Pilgern bringt Menschen dem Wesen ihrer Existenz näher

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Pilgern bringt Menschen dem Wesen ihrer Existenz näher
Nr. 46 - Mai 2008
Liebe Leserin!
Lieber Leser!
Die Jakobsmuschel ist seit Jahrtausenden das zentrale Symbol für die Pilger auf den Pilgerwegen nach Satiago de Compostela.
Foto: Fink
Pilgern heißt, sich der Bürde des Fremdseins auszusetzen, mit der Routine des Alltags zu brechen.
Pilgern hilft, seelische und materielle Dimension des Daseins ins Gleichgewicht zu bringen.
Pilgern bringt Menschen dem
Wesen ihrer Existenz näher
Pilgern boomt. Und wie.
Die Leute machen sich
tatsächlich auf den Weg –
meistens den Jakobsweg.
Als einer, der sich seit 15
Jahren intensiv mit der Tradition des Pilgerns und der
Geschichte der Pilgerwege
und -orte auseinander setzt,
sehe ich die Entwicklung der
letzten zehn Jahre mit einem
lachenden und einem weinenden Auge.
Mit lachendem Auge
Lachend, weil es doch meine Absicht war, nach meiner
Rückkehr von einer zweimonatigen Pilgerreise von Arles
nach Santiago de Compostela die österreichischen Routen der Pilger zu erforschen,
zu rekonstruieren, und so
die wunderbare, urmenschliche Tradition des Pilgerns
wieder in meine Heimat zu
bringen.
Hatte ich doch selbst erlebt, wie das Pilgern und die
unzähligen bereichernden
und berührenden Begegnungen auf dem Weg den
Menschen verändern, erneuern, wieder zu sich kommen,
seinen Lebensweg neu definieren, ja manchmal sogar
einen neuen Zugang zu Gott
finden lassen.
Gerade heute, wo unser
Leben immer mehr von Geschwindigkeit, Leistungsdruck und Egoismus (Stichwort Ich-AG) geprägt wird,
wo wir Lebensqualität fast
ausschießlich materiell definieren, kann uns so eine Zeit
der Entschleunigung, der bewussten Reduktion auf das
Wesentliche wieder dem Wesentlichen unserer Existenz
näher bringen. Denn nichts
anderes heißt „peregrinus“.
Nach der uralten Praxis
der irischen Wandermönche
ist der „peregrinus“ der Fremde, der aus religiösen, spirituellen Motiven seine Heimat
verlässt, sich auf den Weg
macht, sich freiwillig der
Bürde des Fremdseins aussetzt. Wobei die Fremde heute, wo wir McDonalds, Coca
Cola und Becksbier weltweit
konsumieren können, etwas
anderes bedeutet als vor 800
Jahren.
Bewusster Bruch
Ich interpretiere das „sich
der Fremde Aussetzen“ als bewussten Bruch mit der Routine des Alltags, das heißt, eine
bestimmte Zeit ohne Fernseher, Zeitung, Handy, Auto,
gewohnten Wohn- und
Schlafkomfort usw. auszukommen. Als wenn ich Exerzitien mache, nur gehend,
damit mich die Seele wieder
kungen“, die in Zeiten der
Herrschaft des Marktes anscheinend zwangsläufig sind:
Pilgern wird zum (Folklore-)
Produkt, das von Managern,
Touristikern und EU-Funktionären designt, vermarktet,
verwaltet und für eher ökonomische als spirituelle Ziele
instrumentalisiert wird.
Ist das alles „Pilgern“?
Peter Lindenthal.
Foto: Pedrop
einholen kann. Und manchmal oder oft auch schweigend. Ja, mein lachendes
Auge ist weit offen, denn immer mehr Menschen erkennen, dass in ihrer seelischen
Balance etwas nicht stimmt,
und begeben sich auf die Suche nach Antworten. Es geht
darum, die seelische und materielle Dimension unseres
Menschseins, beide gleich
wichtig, wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Warum aber das weinende
Auge? – Die wachsende Zahl
von Pilgern hat „Nebenwir-
Man pilgert nicht mehr,
man „macht“ die Jakobswege, hakt einen nach dem
anderen auf seiner „to-doListe“ ab, mit dem Fahrrad,
mit dem Begleitfahrzeug
(zum Gepäckstransport und
für den Fall, dass ich einmal
keine Lust zum Gehen habe),
mit dem Mietwagen, mit geführten Gruppen inklusive
Halbpension im Vier-SterneHotel oder im Laufschritt mit
der Stoppuhr in der Hand,
um Rekorde aufzustellen.
Um nicht missverstanden
zu werden: Radfahren und
Wandern auch ohne Rucksack ist gut und gesund, auch
auf dem Jakobsweg. Kulturtourismus ist gut und wichtig. Busreisen sind für viele
Menschen die einzige Möglichkeit, andere Länder kennen zu lernen und eben auch
nach Santiago zu kommen.
Aber muss ich das alles
„pilgern“ nennen? Wo bleibt
da der „peregrinus“, der sich
der Bürde des Fremdseins
aussetzt? Hat irgendjemand
behauptet, die Suche nach
sich selbst und nach Gott sei
eine nette Wanderung und
nicht mühselig – wie das
Gehen mit einem Rucksack
oder überhaupt das Leben?
Gerade die Kirche – es
heißt ja für mich zu Recht –
„Kirche, Volk Gottes unterwegs“ – hat hier die wichtige
Aufgabe, den Begriff des Pilgerns offensiv und positiv zu
besetzen, und zu verhindern,
dass er banalisiert und für
andere Zwecke instrumentalisiert wird.
Volk Gottes unterwegs
Als Hilfestellung für all
jene, die sich als Pilger auf
den Weg machen wollen,
ein kurzes Gedicht von Pablo
Neruda, dem großen chilenischen Dichter, in dem er
– und nur die Poesie kann
das! – das Wesentliche des
Pilgerns in der kürzest möglichen Form zusammenfasst:
„Nur drei Dinge nahm er
auf seine Pilgerreise – die Augen, geöffnet für die Weite,
die Ohren, gespitzt und den
leichten Schritt …“
Peter Lindenthal, Innsbruck,
ist „Pilger-Forscher“ und Autor
mehrerer Bücher vor allem über
Jakobswege.
Geschwindigkeit, Leistungsdruck, Stress. Kaum jemand
entkommt den Anforderungen unseres Alltags, der
uns irgendwann sogar an
die Grenzen der Leistungsfähigkeit bringen kann.
Kein Wunder also, dass
sich immer mehr Menschen
fragen, was denn der Sinn
hinter all dem sein soll und
sich auf die Suche nach
sich selbst machen. Auch
das mag ein Grund sein,
warum das Pilgern derzeit
so boomt. Warum immer
mehr Menschen ihre Wanderschuhe schnüren und
sich auf den Weg machen.
Und erfahren, dass es etwas
Besonderes ist, wenn man
mit sich und seinen Gedanken unterwegs ist, wenn
das Tempo des Alltags auf
die eigene Gehgeschwindigkeit reduziert wird. Moment hat sich umgehört
und sich auf die Spuren des
Pilgerns und jener Menschen begeben, die den Alltag losgelassen haben.
Christa Hofer
THEOLOGIE
Erdung. Pilgern heißt, sich
auf den Weg einzulassen,
es ist meditatives Gehen
und die Verbundenheit mit
der Erde, sagt Lioba Hesse.
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PILGERN HEUTE
Moderne Zeiten. Das Pilgern an sich hat sich durch
die Jahrhunderte kaum
verändert. Die Ausstattung
der meisten Pilger hingegen ist heutigem Standard
angepasst.
Seite 3
TIROLER WEG
Tirol erpilgern. Elf Tage
brauchte ein Pilgergruppe,
um Tirol auf den Spuren
des alten Jakosweges zu
durchqueren.
Seite 4
HERBERGE
Wohnen im Widum. Pfarrer
Andreas Tausch hat in seinem Widum in Inzing eine
Herberge für Pilger eingerichtet.
Seite 6
NEUE WEGE
Wendepunkt. Wilhem Holzhammer macht sich regelmäßig auf, um für mehrere
Wochen täglich 20 Kilometer ganz allein auf dem
Jakobsweg unterwegs zu
sein.
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TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG
Freitag, 30. Mai 2008
Pilgern bedeutet auch, die eigenen Schritte bewusst wahrzunehmen. Das
Aufsetzen des Fußes symbolisiert die Besitznahme eines Ortes.
D I E PI L G E R B EG LE ITE R
Pilgern in Gemeinschaft
Pilgern ist beliebt. Pilgern in Gemeinschaft ist
Trend. Auf das Suchen nach Spiritualität und nach Erfahrungen in Gemeinschaft hat die Tourismuspastoral
in Österreich reagiert. Seit 2005 gibt es Ausbildungslehrgänge für Pilgerbegleiter/innen.
Anton Wintersteller, Tourismusreferent der Erzdiözese Salzburg, organisiert diese grenzüberschreitenden Lehrgänge. „Der Weg wird erst zum Pilgerweg
durch den Menschen, der diesen Weg durch seine
innere Einstellung und Haltung beseelt. Es war uns
daher ein Anliegen, etwas zu tun, um den Wanderern
auf den heimischen Pilgerwegen geistliche Nahrung
anzubieten,“ erklärt Wintersteller den Hintergrund
der Ausbildung. 60 Pilgerbegleiter aus verschiedenen
Regionen Österreichs, der Schweiz, aus Bayern und
Südtirol wurden bis jetzt ausgebildet. Darunter sind
auch zehn Tiroler. Sie bieten Pilgerwanderungen in
Zusammenarbeit mit kirchlichen Organisationen an
und helfen ihrer Gruppe, den Tag zu organisieren.
