PDF Cserni Live 1. Ausgabe

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PDF Cserni Live 1. Ausgabe
Graz – Wien – Hamburg / Oktober 2012 architektur / raum / kunst
Das Unternehmen Cserni
Aufbruch in neue Dimensionen
AIRPORT Vienna
Check-in 3 – Objektmöblierung
SOFITEL VIENNA
Jean Nouvel
Cserni Interior
Innenraum Konzepte
Imaginäre Architektur
Otto Beckmann
Europas Beste Bauten
Mies van der Rohe Award
Kunst
Karl Karner – Neue Objekte
Till Nowak – Multimediakunst
INSERT Bruno Gironcoli
mit Fotoessay von Margherita Spiluttini
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Firmensitz CSERNI mit Skulptur von Karl Karner
live 01 / 2012
live 01 / 2012
Editorial
CSERNI live
architektur / raum / kunst
Ich glaube daran, dass sich in der Architektur etwas ­ausdrücken
lässt, von dem wir noch nicht ahnen, dass es möglich ist –
eine neue Ordnung der Dinge, ein anderer Blick auf die Welt.1
Zaha Hadid
Airport Vienna, Objektmöblierung Check-in 3
Otto Beckmann, Metropolis 2080
Das Magazin CSERNI live entwickelte sich im Laufe dieses Jahres aus dem Wunsch
und Bestreben heraus, eine Kommunikationsplattform zu schaffen, die, neben der
Berichterstattung über aktuelle Projekte und Visionen der Cserni Group, auch einen
allgemeinen Blick auf Tendenzen in Architektur, Innenarchitektur und Kunst wirft.
Es beschäftigt sich mit gebautem Raum und dem Leben darin in vielfältiger Hinsicht: Aktuelle architektonische Trends werden ebenso behandelt wie visionäre
­Architekturszenarien, klassische Innenarchitektur wie auch Konzepte des Interiordesigns. Parallel dazu wird über zeitgenössische Kunst berichtet – von jüngsten
Entwicklungen bis zu schon bekannten Werken etablierter Künstler.
Im Wechselspiel von Utopie und Realität, imaginären Architekturvisionen und realen
Bauaufgaben, künstlerischen Statements und auf die Funktion hin konzipierten
­Interiorkonzepten wird versucht ein Spannungsfeld zu zeigen, welches den kreativen
Pulsschlag unserer Zeit nachspürt. Im Sinne von verknüpftem Denken geht es dabei
nicht um den einseitig fachspezifischen Blick auf eine Thematik, ein Wissensfeld,
sondern um einen differenzierten Blick aus unterschiedlichen Perspektiven – der
wiederum ein Diskursfeld eröffnet, in dem lebendige Kommunikation stattfindet.
Die erste Ausgabe von CSERNI live widmet sich den Themen:
zeitgenössische Architektur und imaginäre Architektur, Urbanität und Megacities,
Innenarchitektur und Interiorkonzepte. In einem Interview mit Architekt DI Martin
Cserni und Andreas Dornik wird das umfangreiche Angebot der CSERNI Group
erläutert, ein Fotoessay über den neuen Check-in 3 am Airport Vienna zeigt die
­Objektmöblierung für den Passagierbereich und der neue Tätigkeitsbereich der
CSERNI Group – Interiordesign wird vorgestellt. Weiters beinhaltet diese Ausgabe:
das Sofitel Vienna von Jean Nouvel, Europas beste Bauten – Auswahl aus dem
Mies van der Rohe Award und Otto Beckmanns imaginäre Architektur. Im Bereich
Kunst werden folgende Themen beleuchtet: Multimediakunst aus Hamburg von Till
Nowak, Karl Karners neue Skulpturen und ein umfangreiches Künstlerinsert über
Bruno Gironcoli mit Fotos von Margherita Spiluttini sowie einem Text von Martin Titz.
Als ein Medium, das Business und Leisure in einer ­Symbiose aus Architektur und
Kunst bespricht und verhandelt, richtet sich das neue Magazin sowohl an GeschäftspartnerInnen, KundInnen, ArchitektInnen, KünsterInnen wie auch an alle
kulturinteressierten Menschen.
Gute Unterhaltung und viel Freude beim Lesen.
Architekt DI Martin Cserni, CEO CSERNI Group
Thomas Redl, Chefredaktion
Carl Zeiss Meditec, Berlin, Objektmöblierung
1 Ich will die ganze Welt ergreifen, Auszug aus dem Interview mit Zaha Hadid, von Hanno Rauterberg,
DIE ZEIT, 13.11.2009
Speicherstadt Hafencity, Hamburg, Foto Andrea Baczynski
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Inhalt
AutorInnen und FotografInnen dieser Ausgabe
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Margherita Spiluttini
Seit 1981 freiberufliche Fotografin mit Schwerpunkt Architektur und Raum. Gastprofessur an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, Linz;
Lehrauftrag an der Universität für angewandte Kunst, Wien. Zahlreiche Ausstellungen, u.a.: 2012 Camera Austria, Graz; 2010 Fotografins Hus, Stockholm; 2009
Museum der Moderne, Rupertinum, Salzburg; 2007 Architekturzentrum Wien; 2004
Architectural Association, London. Zahlreiche Publikationen, u.a.: Margherita Spiluttini - räumlich, Salzburg 2007; Nach der Natur, Salzburg 2002. 1996 Österreichischer
Würdigungspreis für künstlerische Fotografie; 2006 Österreichisches Ehrenkreuz für
Wissenschaft und Kunst.
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Wolfgang Thaler
Fotograf, lebt in Wien, mit Schwerpunkt: Architektur und Interior. Aktuell erschienen:
Modernism In-between: The Mediatoy architectures of socialist Yugoslavia – eine
umfassende langjährige Recherche zur Architektur Jugoslawiens (1948 – 91).
Das Unternehmen Cserni
Interview mit Martin Cserni und Andreas Dornik
AIRPORT VIENNA
Objektmöblierung Check-in 3
EUropas Beste Bauten
Mies van der Rohe Award 2011
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vom Corpus der Stadt
Von der Idealstadt zur Megacity
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Otto Beckmann
Imaginäre Architektur
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Sofitel Vienna
Jean Nouvel
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CSERNI INTERIOR
Gesamtheitliche Konzeptionen
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DAS HAMERLING
Exklusives Wohnen in Wien 32
Informel meets Nature
Karl Karner
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Andrea Baczynski
lebt in Cambridge U.K. und Paris. Tätig als Architektur- und Landschaftsfotografin.
Zahlreiche Reisen in den asiatischen und arabischen Raum, dort dokumentierte
sie unter anderem die Entwicklung der Megacities. Zahlreiche Ausstellungen im
In- und Ausland.
Archiv Otto Beckmann (AOB)
2005 Gründung des Archivs zur Erhaltung und Erfassung der Kunstwerke Otto
Beckmanns (1908-1997) durch die Söhne Oskar und Richard Beckmann. Korrespondierende Ehrenmitglieder: Mag. Margit Rosen – Mitarbeiterin und Kuratorin im
Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe (seit 2006) und Prof. Dr. Horst
Oberquelle. Die Ziele des AOB sind unter anderen die Sicherung der Bild und Tonträger, des Schriftverkehrs und der Manuskripte sowie die Aufarbeitung von Visionen
Otto Beckmann`s. www.archiv-otto-beckmann.com
Florian Steininger
Lebt in Wien. Tätig als Autor und Kurator. 1993-1999 Studium der Kunstgeschichte
an der Universität Wien, Diplom bei Professor Dr. Peter Haiko über die neue malerische Abstraktion in Österreich. Seit 2001 im Bank Austria Kunstforum Wien
als Kurator tätig. Zahlreiche Essays und kuratorische Projekte zur modernen und
zeitgenössischen Kunst unter anderem: Karel Appel; Roy Lichtenstein; Willem de
Kooning; Markus Lüpertz; Monet-Kandinsky-Rothko und die Folgen: Wege der
abstrakten Malerei.
Das Redaktionsteam
Till NoWak
Multimediakunst
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CSERNI live – Magazin
erscheint 2x jährlich und widmet sich den Themen Architektur, Kunst und Kultur.
Parallel werden aktuelle Projekte von CSERNI im Bereich Architektur, Innenarchitektur und ­Interiordesign vorgestellt. Es geht vor allem um einen Diskurs über
aktuelle Tendenzen und urbane Entwicklungen, um einen differenzierten Blick aus
unterschiedlichen Perspektiven. Das Magazin liefert damit einen Beitrag zur lebendigen Architektur- und Designszene in Österreich und im deutschsprachigen
Raum. Jeder Ausgabe ist ein speziell gestaltetes Künstlerinsert beigelegt.
Für das Zustandekommen dieser Ausgabe danken wir allen AutorInnen, FotografInnen und KünstlerInnen und allen Mitwirkenden.
IMPRESSUM
CSERNI live – Magazin / architektur/raum/kunst
erscheint 2 x jährlich. Erscheinungsort Graz, Wien & Hamburg.
CSERNI live Nr. 01: Oktober 2012
Medieninhaber und Verleger:
Cserni Wohnen GmbH, Schottenring 14/Ecke Wipplingerstraße 37, 1010 Wien
Martin Cserni, CEO Cserni Group / Herausgeber
HTL für Möbel- und Innenausbau (1983-1988), danach Architekturstudium (1989-1994). Seit 1997 ist er selbständig als Architekt
tätig und übernahm im Jahr 2002 das Traditionsunternehmen
Cserni, das er vom klassischen Tischlereibetrieb zum Generalunternehmen mit Sitz in Fehring, Graz, Wien und Hamburg erweiterte. Parallel zum Unternehmen baut er die vom Vater begründete
Kunstsammlung kontinuierlich aus.
Thomas Redl, Chefredakteur
Studium an der Hochschule für Gestaltung Linz. Tätig als Künstler
und Herausgeber. 2003–2007 Herausgabe des Zeitungsmagazin
ST/A/R zusammen mit Heidulf Gerngross. 2008-2011 Herausgabe
des Magazins fair – Zeitung für Kunst & Ästhetik, Wien/Berlin in
Kooperation mit Wolf Günter Thiel, Berlin. Konzeption und Publizierung von Büchern im Bereich Kunst und Design. Diverse
Ausstellungen im In- und Ausland unter anderem Biennale V
­ enedig
2009. Arbeitet mit den künstlerischen Medien: Installation, Malerei,
Film und Buch.
Ruth Edith Ferschli, Marketing und PR
klassischer Schulabschluss mit Matura, danach European Management Assistent - College in Wien. Studium der Theater-,
Film- und Medienwissenschaft in Wien. Tätig in den Bereichen:
Assistenz der Geschäftsführung und Marketing in der gehobenen
Hotellerie und in Handel und Gewerbe sowie später im Kulturmanagement und der Festivalorganisation. Heute tätig für die
CSERNI Group in den Bereichen Marketing, Public Relations,
Eventmanagement, Projektmanagement und Key Account.
Herausgeber: Martin Cserni
Redaktion:
Chefredakteur: Thomas Redl
Redaktion: Thomas Redl, Ruth Ferschli (PR und Kommunikation), Katharina Pober,
Hamburg Korrespondent: Claus Friede
Lektorat: Valie Airport, Jeremiah Haidvogel
Fotografie: Alle Fotos, falls nicht anders angegeben: Karl Schrotter
Grafik und Produktion: Skylab / Dieter Auracher (Wien)
Cover: Firmensitz Cserni mit Skulptur von Karl Karner, Foto: Karl Schrotter
Druck: Holzhausen Druck GmbH, Wien
Kontakt: [email protected], www.cserni.at
© bei den Autoren / © der Abbildungen sofern nicht anders angegeben bei CSERNI
Erklärung über die grundlegende Richtung:
Das Magazin CSERNI live sieht seine Aufgabe darin, einen Dialog auf hohem Niveau im
Bereich Architektur, Kunst und Kultur zu führen. Weiters werden aktuelle Projekte von
CSERNI im Bereich Architektur, Innenarchitektur und Interiordesign vorgestellt.
Claus Friede, Korrespondent Hamburg
studierte freie Kunst und Romanistik in den USA und Deutschland.
1990 gründete er seine Kunstagentur Claus Friede*Contemporary
Art, die er bis heute leitet. 2002 war er Mitbegründer des kulturkluHH. 2006 bis 2008 verantwortete und moderierte er die
Fernsehsendung „Lampenfieber“ beim Regionalsender Hamburg1
Fernsehen. Seit 2008 leitet er als Chefredakteur das InternetFeuilleton und WebTV-Format www.kultur-port.de. Seit 2010 ist
er außerdem künstlerischer Leiter des Kunstforum Markert in
Hamburg.
Karl Schrotter, Fotograf
seit über 30 Jahren als Fotograf tätig, davon 10 Jahre in Graz als
Werbefotograf und danach selbständig mit einem der grössten
und modernsten Tageslichtstudios in Österreich. Kunden u. a.:
Cserni, russische Aeroflot, Giga Sport, Neckermann, Otto, RWA
Lagerhaus, Armin Assinger.
Otto Beckmann, Imaginäres architektonisches Projekt am Industriehafen 1979, Metropolis 2080
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Das Unternehmen CSERNI
Interview mit Martin Cserni und Andreas Dornik
Begonnen als Tischlereimanufaktur im Jahr 1930 entwickelt die CSERNI Group
heute Architektur-, Interior- und Developmentkonzepte auf höchstem Niveau und
sieht ihre Tätigkeit in der Umsetzung exquisiter Lebens- und Arbeitswelten, erstellt
aus den Wünschen und Vorstellungen anspruchsvoller Menschen. Dabei werden
die ­Bereiche Architektur und Innenraumgestaltung gleichwertig verstanden, wie
­Architekt DI Martin Cserni es formuliert: „Die äußere architektonische Struktur
soll sich im Innenraumkonzept widerspiegeln. So findet eine Korrespondenz zwischen ­Innen- und Außenbereich statt und es entsteht im besten Fall eine gesamt­
funktionelle genuine Lösung.“ Eine Auffassung, mit der CSERNI das Gedankengut
der Tradition des Wiener Jugendstils aufnimmt und sich verbunden mit internationalen Architekten als Universalplaner und -umsetzer von Bauvorhaben versteht.
Österreichische Qualität, modernste Technik, hochwertige Materialien sowie umfassendes langjähriges Know-how zeichnen die Dienstleistungen und Produkte der
CSERNI Group aus, die heute von Fehring über Graz und Wien bis nach Hamburg
vertreten ist.
Martin Cserni, Andreas Dornik
Thomas Redl: Meine erste Frage an dich, Martin Cserni, ist nach
dem Hintergrund des Unternehmens: Wo kommt CSERNI her?
