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418/13
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Mittwoch, 10. Juli ilios
Mltthjäusgäle Nr. HS
13
Die Bedeutung von Otlimar H, Ammanns Lebenswerk
OK824.21/.8(4M)M73)
Von Frits StüssiyBäcli S'A
Bei rd e Eröffmnig der zweiten Fahrbahnebeuc der George Wmhinglon- Bridge über den
Hudson River in New York am 20. August 1062 ließ die Bauherrin, die Port of New
York Authority, eine von Bildliauer Wheeler Williams geschaffene Bronzebüste des
Brückenbauers Othmar liermann Ammann (1870 1065) aufstellen und durch die Gouverneure. BicJiard Hughes von New Jersey und NeUon Rockefeller von New York enthüllen. Die American Society for Friendship with Switzerland ließ nun kürzlich einen Zweitabgiiß dieser Büste als Geschenk an die Eidgenössische Technische Hochschule in /Airich
herstellen. IM'e üchcrgabe fatd am 7. Juni 1068 im Rahmen einer Gedenkfeier im Auditorium Maximum der ETll statt. Nach der Begrüßung der Gäste durch den Präsidenten
des Schweizerischen Schulrates, Minister TJr.J. Burckhardt, gab Nomer Gray, ein früherer
Partner von 0. 11. Ammann, seiner Verehrung für seinen großen Chef Ausdruck, nitti
würdigte das Lebenswerk von Othmar Ammann und saine Bedeutung
Prof. Dr. 1<;\ Stüssi
für die Brückenbaukunst unserer Zeit. Der Präsident rd e American Society for Friendship with Switzerland, W.Grecven, übcrrciclite die. Büste der ETlf* Frau Dr. Ammann
verdankte die Schenkung wirf gab ihrer Freude darüber Ausdruck, daß die Büste an det
ETll aufnestcUt werde, an derjenigen Schule, der ihr verstorbener Mann als ehemaliger
Schüler sein Leben lang eine dankbare Anhänglichkeit bewahrt habe. Abschließend übernahm Prof. Dr. B. Thürlimann als Abteilungsvorstand du- Büste in die Obhut der Abteilung
für Bauingenieurwesen. Wir veröffentlichen nachstehend die Ansprache von
Prof'Jisor Stüssi.
Othmar Hermann Ammann lmt in seinem
arbeitsreichen Leben zweimal die weitestgespannte
Drücke ihrer Zeit gebaut: das erstemal die George
Washington Bridge über den Hudson River in
New York, eröffnet 1031, mit einer Spannweite
der Mittelöffnung von 3500 Kuß oder rund 10(i7 in,
und .später die Verrazano Narrows Bridge über
den Hafeneingang von New York, eröffnet lOu'4,
mit einer Spannweite von 42(>;0 Fuß oder rund
1208 mi Kin driHesnml, bei rd e Golden Gate
Bridge in San Francisco, 1937, mit einer Spaiinwolto von 4200 Fuß (rund 1280 ,m ) lmt er den
Entwurf zwar nicht aufgestellt, nber doch entscheidend beeinflußt, direkt als beratender Ingenieur und indirekt «lurch das Vorbild der
(leorgo Washington Bridge. Ferner hat Othmar
Ammann die weitestgespannte Bogonbrüoke erbaut, die Bayonne Bridge über den Kill, van Kult
mit rund 500 m Spannweite, eröffnet 1031. Kiiie
ganze Reihe weiterer Krücken, wie, die Bronx
VVhitestono Bridge, die Triborough Bridgty, die
Bridge und andere, von denen jede
Throns Neck
einzelne das Kernstück eines erfolgreichen Lebenswerkes bilden konnte, stummen ebenfalls von ihm.