Dazu gehört die Unterkunft auszuwählen genauso wie
spirituelle Anregungen anzubieten. „Wir merken, dass
die Menschen gerne in Gemeinschaft pilgern. Sie
suchen allerdings eine Gemeinschaft, die sie nicht
vereinnahmt,“ sagt Wintersteller. Gebet, Stille, Meditation sind demnach Einladungen, keine Verpflichtungen. Selbstverständlich können die Pilgerbegleiter
auch von Gruppen angefragt werden.
Theorie und Praxis
In der Ausbildung lernen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in drei Modulen neben Grundlagen zum
Thema „Pilgern und Spiritualität“ auch Organisation
und Marketing. Die Praxis – das Kennenlernen von
Teilstrecken der Pilgerwege an einem gemeinsamen
Wochenende – wird groß geschrieben. Zum Abschluss
muss jeder Teilnehmer eine eigene Pilgerwanderung
planen. Zurzeit läuft ein Lehrgang in Vorarlberg, der
nächste ist 2009 in Südtirol geplant.
Vernetzung und Jahresprogramm
Die Vernetzung der verschiedenen kirchlichen Anbieter von Pilgerwanderungen ist Wintersteller besonders wichtig. Beim Jahrestreffen der Pilgerbegleiter
stimmen die einzelnen Anbieter ihre Planung für das
Österreichprogramm ab. Die Internetseite www.pilgerwege.at informiert zum einen über österreichische
Pilgerwege, zum anderen ist das aktuelle Programm
dort abrufbar. Als Auftaktveranstaltung für die Pilgersaison hat sich ein Pilgertag am Gründonnerstag
bewährt, der heuer erstmals auch am Jakobsweg in
Tirol stattfand.
Helene Daxecker-Okon
Information und Kontakt:
Arbeitskreis für Tourismuspastoral Österreich
Anton Wintersteller, Kapitelplatz 2, 5010 Salzburg,
Tel. 0662/8047-2064
E-mail: [email protected],
www.pilgerwege.at
Gottes vergessene Füße
Lioba Hesse kann nicht
sitzen bleiben, wenn sie
vom Gehen spricht. Die
Gestaltpädagogin und Erwachsenenbildnerin steht
auf und demonstriert mit
angehobenem Bein, was
sie meint, wenn sie sagt:
„Es gibt diesen kleinen
Moment beim Gehen.
Nachdem wir den Fuß gehoben haben, müssen wir
ihn wieder ‚einpflanzen’.“
H . D A X E C K E R - O K O N
Langsam setzt sie den Fuß
auf dem Boden auf, Scheitel,
Becken und Fuß bilden eine
Linie. „In diesem Einpflanzen erlebe ich mich ganz. Es
tut gut, diesem Moment Aufmerksamkeit zu schenken.
In jedem Schritt spannt sich
ein Bogen von Anfang, Unterwegssein und Ende. Er ist
Symbol für das menschliche
Leben überhaupt.“
Gehen und Beten
Im
alltäglichen
Gehen würden die einzelnen
Schritte hingegen oft nicht
bewusst wahrgenommen.
Dabei könne die Bewegung
des Gehens durchaus Grundlage sein für Meditation und
Gebet. „Meditatives Gehen
ist unbeschäftigtes, absichtsloses Gehen. Indem ich in
Bewegung bleibe, öffne ich
meine Sinne. Ich öffne mich
für mich selbst in meiner
Leiblichkeit, für das, was ich
sehe und höre. Ich lasse Momente geschehen, ohne dass
ich sie verzwecken will,“ sagt
Hesse, die in der Ausbildung
und Berufsvorbereitung der
Laientheologen der Diözese
Feldkirch tätig ist.
Gott hält in Bewegung
Bewegung könne ein Weg
in die Präsenz, ins Hier und
Jetzt sein, die das Beten unterstützt. Diese Art zu gehen,
könne Hinführung zum Gebet aber auch Gebet selbst
sein. Und das meditative
Gehen beinhaltet für Hesse
noch mehr Symbolik: „Im
Gehen verbinde ich mich
Foto: Pedrop
mit der Erde, ich heilige die
Erde dadurch und erde den
Himmel. Es geht darum, mir
diese Verbundenheit und
mein Ausgestrecktsein zwi„Meditatives
Gehen ist
unbeschäftigtes,
absichtsloses
Gehen.“
LIOBA
HESSE
Foto: Okon
schen Himmel und Erde bewusst zu machen.“
Die Theologin hat sich
gefragt, warum man Gott
nur mit „Herzen, Mund
und Händen“, so heißt es in
einem beliebten Kirchenlied,
loben sollte und nicht auch
mit den Füßen.
Bibelquellen
Auf der Suche nach
„Gottes vergessenen Füßen“
wurde Hesse in der Bibel fündig: In Jesaja 66,1 etwa wird
die ganze Erde als Schemel
der Füße Gottes bezeichnet.
In Psalm 8,7 heißt es: „Alles
hast du ihm [dem Menschen]
unter die Füße gelegt“ – um
nur zwei Beispiele aus dem
Alten Testament zu nennen.
Die Füße symbolisierten die
Besitznahme eines Ortes.
Die Erde, den Ort den Gott
selbst beansprucht, spricht er
dem Menschen zugleich als
seinen Platz zu, deutet Hesse
die Verse.
In den Fußgeschichten
des Neuen Testamentes
spiele die Sinnlichkeit eine
wichtige Rolle. Die Wahltirolerin erwähnt etwa Marias
Salbung und Trocknung der
Füße Jesu im Johannesevangelium. Wenn Jesus, der
König, vor dem Abendmahl
den Jüngern die Füße wäscht,
„dann stellt er das Gewohnte
nicht auf den Kopf, sondern
auf die Füße.“
Und überhaupt ist die begeisterte Bergsteigerin überzeugt: „Unser Gott ist ein
Wege-Gott. Er geht auf die
Menschen zu. Es ist ein Gott,
der in Bewegung hält.“
TI PPS U N D TE R M I N E
Moskau
und Israel
Pilgern mit
der Diözese
Der Pfarrer von Innsbruck-Saggen und langjährige Pilgerbegleiter Adi Karlinger begleitet vom 14. bis
21. Juni eine Pilgerreise über
Moskau nach Sagorsk, Twer,
Novogorod bis nach St. Petersburg. Vom 18. bis 30.
August bietet er eine Reise
nach Israel, Palästina und
Sinai für Jugendliche ab 17
Jahren an. Information: Tel.
0 664/32 25 728.
Wallfahrten machen die
Zusammengehörigkeit der
Weltkirche bewusst, tragen
zur Gemeinschaftsbildung
teil und bringen eine Portion
Urlaubsgefühl mit sich. Unter diesen Vorzeichen stehen
die Pilgerfahrten der Diözese
Innsbruck, die jedes Jahr an
viele Ziele führen. Vom 7. bis
14. Juni begleitet Bischofsvikar Klaus Egger eine Pilgerreise nach Rumänien. Am
1. Juli steht eine eintägige
Wallfahrt mit Pilgerpfarrer
Peter Scheiring nach Maria
Weißenstein in Südtirol auf
dem Programm. Weitere Pilgerziele in diesem Jahr sind
St. Petersburg, Altötting
und Ägypten. Infos: Pilgerfahrten der Diözese Innsbruck, Tel. 0 512/22 30-630.
E-Mail: [email protected]
Jakobsweg
durch Tirol
Durstige Pilger am Dorfbrunnen.
„Unser Gott ist ein Wege-Gott. Er geht auf die Menschen zu. Es ist ein Gott, der in BeweFoto: Waldhäusl
gung hält“, sagt die Gestaltpädagogin Lioba Hesse.
Sensibel werden für die
Wege, die Gott in unserem
Leben mit uns gehen will.
Das ist Ziel einer Pilgerwoche
auf dem Tiroler Jakobsweg,
Der Jakobsweg in Tirol führt durch herrliche Landschaften
und man lernt die Heimat auf neue Art kennen.
Foto: Pedrop
zu dem das Bildungshaus
St. Michael vom 12. bis 19.
Juli einlädt. Die Route führt
auch über den Brennerpass.
Kondition und entsprechende Ausrüstung sind für
die Teilnahme notwendig.
Die Gehzeit beträgt täglich
rund fünf Stunden. Neben
Zeit für Meditation, Schweigen, Reden und Naturerlebnis werden jeden Tag
auch biblische Geschichten
vom Unterwegs-Sein vorgelesen.
Anmeldung unter Tel.
0 52 73/62 36 oder E-Mail an
[email protected]
TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG
Freitag, 30. Mai 2008
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G RO S SE PI LG E R Z I E LE
Von Heilligen Land
und der Heiligen Stadt
Vor allem das „Heilige Land“ und die „heilige
Stadt“ Rom üben auf Katholiken auf der ganzen Welt
als Ziele von Pilgerreisen große Anziehungskraft aus.
Marien-Wallfahrtsorte – mit und ohne ErscheinungsHintergrund – sind auf der ganzen Welt zu finden.
Pilgerziele sind aber auch Grab- und Gedenkstätten
von Seligen und Heiligen.
Das Pilgern stand im Mittelalter hoch im Kurs und erlebt heute eine Renaissance.
Foto: Fink
Die Verehrung von Heiligen und Märtyrern und das Pilgern zu verschiedenen
Gedenkstätten findet in allen Religionen und Kulturen seinen festen Platz.
Vom Pilgermantel zur
modernen Goretexjacke
Sündenvergebung, Reinigung und Sinnfindung bewegen die Pilger auf ihrem
mehr oder weniger langen
Weg.
