Bergsport Winter

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Bergsport Winter
K. Winkler / H.-P. Brehm / J. Haltmeier
Bergsport Winter
Technik / Taktik / Sicherheit
Ausbildung
3. Auflage
Projektleiter SAC: Bruno Hasler
In Zusammenarbeit mit
SAC Verlag
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Orientierung
Auch wenn wir keinen besonderen Orientierungssinn besitzen, können wir
unsere Orientierungsfähigkeit doch weit entwickeln.
• Zuerst müssen wir uns das Gelände und unsere Route vorstellen können.
Dazu beobachten wir das Gelände, verwenden die Landeskarte oder benutzen unsere Erinnerung.
• Unterwegs müssen wir Distanzen, Richtungen, Neigungen,
Höhendifferenzen usw. abschätzen können.
• Mit offenen Sinnen vernehmen wir immer wieder nützliche Informationen,
z.B. woher der Wind weht, wo ein Bach rauscht, wo der Schnee von der
Sonne eine Harschkruste hat usw.
Bei Nebel im verschneiten Gelände können wir uns ohne technische Hilfsmittel
kaum orientieren. Verlassen wir die markierten Pisten, sollten wir stets Karte,
Kompass, Höhenmesser und evtl. ein GPS mitführen und beherrschen.
Karte
Für die ganze Schweiz existieren hervorragende Landeskarten, die von der Landestopografie alle sechs Jahre nachgeführt werden.
• Mit den Skitourenkarten im Massstab 1: 50 000 gewinnen wir einen Überblick über die Tourenregion mit den üblichen Routen, den Steilheiten und
(bei neueren Karten) auch den Wildruhezonen.
• Für den genauen Routenverlauf, die Tourenplanung und zur Orientierung
im Gelände bevorzugen wir Landeskarten im Massstab 1: 25 000.
Digitale Karten auf dem Computer erleichtern die Übersicht dank Such- und
Zoomfunktionen und einer nahtlosen Darstellung über die Blattgrenzen hinweg. Im Internet finden wir die Landeskarte 1: 25 000 in fast voller Qualität und
mit vielen weiteren Funktionen.
Für unterwegs empfehlen wir die Original-Landeskarten 1: 25 000 der Landestopografie mit ihrem widerstandsfähigen Papier. Selbst ausgedruckte Karten erreichen nicht dieselbe Qualität und müssen zudem in einer transparenten, wasserdichten Hülle vor Regen und Sturm geschützt werden. Ausserdem
stimmt oft der Massstab nicht exakt, was Distanz- und Hangneigungsmessungen erschwert.
i Karten für GPS und Smartphones siehe S. 37.
Grundwissen
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Karte lesen
Karte lesen ist die wichtigste Fähigkeit zur Orientierung im Gebirge. Es gilt, sich
anhand der Landeskarte ein zutreffendes Bild des Geländes zu machen. Zum
Erwerben dieser Fertigkeit vergleichen wir bei guter Sicht die Karte mit dem Gelände.
i Informationen zum Karten Lesen siehe Gurtner, 2010.
Karten bei der Tourenplanung immer mit Norden nach oben vor sich halten,
sonst erschwert die ungewohnte Schattierung das Erkennen der Topografie.
Unterwegs die Karte so halten, dass sie mit dem Gelände übereinstimmt.
Koordinaten
Mit zwei 6-stelligen Koordinatenzahlen können wir jeden Ort in der Schweiz genau
bestimmen. Das Koordinatennetz ist auf allen Schweizer Landeskarten aufgedruckt.
300 km
Basel
Zürich
Bern
200 km
Genève
Genèv
500 km
600 km
100 km
700 km
800 km
Bern (600 000 / 200 000)
Koordinatenmesser
• Punkt auf der Karte mit kleinem Kreis markieren.
• Ecke des Koordinatenmessers auf markierten Punkt legen und den Messer
parallel zu den Koordinatenlinien drehen (Schriften auf Karte und
Koordinatenmesser schauen in die gleiche Richtung).
• Koordinaten ablesen: zuerst grössere, dann kleinere Zahl.
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165
SAC – Bergsport Winter
1
2
164
Gelmerhütte, 2412 m,
669 235 / 164 825
(Gemeinde Guttannen)
669
Eine genaue Ortsangabe (z. B. für Rettungen) umfasst nebst den Koordinaten
auch die Höhe, den Flurnamen und die Gebietsbezeichnung.
Durch Schätzen überprüfen, ob die gemessenen Koordinaten stimmen können.
Karten im Ausland
Während die Höhenkurven meistens relativ gut stimmen, sind Felsschraffuren
und Wege im Wald oft ungenau. Dies hat Konsequenzen:
• Bei schlechter Sicht ist in uns unbekanntem Gelände noch mehr Vorsicht geboten.
• Fehlt das Koordinatennetz, so ist bei der Tourenplanung der Einsatz des GPS
wesentlich erschwert. Der Kompass kann notfalls auch am Schriftzug ausgerichtet werden.
• Die Hangneigungsmessung für die Tourenplanung und die Reduktionsmethode ist weniger genau (siehe S. 99).
• Das Papier ist meistens wenig widerstandsfähig.
Transparente, wasserdichte Kartenhülle verwenden.
Grundwissen
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GPS
Das GPS vereinfacht die Orientierung wesentlich. Bei unsicherem Wetter gehört es oberhalb der Waldgrenze immer mehr zur Standardausrüstung.
Funktionsweise
Das GPS (Global Positioning System) basiert auf etwa 30 die Erde umkreisenden Satelliten. Die von den Satelliten gesendeten Signale durchdringen Wolken, nicht aber feste Objekte wie Berge oder Menschen.
Unser GPS-Gerät empfängt diese Signale und berechnet daraus unseren Standort, und zwar umso genauer, je mehr Satelliten wir empfangen können. Die
Position wird im Allgemeinen auf ca. 10 m genau bestimmt, also so genau, wie
eine gute Karte gezeichnet ist.
Karten auf dem GPS
Auf GPS-Handgeräte und Smartphones können wir speziell für das entsprechende Gerät vorgesehenen Karten laden. Die gewünschte Karte ist ein zentraler Punkt bei der Wahl des GPS-Geräts. Gute, grossmassstäbliche Karten
müssen wir separat kaufen, sie sind nicht frei verfügbar wie im Internet. Es gibt
zwei Kartentypen:
Pixelkarten («Rasterkarten»)
Die besten Karten fürs GPS sind die Pixelkarten 1: 25 000 von Landestopografie (CH: Swissmap25, F), oder Alpenverein (D, A, Südtirol). Auf einem guten
Display erreichen sie die Qualität der Papier-Landeskarten, so dass wir uns in
gewohnter Manier am Kartenbild orientieren können. In der Schweiz kann die
Karte 1: 25 000 regionsweise gekauft werden.
i Solche Pixelkarten können wir mit verschiedenen modernen GPS-Geräten und
Smartphones verwenden.
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SAC – Bergsport Winter
Pixelkarte mit aktuellem
Standort.
Vektorkarten
Vektorkarten gibt es für verschiedene GPS-Handgeräte, beim Smartphone sind
sie bedeutungslos. Sie erreichen nicht die Qualität unserer gewohnten Landeskarten, und besonders im felsigen oder vergletscherten Gelände können wir
uns nur schlecht am Kartenbild orientieren. Dafür sind sie «zoombar». Zudem
haben sie oft «Points of Interest» gespeichert (z. B. Berggipfel), die wir als Zielpunkte benutzen können.
Gewisse Vektorkarten bieten das aus der Auto-Navigation bekannte «Routing»
an: Sie führen uns nicht auf einer Geraden, sondern entlang von Strassen und
Fusswegen zum Ziel – sofern das Ziel auf Wegen erreichbar ist. Im weglosen
Gelände ist «Routing» nicht möglich.
Vektorkarte mit aktuellem
Standort.
Gewisse GPS-Handgeräte kombinieren die beiden Kartentypen: Auf dem
Display wird die detaillierte Pixelkarte dargestellt, eine «dahinter» liegende
Vektorkarte ermöglicht das «Routing».
Grundwissen
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Möglichkeiten der GPS-Navigation
Je nach Gerät, Landeskarte und Tourenvorbereitung haben wir verschiedene
Möglichkeiten:
Navigation nach Kartenbild
Das GPS-Gerät zeigt den aktuellen Kartenausschnitt und markiert darauf fortlaufend unseren Standort. Haben wir ein GPS-Gerät mit hoch aufgelöstem Display und guter Pixelkarte, so können wir uns direkt anhand der Karte auf dem
Display orientieren. Allerdings ist es auf dem kleinen Display schwieriger die
Übersicht zu behalten als mit einem Landkartenblatt aus Papier.
