die einzelnen Stufen des Zentrale Orte Systems .....27
Abbildung 2: Anzahl der Filialen pro Ort ...........................................................................28
Abbildung 3: Verwaltungsstruktur Landkreis Jerichower Land............................................29
Abbildung 4: Verteilung der Filialen im LK Jerichower Land ...............................................30
Abbildung 5: Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit von Postfilialen nach Ortsgröße ..............31
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