Tanzass mit Otterndorf-Faible
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Tanzass mit Otterndorf-Faible
LOKALES LOKALES FREITAG, 30. Freitag, 30.MMärz ÄRZ 2012 2012 Kradfahrer stirbt bei Unfall in Spaden Tanzass mit Otterndorf-Faible Bremerhavener Studentin Julia Schulze ist begeistert von dem Zusammenhalt in der Medemstadt 19 Missbrauch: Opfer sagt vor Gericht aus VON BARBARA FIXY VON JENS-CHRISTIAN MANGELS VON HEIKE LEUSCHNER KREIS CUXHAVEN. Zwei schwere Verkehrsunfälle haben sich am Mittwochabend im Abstand von Minuten in Spaden und Wremen ereignet. Auf der Kreisstraße 63 zwischen Spaden und Wehden hat ein 18-jähriger Motorradfahrer einen Wagen gerammt und ist nur kurze Zeit später auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Zwischen Wremen und Sievern wurde ein 19-Jähriger bei einem Unfall schwer verletzt. OTTERNDORF/BREMERHAVEN . Was haben Samba, Hochschule und Otterndorf gemeinsam? Sie alle spielen in Julia Schulzes Leben derzeit eine große Rolle. Für ihre BachelorArbeit taucht die tanzsportbegeisterte Studentin tief hinab in das Innenleben der Otterndorfer. CUXHAVEN/ BREMEN. Eigentlich wollte der Cuxhavener Gymnasiallehrer Reinhard B. den 2. Verhandlungstag im Berufungsprozesses vor dem Bremer Landgericht wegen eines Magen-Darm-Infekts absagen. Doch der Angeklagte, der sich wegen des sexuellen Missbrauchs eines damals zwölfjährigen behinderten Mädchens verantworten muss, erschien auch am Donnerstag vor Gericht. Ein Amtsarzt hatte ihn für verhandlungsfähig erklärt. Es ist der Tag, an dem das mutmaßliche Opfer als Zeugin vor dem Landgericht aussagen soll. Der Auftritt ist notwendig, weil sich der Angeklagte mit der erstinstanzlichen Verurteilung zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen zweier Küsse auf Hals und entblößte Brust des Mädchens nicht abfinden will. 20 Meter lange Bremsspur Der tödlich verunglückte Motorradfahrer kam laut Polizei vermutlich mit sehr hoher Geschwindigkeit aus Richtung Wehden. Das Motorrad rammte einen Wagen am Heck, der aus Spaden kam und auf Höhe der Wehdener Straße nach links abbog. Der Kradfahrer hatte noch versucht zu bremsen, was eine mehr als 20 Meter lange Bremsspur belegt. Nach dem Aufprall schleuderte er etwa 60 Meter weit in Richtung Spaden. Das Motorrad und ein Hinterrad des Autos landeten fast an derselben Stelle im Straßengraben. Der 18-Jährige wurde an der Unfallstelle reanimiert, erlag dann aber seinen Verletzungen. Der 47-jährige Fahrer des Autos und sein 15-jähriger Sohn sind zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht worden. Gegen zwei Bäume Die Straße war stundenlang gesperrt. Die Polizei schätzt den Sachschaden auf 12 000 Euro. Die Schuldfrage ist ungeklärt. Der 19-jährige Fahrer aus Wremen kam auf der Kreisstraße 66 Richtung Sievern aus ungeklärter Ursache von der Fahrbahn ab, prallte erst gegen einen und dann noch gegen zwei weitere Straßenbäume. Die Schadenshöhe steht noch nicht fest. Dan Castel durfte nicht mittanzen CUXHAVEN. „Nach der Arbeit mit meinen Kollegen noch etwas feiern“ – das war es, was der in Cuxhaven wohlbekannte Hip-HopTanzlehrer, Musicaldarsteller und Choreograf Dan Castel am vergangenen Sonnabend vorhatte. Aus der Partynacht mit Freunden wurde nichts: Anders als seine Begleiter, die am Einlass einer Lüdingworther Discothek „durchgewunken“ wurden, scheiterte der