Wir brauchen keine zusätzliche Vorbereitung für das GPS; eine «normale» Tourenvorbereitung auf der Papierkarte genügt (siehe S. 124). Auch wenn wir die
geplante Tour unterwegs abändern, können wir uns so immer noch orientieren.
Navigation mit Wegpunkten
Wir bestimmen einen Zielpunkt («Wegpunkt»). Das GPS-Gerät bestimmt fortlaufend unseren Standort und zeigt uns den Weg dorthin. Wegpunkte können
auf verschiedene Arten eingegeben werden:
• Auf dem Display des GPS-Gerätes markieren (bedingt eine gute Karte).
• Koordinate auf der Papier-Karte heraus
messen und eintippen (v. a. bei veralteten
GPS-Handgeräten nötig. Mühsam und
fehleranfällig).
• Auf gewissen Vektorkarten können
«Points of Interest» (z. B. Berghütten),
direkt angewählt werden.
• Den aktuellen Standort abspeichern, um
ihn auf dem Rückweg oder bei der nächsten Begehung wieder zu finden.
• Wegpunkte vom PC oder vom Internet auf
das GPS-Gerät laden (siehe unten).
Beim Navigieren lassen wir die Karte in Laufrichtung ausrichten (nicht nach Norden) und
den Zielpunkt in der Mitte oben am Display
anzeigen. So können wir sehr einfach der Linie Standort – Zielpunkt folgen.
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SAC – Bergsport Winter
Im Unterschied zum Kompass gelangen wir
mit dem GPS auch zum Ziel, wenn wir nicht
genau auf einer Geraden vom Start- zum
Zielpunkt gehen. So können wir Hindernisse problemlos umgehen.
GIPFEL
Anpeilen eines Zielpunktes mit einem uralten GPS. Ohne Karte auf dem Display erhöht
sich das Risiko, dass wir uns unbeabsichtigt
einem Lawinenhang nähern oder über eine
Felswand stürzen.
230m
Name Zielpunkt
Distanz zu Zielpunkt
W
S
N
E
Richtung zu Zielpunkt
261°
Navigation mit Route
Mehrere Wegpunkte nacheinander ergeben eine «Route». Das GPS-Handgerät
weist uns dann den Weg von einem Punkt zum nächsten. Routen planen wir
am einfachsten auf dem PC mit Swissmap25 oder einer Internet Planungsplattform, siehe S. 42.
Navigation mit Track
Mit dem GPS-Gerät können wir den zurückgelegten Weg als «Track» abspeichern, auch ohne Karte auf dem Display. Im Unterschied zu einer Route
sehen wir bei einem Track aber nicht in welche Richtung wir gehen müssen
(
180 Grad Fehler).
• Ein auf dem Hinweg aufgenommener Track führt uns auf derselben Route
auch wieder zurück («Track Back»).
• Wiederholen wir die Tour, können wir dem bei der letzten Begehung
aufgenommenen Track folgen.
• Tracks können wir untereinander austauschen oder vom Internet
(meist gratis) herunterladen.
• Unsere Tracks können wir später auswerten und z. B. zurückgelegte
Distanzen und Höhenmeter berechnen.
Leider sind auch Tracks im Umlauf, die falsch oder gefährlich sind (unbezwingbare Felswände, Wildschutzgebiete usw.): Bevor wir einem Track folgen, betrachten wir ihn auf der Landeskarte und überlegen uns, ob wir bei den aktuellen Verhältnissen wirklich diesem Weg folgen wollen.
Grundwissen
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Navigation mittels Koordinaten herausschreiben, dann Kompass benutzen
Wir lassen uns vom GPS die aktuellen Koordinaten anzeigen, übertragen diese
mit dem Koordinatenmesser auf die (Papier-)Karte und navigieren mit dem
Kompass. Diese «Ur-Variante» braucht wenig Strom und ist auch mit veralteten GPS-Handgeräten (Vorsicht auf schlechten Empfang in Nordflanken und
Wäldern!) oder mit einem in der Uhr integrierten GPS möglich. Sie ist mühsam
und fehleranfällig.
Gerätetypen
GPS-Handgeräte
GPS-Handgeräte sind zuverlässige und allwettertaugliche Sicherheitsgeräte.
Wir empfehlen sie Profis und ambitionierten Bergsteigern, die auch bei schlechtem Wetter unterwegs sind. Zur Navigation sollte ein Kompass integriert sein.
Touren können problemlos auf dem GPS-Handgerät vorbereitet werden oder
auf dem PC und danach die Daten importieren.
Wer besonders einfach mit der Karte auf dem Display navigieren will, muss diese Karten extra kaufen und zudem ein GPS-Gerät wählen, auf das die OriginalPixelkarten der jeweiligen Landestopographie geladen werden können.
Mit einem vollen Akku oder Lithium Batterien beträgt die Betriebszeit je nach
Modell und Einsatz etwa einen Tag. Sie kann wie folgt verlängert werden:
• Batteriesparmodus verwenden.
• Wollen wir nur einen Track aufnehmen, können wir bei den meisten
Modellen den Bildschirm ausschalten.
• Bei grosser Kälte GPS-Gerät in körpernaher Tasche warm halten und
jeweils nur kurz herausnehmen.
Alte GPS-Handgeräte können keine reflektierten Signale auswerten. Sie versagen in Wäldern, engen Tälern und steilen Nordhängen.
Smartphones
Alle Smartphones haben GPS-Empfänger und können Daten mit dem PC austauschen. Die Landeskarte 1: 25 000 («Swiss Map») müssen wir extra kaufen
und vorgängig auf dem Smartphone abspeichern. Dann haben wir viele GPSFunktionen zur Verfügung und können auch Routen sehr schnell direkt auf
dem Display eingeben und diesen folgen.
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SAC – Bergsport Winter
Karten, die wir laufend gratis aus dem Internet herunterladen (z. B. www.
gps-tracks.com), können wir nicht speichern. Weil die Handynetze nicht die
ganzen Alpen abdecken, ist diese Lösung im Gebirge unzuverlässig. GoogleMaps und dergleichen sind im Nebel unbrauchbar.
Nach dem Einschalten des GPS dauert es eine Weile, bis das Smartphone die
Position mit dem GPS bestimmt hat. Während dieser Zeit wird ein aus den
Handyantennen berechneter Standort angezeigt. Im Gebirge ist oft nur eine
Handyantenne erreichbar, dann ist diese Positionierung sehr ungenau.
Ohne Anzeige der Messgenauigkeit merken wir einen falschen Standort kaum.
Bei Smartphones nach dem Einschalten des GPS ein bis zwei Minuten warten.
Smartphones sind keine allwettertauglichen Sicherheitsgeräte, und wir können
sie nicht mit Handschuhen bedienen. Zudem ist bei andauernder Nutzung des
GPS ein voller Akku schon nach wenigen Stunden leer. Wir empfehlen deshalb:
• Smartphone mit einer spritzwasserfesten Hülle schützen.
• «Flugmodus» verwenden (verunmöglicht das Telefonieren, das Smartphone
sucht nicht mehr nach Telefonnetz und Wireless).
• Bildschirm-Helligkeit so tief wie möglich einstellen.
• Aufgeladenen Zusatz-Akku mitführen.
• Bei grosser Kälte oder Schneefall Smartphone in körpernaher Tasche warm
und trocken halten und jeweils nur kurz herausnehmen.
• Zusätzlich Papier-Karte, Kompass und Höhenmesser mitführen.
Tourenvorbereitung mit GPS
Zuerst planen wir die Tour gemäss Abschnitt «Tourenplanung» auf der Papierkarte oder am PC. Dann laden wir den entsprechenden Track herunter und
kontrollieren, ob er am richtigen Ort durchgeht.
Steht kein geeigneter Track zur Verfügung, setzen wir selber die nötigen Wegpunkte, entweder direkt auf dem GPS-Gerät oder am PC:
• Auf der Karte 1: 25 000 am Bildschirm die Route einzeichnen.
• Dabei die Wegpunkte bei Richtungsänderungen setzen. Auch mit dem GPS
können wir uns oft am Gelände orientieren (Grat, Felswand usw.).
• Dort, wo wir die Route exakt einhalten müssen, wählen wir die Punkte
näher beieinander als dort, wo die grobe Richtung genügt.
• Wenn die Planung am PC erfolgte: Route auf der Hangneigungskarte
1: 50 000 überprüfen (siehe S. 264), dann die Route auf das GPS-Handgerät
übertragen.
Grundwissen
43
GPS-Punkte können wir beliebig setzen, auch ohne Auffanglinie. Damit können wir Spaltenzonen umgehen und müssen uns nicht gefährlichen Steilhängen nähern.
