Kritische Indikationen: PARKINSON - Pharmazeutische

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Kritische Indikationen: PARKINSON - Pharmazeutische
Kritische Indikationen:
PARKINSON
von Dr. Ute Koch
Übersicht
Kapitel 1: Allgemeines
Kapitel 2: Klassifikation und Epidemiologie
Kapitel 3: Pathophysiologie und Symptome
Kapitel 4: Medikamentöse Therapie
Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
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Kapitel 1: Allgemeines
Kapitel 2: Klassifikation und Epidemiologie
Kapitel 3: Pathophysiologie und Symptome
Kapitel 4: Medikamentöse Therapie
Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
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Allgemeines
Bei der pharmazeutischen Betreuung von Parkinsonpatienten ist eine hohe
Fachkompetenz gefragt. Dies gilt insbesondere für Betroffene im
fortgeschrittenen Krankheitsstadium, da diese in der Regel mit einer
äußerst fein aufeinander abgestimmten Polymedikation behandelt werden.
Dabei ist eine individuelle und/oder meist punktgenaue Einstellung der
Wirkstoffspiegel wichtig, um eine gute Kontrolle der Parkinsonsymptome
zu erzielen. Darüber hinaus benötigen sehr viele Patienten zusätzliche
Medikamente zur Therapie von Komorbiditäten und/oder Nebenwirkungen
von Parkinsonmedikamenten.
Laut Deutscher Parkinson Vereinigung (dPV) nehmen
Parkinsonpatienten spätestens nach fünf Jahren mindestens drei
verschiedene Medikamente gegen die Parkinsonerkrankung ein. Hinzu
kommen Medikamente gegen Begleiterkrankungen wie Schlafstörungen,
psychische Beschwerden oder Schmerzen. Da häufig eine
Multimorbidität besteht, erhöht sich die Tablettenzahl zusätzlich.1
Eine unkritische Substitution von Parkinsonmedikamenten kann den
Therapieerfolg erheblich gefährden und zu einer Vielzahl weiterer
therapeutisch relevanter Probleme führen, eng verbunden mit zusätzlichen
Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten.
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Kapitel 1: Allgemeines
Kapitel 2: Klassifikation und Epidemiologie
Kapitel 3: Pathophysiologie und Symptome
Kapitel 4: Medikamentöse Therapie
Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
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Klassifikation und Epidemiologie
Es werden vier Hauptgruppen von Parkinson-Syndromen unterschieden:
Am bedeutendsten ist das idiopathische Parkinson-Syndrom, unter dem
rund 75 % der Parkinsonpatienten leiden. Es ist mit einer Prävalenz von
100 bis 200 Betroffenen bezogen auf 100.000 Einwohner in Deutschland
eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen überhaupt. Bei den über
65-Jährigen sind sogar 1.800 von 100.000 Einwohnern betroffen. So wird
die Krankheit aufgrund der allgemein steigenden Lebenserwartung
zukünftig eine zunehmende Rolle spielen.2
Beim idiopathischen Parkinson-Syndrom handelt es sich um ein
eigenständiges Krankheitsbild (idiopathisch = ohne bekannte Ursache). Es
ist abzugrenzen von folgenden nicht-idiopathischen Parkinson-Syndromen:2
!  genetisch bedingte Parkinson-Syndrome
!  atypische Parkinson-Syndrome im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen (z. B. Demenz vom Lewy-Körper-Typ,
Multisystematrophie) sowie
!  symptomatische (sekundäre) Parkinson-Syndrome (z. B. durch ein
Medikament induziert, einen Tumor bedingt).
Hinweis: Die nachfolgenden Informationen betreffen das idiopathische
Parkinson-Syndrom.
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Kapitel 1: Allgemeines
Kapitel 2: Klassifikation und Epidemiologie
Kapitel 3: Pathophysiologie und Symptome
Kapitel 4: Medikamentöse Therapie
Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
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Pathophysiologie und Symptome
Parkinson ist eine progredient verlaufende, neurodegenerative Erkrankung.