von der Insel Mauritius stammende Castel – der einzige Farbige in der Besuchergruppe – am Türsteher. „Ich habe mich selbstverständlich sehr darüber geärgert“, sagt Castel, der seit mehr als 30 Jahren in Deutschland lebt, und meint dabei besonders die Art und Weise, wie der an der Tür beschäftigte Mitarbeiter mit ihm umgegangen sei. Castel hat nach eigenen Worten mehrfach Choreografien für Tanzgruppen ausgearbeitet, die in der Lüdingworther Disco aufgetreten sind. Da ihm am letzten Sonnabend „kein guter Grund für den Nichteinlass“ genannt“ worden sei, geht der Hip-Hop-Künstler davon aus, dass er wegen seiner Hautfarbe abgewiesen wurde. „Alle Nationalitäten hier“ „Das kann ich mir nicht vorstellen“, erwidert Eric Janssen, Geschäftsführer der Discothek „Janssens Tanzpalast“. Das von ihm eingesetzte Türpersonal agiere sehr professionell, betont Janssen, der den ihm mündlich geschilderten Vorfall bedauert: „Wir haben alle Nationalitäten hier bei uns im Hause zu Gast“, so der Disco-Chef. Das Thekenpersonal sei „multikulti“ und rund 30 Prozent der Discothekbesucher hätten Migrationshintergrund. Nicht die Hautfarbe, wohl aber der Kleidungsstil könne ein Einlasskriterium sein, sagte Janssen. (kop) „Du studierst WAS?“ Diese Frage musste sich Julia Schulze in den vergangenen fünf Jahren mehr als einmal anhören. Der etwas sperrige Studiengangstitel „International Cruise Industry Management“ sorgt bei Nicht-Studenten oftmals für Ratlosigkeit. Die deutsche Version bringt etwas mehr Klarheit: „Man kann es mit See- und Kreuzfahrttouristik übersetzen“, sagt Julia Schulze. 2008 hat die Bremerhavenerin mit dem Studium begonnen, jetzt ist sie im achten Semester und biegt auf die Zielgerade ein: Nach den Osterferien startet die heiße Phase ihrer Bachelor-Arbeit, die sich mit dem Nordseebad Otterndorf beschäftigt. Psychologischer Druck Als Hortkind in Spielscheune Otterndorf? Vor ihrem Studium hatte die 22-Jährige wenig bis gar keine Berührungspunkte zur Medemstadt. „Ich glaube, ich war mal als Hortkind in der Spielscheune, das war alles“, meint Julia Schulze. Im Rahmen eines studentischen Projekts zum Otterndorfer Leitbild hat sie das kleine Städtchen an der Medem nun näher kennen gelernt, ja, es ist ihr sogar ans Herz gewachsen. „Ich bin beeindruckt von dem Zusammenhalt der Menschen in Otterndorf“, sagt sie. Auch die Lage der Stadt, so nahe am Wasser, gefällt der Kreuzfahrt-Studentin außerordentlich gut. Ihre Bachelor-Arbeit basiert auf der Auswertung der Bürger-Fragebögen, die derzeit in Otterndorf die Runde machen. Wie zufrieden sind die Otterndorfer mit ihrer Stadt? Was halten sie von der Gastronomie, vom Einzelhandel und der Verkehrssituation? Wie familien- , senioren- und jugendfreundlich ist Otterndorf? Braucht Otterndorf mehr Touristen? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen sollen einen Einblick in die Bedürfnisse und Interessen der Bürger geben und Julia Schulze studiert „International Cruise Industry Management“ an der Hochschule Bremerhaven. Das Nordseebad Otterndorf steht im Mittelpunkt ihrer Bachelor-Arbeit. Foto: Mangels letztlich in ein neues Otterndorfer Leitbild fließen. Bis zum 10. April läuft die Bürgerumfrage. Dann werden sämtliche Fragebögen mit der Statistiksoftware SPSS ausgewertet und von Julia Schulze analysiert. Ganz klar: Bei dem Wust an Daten müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Einer dieser Schwerpunkte könnte beispielsweise der Vergleich Senioren und Jugendliche sein: Wie unterscheiden sich die Otterndorf-Ansichten von Jüngeren und Älteren, etwa in Bezug auf Freizeitmöglichkeiten, Öffnungszeiten und Hundefreundlichkeit? „Ich rechne mit spannenden Ergebnissen“, sagt Julia Schulze. Ende Mai will die Studentin erste Resultate präsentieren; im Juli gibt sie die 15 000 Wörter starke Bachelor-Arbeit ab. Master in Bremen machen Und wie geht es mit der Bremerhavenerin anschließend weiter? „Ich will in Bremen Business Management studieren und den Master machen“, verrät Schulze. Wohin es sie später beruflich ver- schlagen wird, kann sie noch nicht genau sagen, aber der Kreuzfahrt-Marketingbereich würde ihr durchaus gefallen. Nie den Rhythmus verlieren – diesen Leitsatz für Studium und Beruf hat Julia Schulze längst auch auf ihr Hobby übertragen: Als Mitglied der ersten Lateinformation der TSG Bremerhaven hat sie schon diverse Titel und Pokale ertanzt und 2007 sogar den Weltmeistertitel errungen. „Tanzen ist Träumen mit den Beinen“, sagt die Bremerhavenerin, die nicht nur in der Formation, sondern auch mit ihrem Freund Mathias als Einzelpaar bei Turnieren antritt. In Kürze zieht Julia mit ihrem Freund zusammen. Dann wird sich zeigen, ob das Paar nicht nur auf dem Tanzparkett, sondern auch im Beziehungsalltag harmoniert. Julia Schulze lacht: „Ich bin da sehr optimistisch.“ TSV-Geschichte im Bahnhofsgebäude Otterndorfer Sportverein stellt seine Chronik aus / Stellwände im Zuge des 150-jährigen Bestehens erstellt VON JOËL GRANDKE OTTERNDORF. Der TSV Otterndorf hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. In diesem Jahr feiert der Sportverein sein 150-jähriges Bestehen. Vorstandsmitglied Wolfgang Schulte nahm dieses Jubiläum zum Anlass, die Geschichte des Vereins auf Stellwänden festzuhalten, die vom 1. bis zum 29. April im Otterndorfer Bahnhofsgebäude zu betrachten sind. Geöffnet ist die Ausstellung immer sonntags von 15 bis 18 Uhr sowie dienstags von 15 bis 17 Uhr. Das Otterndorfer Sportjahr 2012 trägt die Farben Blau und Gelb. Mit einem großen Festakt beging der Verein bereits einen würdigen Auftakt in das Jubiläumsjahr. „So eine Feierlichkeit bietet sich natürlich auch dazu an, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen“, erklärte der Vorsitzende Wolfgang Struck bei dem Festakt in der Seelandhalle. 30 Meter Stellwände Zu diesem Anlass vollzog Vorstandsmitglied Wolfgang Schulte auf großen Stellwänden die Geschichte des Vereins nach – seit der Gründung 1862. An einem Tag der offenen Tür konnten Interessierte bereits zurückblicken. Schulte kümmerte sich auf insgesamt 30 Metern um diese historische Aufarbeitung. „Angefangen mit Turnvater Jahn und zu Zeiten Napoleons“, blickt Struck zurück. Die Höhen und Tiefen des Vereins wurden in chronologischer Reihenfolge aufgezeigt. Die Besucher konnten somit alte Ver- Die Stellwände mit der Chronik des TSV Otterndorf werden im April im Bahnhofsgebäude der Stadt ihren Platz finden. Dort können sie in Ruhe eingesehen werden. Foto: Grandke wandte und Vorstände betrachten. Struck: „Diese minuziöse Recherche wird nach dem Jubiläum ins Archiv gehen. Es handelt sich um ein Stück Geschichte Otterndorfs.