Die entscheidende Kroße Leistung ist für mich
die George. Washington Bridge, mit rd e die vorher
beherrschbare. Spannweite im Brückenbau (als
<;Grand Pont Suspendu» über die Saane mit einer
Spannweite von rund 273 m vom Franzosen
(haley erbaut worden. Hauptelement waren die
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r e «Grand Pont» sollte beinahe hundert Jahre
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lang die weitestgespannte Drahtkabelliängebrücke
in Europa bleiben,
Rund fünfzig Jahre später wurde in New York
tue Brooklyn Bridge über don East River durch
den Deutschamerikaner John Rocbling und seinen
Sohn Washington Roebling erbaut und 3883 erölVnet. Dio Spannweite der MittelölTnung beträgt
1595,5 Fuß oder 486,3 m. Die Drahtkabel wurden
an Ort und Stelle hergestellt; das dafür erilwikkelte Verfahren des Kabclspiimciis wurde 1mm
allen .spateren großen Hängebrücken verwendet.
Von hier an bis zur Eröffnung der George
Washington Bridge war rd e Fortschritt im Hängebrückenbau, gemessen an der (irölJe der Spannweite, bescheiden; die größte in dieser Periode
erbaute Hängebrücke ist die schon erwähnte Delaware River Bridge, 1920, mit einer Spannweite
von 1750 Fuß, was genau der Hälfte der Spannweite der George Washington Bridge entspricht.
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Frühe Entwürfe für die George Washington Bridge In New York; van oben nach unten: von G. Lindenthal 1863, von
Max am Ende 1889, von der Union Bridge Co. 1893.
Eine zweite Gruppe von Entwürfen (vgl.
Abb. 2), in rd e Zeit von 1894 bis 1913 aufgestellt,
zeigt denn auch nur noch Hängebrücken. Dies ist
auch der Fall bei rd e letzten Gruppo (vgL Abb. 3)
mit den Entwürfen von G. Lindenthal, 1920, Prof.
W. Schachenmeier, München 1924, nnd Prof.
G. G. Krivoschein, Prag 1927. Bei allen diesen
Entwürfen erkennt mnn deutlich das Problem, das
den
Entwurfsverfassern offensichtlich große
Schwierigkeiten bereitet hat, nämlich die genügende Aussteifung des Tragwerks durch schwere
oder komplizierte Versteifungsträger. 1823 huile;
Tjouis Navicr die Theorie rd e imversteiften Hängebrücke aufgestellt; es traten jedoch an Brücken
dieses Systems in der Folge zahlreiche, teils
schwere Schäden auf, wie etwa an rd e Brighton
Bridge in England 1830, die zur Auffassung führten, daß bei einer Hängebrücke stets kräftige
Versteifungsträger notwendig seien. Keiner dieser
früheren Entwürfe wurde verwirklicht, weil keiner die gestellte Aufgabe technisch überzeugend
und in wirtschaftlich tragbarer Weise löste. Mnn
kann darüber nur froh sein, denn es läßt sich
heute unschwer erkennen, dnß nllo diese früheren
Entwürfe zu sehr einer einseitig rationalistischen
Denkweise verhaftet waren, wie sie für die zweite
Hälfte des 19. Jahrhunderts kennzeichnend war,
als daß sie einen wahren Fortschritt hätten bedeuten können. Die Verwirklichung war dem Entwurf von <;). II. Ammann mit seiner überzeugend
klaren und einfachen Konzeption rd e Lösung vor-
schweren oder schwer belasteten Seil werden die
Formänderungen aus der relativ kleinen zusätzlichen beweglichen Belastung innerhalb rd e zulässigen Grenzen bleiben. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für den Entwurf der George
Washington Bridge, aber vor der Umsetzung dieser Erkenntnisse in ein so großes und kühnes Bauwerk war eine Prüfung durch umfangreiche Berechnungen nnd auch durch Modellversuche notwendig. Aber auch dann genügen diese theoretischen Erkenntnisse allein noch nicht, um dieses
neuartige Bauwerk zu schaffen; ebenso notwendig
und wichtig ist es, daß nus diesen Erkenntnissen
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auch dio richtigen konstruktiven Folgerungen gezogen werden.
Die George Washington Bridge ist in ihrem
ersten Ausbau mit nur einer Fahrbnhnebene und
ohne Versteifungsträger, also als lmversteifte
[üngebrjtcke, 1931 in Betrieb
1
Benommen worden.