H
E
I
K
E
F
I
N
K
„Peregrinari“ bedeutet
„ins Ausland gehen“. Pilgern meint, als Fremder zu
Fuß einen Weg zurücklegen.
Erkenntlich war ein Pilger
an Pilgermantel, Hut und
Stock. Die große Muschel
diente einst als Trinkgefäß.
Eine Waffe war und ist den
Pilgern verboten.
Die erste Pilgerschaft
Jesus selbst war ein Wandernder ohne festen Heimatsitz. Den Beginn des Pilgerns
im Christentum ortet Professor Bernhard Kriegbaum von
der Historischen Theologie
der Innsbrucker Universität
aber im zweiten Jahrhun-
dert: „Nach der Verbrennung und feierlichen Beisetzung Bischof Polykarps von
Smyrna ging ein Schreiben
an die Nachbargemeinde
mit der Verkündung, sich im
kommenden Jahr zur Erinnerung des Märtyrers an seinem Grab wiederzutreffen.
Das war quasi die Einladung
zur ersten Pilgerschaft in der
christlichen Geschichte.“
Hochblüte Mittelalter
Seit Kaiser Konstantin im
vierten Jahrhundert wurden
bewusst Gräber von Heiligen
und Märtyrern mit Basiliken
geschmückt und Jahrestage
gefeiert. Diese Feste wurden
für Reisende zu Attraktionen.
So ist die Reliquienverehrung untrennbar mit der
Wallfahrt verbunden. Das
Mittelalter gilt als Hochblüte
des Pilgerwesens, die durch
Luthers Reformation einen
drastischen Einbruch erlebte.
Erst die Gegenreformation in
der Barockzeit bringt neuen
Schwung in das Pilgerwesen.
„Immer mehr kommt es
aber zu einer Abkehr von
den großen Pilgerreisen. Modern wird das Pilgern „ums
Eck“, sagt Kriegbaum. Heute
erlebt das Wallfahrtswesen
eine Renaissance. Insbesondere der Jakobsweg erfreut
sich großer Beliebtheit.
„Zu den religiösen Motiven kam in den Anfängen
sicherlich auch Abenteuerlust und der Drang in die
Ferne hinzu. Pilgern wurde
auch zur Strafe verordnet und
diente somit der Sozialhygiene einer Gemeinschaft“, sagt
der Theologe. Missetäter, deren Anwesenheit am Ort des
Verbrechens wahrscheinlich
Racheakte nach sich gezogen hätten, wurden so für
einige Zeit aus dem Verkehr
gezogen. Meist fanden Pilgerreisen in Gemeinschaft
statt. Die Individualisierung
der Menschen seit dem aus-
gehenden Mittelalter veränderte aber auch das Pilgerwesen. Das Gemeinschaftserlebnis in einem religiösen
Rahmen blieb ein wichtiges
Motiv. Verstärkt kommt ein
persönliches Moment hinzu:
In der relativen Einsamkeit
ganz bewusst nach der eigenen Sinnfindung zu suchen.
Gastfreundschaft
Auf ihrem spirituellen
Weg konnten und können
Pilger auf die Gastfreundschaft der Menschen hoffen.
Sie waren auch in Zeiten weniger intensiver Religiosität
angesehen. Schon im Altertum sind in unmittelbarer
Nähe von attraktiven Wallfahrtsstätten Pilgerherbergen
bekannt - oft angeschlossen
an Krankenhäuser. Viele Pilger waren geschwächt oder
krank und brauchten Pflege.
Ab dem Mittelalter gab es an
den Pilgerrouten eigene Stiftungen und Herbergen.
TI PPS U N D TE R M I N E
Pilgern
in Tirol
In vier Tagen von Kufstein bis Innsbruck führt
eine Pilgerwanderung entlang des Jakobsweges vom
9. bis 12. Juni. Die Wanderung wird begleitet vom Pilgerführer Ferdinand Reindl
und dem Priester und Psychotherapeuten P. Georg
Dinauer. Anmeldung: Tel.
0 77 52/83 030 oder E-Mail
[email protected]
*****
Der zweite Teil dieser
Wanderung führt von Stams
über Imst nach Flirsch und
St. Christoph am Arlberg
(29. September bis 4. Oktober).
*****
Ebenfalls im Tiroler Unterland – von St. Johann
nach Strass im Zillertal –
führt eine Jakobswanderung
vom 23. bis 25. Juli. Begleitet wird die dreitätige Pilgerwanderung von Christine
Schild. Anmeldung unter
Tel. 0 53 58/36 96.
*****
Vom Brenner bis zum
Inn führt eine Pilgerwanderung vom 15. bis 17.
August. Treffpunkt ist am
Hauptbahnhof
Innsbruck
um 7.20 Uhr oder am Bahnhof Brenner um 8.15 Uhr.
Jeden Tag werden rund fünf
bis sechs Stunden Gehzeit
geplant. Begleitet wird die
Pilgerwanderung mit Körperübungen und Zeiten für
Meditation von Pilgerbegleiter Hermann Muigg-Spörr.
Anmeldung: Haus Marillac,
Innsbruck, Tel. 0 512/57 23 13
oder E-Mail haus.marillac@
barmherzige-schwestern.at
*****
Im Rahmen der Aktion
„Offener Himmel“ führt
am 17. Oktober eine eintä-
tige Pilgerwanderung von
Erl über Kufstein nach Mariastein. Begleitung: Josefine
Schlechter und Toni Wintersteller. Anmeldung: Tel.
0662/8047/2064.
Wallfahrt
für Familien
Eine
Familienwallfahrt
mit Bischof Manfred Scheuer führt am Sonntag, 15.
Juni, zur Friedensglocke
nach Mösern. Treffpunkt
ist um 14 Uhr am Parkplatz
Seewaldalm an der Straße
von Seefeld nach Mösern.
Von dort führt die Wallfahrt zum Möserer See, wo
um 15 Uhr der Wallfahrtsgottesdienst gefeiert wird.
Anschließend Jause und
um 17 Uhr Abschluss beim
Geläut der Möserer Friedensglocke. Bei Schlechtwet-
ter wird der Wallfahrtsgottesdienst um 14.30 Uhr
in der Pfarrkirche Seefeld
gefeiert.
Pilgern für
Männer
Von Ybbs über den Sonntagsberg zum Stift Seitenstetten führt eine Pilgerwanderung der Katholischen
Männerbewegung.
Eingeladen sind Männer, die aus
dem Gewohnten aussteigen
möchten. Die Pilger übernachten im Freien, neben
Gebet und Ritualen bleibt
viel Zeit für das Naturerlebnis.
Anmeldung für die Pilgerwanderung bei der Katholischen
Männerbewegung St. Pölten, Tel.
0 27 42/398-341 oder E-Mail:
[email protected]
Das Heilige Land
Dass das Heilige
Land mit dem Zentrum
Jerusalem für Christen
aller Konfessionen das
Pilgerziel schlechthin
ist, verwundert nicht.
Als Gläubige gewinnen
sie im Gebet an den
heiligen Stätten, im
Erleben der herrlichen
Ein Paradeziel im Heiligen
Landschaft am See
Land ist die Geburtskirche
Foto: Reuters
in Bethlehem.
Genesareth, aber auch
im Eintauchen in die
Kargheit der Wüste eine eigenartig neue, gleichsam
„handfestere“ Beziehung zu Jesus, den sie als Gott
und Mensch, als Erlöser verehren.
Die „heilige Stadt“ Rom
Rom hat als Pilgerziel der Katholiken in den letzten
Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erlebt. Daran
hatten Papst Johannes Paul II., die zahlreichen Seligund Heiligsprechungen und die Ausrufung der Heiligen Jahre großen Anteil. Für katholische Rom-Pilger
sind das Gebet am Grab des hl. Apostels Petrus im
Petersdom und am Grab des hl. Apostels Paulus in
der Basilika St. Paul vor den Mauern sowie die Teilnahme an einer Papst-Audienz geradezu ein „Muss“.
Marien-Pilgerorte
Mit jährlich ca. 20 Millionen Pilgern ist Villa de
Guadalupe, ein Vorort von Mexico City, der weltweit
meist besuchte Marien-Wallfahrtsort der Welt. Unsere
Liebe Frau von Guadalupe wird als Patronin von Mexiko und Patronin der indigenen Völker verehrt.
In China pilgern jährlich zehntausende Gläubige
zum Marienheiligtum Seshan in Shanghai. Die chinesische Regierung hat diese Wallfahrt allerdings erst
kürzlich drastisch eingeschränkt.
In Europa hat fast jedes Land seine Marien-Pilgerorte. Die bekanntesten sind Lourdes in Frankreich
und Fatima in Portugal. Mariazell ist der meistbesuchte Wallfahrtsort Österreichs mit großer Bedeutung
auch für Ungarn, Slowenen, Slowaken und Tschechen.
Die Gräber von Aposteln und Heiligen
Neben den Apostelgräbern von Petrus und Paulus
in Rom ist Santiago de Compostela in Spanien mit
der legendenhaften Grabstätte des Apostels Jakobus
Ziel vieler Pilger aus ganz Europa. In Indien, aber
auch international, gewinnt das ebenfalls legendenhafte Grab des Apostels Thomas in Chennai an Bedeutung. Mit bis zu sieben Millionen Pilgern jährlich
ist das Grab von Pater Pio in San Giovanni Rotondo in
Italien zu einem der meist besuchten Wallfahrtsorte
der Welt geworden.
Franz Stocker
Der Petersdom ist Ziel von Pilgern aus aller Welt.