“ Bevor die Stellwände aber ins Archiv wandern, werden sie im April nochmals allen Interessierten im derzeit leer stehenden Gebäude des Otterndorfer Bahnhofes zur Verfügung gestellt. „Es gab viele positive Rückmeldungen, die die Chronik aber nochmals in Ruhe betrachten wollten“, so Struck. In Zusammenarbeit mit der Stadt Otterndorf kam man auf die Idee, die Ausstellung in das Bahnhofsgebäude zu setzen. „Mehr Leben im Bahnhof“ Wie man das Bauwerk in Zukunft nutzen wird, ist derzeit noch unklar. „Es gab Gespräche mit einem interessierten Gewerbetreibenden, der allerdings kurz vor Vertragsunterzeichnung absprang“, erklärt Maik Schwanemann, stellvertretender Bürgermeister der Samtgemeinde Land Hadeln. „Sollte es Interessenten geben, sind wir natürlich gesprächsbereit.“ Indes wird bereits über eine kommunale Nutzung in Eigenregie nachgedacht, Beschlüsse gebe es aber noch nicht. Schwanemann: „Natürlich sind wir daran interessiert, mehr Leben in den Bahnhof zu bringen.“ Der 42-Jährige fühlt sich unschuldig, will freigesprochen werden vom Vorwurf des sexuellen Kindesmissbrauchs. Aus diesem Grund rollt das Landgericht das Strafverfahren um den seit 2007 vom Gymnasialdienst suspendierten Lehrer erneut auf. Dass die von Rechtsanwältin Sonja Briesenick als immer noch zutiefst verunsichert beschriebene junge Frau dadurch erneut einem „großen psychologischen Druck“ ausgesetzt werde, nimmt der zweifache Familienvater in Kauf. Als das zierliche und tiefernst wirkende Mädchen in Begleitung von Anwältin Briesenick Saal 231 betritt, ist der Platz des Angeklagten verwaist. Was die heute 17-Jährige über den Zwischenfall noch weiß, der sich vor fast fünf Jahren in einem Bremer Freizeitbad abgespielt haben soll, wird in Abwesenheit von Reinhard B. hinter verschlossener Tür besprochen. Die Persönlichkeitsrechte des Mädchens wiegen schwerer als das Recht des Angeklagten, diesen Teil des Prozesses zu verfolgen. Und schwerer als das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, die ebenfalls für die Zeit der Zeugenaussage von der Sitzung ausgeschlossen wird. Einwände des Anwalts Für das Mädchen wäre die Gegenwart des Angeklagten unerträglich gewesen, berichten Briesenick und die Erzieherin der Wohngruppe, in der das mutmaßliche Missbrauchsopfer heute lebt. Nach Auskunft der Anwältin befindet sich das Mädchen noch immer in therapeutischer Behandlung wegen des Zwischenfalls. B’s Verteidiger Carsten Emde hatte dem Ausschluss des Angeklagten widersprochen. Für ihn ist kein gravierender Unterschied zur Vernehmung vor dem Amtsgericht Blumenthal erkennbar. Damals sei Reinhard B. bei der Vernehmung dabei gewesen. Es blieb nicht der einzige Einwand des Rechtsanwalts. Bereits am ersten Prozesstag hatte er gefordert, Rechtsanwältin Briesenick vom Verfahren auszuschließen, weil diese als Vertreterin des mutmaßlichen Opfers nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt worden sei. Als das Landgericht diesen Antrag am Donnerstag als unbegründet zurückweist, fordert Emde, dass sich die gesamte Strafkammer für befangen erklären müsse. Bei der Bevollmächtigung Briesenicks seien gesetzliche Erfordernisse nicht eingehalten worden. Unter diesen Umständen in Gegenwart von Briesenick weiterzuverhandeln, verstoße gravierend gegen Rechte des Angeklagten und zeige, dass das Gericht voreingenommen sei. Der Prozess wird am Dienstag, 11. April, 9 Uhr vor dem Landgericht in Bremen fortgesetzt.