Route auch auf der Papier-Karte einzeichnen. So behalten wir die Übersicht.
Falsche Eingaben können fatale Folgen haben, da wir bei schlechter Sicht dem
GPS «blind» vertrauen.
Tipps zum GPS
Zur Orientierung die «Kartenseite» des GPS-Geräts verwenden. Die «Kompassseite» ist bedeutungslos (nicht aber der Kompass im Gerät!).
Koordinaten
Wenn wir mit Koordinaten arbeiten, müssen wir das Netz im GPS einstellen:
Swiss Grid, CH 1903
Koordinatensystem der Schweizer Landeskarten.
UTM, WGS84
Weltweit gültiges Koordinatennetz, auf vielen
(neueren) ausländischen Karten aufgedruckt.
Papierkarte ohne Koordinaten Mit der entsprechenden PC-Software die Karte scannen, georeferenzieren und dann mit
bestimmten GPS-Geräten verwenden. Siehe
Herstellerangaben der GPS-Geräte.
Schlechter Empfang
Diesen können wir wie folgt verbessern:
• GPS so wenig wie möglich mit unserem Körper abschatten (GPS-Signale
durchdringen keine Menschen).
• GPS nach Süden halten (alle GPS-Satelliten sind südlich der Alpen).
Haben wir das GPS weit entfernt oder lange Zeit nicht mehr verwendet, so dauert es eine Weile, bis der Standort ermittelt ist. Diese Zeit können wir verkürzen:
GPS am Ausgangspunkt der Tour aufstarten, warten, bis der Standort ermittelt
ist und anschliessend wieder ausschalten.
Das GPS erkennt keine Gefahren wie Wechten, Gletscherspalten oder frische
Triebschneeansammlungen, und auch wir sehen diese im Nebel nicht. Kartenkenntnisse, Bergerfahrung und eine gewisse Zurückhaltung sind für Touren bei
schlechter Sicht nach wie vor zentral.
Grundwissen
51
Bessere Ausbildung und Technik
Eine gute Ausbildung ermöglicht uns, die Gefahren zu erkennen und zu
meiden oder z.B. gar nicht erst zu stürzen. Das Risiko müsste mit steigendem
Ausbildungsstand abnehmen. Statistiken zeigen aber, dass dem nicht so ist.
Wir tendieren dazu, unsere Ausbildung nicht für mehr Sicherheit auf der gleichen Tour, sondern zum Erweitern unseres Bewegungsspielraums bei gleichem
Risiko zu nutzen.
Gefahren im winterlichen Gebirge
Andere
Eisklettern
Schneeschuhe
Freeride
T
Tour
Ski/Snowboard
Eisschlag
Blockierung
Erschöpfung
Wechten
Gletscherspalten
Tödliche Winterunfälle 2001 - 2010
Sturz
70
60
50
40
30
20
10
0
Lawinen
Anteil (%)
Es ist der Mensch, der sich den Gefahren des Gebirges aussetzt. Die Statistik der
vergangenen Jahre zeigt die Unfallschwerpunkte. Unberücksichtigt bleibt die
unterschiedliche Anzahl Tage, an denen die einzelnen Sportarten ausgeübt wurden.
Lawinen
Lawinen fordern fast zwei Drittel der Todesopfer im winterlichen Gebirge und
werden in den Kapiteln «Lawinen» und «Lawinenrettung» behandelt.
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SAC – Bergsport Winter
Kopfbedeckung
• Die Mütze muss die Ohren gut schützen.
• Eine Schirmmütze schützt das Gesicht vor direkter Sonnenstrahlung und
die Brille vor leichtem Schneefall.
Sonnenbrille
• Schutzklasse 4 d.h. Absorption von 100% UVA, UVB, UVC und von
92–97% des sichtbaren Lichts.
• Seitlich gut abschliessend.
Eine Skibrille ist bei Sturm und Schneetreiben vorteilhaft und schützt zudem
die optische Brille vor Vereisung.
Kontaktlinsen befreien Brillenträger vom Problem der beschlagenen Gläser.
Tourenausrüstung
Rucksack
• Die passende Rückenlänge wird durch Probetragen ermittelt.
• Ideale Volumen: 30 l für Wochenendtour, 40 l für Hochtourenwoche.
• Befestigungsmöglichkeiten für Skis, Snowboard, Schneeschuhe, Pickel, Skistöcke.
Rucksäcke mit Rollverschluss oder einem Reissverschluss am Rücken lassen sich
auch bei aufgebundenem Snowboard öffnen.
Trinkflasche
• Ein Camel Bag kann in den meisten Rucksäcken integriert werden und
ermöglicht das Trinken ohne anzuhalten. Bei tiefen Temperaturen den
Schlauch isolieren und nach dem Trinken Flüssigkeit ins Reservoir zurückblasen.
• Bei grösserer Kälte benutzen wir eine unzerbrechliche Thermosflasche.
Skistöcke
• Ski- und Schneeschuhtouren: beliebige Skistöcke mit genügend grossen Tellern.
• Snowboardtouren: 3- oder 4-teilige Teleskopstöcke.
Ausrüstung
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Skis
Üblich sind taillierte Skis mit einem Carving Radius von ca. 20 m. Länge (cm) je
nach Gewicht und Fahrkönnen, etwa Körpergewicht + 100. Je nach Einsatzbereich und Vorlieben wählen wir einen eher aufstiegs- oder abfahrtsorientierten
Ski. Breite Skis sind für Pulverschneeabfahrten optimal, aber schwerer und oft
mühsam beim Aufstieg in einer bestehenden, zu schmalen Spur.
Im Hochwinter soll ein Ski einen guten Auftrieb haben und leicht steuerbar
sein. Dann sind «Rocker» ideal, bei denen die Schaufel und teilweise auch die
Skienden wie bei einem Wasserski aufgebogen sind.
Im Frühling treffen wir vermehrt auf harten Firn und müssen die Skis oft tragen.
Leichte, griffige Skis stehen im Vordergrund.
Klassischer Carving-Ski, auf der ganzen Länge vorgespannt.
Reiner Powder-Rocker, nur in der Mitte vorgespannt. Vorne und hinten ist er
aufgebogen, was den Auftrieb erhöht und ihn leichter steuerbar macht.
Ein Tourenski, den wir im Hochwinter und im Frühling benutzen ist immer ein
Kompromiss.
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Notfallausrüstung
Persönliche Grundausrüstung
Die folgenden Gegenstände gehören im winterlichen Gebirge abseits der
Pisten zur Standardausrüstung. Wir sollten sie unabhängig von der Lawinengefahr stets mitführen.
LVS (Lawinen Verschütteten-Suchgerät)
Moderne Drei-Antennen LVS sind in den meisten Fällen schneller als ältere
Geräte. Vor allem aber sind sie einfacher zu bedienen, auch im Unfall-Stress.
Deshalb empfehlen wir auch Gelegenheits-Benutzern, Ein- und Zwei-Antennen
LVS zu ersetzen. Auch mit modernen LVS sollte regelmässig geübt werden
(siehe Abschnitt «Lawinenrettung»).
Neueste Software-updates installieren (im Bergsportgeschäft).
Lawinensonde
Eine Sonde erleichtert die Ortung eines Verschütteten. Sie besteht aus
ca. 40 cm langen, durch ein Drahtseil verbundenen Alurohren und wird per
Handgriff zu einer ca. 3 m langen Stange zusammengefügt. Je steifer die Sonde, desto besser.
Modernste Sonden haben in der Spitze einen LVS-Empfänger und geben uns
ein Signal, sobald wir näher als 2 m bzw. 50 cm beim gesuchten Sender sind.
Lawinenschaufel
Eine gute Lawinenschaufel hat ein grosses, gekrümmtes Metallblatt, einen
Teleskopstiel und einen T- oder besser einen genügend grossen D-Handgriff.
Leider gibt es keine Norm für Lawinenschaufeln und so kommt es beim stechen
von Blöcken im harten Schnee immer wieder zu Schaufelbrüchen.
Schaufelblätter ohne Krümmung sind nicht effizient. Sie stechen einen Schlitz
in den Schnee, brechen aber die Scholle nicht heraus.
Ausrüstung
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Schaufelblätter aus Plastik brechen die Schollen schlechter aus dem harten
Schnee, weil sie nachfedern.
Gruppenausrüstung
Kommunikationsmittel
Ausserhalb der Skigebiete sind die Schweizer Alpen von den Mobilfunknetzen
nicht überall abgedeckt. Dort kann es sinnvoll sein, nebst dem Handy auch
ein Notfunkgerät mitzuführen (siehe S. 252).
Apotheke
Inhalt siehe Checkliste auf S. 260.