Martin Cserni: Die CSERNI Unternehmensgeschichte geht zurück
auf meinen Großvater Franz Cserni sen., der vor mittlerweilen fast schon
90 Jahren einen kleinen Tischlereibetrieb in der Steiermark gründete, sowie meinen Vater Franz Cserni jun., der die Manufaktur im Jahr 1966
übernahm und sie zu einer festen Größe im Bereich Inneneinrichtung
etablierte. 1997 bin ich dann in unser Familienunternehmen eingestiegen
und es kam zur Erweiterung um eine Bauträgerfirma, ein Architekturbüro
und dem damit verbundenen Neubau unserer heutigen Betriebsstätte in
der Grünen Lagune in Fehring, gefolgt von weiteren Bürostandorten in
Graz, Wien und Hamburg mit den Leistungsspektren Architektur, Wohnen und Development.
Büro CSERNI, 1010 Wien
Die Sprache des Baukörpers soll in
das Interiorkonzept einfließen und
eine Gesamtlösung schaffen, die
ein kompromissloses Zusammen­
spiel aus intelligenter Funktionalität,
inspirierendem Stil und handwerk­
licher Qualität darstellt.
Martin Cserni
TR: CSERNI hat also verschiedene Aufgabengebiete. Welche Dienst­
leistungen bietet das Unternehmen im Detail an?
MC: Wir stellen einen kompetenten Partner für die gesamtheitliche
Umsetzung von Bauvorhaben dar und versuchen unseren Kunden und
Partnerunternehmen ein ganzheitliches Angebot, die Bereiche Bauen,
Wohnen und Einrichten betreffend, zu liefern. Das heißt: Von der grünen
Wiese beginnend über das Development einer Liegenschaft bis hin zur
Generalplanung durch den Architekten, der Bauträgertätigkeit, also der
Koordination und Umsetzung eines Objekts, sowie der Innenausstattung
kommt alles aus einer Hand.
TR: Das betrifft einerseits Architektur, andererseits Interior, wobei
die Interiorkonzepte im Unternehmen intensiviert werden – weg vom
­Massenprodukt hin zu individuellen High-End-Komplettlösungen. Wie ist
die Ausrichtung in diesem Bereich?
MC: Die Ausrichtung ist von uns ganz eindeutig definiert: eine klare Verbindung des Innenraums mit dem Außenraum. Die Sprache des Baukörpers soll in das Interiorkonzept einfließen und eine Gesamtlösung
schaffen, die ein kompromissloses Zusammenspiel aus intelligenter
Funktionalität, inspirierendem Stil und handwerklicher Qualität darstellt.
Ein Angebot, so meinen wir, dass in diesem Umfang auf dem Markt sonst
nicht vorhanden ist.
TR: Ihr bietet also Lösungen an, die bis zur Auswahl von Materialdetails
und Dekorstoffen gehen. Was wird dem Kunden dabei im Konkreten ge­
boten?
Andreas Dornik: Auf der einen Seite sind wir als Partner für Architekten und Bauherren in der Umsetzung, und das in den letzten Jahren
sowohl im Privat- als auch im Objektbereich, sehr erfolgreich. Und auf
der anderen Seite ist es uns wichtig, als direkt beauftragter Ansprechpartner, unsere Kunden von Beginn an – also ausgehend von der Planungsphase, über den Entwurf, die Materialfindung sowie Farb-, Lichtund Accessoireskonzeptionen – bis hin zur Umsetzung mit umfassenden
Büro Cserni, 1010 Wien
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an internationalen Architekten aufweisen – neuerdings auch Zaha Hadid für die Planung der künftigen Wirtschaftsuniversität Wien – und die wir als Generalunternehmer,
bevorzugt mit aus der steirischen Region stammenden Partnerfirmen, realisieren.
TR: es gibt also die dienstleistungen architektur und Innenarchitektur und es gibt den
Bereich des developments, wo CseRNI als General­ wie auch Totalunternehmer in der
entwicklung und Realisierung von Immobilienprojekten auftritt?
MC: Ja, auch dieser Bereich hat sich sehr gut entwickelt, ist aber ein „Finanz- oder
Bauträgerdienstleistungsprodukt“, bei dem die Kundenschicht hauptsächlich auf institutioneller Basis zu finden ist. Für den Architektur- und Innenarchitekturbereich ist
das wesentliche die Gesamtplanung von Baukörpern sowie das Interiordesign im Privat- und Wohnbereich.
TR: Vor kurzem hat eine Unternehmenserweiterung stattgefunden: es gibt einen neuen
standort in hamburg. Was sind die strategischen Zukunftsvisionen?
Motto am Fluss, Wien, Restaurantausstattung
MC: Wir wollen die Marke CSERNI breiter am europäischen Markt platzieren und unser umfangreiches Gesamtangebot, das wir derzeit hauptsächlich in Österreich einund umsetzten, ausweiten. Ziel dabei ist es, unsere Kunden über mehrere Standorte
zu begleiten und zu betreuen, immer die entsprechenden regionalen Maßnahmen und
Vorkehrungen zu treffen, um schnellstmöglich agieren zu können.
TR: das heißt, das Unternehmen soll sich schwerpunktmäßig, was die auftragssituation
betrifft, vom österreichischen auf den europäischen Raum ausweiten?
AD: Expansion heißt für uns neue Märkte – und die kann man nur erschließen, wenn
man auch vor Ort vertreten ist. Wir bieten unseren Kunden intensive und persönliche
Dienstleistungen an, in der Entwurfs- und Angebotskonzepte in vielen Schritten erund bearbeitet werden müssen. Dementsprechend ist es auch notwendig direkt beim
Kunden zu sein, um dessen Vertrauen zu gewinnen und dessen Vorstellungen rasch
und kompetent umsetzen zu können. Das zeichnet ein gutes Unternehmen aus.
Privatwohnung Wien, Innenarchitektur und Interior
TR: Viele größere Betriebe übersiedeln mit ihren Produktionsstätten in den osteuro­
päischen Raum. Bei CseRNI jedoch gibt es eine starke regionale Verankerung. die
Regionalität einerseits und die europäische erweiterung andererseits, kann man das so
formulieren?
und exklusiven Interiordesign-Konzepten, erstellt von fachkundigen InnenarchitektInnen, zu begleiten und zu betreuen. Hochwertige internationale Brands,
wie Sitzmöbel von Christian Liaigre, Philippe Hurel und Baker, Leuchten von
Porta Romana oder Teppichen von Tai Ping finden sich unter anderem darin.
AD: Ja, denn die Leistungsfähigkeit unseres Unternehmens ist ausschließlich mit diesem Konzept umsetzbar. Wir können nicht mit langen Zulieferzeiten arbeiten. Unser
Erfolg ist es, in möglichst kurzer Zeit individuelle Lösungen für unsere Kunden umzusetzen. Eine Schlagkräftigkeit, die wir nur hier in der Region haben, wo Mitarbeiter an
unserer Seite stehen, die entsprechend einsatzbereit und in der Lage sind Auftragssituationen innerhalb von wenigen Wochen qualitativ hochwertig abzuarbeiten und
durchzuführen.
TR: Welche Rolle spielt das handwerk in diesem Bereich?
AD: Das Handwerk ist die Basis unseres ganzen Schaffens und da wir aus einer Handwerksregion kommen, haben wir in der Steiermark optimale Voraussetzungen. Wir haben bestens geschulte MitarbeiterInnen, die eine langjährige Identität mit unserem Unternehmen aufgebaut haben und bieten Möbel in
Qualitätsstandards an, die kaum mehr anderswo so umgesetzt werden können.
Damit schaffen wir eine Wertschöpfungskette und sind nicht nur bei uns hier in
Österreich, sondern auch auf dem europäischen Markt konkurrenzfähig – von
Deutschland bis England.
TR: CseRNI versteht sich auch als Kulturunternehmen im besten sinne. es gibt eine
starke Bindung zur bildenden Kunst. Wo liegt der ansatz, die Verbindung von Unter­
nehmen und Kunst?
TR: Ist geplant in den nächsten Jahren eine eigene Produkt­ und designlinie zu
entwickeln?
MC: Wir arbeiten derzeit daran, individuelle und maßgeschneiderte Interiorkonzepte zu schnüren, die den Wünschen und Anforderungen unserer Kunden entsprechen und diese hervorheben. Es wird nicht an einem klassischen System,
einer einheitlichen Linie, sondern an Exklusivität gearbeitet.
TR: In der Umsetzung der Innenraumkonzepte deckt CseRNI verschiedene
Branchen ab – von der Gastronomie, den hotelbereich über die Büroausstattung
bis hin zu privatem Wohnen. Was waren die wichtigsten Projekte der letzten Jahre?
Juwelier Heemeyer, Shopdesign
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AD: Was im öffentlichen Bereich bisher am meisten Aufmerksamkeit erregt hat,
ist die Objektmöblierung des Check-in 3 am Flughafen Wien. In der Hotellerie
ist es das Sofitel Vienna, wo wir mit Jean Nouvel, einem sehr renommierten Architekten, zusammengearbeitet haben. In der Gastronomie ist es das Motto am
Fluss in Wien, im Officebereich sind es Konzeptrealisierungen in Wien, Hamburg
und Berlin und im Privatbereich konnten wir Kunden mit höchsten Qualitätsansprüchen im europäischen Raum bedienen. Referenzen, die ein „Who is Who“
Büro Cserni, Hamburg
MC: Die Verbindung besteht schon sehr lange, da sich mein Vater seit fast 50 Jahren
sehr intensiv mit Kunst auseinandersetzt, selbst der Tätigkeit der Malerei nachgeht
und schon sehr früh in bedeutenden Künstlerkreisen verkehrte. Eine Lebensweise,
die Freizeit, Hobby und Arbeit gewissermaßen miteinander verbindet, die unsere Familie prägt und die über die Jahre Synergien entstehen ließ, die unter anderem zu
einer schönen Sammlung österreichischer Kunst aus der Zeit von 1960 bis zur Gegenwart geführt hat.
TR: CseRNI ist in diesem sinne also auch Förderer der Kunst und erfüllt, als Teil seines
öffentlichen auftretens, damit eine kulturelle Position.
MC: Das stimmt. Man muss allerdings dazusagen, dass die Kunstszene auch das
Unternehmen beflügelt und dadurch neue Ideen, Gedankengüter, Materialien und
Produkte in unser Leben einfließen, aus denen heraus sich wiederum spannende
Situationen und Positionen ergeben, die unser tägliches Schaffen beeinflussen.
AD: Wichtig ist dabei auch, dass wir durch diesen erweiterten Horizont einen speziellen Zugang zur Kunst haben und ein anspruchsvolles Kundenklientel kompetent
bedienen und mit exklusiven Interiordesign-Konzepten ausstatten können.
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Otto Beckmann, Linz am Binnenmeer, Einfahrt zum neuen Winterhafen mit Wahrzeichen (oben Grundriss des Projekts), Metropolis 2080
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Check-In 3
AIRPORT VIENNA
Objektmöblierung
Der Wunsch zu fliegen, einst Privileg der
Götter, ist gerade mal einen entwicklungsgeschichtlichen Wimpernschlag lang Wirklichkeit geworden. In der Renaissance
beschäftigte sich Leonardo da Vinci mit
möglichen Formen des Fliegens und entwarf
verschiedene Fluggeräte, die aber noch nicht
flugtauglich waren. Erst im letzten Jahrhundert gelang der Durchbruch und der Mensch
hat den Himmel erobert. Durch diese Art
der Fortbewegung ist unsere Welt zusammengeschrumpft und das Verständnis von
Raum und Zeit hat sich drastisch verändert.
Das Flugwesen von heute, dessen einstige
Leidenschaft den nüchternen Gesetzmäßigkeiten eines alltäglichen Massenbetriebes
gewichen ist, fordert die Schlichtheit sowie
die funktionelle Anmut eines noch nie dagewesenen just-in-time Präzisionsgeschäftes.
Die Bedeutung von Flughäfen als Verkehrsknotenpunkte sind für die Wirtschaftszentren
in der urbanisierten Welt zentral geworden
und sie sind für deren Entwicklungspotential
ein wesentliches Kriterium.
Wie Paul Virilio es beschreibt, sind Flughäfen und Riesenbahnhöfe heute die neuen
Knotenpunkte unserer Zivilisation und sie
sind – als topografisch nicht verortbare Orte
– Manifestationen unseres neuen Nomadismus geworden. Flughäfen der Gegenwart
VIE Lounge, Foto: © Wolfgang Thaler
gelten als transitorische Schnittstellen der
globalisierten Welt.
Österreichweit sind die Passagierzahlen von
2000 bis 2010 um 60 Prozent gestiegen. Der
österreichische Luftfahrtsektor erwirtschaftet
mit 70.000 direkt und indirekt Beschäftigten
vier Milliarden Euro Wertschöpfung pro Jahr.
Flughafen Wien
Mit seinem Standort im Zentrum Europas hat
sich der Flughafen Wien zu einer wichtigen
Drehscheibe nach Osteuropa und in den
nahen und mittleren Osten entwickelt. Zur
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Deckung des stetig steigenden Passagieraufkommens und zur Sicherung des internationalen Qualitäts- und Sicherheitsniveaus
hat der Airport Wien seine Terminalflächen
erweitert.
Architektonisch zeichnet sich für das Projekt
VIENNA Skylink – Check-in 3 die Architekturgemeinschaft Itten-Brechbüchl / Baumschlager-Eberle verantwortlich. Nach 6-jähriger
Bauzeit ist nun der Check-in 3 fertig gestellt
worden.
Projektbeschreibung
CSERNI hat für den gesamten Bereich den
Auftrag für die Sondermöblierung des öffentlichen Flughafenbetriebes erhalten. Dieser
beinhaltet sämtliche Check-In Bereiche (Inseln), Ticket-Sale-Bereiche (Inseln), Lost &
Found-Schalter, Infobereiche, Bankschalter,
Limousinenschalter, Passkontrollschalter,
Zollbereiche und Visitiertische sowie die
Ankunftsbereiche, Facility-Raucherlounges,
Gatebereiche, Transfercounter und vieles
mehr. Darüber hinaus erhielt CSERNI den
Auftrag für den kompletten Innenausbau
der VIE Lounges und die Ausstattung des
Cafe Demel Shops. Für die Fertigstellung des
Bauvorhabens erhielt CSERNI noch einen
Rahmenauftrag für die Baumeisterarbeiten.
In hochwertiger Qualität wurden teilweise
in Echtholzfurnier und
Vollholz nach Vorgaben
internationaler Sicherheitsstandards alle Möblierungen nach Maß
angefertigt. Für die
verschiedenen Counter
wurden Objektmöbel
aus Rüster kombiniert
mit Edelstahl und Lack
angefertigt. Besonders
hervorzuheben ist in
allen umgesetzten Bereichen die gelungene
Synthese zwischen modernem Design und präziser, materialgerechter
Ausführung vor allem im
Bereich Holz.