Dies wurde auch in Fachkreisen nicht überall verstunden. Im Jahr 1930 äußerte sich ein anerkannter europäischer Stuhlbnuprofessor wie folgt:
«Dieser Ammann in Amerika ist tollkühn, eine so
große Hangebrücke ohne Versteifungsträger zu
hauen.* Gerade in rd e Größe rd e Brücke liegt die
Begründung für den getroffenen Entscheid.
Otlimar Ammann war nicht tollkühn ; er war kühn,
aber seine Kühnheit wurde durch sein großes,
aber selbstkritisches Wissen kontrolliert.
Eine Besonderheit weitgespannter Tragwerke
ist es, dnß bei gegebener Form des Tragsystems
und bei gegebener äußerer Belastung der erforderliche Aufwand an Konstruktionsmaterial nicht
proportional zur Spannweite, sondern progressiv
zunimmt. Dadurch wird eine besonders sorgfältige
Durcharbeitung des ganzen Entwurfes notwendig,
wobei sich nucli neue grundsätzliche Fragen stellen, wie etwa nach rd e zu erwartenden Größe und
Verteilung rd e Verkehrsbelastung und der zuzulassenden rccluierischcn Verformung usw., die nur
durch eingehende Sonderuntersuchungen zutreffend
beantwortet werden können. Die George Washington Bridge stand in ihrem ersten Ausbau einunddreißig Jahro lang in Betrieb, und sie hat diese
strenge Bewährungsprobe voll und ganz bestanden.
Von Anfang wurden jedoch djc Türme, die
Kabel und die Verankerungen so stark bemessen,
dnß bei zunehmendem Verkehr eine zweite Fahrbahnebene und, rd e nun vergrößerten Verkehrslast entsprechend, ein schlankes Versteifungstragwerk mit einer Höhe von einem Hundcrtzwanzigstel der Spannweite rd e Mittelöffnung
eingebnut werden konnte. Diese vollausgebnute
Brücke (vgl. Abb. 5) ist 1902 in Betrieb genommen worden. Die Bedeutung der George Washington Bridge für die Entwicklung der Brückenbaukunst unserer Zeit kann nicht leicht überschätzt
werden. Der von ihr ausgehende Impuls ist auc'i
in Europa festzustellen ; so bestehen heute auch in
Europa schon zwei Hängebrücken mit etwas mehr
als tausend Metern Spannweite: dio neue Straßenbrücke über den Firth of Forth bei Edinburg, eröffnet 1964, und die Salazar-B rücke über den Tejo
in Lissabon, die 1966 eröffnet wurde.
Es dürfte hier von Interesse sein, zu wissen,
wie Othmar Ammann selber die Arbeit des ent-
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Abb. 4. Goorge Washington Bridge, erster Ausbau mit einer Fahrbahnebene, eröffnet 1931.
behalten (vgl. Abb. 4).
Diese Lösung beruht in erster Linie auf einer
geistigen Leistung, nämlich rd e zutreffenden und
umfassenden Erkenntnis des Kräftespiels in weitgespannten Hängebrücken. Otlunar Ammann bat
erkannt, daß bei zunehmendem Eigengewicht und
damit Ihm zunehmender Spannweite die Bedeutung
des Versteifungsträgers für die Beherrschung der
Verformungen unter beweglicher Verkehrslast
mehr und mehr zurücktritt. Bei einem genügend
(*) CM1MVM
1924,
aus parallelen Drähten gebildeten Tragkabel, und
Das Bedürfnis nach einer Ucborbrüekung des
Hudson River /.wischen Manhattan und New Jersey bestand schon seit der Eröffnung der BrookAusgangspunkt sei dk) Delaware River Bridge
lyn Bridge, und es wurden immer wieder von
/.wischen Philadelphia und Cnmdcn, 1926, mit
führenden Ingenieuren der Zeit Entwürfe für ein
einer Spannweite von 1750 Fuß genannt) auf
solches Bauwerk aufgestellt. Die ersten Bilder, dio
einen Schlaf» verdoppelt und ein alter Wunschder Beschreibung rd e George Washington Bridge
traum rd e Ingenieure, Spannweiten von tausend
von Othmar Ammann entnommen sind, zeigen
Metern und mehr zu überspannen, verwirklicht
eine Anwahl aus diefen Entwürfen. Eine erste,
wurde. Die Verrazano Narrows Bridge ist die.