Rettungsschlitten
Je nach Wetter und Gruppenzusammensetzung ist ein Rettungsschlitten sinnvoll. Nebst dem Schlitten benötigen wir auch ein Zug-/Bremsseil.
Biwaksack
Der Biwaksack leistet zum Schutz vor Unterkühlung oder zum Abtransport
eines Verletzten auf dem Rettungsschlitten gute Dienste.
Reparaturset
Inhalt siehe Checkliste S. 260.
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SAC – Bergsport Winter
Gleitschneelawinen
Bei Gleitschneelawinen rutscht die gesamte Schneedecke auf glattem Untergrund wie abgelegtem Gras oder Felsplatten ab. Sie sind zu jeder Tages- und
Nachtzeit möglich und gehen in aller Regel spontan ab. Dazu muss der Schnee
ganz unten, am Übergang zum Boden feucht sein. Die Anfeuchtung erfolgt
meistens vom warmen Boden her. Die tageszeitlichen Temperaturschwankungen haben keinen grossen Einfluss, weil sie nur einige Dezimeter in die Schneedecke eindringen.
Meistens beginnt das Gleiten der Schneedecke langsam (siehe S. 91) und es bilden sich zuerst Gleitschneerisse (sog. «Fischmäuler»). Die langsame Gleitbewegung kann plötzlich schnell werden und aus einem Fischmaul eine Gleitschneelawine entstehen. Dieser Zeitpunkt ist nicht vorhersehbar, deshalb sollten wir
uns nie länger als unbedingt nötig unter Fischmäulern aufhalten.
Gefriert die Schneedecke in einer Kälteperiode bis auf den Boden, so stoppt die
Gleitbewegung, und es besteht keine Gefahr von Gleitschneelawinen mehr.
Aktive Fischmäuler weisen auf die Gefahr von Gleitschneelawinen hin. Sie sagen aber nichts aus über eine mögliche Gefahr von Schneebrett- und Lockerschneelawinen im betreffenden Hang.
Dieses Fischmaul war bereits offen, als es geschneit
hat. Danach hat es sich weiter geöffnet, wie der
apere Bereich zeigt.
Eislawinen
Eistürme (Séracs) brechen unabhängig von der Tageszeit ab. Auf ihrer Sturzbahn belasten sie die Schneedecke so stark, dass sie viel Schnee mitreissen und
selbst bei relativ günstigen Verhältnissen Schneebrettlawinen tief im Altschnee
auslösen können. Eislawinen korrelieren nicht mit der «normalen» Lawinengefahr. Wir sollten uns auch bei günstigen Verhältnissen nie unnötig unterhalb
von Eistürmen aufhalten (siehe S. 54).
Die weiteren Ausführungen gelten für trockene Schneebretter.
Lawinen
93
Stabilität der Schneedecke
Allgemein gelten folgende Faustregeln:
«Eine dicke Schneedecke ist besser als eine dünne Schneedecke.»
• Es bildet sich weniger Schwimmschnee.
• Mögliche Schwachschichten sind tiefer unten. Eine Auslösung wird
unwahrscheinlicher, weil wir normalerweise Schneebretter nur bis in eine
Tiefe von maximal einem Meter auslösen. Zum Bruch tiefer gelegener
Schwachschichten ist unsere Zusatzbelastung meistens zu gering
(siehe S. 79).
«Mächtige und ähnliche Schichten sind günstiger als dünne und unterschiedliche Schichten.»
• Schwachschichten sind manchmal dünn (eingeschneiter Oberflächenreif,
kantig aufgebaute Kristalle auf oder unter einer Harschschicht).
• Stark unterschiedliche Schichten unterscheiden sich meistens deutlich in
Härte und Korngrösse. Beides ist ungünstig.
• Ganz allgemein steigt mit der Anzahl Schichten auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine auslösbare Schwachschicht dabei ist.
«Die Schneeoberfläche von heute ist die mögliche Schwachschicht von morgen.»
• Ungünstig sind insbesondere Oberflächenreif, Schwimmschnee und ganz
allgemein lockere, weiche, grossflächig regelmässige Schneeoberflächen.
• Günstig ist eine kleinräumig stark unregelmässige Schneeoberfläche,
wie sie oft an windausgesetzten Rücken und an ständig befahrenen Hängen
vorhanden ist.
Besonders ungünstig ist eine leicht verfestigte, ca. 50 cm dicke Schicht über
einer weichen, aufbauend umgewandelten Schwachschicht (erkennbar an den
grossen Körnern).
Einfache Schneedeckentests
Schneedeckentests können dem Geübten gute Zusatzinformationen liefern.
Besonders nützlich sind diese, wenn wir einen schwachen Altschnee befürchten aber keine Alarmzeichen haben, oder ganz allgemein nur sehr wenig Informationen besitzen. Schneedeckentests ersetzen weder die Reduktionsmethode
(siehe S. 113) noch das 3 x 3 Raster (siehe S. 108), und sie dürfen nie das einzige
Kriterium zum Befahren eines Hanges sein.
94
SAC – Bergsport Winter
Schneedeckentests nur an harmlosen Orten machen. Um brauchbare Resultate zu erhalten, wählen wir eine ungünstige (eher schneearme, schattige) und
ungestörte Stelle.
Beobachten und Hineinschauen in die Schneedecke muss nicht immer aufwändig sein. Schon einfache Tests geben einen ersten Eindruck über die Beschaffenheit der oberen Schichten der Schneedecke.
Stocktest
Mit kräftigem Einstecken des Stocks können wir verschiedene Schichthärten
und -mächtigkeiten erkennen, z. B. ein schwaches Schneedecken-Fundament.
Bei härterem Schnee drehen wir dazu den Stock um und rammen den Griff ein.
Dünne Schwachschichten können wir so aber nicht erkennen.
Einsinktiefe (mit und ohne Skis)
Die Einsinktiefe sagt uns z. B., wie gut sich der Schnee bereits gesetzt hat.
Sinken wir ohne Skis in eine weiche, kohäsionslose Altschneeschicht hinein, so
ist dies ein Zeichen einer möglichen Schwachschicht nahe an der Oberfläche.
Schneeprofil
Wir graben an einer eher schneearmen Stelle (am besten mit Sonde prüfen) ein
ca. 1 m tiefes Loch. Mit Augen und Fingern können wir verschiedene Härten
der Schichten und unterschiedliche Schneekörner erkennen.
80% der Unfalllawinen brechen in weichen, aus grossen, kantigen Körnern
bestehenden Schneeschichten. Deshalb gelten folgende Eigenschaften einer
Schneeschicht oder am Übergang von zwei Schichten als ungünstig:
• Weich (die Faust lässt sich ohne grösseren Widerstand in die Schicht hinein
drücken).
• Schichten mit stark unterschiedlicher Härte grenzen aneinander. Besonders
ungünstig ist eine weiche Schicht direkt unterhalb einer harten Schicht.
• Grosse, kantige Kristalle (Schwimmschnee oder eingeschneiter Oberflächenreif, siehe S. 92).
• Zwei Schichten mit stark unterschiedlichen Korngrössen grenzen aneinander
(z. B. feinkörniger Triebschnee liegt auf grobem, kantig aufgebautem Altschnee).
• Die potentielle Schwachschicht liegt weniger als 1 m unter der Schneeoberfläche (tiefer in der Schneedecke ist eine Auslösung durch Personen
unwahrscheinlich).
Lawinen
95
Je mehr dieser Kriterien in einer Schicht bzw. an einem Schichtübergang erfüllt
sind, desto eher handelt es sich dabei um eine kritische Schwachschicht. Solche
Schichteigenschaften lassen sich besser auf die Umgebung übertragen als die
Resultate eines Stabilitätstests.
Stabilitätstest ECT
Für eine Schneebrettlawine muss die Schwachschicht brechen und sich der
Bruch danach auch ausbreiten. Der ECT (Extended Column Test) ist der einfachste und schnellste Stabilitätstest, der beide Eigenschaften berücksichtigt1:
• Rechteckigen Block mit 90 cm Breite und 30 cm nach hinten freischaufeln
(1 m tief, Rückwand mit Schnur sägen). Vorderseite des Blocks mit der
Schaufel glätten, damit sich Brüche besser beobachten lassen.
• Blatt der Schaufel am seitlichen Rand des Blocks auflegen und nacheinander
je 10 x aus der Hand, dem Ellenbogen und der Schulter darauf schlagen
(dabei Hand bzw. Arm mehr fallen lassen als richtig schlagen). Eine zweite
Person beobachtet, ob der Block bricht. Nicht durchgehende Brüche sind als
feine Risse sichtbar.
Bruchbeginn:
– bei welchem Schlag?
Ausbr
Ausbreitung:
– Bruch durch
dur ganze Säule?
