Polyurethan-Brustimplantate: Mythen und Tatsachen

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Polyurethan-Brustimplantate: Mythen und Tatsachen
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Magazin für Ästhetische Chirurgie
4 | 2012
Polyurethan-Brustimplantate:
Mythen und Tatsachen
Brasilien gilt sowohl bezüglich der ärztlichen
Kunstfertigkeit wie auch der Aufgeschlossenheit
der Patientinnen gegenüber Eingriffen als eine
Hochburg der Schönheitschirurgie. Dabei steht
das Idealbild der perfekten Brust im Zentrum der
Wahrnehmung. Es ist sicher kein Zufall, dass die
meisten Brasilianerinnen hierbei auf polyurethanbeschichtete Implantate von Silimed vertrauen,
da diese neben der Produktsicherheit auch ihren
Anspruch auf eine sichtbare Ästhetik des Operationsergebnisses gewährleisten.
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Auch in Deutschland werden diese Implantate, bei deren Her-
ger Kältegefühl sind nur einige der Vorteile, die den Regelein-
stellung eine Aktivmatrix aus Polyurethanschaum mithilfe eines
satz begründen.
von Silimed patentierten Vulkanisationsverfahrens untrennbar
mit der Silikonhülle verbunden wird, immer beliebter. Sie kön-
MÄC:
nen neben einem ausgesprochen natürlichen ästhetischen Er-
Polyurethanschaum als Beschichtung von Brustimplanta-
gebnis mit einem Minimum an Kapselkontrakturen punkten.
ten unterzieht sich einer allmählichen chemischen Zerset-
Durch die Synthese mit dem umgebenden Gewebe ist zudem
zung, bei der möglicherweise eine als TDA (chemisch als
das Fremdkörperempfinden der Patientinnen deutlich reduziert.
2,4-Toluenediamine) bezeichnete Substanz freigesetzt
wird. 1995 hat die amerikanische FDA – Food and Drug
Um vielfach aufkommende Fragestellungen zu klären, haben
Administration Agency – eine Studie mit möglichen Indices
wir ein Gespräch mit Dr. Thomas Gohla (Karlsruhe), Facharzt
veröffentlicht, in der untersucht wurde, ob das von Poly-
für Plastische Chirurgie und ein erfahrener Anwender dieser
urethanimplantaten freigesetzte TDA karzinogen ist. Wie
Implantate, sowie Dr. Burkhard Reis, dem Geschäftsführer der
denken Sie darüber?
TRICONmed GmbH, des Silimed-Vertriebspartners in Deutschland und Österreich, geführt.
Dr. Gohla:
TDA ist ein thermisches Abbauprodukt von Polyurethan. Die
MÄC:
Entstehung im menschlichen Körper ist ungewiss, da es bei
Verschiedene wissenschaftliche Vorträge berichten dar-
Studien sowohl im Urin von Implantatträgerinnen als auch im
über, dass viele Chirurgen polyurethanbeschichtete Brust-
Urin der Kontrollgruppe gefunden wurde. Der Nachweis im Urin
implantate verwenden, um Probleme mit wieder auftreten-
könnte zudem durch das Extraktionsverfahren bedingt sein.
den Kontrakturen zu lösen. Wie würden Sie unter Berück-
TDA ist in der Menge, in der es aus mit Polyurethanschaum
sichtigung der verfügbaren Literatur und Ihrer Erfahrung
beschichteten Brustimplantaten freigesetzt wird, nicht karzino-
als Chirurg handeln?
gen.
Dr. Gohla:
Dr. Reis:
Ich verwende Silimed-Implantate mit PU-Beschichtung als
Die FDA selber hat diese Information in einer offiziellen Be-
meine erste Wahl, da diese Option mir die besten Ergebnisse
kanntmachung bestätigt.
liefert.
