Grdz. Spanien 1. Teil: Grundzüge B. Rechtsquellen
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Grdz. Spanien 1. Teil: Grundzüge B. Rechtsquellen
Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien 1. Teil: Grundzüge1 B. Rechtsquellen, Rechtsgeschichte und intertemporales Recht I. Rechtsquellen 1. Spanien, ein Mehrrechtsstaat 1 Spanien hat kein einheitliches Erbrecht. Das materielle spanische bürgerliche Recht ist – im Gegensatz zum Kollisionsrecht2 - nicht in allen seinen Teilen für das gesamte Staatsgebiet gleichförmig geregelt. Vielmehr gelten in bestimmten Gebieten Vorschriften und Rechtsordnungen, welche von dem im Código Civil, dem spanischen Zivilgesetzbuch, kodifizierten gemeinspanischen Recht abweichen und auf die von ihnen erfassten Tatbestände vorrangig anzuwenden sind3. Insgesamt bestehen für das Erb- und Ehegüterrecht, unter Einschluss des gemeinen Rechts und von weiteren lokalen Besonderheiten abgesehen, sieben verschiedene Rechtsordnungen. Diese Vorschriften und Rechtsordnungen werden, je nach Gebiet, als Foralrecht (Derecho foral) oder besonderes Recht (Derecho especial) bezeichnet. Im Folgenden und in Übereinstimmung mit dem spanischen juristischen Sprachgebrauch, meint Foralrecht beides. Foralrecht besteht in folgenden Autonomen Gemeinschaften Spaniens4, welche mit den historischen Regionen gleichen Namens übereinstimmen: Aragonien: Baskenland: Balearische Inseln: Aragonesisches Foralrecht Baskisches forales Zivilrecht (in bestimmten Gebieten) Balearisches besonderes Zivilrecht (jeweils unterschiedlich für Mallorca, Menorca, sowie Ibiza und Formentera) 1 Zu den Quellen bis 1966: Hierneis. Vgl. im übrigen auch www.hierneis.de . Vgl. Rz 29. 3 Dies können auch Tatbestände sein, die sich außerhalb des jeweiligen Foralrechtsgebietes vollziehen, vgl. Rz 55 f. 4 Das Königreich Spanien besteht heute aus den 17 Autonomen Gemeinschaften Andalusien, Aragón, Principado de Asturias, Baleares, Canarias, Cantabria, Castilla - La Mancha, Castilla y León, Cataluña, Comunidad Valenciana, Extremadura, Galicia, Madrid, Murcia, Navarra (Comunidad Foral), País Vasco, Rioja und den beiden autonomen Städten Ceuta und Melilla in Nordafrika. Die Autonomen Gemeinschaften entsprechen entweder einer der 50 Provinzen (Asturias, Balearen, Cantabria, La Rioja, Madrid, Murcia, Navarra) oder setzen sich aus mehreren davon zusammen (alle übrigen). Die 1978 eingeführte Verfassung sieht Spanien als dezentralisierten Staat. Der spanische Staat ist kein föderativer Bundesstaat, sondern Zentralstaat, der eine Reihe von Zuständigkeiten ganz oder teilweise den Autonomen Gemeinschaften zugewiesen hat. Bei den Verfassungen der einzelnen Autonomen Gemeinschaften den Estatutos de Autonomía (Autonomiestatute)- handelt es sich nicht um Verfassungsakte einer gesetzgebenden Versammlung, sondern um Gesetze, welche mit der Zentralregierung abgestimmt und vom nationalen Parlament autorisiert sind. Die Zuständigkeit des Tribunal Superior de Justicia erstreckt sich auf zivilstraf-, verwaltungsrechtliche und sozialrechtliche Angelegenheiten. In Fragen des Foralrechts des seiner Zuständigkeit unterstehenden autonomen Gebiets entscheidet es als Kassations- und Revisionsinstanz (Revision hier im Sinne von „Wiederaufnahme des Verfahrens“). Darüber hinaus ist es zuständig für Klagen gegen die Verwaltung des autonomen Gebietes. Sein Aufgabenbereich ist in dem jeweiligen Estatuto de Autonomía des autonomen Gebiets enthalten (nach: Simons-Landesberichte, Spanien; Ursula Vestweber / Dr. Jaume Solé, Ramos & Arroyo, Barcelona; www.simons-law.com/d/laber_d.htm - Zugriff: März 2002). 2 1 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Galicien: Katalonien: Navarra: Galicisches besonderes Zivilrecht Katalanisches besonderes Zivilrecht (mit lokalen Besonderheiten) Navarrisches forales Zivilrecht (Fuero Nuevo de Navarra) Die Foralrechtsgebiete machen rund ein Viertel des spanischen Staatsgebietes aus. Beigefügte Karte zeigt die geographische Geltung der vom gemeinen Recht abweichenden Rechte. <Anweisung für den Verlag: Bitte die vorhandene Karte beibehalten!> Daneben besteht in einigen Orten der Autonomen Gemeinschaft Extremadura, in denen der Fuero del Baylío gilt, eine besondere Form der gesetzlichen Gütergemeinschaft. 2 Das Verhältnis zwischen gemeinem Recht und Foralrecht in der Privatrechtsordnung (vgl. Rz 12) kann kurz wie folgt charakterisiert werden: spanischen Das gemeine Recht, insbesondere der Código Civil, ist im sog. Gebiet des gemeinen Rechts, d.h. in dem nicht einem Foralrecht unterstehenden übrigen Spanien, unmittelbar anzuwenden. In den Foralrechtsgebieten gilt der Código Civil in einigen Teilen ebenfalls unmittelbar (Einleitender Titel und IV. Buch mit Ausnahme des Ehegüterrechts, Art. 13 Abs. 1 CC, Rz 12.). Gegenüber den vorrangigen Regelungen der Foralrechte kommt ihm im Übrigen die Stellung eines Subsidiärrechts zu (Art. 13 Abs. 2 CC, Rz 12 ff.) 3 Die foralrechtlichen Besonderheiten betreffen insbesondere das Erbrecht und das Ehegüterrecht. Die erbrechtlichen Unterschiede sind vor allem bedeutend im Bereich von Form und Inhalt letztwilliger Verfügungen, der Zulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente und Erbverträge, Noterbenrecht, Aufbesserungen (mejora), Ausgleich