Klinisch bemerkbar macht sie sich sowohl durch motorische (die
Bewegungsabläufe betreffend) als auch nicht-motorische Symptome.
Fortschreitender Dopaminmangel
Parkinson basiert auf dem fortschreitenden Untergang dopaminerger
Neurone (Dopamin-haltiger Nervenzellen) in der Substantia nigra
(schwarze Substanz*, lokalisiert im Mittelhirn). Diese ist über
Nervenfortsätze mit der Gehirnregion Corpus striatum (Streifenkörper)
verbunden, wo der Neurotransmitter Dopamin freigesetzt wird und das in
immer geringer werdender Menge.3
Ausgehend vom Corpus striatum ist Dopamin in eine Vielzahl von
Regelkreisen eingebunden: unter anderem in die Feinabstimmung der
Muskelbewegungen. Folglich ist bei einem Dopaminmangel ein normales
Zusammenspiel der muskulären An- und Entspannung nicht mehr möglich.3
Hinzu kommt, dass der Dopaminmangel ein Ungleichgewicht zu Gunsten
anderer Botenstoffe bewirkt: etwa zu Gunsten von Acetylcholin, GammaAminobuttersäure (GABA) und Glutamat.4
*wegen ihres hohen Eisen- und Melaningehaltes schwarz gefärbt3
8
Pathophysiologie und Symptome
Parkinsonsymptome
Die Parkinsonkrankheit wird primär als Bewegungskrankheit diagnostiziert:
Ihre Symptomatik ist definiert durch das Vorliegen einer Akinese und
mindestens einem weiteren motorischen Kardinalsymptom (s. u.):2
Akinese (hochgradige Bewegungsarmut) plus
(1)  Rigor (Muskelsteifigkeit),
(2)  Ruhetremor (Zittern in Ruhe) und/oder
(3)  Posturale Instabilität (Haltungsinstabilität).
Die Akinese ist das wichtigste Zeichen der Erkrankung: Der Patient kann
Bewegungen, die er sich vorgenommen hat, nicht sofort einleiten. Erst
nach einer gewissen Verzögerung gelingt es ihm, zum Beispiel Arm oder
Bein in die gewünschte Position zu bringen.5
Häufig ist eine Körperseite stärker von den oben genannten motorischen
Symptomen betroffen als die andere. Der Tremor (Zittern) ist zumeist im
Handbereich am stärksten ausgeprägt. Beim Gehen fällt der Patient oft
durch einen verminderten Armschwung an der stärker betroffenen
Körperseite auf, ebenso durch einen verlangsamten Gang mit verkürzter
Schrittlänge.6 Alle Bewegungen werden verzögert gestartet und können nur
schwer abgebremst werden.4 Außerdem typisch ist ein Verlust der
Gesichtsmimik (Hypomimie).6
In der Frühphase der Parkinsonerkrankung klagen viele Patienten über
Kraftlosigkeit, Leistungsabfall sowie einseitige Gelenk- und
Schulterschmerzen.3
9
Pathophysiologie und Symptome
Darüber hinaus sind bei einem Parkinson folgende nicht-motorische
Begleitsymptome/-erkrankungen möglich (Beispiele):2,4
(1)  Sensorische Störungen
(z. B. Schmerzen)
(2)  Vegetative Störungen
(z. B. Verstopfung, Erektionsstörungen, vermehrter Tränen- und
Speichelfluss, „Salbengesicht“ durch erhöhte Talgproduktion,
Störungen der Blasenfunktion, orthostatische Hypotension, auch
Tagesmüdigkeit)
(3)  Psychische Störungen
(vor allem Depressionen) und Schlafstörungen
(4)  Kognitive Störungen
(im fortgeschrittenen Stadium Demenz).