Damit wird eine Brücke geschlagen zwischen
traditionellem Tischlerhandwerk und zeitgemäßer Formensprache. In den VIE Lounges
wurde zusätzlich zur Möblierung der gesamte
Innenausbau mit Böden, Wänden, Decken
sowie der Sanitäranlagen realisiert. Hier wird
die Kompetenz von CSERNI im Bereich Innenarchitektur spürbar und sichtbar.
Mit Andreas Valda als Projektleiter und
­Gerhard Lamprecht als Montageleiter vor Ort
wurde eines der größten Projekte im Bereich
Möblierung in der Unternehmensgeschichte
von CSERNI erfolgreich realisiert.
Interview mit Dietmar Eberle
Thomas Redl: Was war die Intention des architektoni­
schen Entwurfs beim Check-in 3 Vienna?
Dietmar Eberle: Großzügigkeit, Überschaubarkeit und
leichte Orientierung.
TR: Was war das logistische Konzept des Check-in 3?
DE: Das logistische Konzept des Check-in 3 wurde in den
letzten 8 Jahren mindestens 5 mal geändert aufgrund der
sich ändernden Rahmenbedingungen und Sicherheits­
bestimmungen die Flughäfen betreffend. Es gibt ständig
neue Herausforderungen und das führt zu anderen Logis­
tikprozessen am Flughafen.
TR: Flughäfen sind heute eigene kleine Stadtstrukturen
am Rande der Großstädte. Paul Virilio behauptet, dass die
neuen Zentren unserer Städte die Transitplätze sind – also
Flughäfen und Großbahnhöfe.
DE: Grundsätzlich stimmt das, aber ich kenne keine ein­
zige Stadt, wo die Transitplätze wirklich zum Zentrum ge­
worden sind, sondern es sind nur hochfrequentierte Plät­
ze und Frequenz bedeutet nicht unbedingt Zentrum. Das
mit den Zentren muss man unterscheiden: Ein Zentrum
ist etwas, was Bedeutung trägt, was Aufenthalt generiert,
was Attraktivität generiert. Ich glaube es gibt niemand,
der nach Paris fliegt, um sich den Flughafen Charles de
Gaulle anzuschauen. Der Flughafen ist ein hochfrequen­
tierter Ort, aber eigentlich nur ein Übergangsort. Virilio
geht wahrscheinlich von anderen Begriffen des Zentrums
aus – wenn ich ein Zentrum ausschließlich anhand der
Frequenz bemesse, stimmt seine Behauptung, aber das ist
keine seriöse Definition von Zentrum. Frequenz und Zen­
trum sind zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten.
TR: Flughäfen sind heute die höchstfrequentierten Plätze.
Wie wirkt sich das auf die Topografie dieser Orte aus?
DE: Man versucht, auf den Flughäfen Strukturen zu
schaffen, die die großen Zahlen der Frequenz bewältigen,
und weiters versucht man, für die aus den Abwicklungen
stammenden Warte- und Stehzeiten ein entsprechendes
Angebot zu generieren. Das Bedürfnis nach Mobilität
steigt ständig und somit wird der Flugverkehr noch wei­
ter zunehmen und die damit einhergehenden Heraus­
forderungen.
Airport
Vienna
Auftraggeber:
Flughafen Wien Aktiengesellschaft
Architekt: Baumschlager Eberle
Möbeldesign: Gregor Eichinger
Bereich: Möblierung der
Terminalerweiterung Nord-Ost
Ort/Jahr: Wien-Schwechat,
2008 – 2012
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Foto: © Thomas Redl
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live 01 / 2012
Foto: © Wolfgang Thaler
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Foto: © Wolfgang Thaler
Foto: © Wolfgang Thaler
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live 01 / 2012
EUropas Beste Bauten
MIES VAN DER ROHE AWARD 2011
PREIS DER EUROPÄISCHEN UNION FÜR ZEITGENÖSSISCHE ARCHITEKTUR
Thomas Redl
Der Mies van der Rohe Award, der alle zwei Jahre ausgeschrieben wird, zählt heute zu einem der wichtigsten
europäischen Preise für Architektur. Der 1987 ins Leben
gerufene Wettbewerb (mit insgesamt 80.000 € dotiert)
zeichnet Projekte aus, deren innovativer Charakter
als Orientierung für die Entwicklung zeitgenössischer
­Architektur dient – Projekte, die außergewöhnliche
Lösungen in konzeptueller, technischer und baulicher
Hinsicht vorweisen. Viele der ausgezeichneten Bauten
aus den letzten Jahren erwiesen sich als Meilensteine
der aktuellen europäischen Architektur, darunter Bauten
von Architekten wie Álvaro Siza, Sir Norman Foster,
Dominique Perrault, Zaha Hadid, Rem Koolhaas. 1998
erhielt Peter Zumthor für das Kunsthaus Bregenz den
Preis.
Der Gewinner im Jahr 2011 war David Chipperfield
in Zusammenarbeit mit Julian Harrap für das Neue
Museum in Berlin. Als besonders talentierte Nachwuchs-ArchitektInnen wurden Ramon Bosch und Bet
Capdeferro für ihr Collage Haus in Girona, Spanien geehrt. Unter den Finalisten waren unter anderem Jean
Nouvel mit dem Danish Radio Concert House, Bernhard
Tschumi mit dem neuen Akropolis Museum Athen und
Zaha Hadid mit dem MAXXI Museum in Rom.
In der Wanderausstellung, die im Sommer 2012 im
­Architekturzentrum Wien zu sehen war, sind insgesamt
45 ausgezeichnete Bauten aus ganz Europa anhand
von Plan- und Fotomaterial sowie zahlreichen Modellen
gezeigt worden – eine Auswahl aus den 343 von europäischen Institutionen und internationalen ExpertInnen
nominierten Projekten.
Bernard Tschumi
Acropolis Museum, Athen
Der Schweizer Architekt Bernard Tschumi hat einen klar geschichteten Baukörper
und und logisch durchdachte Ausstellungsräume entworfen. Auch mit der Schikane,
dass das Haus an keiner Stelle die Erde berühren durfte, weil die im Baugrund
ausgegrabenen Reste antiker Bauten sichtbar bleiben sollten, ist Tschumi bestens
zurechtgekommen. Sein Museum schwebt auf Stelzen über den klaffenden archäologischen Wunden und gibt durch große gläserne Bodenplatten, die zu betreten
man erst einmal wagen muss, immer wieder den Blick frei auf die Strukturen des
alten Athen.
Im Inneren zieht sich die Rechteckform der auf dem Museum aufsitzenden Parthenon-Galerie als Struktur
durch alle Stockwerke. Das so ausgesparte zentrale Rechteck dient im
trapezförmigen Sockelbau als Funktionskern und bringt über Rampen und
Rolltreppen die Besucher hinauf in die
beiden Ausstellungsgeschoße und in
das Zwischengeschoß. In einer einzigen logischen Auf- und Abbewegung,
die man auch als kulturhistorischen
Auf- und Abstieg verstehen könnte,
werden die Besucher durch die Jahrhunderte geführt: Auf der einen Seite
geht es über die archaische Epoche
hinauf zum Parthenon, dem Gipfel der
Klassik, auf der anderen an den letzten bedeutenden Bauten der Akropolis, den Propyläen, dem Nike-Tempel
und dem Erechtheion, vorbei hinab
bis ins 5. Jahrhundert nach Christus.
Bernard Tschumi, Acropolis Museum, Athen, Foto: © Christian Richters
Jean Nouvel
Danish Radio Concert House, Kopenhagen
Der Entwurf des Konzerthauses für den dänischen
Rundfunk im Stadtteil Orestad, Kopenhagen entstand, als es weder eine umgebende Bebauung
noch den heute direkt anschließenden Hauptsitz
des Senders gab. Ohne städtebauliche Bezüge
aufzugreifen, konzipierte Jean Nouvel einen neutralen Kubus mit unerwartet vielschichtigem Innenleben. Den im Wortsinn „äußeren Rahmen“
bildet ein filigranes mit blauem Glasfasergewebe
verkleidetes Stahlgerüst, das bei Dunkelheit als
Projektionsfläche für Veranstaltungshinweise
dient. Hinter dieser semitransparenten Schicht
erscheint schemenhaft die kleinteilige Struktur der
Verwaltungs- und Probenbereiche, vor allem aber
der von einer Hülle aus schuppenförmig überlappenden Paneelen umgebene große Konzertsaal.
Zaha Hadid, MAXXI Museum, Rom, Foto: © Iwan Baan
Zaha Hadid
Zaha Hadid, MAXXI Museum, Rom, Foto: © Iwan Baan
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MAXXI Museum of XXI Century Arts, Rom
ist das erste öffentliche Museum für zeitgenössische Kunst und
Architektur in Italien. Nicht nur als klassisches Ausstellungshaus
konzipiert, dient das Gebäude vor allem auch als Ort für die Forschung über unterschiedliche aktuelle Sprachen im Bereich Kunst,
Architektur, Design, Mode und Film und fördert den Dialog der
einzelnen Disziplinen.
Diese Konzeption sowie die topografische Lage (L-förmiger Grund­
riss) fließen in die architektonische Struktur des Gebäudes ein. Es
ist ein offenes Spiel zwischen Innen- und Außenraum, verschlungenen Linien, die ganz ohne rechten Winkel auskommen, geneigten Wänden und schwebenden Rampen. Dynamisch, futuristisch,
fließend ist die Konstruktion aus weißem Beton, Glas und Stahl
ein Bau ganz in der architektonischen Sprache von Zaha Hadid.
Ein fließendes Bauwerk, das eines jedenfalls nicht kennt – starre
Strukturen und Stillstand.
Jean Nouvel, Danish Radio Concert Hall, Kopenhagen, Foto: © Philippe Ruault
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live 01 / 2012
live 01 / 2012
Österreichische Nominierungen
vom Corpus der Stadt
von der Idealstadt zur Megacity
Die österreichische Architektur ist in der Ausstellung des Mies van der Rohe Award im
­Architekturzentrum Wien mit mehr als 20 Nominierungen vertreten und zeigt somit auch einen
repräsentativen Querschnitt des österreichischen Architekturgeschehens. Es werden Beispiele
aktueller Bauten von österreichischen Architekten gezeigt sowie auch in Österreich realisierte
Bauten internationaler Architekten.
Thomas Redl
ARTEC Architekten
Terrassenhaus – Die Bremer Stadtmusikanten
Tokiostrasse, Wien
Das Terrassenhaus im 22. Bezirk ist eine interessante Variante von aktuellem
Wohnbau in Wien. Vielschichtig und kompakt strukturiert, weist es eine interessante Typologie auf. In Anlehnung an die Erzählung der Gebrüder Grimm „Die
Bremer Stadtmusikanten“ – den erfolgreichen Auftritt von Gockel, Katze, Hund
und Esel – bildet die Stapelung verschieden großer Wohngebäude das Konzept
des Terrassenhauses.
Suburbane, zweigeschoßhohe Typologien mit jeweils spezifischen, zugeordneten
Freiräumen werden zu einem dichten, städtischen Paket gestapelt: zuunterst ein
offenes Raumkonzept mit Galerie im hinteren Bereich und Garten vorgelagert,
darauf gestellt eine Maisonette, orientiert zu einem Atrium, dann zweigeschoßige
Reihenhäuser mit Terrasse, und zuoberst Kleingartenhäuser mit Höfen zwischen
den Häusern. Eingeschoßige Wohnungen mit zweigeschoßhohem Loggienraum
(„Casablanca“-Typologie) ergänzen den Typenvorrat. Ein einfaches, bandartiges, die Wohnungen in der Fassade markierendes Element (im Volksmund
„die Spinne“) gibt dem Block Physiognomie zum öffentlichen Raum und den
Wohnungen Abschluss gegen die Strasse. Die plastische Baukörpergliederung
ermöglicht eine ausgeprägte Außenbeziehung der Wohnungen.
Schule Piero della Francesca (?), Idealstadt um 1450
In dem Moment, wo wir in prähistorischer Zeit unsere
Höhlen verlassen haben, begann das architektonische
Wüten auf der Erde. Die Geschichte unserer Sesshaftigkeit ist auch eine Geschichte der Einvernahmung, der
Vereinnahmung von Raum und Boden und den gegebenen Ressourcen. Von den nomadischen Jurten über die
Lehmhäuser und Ziegelbauten bis zu den Stahl-GlasKonstruktionen unserer Gegenwart ist die Form unseres
Bauens in einem gewissen Sinne immer starrer geworden.
Beweglichkeit ist der Starrheit gewichen. Temporäres
Bauen wich dem Wunsch nach permanent Manifestem.
Dieses Manifeste führt in unserem zivilisatorischen Voranschreiten zu Verhüttelung und Zersiedelung.
Artec Architekten, Terrassenhaus Tokiostrasse, Wien, © Margherita Spiluttini
Dietmar Feichtinger Architectes
Dietmar Feichtinger Architectes, Voestalpine Verwaltungsgebäude, Linz, © Josef Pausch
Voestalpine Verwaltungsgebäude, Linz
Als markantes Portal mit weit auskragendem Vordach empfängt
es die Besucher des Stahlkonzerns Voestalpine in Linz. Der
Neubau von Dietmar Feichtinger Architectes ist Bestandteil der
Neugestaltung der öffentlich zugänglichen Bereiche des Stahlwerks. Der 220 Meter lange geschwungene Baukörper verjüngt
sich zu einer 34 Meter auskragenden verglasten Spitze, die als
signifikantes Vordach den Eingang betont. Zugleich repräsentiert der Neubau auch die konstruktiven und gestalterischen
Qualitäten des Materials Stahl: Der fünfgeschoßige Riegel ist
als Stahlbau mit vorgespannten Stahlbetondeckenplatten errichtet. Die auskragende Spitze bilden zwei Fachwerkträger,
deren Lasten der Erschließungskern sowie vier kreuzförmige
Stahlstützen abtragen. Der Architekt lotet bei diesem Gebäude
die Möglichkeiten des Baustoffs Stahl aus.