Foto: AP
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TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG
Freitag, 30. Mai 2008
WAS MAN Z U M PI LG E R N B R AU CH T
Pilgern braucht Zeit und
Vorbereitung
„Zuallererst die nötige Einstellung“, antwortet
Franz Lair von der Jakobsgemeinschaft Innsbruck,
zuständig für alle Anliegen rund um den Jakobsweg,
auf die Frage, was man
zum Pilgern brauchen
würde. Und die sei
nicht notwendigerweise
eine religiös motivierte
von Anbeginn. „Viele
finden zum Glauben
auf dem Weg. Anliegen
ist es, zu sich zu finden, Abstand zuhalten
von allem alltäglichen
Drumherum. Denn
Gehen heißt ver- und
zurücklassen, sich einzulassen auf den Weg,
Mit diesem Ausweis haben
der den Pilger unbedingt
Pilger Anspruch auf Unterund auf jeden Fall verkunft am Jakobsweg.
ändert“, so Lair. Viele
Menschen machen sich auf den Weg, weil sie eine
Entscheidung in ihrem Leben brauchen. Ohne spirituelles Einlassen wird das Gehen zum Weitwandern
von Stempel zu Stempel. Mindestens zehn bis 14
Tage müsse man dafür schon unterwegs sein. Pilgern
braucht neben der richtigen Einstellung eben auch
Zeit. Denn ursprüngliches Pilgern meint, den Weg zu
Fuß zurückzulegen, kein Radfahren oder gar mit dem
Bus oder Auto von Herberge zu Herberge zu eilen.
Pilgerpass
Daneben ist die organisatorische Vorbereitung
wichtig, die Pilgerreise komplett durchzuplanen allerdings unmöglich. Die Pilger sind gefordert, sich
einzulassen auf den Weg. Hat man sich dann für
den Jakobsweg entschieden, bekommt man in der
Dompfarre Innsbruck den Pilgerpass, kostenlos oder
gegen eine freiwillige Spende. Hier ist Platz für die
persönlichen Daten des Pilgers, für
die Wegestempel in den Herbergen und schlussendlich nach
erfolgreicher Pilgerreise für das
Zertifikat in Santiago de Compostela. Wählt man eine sehr lange
Etappe, kann es schon nötig werden, mehrer Ausweise zu füllen. Man bekommt diese
in den Pilgerherbergen.
Der Pass identifiziert einen Menschen als Pilger,
ist der Nachweis, dass jemand auch tatsächlich
Pilger ist. Der Pass berechtigt in den günstigen Pilgerherbergen akzeptiert und aufgenommen zu werden.
Bevor die Dompfarre einen Pilgerausweis ausstellt,
verlangt sie ein Empfehlungsschreiben oder ein
persönliches Gespräch, um die Pilgerabsicht auch
sicherzustellen.
Wiederholungstäter
Grundsätzlich beginnt der Jakobsweg vor der Haustür. Heute gehen viele Menschen nur Teil- häufig die
Schlussetappen oder in mehreren Tranchen über
Jahre hinweg. „Ich kenne einige Leute, die zu Wiederholungstätern geworden sind. Denn jeder wird berührt
von der Spiritualität des Weges. Es passiert ein innerer Wandel“, ist Lairs Erfahrung mit der unausweichlichen Wirkung des Jakobsweges. Um sich einzustimmen und einzulesen gibt es zahlreiche Bücher im
Buchhandel – von stimmungsvollen Bildbänden bis zu
genauen Führern mit Wegbeschreibungen
und Herbergsführern. Dann
kann´s schon
fast losgehen
– immer dem
klassischen
gelben Pfeil
Viele Menschen folgen den Hinweisnach!
schildern des Jakobsweges. Foto: Fink
Beim Meilenstein am Pass Strub begann der Pilgerweg auf dem Tiroler Jakobsweg.
Foto: Stigger
Tirol ist insgesamt elf Tage lang. So lange war eine Pilgergruppe vom Pass
215 Kilometer auf dem Tiroler Jakobsweg. Eindrücke von einer besonderen
Wer auf Pilgerschaft geht,
anderer Mensch zurück,
Eine Gruppe von Pilgern
begab sich Anfag Mai auf
die Spur des jahrhundertealten Jakobsweges in
Tirol.
W
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H
Ö
L
B
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Übersehen kann man sie
nicht. Den schweren Rucksack am Rücken, ein Haselnussstab in der Hand, ein
Hut auf dem Kopf, festes
Schuhwerk und womöglich
eine Jakobsmuschel um den
Hals gehängt. So ist eine
Gruppe von Pilgern Anfang
Mai durch Tirol marschiert.
Vom Pass Strub bis hinauf
nach St. Christoph am Arlberg, immer in der Spur des
jahrhundertealten Jakobsweges.
ist oder nur Spazieren war.
„Wenn sich im Leben nichts
ändert, hat man nichts kapiert“, betont Lindenthal.
Herberge im Widum
„Pilgern heißt vertrauen
und die Illusion der Autarkie
abbauen“, sagt Lindenthal.
Denn wer in der Früh aufbricht, weiß oft nicht, wo
er am Abend schlafen wird.
Die Tiroler Pilgergruppe hat
immer etwas gefunden: Ob
im Turnsaal in Bruckhäusl,
im Pilgergasthof in Strass,
im Kloster oder im Widum:
Die Pilger waren herzlich
Wichtiges Anliegen
Zur Pilgerreise durch Tirol
hat das Welthaus der Diözese Innsbruck eingeladen.
Wie seit Jahrtausenden, sollen sich auch diesmal Menschen auf den Weg machen,
um Antworten auf wichtige
Lebensfragen zu finden, auf
die Bedrohung des menschlichen Lebensraumes, auf
die Gefahren der Umweltzerstörung, der sozialen Ungerechtigkeiten. Auch Bischof
Manfred Scheuer hat sich an
einem Tag dieser Pilgergruppe angeschlossen.
Andere Wege
Das Wesentliche am Pilgern ist das, was man weglässt: Geschwindigkeit, Hektik, Alltag, Lärm. „Dafür darf
die Seele nachkommen, die
uns im Alltag oft hinterherrennt“, sagt Peter Lindenthal.
Und so, unterwegs mit der
Seele, wenn der Weg unter
den Füßen wächst, finden
Pilger oft auch neue Wege für
ihr Leben. In die Leere, die
beim Gehen entsteht, treten
Gedanken und Einfälle, die
den eigenen Lebensentwurf
verändern können. Wie das
Leben nach der Pilgerreise
ausschaut, ist ein Kriterium
dafür, ob jemand gepilgert
willkommen. In Inzing hat
Pfarrer Tausch im Widum
eine richtige Pilgerherberge
eingerichtet. Bis Mitternacht
sind die Pilger im Garten
zusammen gesessen, haben
ihre Füße in einem kleinen
Becken in Form einer Jakobsmuschel gebadet und
am Morgen ein Frühstück
bekommen. Um neun Uhr
hat der Pfarrer die Pilger in
der Kirche gesegnet, bevor
sie sich wieder auf den Weg
machte. „Geh dankbar“, lautet eines der zehn „Geh-Bote
für das Pilgern“, die Peter
Lindenthal formuliert hat.
Uraltes Wegenetz
Am Ziel der Pilgerreise in St. Christoph hat Pilgerbegleiter
Foto: Pedrop
Peter Lindenthal eine Kerze entzündet.
Vier Jahre lang hat der
ehemalige Entwicklungshelfer die Routen des Jakobsweges durch ganz Österreich
recherchiert. Stück für Stück
ist er die Wege abgegangen,
hat sich auf die Suche nach
TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG
Freitag, 30. Mai 2008
5
WAS MAN Z U M PI L G E R N B R AU CH T
Ein Rucksack voller Utensilien
Oft führt die Route des Jakobsweges durch blühende Wiesen.
Foto: Pedrop
Alt und neu: Mit diesen Holzschildern (linkes Bild) wurde vor neun Jahren erstmals der Jakobsweg durch Tirol ausgeschildert.
Fotos: Hölbling
Moderne Hinweistafeln weisen den Pilger heute den Weg zu Pilgerunterkünften am Jakobsweg.
Strubb bei Lofer bis nach St. Christoph am Arlberg unterwegs.
Wanderung, die Anfang Mai in Tirol stattfand.
kommt immer als
als er weggegangen ist
Hinweisen auf den ursprünglichen Verlauf gemacht, Pilgerherbergen gesucht und
schließlich in bisher sechs
Büchern den Jakobsweg beschrieben.
Pilger-Typologie
Den Pilgerboom rund um
die Jakobswege sieht der Pionier zwiespältig. „Es soll
sich nicht jeder gleich Pilger
nennen, wenn er auf einem
dieser Wege unterwegs ist“,
erklärt Lindenthal. Er hat zu
einer eigenen Typologie des
Pilgerwesens gefunden, unterscheidet den Kampfpilger,
der die Kilometer abspult,
vom Genusspilger, der sich
das Gepäck mit dem Auto
führen lässt und in feinen Hotels absteigt.
Der
richtige
Pilger schaut
nicht auf die
Uhr und den
Komfort. Wesentlich ist die
Erfahrung des Unterwegsseins selbst. Und
wie sich das Gehen auf das
Leben auswirkt.
Neue Gedanken
Wie schnell sich die Gedanken beim Pilgern umstellen, hat Manuela Schweigkofler erfahren. „Jeden Tag
stellt sich ein anderer Gedanke ein, wie von selbst.