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Kapitel 1: Allgemeines
Kapitel 2: Klassifikation und Epidemiologie
Kapitel 3: Pathophysiologie und Symptome
Kapitel 4: Medikamentöse Therapie
Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
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Medikamentöse Therapie
Eine Heilung der Parkinsonerkrankung ist derzeit nicht möglich.
Entsprechend der Pathophysiologie kommen beim Parkinson-Syndrom
verschiedene Substanzklassen in Mono- oder Kombinationstherapie zum
Einsatz. Neben den beiden medikamentösen Hauptpfeilern (Levodopa und
nicht-ergoline Dopaminagonisten) sind weitere Antiparkinsonmittel
verfügbar (s. Tab. 1).
Überblick
Für die Ersteinstellung von Parkinsonpatienten gelten laut aktueller
Leitlinie „Parkinson-Syndrome – Diagnostik und Therapie“ folgende
wesentliche Empfehlungen:2
(1)  Die medikamentöse Therapie sollte frühzeitig, direkt nach
Diagnosestellung beginnen.
(2)  Bei frühem Krankheitsbeginn (biologisches Alter < 70 Jahre) ohne
wesentliche Komorbiditäten sollte die Therapie mit einem nichtergolinen Dopaminagonisten (z. B. mit Piribedil) eingeleitet werden.
(3)  Bei spätem Krankheitsbeginn (biologisches Alter > 70 Jahre) und/
oder Multimorbidität ist zu Therapiebeginn die Monotherapie mit
Levodopa zu bevorzugen. Diese sollte so lange fortgesetzt werden,
wie keine Wirkungsfluktuationen (Wirkungsschwankungen, s. Seite 7)
oder andere Komplikationen auftreten.
12
Medikamentöse Therapie
Tabelle 1: Wichtige Parkinsonmedikamente im Überblick (modifiziert nach6)
13
Substanzklasse
Wirkweise Levodopa
plus Dopadecarboxylasehemmer
Substitution des fehlenden Dopamins in
Form des Prodrugs Dopaminagonisten
Direkte Stimulation postsynaptischer
Dopaminrezeptoren
COMT-Hemmer
Hemmung des Levodopa-abbauenden
Enzyms Catechol-O-Methyl-Transferase
MAO-B-Hemmer
Hemmung des Dopamin-abbauenden
Enzyms Monoaminooxidase B
NMDA-Antagonisten
Dämpfung einer sekundären
glutamatergen Überaktivität
Neurotrope Anticholinergika
Dämpfung einer sekundären
Überaktivität von Acetylcholin
Medikamentöse Therapie
Wirkweise wichtiger Antiparkinsonmittel
Die Angriffspunkte der unterschiedlichen Substanzklassen können wie folgt
zusammengefasst werden:
Levodopa (L-Dopa)
Levodopa, die Vorstufe (Prodrug) des Dopamins, gilt als die wirksamste
Substanz in der Parkinsontherapie. Diese Aussage ist durch jahrelange
klinische Erfahrungen und mehrere Vergleichsstudien belegt. Früher oder
später ist jeder Parkinsonpatient auf die Gabe von Levodopa (in Mono- oder
Kombinationstherapie) angewiesen.2
Dopamin passiert nach oraler Gabe nicht die Blut-Hirn-Schranke, weshalb
es in Form seiner gehirngängigen Vorstufe Levodopa appliziert wird. Im
Gehirn entsteht aus Levodopa unter CO2-Abspaltung Dopamin – gesteuert
durch das dortige Enzym Dopadecarboxylase. Die Dopadecarboxylase
kommt jedoch auch peripher (außerhalb des Gehirns) vor. Aus diesem
Grund wird Levodopa mit einem Decarboxylase-Hemmer (Carbidopa
oder Benserazid) kombiniert. Dieser, selbst nicht gehirngängig, inhibiert die
unerwünschte periphere Biotransformation von Levodopa. Dadurch werden
hohe Levodopa-Dosen und deren periphere dopaminerge Nebenwirkungen
(z. B. Übelkeit, Erbrechen5) reduziert.4
14
Medikamentöse Therapie
Dopaminagonisten (dopaminerge Agonisten)
Die Hauptwirkung der Substanzgruppe beruht auf der Stimulation von DRezeptoren (Dopamin-Rezeptoren). Dopaminagonisten können als
Monosubstanz oder in Kombination mit Levodopa eingesetzt werden.