Sowjetmoderne
1955 –1991
Az W
Unbekannte Geschichten
Ausstellung
08.11.2012 – 25.02.2013
Eröffnung am 07.11.2012, 19 Uhr
La cittá ideala
Diese gegenwärtige Entwicklung der Städte ist gegenproportional zum Bild der Idealstadt, wie sie in der Renaissance, inspiriert vom antiken Gedankengut, als Substitut
kulturellen und sozialen Lebens entworfen wurde. Architekten und Künstler von Filarete über da Vinci bis Dürer
entwickelten Idealstädte, die Archetypen glichen. Dürer
zeichnete 1525 eine genau quadratische Idealstadt mit
strengem Raster. Ein dreiviertel Jahrhundert später wird
eine solche Stadt tatsächlich gebaut – Freudenstadt
von Heinrich Schickhardt (1558-1635). Einflussreich
war auch Utopia von Thomas Morus. Die ideale Stadt,
immer verknüpft mit einer gesellschaftspolitischen Utopie, blieb quasi immer im Entwurfsstadium, doch haben
19. Wiener Architektur Kongress
24.11.2012 – 25.11.2012
Programm: www.azw.at/kongress
Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1 im
inserat_sowjetmoderne.indd 1
20
Urbanität / Megacities
Durch die immer schneller werdenden Transitwege
schrumpft das Land und wird zur Transitstrecke degradiert. Das Land erscheint somit wie ein potemkinsches
Dorf, das Idylle suggeriert, aber gekennzeichnet ist durch
Abwanderung und dem Verlorengehen wichtiger Infrastruktur. Desto schneller die Transitwege, desto mehr
schwindet die gegebene Infrastruktur. Die Stadt hingegen, nicht nur als Ort, sondern als urbanes Phänomen ist
heute omnipräsent. Urbanität meint heute: Kommunikation, Infrastruktur, Mobilität. Und diese sind vorwiegend
im urbanen Raum verfügbar. Jean Nouvel beschreibt dies
folgendermaßen: Wir werden dahin gelangen, städtisch zu
sein, selbst wenn wir auf dem Land wohnen. Die Zeit und
nicht mehr der Raum wird unsere zukünftige Zugehörigkeit
zur Urbanität bestimmen.1
Es fand in den letzten Dezennien eine rasante Urbanisierung statt und dabei sind vor allem im asiatischen Raum
und in Südamerika Megacities mit mehr als zehn Millionen Einwohnern entstanden. Diese Megacities sind ein
Phänomen unserer Zivilisation des 20. und 21. Jahrhunderts und stellen uns vor ganz neue Herausforderungen
– sozialpolitisch wie gesellschaftlich. Diese Megacities
wuchsen durch die Erschließung des Umlandes, durch
die Suburbanisierung, teilweise unkontrolliert und ohne
Struktur und Masterplan. In dem Buch „Panische Stadt“
beschreibt Paul Virilio einen Abgesang auf die Stadt als
kulturelles Zentrum im Sinne der Tradition unserer abendländischen Kultur. Die zivilisatorischen und kulturellen Errungenschaften, die die Stadt verkörperten, sind passé.
Heute ist die Stadt ein wildwucherndes Rhizom, das sich
einerseits von global agierenden Immobilienspekulationen nährt und andererseits an ihren Rändern wächst
durch den Zuzug der Landbevölkerung. Weiters werden
durch die Immigrationsströme große Menschenmengen
in das urbane Feld geschwemmt. Virilio spricht von einer
„hysterischen Globalisierung“ – die Metropole stellt die
„Zeitgenossin unserer Fortschrittsdesaster“ dar.2
T+43 1 522 31 15, www.azw.at
die Renaissancestädte Aspekte von Idealstädten aufgenommen und sind wunderbare Beispiele von Städten
als gelebte und gebaute Form kulturellen, sozialen und
politischen Handelns. Viele Entwürfe der idealen Stadt
verkörpern harmonisierte Geometrien, die in ihrer topografischen Organisation die Verbindung von Profanem
und Sakralem darstellen.
Wenn man die Entwicklung der idealen Stadt bis in die
Gegenwart verfolgt, so sieht man, dass die archetypischen Grundformen Quadrat, Kreis, Kreuz, Stern bis heute
dominieren. Le Corbusiers Chandigargh ist im Prinzip auf
ein Quadrat aufgebaut, Oskar Niemeyers Brasilia auf ein
Kreuz. Doch die Realität sieht gegenproportional anders
aus, wie Günther Feuerstein beschreibt:
Die Wucherungen der Industriestadt, die Exzesse des Kapitalismus, die Forderungen des Verkehrs lassen die hehren Ideale der noch immer in der Renaissance verhafteten
Planungsmodelle kaum aufkommen. Vom großen Wurf
der geometrischen Stadt müssen wir uns – schmerzlich
genug für den Architekten – verabschieden, aber träumen
dürfen wir weiter davon.3
Heinrich Schickhardt, Plan von Freudenstadt, 1604
Im 19. Jahrhundert und weiterfolgend im 20. Jahrhundert
ist die Stadt durch die industrielle Revolution zur Maschine
mutiert, zum technischen Organismus (siehe dazu die
Filme: Metropolis von Fritz Lang, 1925-26; Lichter der
Großstadt von Charles Chaplin, 1931).
Heute ist durch die Revolution der Kommunikationssysteme ein neuer Raum, ein neues Gefüge, entstanden –
der hyperreale Raum der Datenströme, ein nicht mehr
verortbares Netz globaler Informationsströme. Somit sind
Verkehrsknotenpunkte und Transitorte wie Bahnhöfe und
Flughäfen die neuen realen Bilder der Orte unserer Zeit.
Da, wo sich zigtausende Menschen bewegen im Rhythmus von Verkehrsströmen wird die neue vernetzte mediale
Zivilisation spürbar. Dieses Bild einer zukünftigen Stadt
ist nicht mehr ein manifester Körper, sondern es sind sich
ausdehnende Netzwerke – ein Spiel der Virtualität.4
Realer und symbolischer Ort
Wie Gaston Bachelard in seinem Buch Die Poetik des
Raumes beschreibt ist der Raum, das Haus, der Ort, die
Stadt auf der Ebene des Unbewussten auch ein metaphysisch belegter Platz, ein symbolischer Ort der Vorstellung. Hier besteht ein Wechselspiel zwischen dem
real erlebten Raum und dem Raum der Vorstellungswelt.
Die Stadt als Kulminationspunkt vieler Räume spielt hier
eine besondere Rolle. Bachelards Interesse gilt den poetischen Bildern von Räumen. Seiner Auffassung nach ist
das poetische Bild, das immer auch ein räumliches Bild
ist, etwas absolut Ursprüngliches. Er untersucht Bilder
des Raumes, die in den Dichtungen aller Sprachen häufig wiederkehren. Zunächst Bilder intimer Räumlichkeit:
das Haus, der Schlupfwinkel, die Höhle, die Muscheln;
und schließlich den Gegensatz von Drinnen und Draußen.5 Diese Sichtweise ist interessant im Bezug auf die
Wahrnehmung der Stadt. Die mittelalterliche Stadt mit
schützender Stadtmauer vermittelt Geborgenheit, die
Millionenstädte schaffen in ihrer Unüberschaubarkeit ein
Gefühl der Verlorenheit.
Shanghai, Foto: Andrea Baczynski
Führt die chaotische Stadtstruktur zu zunehmendem inneren Chaos ihrer Bewohner? Und würde im Gegensatz
dazu die Idealstadt das Leben der Bewohner strukturieren
und harmonisieren, also die äußere Ordnung auch die
innere ermöglichen und fördern? Führt eine rein an Kapitalströme gebundene Stadt zu einer rein materialistischen
Orientierung ihrer Bewohner? Und wenn die religiösen
und geistigen Zentren fehlen bzw. diese nur mehr touristische Funktion haben, werden die Shoppingmalls die
neuen Stadtzentren und die Orte unseres säkularisierten
religiösen Handelns?
Shanghai, die wichtigste Industriemetropole Chinas mit
über 20 Millionen Einwohnern, gehört zu den sich am
schnellsten verändernden Megacities. Aufgrund der
rasanten Entwicklung wird hier halbjährlich ein neuer
Stadtplan erstellt. In der Kernstadt beträgt die Bevölkerungsdichte 7226 Einwohner pro km2 – im Vergleich dazu
weist Berlin eine Dichte von 3800 Einwohner pro km2 auf.
Hoffnungslose Überbevölkerung und massive Umweltprobleme sind die Folge. Immer mehr Menschen leiden an
urbanen burn-out Syndromen; der Pulsschlag der Stadt
scheint immer schneller zu sein als der der Menschen.
Die gegenwärtigen Probleme der Megacities sind schon
aufgrund ihrer Dimensionen (zehn bis zwanzig Millionen)
und ihrer Wachstumsgeschwindigkeit größer, als es die
Probleme der europäischen und nordamerikanischen
Großstädte während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert je waren.
Campo Mondo
Die Stadt als konzentrierter Platz der Welt spiegelt die
Befindlichkeit unserer Zivilisation, sie ist das kulturelle
Amalgam unserer Zeit. Um zukünftige Modelle der Stadt
zu entwickeln, sollte man die historischen Modelle und die
Entwicklungen der Antike und der Renaissance nicht völlig
außer Acht lassen. Der Mensch, in den Größenverhältnissen der Megacities verschwindend, ist als proportionales
Maß wieder zu entdecken.
Ist die ideale Stadt ein irdisches Paradies, eine vollkommene Ordnung, eine perfekte Struktur von profanem und
sakralem Leben? Die ideale Stadt wäre ein Körper ohne
Schmerz.
Strand von Mumbai
1 Jean Baudrillard, Jean Nouvel, Einzigartige Objekte – Architektur und Philosophie, Passagen Verlag Wien, 2004
2 Paul Virilio, Panische Stadt, Passagen Verlag Wien, 2007
3 Günther Feurstein, Geometrie und Chaos: Die andere Stadt;
fair-Zeitung Nr. 12/2011, Wien/Berlin
4 Jean Baudrillard, Jean Nouvel, Einzigartige Objekte – Architektur und Philosophie, Passagen Verlag Wien, 2004
5 Gaston Bachelard, Die Poetik des Raumes, Fischer Verlag,
1987
18.09.12 15:41
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live 01 / 2012
live 01 / 2012
Otto Beckmanns
imaginäre Architektur
Oskar Beckmann
Otto Beckmann, Skyline (Hiroshima), Bildschirmfoto, 1970 (Abb. 1)
Das Errichten von Gebäuden ist stets zweckgebunden – und doch
ist die Architektur, als Baukunst verstanden, immer auf der Suche
nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, die das Lebensgefühl einer
Epoche manifestieren können. Als Parallelaktion dazu existiert
die kulturgeschichtliche Tradition von gedachten Bauwerken und
Stadtkonzepten, welche vom Turmbau zu Babel über Atlantis bis
zur Science Fiction der Gegenwart reicht, wie der Architekt Günther
Feuerstein in seinem Buch „Urban Fiction“ so treffend beschreibt.
Auch im vielseitigen Schaffen des Bildhauers und Computerkünstlers Otto Beckmann (1908 –1997) spielten gedachte architektonische Formenwelten eine wesentliche Rolle. Er nannte diese Art
der künstlerischen Auseinandersetzung imaginäre Architektur
und verstand darunter die Fokussierung auf den ersten Schritt
des Entwurfs, in statu nascendi, wo noch vor dem Einsetzen der
Zweckbindung und Fragen der Realisierbarkeit die Kreativität freies
künstlerisches Spiel hat.
Zu den frühesten Arbeiten auf diesem Gebiet zählt ein 16-mm
­E xperimentalfilm mit dem Titel Imaginäre Architektur – ein
­cinematrischer Film aus dem Jahr 1966, der bei der legendären
Tendencije 4 (siehe: Margit Rosen „A Little-Known Story about
a Movement…“, The MIT Press, Cambridge) in Zagreb 1969
präsentiert wurde, aber leider verloren gegangen ist; sowie eine
Grafik aus dem Jahr 1967.
Die eigentliche Blütezeit dieses Themas begann aber erst, als Otto
Beckmann für seine künstlerischen Arbeiten Computer einsetzte.
Er gründete dazu im Herbst 1966 mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Wien die Arbeitsgruppe ars intermedia, die
sich mit Computergrafik, Lasergrafik, Experimentalfilm, Klangabfolgen und Textmontagen befasste. Wie Frieder Nake in seinem
Artikel „The Semiotic Engine“, Art Journal Vol.68/I bemerkte, war
es damals möglicherweise weltweit die erfolgreichste Experimentalgruppe dieser Art.
Die Pionierzeit der Computerkunst, die kunsthistorisch von den
frühen 60er Jahren bis 1979 gerechnet wird, war alles andere als
eine homogene Strömung. Bezogen auf die Architektur spannte
sich der Bogen von der visionären „Architecture Machine“ des
Nicholas Negroponte, über die wissenschaftliche Ästhetik des Max
Bense bis zu frühen CAD-(computer aided design)-Anwendungen,
wie etwa der Messestand von Ludwig Rase. In diesem Umfeld
von Wissenschaftlern, Philosophen und Programmierern waren
Künstler kaum vertreten.
Einer der wenigen freischaffenden Künstler in der frühen
Otto Beckmann, Turm (hotel tower with heliport), 1971 (Abb. 2)
22
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Klangturm. Sehr zur Enttäuschung der teilnehmenden Künstler und
Architekten wurden die ausgeschriebenen Preise des Wettbewerbs
aber gar nicht vergeben.
Die Idee mit den drehbaren Walzen, die vom Betrachter manipuliert
werden konnten, hat Otto Beckmann etwas später bei dem mobilen Relief (200 x 260 x 23 cm) im Innenraum einer Wiener Schule
verwirklicht. Dieses Objekt befindet sich jetzt im MUSA – Museum
der Stadt Wien.
Unter den zahlreichen Ausstellungen im Ausland ist die vom österreichischen Kulturinstitut organisierte Ausstellung 1973 in Istanbul
zu erwähnen, da sie an der Architektur-Fakultät der Universität
stattgefunden hatte. Auch der 1973 an Oskar Beckmann verliehene
Schärf-Preis zur Förderung der Wissenschaften hatte einen Bezug
zur Architektur. In der Begründung für die Förderung hieß es:
Otto Beckmann, Kombinat, comuptergenerierte Front- und Seitenansicht, 1972,
ZKM Karlsruhe (Abb. 3)
Computerkunstszene war Otto Beckmann. Sein Bestreben war
es, den kreativen Prozess selbst als Mensch-Maschine-Dialog
zu modellieren: Eine einmal eingestellte Komposition wurde vom
Rechner auf Grund eines konditionierten Zufallprozesses mit Gedächtnis laufend variiert, und der Mensch verfolgte über ein Display
den Ergebnisablauf in Echtzeit und konnte über Einstellregler wesentliche Parameter des Prozesses unmittelbar steuern. So entstanden oft unerwartete Ergebnisse, die fotografisch festgehalten
wurden. Es war sozusagen ein kybernetisches „Evolutionsspiel“:
Mutation und Vererbung wurden durch Selektion gesteuert, sodass
neue Arten entstanden. Voraussetzung dafür war allerdings eine
spezielle Hardware, die der Sohn des Künstlers, Oskar Beckmann,
konstruierte. Dieser Ateliercomputer a.i.70 (a.i. für ars intermedia)
ging im Sommer 1970 in Betrieb und wurde mehrfach erweitert.
Entsprechend dem Fortschritt der Programme kann man unterschiedliche Ausprägungen der Arbeiten beobachten. Anfänglich
waren die Ergebnisse fassadenartig oder wie die Skyline einer
Stadt (Abb. 1), später turmartige Silhouetten (Abb. 2). Die erzielten
Bildschirmfotos wurden entweder als Endergebnis genommen oder
als Vorlage für Drucke in verschiedenen Techniken verwendet.