– wie viele Schläge nach Bruchbeginn?
1
Andere Stabilitätstests sind z.B.:
Säulentest (Compression Test, CT): ähnlich wie ECT, aber mit einer Säule von nur
30 x 30 cm. Prüft vor allem, ob wir einen Bruch erzeugen können.
Rutschblock: Testet sowohl Auslösung als auch Fortpflanzung eines Bruchs. Wegen seiner Grösse von 2 x 1,5 m auf Touren zu aufwändig.
96
SAC – Bergsport Winter
Als wirklich instabil gilt der Test, wenn spätestens beim 1. Schlag aus der Schulter eines der folgenden Szenarien eintritt:
• Die Säule bricht in einem Schlag ganz durch oder
• Ein Bruch erfolgt zuerst nur unter der Schaufel, breitet sich aber bereits im
nächsten Schlag durch die ganze Säule aus.
Braucht es mehr Schläge bis sich ein anfänglich kurzer Riss durch die ganze Säule fortgepflanzt hat, oder bricht die Säule erst beim 2. Schlag aus der
Schulter oder noch später, so sind die Bedingungen für ein Schneebrett grundsätzlich immer noch erfüllt. Die Auslösung ging an diesem Punkt zwar nicht so
leicht, aber eine gewisse Vorsicht ist trotzdem angebracht.
Gibt es gar keinen Bruch oder breitet sich dieser nicht durch die ganze Säule
aus, so war an diesem Ort entweder kein Initialbruch möglich oder er konnte
sich nicht ausbreiten. Das Testresultat deutet auf günstige Verhältnisse hin.
Mit dem ECT finden wir auch eine dünne Schwachschicht, die wir sonst leicht
übersehen. Diese nach dem Bruch nochmals genau ansehen und checken, ob
sie viele ungünstige Eigenschaften vereint (siehe «Schneeprofil»).
Nur im steilen Gelände rutscht der Block auf der Schwachschicht ab. Im flacheren Gelände bildet sich lediglich ein Riss, was die Beobachtung schwieriger
macht.
Schneedeckentests lassen sich nur beschränkt vom Testort auf die Umgebung
übertragen. Sie dürfen nicht als einziges Kriterium zur Beurteilung eines Einzelhangs herangezogen werden. Wenn also z. B. ein ECT am Rand eines bestimmten Hanges nicht ausgelöst werden konnte, heisst das noch lange nicht, dass
dieser Hang ungefährlich ist und wir ihn befahren dürfen.
i Weitere Infos zu Stabilitätstests siehe Winkler und Techel, 2009
Lawinen
97
Varianten und Modetouren
Ein ständig befahrener Hang hat einen günstigeren Schneedeckenaufbau
als unberührtes Gelände, weil die kleinräumig stark unregelmässigen
Schichtgrenzen die Ausbreitung eines allfälligen Initialbruchs erschweren. Ein
Hang gilt als ständig befahren, wenn beide folgenden Kriterien erfüllt sind:
• Ganzer Hang wird regelmässig flächendeckend befahren und zwar
bereits während der ersten zwei Tage nach einem Neuschneefall.
• Kein unverspurtes Gelände oberhalb.
Im Frühwinter oder beim Start der Skisaison sind Variantenabfahrten und
Modetouren häufig noch nicht viel befahren.
Bei stark aufgebautem Schnee (Schwimmschnee) oder nassem Schnee
ist der positive Einfluss von vielen Spuren eher gering. Dasselbe gilt nach
Grossschneefällen, weil dann die Schwachschicht oft innerhalb des Neuschnees
liegt.
Lawinen
109
Typische Gefahrensituationen (Muster)
Auf der Suche nach der Hauptgefahr stossen wir oft auf folgende Situationen:
Neuschneesituation
Während des Schneefalls und bis ca. 3 Tage nach seinem Ende ist der frisch
gefallene Neuschnee oft noch nicht genügend mit dem Altschnee verbunden.
Gefahrenstufe
oft «erheblich»
Kritische Schicht Verbindung zwischen Alt- und Neuschnee
Erkennbar an
• (kritischer) Neuschneemenge (siehe S. 87)
• oft Alarmzeichen (v.a. frische Schneebrettlawinen)
Gefahrenstellen • flächig weit verbreitet
• mit zunehmender Höhe heikler
Empfehlung
• Reduktionsmethode benutzen
• effektive Neuschneemenge und Wind mit Prognosen
des Lawinenbulletins vergleichen
• Vorsicht bei grossflächig homogener, glatter oder grobkörniger Altschnee-Oberfläche
Triebschneesituation
Der Wind hat in den letzten ca. 3 Tagen frische Triebschneeansammlungen gebildet.
Gefahrenstufe
meistens «mässig» oder «erheblich»
Kritische Schicht oft Verbindung zwischen Alt- und Triebschnee
Erkennbar an
• Windzeichen (siehe S. 86)
• oft Alarmzeichen (siehe S. 88)
Gefahrenstellen • im Windschatten (Mulden, Geländeknicke, ...)
• häufiger in der Höhe und in Kammlagen
Empfehlung
• frischen Triebschnee durch geschickte Routenwahl
umgehen, denn dieser ist oft schon ab 30° heikel. Die
Reduktionsmethode ist nur beschränkt nützlich.
• Bei der Tourenplanung und unterwegs alle Hänge als
ungünstig annehmen, ausser wenn wir uns draussen
vom Gegenteil überzeugen können.
• Mit Varianten planen (wenn kein Triebschnee im Hang
liegt, dann..., sonst...)
• Erfahrung und gutes Beobachten sind nötig. Vorsicht
bei schlechter Sicht!
Wird der Triebschnee von Neuschnee überdeckt oder hat der Wind während der
Schneeverfrachtungen gedreht, so ist die Gefahr sehr schwierig einzuschätzen.
110
SAC – Bergsport Winter
Nassschneesituation
Wasser kann die Schneedecke sehr schnell schwächen.
«Frühlingsverhältnisse»: In einer klaren Nacht gefriert eine feuchte Schneeoberfläche bis etwa 1300 m unter die im Wetterbericht angegebene Nullgradgrenze tragfähig. Im Tagesverlauf weicht sie auf und es können spontane
Lawinen abgehen.
Bei Regen oder nicht tragfähig gefrorener Schneeoberfläche ist die Gefahr
nicht an die Tageszeit gebunden.
Gefahrenstufe
bei «Frühlingsverhältnissen» im Tagesverlauf ansteigend.
Kritische Schicht
im Altschnee oder auf dem Boden.
Erkennbar an
Die Gefahr ist meistens gut erkennbar an:
• Durchweichter, feuchter oberster Schicht bzw.
Schneedecke.
• Spontanen Rutschen und Lawinen.
Gefahrenstellen
• Abhängig von Höhenlage und meist auch Exposition.
• Oft zuerst in der Nähe von wärmenden Felsen.
Empfehlung
• Tour früh starten und rechtzeitig beenden (Zeitplan!).
Die Reduktionsmethode ist nur beschränkt nützlich.
• Stark besonnte, felsdurchsetzte Steilhänge als «Zeigerhänge» beobachten.
• Vorsicht vor grossen Spontanlawinen, auch beim
Hüttenaufstieg.
• Das Wetter in der Nacht mit berücksichtigen: war sie
bedeckt, konnte die Schneedecke kaum auskühlen, und
nasse Lawinen sind schon am Morgen möglich.
• Vorsicht bei Regen im Hochwinter: grobkörnige
Schneeschichten werden bei ihrer ersten Anfeuchtung
massiv geschwächt.
Während der ersten Wärmeperiode (typischerweise Nullgradgrenze erstmals
über 3000 m) werden tiefer liegende Schwachschichten kurzzeitig wieder
«aktiviert».
Lawinen
111
Altschneesituation
Die letzten (nennenswerten) Schneefälle oder Schneeverfrachtungen liegen
einige Tage zurück. In der Schneedecke sind Schwachschichten vorhanden.
Gefahrenstufe
oft «mässig»
Kritische Schicht
• Innerhalb der Altschneedecke, genaue Lage oft
unklar.
Erkennbar an
• Die Gefahr ist auch für Erfahrene schwierig zu
erkennen.
• Schneeprofile und Stabilitätstests zeigen mögliche
Schwachschichten.
• Evtl. einzelne Wummgeräusche.
Gefahrenstellen
• Meistens relativ wenige, aber mittlere bis grosse
Lawinen.
• Auslösung oft an eher schneearmen Stellen wie
z. B. an Übergängen von Rücken in Mulden oder
in felsdurchsetztem Gelände.
• Häufig Nordhänge.
Empfehlung
• Warnung im Lawinenbulletin ernst nehmen
• Extreme Hänge meiden.