Natürlich kommen auch bei
einer Bergtour Gedanken,
aber auf einem Pilgerweg erhalten sie größere Aufmerk-
samkeit“. Im Pilgern komme
sie in einen guten Dialog mit
Gott, berichtet sie. „Nichts
denken, nichts organisieren,
nur gehen“, fasst Manfred
Tiefenthaler seine Erfahrung
zusammen. Er genießt die
Erfahrung der Gruppe, die
jeden Tag mehr zusammenwächst und es auch aushält,
dass sich neue Menschen
anschließen oder andere
sich verabschieden. „Besonders beeindruckt mich die
Stille, die man sich oft durch
lärmstarke Abschnitte in der
Nähe von Straßen erkaufen
muss“, erzählt er.
Ausdauer und Kraft
„Wichtig ist, dass man
mehrere Tage unterwegs ist“, sagt Werner
Luef. Erst dann sind
die Gedanken an
den Alltag weg,
kann man den
Ballast hinter sich
lassen. Dafür tauchen Erinnerungen
an früher auf, an wichtige
Ereignisse im Leben. Und mit
einer paradox klingenden Bemerkung beschreibt Richard
Kuenz das Geheimnis tagelanger Pilgerwege: „Die Kraft,
die man dafür braucht, ist
kein Problem. Die Kraft wird
mit jedem Tag größer.“ Am 5.
Juni, 19 Uhr, wird eine Fotoausstellung über diesen Pilgerweg in der Caritas Innsbruck,
Heilig-Geist-Str. 16, eröffnet.
Die Bilder sind bis Ende Juni
zu sehen.
In einem eigenen Pilgerbuch können sich alle Pilger eintragen, die im Widum von Pfarrer Andreas Tausch übernachten.
Mit Rucksack, Hut und Wanderstab sind die Pilger auf dem
Fotos: Hölbling; Waldhaeusl (1)
Jakobsweg unterwegs.
Wer über viele Tage oder gar Wochen zu Fuß unterwegs ist, ist gut beraten, sich beim Gepäck intensiv
Gedanken zu machen. Die Kunst liegt darin, alles
dringlich Notwendige mit sich zu haben, aber mit rund
sieben bis acht Kilo auch noch ein tragbares Gewicht
einzuhalten. Hier den Mittelweg zwischen Beschränkung und Komfort zu finden, ist eine der Herausforderungen in der Vorbereitung auf die Pilgerreise. Was
Sie unbedingt brauchen:
Ausrüstung: Rucksack, Stock, Hut oder eine
andere Kopfbedeckung, Sonnenbrille, Wasserflasche,
Schlafsack, Isomatte, Kompass, Feuerzeug, Stirnlampe, Sicherheitsnadeln, Taschenmesser, Löffel,
Wäscheleine, Blechdose, Nylonsäcke, um auch bei
Regen die Kleidung im Rucksack trocken zu halten.
Kleidung: Poncho, Windjacke, Schuhe, Sandalen,
Gamaschen, zwei Hosen, drei Paar Socken, zwei
Unterhosen, Badehose, ein langärmliges T-Shirt, zwei
kurzärmlige T-Shirts.
Toilettenartikel: Waschbeutel mit Zahnbürste,
Zahnpasta, Seife, Nagelschere, Handtuch, Klopapier,
Hirschtalg, Leukoplast, Muskelsalbe, Schmerzmittel,
Reservebrille, Sonnencreme.
Dokumente: Pilgerausweis, Begleitschreiben, Reisepass, Kreditkarte, Adressenliste.
Lektüre: Wanderkarte, Handbuch Jakobsweg, kleine Taschenbibel, eventuell ein Wörterbuch, Schreibheft, Tagebuch, ev. Fotoapparat. Natürlich kann die
Liste ergänzt und
erweitert werden. Manchen
Rucksack ziert
eine typische
Jakobsmuschel.
Ursprünglich
als Trinkgefäß
verwendet, sind
sie heute mehr
Symbol.
Eine große
Unbill für Pilger
sind Blasen
an den Füßen.
Dagegen gibt es
Gut ausgerüstet für eine lange Pilkein allgemein
Foto: Peter Kreuzer
gerschaft.
gültiges Rezept.
Gut eingegangenes Schuhwerk, das auch Nässe standhält, empfiehlt sich sehr. Wenn man die Schuhe bei jeder Rast
auszieht, hält man die Füße trockener – auch das
ist ein Schutz gegen Blasen. Deshalb soll man auch
die Innensohlen der Schuhe abends immer aus dem
Schuh herausnehmen.
In Gemeinschaft allein sein: Das Besondere am
Jakobsweg ist laut Kennern die Mischung zwischen
Einsamkeit und Gemeinschaft. So kann es durchaus
vorkommen, dass man während des Tages stundenlang niemandem begegnet, allein durch eine wunderbare Landschaft zieht und ganz den eigenen Gedanken und Empfindungen nachgehen kann. Abends in
den Herbergen ist man in Gesellschaft, findet den
Austausch mit Gleichgesinnten und kann Menschen
aus aller Herren Länder kennen lernen. Immer wieder
ergibt es sich, dass man auch gemeinsam ein Stück
des Weges zieht.
Heike Fink
In den Herbergen findet der Pilger Gemeinschaft und ErFoto: Fink
holung.
6
TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG
Freitag, 30. Mai 2008
PI L G E R - U N D B ESI N N U N G SWEG E
Die Varianten des
Jakobsweges in Tirol
Die Pilgerreise nach Santiago de Compostela in
Spanien zählt seit dem frühen Mittelalter zu den
größten Wallfahrten des abendländischen Christentums. Die Spuren der Jakobspilger sind auch auf dem
Jakobsweg-Abschnitt in Tirol erkennbar. Insbesondere
Innsbruck stellte ein bedeutendes Pilgerzentrum im
europäischen Jakobswegenetz dar, ist doch der Dom
dem Heiligen Jakobus geweiht.
In Tirol sind vor allem drei Jakobswege verzeichnet.
Von Norden kommend zieht der Jakobsweg von Rosenheim nach Kufstein und dort weiter im Inntal nach
Westen, durch Innsbruck und bis auf den Arlberg, wo
er durch Vorarlberg weiter in die Schweiz führt. Von
Osten her führt der Jakobsweg durch das Kärntner
Drautal nach Lienz und weiter über das Pustertal
nach Brixen. Von Süden her führt der Jakobsweg von
der Salurner Klause nach Bozen und weiter nach Norden über Brixen und Sterzing nach Innsbruck. Diese
Varianten sind auch Schwerpunkt eines grenzüberschreitenden Interreg-III-Projektes, das unter anderem
durch die Europäische Union gefördert wird.
Umfassende Informationen zum Jakobsweg in
Tirol gibt es im Internet unter www.jakobsweg-tirol.net.
Dort finden sich nicht nur Hinweise zu den Routenverläufen, sondern auch zum Pilgerpass, den Pilgerherbergen und zu möglichen Anschlusswegen. Sogar
eine Packliste ist zu finden, die dem Pilger als Hilfestellung dienen soll. Über diese Homepage können
auch eine Kurzversion der Broschüre zum Jakobsweg
in Tirol und eine Übersichtskarte heruntergeladen
werden. (c. h.)
Der Jakobsdom in Innsbruck.
Foto: Parigger
Von Locherboden bis zur
Heilig-Geist-Kirche in Telfs
Im Rahmen der Fünf-Jahres-Feier der Heilig-GeistKirche in Telfs wurde im Oktober des Vorjahres von
Bischof Manfred Scheuer der Besinnungsweg für die
Tiroler Firmlinge eingeweiht. Initiiert war der Weg, der
von Maria Locherboden oberhalb von Mötz zum HeiligGeist-Zentrum in Telfs
führt, von Alt-Bischof
Alois Kothgasser worden. Der Besinnungsweg umfasst insgesamt
zwölf Stationen, die
sich mit verschiedenen
Themen befassen.
Basis dafür sind unterschiedliche Bibelstellen. Einzelne Stationen
wurden von Künstlern
gestaltet, die sich mit
dem jeweiligen Thema
auseinander gesetzt
haben. Stationen sind
aber auch die Kapelle
mit dem Gnadenbild
„Mariahilf“, eine WaldDie Wallfahrtskirche Maria
lichtung und der JaLocherboden oberhalb von
kobsbrunnen. (c. h.)
Foto: Böhm
Mötz.
1Im Inzinger Widum stehen den Jakobspilgern die Türen offen. Pfarrer
Andreas Tausch hat eine Herberge für sie eingerichtet.
Wohnen im Widum und
ein Fußbad im Garten
Vor zwei Jahren hat Pfarrer
Andreas Tausch in seinem
Widum eine Herberge für
Pilger eingerichtet. Das
Gästebuch zeugt davon,
wie Recht er damit hatte.
W A L T E R
H Ö L B L I N G
Katrin aus Villach war da.
Andreas aus Weyer machte
im Widum Station, Walter
aus dem Waldviertel und Peter aus Tschechien. Sie alle
waren unterwegs auf dem
Jakobsweg und sind bei Pfarrer Andreas Tausch in Inzing
eingekehrt. Was sie dort erwartet, lässt alle Pilgerherzen
höher schlagen: eine einfache Unterkunft, eine Pilgerküche, eine Dusche – und
ein Herbergsvater, der Zeit
für ein paar Worte hat.
Ein offenes Ohr
„Die Pilger freuen sich,
dass sie bei mir unterkommen. Wenn ich Zeit habe,
sitzen wir oft bis in die
Nacht hinein zusammen“,
sagt Pfarrer Tausch. Die Gespräche sind für ihn immer
eine Bereicherung, manchmal hält der Kontakt zum
Pilger auch länger an. Viele
Pilger, die häufig vor Lebenswenden oder in Krisen auf
Pilgerschaft gehen, finden
bei ihm ein offenes Ohr.
Vor zwei Jahren hat Tausch
zusammen mit vielen Helferinnen und Helfern die
Pilgerherberge eingerichtet.