Ein weiterer Schritt war die Programmierung von virtuellen 3-D Objekten, die am Display als Grund-, Auf- oder Seitenriss erschienen.
Abbildung 3 zeigt die computergenerierte Konstruktionszeichnung
eines Kongresszentrums, nach der Otto Beckmann ein Strukturmodell aus Draht angefertigt hat. Schließlich war auch die perspektivische (axonometrische) Darstellung des virtuellen 3-D Objekts
möglich.
Im November 1971 zeigte Otto Beckmann diese Ergebnisse in der
Ausstellung „ars intermedia, Werkbeiträge zur Computerkunst“ in
der Wiener Zentralsparkasse. Zur Ausstellung erschien ein gleichnamiger Katalog, der die Entwurfsmethoden beschreibt. Otto Beckmann schrieb darin:
Für den Bau eines Ateliercomputers (Hybridsystem) mit spezieller Berücksichtigung von architektonischen Aufgaben der
Raumplanung (architektonische Planspiele).
Es ist bezeichnend für die Vielseitigkeit von Otto Beckmann, dass er
oft gleichzeitig unterschiedliche Ansätze verfolgte. So schuf er 1973
ein architektonisches Objekt, welches mit dem Schlagwort funktionelle Skulptur beschrieben werden könnte: Das Objekt war eine
Skulptur, die bewohnbar gedacht werden konnte, beziehungsweise
ein Baumodell, welches bildhauerischen Ansprüchen entsprach.
Das Design basierte dabei auf zwei einfachen Algorithmen, was
Otto Beckmann, Imaginäre Architektur ( Konzernzentrale in Wien), um 1974 (Abb. 5)
Durch die Überlagerung dieser simplen Programme durch Korrelierung entstehen bereits „imaginäre Architekturen“. Obwohl
die Programmausgabe auf Wunsch auch Grund- und Seitenrisse liefern könnte, sind diese nicht im Sinne des Bauplaners
zu werten, sondern als zweckfreies Formenspiel einer durch
nichts gebundenen Architektur. Für die „imaginäre Architektur“
lassen sich umfassende Programme erstellen: Charakteristika
von Betonstrukturen, Fassaden, Panoramabilder ganzer Städte,
Turmkombinate bis zu Pfahlbauten im Meer. Diese Bilder können
auf Band gespeichert oder auch filmisch festgehalten werden.
Fast gleichzeitig mit der Ausstellung in der Zentralsparkasse wurde
in Graz im Rahmen der Trigon71 unter dem Titel „urbana intermedia“ ein Wettbewerb ausgeschrieben. Otto Beckmann reichte
einige Ideen und Projekte ein. Unter anderem die Gestaltung eines
öffentlichen Platzes mit einer Skulptur aus drehbaren Walzen, die
in Bewegung die bildhauerische Struktur änderten und gleichzeitig eine Tonfolge von sich gab. Ein Bild-Ton-identischer mobiler
live 01 / 2012
zu einer überraschenden Klarheit
des ausgeführten Objektes führt
(Abb. 4). In seinem Arbeitsbuch erwähnte Otto Beckmann, dass die
modulare Struktur des Objekts eine
rationelle Bauweise ermöglichen
könne. Erstmals ausgestellt wurde
diese Skulptur bei der kon73 in der
Wiener Secession. Die zerstörte
Skulptur wurde 2007 wiederhergestellt und befindet sich im Joanneum (Neue Galerie), Graz.
Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Architektur erreichte
zweifellos durch die Kombination
von computergenerierten 3-D Objekten mit einer realen Landschaft
oder mit einem bestehenden urbanen Umfeld ihren Höhepunkt. Die
Installation der virtuellen Welt in der
realen Welt erzeugte architektonische Visionen von beschwörendem
Otto Beckmann, Architektonisches
Charakter (Abb. 5 und 6). Es war
computergenerierte Objekt, Styropor, 365 cm hoch, 1972, Atelierfoto eine sehr produktive Werksphase,
(Abb. 4)
die ungefähr um 1974 begann. Das
von Richard Beckmann gegründete Archiv-Otto-Beckmann enthält
eine große Anzahl dieser Arbeiten.
Eine Serie dieser Arbeiten, die Otto Beckmann – möglicherweise
als Hommage an Fritz Langs utopisches Meisterwerk der Stummfilmzeit sowie als zukunftsweisenden Anspruch – Metropolis 2080
nannte, wurde bei der ersten und zweiten Ars Electronica in Linz
präsentiert (Abb. 6). Im Festival Katalog der Ars Electronica 1980
schrieb Otto Beckmann:
Linz 2080 (Metropolis 2080):
Die Computerkunst hat ein Stadium erreicht, bei dem der Computer in den schöpferischen Prozess voll integriert werden kann
und eine neue Arbeitsmethode von starker Eigengesetzlichkeit
ermöglicht. Bei unserem 1979 in Linz gezeigten Film „Imaginäre Computerarchitektur in der Landschaft“ wurde der Versuch
unternommen, perspektivische Strukturen, die der Computer
ausgibt, in die „Wirklichkeit“ einzubauen. Der Film „Linz 2080“
versucht, modifizierte Programme der Gattung „Imaginäre Architektur“ in eine Rahmenhandlung einzubeziehen und damit
Zukunftsvisionen zu gestalten.
Man konnte auch einige sich in der Computerkunst erst anbahnende Entwicklungen aufzeigen, und zwar an Exponaten einer
fiktiven Ausstellung, die im Rahmen der Ars Electronica 2080
stattfand:
Auf dem Gelände des alten Linzer Hafens, das schon seit
­längerer Zeit ein Freilichtmuseum ist, stehen Computerplastiken
mit Schwebemagneten (Abb. 7) und als besondere Attraktion
eine computergenerierte Laserplastik, die als Hologramm (Abb.8)
weder Gewicht noch Masse besitzt. Die Besucher der Ausstellung könnten durch diese Plastik ruhig hindurchgehen. Etwas
weiter, wo die Donau zu einem großen Binnenmeer angestaut
ist, steht bei der Einfahrt in den neuen Winterhafen als Wahrzeichen eine 180 m hohe Computerplastik. Ein elektronisches
Ballett und Laserstrukturen am nächtlichen Himmel erweitern
und schließen den Film.
Seither sind mehr als 30 Jahre vergangen, aber die visionären architektonischen Formenwelten von Otto Beckmann strahlen heute
noch vitale Aktualität aus. Mathias Boeckl schreibt in seinem Beitrag zum Buch „Otto Beckmann – Zwischen Mystik und Kalkül“
(Hrg. Peter Weibel/Peter Peer):
Exakt dieses Vakuum (der Architektur) ist jener bislang weitgehend unerschlossene Spielraum von Kultur und Metaphysik, auf
den Beckmann hinweisen wollte – in dieser Erkenntnis war er
seiner Zeit um zwei bis drei Jahrzehnte voraus.
Otto Beckmann, Imaginäres architektonisches Projekt am Industriehafen, Metropolis 2080, 1979 (Abb. 6)
Alle Bilder: Copyright: www.archiv-otto-beckmann.com, 2012
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Otto Beckmann, Metropolis 2080: Computerplastik im Freilichtmuseum Linzer Hafen (oben Grundriss des Objekts),
1980 (Abb. 7)
Otto Beckmann, Metropolis 2080: begehbare Hologramm-Skulptur, 1980 (Abb. 8)
Otto Beckmann (*1908 Wladiwostok, †1997 Wien) verdankt seine
Bedeutung aus heutiger Sicht vor allem seiner Rolle als Pionier
der Computerkunst. Nach dem Studium der Bildhauerei Ende der
1930er Jahre an der Wiener Akademie entwickelte er erste Gedanken
zur künstlerischen Formgebung auf der Basis mathematischer
Methoden wie Algorithmen. In den späten 1940ern schloss er
sich der Gruppe „Der Kreis“ an, in den 1950er Jahren gehörte er
zum so genannten „Kleeblatt“, einem losen Zusammenschluss
informeller MalerInnen im Umkreis der Wiener Secession. Nach
seinen grafischen, darunter auch surrealistischen Arbeiten und
erfolgreichen Auftragswerken im öffentlichen Raum (Emailarbeiten
in Kirchen und später in Schulen) wandte er sich in den 1960er Jahren
wieder verstärkt der algorithmischen Methode zu. 1966 gründete
er eine Arbeitsgruppe für Computerkunst, „ars intermedia“, und
vernetzte sich mit der internationalen Szene der konkreten Kunst
und der Computerkunst (u.a. mit dem Kreis der „Neuen Tendenzen“
in Zagreb). Ab 1970 arbeitete Beckmann auf einem eigens für ihn
konzipierten „Ateliercomputer“, dessen Ergebnisse er in die Medien
Plastik, Fotografie, Film, Laser und Akustik umsetzte. So entstanden
visionäre Architekturszenarien, Lasergrafiken, Computerfilme und
-skulpturen. Beckmann beschäftigte sich jedoch auch fortwährend
mit Phänomenen jenseits des rational Erfahrbaren, denn eine Kunst,
die sich allein in technischen Verfahren und Methoden verliert, hatte
ihn nicht interessiert. Werke der 1950/60er Jahre verweisen auf
religiöse Geheimlehren, ab 1970 entstanden fetischartige Plastiken
aus Fundgegenständen in der Tradition des surrealistischen „Objet
trouve“. So bewegte sich Beckmann stets zwischen Magie und Kalkül,
Mathematik und Mystik.
2008 fand eine retrospektive Ausstellung seines Schaffens in der
Neuen Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum statt, kuratiert
von Peter Peer und Peter Weibel.
Dazu erschien die umfangreiche Monografie OTTO BECKMANN –
zwischen Mystik und Kalkül im Verlag der Buchhandlung Walther
König, Köln.
Peter Peer
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Otto Beckmann, Imaginäres Projekt (urban peninsula), 1979
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Sofitel Vienna
Architekt Jean Nouvel
Der Stararchitekt Jean Nouvel hat mit seinem Bau eine
zentrale architektonische Landmark im Zentrum von Wien
geschaffen. Der durch den raffinierten Einsatz von Spiegelungen und Reflexionen schwerelos wirkende Bau ist ein
zeitgenössisches Statement inmitten des Wiener Stadtambientes. Topografisch neigt sich das Gebäude optisch
zum gegenüberliegenden Media Tower von Hans Hollein
und beide gemeinsam bilden so ein Tor in den zweiten
Bezirk. Trotz seiner beachtlichen Höhe von 75 Metern fügt
sich der Bau durch die Raffinesse seiner unterschiedlich
spiegelnden Fassade elegant in das Stadtgefüge. Je nach
Himmelsrichtung erscheint das Gebäude in einer anderen
Farbe – Grau im Süden, Schwarz im Westen, Weiß im
Norden und transparent wirkend im Osten.
Das Gebäude hat Mehrfachfunktion: Es beherbergt das
Luxushotel Sofitel Vienna, das Designkaufhaus Stilwerk
und das Restaurant Le Loft im obersten Stock. Im mehrgeschoßigen Sockel, der sich wie ein Keil in das Gebäude
schiebt, befindet sich vom Erdgeschoß bis zum vierten
Stock das Designkaufhaus mit seinen unterschiedlichen
Mietern. Steht man dort im Foyer und blickt nach oben,
sieht man die verspiegelten Galerien und die illuminierte
Lichtdecke. Blickt man nach hinten, sieht man auf einen
600 qm großen vertical garden von Patrick Blanc, der auf
der Brandschutzmauer des Nebengebäudes angebracht
ist.
Eine weitere Raffinesse des Gebäudes sind die auf den
verschiedenen Untersichten des Gebäudes angebrachten
Lichtdecken, gestaltet von der Künstlerin Pipilotti Rist.
Vor allem in der Nacht werden sie zu einem optischen
Spektakel, floral und farbenprächtig leuchtend.
Das Sofitel Vienna ist in typischer Jean Nouvel Manier
cool und minimalistisch gestaltet. Das Farbkonzept der
Fassade wird innen weitergeführt – die Zimmer sind streng
monochrom in grau, weiß oder schwarz gestaltet. Von
den reduziert gehaltenen Zimmern eröffnen sich für den
Gast tolle Blicke auf die Stadt. Gekrönt wird der Blick
im obersten Stock, im Restaurant Le Loft angekommen,
tut sich ein phantastisches Panorama über Wien auf und
das in allen Himmelsrichtungen. Es lohnt sich hierher zu
kommen und direkt an der Glasfassade Platz zu nehmen,
um den neuen Blick auf Wien zu genießen.
Hotelzimmer in Weißtönen, Design: Jean Nouvel, Foto: © UNIQA/Artinger
Architecture is the art of taming constraints; of poetizing contradictions; of looking differently at
common and trivial things in order to reveal their singularity. Architecture is an opportunity, in a city
marked by history, to continue games begun by others years or centuries ago. It is a clever game
of chance and intention; an occasion to modify, to deepen, or to change the meaning of a context.
Architecture is about making apparitions.
In Vienna architecture is all that, but here the resonance is particularly savory and dangerous, so
great is the temptation to invent and to pervert what is so elegant. So just imagine that starting
with these curious constructible prisms, their planes begin to slide; intersections are created; one
plane begins to tilt under the magnetic deviance of HH while another decides to light the city from
a ceiling made of furtive images. Imagine that the other planes begin to vibrate with a thousand
lines of variable orientation and reflectivity, that gray sometimes melts into gray squares on a gray
background. It is not surprising then to find that the oblique plan of the roof becomes hatched,
weaving a tight, random pattern of parallelograms and lozenges, that the planes to the North take
the form of granited glass for transparence; that the planes to the West cloak themselves in variations of black to display their shadows. At the limit between building and sky there is another, flat
plane that reveals the appearance-disappearance of changing faces, an evocation of the multiple
faces forever linked to the depth of imagery born of this city.
Jean Nouvel
Projektbeschreibung:
Nach dem Design von Jean Nouvel wurden die 184 Zimmer des Hotels von CSERNI umgesetzt, dabei war es eine
besondere Herausforderung, die auch in der Innenraumgestaltung speziellen architektonischen Anforderungen von
Jean Nouvel und dem Bauherren, der Uniqa Group Austria,
adäquat umzusetzen. Nouvel designte hier die komplette
Einrichtung, die in der Ausführung einen besonders hochwertigen Standard verlangt hat. Die Aufgabe von CSERNI
beinhaltete die Erstellung der Detail- und Ausführungspläne nach Vorgabe des Architekten, die Koordination
der einzelnen Ausbaugewerke sowie die Umsetzung der
Tischler-, Glaser- und Schlosserarbeiten vor Ort. Die Eröffnung erfolgte im Dezember 2010.