Unterschieden wird zwischen zwei Hauptgruppen der Dopaminagonisten:
ohne Ergolinstruktur
(Non-Ergot-Dopaminagonisten,
nicht-ergoline
Dopaminagonisten)
wie etwa Piribedil und
Pramipexol
mit Ergolinstruktur
(Grundstruktur der
Mutterkornalkaloide, auch
ergoline Dopaminagonisten
genannt) wie etwa Bromocriptin
oder Pergolid.4
Erste Wahl unter den Dopaminagonisten sind Substanzen ohne
Ergolinstruktur. Substanzen mit Ergolinstruktur bergen unter anderem das
Risiko von Herzklappenfibrosen.2
COMT-Hemmer
Zur Gruppe der Catechol-O-Methyl-Transferase-Hemmer (COMT-Hemmer)
gehören die Wirkstoffe Entacapon und Tolcapon. Diese verhindern die
Methylierung von Levodopa und Dopamin zu unwirksamen Metaboliten.
Dadurch erhöhen sie die Wirkung von Levodopa (s. o.). COMT-Hemmer
sind – aufgrund ihres Wirkprinzips – ausschließlich in Kombination mit LDopa (plus Decarboxylase-Hemmer) wirksam.4 Mittel der ersten Wahl unter
den COMT-Hemmern ist wegen der besseren Verträglichkeit Entacapon.2
15
Medikamentöse Therapie
MAO-B-Hemmer
Zur Gruppe der Monoaminooxidase-B-Hemmer (MAO-B-Hemmer) gehören
die Wirkstoffe Rasagilin und Selegelin. Diese unterdrücken den Abbau von
Dopamin und erhöhen so dessen Konzentration an den dopaminergen
Rezeptoren im Gehirn. Beide Wirkstoffvertreter sind zur Monotherapie (nur
in der Frühphase der Erkrankung) als auch zur Kombinationstherapie mit
Levodopa (plus Dopadecarboxylasehemmer) zugelassen.2,4
NMDA-Antagonisten
Die Hemmung von Glutamatrezeptoren, zu denen NMDA-Rezeptoren (NMethyl-D-Aspartat- Rezeptoren) gehören, kann das Ungleichgewicht
zwischen dopaminerger Hemmung und glutamaterger Stimulation
cholinerger Neurone verringern. Wirkstoffbeispiel ist Amantadin.4
Neurotrope Anticholinergika
Zentral wirksame Anticholinergika sind die ältesten Antiparkinsonmittel
überhaupt. Sinnvoll ist ihr Einsatz bei vorherrschendem Ruhetremor.
Allerdings beschränken ihre anticholinergen Nebenwirkungen (z. B.
Harnverhalt, kognitive Störungen) deren Einsatz – vor allem bei älteren
Patienten.2 Wirkstoffvertreter sind Biperiden und Bornaprin.4
Der wichtigste Therapieansatz beim Parkinson-Syndrom besteht in der
Kompensation des Dopaminmangels.