von Vorempfängen, gebundenem Stammesvermögen, Fideikommissen und Rechten des überlebenden Ehegatten. Im Familienrecht finden sich unterschiedliche Regelungen der gesetzlichen und vertraglichen Güterstande und der Verbindung von Eheverträgen mit Erbverträgen und Erbeinsetzungen. In den Foralrechten spielt die Willensautonomie der Parteien auch im Familien- und Erbrecht eine herausragende Rolle. In vielen Fällen beruhen sie auf einer straffen und stabilen Organisation der Familie und sind darauf ausgerichtet, die ungeteilte Erhaltung vor allem des kleinen bäuerlichen Familienbesitzes zu ermöglichen. Gesetz und Gewohnheit führen durch ihr Zusammenwirken Ergebnisse herbei, wie sie sich auch im historischen bäuerlichen Erbrecht und dem modernen Anerbenrecht Deutschlands finden („Der Bauer hat nur ein Kind“). Die mehr oder weniger weitgehende Testierfreiheit ermöglicht es dem Erblasser, einen Erben als Nachfolger auszuwählen und die übrigen Abkömmlinge, je nach der Gestaltung des Pflichtteilrechtes bzw. des Noterbenrechtes und den Grenzen der Testierfreiheit in den einzelnen Foralrechten, ganz von der Erbfolge auszuschließen (Baskenland: Ayala, Bizkaya, Navarra und Aragonien) oder ihnen ihren Pflichtteil in Geld zuzuwenden (Katalonien, Balearen, Galicien). Demgegenüber erschwert die Regelung des Noterbenrechtes im Código Civil eine derart vollständige Erhaltung des Familienvermögens, wie sie die Foralrechte ermöglichen. Ein gewisser Schutz für die Mindestgröße landwirtschaftlich genutzter Grundstücke ergibt sich lediglich aus dem Gesetz über die Modernisierung von Landwirtschaftsbetrieben vom 2 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien 4.7.19955. Sein Art. 24 bestimmt, dass eine Aufteilung unter den Erben, falls das an strengen materiellen und formellen Maßstäben ausgerichtete Gesetz anwendbar ist, nicht zu einem Grundstück unter den im einzelnen von den Autonomen Gemeinschaften festzusetzenden Mindestgrößen führen darf. 2. Rechtsquellen des gemeinen Rechts 4 Die wichtigste Rechtsquelle ist der Código Civil, das spanische Zivilgesetzbuch von 18896, der seither eine Vielzahl von Änderungen erfahren hat. Er besteht aus einem Einleitenden Titel und vier Büchern: Einleitender Titel Buch I Buch II Buch III Buch IV Rechtsnormen, ihre Anwendung und Wirksamkeit Personen (Personen und Familienrecht) Sachen, das Eigentum und dessen Änderungen (Vermögensrecht) Die verschiedenen Arten des Eigentumserwerbs (Erbrecht, Schenkung und Aneignung) Schuldverhältnisse und Verträge (Schuldrecht, einschließlich Ehegüterrecht) Obwohl der spanische Código Civil aus vier Büchern, der französische Code civil aus drei besteht, hat letzterer einen gewissen Einfluss ausgeübt. Die unterschiedliche Gliederung beruht, außer auf dem großen Umfang des dritten Buches, auch auf systematischen Gründen, wie der unterschiedlichen Art des Eigentumserwerbs im französischen und spanischen Recht. Im Kausalsystem des letzteren ist neben dem Vertrag (titulus) auch die Übergabe (modus) erforderlich. Einen „Allgemeinen Teil“ gibt es nicht. Das Erbrecht ist im 3. Titel des Buches III neben der Besitzergreifung und der Schenkung (Art. 657 bis 1087 CC) als eine der Arten des Eigentumserwerbs geregelt. Der vorangestellte Art. 608 CC führt diese Arten des Eigentumserwerbs sowie noch den Eigentumserwerb als Folge bestimmter Verträge mittels Übergabe auf. Die Regelung der Ehewirkung findet sich im 4. Titel des Buches I über die Personen (Art. 42 bis 107 CC) und diejenige der Güterstände im 3. Titel des Buches IV über die Schuldverhältnisse und Verträge (Art. 1315 bis 1444 CC). Der Erbrechtsteil des Código Civil ist wie folgt gegliedert: Dritter Titel. Erbrecht Erstes Kapitel: Zweites Kapitel: Drittes Kapitel: Viertes Kapitel: Fünftes Kapitel: Sechstes Kapitel: Testamente Erbschaft Gesetzliche Erbfolge Reihenfolge der Beerbung nach den verschiedenen Linien Gemeinsame Vorschriften für die Erbfolge mit und ohne Testament Anrechnung und Teilung Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament kennt das gemeine Recht nicht7. Das Noterbenrecht und die Rechte des überlebenden Ehegatten sind in dem Kapitel über die Erbschaft enthalten. 5 Gesetz 19/1995. Real Decreto vom 24.07.1889, vgl. auch 2. Teil: Gesetzestexte A I. 7 Das gemeinspanische Recht steht, der römischen Rechtstradition folgend, gemeinschaftlichem Testament und Erbvertrag – also Rechtsfiguren, wo der bzw. ein Erblasser nicht alleine handelt – wegen befürchteter 6 3 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Das Internationale Privatrecht findet sich in den Art. 8 bis 12 CC, das Interregionale und Interlokale Privatrecht in den Art. 13 bis 16 CC. Die wichtigsten Änderungen des Código Civil der letzten Zeit bezogen sich auf den Einleitenden Titel (1974)8, die Volljährigkeit (1978)9, die Gleichstellung von Mann und Frau (1990), die Testamente (1991), den Schutz der Minderjährigen, das Namensrecht (1999) und die Bestimmungen über die Staatsangehörigkeit (2002). Für das Erbrecht relevante Vorschriften finden sich außerhalb des Código Civil in folgenden Gesetzen: Zivilprozessgesetz (Ley de Enjuiciamiento Civil) von 188110 (gilt in Teilen11 noch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit bis zum Erlass eines eigenen Gesetzes über