Sofitel Vienna, Architektur Jean Nouvel, Foto: © Thomas Redl
Hotelzimmer in Grautönen, Design: Jean Nouvel, Foto: © UNIQA/Artinger
Sofitel
Vienna
Auftraggeber: UNIQA
Immobilien-Service GmbH
Architekt: Jean Nouvel
Bereich: Generalunternehmer Hoteleinrichtung
Ort/Jahr: Wien, 2010
www.jeannouvel.com
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live 01 / 2012
live 01 / 2012
CSERNI INTERIOR
Gesamtheitliche Konzeptionen
& exklusive Kundenbetreuung
Für Cserni bedeutet Innenarchitektur ein
ganz­­heitliches und harmonisches Interior zu
kreieren, dass die Gesamt- und Ausführungsplanung, den Möbelentwurf, die Farb- und
Lichtkonzeption, die Auswahl der Accessoires und Artworks sowie Exterior Konzepte
beinhaltet.
Die Innenarchitektin Anika Müth erstellt für
CSERNI in Österreich gesamtheitliche Interior
Konzepte im privaten Residential Bereich, welche auf die individuellen Wünsche der nationalen
und internationalen Kunden abgestimmt sind.
Unter kompetenter Betreuung – unterstützt
durch ausdrucksstarke Schauräume und Materialbibliotheken – sowie mit Präzision und gestalterischem Feingefühl werden die Wohnträume
der exklusiven Kunden erfüllt.
Musterwohnung Hamerlingpark, Design: Anika Müth, Foto: © Thomas Redl
Details Stoffmuster, Fotos: © Thomas Redl
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Die Faszination Wohnen ist für Anika Müth eine
Kreation einzigartiger Interieurs, vom Erstentwurf angefangen über das Raumdesign bis zur
Detailplanung der Möbel, die Farb- und Lichtgestaltung, die Auswahl der Kunst und Accessoires bis hin zur Einbindung des Außenraums.
Dazugehörend stellt sie dem Kunden gerne individuelle Moodboards, Materialcollagen sowie
Dekorationen zusammen.
Bei ihren Custom Designs exquisiter Möbel wird
neben vielfältigen Hölzern, hochwertigen Metallund Lackoberflächen auch mit ausgefallenen
Materialien wie Perlmutt, Egg­shell, Horn, gefärbten Spiegel- oder geprägten Lederoberflächen
gearbeitet. Diese werden von uns in unserer
modernst eingerichteten Tischlerei umgesetzt.
Eigens kreierte Polstermöbel, entworfen von der
Innenarchitektin, werden in Zusammenarbeit mit
hochwertigen Werkstätten realisiert. Hier wird ein
maßgeschneiderter Sitzkomfort entwickelt, der
individuelle Kundenwünsche wie zum Beispiel
Härte der Sitz- und Rückenpolsterung, Proportion der Armlehnen oder Ausführung der Sitzhöhe sowie -tiefe mit Feingefühl berücksichtigt.
Ebenso integriert Anika Müth in ihren Interiordesigns auch internationale Brands wie Sitzmöbel
von Christian Liaigre, Philippe Hurel und Baker.
Dazugehörend werden harmonische Stoffe für
Vorhänge, Dekokissen, Plaids, Tischwäsche etc.
individuell zusammengestellt. Mit Leuchten von
beispielsweise Porta Romana, Teppichen von
Tai Ping oder Accessoires von DK Home, Arcade
Avec oder Anna Torfs wird das Gesamtkonzept
schlussendlich abgerundet.
Materialdetail Perlmutt, Foto: © Thomas Redl
Skizzen zu Musterwohnung Hamerlingpark, Anika Müth
Mit der Leidenschaft, exklusive Gesamtlösungen
aus einer Hand zu bieten, werden die harmonischen Interior Designs entwickelt. Eine Komposition aus dem Verständnis für das Wesentliche
und mit dem Blick für Details zu entwickeln, ist
das Ziel der Innenarchitektin. Damit schafft sie
ein unverwechselbares Raumgefühl.
Zuhören und mit Feingefühl die Vorstellungen
der Kunden zu realisieren, hat oberste Priorität.
„Mit Sinnlichkeit und Tradition schaffen wir eine
individuelle Lebensart, in der die exklusive Betreuung der Kunden an erster Stelle steht“.
Anika Müth studierte Innenarchitektur an
der TU Darmstadt. Nach ihrem Studium
war sie in Hamburg tätig, wo sie für internationale High-End-Kunden Yacht-Interiors
sowie exklusive Raum- und Möbel-Designs
für Residences und Villen entwickelte. Seit
2011 ist sie für Cserni, Bereich Interiordesign tätig.
Eine Komposition aus dem Verständnis für das Wesentliche
und mit dem Blick für Details
zu entwickeln, ist das Ziel von
CSERNI Interior.
Accessoire Armadillo, Design: Anna Torf
Anika Müth
Materialcollagen, Fotos: © Thomas Redl
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live 01 / 2012
live 01 / 2012
DAS HAMERLING
Exklusives Wohnen in Wien
Interview mit Erwin Soravia
Vorstand der Soravia Group
Um die Jahrhundertwende von Viktor Siedek und
Karl Stigler errichtet, erinnert der monumentale
Prachtbau „Das Hamerling“ noch heute an seine
glorreiche Vergangenheit als k. & .k. Kartographisches Institut zu Zeiten der Monarchie. Die hervorragende Lage, eingebettet in ein historisches Viertel,
den achten Wiener Gemeindebezirk, und die großzügige Anordnung inmitten des Hamerlingplatzes
direkt am 6.000 Quadratmeter großen Hamerlingpark
machen es zu einem Juwel der Entspannung inmitten der Großstadthektik.
Ein Juwel, das als einzigartiges Wohnbauprojekt
sorgsam revitalisierte Baukunst, moderne Architektur
und innovative Technik vereint und extravagantes
sowie unvergleichliches Wohnerlebnis, sowohl in
seinem beeindruckenden Mitteltrakt, als auch den
beiden großzügigen Gebäudeflügeln mit begrüntem
Innenhof garantiert.
Die klassischen Raumhöhen (bis zu 3,70m) sorgen
für das typische Wiener Altbau Wohnflair und die
hochwertige Ausstattung mit Fußbodenheizung,
Videogegensprechanlage, Parkettböden, Loggien
und Terrassen schafft ein unvergleichliches Wohnambiente. Die luxuriösen Dachgeschoße zeichnen
sich durch einen atemberaubenden Blick über Wien
aus und die loftartigen, lichtdurchfluteten Penthäuser
verkörpern das gelungene Zusammenspiel von historischer und zeitgenössischer Baukunst. Das Erdgeschoß – das Herzstück des Gebäudes – mit seinem
architektonisch imposanten Foyer besteht aus einer
luxuriösen Lobby samt Lounge, einem hauseigenen
Restaurant und dem Concierge-Service und bietet
alle Annehmlichkeiten, die modernes Wohnen auf
hohem Niveau heute verlangt. Die Tiefgarage und
der Privatgarten runden das Konzept ab.
Das Wohnprojekt wird 2014 fertig gestellt.
Ein Projekt von: BIG E & V, SORAVIA Group und
MHH Development AG.
Thomas Redl: Das Hamerling ist ein
sehr umfangreicher Baukörper im inner­
städtischen Raum Wiens. Wie groß ist
das Projekt und wie viele Wohnungen
entstehen hier?
Erwin Soravia: Das Bauprojekt befindet
sich in der Josefstadt im 8. Bezirk, ei­
nem historisch sehr bedeutenden Viertel
Wiens. Mit einem Investitionsvolumen
von 70 Millionen Euro und einer Nutz­
fläche von rund 20.000 Quadratmetern
garantiert es elegantes und luxuriöses
Wohnen auf Wohnflächen zwischen
70 und 170 Quadratmetern. Eingeteilt
in 80 Wohneinheiten entsprechen die­
se höchsten Anforderungen und bieten
zahlreiche Serviceleistungen und An­
nehmlichkeiten.
TR: Wird bei der Revitalisierung ver­
sucht die originäre Substanz des histori­
schen Baukörpers zu erhalten?
Rendering „Das Hamerling“, alle Abbildungen: © www.jamjam.at
Dachterrassen
Musterwohnungen
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ES: Selbstverständlich! Ein wesentlicher
Anspruch des Projekts ist es den histo­
rischen Prunkbau in seiner Struktur und
imposanten Erscheinung zu erhalten
und ihn ausschließlich in seiner Funk­ Musterwohnung, Design: Cserni, Anika Müth
tion zu verändern! Harmonische Äs­
thetik und innovative Technik werden
klassisch modernen Konzept, das traditionelles
im „Hamerling“ in Einklang mit Tradition und
Handwerk mit geradlinigem Design vereint,
Moderne gebracht und in Kombination mit Lu­
perfekt den Geschmack getroffen. Die persönli­
xus ermöglicht dies elegantes und komfortables
che Betreuung und die Abwicklung der gesam­
Wohnen in der Großstadt.
ten Umsetzung waren ein besonderes Asset, das
Cserni auszeichnet.
TR: Stilistisch welche Art von Wohnungen ent­
stehen im Hamerling?
TR: Welche Qualitätskriterien sind wesentlich
bei der Konzeption und Ausführung des Interiors
ES: „Das Hamerling“ steht für Eigentumswoh­
der Wohnungen?
nungen im Luxusbereich. Höchste Wohnkul­
tur im klassisch-modernen Stil verspricht un­
ES: Im Zentrum stand und steht für uns die
vergleichliches Flair. Das Angebot wird durch
Gestaltung exquisiter, funktioneller und stilvol­
exklusive und spezielle Dienstleistungen und
ler Lebens- und Wohneinheiten ausgestattet mit
Angebote, wie Concierge-Service, private Gar­
tenanlagen, hausinternes Restaurant, Tiefgarage
usw. erweitert. Im Sinne einer generationsgerech­
ten Konzeption des Bauens und Wohnens bietet
„Das Hamerling“ von funktionellen Singlewoh­
nungen, über familiengerechte Penthäuser in den
Dachgeschoßen mit Blick über Wien, bis hin zu
unabhängigem Wohnen in der Seniorenresidenz
ein breites Sortiment an Wohnimmobilien an.
hochwertigsten Materialen. Die Cserni Group
hat mit perfekter Beratung hinsichtlich edelster
Hölzer und Stoffe, Natursteine und sonderange­
fertigter Polstermöbel sowie Mobiliar mit speziel­
len Oberflächen unsere hochwertigen Ansprüche
umgesetzt. Die Gestaltung und Entwicklung von
Hochglanzmöbeln, die Entwicklung von Farbund Lichtgestaltung mit passenden Accessoires
und ansprechender Kunst konnten wir gemein­
sam mit Cserni umsetzen. Dass dabei der As­
pekt der Nachhaltigkeit nie außer Acht gelassen
wurde, spricht für den ganzheitlichen Zugang
von ­Cserni.
TR: Was war ausschlaggebend für die Koopera­
tion mit Cserni im Bereich Innenraumausbau
und Interiorkonzeption?
ES: Ausschlaggebend hierbei war zum einen die
Kompetenz, über die das österreichische Traditi­
onsunternehmen Cserni verfügt, und zum an­
deren das ganzheitliche, perfekt auf den Stil und
die Ästhetik des Bauwerks abgestimmte Konzept.
Cserni hat uns im Bereich des Innenausbaus
von der Grundrissgestaltung, über die Ausfüh­
rungsplanung bis hin zum Möbelentwurf und
der professionellen Umsetzung sämtlicher Ein­
richtungsdetails in einem engem Zeitkorsett per­
fekt unterstützt. Zudem hat Cserni mit seinem
Musterwohnung, Küchenblock mit Anrichte, Design: Cserni, Anika Müth
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live 01 / 2012
live 01 / 2012
Otto Beckmann, Imaginäre Architektur (ocean tower), 1977
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live 01 / 2012
Informel meets Nature:
Karl Karners aktuelle Skulpturen
Florian Steininger
Karl Karners aktuelle skulpturale Arbeiten aus der
Samtkasten-Serie changieren zwischen gestischer
Spur im Arbeitsprozess und Formenrelikten, die die
Natur selbst hervorgebracht hat. „Informel meets
Nature“. Ausgangsprodukt ist im Wasser gezogenes Wachs, das im gehärteten Zustand in Bronze
gegossen wird. Intention und Führung des Künstlers bei der Arbeit stehen Zufall und natürlichen
Gesetzmäßigkeiten in der Formwerdung entgegen.
Man wird unwillkürlich an die Bleigussrituale zu Silvester erinnert: amorphe, formale Konstellationen
für allerhand Assoziationsspielraum: Geisterschiffe,
Korallenriffe, Kristallwelten, fantastisch apokalyptische Landschaften. Trotz festem Zustand scheint
alles in Bewegung, in permanenter Mutation. Eine
Ursuppe von Leben und Vergehen. Bei Nahsicht
verwandelt sich die Oberfläche in eine monströse
Karstlandschaft, in die wir uns verkriechen. Andere
Stellen werden weich wie Haut oder falten sich wie
Gewänder, dann wieder gebrochen durch das Spitze
von Weinstockreben, Nägeln oder Geweihresten.
Ein ständiges Wechselspiel von Bedeutungs- bzw.
Gegenstandsträgern und autonomer Materialqualität
der Skulptur tritt in Kraft. Informelle Spuren des Arbeitsvorgangs als Materie versus Abguss der Natur.
Schon Lorenzo Ghiberti, Pionier der Portalplastik im
Quattrocento hat sich neben seinen hohen Künsten
der Abbildung von Figur und Wirklichkeit direkt der
Natur bedient, indem er echte Pflanzen und Tiere –
wie etwa Eidechsen – in Bronze abgegossen und
in die Bordüre der skulptierten Paradiespforte am
Baptisterium in Florenz integrierte. Karner eignet
sich Realität durch Bronzeabgüsse von Weinreben,
Geweihen, Perlen, Ästen, Nägeln oder Fingergliedern
an und ergänzt sie zu den sonst informell, organischen Mutationen seiner Bronzeskulpturen. Durch
die einheitliche Fassung und Patina entsteht ein
homogenes ästhetisches Gefüge.
Die Gesamterscheinung der Skulptur wirkt durchwegs abstrakt, als Resultat einer Wucherung, eines
Wachstums, dessen nächste Analogien wir in der
Natur selbst finden, zum Beispiel in der Form eines
Korallenriffs. Dennoch sei auf den schöpferischen
Einfluss des Künstlers verwiesen, dessen Handschrift
sich materiell zur Skulptur verdichtet: ein bildhauerischer Zugang, der sich dem klassischen Begriff
widersetzt. Das Werkmaterial in der konventionellen
Bildhauerei fungiert als Mittel zum figurativ-skulpturalen Zweck; der Bildhauer formt und modelliert,
um zum idealen Abbild zu gelangen. Prozessuale
Spuren werden zugunsten des Oberflächenfinishs
vermieden. Die Wiedergabe der Wirklichkeit steht
im Zentrum, von der Antike bis zum Klassizismus.