konsequente und meisterhafte Weiterführung dei; ,: Ctyittpc fCvtfl.-.AJjJi. J.)1|l.eitthat;jUIeV,drei Trog*KySt*me;»<;(U*r»
r»r eine W»«)*rti«*ft Voß<;'r Spannmit der George Washington Bridge" £ln#61eltctoriv
Entwicklung. Es ist wohl kaum daran zu zweifeln,
weite in Frage kommen kühnen, nämlich die verHängebrücke
(G. Lindenthal, 1888), die
ankerte
daß spätere Generationen diese beiden Brücken,
fachwerk form ige Bogenbrücke (M. am Ende,
die George Washington Bridge und die Verrafuchwerkförmigen
Gerberträger
1889)
Meisterleistungen
Bridge,
und den
als die
zano Narrows
oder «Cantilever» (Union Bridge Co., 1893). Man
rd e Brückenbaukunst unserer Zeit betrachten
Spannweiten,
heute,
weiß
daß für
wie sie für eine
werden.
Ueberbrückung des Hudson River notwendig sind,
Um die Bedeutung der George Washington
Bridge für die Entwicklung der Brückenbaukunst
sowohl der Bogenträger wie auch rd e Gerberträger
der Hängebrücke wirtschaftlich weit unterlegen
zu verstehen, ist es notwendig, kurz auf die Vorgeschichte einzugchen. 1832, also fast genau hunsind, so daß sie für die Lösung der vorliegenden
Aufgabe ausscheiden.
dert Jnhre vorher, ist in Freiburg (Schweiz) der
Abb.
i.
Abb.3. Letzte Entwürfe für die George Washington Bridge: von G. Lindenthal 1920, von W. Schachenmeler
G. G. Kriwoschein 1927, von O. H. Ammann 1923.
.
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.|
Entwürfe für die George Washington Bridge: vom Board of Engineers des Secretary of War 1894,
George S. Morison 1896, von Boller, Hodge & Baird 1913.
Abb. 5. George Washington Bridge, voller Ausbau mit
Neue Zürcher Zeitung vom 10.07.1968
»ei
Fahrbahnabeae», eröffnet 1962.
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Mittwoch, 10. Juli 1008
TECHNIK
Mittagausgabe Nr. 418
Abb. 6. Bayonne Bridge Ober don Kill von Kuli, oröffnot 1031.
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Abb. 7. Vorgloichsontwürfe zur Bayonne Bridge.
werfende» Ingenious gesehen hat, und es sollen
deshalb uns seinem Boricht ül)er die Hell Qntc
Bridgo (1918), an deren Bnu er als erster Mitarbeiter von Gustav lindenthal wesentlich beteiligt war, einige Sätze zitiert werden:
«A great work of art ©volvos from an idea
in thc niind of its creator. It Ls brought on
paper or inlo moro conteinplativc forni and
then changed and remodellcd. Not nntil thc
plans havc passed through changes and corrections, and liavc bcen submitted to an almost
endless series of finishing touches, docs thc
great work attain its perfection. A great bridge
in a great city, although primarily utilitarian
in its purpose, should ncvcrthcless bo a work of
art to which- Science lcnds its nid. An elaborate
stress sheet, worked out on a purdy economic
and scientific basis, does not mako a groat
bridge. It Ls ouly witli a broad sense for
beauty and harmony, eouplcd with wido experience in thc scientific and technical field,
tilsit a monumental bridge can bc created.»
Diesen Grundsätzen ist er in allen seinen Werken treu geblieben. In seiner Begclureibung der
George Washington Bridge stellt er fest:
«In tlio coso of the George Washington
Bridge, the controlling criteria in selecting the
system and its proportions wcre structural
simplicity, maximum economy consistent with
tho required degree of rigidity, competitive
conditions, and aesthetic conception.»
Le Corbusier sagt in seinem Buche *When thc
Cathedrals werc White» (zitiert nach der englischen Ausgabe) : «Tho George Washington Bridge
over thc Hudson is thc ino.it beautiful bridge in
thc world. ... It is blessed. It Ls thc only .seilt of
grace in the city.»