dieses Verfahren). Zivilprozessgesetz 200012, (Ley de Enjuiciamiento Civil 2000), Gesetz 1/2000 vom 07.01.2000, in Kraft seit 08.01.2001 (BOE Nr. 7 vom 08.01.2000). Neben vielen anderen Neuerungen reduziert dieses Gesetz die zivilprozessualen Verfahrensarten von vier auf zwei: Das mündliche Verfahren (Juicio V erbal) bei Streitwerten bis zu 3000 € und das ordentliche Verfahren (Juicio Ordinario) bei darüber liegenden Streitwerten13, und führt das Mahnverfahren wieder in das spanische Prozessrecht ein. Für das Erbrecht sind insbesondere die Bestimmungen über die Teilung des Nachlasses von Bedeutung (Art. 782 ff.). Gesetz über die richterliche Gewalt von 198514 (Ley Orgánica del Poder Judicial), Organgesetz15 6/1985 vom 01.07.1995 (BOE Nr. 157 vom 02.07.1985). Das Gesetz regelt die Gerichtsverfassung. Beeinflussungen negativ gegenüber. Jedoch verstoßen diese Arten der letztwilligen Verfügungen in Spanien nicht gegen den ordre public, da sie in den Foralrechten, welche ebenfalls spanisches Recht sind, in unterschiedlichem Maße zugelassen werden, ja oft sogar eines der Kernstücke der erbrechtlichen Regelungen sind.. 8 Decreto 1836/1974 vom 11. Mai 1974 (BOE Nr. 163 vom 09.07.1974). 9 Real Decreto-Ley 22/1978 vom 16.11.1978 (BOE Nr. 275 vom 17.11.1978). 10 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte A II 3. 11 Seit 08.01.2001 gilt in Spanien das neue Zivilprozessgesetz 2000 (BOE Nr. 7 vom 08.01.2000, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens vgl. 21. Schlussbestimmung). Wie aus Ziff. V. der Gesetzesmotive hervorgeht, bleiben die Bestimmungen des alten Gesetzes, welche sich auf die so genannte freiwillige Gerichtsbarkeit beziehen, bis zum Erlass eines eigenen Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit in Kraft (Einzige Aufhebungsbestimmung - Disposición derogatoria única des Zivilprozessgesetzes 2000). 12 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte A II 3 a. 13 Unbeschadet der Tatsache, dass nach Art. 249 ff. LEC 2000 bestimmte Angelegenheiten einer dieser Verfahrensarten durch das Gesetz zugewiesen werden. 14 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte A II 4. 15 Organgesetze sind Gesetze, welche die Verfassungsnormen in Bezug auf die Grundrechte und Grundfreiheiten ausführen. Die Verpflichtung, diese Materien durch Organgesetze zu regeln, wird Organgesetzvorbehalt genannt. Organgesetze sind auch diejenigen, welche die Autonomiestatute bestätigen und die allgemeine Wahlordnung regeln, sowie sonstige, für die dieser Rang in der Verfassung angeordnet ist. Die Beschließung, Änderung und Aufhebung hat mit absoluter Mehrheit der Abgeordnetenkammer zu erfolgen. Im übrigen entspricht das Gesetzgebungsverfahren dem der ordentlichen Gesetze. Wird es nicht insgesamt, sondern Artikel für Artikel beschlossen, so genügt die einfache Mehrheit (Art. 75, 81, 87 CE; Art. 114 und 130-132 Geschäftsordnung des Abgeordnetenkongresses) – nach Ribó Durán, L., Diccionario de Derecho, Barcelona, 1995 (CD-ROM). 4 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Notargesetz (Ley del Notariado) vom 186216 Notarreglement (Reglamento Notarial) von 194417 Hypothekengesetz (Ley Hipotecaria), in der Fassung des Dekrets vom 08.02.194618 und in folgenden Staatsverträgen: Haager Abkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 05.10.1961; in Spanien in Kraft seit 10. Juni 1988 Baseler Europäisches Übereinkommen über die Einrichtung einer Organisation zur Registrierung von Testamenten vom 16.05.1972, in Spanien in Kraft seit 29.09.198519 3. Rechtsquellen der Foralrechte 5 Die Foralrechte sind eigenständige Rechtsordnungen, die in der Rechtsquellenhierarchie des entsprechenden Gebietes den gleichen Rang einnehmen, wie der Código Civil im Gebiet gemeinen Rechts, ohne diesem gegenüber den Charakter von Privilegien oder zweitrangigen Rechtsquellen zu haben20. Sie sind also nicht etwa als Ausnahmebestimmungen eng auszulegen. Die spanischen Gerichte müssen das Foralrecht kennen und immer dann anwenden, wenn die Kollisionsnormen an das Recht eines Foralrechtsgebietes anknüpfen. Dies gilt umso mehr, als heute für alle Foralrechtsgebiete Gesetzeswerke (Compilaciones, Códigos y Leyes) vorliegen.21 Während der Franco-Zeit wurden zwischen 1959 und 1973 für alle Foralrechtsgebiete Kompilationen durch den Zentralstaat erlassen, welche die Gesetzgebungsorgane der Autonomen Gemeinschaften mittlerweile durch eigenständige Gesetze ersetzt haben. Dies führte vor allem seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts zu einer regen Gesetzgebungstätigkeit, die noch nicht abgeschlossen ist. Die für das Erbrecht relevanten Quellen der Foralrechte sind: 16 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte A II 5. Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte A II 6 18 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte A II 7. 19 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte A II 2. 20 Dekret 1836/1974 (siehe Fn 8), Einleitung: 17 La fortaleza de la integración histórica y política de España, lejos de resentirse, alcanza su completa realización con el reconocimiento de los derechos forales, que no son formas privilegiadas ni menor residuos personalistas de normas anacrónicas, sino verdadero y actual reflejo jurídico de realidades perceptibles en nuestro propio modo de ser y existir colectivos. Esta idea... se hace patente en el actual artículo 13, que recoge lo establecido en la base séptima.... 