• Reduktionsmethode einhalten. Diese jedoch
besonders bei «mässig» nicht voll ausreizen.
• Schneedecke schonen, Schadensausmass begrenzen (Abstände usw.).
114
SAC – Bergsport Winter
Grafische Reduktionsmethode
Skala gilt für ungünstige Hänge und solche, die wir nicht zuordnen können.
Für günstig exponierte Hänge4 können wir in der Regel die nächst tiefere Gefahrenstufe annehmen.
Steilste Stelle (ca. 20x20m)3
im massgeblichen Hangbereich
Gefahrenstufe
1 gering
2 mässig
3 erheblich
4 gross
extrem
steil
sehr
steil
steil
mässig
steil
Massgeblicher
Hangbereich2
Bereich der Spur
Normalerweise
der ganze Hang
Ganzer Hang,
auch wenn wir
weit weg im
Ständig befahren5
Auslaufbereich
Bereich der Spur
sind
Wenig Erfahrene bleiben besser unterhalb dieser Linie.
Hohes Risiko: Verzicht empfohlen
Es bedarf schon einer klaren Ausnahmebegründung, um trotzdem
weiter zu gehen (z.B. die fragliche Schneeschicht wurde im betrachteten Hang vollkommen weggeweht).
Erhöhtes Risiko: Vorsicht und Erfahrung notwendig
• Risiko erhöhende und mindernde Faktoren berücksichtigen
(siehe S. 117).
• Massnahmen zur Schonung der Schneedecke und evtl.
Schadensbegrenzung.
• Unerfahrene sollten diesen Bereich meiden.
Geringes Risiko
• Relativ sicher, wenn keine speziellen Gefahrenzeichen auftreten.
• Haben wir ein schlechtes Gefühl, so meiden wir den Hang trotzdem.
Planen & Entscheiden
131
Tourenplanungsformular Winter
Tour
Datum
Leiter
Teilnehmer
Name, Ort
Telefon (Mobile)
1
2
3
4
5
6
Anreise  ÖV
 PW
Treffpunkt:
Zeitplan Tour
Ort
Uhrzeit
Höhe
m ü.M
Höhen- Distanz
meter
(km)
+/-
Zeitbedarf Bemerkung
(h)
Start:
1. Ziel
2. Ziel
Tal, Hütte:
Zeitberechnung (siehe S. 128):
Zeit (h) =
Höhendifferenz (m)
400
+
Horizontaldistanz (km)
4
Zusätzlich 15 bis 20 Min. pro Pause
Dead Lines (z. B. wegen nassen Lawinen im Frühjahr oder Dunkelheit im Winter)
Wann müssen wir spätestens auf der Hütte / im Tal / an Stelle X vorbei sein?
Wann kehren wir spätestens um?
Empfohlene Startzeit:
132
SAC – Bergsport Winter
Welche Region interessiert uns?
Grundlagen
Wetterbericht
Vom:
i
Gültig für:
Bezugsmöglichkeiten siehe S. 262.
Lawinenbulletin
Vom:
Gültig für:
Bezugsmöglichkeiten: www.slf.ch
App: White Risk mobile
Ausland: siehe S. 261
 17 Uhr  8 Uhr
Wetter der letzten Tage, Schneedecke
Neuschnee
Neuschneemenge:
Windstärke



schwach
mässig
stark/stürmisch
cm oberhalb von
Wind aus Richtung
m ü. M.
Planen & Entscheiden
133
Triebschneeansammlungen
 kaum
 lokal
 umfangreich
Schneedeckenaufbau
 günstig
 mittel
 schwach, ungünstig
aktuelle Wetterprognose
Wetterlage
Sonne/Wolken
 sonnig
 teilweise sonnig/bewölkt
 stark bewölkt
Neuschnee
Menge
oberhalb von
Temperatur auf 2000 m ü. M.
°C
Windstärke
 schwach
 mässig
 stark / stürmisch
Wind aus Richtung
Triebschneeansammlungen
 kaum
 lokal
 umfangreich
Veränderung des Wetters
im Tagesverlauf:
auf Folgetag:






cm
m ü. M.
134
SAC – Bergsport Winter
Lawinengefahr
Gefahrenstufe
 gering
 mässig
 erheblich
 gross
Kritische Hänge
Höhe: ab
Exposition:
m ü. M.
N
W
Gefahrenmuster
 Neuschnee
 Triebschnee
 Altschnee
 Nassschnee unterhalb von
E
S
m ü. M.
Lawinengefahr nimmt zu mit:
 Erwärmung
 Schneefall
 Wind
Tendenz für den folgenden Tag:



Zusätzliche Infos
Von wem?
(Internet, Hüttenwart, Bergführer, Kollege, eigene Beobachtung)
 Es liegt Neuschnee. Wie viel?
Es hat gewindet:
 beim letzten Schneefall. Wie stark?
 nach letzten Schneefall. Wie stark?
Von wann?
Aus Richtung?
Aus Richtung?
Wo gibt es heikle Passagen / Schlüsselstellen?
 Tour wurde gespurt.
Wann?
Wer?
Wildruhezonen und Wildschutzgebiete
i aktuelle Karte und Infos: www.respektiere-deine-grenzen.ch
 Meine Tour führt nicht durch Wildruhezonen oder Wildschutzgebiete.
Meine Tour führt durch eine Wildruhezone oder ein Wildschutzgebiet, aber
 ich bleibe auf den erlaubten Routen (Wegegebot).
 die Sperrung ist temporär und gilt nicht am Touren-Datum.
Weitere Schutzbestimmungen:
Planen & Entscheiden
135
Risikobeurteilung
Grafische Reduktionsmethode
Neigung ° Exposition
1
2
3
4
Höhe in Kernzone1 ständig Risikobeurteilung Bemerkungen
m ü. M.
befahren
(Was ist kritisch?)
nein
nein
nein
nein
ja
ja
ja
ja
Weitere Gefahren
(Absturz, Eisschlag, knappe Zeit usw.)
Planung
Die Tour ist gut vorbereitet, wenn wir diese sieben Punkte mit «ja» beantworten
können:
 Der Routenverlauf ist mir klar. Ich habe ihn auf der Karte eingezeichnet
und mir eingeprägt.
 Ich betrete keine Wildruhezonen und Wildschutzgebiete oder bleibe
auf erlaubten Routen.
 Ich habe die Schlüsselstellen gesucht und eine gute Taktik für diese.
 Ich habe Alternativen, falls meine Vorstellung nicht der Realität entspricht.
 Mein Tourenplan ist realistisch (Zeitplan, persönliches Können, Ausrüstung
usw.).
 Ich habe die ganze Tour auf Schwachstellen abgeklopft und ein gutes
Gefühl.
 Die Leitung der Gruppe ist klar geregelt. Alle Gruppenmitglieder sind
informiert und motiviert.
Bemerkung
i Planungsformulare können unter www.sac-cas.ch heruntergeladen werden.
Ausrüstungs-Checklisten siehe S. 259.
1
Hänge mit Exposition und Höhenlage, vor denen im Lawinenbulletin gewarnt wird (siehe
S. 106).
171
Anseilen
Anseilgurt
Hüftgurt
(Sportklettergurt, Sitzgurt)
• Üblicher und bequemster Anseilgurt.
Der Gurt muss gut festgezogen werden und
optimal passen, was bei Kindern und stark
übergewichtigen Personen nicht immer
gegeben ist.
20 cm
Bei schwerem Rucksack problematisch.
Systemschnalle
Gurtverschluss, der zurückgefädelt werden muss
Seilende nie in einen Achterknoten «zurückstecken»!
Bei Zug am Seilring öffnet er sich erschreckend leicht
(bei etwa 160 kg, einer Belastung, die wir schon beim
kleinsten Ruck überschreiten).
174
SAC – Bergsport Winter
Seilverkürzung
Angeseilt wird an den Seilenden. Den Abstand zwischen den Seilschaftsmitgliedern passen wir mit der Seilverkürzung an.
2
3B
1
3A
4
5
1 Anseilen mit Achterknoten. Knoten mit aller Kraft
festziehen.
2 Schlingen über Kopf und Arm in einer Länge
bis zur Taille aufnehmen.
3 Mit dem Seil durch den Anseilring (3A) und
Schlingen zweimal umfahren (3B).
4 Spierenstich um das Partieseil.
5 Mit Karabiner am Anseilring des Klettergurts sichern.
Die Schlingen der Seilverkürzung werden ein zweites Mal umfahren, damit diese
gleich lang bleiben und man sich bei der Spaltenrettung besser losseilen kann.
Wird statt eines einfachen ein doppelter Spierenstich verwendet (Punkt 4), braucht
die Seilschlaufe nicht am Klettergurt gesichert zu werden (Punkt 5 entfällt).