Die Bayonne Bridge über den Kill von Kuli
(vgl. Abb. 6), zwischen Stuten Island und New
Jersey, die mit einer Spannweite von 1652 Filli
oder 503/im, zwischen den Gelenkmitten gemessen, die weitestgespannte aller bis heute gebauten
Bogenbrücken ist, zeigt besonders anschaulich, mit
welcher Sorgfalt und Gründlichkeit Othmar AmAufgabe die beste
mann bei einer gegebenen
Lösung gcsuclit hat. Der Wahl des Zweigclenkbogcns als Tragsystem liegen eingehende Vergleichsuntersuchungen zugrunde, von denen Abbildung 7 eine Auswahl zeigt. Die wir Ausführung
gewühlte Bogenbrücke war hier wirtschaftlicher
Gcrbcrträgcrals eine Hängebrücke oder eine
d e in gerinbrfickc. Dies ist zur Hauptsache auf n
ger Ticfo anstehenden guten Baugrund (Fels),
die Möglichkeit einer einfachen Montage im Freivorbau auf provisorischen Stützen und schließlich
diirnuf zurückzuführen, dnß bei der Bogenbrücke
kcino teuren SeitenöfTnungcn erforderlich waren.
Der Bauausführung lugen ungewöhnlich oingchcndo Berechnungen zugrunde; so war ich selber während meiner Tätigkeit bei der Port of New
York Authority auch damit beschäftigt, die Nebeii.spiuinungen im Bogciihauptt rüger während verschiedener Moiitage/.uständo zu berechnen. Dio
Bnyonno Bridge ist 1931 eröffnet worden.
Es soll noch kurz dos letzte große Meisterwerk
Othmar Ammanna betrachtet werden, dio Verrazano Narrows Bridge (vgl. Abb. 8), dio Brooklyn
und Staten Island miteinander verbindet, indem
d e Hafeneingang von New York überspannt.
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Diese Brücke ist am 21. November 1904 durch den
Präsidenten rd e Vereinigten Staaten als bisher
weitestgespannte Brücke unserer Welt dem Verkohr übergeben worden. Jeder, der zum erstenmal
auf dieser Brücke steht, wird, wenn er wenigstens
den Sinn für dio Größe einer geistigen Leistung
besitzt, gepackt sein vom Empfinden, einer unvergänglichen, großen Meisterleistung gegenüberzustehen. Es ist einmalig in der Geschichte der
Brückenbaukunst, dnß ein großer Baumeister im
Alter von über achtzig Jahren «Ins größte Bauwerk seiner Zeit ausführt und vollendet. Auch dio
Narrows Bridge wird zwei Fnhrbalmebenen besitzen (vgl. Abb. 9) wie die vollausgebnute George
Wasliington Bridge; vorläufig ist jedoch erst die
obere Fahrbahnebene mit (i Fahrspuren in Betrieb. Jedes der vier Kabel enthält 2(i 108 parallele Drahte von rund 5 mm Durchmesser. Die
Gesamtlänge dieser Drähte beträgt etwa 143 000
Meilen; dies würde ausreichen, um nd e Erdumfang
mehr als fünfcinhnlbmal zu umspannen. Der
Kostenvoranschlag lautete auf 325 Mill. Dollar,
und or ist eingehalten worden.
Auf die Eröffnung rd e Brücke hat die Baubehörde, die. Triborough Bridge and Tunnel
Authority, cino Schrift, tSpanning the N arrows»,
herausgegeben, in der Bedeutung und Entstehung
der Brücke dargestellt werden. Die Schrift enthält
einen Abschnitt «Thc Mcn» über die Manner, die
diese Brücke gebaut haben. Es wird dort festgestellt, daß in Spitzenzeiten gleichzeitig bis zu
1200 Mann auf der Baustelle gearbeitet haben,
daß liber dahinter die Arbeiter in den Stahlwerken
und Stalübauwcrkstätten, die Transportarbeiter,
die Angestellten rd e Baubehörde sowie ungezählte
Ingenieure, Architekten und Zeichner ebenfalls am
Brückenbau beteiligt waren. Ein einziger all dieser
Männer wird mit Nnmen genannt: Othmar Hermann Ammann, der Schöpfer der Brücke. Nach
einer Aufzählung seiner bedeutendsten Werke
d e Worten:
schließt der Abschnitt mit n
«Tho young Swiss engineer who carne to
America in 1904 to "gain a fcw years' experience in American bridge building techniques" has spent 60 years hcre making an
enormous contribution to thc development of
liis adopted bind. He stands today thc foremost bridge builder in thc world.»