[”Basierend auf sehr geringen Mengen von TDA, welche im Urin gefunden wurden, kann das Krebsrisiko, sofern es überhaupt besteht,
Dr. Reis:
möglicherweise vernachlässigt werden. Die FDA schätzt, dass das
Polyurethanimplantate sollten, wo immer möglich, als erste
Krebsrisiko durch TDA bei rund 1 zu 1 Million im Leben einer Frau
Wahl eingesetzt werden. Ihr Einsatz bietet zahlreiche Vorteile:
liegt. Es ist unwahrscheinlich, dass TDA bei einer von 110.000
Geringe Kapselkontrakturrate, keine Rotation, keine Disloka-
Frauen mit Polyurethanschaum-beschichteten Implantaten Krebs
tion, deutlich reduzierte Fremdkörperwahrnehmung und weni-
hervorrufen wird.” – Food and Drug Administration, 27. Juni 1995.]
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MÄC:
MÄC:
Aus der Literatur geht hervor, dass Polyurethanimplantate
Ist es im Fall der Explantation von Polyurethanimplantaten
sich bei Berührung natürlicher anfühlen. Ist diese Aussage
immer erforderlich, eine vollständige Kapsulektomie
aufgrund Ihrer Erfahrung richtig?
durchzuführen?
Dr. Gohla:
Dr. Gohla:
Ja, absolut! Alle meine Patientinnen sind begeistert über das
Nein, eine vollständige Kapsulektomie von Polyurethanimplan-
natürliche Gefühl. Durch die feste Gewebeintegration gibt es
taten ist nur bei Fällen von anhaltenden Infektionen erforderlich.
keine Fremdkörperwahrnehmung – weder für die Patientin
noch für den Partner. Allerdings kann es 6 bis 8 Monate dau-
Dr. Reis:
ern, bis die anfänglich etwas fester erscheinenden Implantate
Einige Chirurgen führen eine Kapsulektomie in folgenden Fällen
ihre endgültige Weichheit erreichen.
durch: Vergrößerung des lmplantatvolumens, Kontrakturen 4.
Grades, im Falle eines Seroms, wenn die Metaplasie andauert
MÄC:
oder wenn der Wunsch besteht, alle Vorteile einer Neokapsel
Die Entfernung von Polyurethanimplantaten unterscheidet
zu erlangen.
sich von anderen Implantaten. Können Sie in Bezug auf die
Entfernung von Polyurethanimplantaten Stellung nehmen?
MÄC:
lst es schwieriger, eine durch Polyurethanimplantate ge-
Dr. Gohla:
formte Kapsel komplett zu entfernen, als bei anderen Im-
Der PU-Schaum wird Bestandteil der Kapsel und kann nach 6
plantaten?
Monaten wie ein Klettverschluss vom Implantat gelöst werden.
Eine komplette Kapselentfernung ist daher in der Regel völlig
Dr. Gohla:
unnötig.
Nein, die von Polyurethanimplantaten geformte Kapsel ist zwar
komplexer, ihre Entfernung ist jedoch nicht wesentlich aufwän-
MÄC:
diger als bei texturierten Implantaten.
Steht der Zeitaufwand der Entfernung von PolyurethanimpIantaten im Verhältnis zur Implantationszeit?
MÄC:
Einige Patienten entwickeln nach einer Augmentation
Dr. Gohla:
einen juckenden Hautausschlag. Ist diese Hautreaktion
Korrekturen sollte man unmittelbar postoperativ vornehmen
eine typische Reaktion auf Polyurethanimplantate?
oder erst nach frühestens 6 Monaten.
Dr. Gohla:
Ja, ein Hautausschlag kommt speziell bei Polyurethanimplantaten vor.
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Dr. Reis:
MÄC:
Die als Rash bezeichnete Rötung wird in 1-2% der Fälle beob-
Machen polyurethanbeschichtete Implantate eine Brust-
achtet. Durch den Juckreiz und das Fehlen von klinischen In-
krebsdiagnostik schwieriger?
fektionszeichen ist der Rash sicher von einer Infektion zu unterscheiden. Die Rötung tritt 8 bis 10 Tage nach Operation auf
Dr. Reis:
und kann 2 Wochen andauern. Den Juckreiz kann man mit
Nein, das Risiko ist bei allen Patienten mit Brustimplantaten
Kortison-Creme behandeln. Es gibt weder Rezidiv noch gehen
gleich. Dieses ist so, weil Silikon trüb ist und Polyurethan-
Komplikationen daraus hervor, so dass der Rash in keinem Fall
schaum diese Eigenschaft nicht verringert oder betont.
ein Grund für eine Revision darstellt.