Besonders bei neuen Seilen kann sich der Anseilknoten (1) mit der Zeit von
Anseilknoten mit voller Kraft festziehen, evtl. mit doppeltem
selbst lösen
Spierenstich sichern und regelmässig überprüfen.
Anseilen auf Gletscher
Günstig sind Seilschaften von 3 bis ca. 5 Personen. Je grösser die Seilschaft,
desto unregelmässiger wird das Tempo, vor allem für die Hinteren.
Je weniger Leute am Seil sind, desto grösser müssen die Abstände gewählt
werden. Dies gewährt einen grösseren Bremsweg im Falle eines Spaltensturzes.
Sicherung
8 - 10 m
8 - 10 m
8 - 10 m
B
10 - 12 m
B
10 - 12 m
B
6m
175
A
3x2m
B
A
B
6m
18 m
Bremsknoten erleichtern das Halten eines Spaltensturzes, erschweren aber die
Spaltenrettung. Sie bremsen nur, wenn sich das Seil zuvor in der Spaltenlippe
eingeschnitten hat. Der erste Knoten wird deshalb in 5 bis 6 m Entfernung
angebracht, die restlichen in Abständen von 2 m. Bremsknoten werden nur
eingesetzt, wo das Halten ein ernsthaftes Problem ist: Bei Zweierseilschaften
und zusätzlich bei Dreierseilschaften auf der Abfahrt.
In der Zweierseilschaft sind sowohl das Halten eines Spaltensturzes als auch die
Spaltenrettung schwierig. Sie bleibt erfahrenen, gut ausgebildeten Personen vorbehalten.
Handschlaufe
Eine Handschlaufe erlaubt bei einem Spaltensturz das Anhängen der Last an
die provisorische Verankerung. Ab vier Personen am Seil können wir darauf
verzichten. Alle Seilschaftsmitglieder befestigen sie in Gehrichtung, der
Seilerste nach hinten. Verschiedene Handschlaufen sind möglich:
Schlinge mit
Klemmknoten
Schlinge mit Ropeman
am Seil befestigt
• Reepschnur, Durchmesser ca. 6 mm.
• An neuen, dünnen Seilen den Kreuzklemmknoten
verwenden (Prusik rutscht, Prohaska verschiebt
sich während des Gehens am Seil).
• Keine Probleme bei Spaltenrettung.
• Erleichtert den Bau eines Flaschenzuges und den
Selbstaufstieg (siehe Abschnitt «Spaltenrettung»).
Auch bei gestrecktem Seil müssen wir die Handschlaufe (bzw. deren Befestigung
am Seil) mit der Hand erreichen.
232
SAC – Bergsport Winter
Organisation auf Unfallplatz
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Beobachten, Verschwindepunkt merken.
Übersicht gewinnen, weitere Gefahren abklären.
Jemand übernimmt die Leitung und organisiert die Gruppe.
Mindestens einer beginnt sofort mit Suchen. Mit Auge, Ohr und LVS.
Möglichst rasch alarmieren mit Funk, Handy oder Meldeläufer (wenn möglich zu zweit).
Wer unmittelbar mit der Suche beginnt, stellt sein LVS auf «Suchen».
Alle anderen Retter schalten ihr LVS ganz aus (gewisse LVS schalten sonst
nach einigen Minuten selbständig von Suchen auf Senden um). Der Chef
kontrolliert, ob kein LVS mehr sendet. Nicht direkt an der Rettung Beteiligte
warten an einem sicheren Ort.
Der Chef koordiniert den Einsatz der Leute und die Bereitstellung von
Schaufeln und Sonden.
Feinsuche mit LVS und Sonde. Bei mehreren Verschütteten: LVS-Suche
nach anderen Opfern fortsetzen.
Grosszügig schaufeln.
LVS des ausgegrabenen Opfers sofort abstellen und sicher stellen, dass alle
Opfer gefunden wurden.
Sobald LVS-Suche abgeschlossen, alle LVS wieder auf «Senden».
1. Hilfe (BLS, Basic Life Support).
Schutz vor Unterkühlung.
Wer von einer Lawine erfasst wurde, sollte zur Kontrolle einen Arzt aufsuchen.
Ganz Verschüttete mit dem Heli ins Spital transportieren.
Suchen mit LVS: Grundlagen
Alle LVS senden auf derselben Frequenz (457 kHz) und sind grundsätzlich miteinander kompatibel. Ein- und Zwei-Antennen LVS sind schwierig zu bedienen, mit ihnen zu suchen dauert meistens deutlich länger. Zudem lassen sich
ältere Ein-Antennen LVS schlechter orten als moderne Geräte. Wir empfehlen
deshalb auch Gelegenheits-Tourengehern und -Freeridern, nur noch zeitgemässe Drei-Antennen LVS zu benutzen. Darauf beziehen sich die folgenden
Abschnitte.
Rettung
Programm-Updates können das LVS deutlich verbessern
installieren (im Bergsportgeschäft).
233
neuste Software
Lawinenrettung auch mit modernen LVS regelmässig üben, damit wir sie auch
im Unfallstress beherrschen. Noch besser ist es aber, gar nicht erst verschüttet
zu werden. In Lawinenkursen lernen wir auch die Lawinengefahr zu beurteilen
und uns entsprechend zu verhalten.
Signalsuche
Ein Lawinenkegel ist meistens grösser als die Reichweite des LVS, so dass wir
zuerst ein Signal suchen müssen. Mit dem LVS auf «Suchen» bewegen wir
uns schnell entlang der unten aufgezeichneten Suchmuster. Für eine maximale
Reichweite drehen wir das LVS langsam horizontal und vertikal um 180 Grad1.
Nach dem Empfang des ersten Signals behalten wir die Stellung des LVS bei
und gehen auf dem Suchmuster weiter. Sobald wir ein stabiles Signal empfangen, markieren wir den Ort und beginnen mit der Grobsuche.
VerschwindeV
erschwindepunkt
a
a
a
a
a
⁄2 a a a⁄2
a
⁄2
a
1
Die Reichweite eines LVS ist nicht in alle Richtungen gleich, weil die drei Antennen unterschiedlich lang sind und jede Antenne nur das Signal in ihrer Richtung empfängt. Wenn
wir unser LVS drehen, treffen wir zufällig ab und zu die im vorliegenden Fall bestmögliche
Gerätestellung.
234
SAC – Bergsport Winter
Suchstreifenbreite a
Die praktisch nutzbare Suchstreifenbreite (a) beträgt bei guten LVS etwa 40 m.
Sie ist gerätespezifisch und wird vom Hersteller angegeben. Sie darf nicht verwechselt werden mit der (grösseren, in der Praxis bedeutungslosen) maximalen
Reichweite.
Konnten wir den Unfall beobachten, suchen wir zuerst im primären Bereich:
vom Verschwindepunkt in Fliessrichtung der Lawine.
Grobsuche
Wir halten das LVS, mit dem Display nach oben, gerade vor dem Körper. Um
Störeinflüsse z. B. durch das Handy zu reduzieren, halten wir das LVS eine Unterarm-Länge vom Körper weg. Wir folgen gleichmässig und ohne ruckartige
Bewegungen dem Pfeil auf dem Display. Er führt uns entlang der Feldlinie auf
einer gekrümmten Bahn zum Verschütteten. Nimmt zu Beginn der Suche die
Distanz kontinuierlich zu, so drehen wir uns um 180°.
Je näher wir dem Ziel kommen, desto langsamer bewegen wir uns.
Feldlinien sind kontinuierlich auf eine Seite gekrümmt. Zeigt der Pfeil urplötzlich in eine andere Richtung, ist dies meist eine kurzzeitige Fehlanzeige: ruhig
in der bisherigen Richtung noch zwei Schritte weitergehen, und den Pfeil erst
dann wieder beachten.
Rettung
235
Feinsuche
Ab einer Distanzanzeige von weniger als 5 m bewegen wir uns nur noch langsam. Wir nehmen das LVS zu den Füssen hinunter und führen es der Schneeoberfläche entlang. Damit erhöhen wir die Suchgenauigkeit wesentlich.
Feinsuche
je
unter 5 m: LVS auf
Schneeoberfläche halten
n
e
äh
r, d
e s to
langsamer
Fortgeschrittene: am Schluss
mit rechtwinklig “einkreuzen”
die kleinste Distanz suchen
Wenn die angezeigte Distanz wieder zunimmt, befinden wir uns in unmittelbarer Nähe des Opfers. Fortgeschrittene können mit «rechtwinklig einkreuzen»
die Suchgenauigkeit verbessern. Dabei das LVS weiterhin entlang der Schneeoberfläche führen, ohne es zu drehen.