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Kapitel 1: Allgemeines
Kapitel 2: Klassifikation und Epidemiologie
Kapitel 3: Pathophysiologie und Symptome
Kapitel 4: Medikamentöse Therapie
Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
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Ausgewählte Probleme der
Parkinson-Therapie
Nachfolgend werden lediglich häufige Schwierigkeiten der ParkinsonTherapie beschrieben. Diese verdeutlichen, warum eine unbedachte
Arzneimittel-Substitution im Rahmen der Aut-idem-Regelung den
Therapieerfolg gefährden kann:
Wirkungsfluktuationen unter Levodopa
Zu Beginn können die Parkinson-Symptome zumeist medikamentös sehr
gut kontrolliert werden („Honeymoon-Phase“). Da jedoch der
Dopaminmangel krankheitsbedingt weiter voranschreitet, reicht die
anfängliche Medikation beziehungsweise deren Dosierung früher oder
später nicht mehr aus. Wirkungsfluktuationen (Wirkungsschwankungen)
sind die Folge: in der Regel nach etwa drei bis fünf Behandlungsjahren.4
Parkinsonpatienten können den Eintritt und das Nachlassen der Wirkung
eines Parkinsonmittels sehr gut bemerken. Daher sollten alle
diesbezüglichen Äußerungen der Patienten ernst genommen werden.8
18
Ausgewählte Probleme der
Parkinson-Therapie
Beispiele für Wirkungsfluktuationen sind:
!  Dyskinesien
Hierbei handelt es sich um unwillkürliche Bewegungen (z. B.
Zuckungen, ruckartige Bewegungen), die der Patient nicht verhindern
kann. Bessern lassen sich diese nur durch eine Senkung der
Levodopa-Dosis, was mit dem Risiko der Wiederkehr der
Parkinsonsymptome behaftet ist. In einer solchen Situation gilt es,
diejenige Dosis zu ermitteln, die gerade noch wirksam ist, aber keine
Dyskinesien verursacht.5
Bei den o. g. Dyskinesien handelt es sich um das Auftreten neuer
(störender) Bewegungen und somit um hyperkinetische Störungen.
Hingegen handelt es sich bei den nachfolgenden Problemen um
hyperkinetische Störungen, assoziiert mit einer Abnahme der
Beweglichkeit:5
!  „Wearing-off-” oder „end-of-dose-Akinese“
!  Unter der langfristigen Levodopa-Therapie kann die Wirksamkeit der
Medikation vorzeitig nachlassen. Dann treten die
Parkinsonsymptome vor Einnahme der nächsten Dosis erneut auf.
Häufig ist dies am Morgen der Fall, zum Beispiel in Form von
Muskelkrämpfen. Das Nachlassen der Wirksamkeit von Levodopa ist
die häufigste und im Therapieverlauf am frühesten auftretende Form
der Wirkungsschwankung.5 Sie macht eine häufigere Einnahme von
Levodopa und Kombinationen mit anderen Parkinsonmedikamenten
erforderlich. Auch kann eine Kombination aus einem nicht-retardierten
und retardierten Levodopapräparat (z. B. zur Nacht) erforderlich
werden.2,7
19
Ausgewählte Probleme der
Parkinson-Therapie
!  „On-/off-Phänomen“
Ein weiteres Problem ist eine plötzlich eintretende Unwirksamkeit der
Medikation, die später ebenso abrupt in eine Wirksamkeit umschlagen
kann. Eine solche Situation tritt bei einigen Patienten mehrmals täglich
auf. Häufig wird das Problem durch eine verzögerte Magen-DarmResorption verschlimmert.5
!  „Freezing-Phänomen“
Freezing (englisch: gefrieren) ist eine plötzliche Blockade des
Gehens, wie sie häufig beim Passieren von Engstellen auftritt. Den
Patienten gelingt es nicht weiterzugehen, auch dann nicht, wenn das
Hindernis beseitigt ist.5
Akinetische Krise
Die zwar seltene, aber gefürchtete akute und zumeist im Spätstadium
auftretende Verschlechterung des Parkinson muss notfallmedizinisch
behandelt werden. Charakterisiert ist sie durch eine plötzlich eintretende
völlige Bewegungslosigkeit der Patienten, wozu auch eine Unfähigkeit zum
Schlucken gehört. In vielen Fällen sind Einnahmefehler der Parkinsonmedikamente oder Störungen der Resorption (z. B. bei einer
Gastroenteritis) die Ursache.4
20
Ausgewählte Probleme der
Parkinson-Therapie
Weitere Probleme der Parkinsontherapie (Beispiele)
Durch die Erkrankung selbst oder deren medikamentöser Therapie können
Probleme auftreten, die teilweise zusätzliche Medikamente erfordern.