[vgl. “Saline-filled breast implants” – Center for devices and radiologi-
MÄC:
cal health, 6/6/2000]
Sind das Auftreten und die Behandlung von Infektionen bei
Brustvergrößerungen gleich häufig wie bei allen anderen
MÄC:
Arten von Implantaten?
Müssen mit Polyurethan beschichtete Implantate auf der
retromuskulären Fläche verwendet werden?
Dr. Reis:
Für Implantate von Silimed steht eine Vielzahl von Studien zur
Dr. Gohla:
Verfügung. Die Auswahl der Implantatoberfläche hat keine Aus-
Nein, weil wir dann einen der wichtigsten Vorteile bezüglich ihrer
wirkung auf die Infektionshäufigkeit. Auch die Behandlung un-
Verwendung verlieren, nämlich den Vorteil des natürlichen Ergeb-
terscheidet sich nicht.
nisses der Drüsenfläche auszunutzen, ohne Angst vor der Entwicklung von Kapselkontrakturen haben zu müssen. Ich ent-
MÄC:
scheide in Abhängigkeit der Dicke des bestehenden Hautmantels.
Besteht bei Polyurethanimplantaten eine Einschränkung
für den Zugang?
MÄC:
Durch die Ansammlung von Gewebeflüssigkeit kann sich
Dr. Gohla:
um das Implantat ein Serom bilden. Dieses kann spontan
Ich persönlich verwende den axillären Zugang nicht mehr. Re-
gelöst werden, sehr häufig ist zur Entfernung ein Eingriff
nommierte Plastische Chirurgen, die Ihn jahrzehntlang verwen-
erforderlich. Tritt in Konsequenz dieser Aussage dieses
det hatten, haben diesen Zugang aufgrund der schlechten
Phänomen bei Polyurethanimplantaten häufiger als bei
Langzeitergebnisse ebenfalls verlassen. Prinzipiell lassen sich
Silikonimplantaten auf?
die PU-Implantate mit der mitgelieferten sterilen Einführhilfe
auch von axillär einbringen.
Dr. Gohla:
Nein, nach meiner Erfahrung tritt ein Serom unabhängig von
der Art der Implantatoberfläche auf.
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MÄC:
Dr. Reis:
Ist Rippling eine Risiko bei Augmentationen mit poly-
Ja, der damalige alleinige amerikanische Hersteller von Poly-
urethanbeschichteten Implantaten?
urethanimplantaten, Bristol-Myers Squibb, hatte sich entschieden, den Silikonmarkt aufzugeben, bevor Beschränkungen von
Dr. Gohla:
der FDA auferlegt wurden.
Bei polyurethanbeschichteten Implantaten gilt die Devise ‘You
see what you get’. Das gilt für die Position, aber auch für Fal-
MÄC:
ten und Rippling. Das Kohäsivgel von Silimed zeigt wenig
Was ist das Ergebnis des Abbaus von Polyurethanschaum
Rippling und der Polyurethanüberzug reduziert die Neigung
im Organismus?
weiter. Ich habe keine Probleme mit Rippling.
Dr. Gohla:
MÄC:
Der Abbau des Polyurethan-Schaums tritt als Reaktion des
Können Sie bezüglich später Kontrakturen auf Basis Ihrer
Organismus auf das Erkennen eines Fremdkörpers auf. Die
klinischen Erfahrung ein Statement abgeben?
Strukturen des PU-Schaums werden als Fremdkörper betrachtet und mobilisieren Makrophagen und Riesenzellen. Später
Dr. Gohla:
folgt der Einschluss der Schaumstrukturen in Kollagenkapseln,
Auch mittel- und langfristig sind die Ergebnisse bei der Verwen-
wobei nicht eine makroskopische Kapsel um das Implantat,
dung von Polyurethanimplantaten wegen der niedrigen Häufig-
sondern eine Vielzahl von Kapseln um jede PU-Schaumstruktur
keit von Kapselkontrakturen zufriedenstellend.
gebildet wird.