21 Die historische und politische Integrationskraft Spaniens erreicht, weit davon entfernt sich abzuschwächen, ihre volle Verwirklichung in der Anerkennung der Foralrechte, welche keine privilegierten Formen noch personalistische Überbleibsel anachronistischer Normen sind, sondern der echte und aktuelle juristische Ausdruck von wahrnehmbaren Realitäten unserer eigenen Wesensart und unseres kollektiven Zusammenlebens. Diese Idee... wird im neuen Artikel 13 sichtbar, welcher das übernimmt, was in der der 7. Grundlage bestimmt war... Ausnahme: Fuero del Baylío, welches sich nur auf eine einzige Institution des Ehegüterrechts bezieht. 5 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien a) Aragonien: 6 Kompilation des Zivilrechts von Aragonien (Ley sobre compilación del Derecho Civil de A ragón), (Autonomes) Gesetz 3/1985 vom 21.05.1985 (BOE Nr. 161 vom 06.07.1985)22. Die Kompilation übernahm die Regelungen der vom Staat erlassenen Kompilation von 1967 mit Änderungen und dokumentiert die Gesetzgebungsbefugnis des autonomen Gesetzgebers. Die Kompilaton von 1967 hatte ihrerseits den „Anhang zum Código Civil über das Foralrecht von Aragonien (A péndice al Código Civil correspondiente al Derecho foral de A ragón)“ von 1925 ersetzt. Erbgesetz (Ley de Sucesiones por Causa de Muerte), (Autonomes) Gesetz 1/1999 vom 24.02.1999 (BOE Nr. 72 vom 07.03.1999)23. Das Gesetz hebt die erbrechtlichen Bestimmungen der Kompilation auf (Art: 89-142), mit der zusammen es das geltende Zivilrecht von Aragonien bildet (Motive I.) Gesetz über das Ehegüterrecht und den Nießbrauch des überlebenden Ehegatten (Ley de Régimen Económico Matrimonial y V iudedad),(A utonomes) Gesetz 2/2003 vom 12. Februar 2003. (BOA24 Nr. 22 vom 24.02.2003; BOE Nr. 62 vom 13.03.2003). Das Gesetz, das am 23.04.2003 in Kraft getreten ist, regelt in 119 Artikeln das Ehegüterrecht sowie den Nießbrauch des überlebenden Ehegatten als unveräußerliches und unpfändbares Recht. Es setzt die Titel IV, V und VI des ersten Buches der Kompilation (Art. 27 bis 88), sowie den Art. 7 (dessen Vorschriften sich jetzt, mit anderer Gesetzestechnik, in Artikel 60, 98, Abs. 1, e und 101 Abs. 2 finden) außer Kraft. Es hebt weiter den seit Inkrafttreten des Erbgesetzes von 1999 gegenstandslosen Art. 22 der Kompilation auf. Die erste Schlussbestimmung fasst die Artikel 139, 202 Abs. 2 und 221 des Erbgesetzes neu. Die zweite Schlussbestimmung gibt zwei Vorschriften der Kompilation, die bereits durch das Erbgesetz betroffen waren, eine neue Fassung (Art. 20 Abs. 1 und 149 Abs. 3). Gesetz über nichteheliche Lebensgemeinschaften (Ley relativa a Parejas estables no casadas), (Autonomes) Gesetz 6/1999 vom 26.03.1999 (BOE Nr. 95 vom 21.04.1999)25. Das Gesetz gilt für verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.(näher Rz 53 f.) b) Balearen (Illes Balears): 7 Kompilation des Zivilrechts der Balearen (Compilación del Derecho Civil de Baleares), Gesetzgebendes Dekret 79/1990 vom 06.09.1990 (BOCAIB26 Nr. 120 vom 02.10.1990 und Nr. 36vom 21.03.1991)27. Die Kompilation trat mit zahlreichen Änderungen an die Stelle der vom staatlichen Gesetzgeber erlassenen Kompilation von 1961. 22 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte B I 2. Noch nicht abgedruckt, 24 Boletín Oficial de Aragón = Amtsblatt von Aragonien. 25 Noch nicht abgedruckt. 26 Boletín Oficial de la Comunidad Autónoma de las Islas Baleares – Amtsblatt der Autonomen Gemeinschaft der Balearischen Inseln. 27 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte B IV. 23 6 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Gesetz über Lebensgemeinschaften (Ley de Parejas Estables), (Autonomes) Gesetz 18/2001 (BOE Nr. 14 vom 16.01.2002)28. Das Gesetz gilt für verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. (näher Rz 53 f.). c) Baskenland: 8 Gesetz über das baskische forale Zivilrecht (Ley del Derecho Civil Foral V asco), Gesetz 3/1992 vom 01.07.1992 (BOPV29 Nr. 153 vom 07.08.1992)30. Dieses Gesetz wurde um das Foralrecht von Gipuzkoa (span. Guipúzcoa) ergänzt und zwar durch Gesetz über die Änderung des Gesetzes über das baskische forale Zivilrecht, in Bezug auf den zivilen Fuero von Gipuzkoa (Ley de modificación de la Ley del Derecho Civil del País V asco, en lo relativo al Fuero Civil de Gipuzkoa), (Autonomes) Gesetz 3/1999 vom 26.11.1999 (BOVP Nr. 249 vom 30.12.1999). Der Bezeichnung „Gesetz“ wurde derjenigen als „Kompilation“ der Vorzug gegeben, weil letztere im Baskenland keine Tradition habe. Die vom Staat erlassene Kompilation von 1959 trug noch diesen Namen. Bei der Neufassung wurden Anachronismen beseitigt und in der Kompilation nicht berücksichtigte Rechtsinstitute aufgenommen (Motive zu Gesetz 3/1992). Gesetz über Lebenspartnerschaften (Ley reguladora de las parejas de hecho), (Autonomes) Gesetz 2/2003 vom 07.05.2003 (BOPV Nr. 2003100 vom 23,05.2003). Das Gesetz gilt für verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft (näher Rz 53 f.).. d) Galicien: 9 Gesetz über das Zivilrecht von Galicien (Ley de Derecho Civil de Galicia), (Autonomes) Gesetz 4/1995 vom 24.05.1995 (DOG31 Nr. 107 vom 06.06.1995 und BOE Nr. 152 vom 27.06.1995)32. Es folgt auf die von ihr selbst in den Motiven als fragmentarisch und unvollständig bezeichnete Kompilation von 1963, die vom Zentralstaat erlassen worden war. Das Gesetz versucht, alle Institutionen zu erfassen, die im Gewohnheitsrecht von Galicien lebendig sind. e) Katalonien: 10 Kompilation des Zivilrechts von Katalonien (Decreto Legislativo por el que se aprueba el Texto Refundido de la Compilación del Derecho Civil de Cataluña), Gesetzgebendes Dekret 1/1984 vom 19.07.1984 (DOGC33 Nr 456. vom 27.07.1984)34. Diese Kompilation übernahm die Regelungen der Kompilation des besonderen Zivilrechts von Katalonien aus dem Jahre 1961 unter Anpassung an die Verfassung. Seit Inkrafttreten des Erbgesetzbuches und des Familiengesetzbuches sind die familien- und erbrechtlichen Bestimmungen der Kompilation 28 Noch nicht abgedruckt. Boletín Oficial del País Vasco – Amtsblatt des Baskenlandes. 30 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte B II. 31 Diario Oficial de Galicia = Amtsblatt von Galicien. 32 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte B V. 33 Diario Oficial de la Generalidad de Cataluña (Diari Oficial de la Generalitat de Catalunya) = Amtsblatt von Katalonien. 34 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte B III 2. 29 7 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien aufgehoben. Bestimmte erbrechtliche Vorschriften und Art. 26 bis 48, sowie Art. 62 des Familiengesetzbuches, die das Mitgiftrecht betreffen, sind noch von intertemporaler Bedeutung (1, -Schlussbestimmung des Erbgesetzbuches, 2. Übergangsbestimmung und 1. Schlussbestimmung des Familiengesetzbuches). Erbgesetzbuch im Zivilrecht von Katalonien (Código de Sucesiones por causa de muerte en el Derecho Civil de Cataluña), (Autonomes) Gesetz 40/1991 vom 30.12.1991 (BOE Nr. 50 27.02.1992)35. Es ersetzt die entsprechenden Bestimmungen der Kompilation von 1984, die Gesetze über die gesetzliche Erbfolge und über die Reform der gesetzlichen Vorbehalte von 1987 und das Gesetz über die Regelung des Noterbteils von 1990. Das Gesetzbuch verfolgt zwei Ziele: a) Die Weiterentwicklung des katalanischen Erbrechts, u.a. durch seine vollständige Regelung und b) Die Anpassung des traditionellen Erbrechts an die Gegenwart (Präambel I.) Familiengesetzbuch (Ley del Código de Familia), (Autonomes) Gesetz 9/1998 vom 15.07.1998 (BOE Nr. 198 vom 19.08.1998)36. Das Gesetz ersetzt eine Reihe früherer Einzelgesetze zum Familienrecht. Es enthält alle familienrechtlichen Vorschriften, einschließlich derjenigen über die Ehe, außer den Bereichen, die der ausschließlichen Zuständigkeit des Staates vorbehalten sind bzw. anderen, die zwar nicht dem Staat vorbehalten sind, deren Regelung derzeit aber nicht angebracht ist (Motive I.) Gesetz über Lebensgemeinschaften (Ley de uniones estables de pareja), (Autonomes) Gesetz 10/1998 vom 15.07.1998 (BOE Nr. 198 vom 19.08.1998))37. Das Gesetz gilt für verschiedengeschlechtliche (Art. 1 ff.) und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften (Art. 19 ff.) (näher Rz 53 f.) Gesetz über Haushaltsgemeinschaften mit gegenseitigem Beistand (Ley sobre situaciones convivenciales de ayuda mutua, (Autonomes) Gesetz 19/1998 vom 28.12.1998 (BOE Nr. 35 vom 10.02.1999)38. Das Gesetz geht davon aus, dass neben einer ehelichen und einer nichtehelichen Partnerschaft auch weitere Formen von Haushaltsgemeinschaften mit gegenseitigem Beistand vorkommen, insbesondere bei Personen vorgerückten Alters. Diese Haushaltsgemeinschaften, die aus zwei oder mehr Personen bestehen können, regelt das mit 9 Artikeln sehr kurze Gesetz (Motive). Neues Zivilgesetzbuch für Katalonien. Mit Gesetz 29/2002 vom 30. Dezember 2002 wurde das Erste Gesetz über ein Zivilgesetzbuch von Katalonien erlassen (Ley 29/2002, de 30 de diciembre, primera Ley del Código civil de Cataluña), veröffentlicht im BOE Nr. 32/2003 vom 06.02.200339. In Ausübung der Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Gemeinschaft Katalonien waren bereits zahlreiche Gesetze auch im zivilrechtlichen Bereich ergangen, nämlich, neben zahlreichen mittlerweile überholten Einzelgesetzen, die Kompilation des katalanischen Zivilrechts von 1984, das Erbrechtsgesetzbuch von 1991 und das Familiengesetzbuch von 1998. Seit Ende 1998 sind Vorarbeiten im Gange, um die kurzfristige Verabschiedung eines katalanischen Zivilgesetzbuches in die Wege zu leiten. Das vorliegende Gesetz legt den 35 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte B III 3. Noch nicht abgedruckt. 37 Noch nicht abgedruckt. 38 Noch nicht abgedruckt. 39 Noch nicht abgedruckt. 36 8 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Aufbau und den wesentlichen Inhalt des künftigen Gesetzbuches, sowie das dabei einzuschlagende Verfahren fest. Grundgedanke ist, dass das Gesetzbuch offen sein soll für einen stufenweisen Aufbau und eine Ergänzung durch später folgende Gesetze. Aus diesem Grund wurde die dezimale Nummerierung gewählt Das Gesetzbuch wird sechs Bücher umfassen: (1) Allgemeine Bestimmungen; (2) Personen und Familie; (3) juristische Personen; (4) Erbrecht; (5) Sachenrecht; sowie (6) Schuldverhältnisse und Verträge. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetz wird das erste Buch „Allgemeine Bestimmungen“ verabschiedet, welches unterteilt ist in Titel I „Einleitende Bestimmungen“ und Titel II „Verjährung, Ersitzung und Verwirkung“. Das Gesetz trat 20 Tage nach seiner Veröffentlichung im "Diari Oficial de la Generalitat de Catalunya", (DOGC, Nr. 3798 vom 13.01.2003) in Kraft, mit Ausnahme von Artikel 7, durch den die beiden Titel des ersten Buches verabschiedet werden, und der ersten Schlussbestimmung. Diese Vorschriften treten am 1. Januar 2004 in Kraft. f) Navarra: 11 Kompilation des foralen Zivilrechts von Navarra (Ley, por la que se aprueba la Compilación del Derecho Civil Foral de Navarra), Gesetz 1/1973 vom 01.03.1973 (BOE Nr. 57 vom 07.03.1973)40. Die Kompilation wurde durch Foralgesetz 5/1987 vom 01.04.1987 (BON41 Nr. 41 vom 06.04.1987) geändert, um sie der Verfassung und den aktuellen sozialen Verhältnissen in Navarra anzupassen. Es wurden auch rechtstechnische Änderungen vorgenommen, die sich aus seiner praktischen Anwendung und den Auslegungen in Lehre und Rechtsprechung ergeben hatten. Gesetz über die rechtliche Gleichstellung von Lebensgemeinschaften (Ley Foral para la igualdad jurídica de las parejas estables), Foralgesetz 6/2000 vom 03.07.2000 (BOE Nr. 214 vom 06.09.2000). Es bezieht sich auf Personen unabhängig von deren Geschlecht, also sowohl auf verschieden- wie auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften (Art. 1, näher Rz 53 f.) 4. Gemeines Recht und Foralrecht in der gegenwärtigen spanischen Privatrechtsordnung und in der Verfassung.42 12 Die gesetzliche Regelung in Art. 13 CC wurde bei der Neufassung des Einleitenden Titels 1974 neu formuliert (vorher Art. 12 CC). Nach Art. 13 Abs. 1 CC finden die Vorschriften des Einleitenden Titels des CC, soweit sie die Wirkungen der Gesetze und die allgemeinen Regeln für deren Auslegung festlegen, und die Bestimmungen des vierten Titels des ersten Buches, mit Ausnahme der Vorschriften über das eheliche Güterrecht, allgemein und unmittelbar in ganz Spanien Anwendung. 40 Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte B VI 2. Boletín Oficial de Navarra – Amtsblatt von Navarra. 42 vgl. insbesondere A lbaladejo, Comentarios, Bd. I, 2. Halbband, zu Art. 13 CC. 41 9 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Die unmittelbare Anwendung des Einleitenden Titels des CC bezieht sich, wie der Wortlaut sagt, nur auf die Wirkungen der Gesetze und die allgemeinen Regeln für deren Auslegung, nicht aber z.B. auf Art. 1 CC, welcher die Rechtsquellen behandelt. Dies ist z.B. für Navarra von Bedeutung, wo die Gewohnheit dem geschriebenen Gesetz vorgeht (Gesetz 3 CDN), während im Bereich des gemeinen Rechts die Gewohnheit nur beim Fehlen eines anwendbaren Gesetzes gilt (Art. 1 Ziff. 3 CC). Bei einer Unvereinbarkeit oder einem Widerspruch der Regeln des Código Civil über die Auslegung, Billigkeit und Analogie von Gesetzen (Art. 3, 4 CC) mit entsprechenden Regeln eines Foralrechts, gehen letztere vor43. Dies ergibt sich aus Art. 13 Abs. 2 CC, der die „volle Beachtung“ der besonderen und foralen Rechte“ festlegt, sowie ergänzend aus dem Dekret 1836/197444. Dort hieß es in Art. 2: „Diese Artikel des Einleitenden Titels des Código Civil ändern nicht die Regelungen in den Kompilationen des besonderen oder Foralrechts“45 Die Vorschriften des vierten Titels des ersten Buches sind ebenfalls unmittelbar anzuwenden. Sie regeln die Ehe und deren Wirkungen. Ausgenommen sind jetzt ausdrücklich die Vorschriften über das eheliche Güterrecht, was vordem mittels Auslegung durch Lehre und Rechtsprechung schon herrschende Meinung war. Eine Anwendung des genannten Titels auch auf die Vorschriften des Ehegüterrechts hätte theoretisch zu einer zumindest eigenartigen Auslegung der foralrechtlichen Bestimmungen in diesem Bereich führen können. In Ziffer 2 von Art. 13 CC wird gesagt, dass „im übrigen, bei voller Beachtung der besonderen foralen Rechte der Provinzen und Territorien, in denen sie gelten, der Código Civil als ergänzendes Recht anzuwenden (ist), soweit ein solches nicht in jeder derselben nach ihren besonderen Vorschriften vorhanden ist.“. Die Vorschrift enthält zwei Grundsätze: 1) Einmal bestätigt sie die „volle Beachtung“ der geltenden Foralrechte Diese volle Beachtung setzt die Anerkennung der Tatsache voraus, dass jedes Foralrechtsgebiet ein eigenes Zivilrecht hat, welches in einer Kompilation niedergelegt ist, die ihrerseits in ihrem räumlichen Geltungsbereich die Rolle eines gemeinen Rechts spielt. Sie beinhaltet auch die Anerkennung der eigenen Reihenfolge der Rechtsquellen jeden Foralrechts und die der ihr eigenen Rechtsgrundsätze. 2) Zum anderen bekräftigt sie die Anwendung des Código Civil in den Foralrechten als Subsidiärrecht. Die subsidiäre Anwendung des Código Civil hat im spanischen Zivilrecht zwei Aspekte. In Art. 4 Abs. 3 CC wird in allgemeinen Worten verfügt, dass der Código Civil ergänzend auf Sachgebiete anzuwenden ist, die in „anderen Gesetzen“ geregelt sind. Es ist davon auszugehen, dass hier das forale Zivilrecht nicht gemeint ist. Für dieses ist die ergänzende Anwendung des CC in Art. 13 Abs. 2 CC geregelt, der diese dem Subsidiärrecht der Foralrechtsgebiete aufgrund besonderer Vorschriften unterordnet. In 43 A lbaledejo, Comentarios. Bd. I, 2. Halbband, zu Art. 13 CC, S. 1106. 