Hierzu gehören unter anderem folgende sehr häufige Begleiterkrankungen:
!  Depression
Etwa 40 % aller Parkinsonpatienten erkranken an einer Depression.
Entsprechende Antidepressiva müssen vom Arzt patientenindividuell
gewählt werden. Probleme können vor allem Substanzen mit
anticholinergen Nebenwirkungen (z. B. trizyklische Antidepressiva) bereiten.
9
!  Medikamentös-induzierte Psychosen
Bei 10 bis 30 % aller Parkinsonpatienten treten in der Langzeittherapie
medikamentös-induzierte Psychosen auf: etwa Impulskontrollstörungen (z.
B. Kaufsucht, Hypersexualität). In einer solchen Situation hat der Arzt unter
anderem zu prüfen, ob die Dosis des betreffenden Antiparkinsonmittels
reduziert oder dieses abgesetzt beziehungsweise gegen ein anderes
ausgetauscht werden kann.9
!  Vermehrte Tagesmüdigkeit
Bei 25 bis 50 %10 aller Parkinsonpatienten kommt es zu – teilweise
erheblicher – Tagesmüdigkeit, nach 20-jährigem Krankheitsverlauf sogar
bei etwa 70 %.11 Die Tagesmüdigkeit ist vor allem durch den Parkinson
selbst bedingt, ausgelöst durch nächtliche Schlafstörungen: unter anderem
in Folge von nächtlicher Unbeweglichkeit (behindert den Lagewechsel im
Bett), Fuß- und Wadenkrämpfen sowie vermehrtem nächtlichen Harndrang.
11
21
Ausgewählte Probleme der
Parkinson-Therapie
Eine dopaminerge Medikation kann die Tagesmüdigkeit verstärken. Es
kann zu ungewolltem Einschlafen und Schlafattacken kommen mit
gravierenden Gefahren beim Bedienen von Maschinen oder Führen eines
Kraftfahrzeugs. Die daraus resultierende Fahruntauglichkeit besteht so
lange, bis die wiederkehrenden Schlafereignisse nicht mehr auftreten.
Gegebenenfalls kann ein Wechsel des Parkinsonmedikamentes innerhalb
derselben oder aus einer anderen Stoffgruppe erwogen werden.
Das Risiko einer vermehrten Tagesmüdigkeit infolge dopaminerger
Medikamente besteht nicht nur bei Therapiebeginn, sondern auch bei
Dosiserhöhung. Eine entsprechende Aufklärung des Patienten durch den
behandelnden Arzt ist erforderlich.2
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22
Kapitel 1: Allgemeines
Kapitel 2: Klassifikation und Epidemiologie
Kapitel 3: Pathophysiologie und Symptome
Kapitel 4: Medikamentöse Therapie
Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
23
Aut-idem-Regelung und
Antiparkinsonmittel
Bei der Parkinsontherapie ist die Konstanz des Plasmaspiegels und das
Vermeiden von Wirkspiegelschwankungen wichtig: sowohl für die akute
Wirksamkeit und Verträglichkeit als auch zwecks Vermeiden von
Spätkomplikationen.12
Polymedikation
Parkinsonpatienten benötigen eine außergewöhnliche Vielfalt an
Medikamenten, die vom Arzt individuell – abgestimmt auf die Bedürfnisse
jedes Einzelnen – kombiniert werden. Die Einstellung sollte bevorzugt von
einem erfahrenen Neurologen oder auch stationär erfolgen, da zahlreiche
Nebenwirkungen und Wechselwirkungen berücksichtigt und beobachtet
werden müssen. Selbst eine andere Galenik eines Medikamentes kann sich
in der störanfälligen Polymedikation für den Patienten negativ auswirken.