Ein kleine Küche, Matratzen
zum Schlafen, im Vorjahr ein
eigenes WC mit Dusche, vor
kurzem ein Stockbett. Und
ein Fußbad im Garten, in
Form einer Jakobsmuschel.
Sinn fürs Detail
Pfarrer Andreas Tausch
weiß, was Pilger brauchen.
Vor einiger Zeit ist er selbst
in Italien als Pilger unterwegs
gewesen, ohne Geld, ange-
Ein einfaches Stockbett dient den Pilgern als Schlafstätte für die Nacht. Im Zimmer liegt eiFoto:Hölbling
ne Mappe, in der Andreas Tausch den Umbau zum Pilgerzimmer illustriert hat.
wiesen auf die Gastfreundschaft der Menschen. Und
darum achtet er auch auf die
Kleinigkeiten, die das Pilgerleben angenehmer machen.
In seiner Herberge finden die
Pilger Schuhcreme ebenso
wie Blasenpflaster, Duschgel
und Sonnencreme.
Der Herbergsvater
Der gastfreundliche Pfarrer hat sich in der Pilgerszene
schnell herumgesprochen. In
Stoßzeiten finden sich nahezu jeden Tag Eintragungen
in seinem Pilgerbuch. Von
Terfens weg hat der Pfarrer
kleine Hinweisschilder am
Jakobsweg angebracht. Auch
in Pilgerführern ist seine Unterkunft verzeichnet. Herberge zu geben ist für Pfarrer
Tausch eine gute Möglichkeit, ein sympathisches Bild
von Kirche zu vermitteln.
„Viele Pilger bekommen so
wieder einen Zugang zur Kirche“, freut er sich.
Herzliche Aufnahme
Andreas Tausch wünscht
sich, dass noch weitere Pfarrer
seinem Beispiel folgen und
ihre Häuser für die Pilger öffnen, vor allem in jenen Pfarren, die am Jakobsweg liegen.
„Mein großer Wunsch ist es,
dass die Pfarrhäuser in Tirol
für die Pilger offen stehen.“
Dies sei eine große Chance
für die Kirche und die Begegnungen mit den Pilgern
seien eine Bereicherung. Das
bestätigt jede einzelne Seite
im Pilgerbuch. Dort ist von
„herzlicher Aufnahme“ die
Rede oder von „wundervollen Begegnungen“. Oder,
wie Sabine und Gitti aus Linz
geschrieben haben: „Danke
für diesen besonderen Ort
und seine Menschen.“
I N F O BOX
Andreas Tausch ist seit
drei Jahren Pfarrer von
Inzing. Wie zuvor in Zams
hat er auch im Inzinger
Widum vor zwei Jahren
eine Unterkunft für Pilger
eingerichtet. Die Bilder,
die er von den Pilgern
macht, sind auch im Internet abrufbar:
www.pfarre-inzing.at.
PI L G E R B Ü CH E R
%RFAHRUNGENäUNDä7EGWEISER
Pilgern ist wieder „in“.
Das zeigt sich auch am Büchermarkt, der eine unübersehbare Auswahl an Literatur
bietet. Moment präsentiert
eine kleine Auswahl – gesehen in der Buchhandlung
Tyrolia.
Ulrich Wegner: „Der
Jakobsweg“, Herder Verlag, 2. Auflage 2007, 30,80
Euro: Ein schönes reich bebildertes Buch über die spanische Etappe des Jakobsweges. Reich an Wissenswertem
über den Jakobsweg, dessen
Geschichte, aber auch viel
Informationen zu Landschaft, Kunst und Kultur.
Nützliches und Praktisches
macht dieses Buch zu einem
interessanten Schmöker sowohl für Pilgereinsteiger als
auch Fortgeschrittene.
Peter Lindenthal: „Auf
dem Jakobsweg durch Österreich“, Tyrolia Verlag,
6. aktualisierte Auflage
2008, 21,90 Euro: In 28
Etappen gut 800 Kilometer
von Pressburg nach Feldkirch inklusive Kartenmaterial, Wegbeschreibungen mit
Zeitangaben
und Ortsbeschreibungen
machen das
Büchlein zu
einem geeigneten Wegbegleiter. Tipps
von A bis Z,
von Asphalt
bis Warnung
und Wege
führen den
Interessierten ins Pil-
gern ein. Auch Adressen von
Pilgerherbergen und Hinweise auf Bus- und Bahnverbindungen finden sich in dem
informativen Führer des Tiroler Jakobsweg-Spezialisten.
Hermann Multhaupt:
„Zu Hause auf den Wegen der Welt“, Grünewald
Verlag 2007, 15,40
Euro: „Die ewige
Unruhe..., seit der
Mensch geboren
ist, spürt er sie, begleitet sie ihn, triebt
sie ihn an. Woher?
Wohin? Unterwegs
ist der Mensch, sein
Leben lang unterwegs auf der Suche
nach irgendwas.“
Das Büchlein sucht
Antworten auf das
Phänomen Pilgern
und fördert dabei Wissenswertes und auch Erstaunliches ans Licht.
Felix Bernhard: „Dem
eigenen Leben auf der
Spur“, Fischer Verlag 2008,
9,20 Euro: Ein berührender
Erfahrungsbericht eines Pilgers. „Ich bin aufgebrochen,
um zu spüren, das ich auf
eigenen Füßen stehen kann,
auch wenn das nur im übertragenen und nicht mehr
im physischen Sinne geht.“
Der Autor legte 2500 Kilometer auf dem Jakobsweg
zurück, mit Blasen an eher
unüblichen Stellen, denn als
Rollstuhlfahrer hat er weniger Probleme mit den Füßen
als mit den Händen. Von
den Strapazen wie auch den
Glücksmomenten erzählt
dieses eindrückliche Buch.
TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG
Freitag, 30. Mai 2008
Pfarrer Peter Scheiring erlebt bei Pilgerreisen und Wallfahrten, wie Menschen
im gemeinsamen Unterwegssein zur Gemeinschaft zusammenwachsen.
Wenn 30.000 singen, ist
das ein riesiges Erlebnis
Mehr als 1000 Gläubige
begleitet Pfarrer Peter
Scheiring jedes Jahr auf
Pilgerfahrten. In den vergangenen 15 Jahren hat er
über 100 Pilgerfahrten in
die ganze Welt gemacht.
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Die Rede vom momentanen Pilgerboom greift
für Peter Scheiring zu kurz.
Lourdes oder Rom seien
immer schon beliebte Wallfahrtsziele gewesen, wo sich
die Pilgermassen eingefunden haben. Dennoch weiß
er aus Erzählungen von Jakobspilgern, dass gerade die
Wege in Spanien derzeit
überlaufen sind. „Einige Jakobspilger sind richtig enttäuscht, dass jetzt so viele
Pilger am Weg sind“, erzählt
er. Wer die Stille beim Pilgern sucht, sollte die vielbegangenen Wege in Spanien
derzeit lieber meiden.
Pilgern im Bus
Die Pilgerfahrten, die Peter Scheiring begleitet, sind
ohnehin anders angelegt als
die Fußpilgerwege auf dem
Jakobsweg. Lourdes, Israel,
Toskana, St. Petersburg heißen die Ziele der diözesanen
Pilgerfahrten. Die Anreise
erfolgt mit Bahn, Bus oder
Flugzeug.
Reisebusse haben für
Scheiring eine ideale Größe,
um die Pilgergruppe zu einer
Gemeinschaft zusammenzuschweißen und gemeinsam
zu beten, aber auch Spaß zu
haben. „Wer eine Woche
lang gemeinsam unterwegs
ist, wächst schnell zu einer
Gruppe zusammen“, so die
Erfahrung des Pfarrers, der
seit 1993 Pilgerfahrten begleitet. Begonnen hat seine
Pilgerkarriere nach einem
Auslandsjahr in Rom, in dessen Folge er bereits 37 Mal
Immer wieder zieht Peter Scheiring die Bibel hervor, um auf den Pilgerfahrten zu Besinnung
Foto: Diözese Innsbruck
und Gebet einzuladen.
mit Pilgergruppen die Ewige
Stadt besucht hat.
Gemeinsam glauben
Die Höhepunkte der Pilgerfahrten sind für den Pfarrer von Telfs-Heilig Geist die
gemeinsamen Zeiten des
Gebetes und die Messfeiern.
„Die meisten Menschen haben ihre persönlichen Gebetsanliegen mit“, erklärt er,
warum diese Pilgerfahrten
immer zu einem tiefen Glaubenserlebnis werden. Wenn
wie in Lourdes 30.000 Menschen gemeinsam beten und
singen, sei das für alle ein beeindruckendes Erlebnis.
Kulturgenuss
Auch das Drumherum
kommt auf den Pilgerfahrten
nicht zu kurz. Mit einer gelungenen Mischung aus Gebetszeiten, Besichtigungen
und Informationen zu Geschichte und Kultur gelingt
es Scheiring, die Pilgerreise
zu einem Erlebnis zu machen. „Manche haben vielleicht Angst, dass auf den Pilgerreisen nur gebetet wird“,
„Manche
haben Angst,
dass auf
Pilgerreisen
nur gebetet
wird.“
PETER
SCHEIRING
Foto: Hölbling
sagt Scheiring. Das richtige
Verhältnis von Gebet, Freizeit, Kultur und Spaß richte sich aber auch nach den
jeweiligen Bedürfnissen der
Gruppe. Dennoch mache er
die Erfahrung, dass an den
Pilgerfahrten auch Menschen teilnehmen, die der
Kirche eher fern stehen. Jede
An einem „kleinen Pilgerweg“ lebt Scheiring auch in
seiner Pfarre Telfs-Hl. Geist.