Den Ort der tiefsten Distanzanzeige markieren wir mit der Schaufel und beginnen dort mit Sondieren.
Bei der Feinsuche nicht unnötig Zeit verlieren: meistens genügt ein einziges Mal
«einzukreuzen».
Die Ortung eines LVS ist wie der Landeanflug auf einen Flugplatz:
• Keine abrupten Kursänderungen oder ruckartigen Bewegungen.
• Je näher wir dem Ziel kommen, desto langsamer und präziser bewegen
wir uns.
• Je näher, desto tiefer. Unter ca. 5 m Distanzanzeige halten wir unser LVS
auf die Schneeoberfläche.
236
SAC – Bergsport Winter
Punktsuche (Sondieren)
Eine Sonde erleichtert die genaue Lokalisierung des Verschütteten. Wir beginnen bei der am Ende der LVS-Suche markierten Stelle:
• Sonde rechtwinklig zum Hang einstecken (nicht vertikal, sonst suchen wir zu
weit unten im Hang)
• Auf der Such-Spirale mitgehen und Sonde nach jeder Schuhlänge direkt vor
dem Körper einstecken.
• Bei Treffer: Sonde stecken lassen und sofort graben. Wir erkennen einen
Treffer meistens daran, dass wir die Sonde deutlich weniger tief einstecken
können als daneben.
1S
c
län huh
ge - 1
Sc
län huh
ge -
8
7
9
6
1
5
2
10
11
3
4
14
12
13
Rettung
237
Ausgraben
Für die Bergung brauchen wir ein grosses Loch. Ein solches haben wir auch
schneller gegraben als einen engen Schacht.
V-Grabtechnik
Bei mehr als 1 m Verschüttungstiefe empfehlen wir die V-Grabtechnik [Genswein und Eide, 2007]: Von der Spitze der (stecken gelassenen) Sonde ausgehend, schaufeln wir den Schnee in einem «Kanal» seitlich weg. Dabei nutzen
wir eine allfällige Hangneigung aus.
Länge des V:
• 2 x Verschüttungstiefe bei flacher Ablagerung
• 1 x Verschüttungstiefe bei steiler Ablagerung
Grabmannschaft V-förmig aufstellen
Anzahl Retter: 1 Retter pro 80 cm Länge des V, aber mindestens 2
Mannschaft etwa alle 4 Minuten rotieren.
Sobald der Körper erreicht ist:
• auf Atemhöhle achten und diese nicht zertrampeln
• vorderster Retter verkürzt den Schaufelstiel und gräbt kniend dem Körper
nach zum Kopf
• der zweite Retter steht unmittelbar dahinter und räumt den Schnee weg
• nicht mehr rotieren
Sobald der Kopf freigelegt ist mit Erster Hilfe beginnen (siehe S. 216), während
andere Retter das Opfer fertig ausgraben. Wenn genügend Retter: grosszügig
frei schaufeln, um Zugang der organisierten Rettung zu verbessern.
238
SAC – Bergsport Winter
80 cm 80 cm
Sonde stecken lassen
Tipps zum Schaufeln
• Bei hartem Schnee: Mit dem Rücken zur Sonde stehen und mit dem Fuss
Blöcke stechen, Reihe um Reihe.
• Danach quer hinstehen, mit einer Hand den Stiel nahe beim Schaufelblatt
halten und den gelösten Schnee von der Sonde weg «paddeln» (ist schneller als das kraftraubende Anheben).
• Schaufeln «was das Zeug hält».
• Verschütteten nicht unnötig zertrampeln.
Ein Loch graben ist nicht schwierig. Sehr schnell ein Loch graben aber schon.
Nicht nur Unfallplatz-Organisation und LVS-Suche, sondern auch das Ausgraben üben. Am besten im sehr tiefen, nicht allzu weichen Schnee.
Wer sein LVS beherrscht, benötigt mehr Zeit zum Graben als zum Suchen.
Eine stabile Schaufel mit gekrümmtem Metallblatt, Teleskop-Stiel und D- oder
mindestens T-Griff ist unverzichtbar.
261
Links, Apps und Telefonnummern
Lawinenbulletin
Schweiz
Produkte
Nationales Bulletin
täglich ab 17 Uhr
Regionales Bulletin
täglich ab 8 Uhr
ab Winter 2012/13
gesamtes Bulletin 17 und 8 Uhr
Bezugsmöglichkeiten
Internet
www.slf.ch
App
White Risk mobile (iPhone, Android)
Tel.
187 (Tonband, 90 Rp. pro Anruf und Minute)
Tel. Ausland
1
+41 848 800 187
Ausland
Internet
www.lawinen.org
Übersichtskarte und Links auf alle europäischen
Lawinenbulletins
Telefon (Bandabruf, Deutsch)
Deutschland, Bayern
+49-089-9214-1210
Österreich, Vorarlberg
+43-05574-201-1588
Österreich, Tirol
von ausserhalb
innerhalb Österreich: 0800-800-503
+43-0512-581 839-503
Italien, Südtirol
+39-0471-27 11 77
1
Bei Anrufen aus dem Ausland sowie bei einem Mobiltelefon eines ausländischen
Anbieters auch innerhalb der Schweiz.
262
SAC – Bergsport Winter
Wetterbericht
Internet
www.meteoschweiz.ch
allgemeiner Wetterbericht und kostenpflichtiger Alpenwetterbericht
meteo.sf.ch
allgemeiner Wetterbericht
www.landi.ch
Wetter
Niederschlagsprognosen:
genauste Niederschlagsprognose der
nächsten 24 Stunden
my.meteoblue.com/my/
Special maps: u.a. Niederschlagsprognose
3 Tage
profi.wetteronline.de
u.a. Niederschlagsprognose für Europa,
1 Woche
www.kaikowetter.ch/wallis.html Videokameras, nach Höhe sortiert
Apps
Landi Wetter
Radar: in der letzten Stunde gefallener und für die nächsten
24 Stunden prognostizierter Niederschlag
Telefon
162
0900 162 138
Bandabruf Wetterbericht MeteoSchweiz
(50 Rp./Anruf und Minute)
Bandabruf Alpenwetterbericht (Fr. 1.20/Min.)
Persönliche Wetterberatung
MeteoSchweiz
Meteonews
Meteotest
0900 162 333 (24h, Fr. 3.–/Anruf und Fr. 1.50/Min.)
0900 575 775 (5.30–17.30 Uhr, Fr. 2.80/Min.)
0900 576 152 (5.00–17.30 Uhr, Fr. 3.13/Min.)
Anhang
263
Notfall
Heli-Rettung
Rega Tel.
Tel. Ausland1
App
Funk
Wallis
1414
+41 333 333 333
iRega (iPhone4, für Android geplant)
161.300 MHz
Sanitätsnotruf 144
Polizei
117
Notruf
112 auch ab Netzen anderer Mobilfunk-Anbieter
(wenn direkte Alarmierung nicht funktioniert)
Bei schlechtem Handy-Empfang Standort wechseln, SMS an dieselben Nummern oder mit iRega versuchen.
1
Ausland
vom Festnetz aus
Deutschland
112, 19222
Österreich
140, Flugrettung 1777
Bergrettung Tirol 0043 512 140 118
Italien
118
Soccorso Alpino Aosta 800 319 319
Frankreich
Gendarmerie Chamonix 0450 53 16 89
mit dem Handy
112 (Zugang in alle Netze nur
wenn kein PIN-Code bzw. PINCode 112 eingegeben wird)
Bei Anrufen aus dem Ausland sowie bei einem Mobiltelefon eines ausländischen
Anbieters auch innerhalb der Schweiz.
264
SAC – Bergsport Winter
Weitere Links
www.sac-cas.ch
alles über den Schweizer Alpen-Club
SAC, von der Hüttenadresse bis zum
Wandertipp
www.respektiere-deine-grenzen.ch wo liegen die Schutzgebiete, und wozu
wurden sie erlassen?
www.pizbube.ch
die Fundgrube für alpine Literatur
www.4000plus.ch
Bergführer gesucht?
www.bergsportschulen.ch
professionell geführte Touren
Verhältnisse
www.gipfelbuch.ch
www.camptocamp.org
www.ohm-chamonix.com
www.montagneinfo.net
Skitouren, Eisklettern, Partnerbörse und
vieles mehr; vor allem Deutschschweiz
Skitouren und vieles mehr;
v. a. Romandie
Verhältnisse im Mont Blanc-Gebiet
v. a. Frankreich
Weil jeder schreiben kann, was er will, sind die Informationen mit Vorsicht zu
geniessen.
Mobilität
www.sbb.ch
www.fahrplan-online.de
www.alpentaxi.ch
Fahrplan Schweiz (auch Bus)
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