24
Aut-idem-Regelung und
Antiparkinsonmittel
Beispiele für unerwünschte Folgen der Substitution eines
Parkinsonmedikamentes:
(1)  verringerte oder gesteigerte Wirkung,
(2)  Wirkverzögerung oder -beschleunigung,
(3)  verstärkte oder zusätzliche Nebenwirkungen,
(4)  Schluckprobleme und/oder,
(5)  Probleme mit der Teilbarkeit1
(6)  verminderte Therapietreue.
Die oben genannten negativen Effekte bestätigt eine Umfrage der
Deutschen Parkinson Vereinigung (dPV) an rund 2.500 Patienten
(s. auch Abb. 1).
1%
Schlafprobleme
3%
14%
29%
14%
schwächere
Wirkung
kürzere Wirkung
Übelkeit
Sonstige
17%
22%
längere Wirkung
Spielsucht
Abbildung 1: Patienten-Antworten auf die Frage „Welche unerwünschten Nebenwirkungen sind
aufgetreten, nachdem in der Apotheke die Substitution eines Parkinsonmedikamentes erfolgt ist?“
(rund 2.500 befragte Teilnehmer)1
25
Aut-idem-Regelung und
Antiparkinsonmittel
Zu großzügige Grenzen für die Bioäquivalenz
Die Substitution wirkstoffgleicher Arzneimittel ist theoretisch möglich, wenn
ihre Bioverfügbarkeit äquivalent ist. Diese Voraussetzung gilt als gegeben,
wenn die Bioverfügbarkeit zwischen 80 und 125 % des Originalpräparates
liegt (90 %-iges Konfidenzintervall). Folglich darf ein Generikum mit einer
entsprechenden Bioverfügbarkeit von 80 % gegen ein Generikum mit einer
entsprechenden Bioverfügbarkeit von 125 % ausgetauscht werden.
Retardpräparate werden hierbei gar nicht berücksichtigt.8,12 Die Problematik
o. g. zulässiger Abweichungen wird zusätzlich relevant, wenn ein
Parkinson-Medikament (z. B. dopaminerge Agonisten) langsam auftitriert
werden muss, um schwere Nebenwirkungen zu vermeiden.3
Gastrointestinale Funktionsstörungen
Blutspiegelkurven zur Berechnung der Bioverfügbarkeit werden an
Gesunden ermittelt und das auch nur mittels einer einzigen Tablette in
niedriger Dosis. 8,12 Parkinsonpatienten leiden jedoch in der Regel unter
gastrointestinalen Funktionsstörungen. Neben Schluckstörungen gehört
hierzu eine verzögerte Magenentleerung.2 Folglich sind die Plasmaspiegel
und somit die Wirksamkeit des betreffenden Medikamentes nicht
vorhersehbar.12 Einige Parkinsonpräparate und andere Medikamente (z. B.
trizyklische Anti-depressiva) können das Problem verstärken und zusätzlich
zu einer verminderten Bioverfügbarkeit der Medikamente führen.2
26
Aut-idem-Regelung und
Antiparkinsonmittel
Substitution vermindert die Compliance (Therapietreue)
Wie bei jeder Therapie kann der ständige Austausch von Medikamenten
den Patienten verwirren und das Risiko einer falschen Tabletteneinnahme
erhöhen. Zur Verwirrung führen zum Beispiel abweichende
Präparatenamen, Verpackungen sowie Form, Farbe, Größe, Geschmack
und Teilbarkeit der Tabletten.8 Da viele Parkinson-Patienten – vor allem im
fortgeschrittenen Krankheitsstadium – psychische Probleme oder eine
Demenz haben, sind sie besonders anfällig für die genannten Probleme.