Sieur
Ammann der orsto Brückenbauer unserer Zeit in
unserer Welt war, wird auch in Zukunft gültig
bleiben. Seino schweizerische Herkunft und auoll
der Umstand, daß er ein ehemaliger Schüler unserer Hochschule war, sind in Amerika immer
wieder ausdrücklich zur Kenntnis genommen worden. Damit hat er durch sein überragendes Wissen und Können, aber auch durch das Oewieht
seiner integren Persönlichkeit wesentlich zum
guten Huf unseres Landes beigetragen.
Unser
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u n hätte wohl nie einen bessern Botschafter
Mach Amerika entsenden können.
Er hat aber auch sein Leben hing seiner alten
Heimat und seiner alten Hochschule eino treue
Anhänglichkeit bewahrt und
durch dio Tat bewiesen. Als Vortroter der Gesellschaft ehemaliger
Polytechniker in nd e Vereinigten
Stiinten hat er
jahrzehntelang unsere jungen Absolventen,
dio
nach Amerika kamen, unterstützt und ihnen geholfen. An unserer Hochschule hat er einen
geschaffen,
begabten
O. H. Ammann-Fnnds
der
jungen Absolventen helfen soll, iliro berufliche
Ausbildung durch zusätzliche
Studien in Amerika
zu vertiefen.
Auf die Jahrhundertfeier der Eidgenössischen
Technischen Hochschule 1955 hat die «Neue Zürcher Zeitung» (Nr. 2791/93) eine umfangreiche
Festnummer mit Beitrügen von Lehrern, ehemaligen
Schülern und Freunden der ETII herausgegeben,
die auch einen Beitrag, «Von der Weltgeltung der
*i+t*HHitt
*j'j
lehnen.
Othmar Ammann hat dreimal einen leistungsfähigen Mitarbeiterstab aufbauen müssen, bei der
Port of Now York Authority, bei der Triborough
Bridgo and Tuiinol Authority und bei soinor oigonen Firma Ammann & Whitney, und er luit dieso
Aufgabe jedesmal erfolgreich gelöst. Ein früherer
Mitarbeiter, John M. Kj/le jun., hat in einem Nachruf gesagt, dio Listo dieser Mitarbeiter lose sich
wie ein «Who is Who in Bridgo Engineering».
Wenn mau das Glück hatte, in einer dieser Organisationen mitzuarbeiten, war das Geheimnis des
Erfolges leicht zu erkennen: dio Atmosphäre der
Zusammenarbeit war gekennzeichnet durch dio
gemeinsame Verehrung des großen Chefs; jeder
bemühte sich, sein Bestes zu gehen, um sich sein
Vertrauen zu verdienen und zu erhalten.
Auf einen letzten Aspekt von Othmar Ammanns Lebenswerk soll noch hingewiesen werdon,
einen Aspekt, der zur Geistesgeschichte gehört und
der besonders deutlich heim ersten Ausbau der
Oeorgo Washington Bridgo erkennbar wird.
Leonardo da Vinci bat als erster den Begriff
für beliebig gerichtete
Kräfte richtig formuliert, indem er senkrecht zur
des statischen Momentes
Kraft gerichtcto
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Abb. 10. Skizzen von Leonardo da Vinci zur Darstellung des statischen Montante«, Codice Arundel folio I, yerso.
In diesem Abschnitt sollen zwei Punkte unterstrichen werden. Dio Feststellung, daß Othmar
Abb. 11. EnthOllung der Busto von O. H. Ammann bei der Eröffnung der zweiten Fahrbahn der George Washington Bridge am
links nach rechts: Othmar H. Ammann, Gouverneur Richard Hughea von New Jersey und Gouverneur
Nelson Rockefeller von New York.
