Vom Recht auf eine gute Kindheit

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Vom Recht auf eine gute Kindheit
Beim Mittagessen berichten die einen laut, die anderen leise von den Erlebnissen des Alexander krault noch schnell Nachbarhund Ronja, bevor es
Schultages.
Fotos: Helena Penner mit dem Fahrrad durch die Wälder geht.
Vom Recht auf eine gute Kindheit
Der Hof Melbecke ist die erste Außenwohngruppe des Josefshauses Olpe
pe des Josefshauses voll belegt. Der Hof Melbecke ist die
erste Außenwohngruppe des
Josefhauses Olpe und wurde
im Jahr 1999 eröffnet. Im
Schnitt bleiben die Kinder –
die aus dem Kreis Olpe, aus
dem Siegerland, dem Märkischen Kreis oder aus dem
Raum Gummersbach kommen – vier Jahre lang in der
Gemeinschaft in Melbecke.
Sie wachsen hier in Verhältnissen auf, die einem Leben in
der Familie so ähnlich sind
wie nur möglich. Sie besuchen Schulen der Region und
sind in das Dorf- und Vereinsleben integriert.
„Hier ist jeder ein bisschen
verwandt“, schmunzelt Herbert Stelling, der Fahrer des
Hauses, der in Rufweite im
Dorf wohnt. „Das ist meine
Adoptivtochter“, scherzt er
weiter und meint Erzieherin
Silvia Heimes damit.
Auch das Essen wird von einer Bewohnerin des Dorfes
Melbecke gekocht. Birgit
Geueke, die Frau des Vermieters des Hauses, zaubert Montag bis Freitag das Essen für
die Wohngruppe und auch für
das Wochenende bereitet sie
etwas vor.
Morgens um Viertel vor
sechs ist es für die ersten Kinder Zeit aufzustehen. Dann
gibt es Frühstück und es geht
los zur Schule. Die Kinder und
Jugendlichen besuchen verschiedene Schulformen von
der Grundschule bis zur
Haupt-, Real- und Förderschule.
Nach der Schule – wenn die
Hausaufgaben gemacht sind –
ist Freizeit angesagt. Die Kinder planen mit der Unterstützung der Betreuer ihre Aktivitäten. Dabei hat jeder andere
Interessen. Tom ist im Elsper
Fußballverein, Sabrina ist
Mitglied in der Tanzgarde
„Kleine blaue Funken“. Alexander liebt das Fahrradfahren, Marc mag Rapmusik und
Michelle singt leidenschaftSabrina erzählt von Fußlich gern, das beweist sie diballtennis, einem Spiel, das
rekt am Esstisch. Passend für
sie im Sportunterricht gespielt
den Schulabschluss, den sie
haben und von der neuen
bald in der Tasche hat, hat sie
Mitschülerin, die ihren ersten
ein Lied umgedichtet. Der
Tag auf der Schule hatte. Die
Text handelt vom ErwachsenRunde wirkt entspannt. Ein
werden, vom Durchhalten
Mittagessen wie in einer ground Familie. „Kopf hoch, wird
ßen Familie.
schon wieder gehen“, heißt eiDiese große Familie ist die
ne Zeile des Liedes.
Außenwohngruppe des JosefLangweilig wird es auf dem
hauses in Melbecke. Hier
Hof
Melbecke
jedenfalls
wohnen neun Kinder und Junicht. Plötzlich klingelt ein
gendliche, die aus verschiedeJunge aus der Nachbarschaft
nen Gründen derzeit nicht in
an der Tür. „Unsere Türen steihren Familien leben können.
hen für Freunde offen. Es ist
Mit zwei Mädels und sieben
ganz wichtig, dass die Kinder
Jungs im Alter zwischen elf
auch Kontakte nach draußen
und 18 Jahren ist diese Grupüber die Wohngruppe hinaus
haben“, erklärt Silvia Heimes.