Dr. Reis:
Dr. Reis:
Die klinische Datenlage der Silimed-Implantate ist sehr hoch und
Durch die Fremdköperreaktion des Organismus werden kleine
in diesem Punkt eindeutig und unwiedersprochen. Selbst nach
Fragmente aus dem PU-Schaum von Makrophagen aufge-
15 Jahren liegt die Kapselkontrakturrate (Baker 3 oder 4) bei
nommen und absorbiert und schließlich über den Urin ausge-
unter 1%. Die FDA-Zulassungsstudien belegen bei glatten und
schieden, da sämtliche PU-Abbauprodukte gut wasserlöslich
texturierten Implantaten nach 10 Jahren Kapselkontrakturraten
sind. Die größeren Fragmente werden umgeben und am Ort
(Baker 3 und 4) von bis zu 19% bei primärer Augmentation.
von Makrophagen und Riesenzellen eingefangen und später
teilweise durch Fibroblasten und Kollagen ersetzt.
MÄC:
[ vgl. “Polyurethane coated silicone implants and questions on cap-
Die FDA hat niemals den Verkauf von PolyurethanimpIan-
sular contracture”; Brand, K. Gerard Plast. Reconstr. Surg. 1984]
taten unterbunden. Zunächst bat sie alle Hersteller, den
Verkauf von GeIbrustimplantaten zeitweilig einzustellen.
Erst später wurde diese Einstellung definitiv vollzogen.
Was wissen Sie darüber?
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MÄC:
MÄC:
Unterscheidet sich das Einsetzen von Polyurethanimplan-
Wird die Verwendung von Flüssigkeiten zur Erhöhung der
taten von anderen Implantaten? Ist es schwieriger?
Gleitfähigkeit und damit zur ErIeichterung der Einführung
von Polyurethanimplantaten empfohlen?
Dr. Gohla:
Es ist anders, aber nicht unbedingt schwieriger. Die Tasche
Dr. Gohla:
sollte etwas größer sein, die Positionshöhe sollte genau dort
Ich spüle die Tasche mit Kochsalzlösung und tauche das Im-
gewählt werden, wo das Implantat später liegen soll – es wird
plantat ebenfalls in Kochsalzlösung. Weitere Spüllösungen ver-
nicht runterrutschen – und daher muss eine zu hohe Positio-
wende ich nicht.
nierung vermieden werden. Mit Hilfe des beiliegenden Einführschlauchs geht das Einsetzen vergleichbar leicht oder schwie-
MÄC:
rig wie jedes anatomische Implantat. Ein Justieren in der Ta-
Welche Auswirkung hat das Verschwinden der Polyure-
sche ist intraoperativ immer gegeben.
thanschicht in der Kapselkontraktur? Hat der allmähliche
Abbau der Schaumstruktur Auswirkungen auf die späte
MÄC:
Kapselbildung?
Das PolyurethanimpIantat verbleibt stabil und wird sich
nicht in der Zeit nach der Operation bewegen. Ist dies von
Dr. Gohla:
Vorteil?
Keine, da die bereits geformte Kapsel stabil ist.
Dr. Gohla:
Dr. Reis:
Ja. Einer der Vorteile von Polyurethanimplantaten ist ihr Fest-
Die Kapsel bildet sich in der schwammartigen Struktur des
haften am Gewebe. Dadurch wird die Neigung zur sekundären
Polyurethan-Schaumes in Form vieler Multidirektionaler Mikro-
Ptose über die Zeit deutlich minimiert.
kapseln. Nach Ausreifung der Kapsel bleibt diese Kapsel stabil,
auch wenn die formgebenden Polyurethanpartikel mit der Zeit
MÄC:
abgebaut werden. Daraus erklärt sich auch die hervorragende
Ist Ihrer Meinung nach das Auftreten von frühen und spä-
Langzeitprognose mit Kapselkontrakturraten von unter 1%
ten Hämatomen beim Einsatz von Polyurethanimplantaten
nach 15 Jahren.
häufiger?
[vgl. “A 15 Year Experience with PU-Foam-Covered Brest Implants
using parial Subfascial Technique”, De la Pena et al, 17.12.2011
Dr. Gohla:
Aesth Plast Surg.]
■
Nein, das Auftreten von Hämatomen hängt nicht von der Oberfläche von Silikonbrustimplantaten ab. Ich sehe da keinen Zusammenhang.
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Das Interview führte F. Höppner.