29. August 1962; von
ETH», von Othmar Ammann enthält. Es sollen
die beiden letzten Sätze dieses Beitrages zitiert
werden:
«In Anbetracht
des
hundertjährigen erfolg-
reichen Wirkens der ETH darf wohl mit Zuversicht rd e Ansicht Ausdnick gegeben wer,d e n daß sie, auf ihren bisherigen gesunden
Lehrprinzipien beharrend, ungeschmälert ihr
hohes Ansehen auch weiterhin aufrechterhalten
Abb. 9. Querschnitt der Verrazano Narrow« Bridge.
wird.
Abschließend möchte i(jh meiner Alma
mater meinen tiefsten Dank aussprechen für
die Erziehungsgrundlage, dio es mir ermöglicht
hat, zu n
d e Entwicklungen in meinem Berufsgebiet einen Teil beizutragen.»
Die Eidgenössische Technische Hochschule in
Zürich darf für sich in Anspruch nehmen, daß sie
Leistungen ihres großen ehemaligen
die großen
Schülers als erste schon 1930, also noch vor der
Eröffnung der Gcorgo Washington Bridge, durch
die Verleihung der Würde cines Ehrendoktors der
technischen Wissenschaften anerkannt bnt.
Die Mitarbeiter von Ammann und Whitney
h a b e kürzlich eine Ehrentafel zum Andenken an
n
ihren großen verstorbenen Chef aufstellen lassen.
gilt nicht nur seinem überlegenen
Diese Ehrentafel
Bridgo Ober die Hafeneinfahrt
Abb. 8. Verrazano Narrow«
hoit hat ihn jedoch glücklicherweise nicht daran
gehindert, wo es nötig war, seino Auffassung
nachdrücklich zu vertreten oder Oberflächlichkeit
und oitlo Besserwisserei klar und deutlich abzu-
»nun f«9
Mnrt
3iirdjer<;3ritoH5
wo New York, Spannweite der Mitteloffnung
1298 m,
eröffnet
1964
Wisen und Können, sondern ebensosehr seiner
Fürsorge, mit
Menschlichkeit, der
der er seine Mitarbeiter förderte, und rd e persönjeden
Bescheidenheit,
beeindruckte,
dio wohl
lichen
Berührung kam. Diese Beschcidcnder mit ihm in
Neue Zürcher Zeitung vom 10.07.1968
schaulich tbracaa potenziali* nennt. Es ist ein
eindrückliches Zeugnis für die schöpferische Kraft
der Intuition Leonardos, daß er seinen Nachweis
an einem belasteten Seil geführt hat (vgl.
Abb. 10). Seine Skizze stellt zwei Zusammenhänge dar, nämlich die Grundform des Scilpolygons, dieses unentbehrlichen baustatischen Hilfsmittels, das durch den Franzosen Varignon sowie
durch Karl Culmann und auch Wilhelm Ritter,
den Lehrer Othmar Ammanns, ausgebaut wnrdo
und dessen Leistungsfähigkeit durch Uebcrsetzung
der Zeichnung in die Sprache der Rechnung noch
weiter gesteigert wird, und zweitens liefert uns
die Beweisführung Leonnrdos auch dio Berechnung der Kräfte, die in einem belasteten Seil, in
rd e Erweiterung also in einer Hängebrücke, wirken. Diesen Zusammenhang hat Othmar Ammann
konsequent und umfassend durchdacht und im
ersten Ausbau rd e George Washington Bridge in
vollendeter Weise verwirklicht. So besteht in der
Geistesgeschichte ein direkter Zusammenhang von
Leonardo da Vincis schöpferischer Idee bis zu
Othmar Ammanns vollendeter Verwirklichung.
Durch diesen Zusammenhang erhält die
Ehrung, die Othmar Ammann bei der Einweihung
rd e zweiten Fahrbahn rd e George Washington
Bridge erfahren hnt (vgl. Abb. 11) ihren tieferen
Sinn. Dieser Ehrung verdankt man die Gedenkstunde vom 7. Juni 1968, und damit fällt von
diesem geistesgeschichtlichen Zusammenhang auch
ein Lichtstrahl auf die Eidgenössische Technische
Hochschule in Zürich.