Erst mit Rodin verraten die Oberflächen von Bronze,
Gips und Stein die Handschrift der Arbeit und bieten
einen impressionistischen Reiz ähnlich wie die
flimmernden Farbflecken auf Monets Heuhaufenbilder. Giacomettis zerklüftete Porträts bilden den
Zenit der handmodellierten figurativen Skulptur in
der Moderne, mit Fingerprints des Autors übersät.
Karners nähere Verwandte sind aber die Protagonisten der informellen Plastik nach 1945 als
skulpturale Bewegung zum Action Painting. Dynamik, Spur und Abstraktion verfestigten sich in
den geradezu gezeichneten Schmiedeeisenplastiken von David Smith, oder auch in den zerklüftet
heterogenen Gewächsen von Oswald Oberhuber.
Magret Rowell brachte dieses Phänomen folgenderweise auf den Punkt: „Das vordringliche Ziel
war es, den Willen und die Geste des Künstlers
als eine physische, fast automatisch reagierende
Handschrift einzusetzen und einer rohen, unspezifischen, ursprünglichen Energie plastische Gestalt zu verleihen.“ Natürlich ist die Malerei und
Zeichnung in jener Umsetzung von Energie direkter, da der Pinselstrich oder der dünnflüssig
getropfte Lack (bei Pollock) die Bewegung des
Künstlers als Spur unmittelbar übersetzt. Eisen,
Gips oder Bronze sind hingegen aufgrund ihrer
Steifigkeit stets ein Widerstand für Spontanität
und Direktheit in der Expression. Karner hingegen
vermag es, im Wasserbad die Materie fließen zu
lassen, die Bewegungen direkt in gehärtete Form
zu fassen, ohne allzu sehr seine expressive Fährte
zu markieren.
Neben der ungegenständlich prozessualen Note
spielt das Kombinatorische, die Assemblage
eine große Rolle. Alltagsgegenstände und Naturformen werden selbstverständlich integriert,
wodurch ein spannungsreicher Stil- und Motivrealismus entsteht. Karner ist nicht an ein ausschließliches Entweder-Oder gebunden, sondern
er sampelt mit der Skulptur. Trotzdem bleibt die
Gesamterscheinung durch die samtig schwarze
Haut einheitlich, ganz im Unterschied etwa zu
den Objekten aus zahlreich Gefundenem in der
Kunst des Dadaismus oder Nouveau Realism,
die sich in anarchischer Weise von akademisch
oder bereits etablierten Kunstrichtungen distanzieren. Die Verbindung von Kunst und Leben ist
bei Karner nicht nur in der materiellen Erscheinungsform seiner Skulpturen erkennbar, sondern
er erweitert seinen Kunstbegriff durch das Installative und Performative; so platziert er seine
dreidimensionalen Arbeiten auf der Bühne, als
Teil der Choreografie, die er mit seiner Künstlerkollegin Linda Samaraweerova inszeniert bzw.
aktiv daran teilnimmt. Die Offenheit, die Vernetzung und komplexe Vielschichtigkeit der aktuellen
Plastik steht somit symptomatisch für Karners
erweiterten Kunstbegriff.
Karl Karner, Foto: Atelier Karner
Karl Karner
Geboren in Feldbach/Steiermark, Österreich 1973,
lebt und arbeitet in Wien und in der Steiermark.
Ausbildung: Seit 2007 Studium an der Akademie
der bildenden Künste in Wien, Klasse Heimo
Zobernig.
Ausstellungen (Auswahl in Österreich): Galerie
Artepari Graz, Stift Admont, Lentos Museum/Linz
- Triennale 01, Galerie Dana Charkasi/Wien, Neue
Galerie Graz/Graz, Vienna Artfair/Wien, Galerie
Lendl/Graz, breathless/Wien.
(Auswahl Ausland): Colombo Biennale Sri Lanka,
United Artist Club Baku, 4. International Beijing
Biennale 2010, Rezan Has Museum an der Kadir
Has Universität/Istanbul, Kohán György Képtár/
Ungarn, MCC „Old Pallouriotissa Market“/
Zypern, Centar savremene umjetnosti Crne Gore
/Montenegro, Galeria Umjetnina/Kroatien, Arco/
Madrid, Art Brüssel, Österreichisches Kulturforum,
Prag/CZ
Karl Karner, 493x493 aus Samtkasten, Bronze, 2012, 155 x 155 x 220 cm, Sammlung Martin Cserni
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live 01 / 2012
live 01 / 2012
Till NoWak – Multimediakunst
Von Claus Friede, Hamburg
A Lot of civilisation Bad Gastein
Die Stadt wirkt wie aus einer anderen Zeit entsprungen, sie klebt am Berg und an den Felsen und durch
die Stadtmitte ergießt sich ein großer Wasserfall. Die
Architektur ist vielseitig: Gründerstil, Belle-ÉpoqueGrand-Hotels, 50er-Jahre Bauten, bäuerliche Gebäude mit weit ausladenden Dächern, 70er-Jahre
Architektur, moderne Flachbauten, die wie Schachteln aussehen, Luxus Chalets und alles, was es an
Baukunst dazwischen gibt. Wir sind im österreichischen Bad Gastein, einem weitbekannten Kur- und
Tourismusort, der viel Tradition, Geschichten und
Geschichte zu bieten hat.
Ob Geschichte allerdings so gemeint sein muss?
Viele der Gebäude im Zentrum stehen leer, sind verwaist und mit Bauzäunen umgeben, Putz bröckelt,
Fotos und Bilder sind längst in den Schaukästen
ausgeblichen und erzählen „so war es mal“.
Till Nowak ist gerade aus Hamburg angereist und
zum ersten Mal in Bad Gastein. Der Medienkünstler
kommt aus dem Staunen nicht mehr raus, als wir
durch den Stadtkern gehen, und ist von der ambivalenten Atmosphäre begeistert. „Diese Mini-Metropole sieht hier aus wie meine Kugelstadt „Habitat“,
einfach großartig. Ich mag es, wenn einerseits ein
urbanes Flair, anderseits diese leichte Morbidität
spürbar ist und es nach Umbruch riecht. Dies ist
ein Ort für Künstler“, meint er. Damit hat er nicht ganz
Unrecht, denn seit ein paar Jahren hat Bad Gastein
ein internationales Künstlerresidenzprogramm zu
bieten. sommer.frische.kunst, initiiert von Kur- und
Tourismusverband und kuratiert von der Sammlerin Andrea von Goetz, zieht Künstler, Sammler,
Besucher und Touristen in das Alte Kraftwerk am
Wasserfall. In den alten Verwaltungsräumen arbeiten die eingeladenen Künstler und stellen anschließend gemeinsam aus. Auf dem Weg dorthin kommt
man bereits an Kunstwerken im öffentlichen Raum
vorbei: großen Wandmalereien, Lichtobjekten und
einer Schauvitrine neben dem Grand Hotel l’Europe
mit Bildern, Skulpturen und einem riesigen Monitor,
auf dem Videos zu sehen sind. Diese sind von Till
Nowak – es läuft gerade „Kaltlicht“. Die Videoarbeit
zeigt eine Lichtprojektion in einer winterlichen Landschaft. Nowak lässt ein Lichtspiel ablaufen, das nur
in einer ganz bestimmten Situation möglich ist: im
Winter und bei ausreichender Menge Schnee. Letztgenannter ist Projektionsfläche. Diese Einmaligkeit
und zeitliche Nichtplanbarkeit der Umstände geben
den Hintergrund für ein Licht- und Klangspiel, das
seine kontemplative Vollendung in diesem kurzen
Video erfährt.
Wie in eine Nebelwand eingehüllt aus Dampf und
Tröpfchen steht am unteren Ende des Wasserfalls
das Alte Kraftwerk. Früher wurde hier einmal Energie
gewonnen, die Turbinenanlagen stehen längst still.
Man hört jedoch noch einen permanent brummenden Summton großer Wasserpumpen, die das über
40 Grad heiße Thermalwasser, das hier entspringt,
in die Hotels transportieren.
Der mächtige Turbinenraum mit seinen Maschinen
und der Wand mit verschiedenen Messgeräten, mit
der Feuchtigkeit und dem Brummen und Rauschen
scheint künstlerisch unbespielbar.
Till Nowak ist jedoch ein Phänomen an Ideenreichtum, Innovation, technischer Raffinesse und Präzision und wäre als Kind am liebsten verrückter
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verschiedener Städte und manipulierte diese digital.
Die entstandene Arbeit besteht aus sieben einzelnen,
kurzen Videoclips. Die physikalischen Unmöglichkeiten sind allerdings derart wirklichkeitsnah dargestellt, dass der Betrachter staunend davor steht und
das Gesehene glaubt. Das erklärt auch die etwas
wackeligen, fast laienhaften Aufnahmen, sie sind
wegen des Realitätsbezugs gewollt so produziert.
Das Material aus der Realität zeigt eine selbstverständliche Nutzung, die Überhöhungen und Übertreibungen werden so integriert, als ob sie ebenso
selbstverständlich dazu gehören und sollen jedwede
stilistische Abstraktion vermeiden.
Keinem heutigen Menschen ist medizinisch-physikalisch zu empfehlen sich den in den Videos suggerierten Fliehkräften auszusetzen. Das, was wir
da sehen, erscheint aber so denk- und machbar,
dass es vergleichbar einer Reise zum Mond in den
1960er Jahren ist. Wir werden – wenn auch nicht
physisch – so doch emotional mitgerissen und unweigerlich zaubert der Künstler mit diesen Arbeiten
ein Schmunzeln auf unsere Gesichter.
Sieben große Konstruktionspläne der einzelnen Fantasiegebilde ergänzen den Zyklus. Schon seit seiner
Kindheit faszinieren den Künstler die Fahrgeschäfte,
die sich nun in einem eigenen Kunstwerk katalysiert
haben. Er denkt in die Zukunft, er verlässt die „IstZeit” fast unauffällig und kommt in einer „Kann-SeinZeit” an. Das produziert Überraschung, weil alles an
den Werken so möglich erscheint.
Seine Konstruktionszeichnungen basieren auf vermeintlichen, internationalen Ingenieurleistungen.
Till Nowak, Habitat, Der fiktive Bauplan „Habitat“ ist eine detaillierte Collage aus der digitalen
Zeichnung einer kugelförmigen Stadt und Fragmenten tatsächlicher Baupläne. © Till Nowak
Wissenschaftler geworden. Er hat sofort die ersten
Ideen, will Teile seiner Ausstellung „A Lot of Civilisation”, die im Frühjahr 2012 im Kunstforum Markert
in Hamburg gezeigt wurde, in die Maschinenhalle
integrieren.
Der Künstler wählt übrigens den Ausstellungstitel,
weil es ihm inhaltlich um zivilisatorische Implikationen geht. „A lot of civilisation” ist eine Haltestelle
vor „too much civilisation” – genau in diesem Spannungsverhältnis bewegt sich sein Werk.
„Erst in der Übertreibung sind die Dinge wieder
spürbar”, sagt Nowak. Ihm ist jedoch wichtig zu
betonen, dass er nicht als moralische Instanz gesehen werden will, sondern eher als Sampler und
Karikaturist unserer Zivilisation. Darüber hinaus zielen viele seiner Werke auf eine Gefühlsambivalenz
ab, die gleichzeitige Faszination und Beunruhigung
hervorrufen können.
„A Lot of Civilisation” ist wie geschaffen für den
Ort und die Location. Nowak initiiert für den Turbinenraum zwei unterschiedliche, tageszeitliche
Werkkomplexe. Nachts, wenn es stockfinster in
der Halle ist, ist eine vom Künstler speziell entwickelte Lichtinstallation zu sehen, die sich auf die
Architektur und die ehemalige Funktion des Ortes
bezieht. Über einen lichtstarken Videoprojektor
werden einzelne Messgeräte, Uhren und Zeiger
auf der großen Bedienwand des Kraftwerks zum
Leben erweckt. Plötzlich scheinen sich die Zeiger
im schmalen Lichtstrahl zu bewegen und Klang gibt
dem Raum eine zusätzliche Atmosphäre. Nach einigen Minuten explodiert das Kunstwerk förmlich
wie eine elektrische Entladung, zeichnet sich bewegende, züngelnde, dünne Lichtlinien und Punkte
an die Träger, Pfeiler und das Dach, um dann wieder
in der Dunkelheit zu verschwinden. Verschiedene
Variationen zeichnen Linien, geometrische Formen
oder auch ein Sammelsurium von tickenden und
zuckenden Zeigern an die Decke.
„Kraftwirk“ – so der Titel der Licht- und Klanginstallation – bleibt am Ende als dokumentarisches
Video zurück.
Tagsüber vermittelt das zentrale Werk im Alten
Kraftwerk, „The Experience of Fliehkraft”, unterschiedliche Extremerlebnisse mit Fliehkräften. Die
technische Anmutung des Werks integriert sich nahezu perfekt in die technische Umgebung.
Zwischen 2007 und 2011 sammelte Nowak Filmsequenzen von Fahrgeschäften auf Jahrmärkten
„Habitat“, eine weitere Arbeit, ist eine Art Stadtmodell, lasierend auf eine Holzplatte gedruckt, die
der Künstler an Ketten in den Raum gehängt hat.
Nowaks Kugelstadt scheint eine augenscheinliche
innige Beziehung zu Bad Gastein zu haben: Sie ist
die Extremform einer zivilisatorischen Schichtung.
Sowohl architektonisch-urbane als auch sozio-kulturelle Schichten unterschiedlicher Epochen sind
in ihr zu finden. Von den Villen und Kuppeln in der
Oberstadt über einen breiten „Äquator“ bis hin zu
schattig-grauen Wohnungen, Rohr- und Antennengärten und der Kanalisation der Unterstadt.
„Was in einem sozialwissenschaftlichen Diagramm
eine Pyramide wäre, ist in meinen Träumen eine
Kugel“, sagt der Künstler. „Die Kugelform fasziniert
mich seit Jahren und ich gehe experimentelle Wege
mit ihr. Auch die Kugelstadt „Habitat“ kann als gesellschaftsironischer Kommentar des Baubooms
und der Abrissmentalität der globalen Mega-Cities
gesehen werden, während sie gleichzeitig Ausdruck
utopischer Fantasie ist.“
Till Nowak, Lichtinstallation, Altes Kraftwerk, Bad Gastein. © Till Nowak
Die Lichtinstallation „Kraftwirk“ wurde von Till Nowak speziell für die Maschinenhalle des Alten K
­ raftwerks in Bad Gastein entwickelt. Sie besteht aus einer Videoprojektion, die exakt auf die Geometrie des Raumes angepasst ist und auf diese Weise die
historische Schaltwand zum Leben erweckt.
Bei der Eröffnung der Ausstellung, Altes Kraftwerk,
Bad Gastein. Foto: © Thomas Redl
Till Nowak
Geboren 1980 in Bonn. Studium Mediendesign an der
Fachhochschule in Mainz. Gründung des Studios „frameboX“ mit
Sitz in Hamburg. Projekte im Bereich der bildenden Kunst, des
Mediendesigns und des Films.