44 Dekret 1836/1974 vom 31.05.1974 über die Änderung des Einleitenden Titels des Código Civil (BOE Nr. 163 vom 09.07.1974). 45 El presente Texto Articulado del Título Preliminar del Código Civil no altera lo regulado en las Compilaciones de los derechos especiales o forales. 10 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien allen foralrechtlichen Kompilationen ist jedoch heute der Código Civil als Ergänzungsrecht bestimmt.46 Wenn auch viele Rechtsinstitute in den einzelnen Foralgesetzen erfasst werden, so verbleiben außerhalb derselben noch zahlreiche andere, die das Foralrecht nicht regelt und für die der Código Civil unmittelbar gilt. Art. 13 CC war, von seiner Neufassung im Jahre 1974 bis zum Inkrafttreten der spanischen Verfassung von 1978, der Schlüssel zur räumlichen Abgrenzung für die Anwendung der verschiedenen Zivilrechte in Spanien. Art. 13 CC ersetzte 1974 den bisherigen Art. 12 CC. Einer der wichtigsten Unterschiede beider Texte ist, dass der alte Art. 12 bestimmte, dass die Foralrechte „gegenwärtig“ (por ahora) fortbestünden und nicht die Formulierung des neuen Art. 13 CC enthielt, dass diese „volle Beachtung“ (pleno respeto) verdienten. Die darin enthaltene Bezugnahme auf eine Vorläufigkeit der Foralrechte ist damit entfallen und durch eine volle Beachtung ersetzt worden. Erschienen in dem alten Text die Foralrechte noch als ungelöstes Problem, so werden sie heute als eine unbestreitbare und unbestrittene Tatsache dargestellt. Schon hier ist erkennbar, dass letztes Ziel nicht mehr eine Vereinheitlichung des spanischen Zivilrechts ist, wie sie früher postuliert und auf dem Zivilrechtskongress von 1947 beschlossen worden war. 13 Die spanische Verfassung von 1978 erkennt die geltenden Rechtsordnungen der Foralrechtsgebiete an und öffnet den Weg zu ihrer Erneuerung. Sie führt eine Veränderung im Aufbau des spanischen Staates herbei, der das Verhältnis zwischen gemeinem Recht und den Foralrechten nachhaltig beeinflusst. Mit Ausnahme der kurzlebigen republikanischen Verfassung von 1931 ist sie die erste und einzige spanische Verfassung, die – in Abwendung vom Prinzip der Rechtsvereinheitlichung – den Autonomen Gemeinschaften, in denen zum Zeitpunkt ihres Erlasses Foralrecht besteht, eine zivilrechtliche Gesetzgebungszuständigkeit einräumt. In Artikel 149 Abs. 1, Ziff. 8 Satz 1 regelt sie die zivilrechtliche Zuständigkeit der Gesetzgebungsorgane der Autonomen Gemeinschaften, jedoch ohne den Art. 13 CC anzutasten. In Artikel 149 Abs. 1 CE wird bestimmt, dass dem spanischen Staat, also der Zentralgewalt, die ausschließliche Zuständigkeit zusteht, unter anderem für die Zivilgesetzgebung, „unbeschadet der Bewahrung, Änderung und Fortentwicklung der foralen und besonderen Zivilrechte, dort wo sie bestehen, durch die Autonomen Gemeinschaften“ (Ziff. 8).47 Die spanische Verfassung von 1978 anerkennt und garantiert außerdem das Recht auf Autonomie der Nationalitäten und der Gebiete, aus denen Spanien besteht. Sie gewährt in diesem Zusammenhang die Möglichkeit sich in Autonomen Gemeinschaften zu konstituieren, wovon alle spanischen Regionen Gebrauch gemacht haben (Art. 143 CE). Die Verfassung bietet weiter denjenigen Autonomen Gemeinschaft, in denen zum Zeitpunkt ihrer Verkündung ein forales oder besonderes Zivilrecht bestand, die Möglichkeit, dieses Foralrecht durch Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen nicht nur im materiellen (Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 CE), sondern auch im prozessualen (Art. 149 Abs. 1 Ziff. 6 CE) Bereich zu erneuern. Innerhalb der Gerichtsorganisation steht an der Spitze jeder Autonomen 46 47 Art. 1 Abs. 2 CDA, Art. 1 CDB, Art. 1 CDC, Art. 3 CDG, Gesetz 6 CDN, Art. 3 CDPV. Vgl. 2. Teil: Gesetzestexte A II. 1. Verfassung. 11 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Gemeinschaft ein Oberer Gerichtshof (Tribunal Superior de Justicia), welcher die Ausbildung einer foralrechtlichen Rechtsprechung für die jeweilige Gemeinschaft ermöglicht. Aus der Neufassung des Art. 13 CC, auf dem Hintergrund des alten Art. 12 CC und aufgrund der spanischen Verfassung von 1978 ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: 1) Im Verhältnis zwischen gemeinem Recht und Foralrecht ist das angestrebte Ziel des spanischen Gesetzgebers seit der Änderung des Einleitenden Titels des Código Civil im Jahre 1974 und, verstärkt seit der Verfassung von 1978, nicht mehr die Rechtseinheit. Dass die spanischen Foralrechte, die das Familien- und Erbrecht betreffen, einmal in einer Vereinheitlichung des Europäischen Zivilrechts aufgehen werden, ist eher unwahrscheinlich. Nach verbreiteter Auffassung besteht kein Bedürfnis, das Familienund Erbrecht zu vereinheitlichen.48 2) Die Foralrechte sind heute nicht mehr „versteinert“, sondern konstitutionalisiert (von „petrificado“ zu „constitucionalizado“) und regionalisiert. Vor der oben geschilderten Veränderung der Rechtslage war es gängig, die Foralrechte als „versteinert“ zu bezeichnen, weil die Foralrechtsgebiete aus unterschiedlichen politischen Gründen (vgl. Rz 19) ihre Gesetzgebungsautonomie verloren hatten und die Foralrechte seither einer selbständigen Fortbildung durch ein Gesetzgebungsorgan des jeweiligen Foralrechtsgebietes nicht mehr