Rehabilitation – Sozialmedizinische Aspekte
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Rehabilitation – Sozialmedizinische Aspekte
Rehabilitation – Sozialmedizinische Aspekte Querschnittsbereich 3 Gesundheitsökonomie WHO-Definition „Rehabilitation“ R. umfasst alle Maßnahmen, die das Ziel haben, den Einfluss von Bedingungen, die zu Einschränkungen führen abzuschwächen und die eingeschränkten und benachteiligten Personen zu befähigen, eine soziale Integration zu erreichen. R. zielt nicht nur darauf ab, eingeschränkte und benachteiligte Personen zu befähigen, sich ihrer Umwelt anzupassen, sondern auch darauf, in ihrer unmittelbaren Umgebung und die Gesellschaft als Ganzes einzugreifen, um ihre soziale Integration zu erleichtern. Gesetzlicher Anspruch • §10 SGB I: TEILHABE BEHINDERTE MENSCHEN Abs. 2. …Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit (…) zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern… Abs. 5. …Entwicklung zu fördern und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen (d.h. Beruf, Familie und Gesellschaft) Die Sozialgesetzbücher • • • • • • • • • • • • I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII Allgemeines Grundsicherung für Arbeitssuchende Arbeitsförderung Gemeinsame Verwaltungsvorschriften Krankenversicherung Rentenversicherung Unfallversicherung Kinder- und Jugendhilfe Rehabilitation und Teilhabe beh. Menschen Sozialverwaltung, Datenschutz Pflegeversicherung Sozialhilfe Gesetzliche Grundlagen (med. Rehabilitation) • Grundsätze: – Rehabilitation vor Rente – Rehabilitation vor Pflege – Ambulant vor stationär (gestuftes System) – Leistung auf Antrag des Versicherten – Die Leistungen werden vom Vertragsarzt verordnet – Genehmigungspflichtige Leistung Ambulante Rehabilitation Vorteile: – Verbleib im sozialen Umfeld – Einbeziehung von Angehörigen und Arzt – Nutzung der wohnortnahen Hilfsmöglichkeiten (beruflich, med. etc.) – Integration in örtlich vorhandene Behandlungskette (u.U. Weiterbehandlung möglich) – Fortführung der bzw. Integration in die Berufstätigkeit/Haushaltstätigkeit Stationäre Rehabilitation Vorteile: – Entlastung vom sozialen Umfeld (z.B. Partnerschaftskonflikte) – Entlastung von Haushalt und Berufstätigkeit – Unabhängig von Pflegegrad und Mobilität – Intensive Therapie möglich (z.B. Ölkappen oder Cremetherapien zur Nacht) Anschlußheilbehandlung ambulant, stationär oder teilstationär Beginn nach Entlassung aus stationärer Behandlung innerhalb von • 2 Wochen nach Operation • 6 Wochen nach Bestrahlungstherapie • 10 Wochen nach Bestrahlung des Kopf-/Halsbereiches • bei schweren Krankheiten, Operationen und Unfällen • Dauer üblicherweise 3 Wochen • Antragsstellung durch den behandelnden Arzt des Krankenhauses Gegliedertes System der Rehabilitation Gegl. System der Rehabilitation Rehabilitationsträger 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Altenversicherung der Landwirte (AdL) Bundesagentur für Arbeit (BA) Gesetzliche Rentenversicherung (GRV: LVA/BfA) Gesetzliche Unfallversicherung (GUV: BG) Kriegsopferversorgung/Kriegsopferfürsorge (KOV/KOF) Sozialhilfe Rehabilitationsformen • Medizinische Rehabilitation (Gesundheitsstörungen beheben) • Schulische und berufliche Rehabilitation (Eingliederung in Arbeit und Beruf von Behinderten durch Bildung sichern) • Soziale Rehabilitation (Sicherung eines angemessenen Platzes in der Gesellschaft sichern) Rehabilitationsleistungsträger • Med. Rehabilitation: – GKV und AdL; – GRV (BfA, LVA); GUV; KUV/KOF; Sozialhilfe • Berufliche Rehabilitation: – BA; – GRV (BfA, LVA); GUV; KUV/KOF; Sozialhilfe • Soziale Rehabilitation: – Sozialhilfe (GKV,GRV) Zuordnung der Leistungen erfolgt nach dem Prinzip der Risikozuordnung = Derjenige Sozialleistungsträger ist für die Rehabilitation zuständig, der das finanzielle Risiko eines Scheiterns der Reha-Leistungen trägt Kurmedizin und Rehabilitation • Kur: Stärkung der Gesundheit durch unspezifische • Reize (Orts- und Milieuwechsel, Klima, natürliche Heilmittel des Bodens und des Wassers) Rehabilitation: gezielte diagnostische und therapeutische Arbeit an den Funktionseinschränkungen, aktive Krankheitsbewältigung, Aufbau eines eigenverantwortlichen Gesundheitsbewusstseins (ÎEdukation!) Behinderungsbegriffe ICF und SGB IX Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ICF Behinderungsbegriffe der ICF Behinderung (allgemein) Negative Wechselwirkung zwischen einer Person (mit einem Gesundheitsproblem, ICD) und ihren Kontextfaktoren auf ihre Funktionsfähigkeit Behinderung (ICF) Negative Wechselwirkung zwischen einer Person (mit einem Gesundheitsproblem, ICD) und ihren Kontextfaktoren auf ihre Teilhabe an einem Lebensbereich Bio-psycho-soziales Modell der ICF Gesundheitsproblem (Gesundheitsstörung oder Krankheit, ICD) Körperfunktionen und -strukturen Umweltfaktoren • materiell • sozial • verhaltensbezogen Aktivitäten Teilhabe persönliche Faktoren • Alter, Geschlecht • Motivation • Lebensstil Behinderungsbegriff SGB IX (§ 2) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit ( = Störung auf Funktionsebene, ICFKlassifikation der Funktionen) mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (=Teilhabekonzept der ICF) beeinträchtigt ist. Die Leistungen zur Teilhabe (§4 SGB IX, Abs. 1+2) umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung… 1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Vorrang der Prävention , §3 SGB IX), 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (Prävention, Reha vor Rente/Pflege) sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, Die Leistungen zur Teilhabe (§4 SGB IX, Abs. 3+4) umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung… 3. die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder 4. die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern. Feststellung einer Rehabilitationsbedürfigkeit ICF + SGB Frage (ICF): • Was möchten Sie wieder können? Welche Ziele haben SIE, welche hat die Medizin, Umfeld etc.? • Was fehlt Ihnen? – Falsch, da ICD-10 orientiert! Bio-psychosoziale Gesamtanamnese Biomedizinische Anamnese (psycho)soziale Anamnese Med. A. Krankheitsanamnese Eltern A. Fam. A. Biographische und Persönlichkeitsanamnese Psychodyn. A. Sex. A. KrankenanamneseFreizeit A. Umfeld A. Berufl. A. ICF Gesundheitsproblem (Gesundheitsstörung oder Krankheit, ICD) Schädigung, Beeinträchtigung auf der Ebene von… Körperfunktionen Aktivitäten Teilhabe und -strukturen Umweltfaktoren persönliche Faktoren Schädigungen von Funktionen und Strukturen (z.B. Haut- und Hautanhangsgebilde) • Erytheme, Schuppung, Nässen, Lichenifikation, Vesikel und Pusteln mit ausgeprägtem Pruritus, Dysästhesien und Schmerzen • Allergien, Infektionen, Verhornungsstörungen, • Narbenbildung Beeinträchtigungen der Aktivitäten • im persönlichen und sozialen Bereich (z.B. • • • Akzeptanz der Erkrankung, Stigmatisierung, Umgang mit der Erkrankung) in der Selbstversorgung (z.B. Ernährung, Körperpflege) in der Beweglichkeit und Geschicklichkeit (z.B. manuelle Fähigkeiten) situationsbedingt (z.B.feuchtes Milieu, extreme Kälte/Wärme, Sonnenlicht, Umweltnoxen) Einschränkungen der Teilhabe • körperliche Unabhängigkeit ( z.B. Notwendigkeit • • • • von Hilfsmitteln, Hilfebedürftigkeit, persönliche Assistenz oder Pflege, eingeschränkte Selbstständigkeit) Mobilität (z.B. Einschränkungen in der Bewegung im persönlichen Umfeld, bei Reisen) Beschäftigung im Beruf (z.B. Arbeitsplatzbedingungen, Noxen) und Freizeit psychische Belastbarkeit, soziale Integration/Reintegration wirtschaftliche Eigenständigkeit Indiv. Kontextfaktoren • Bildung und Ausbildung, Ernährung, • • • • • Persönlichkeit, Lebensstil, Erziehung, Beruf, Krankheitsverarbeitung, Psyche etc. Übergewicht, Rauchen, Alkohol etc. (In-)Stabile soziale Verhältnisse, soziales Netzwerk Psychische Belastungsfaktoren i.d. Familie Umwelt (z.B. Bauernhof bei Allergikern) Med. Versorgungsgrad im Umfeld Sozialmedizinische Zugangsvoraussetzungen (SGB) Voraussetzungen für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation • Ausschluss: – Nicht kurative Versorgung – Keine Leistung der med. Vorsorge (§23 und §24 SGB V) • Rehabilitationsmed. Assessments: – – – Rehabilitationsbedürftigkeit Rehabilitationsfähigkeit Rehabilitationsprognose Rehabilitationsbedürftigkeit = Erheblich Gefährdung oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten • Nicht nur vorübergehende alltagsrelevante • • Beeinträchtigung der Aktivität, wodurch eine Beeinträchtigung der Teilhabe (auch Pflegezustand) entsteht Eine Beeinträchtigung der Teilhabe (auch Pflegezustand) besteht Über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist Weitere Faktoren bzgl. Rehabilitationsbedürftigkeit • Funktionseinschränkungen • Fähigkeitsstörungen • Risikokonstellation • Multimorbidität • AU-Zeiten • Bisherige Therapien • Hoher Schulungsbedarf • Krankheitsbewältigung Rehabilitationsfähigkeit Durchführung mit Mitarbeit muss aufgrund der somatischen und psychischen Verfassung pos. beurteilt werden z.B. Belastbarkeit, Motivation und Motivationsfähigkeit, intellektuelle Fähigkeiten, Selbständigkeit, keine Pflegebedürftigkeit etc. Rehabilitationsprognose Def.: medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage (überwiegende Wahrscheinlichkeit) über den Erfolg der Leistung auf Basis von – der Erkrankung – des bisherigen Verlaufs – des indiv. Kompensationspotentials/ Rückbildungsfähigkeit – Erreichbarkeit (in dem notwendigen Zeitraum) Medizinische Rehabilitation Kosten-Nutzen-Relation: – Ausgaben und fehlende Einnahmen durch vorzeitige Renten-, Pflegesachund Geldleistungen (siehe SGB: Reha vor Rente/Pflege) – Zukunft: Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Stärkung der Prävention (§20 SGB V)