Auszeichnungen (Auswahl): Förderpreis des Landes NordrheinWestfalen für junge Künstler, Kurzfilmpreis der Friedrich-WilhelmMurnau-Stiftung, „Best Short Film Award“ des AFI Festivals
Hollywood, Visual Music Award „In the spirit of Oskar Fischinger“,
Frankfurt/M., Auszeichnung Honorary Mention Ars Electronica
Linz - Projekt „Fliehkraft“.
Ausstellungen (Auswahl): 2005 „Historias Animadas“, Forum
Caixa, Barcelona/Spanien, 2006 „Next Generation 2006“, German
Films Selection, Cannes/Frankreich, 2007 „Carnivora“, ©POP
Gallery, Detroit/USA, 2008 Japan Media Arts Festival, Tokio/
Japan, „Time is Love“, Galerie octObre, Paris/Frankreich, 2009
SIGGRAPH ASIA Art Gallery, Yokohama/Japan, 2010 „Das
Geschehen 3”, Infernoesque, Berlin, 2011 „A Lot of Civilisation“,
Museum Prototyp, Hamburg, 2012 „A Lot of Civilisation“, Altes
Kraftwerk, Bad Gastein, 2012 „MediaCity 2012“, Seoul Museum
of Art, Korea.
www.tillnowak.de
Courtesy: Claus Friede*Contemporary Art
www.cfca.de
Abgesehen davon, dass die Baustile auf Kunstgeschichte und Historie verweisen, ist die Kugelstadt
auch mit Architekturen unterschiedlicher Orte und
Stilrichtungen versehen. Man findet Renaissancegebäude neben Bauhausstil, morbide Seebadarchitektur konfrontiert mit dem Flair Hongkonger
Einheitswohnungen. Und wer weiß, vielleicht ist
auch ein Stück Architektur aus Bad Gastein dabei.
Till Nowak, Spheroton, Das kugelförmige Karussell
„Spheroton“ ist eines von sieben physikalisch unmöglichen
Karussells, die Nowak mittels Computergrafik als Video
darstellt. © Till Nowak
sommer.frische.kunst, Bad Gastein
Altes Kraftwerk beim Wasserfall
Organisator: Kur- und Tourismusverband Bad Gastein
Kuratorin: Andrea von Goetz
Partnerhotels: Hotel Miramonte, Hotel Haus Hirt, Hotel Regina,
Hoteldorf Grüner Baum, Villa Excelsior, Villa Solitude
www.sommerfrischekunst.de
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live 01 / 2012
live 01 / 2012
Nowaks Filme glauben alles
Zur filmischen Arbeit von Till Nowak
Till Nowak, Aura. Die 12 bewegungssensitiven Lichtquader erstrecken sich entlang der Osakaallee in der Hamburger HafenCity. © Till Nowak
AURA Lichtinstallation
Hamburg
Die Lichtinstallation AURA des Künstlers Till Nowak
besteht aus zwölf großen Glasquadern, die sich
wie Stützpfeiler architektonisch in einen Arkadengang entlang der Osakaallee in Hamburgs HafenCity reihen. Das Werk ist in die Architektur in
einer geradezu natürlichen Weise integriert – Ort
und Kunstwerk gehen eine Symbiose ein. Der
Straßenzug bildet die östliche Begrenzung des
Übersee-Quartiers.
Ab Dämmerung befindet sich AURA zunächst im
Ruhezustand, in einer gleichbleibenden Atmosphäre sanften Lichts. Die Glasquader reagieren
allerdings wie von unsichtbarer Hand gesteuert,
sobald Bewegung in ihrem unmittelbaren Umfeld
stattfindet: vorbeigehende Spaziergänger, Radfahrer, Skater oder Busse. Nähert sich der Besucher
einem der Glasobjekte, wird dieses aktiviert und
leuchtet in unterschiedlichen Farbnuancen auf. Farbigkeit und Intension des Lichts verändern sich
für einen zeitlich bestimmten Moment, bevor der
Ruhemodus wieder eintritt. Jeder trägt durch die
Bewegung seinen Lichtschein mit sich, während
er die Arkaden entlanggeht oder fährt.
„Mit Licht als künstlerischem Medium kann ich
Räume in variierende Zustände einhüllen, ohne sie
dabei materiell zu verändern. Licht ist in besonderer
Weise dreidimensional, denn es bleibt nicht an
einem Ort, wie zum Beispiel die Farbe auf einer
Leinwand, sondern beleuchtet angrenzende Objekte sowie den Betrachter selbst, wodurch ein
Lichtkunstwerk seine Umgebung zu einem Teil des
Kunstwerkes macht“, sagt der Künstler zu seinem
Werk.
Nowak macht mit AURA nicht nur Bewegungsrichtungen sichtbar, sondern auch Interaktion, denn
die agierenden Menschen dienen als Impulsgeber
für die nächtlichen Veränderungen der Lichtquader
und des gesamten Straßeneindrucks. Vergleichbar mit einer modernen Musikkomposition spielt
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Till Nowak, Aura, Simulation. Durch Bewegungsmelder tragen Passanten das Licht beim
Durchschreiten der Arkaden mit sich. © Till Nowak
sich entlang der Arkade eine Lichtkomposition ab.
Die Unberechenbar- und Unvorhersehbarkeit der
Bewegungsrichtungen und Dauer spielen hierbei
eine gewichtige Rolle, denn diese unterliegen keiner Choreographie. So entsteht bei starkem Besucherandrang ein sich permanent veränderndes
Kunstwerk mit Lichtimpulsen, die weithin sichtbar
sind. Der Künstler schafft zunächst grundsätzliche
Voraussetzungen, die Passanten übernehmen dann
einen gehörigen Teil der künstlerischen Kommunikation und Verantwortung durch ihre Bewegungen
und beeinflussen die Wahrnehmung. Die Besucher finden sich vor Ort in zwei unterschiedlichen
Situationen wieder: als Betrachter, die aus einer
gewissen Entfernung, beispielsweise von der gegenüberliegenden Straßenseite aus, das Geschehen
beobachten und die Lichtinstallation fast vollständig
wahrnehmen können, oder selbst als Agierende, die
sich an der Arkade und den Glasquadern entlang
bewegen und somit die Lichtimpulse auslösen und
immer nur einen Bruchteil des gesamten Werkes
miterleben können, denn die Lichtveränderung ist
aus der Nähe wesentlich weniger wahrnehmbar als
aus der Distanz.
Künstlerisch greift Till Nowak mit AURA eine seit
Jahrzehnten geführte kunstimmanente Diskussion
mit der Frage auf: Ab wann ist ein Werk ein Werk?
Ist AURA bereits im Ruhezustand ein definiertes und
vollständiges Werk oder sollte man es in diesem
Modus vielmehr als in Lagerform befindlich bezeichnen, als Instrumentarium? Oder wird es erst durch
die Benutzung zum eigentlichen Werk? Denn ohne
die Benutzbarkeit würden entscheidende Faktoren
fehlen, die das Werk zu dem machen, was es ist.
„Als Künstler interessiert mich der Gedanke, meine
Umgebung als eigenständig handelndes Wesen zu
verstehen“, erklärt Nowak. „Meine Lichtinstallationen
geben einer ansonsten passiven Umgebung ein Eigenleben. AURA reagiert selbständig auf Menschen
und deren Bewegungen, teilweise spontan und unvorhersehbar wie ein Lebewesen, gleichzeitig subtil
und unaufdringlich.“
Der US-amerikanische Künstler Allan McCollum
erklärte in einem Interview mit dem Autor David
Robbins in dessen Buch „The Camera Believes
Everything“ (1988), dass wir Kunst in unserer Kultur
benutzen, um imaginäre Beziehungen zu anderen
herzustellen. Nicht nur der Titel des Buches – in
Abwandlung – sondern auch die Tatsache des Aufbaus von imaginären Beziehungen mit anderen und
anderem, trifft für das Film- und Videowerk von Till
Nowak zu.
Der Begriff des Imaginären ist bei Nowak allerdings
so selbstverständlich in sein gesamtes Werk integriert, dass es wie ein natürlicher, glaubwürdiger,
jedoch immer auch wie ein augenzwinkernder Bestandteil wirkt. Der Filmemacher entfernt sich von
vielem, was er in der Realität vorfindet, ohne diese
zu verleugnen. Er manipuliert ausschließlich unbelebtes Material, wie beispielsweise Architektur, um
in einem neuen visuellen Beziehungsgeflecht den
Konjunktiv einer Erfahrung mitzuteilen. Alles scheint
glaubwürdig und möglich, übertrifft jedoch bei weitem die Wirklichkeit, konterkariert und kommentiert
sie zuweilen.
Besonders deutlich wird dies in einem kurzen Animationsfilm mit den Titel „Unusual Incident: Windows
Crossing The Street“ aus dem Jahr 2008. Es scheint
ein Tag wie jeder andere zu sein. Doch dann passiert
das Unvorhersehbare: Ein Teil einer Hausfassade
löst sich, mutiert zu einer Art Wesen, wird dann wie
von einem Sturm getrieben, quer über eine Straße
und durch den Verkehr geweht, um nach ein paar
Sekunden sich als Teil einer gegenüberliegenden
Fassade neu zu positionieren, als ob der Vorgang
der normalste der Welt sei. Das alles geht so schnell,
dass wir einen Moment brauchen, um zu begreifen,
was da gerade dramatisch vor den Augen abgelaufen ist, und man ist sofort geneigt, auf die Wiederholungstaste zu drücken.
Diente hier ein unspektakulär, mit leicht wackeliger
Handkamera gedrehtes, vermeintliches „Augen­
zeugen“-Video als Vorlage, das dann durch einen
Animationsparcours geschickt und verändert
wurde? Baut Nowak selbst aus zweidimensionalen
Fotos ganze dreidimensionale Orte und Geschehnisse nach? Beispielsweise dient ein altes SchwarzWeiß-Foto des Todesstreifens an der Berliner Mauer
als Ausgangspunkt einer filmischen Animation
der sich im Laufe der Jahrzehnte verändernden
DDR-Grenzanlagen.
Das Musikvideo „Spring“ (2009/10), das der Medienkünstler für die deutsche Newcomer-Band
„Ben*Jammin!“ entwarf und drehte, treibt die maximale Spannkraft, sowohl inhaltlich als auch filmischanimiert, an die Grenzen unserer Vorstellung. Spring
– es handelt sich um den Imperativ des deutschen
Wortes „springen“ – wird im Musik-Clip wörtlich genommen. Die Musiker springen und hüpfen durch
das Video. Was allerdings dieses Springen auslöst,
hat etwas mit ungeahnten physikalischen Phantasien
zu tun, über die schon die Chaosforschung ganz
aus dem Häuschen war. Frei nach der Devise: Der
Flügelschlag eines Schmetterlings in China kann
Till Nowak, Spring, 2009/10. © Till Nowak
in Kalifornien einen Sturm auslösen, werden bei
Nowak durch das Springen, Autos, Container,
später Dächer, Schiffe und ganze Wohnblocks in
die Luft gewirbelt, um sich wieder an alter Stelle
zu integrieren. Überraschung und Verblüffung
sind bei den Zuschauern das Resultat.
Till Nowak arbeitet im Gegensatz zu vielen Filmemachern an Leerstellen und Lücken, um dort
größtmögliche Spannung aufzubauen, und nicht
wie viele seiner Kollegen auf Spannungen weitere
Übertreibungen zu setzen. Viele seiner Filmwerke
sind von den rein künstlerischen Arbeiten inspiriert
und andersherum. In seiner neusten Produktion,
die im März 2013 veröffentlicht werden soll, mit
dem Arbeitstitel „Reality“, gibt es direkte Verbindungslinien zum künstlerischen Werk „Habitat“.
Die Filme, Animationen und Videos von Till ­Nowak
machen uns glaubend.
Weitere Informationen und ein Showreel finden Sie unter: www.framebox.de
Till Nowak, Unusual Incident: Windows
Crossing The Street, 2008. © Till Nowak
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live 01 / 2012
live 01 / 2012
Buchpräsentation
Sammlung Cserni
Cserni-Bar Wien
Am 17. November 2011 fand bei CSERNI live Vienna die Buchpräsentation „Sammlung Cserni
- österreichische Kunst von 1960 bis zur Gegenwart“ statt. Der Band präsentiert in einer Symbiose aus Kunst und Leidenschaft, die gesamten
Kunstwerke der Sammlung beginnend mit den
1960er Jahren, dem Wiener Aktionismus, Malereien der 1980er- und 1990er-Jahre bis hin zu
Positionen aktueller Kunst.
Ein gelungener Abend, bei dem zahlreiche Künstler, die in der Sammlung vertreten sind, und
viele Kunden von CSERNI anwesend waren.
www.sammlung-cserni.at
Buchpräsentation Sammlung Cserni
Jazzabend
Cserni-Bar Wien
CSERNI live Vienna lud am 25.4.2012 Kunden,
Freunde und Gäste nach Wien ein, um die steirische Jazzkultur mit „Fehrings Dixie Band“
hochleben zu lassen. Ein beeindruckendes Musikprogramm, das begleitet von steirischer Kulinarik
und Tradition im Ambiente der der CSERNI-Bar
zum Tanzen und Verweilen überzeugte.
Jazzabend, Cserni-Bar Wien
Franz Cserni
Vision fremder Tage
Ausstellungseröffnung Gerberhaus Fehring
„Wofür sind Tage gut? Sind das meine Tage oder
sind es fremde Tage?“ Diese Fragen beschäftigen
den Maler Franz Cserni in letzter Zeit. Entgegen
seiner bisherigen künstlerischen Strategie, Bilder
in der Erinnerung reifen zu lassen, entstand hier
eine Serie von großformatigen Gemälden, die als
sein Tagebuch zu sehen sind. Franz Cserni hält
darin sein spontanes, intuitives Erleben fest: die
Farben der Stunde, den Geschmack der Minute,
den Geruch der Sekunde. Sein Erlebnisreichtum
erschafft die Vision fremder Tage.
Die Ausstellung lief von 12. Mai bis 17. Juni 2012
im Gerberhaus Fehring.
Ausstellungseröffnung, Gerberhaus Fehring
Buchpräsentation Sammlung Cserni
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CSERNI Zentrale - Fehring
A-8350 Fehring
Grüne Lagune 2
Tel. +43 3155 / 2242-0, Fax-DW 222
CSERNI live - Vienna
A-1010 Wien
Schottenring 14 / Ecke Wipplingerstraße 37
Tel. +43 1 / 533 71 00
CSERNI - Graz
A-8010 Graz
Schillerstraße 54
Tel. +43 316 / 830 677
CSERNI - Hamburg
D-22767 Hamburg
Große Elbstraße 145e
Tel. +49 40 / 380 372 64-0
www.cserni.at