Die Pfarrkirche ist Ziel des
neuen Besinnungsweges von
der Wallfahrtskirche Locherboden nach Telfs. Ob betende
Pilger, Jogger oder Radfahrer, Scheiring konnte schon
viele begrüßen, die den drei
Stunden langen Weg gegangen ist. Viele Jugendliche gehen auch im Rahmen ihrer
Firmvorbereitung auf diesem
Weg und übernachten dann
im Pfarrheim. Ein Besinnungsweg, der vielleicht den
einen oder anderen auf den
Geschmack bringt, auch einmal einen großen Pilgerweg
zu gehen.
Symbolgehalt
Der Überlieferung nach
ist Jakobus der erste Märtyrer unter den Aposteln. Im
heutigen Santiago de Compostela sollen am 25. Juli 816
seine Reliquien in der Kirche beigesetzt worden sein.
Schon bald wuchs dieser Ort
zu einem der größten Wallfahrtszentren des Abendlandes heran.
von einer Haselstaude, erleichtert das Gehen vor allem im flachen Gelände. Oft
baumelt am Pilgerstab eine
Jakobsmuschel.
Jakobskirchen
Die Muschel – zentrales Symbol der Jakobspilger. Foto: Pedrop
Tirol führen sogar einige Gemeinden die Jakobsmuschel
in ihrem Wappen wie etwa
St. Jakob in Haus oder St. Jakob im Defereggental. Muschel samt Pilgerstab zieren
das Wappen der Gemeinde
Strass im Zillertal.
Nicht nur Symbol, sondern eine große praktische
Hilfe ist der Pilgerstab. Der
übermannshohe Stab, meist
Der Stadtbesinnungsweg der
Pfarre St. Pirmin in Innsbruck
In Innsbruck entstand zur Zehn-Jahres-Feier der
Pfarrkirche St. Pirmin der Stadtbesinnungsweg. Initiiert wurde dieser Weg, der unter dem Motto „Gott
ist an diesem Ort und ich wusste es nicht“ steht,
von Pfarrer Franz Troyer. Der Stadtbesinnungsweg
umfasst insgesamt zwölf Stationen und beginnt bei
der Pfarrkirche St. Pirmin (Motto: „Täglich neu den
Aufbruch wagen“. Anschließend führt er weiter zu den
Wohnhäusern Durigstraße („Heimat für Leib und Seele“), zum Park in der Prof.-Martin-Spörr-Straße („Wer
verwurzelt ist, kann sich entfalten“), zur Bushaltestelle Radetzkystraße („Worauf warte ich?“), zur Tiefgarage Burghard-Breitner-Straße („Ich darf manches
abstellen und muss nicht alles mit-schleppen“), zum
Seniorenwohnheim Reichenau („Menschen-würdig leben bis zuletzt“), zum Freizeitpark Innpromenade („Tu
deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele gerne
darin wohnt“), zur Grenobler Brücke („Inn s Bruck –
Brücken bauen“), zum KZ-Auffanglager („Lernt der
Mensch aus der Geschichte“), zur Kreuzung Langer
Weg („Ich habe die Freiheit, Entscheidungen zu treffen“) und über das Industriegebiet Rossau („Kann ich
meine Talente in der Arbeit einbringen?“) zurück zum
Pfarrplatz St. Pirmin („Mit Gottes Hilfe weiter gehen“).
Um den Stadtbesinnungsweg zu begehen, werden
etwa eineinhalb Stunden benötigt. Entlang des Weges gibt es im Park Prof.-Martin-Spörr-Straße und am
Inn Sitzbänke, die zum Verweilen einladen. Ziel des
Weges ist es, Menschen und die Umgebung bewusst
wahrzunehmen. (c. h.)
Besinnungsweg
-USCHELä3TABäUNDäEINä0ATRON
Zum wohl bekanntesten
Symbol der Pilger ist die
Jakobsmuschel geworden.
Diese schmackhafte Muschel
wurde bereits im Mittelalter
den Pilgern überreicht, die
entlang des Jakobsweges
nach Santiago kamen. Der
Brauch geht vermutlich zurück auf Legenden rund um
den hl. Jakob, der zum Dank
für die Rettung eines Ertrinkenden eine Jakobsmuschel
erhalten haben soll.
Das Symbol der Jakobsmuschel ist auf allen Hinweistafeln und Wegpfeilen
des Jakobsweges zu finden.
Viele Pilger, die nach Santiago kommen, setzen ihren
Weg noch rund 60 km lang
fort, um im Atlantik eigenhändig eine Jakobsmuschel
aus dem Meer zu fischen. In
PI LG E R - U N D B ESI N N U N G SWEG E
Pilgerreise sei eben eine besondere Situation, in der sich
die Menschen in besonderer
Weise für neue Erfahrungen
öffnen.
D I E SYM BO LE
Wer auf Pilgerreise geht,
kommt um Jakob kaum herum. Aufgrund des Booms
rund um die unzähligen
Jakobswege hat sich dieser
Apostel einen besonderen
Namen gemacht. Mit seinem Bruder Johannes sowie
Petrus gehört er zu den drei
bevorzugten Begleitern im
Leben Jesu.
7
Auch Jakobus als Kirchenpatron weist in Tirol auf
die uralten Jakobswege hin.
Dem hl. Jakobus geweiht
sind etwa die Pfarrkirche von
Hopfgarten im Brixental, die
Pfarrkirchen von St. Jakob
am Arlberg oder in Defereggen. Auch die Pfarrkirchen
von Strass im Zillertal und
Strassen in Osttirol haben
den hl. Jakobus zum Patron.
Ein bedeutendes Zentrum
des Pilgerwesens in Tirol
war Innsbruck, dessen Dom
ebenfalls dem hl. Jakobus geweiht ist.
Die Pfarrkirche St. Pirmin.
Foto: Böhm
Entlang des Franziskusweges
in der Wildschönau
Der Franziskusweg in der Wildschönau ist ein
knapp zwei Kilometer langer Besinnungsweg, der die
Ortsteile Niederau und Oberau verbindet. Er vereint
Kunst und Natur und soll zum Innehalten und zur
Besinnung anregen.
Dem Weg liegt der
„Sonnengesang“ des
heiligen Franziskus
zu Grunde. Der Wildschönauer Künstler
Hubert Flörl schuf insgesamt neun Skulpturen, die entlang
des Weges stehen
und den einzelnen
Strophen des „Sonnengesanges“ gewidmet sind. Gepriesen
werden das Universum, Sonne, Mond
und Sterne, der Wind
und das Wetter, das
Die Skulpturen entlang des
Franziskusweges schuf der
Wasser, das Feuer
Wildschönauer Künstler Huund die Erde, Liebe
bert Flörl. Foto: TVb Wildschönau/Ascher
und Tod. Die einzelnen Stationen sollen
an die Bedeutung und die Schönheit der Schöpfung
erinnern – laut Intention der Initiatoren aber auch an
die Verantwortung des Menschen, die Schöpfung zu
bewahren und zu achten. (c. h.)
8
TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG
D I E U M F R AG E
Was beeindruckt Sie
am Pilgern?
Maria Helbok, Angestellte, Innsbruck: Pilgern
bedeutet für mich, mich auf den Weg zu machen zu
einem bestimmten Ziel, noch nicht bestimmter Zeit.
Man reduziert bereits zu Hause beim Packen des
Rucksackes, Gepäck, das
man innerlich mitträgt,
wird leichter oder klarer.
Stücke des Weges gehe
ich schweigend, betend,
andere wütend, fragend,
fröhlich. Entscheidungen
sind zu treffen, wenn
Orientierungstafeln fehlen oder drei Richtungen
für ein Ziel gegeben
Maria Helbok.
Foto: Hölbling
sind. Man findet seine
Geschwindigkeit, man
darf entschleunigen. Da und dort ergeben sich Begegnungen und Gespräche mit Einheimischen. Und am
Ziel solch wunderbare Erfahrungen: geschafft, stolz,
glücklich, demütig, getragen.
Gottfried Kühnelt-Leddihn, Malteser Hospitaldienst Austria: Wallfahrt bedeutet für mich Entsorgung von Altlasten – vor dem Aufbruch, unterwegs,
am Ziel. Wallfahrt ist
eine schöpferische Pause in einer mit Stress
angefüllten Zeit, verschafft mir Klarheit über
meinen Lebensweg, ist
ein Danke, ist ein Bitte.
Wallfahrt ist Wartung
für die Seele, bringt
Zufriedenheit. Wallfahrt
ist: am Gipfel stehen
Gottfried Kühnelt-Leddihn. und ganz tief durchatFoto: Malteser
men, SEINEN Geist auf
mich wirken zu lassen.
Manchmal genügt eine halbe Stunde bei Unserer Lieben Frau unter den vier Säulen, ein anderes Mal ein
Gang nach Heiligwasser oder auf’s Höttinger Bild, von
Zeit zu Zeit muss es ein weiter Weg sein.
Richard Norz, Kammerdirektor der Landwirtschaftskammer Tirol: Pilgern bedeutet für mich
Aufbrechen, Alltag und Gewohntes hinter sich lassen
und damit offen und frei werden für Eindrücke und
Begegnungen. Pilgern
zu Fuß bietet außerdem
einzigartige Möglichkeiten
des Wahrnehmens der
mich begleitenden Natur,
sie als Schöpfung und
damit Mitwelt zu bestaunen und zu begreifen.
Gemeinsamkeiten, und
damit Gemeinschaft zu
erleben, gehören zu den
Kraftquellen des Pilgerns
Richard Norz.