Hinzu kommt, dass es sich bei Parkinson-Patienten überwiegend um ältere
und kognitiv eingeschränkte Menschen handelt. Diese orientieren sich
häufig am Aussehen einer Tablette (z. B. die große, weiße Tablette
morgens, die kleine, grüne abends).12
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Kapitel 1: Allgemeines
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Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
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Fazit
Die Parkinson-Krankheit gehört zu den kritischen Indikationen, weil
geringfügige Schwankungen der Plasmaspiegel den Therapieerfolg
gravierend beeinträchtigen können. Dies betrifft sowohl das Lindern akuter
Beschwerden als auch das Vermeiden von Spätkomplikationen. So ist eine
geminderte Wirksamkeit und Verträglichkeit der Medikamente mit
zusätzlichen Arztbesuchen oder Krankenhausaufenthalten assoziiert:
!  Die individuelle, fein aufeinander abgestimmte Polymedikation
(bestehend aus Parkinson- und Nicht-Parkinson-Medikamenten) ist
äußerst störanfälig.
!  Einige Parkinson-Medikamente (z. B. Dopaminagonisten) müssen
äußerst fein auftitriert werden.
!  Die Levodopa-Therapie unterliegt nach einigen Jahren
Wirkungsschwankungen.
!  Oftmals ist eine punktgenaue Einstellung auf ein ParkinsonMedikament erforderlich, um die Parkinson-Symptome zu unterdrücken
und Therapieprobleme (z. B. Wirkungsschwankungen) weitestgehend
zu vermeiden.
!  Gastrointestinale Funktionsstörungen machen die Resorption von
Parkinson-Medikamenten schwer kalkulierbar.
!  Parkinson-Patienten sind zumeist älter und kognitiv eingeschränkt,
weshalb der Austausch von Medikamenten verwirren und die
Compliance gefährden kann.
So gibt es in der Parkinsontherapie zahlreiche Gründe, die gegen eine
unbedachte Substitution eines Parkinsonmedikamentes sprechen. Durch
das Äußern Pharmazeutischer Bedenken kann und sollte eine solche im
Sinne der Patienten verhindert werden.
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Kapitel 3: Pathophysiologie und Symptome
Kapitel 4: Medikamentöse Therapie
Kapitel 5: Ausgewählte Probleme der Therapie
Kapitel 6: Aut-idem-Regelung und Antiparkinsonmittel
Kapitel 7: Fazit
Kapitel 8: Literatur
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Literatur/Referenzen
1 Petition
der Deutschen Parkinson Vereinigung e. V. (dPV) an den Deutschen Bundestag 2014
www.parkinson-petition.de
2
Leitlinie „Parkinson-Syndrome – Diagnostik und Therapie“ 2012, AWMF-Registernummer 030/010
3
Neurologen und Psychiater im Netz, Herausgeber: Berufsverbände und Fachgesellschaften für
Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und
Neurologie aus Deutschland und der Schweiz. http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org
4
Mutschler E et al. Mutschler. Arzneimittelwirkungen. 10. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
Stuttgart 2013: 298 – 310
5
Patienten-Leitlinie des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN) und der Deutschen Gesellschaft
für Neurologie (DGN) www.kompetenznetz-parkinson.de/patientenllparkinson_2008-05.pdf
6
Wolters A. Idiopathischer Morbus Parkinson. So wird die „Schüttel-lähmung“ heute behandelt. MMWFortschr.Med. 2012; 154 (Nr. 7): 59 – 63
7
Schneider E. Medikamentöse Therapie der Parkinson-Krankheit. Medizinische Monatsschrift für
Pharmazeuten 2000; 23 (Nr. 4): 116 – 123
8
Jost W. Sind Generika gleich oder nur ähnlich wirksam? Leben mit Zukunft 2013, Nr. 125 – 13: 12 – 14
9 Hinneburg
I. Morbus Parkinson. Kampf gegen Starre und Zittern. Pharmazeutische Zeitung 09/2013
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=45433
10
Ondo W G et al. Neurology 2001; 57:1392-1396
11
Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. (dPV) http://www.parkinson-vereinigung.de
12
Buhmann C et al. Das „aut idem“ Problem in der Parkinson-Therapie. Akt Neurol 2013; 40: 333 – 337
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