„Auch am Wochenende können Freunde zum Übernachten kommen“, sagt sie weiter.
Am Küchentisch wird heute
besprochen, was auf dem Tagesplan noch ansteht. Michelle hat in einigen Stunden einen Theaterauftritt in dem
Theaterstück ihrer Schule. Es
sollen noch Zahnarzttermine
und ein Einkauf erledigt werden.
Nachbarhund Ronja bleibt
Tom stützt sich gleich auf zwei Fußbälle, die er auf dem davon unbeeindruckt. Sie gehört fest zur Gruppe dazu und
Schoß hält. Fußball ist sein Hobby.
■ Von Helena Penner
Melbecke.
Es ist früher Nachmittag auf
dem Hof Melbecke, Zeit fürs
Mittagessen. Der große Tisch
im Essbereich ist schon gedeckt, in der Mitte steht ein
bunter Rohkost-Teller. Offene Dachbalken zieren die hohe Decke, auf den Massivholzmöbeln steht Frühlingsdeko. Bei einem Blick nach
draußen entdeckt man Pferde auf einer Weide. Erzieherin Silvia Heimes befüllt einen Teller. Es gibt Gulasch,
Kartoffeln und Blumenkohl.
„Und, wie war die Schule?“,
fragt sie in die Runde.
Michelle singt und klopft ihre Version des Cup-Songs, für
den sie selbst einen Text gedichtet hat.
ist täglich dabei – zum Toben
und Kuscheln. Sie liegt gerne
vor der Haustüre des Hofes
Melbecke. Alexander krault
sie am Bauch, bevor er sich
auf sein Fahrrad schwingt und
eine Tour durch den angrenzenden Wald macht. „Die
Pferde des Vermieters mögen
die Kinder besonders gern.
Manchmal helfen einige Kinder auch bei der Versorgung
der Pferde mit oder freuen
sich darüber, wenn Gelegenheit zum Reiten besteht“, erzählt Hedwig Deitmerg, die
Leiterin der Gruppe.
Fünf Erzieher und Sozialarbeiter, zwei Hauswirtschaftskräfte und ein Praktikant gehören zu ihrem Team und betreuen die Wohngruppe.
Sie arbeiten im Bezugserziehersystem. Jedes Kind hat
seinen „Buzi“, der sich um die
persönlichen Belange wie beispielsweise Arzttermine des
jeweiligen Kindes kümmert.
Der Berufsalltag erstreckt
sich über viele Aufgabengebiete: In erster Linie steht die
Versorgung der Kinder und
Jugendlichen im Vordergrund. Dabei geht es um gemeinsame Mahlzeiten, Unterstützung bei den Hausaufgaben, Freizeitgestaltung, Zubettbringen und alles andere,
was in einer Familie passiert.
Damit die Kinder Halt und
klare Strukturen in der Gruppe erleben, sind Regeln unerlässlich. Gewalt ist verboten,
sein Gegenüber muss jeder
ausreden lassen, das Eigentum anderer soll respektiert
werden und für Ordnung ist
jeder zuständig. Das gilt insbesondere für das eigene Zimmer.
Am Wochenende erfüllt jedes Kind eine kleine Aufgabe
im Haushalt und es gibt täglich wechselnde Tischdienste.
Jedes Kind hat seinen
„Waschtag“, an dem es seine
Wäsche mit Hilfe oder selbstständig wäscht.
„Die Essenz der Arbeit dreht
sich darum, die Kinder ein
Stück auf ihrem Lebensweg zu
begleiten und um den
Wunsch, dass die Jugendlichen auch in Zukunft auf die
guten Erfahrungen in der
Wohngruppe zurückgreifen
können“, sagt Hedwig Deitmerg. Und Silvia Heimes
schließt an: „Ich weiß, den
Kindern geht es hier gut.
Wenn ich Ehemalige treffe,
merke ich, dass die Arbeit gewirkt hat. Das macht die Freude an meiner Tätigkeit aus.“
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