Foto: LKT
(„Wo zwei oder drei in
meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, Matthäus
18, 20). Auffallend sind der Unterschied in der Stimmung, das persönliche Empfinden und die Zuversicht
zwischen Hin- und Rückweg. Diesen Mehrwert durch
das Pilgern gilt es, in den Alltag hineinzustellen.
Moment
30. Mai 2008 – Sonderbeilage
Gründungsherausgeber: Komm.-Rat Joseph S. Moser, April 1993 †;
Herausgeber: Gesellschafterversammlung der Moser Holding AG; Medieninhaber (Verleger): Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH.; Hersteller:
Intergraphik Ges. m. b. H.;
Sonderpublikationen, Leitung: Stefan Fuisz;
Redaktion: Karin Bauer, Helene Daxecker-Okon,
Heike Fink, Christa Hofer, Walter Hölbling, Franz Stocker, Christina Vogt.
Diözese Innsbruck, Abteilung ÖA: Karin Bauer.
Anschrift für alle: 6020 Innsbruck, Ing.-Etzel-Straße 30, Postfach 578,
Tel. 0 512/53 54-0, Fax 0 512/53 54-577.
Freitag, 30. Mai 2008
Sich auf den Weg einlassen und offen sein für das was kommt: Wilhelm Holzhammer bricht an einem Wendepunkt seines Lebens zu einer Pilgerreise auf.
Neue Wege beschreiten
Schon oft hat Wilhelm
Holzhammer aus Rum zum
Pilgerstab gegriffen, um
auf dem Jakobsweg unterwegs zu sein. Demnächst
packt er wieder seinen
Rucksack und bricht zu einer Pilgerreise auf.
Vor einigen Jahren hat Sie
das Pilgerfieber gepackt. Was
war der Auslöser dafür?
Vor sechs Jahren habe ich
für die Pfarre eine Pilgerfahrt
auf dem Jakobsweg in Frankreich organisiert. Damals
habe ich erfahren, wie bereichernd es ist, täglich 20 Kilometer zu gehen. Seither habe
ich mehrfach Teilstücke des
Jakobswegs zurückgelegt.
Auf der Suche nach den Spuren meines Namenspatrons
Wilhelm von Aquitanien
habe ich dabei das Kloster
gefunden, das er gegründet
hat. Zum meinem 60. Geburtstag habe ich mir eine
Pilgerreise von St. Guilhemle-Desert nach Puenta La
Reina gewünscht und durfte
den Weg auch gehen.
Unterwegs mit Gott
Eine Pilgerreise zum Geburtstag: Worin liegt das Geschenk beim Pilgern?
Das Gehen, allein mit sich
und mit Gott und in seiner
Schöpfung, das ruhige Gehen, das lange, schweigsame
Gehen, das macht viel vom
Pilgern aus. Und alles, was
dazugehört: die körperliche
Anstrengung, die Natur,
die Menschen, denen man
begegnet, Gedanken und
Gefühle, die aufsteigen, Gespräche am Abend.
Welche Rolle spielt die sportliche Seite des Pilgerns?
Wenn ich zu sehr mit Zeit
und Leistung beschäftigt bin,
kann sich das Herz nicht öffnen. Pilgern ohne diese Spiritualität ist nicht viel anders
als Wandern. Das hat auch
seinen Reiz, aber dazu muss
ich nicht auf einem Pilgerweg unterwegs sein.
Nehmen Sie sich spirituelle
Impulse auf die Reise mit?
Viel kommt von innen
heraus, Impulse sind aber
hilfreich. Ich habe stets das
Stundenbuch und die Bibel
dabei. Der Tag beginnt mit
der Laudes und dem Tagesevangelium. Mit diesem
Text bin ich den ganzen Tag
unterwegs. Ich bin oft überrascht, wie genau die Bibelstellen zum jeweiligen Tag
passen.
Was passiert mit einem,
wenn man tage- oder wochenlang alleine unterwegs ist?
Die Seele wird frei durch
das Abgeben des ganzen Ballastes aus dem Alltag. Die
Sensibilität nimmt zu und
dadurch werden die Erfahrungen viel unmittelbarer.
Die Natur, die Menschen
kommen einem viel näher,
weil der seelische Panzer
nicht mehr da ist, den man
Z U R PE RSO N
Wilhelm Holzhammer ist
Diakon in der Pfarre Rum
St. Georg und Vater von
fünf erwachsenen Kindern.
Jeden Tag nimmt sich Wilhem Holzhammer Zeit, um in der Bibel und im Stundenbuch zu leFoto: Holzhammer
sen. Die texte begleiten ihn den ganzen Tag.
sich im Alltag oft aufgebaut
hat.
Sind das nur positive Erfahrungen?
Phasen der Krise sind beim
Pilgern unausweichlich. Da
muss man hindurch, weil
man nur so weiter wachsen
kann. Es ist so wie im Leben,
hier jedoch intensiver und in
kurzer Zeit.
Gelassener werden
Wie gelingt der Ausstieg aus
dem Pilgern, nachdem man wochenlang jeden Tag unterwegs
gewesen ist? Fällt der Einstieg
in den Alltag schwer?
Wenn die Zeit, die man
sich zum Pilgern vorgenommen hat, vorbei ist, dann
sagt einem das Gefühl, dass
es Zeit ist, heimzukommen.
Ich hatte dann auch genug
vom Gehen und war froh,
wieder mein normales Leben
aufnehmen zu können. Das
Pilgern führt nicht aus der
Welt hinaus, sondern man
kommt im Gegenteil mehr
zu sich selbst, ist ruhiger und
gelassener.
Es bleibt also nicht alles
beim Alten?
Es gibt den alten Pilgerspruch: „Nach dem Weg ist
vor dem Weg.“ Wenn der Pilgerweg vorbei ist, steht man
am Beginn seines persönlichen Weges. Dann kann
es schon sein, dass man in
seinem Leben gewisse Dinge
ändern, neue Gewichtungen
vornehmen will.
Erinnern Sie sich an Erfahrungen, wo sich für Ihr Leben
einschneidende Veränderungen
ergeben haben?
Es gibt ein paar besondere
Orte und Momente, wo die
Nähe Gottes intensiv spürbar
geworden ist. Aber ich kann
nicht genau festmachen, was
sich da geändert hat. Allerdings an einen Tag kann ich
mich aber erinnern, an dem
ich einen klaren Hinweis für
eine persönliche Entschei-
dung bekommen habe.
Sie werden demnächst für
längere Zeit auf den Pilgerweg
nach Santiago de Compostela
aufbrechen. Wie bereiten Sie
sich darauf vor?
Ich werde meinen Weg
mit einer bestimmten Frage
beginnen. Ein ausgefeiltes
spirituelles Programm werde
ich mir nicht zurechtlegen.
„Ich möchte
offen sein
für das,
was auf mich
zukommt.“
WILHELM
HOLZHAMMER
Foto: Holzhammer
Ich möchte mich auf den
Weg einlassen und offen
sein für das, was auf mich zukommt. Wer sich da zu viel
verplant, verstellt sich den
Blick auf das, was kommt.
Antwort auf Fragen
Wie stellen sich beim Pilgern
Antworten auf diese Frage ein?
So mancher hat die Erfahrung gemacht, dass er
auf dem Weg Menschen
begegnet, die ihm oder ihr
Antworten auf seine oder
ihre Fragen geben. Irgendein
Mensch quert deinen Weg,
der dir den entscheidenden
Anhaltspunkt gibt, oft, ohne
es selbst zu wissen. Anderen
erschließt sich eine Antwort
im Gebet. Hier hellhörig zu
sein und hinzuhören, ist
wichtig.
Worin besteht die größte Herausforderung beim Pilgern?
Wichtig ist: Man muss es
wollen und die Zeit muss reif
dafür sein. Nicht immer ist
die passende Zeit für das Pilgern. Vielleicht hat jemand
auch Angst davor, länger allein unterwegs zu sein. Es ist
auch eine Frage, ob es für die
anderen passt, ob ich selbst
der Herausforderung gewachsen bin? Ich habe mich
nach Gesprächen in der
Familie und mit Freunden
entschlossen, diesen Weg
zu gehen. Meine Frau Hilde
wird die ersten zehn Tage bis
Einsiedeln mit mir gehen.
Licht und Schatten
Wir erleben derzeit einen Pilgerboom. Wie erleben Sie diesen
Megatrend?
Der deutsche Fernsehstar
Hape Kerkeling hat mit seinem Pilgerbuch im deutschsprachigen Raum einen Pilgerboom ausgelöst. Das hat
dazu geführt, dass Promis
oder Politiker auf dem Pilgerweg gefilmt werden. Das
tut der Sache keinen guten
Dienst. Eine positive Auswirkung des Pilgerbooms ist allerdings, dass andere Pilgerwege, wie zum Beispiel nach
Mariazell oder nach Assisi
oder die weit verzweigten Jakobswege in ganz Europa,
mehr an Aufmerksamkeit
gewinnen.
Haben Sie spezielle Erwartungen für Ihren Pilgerweg?
Es ist eine Art Regeneration, sowohl körperlich
als auch spirituell und in
meinem Glaubensleben. In
meinen Gebeten nehme ich
meine Familie, Freunde und
die Pfarrgemeinde mit. Ich
hoffe, dass danach manches
in meinem Leben klarer
wird. An Wendepunkten –
bei mir ist es der Eintritt in
den Ruhestand – ist eine Bestandsaufnahme und Neubewertung hilfreich. Es ist
wichtig, vorübergehend aus
den eingefahrenen Wegen
auszusteigen, um einen neuen Blick für das eigene Leben
zu gewinnen und vielleicht
zu erfahren, was Gott mit
einem vorhat.
Das Interview
Walter Hölbling
führte