zugänglich waren. Eine Änderung und Fortentwicklung durch die Zentralgewalt war dagegen möglich.49 Heute haben die foralrechtlichen Autonomen Gemeinschaften kraft Verfassung eigene Gesetzgebungsbefugnisse, eigene Gesetzgebungsorgane und eigene, für ihren Bereich Oberste, in der allgemeinen spanischen Gerichtsordnung, Obere Gerichtshöfe (die schon erwähnten Tribunales Superiores de Justicia). Von ihrer Gesetzgebungsbefugnis machen sie regen Gebrauch, nicht zuletzt, um dieser Zuständigkeit auch Leben zu verleihen. Nach Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 CE ist der Staat „in jedem Fall“ ausschließlich zuständig „für die Regeln über die Anwendung und Wirksamkeit der Rechtsnormen, zivilrechtliche Verhältnisse hinsichtlich der Eheformen, Regelung der öffentlichen Register und Urkunden, Grundlagen der Vertragspflichten, Normen für die Lösung von Gesetzeskonflikten und die Festlegung der Rechtsquellen, in letzterem Falle unter Wahrung der Normen des foralen oder besonderen Rechts.“ Zur ausschließlichen Zuständigkeit des Staates gehört somit vor allem auch das internationale, interregionale und interlokale Privatrecht (Gesetzeskollisionen bzw. konflikte). Bei der Festlegung der Rechtsquellen ist die Zuständigkeit des Staates durch den Halbsatz „...unter Beachtung der Normen des besonderen oder des foralen Rechts“ eingeschränkt. Die Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften hinsichtlich der Rechtsquellen ihres eigenen 48 Lange, S.3; vgl. auch Leible, S., Die Mitteilung der Kommission zum Europäischen Vertragsrecht – Startschuss für ein Europäisches Vertragsgesetzbuch?, EWS 2001, 478 und dort Fn. 88, sowie „Studie zum Rechtsvergleich der Kollisionsnormen, bei Zuständigkeits- und Gesetzeskonflikten in Testaments- und Erbsachen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, S. 24 (französische Fassung - Internetfundstelle: http://europa.eu.int/comm/justice_home/news/events/document/rapport_synthese_etude_fr.pdf -Zugriff: 12.02.2003). 49 Vgl. z. B. in deutscher Sprache Beitzke, Internationales und interlokales Privatrecht, in: Festschrift Nipperdey (1955) 5; Rossmann, Zum spanischen Erbrecht: RabelsZ 13 (1940/41) 647. 12 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Rechtes ist Bestandteil ihrer Zuständigkeit zur Bewahrung, Änderung und Fortentwicklung des Foralrechts. Diese autonome Zuständigkeit ist hinsichtlich der Rechtsquellen wiederum beschränkt (1) vom Umfang her auf das eigene Recht und (2) durch die Verpflichtung zur Beachtung der Rechtsquellenhierarchie desjenigen gemeinen Rechts, welches allgemein und unmittelbar Anwendung findet sowie auch desjenigen, das als Subsidiärrecht angewendet wird.50 5. Räumliche Ausdehnung der Foralrechte 14 Weder der Código Civil noch die spanische Verfassung sagen expressis verbis, in welchen Gebieten oder Autonomen Gemeinschaften Foralrecht gilt, sondern sprechen lediglich von den „nebeneinander bestehenden Rechtsordnungen im spanischen Staatsgebiet“ (Überschrift zum Kapitel V. des Einleitenden Titels des Código Civil) bzw. von den Autonomen Gemeinschaften „in denen forales oder besonderes Zivilrecht besteht“ (Art. 149 Abs. 1, Ziff. 8 CE) Der einzige positivrechtliche Bezug auf das Foralrecht eines bestimmten Gebietes im Código Civil ist derjenige in Art. 16 Abs. 2 CC auf den Ehegattennießbrauch am Nachlass des vorverstorbenen Ehegatten nach der Kompilation des Zivilrechts von Aragonien („viudedad aragonesa“). Aus Artikel 149 Abs. 1 Ziff. 8 CE ergibt sich durch die Bezugnahme auf diejenigen Autonomen Gemeinschaften, in denen Foralrecht besteht, eine Unterscheidung zwischen diesen und den Autonomen Gemeinschaften, in denen kein Foralrecht vorhanden ist und es daher auch in Zukunft ein solches nicht geben kann. Unstreitig gehören zum Kreis der Autonomen Gemeinschaften mit Foralrecht diejenigen, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung zivilrechtliche Kompilationen vorhanden waren. Es sind dies die bereits genannten Autonomen Gemeinschaften Aragonien, die Balearen, das Baskenland (Bizkaya und Álava), Galicien, Katalonien und Navarra. Bei den bestehenden Kompilationen handelte es sich gesetzestechnisch ausnahmslos um Gesetze des Zentralstaates mit partikularrechtlichen Vorschriften Die Statute dieser Autonomen Gemeinschaften haben den Wortlaut über die zivilrechtliche Zuständigkeit des Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 CE übernommen und zwar hinsichtlich der funktionellen Zuständigkeit wörtlich (Bewahrung, Änderung und Fortentwicklung), hinsichtlich der Bestimmung deren Umfangs (forales oder besonderes Zivilrecht) mit unterschiedlichen Formulierungen. Sie haben in Angelegenheiten des Foralrechts die ausschließliche Zuständigkeit.51. Zum Umfang dieser Zuständigkeit hat der Verfassungsgerichtshof in zwei Urteilen52 festgestellt, dass die Autonomen Gemeinschaften auch zur Zeit der Verkündung der Verfassung im Foralrecht nicht geregelte Gegenstände regeln können, selbst wenn es sich um Gegenstände handelt, die im gemeinen Recht geregelt sind, wobei allerdings zwei Grundsätze zu beachten sind: (1) Das Erfordernis der Anpassung des foralen Zivilrechts an die gesellschaftliche Realität und (2) der Zusammenhang der geregelten Gegenstände mit dem jeweiligen Foralrecht, in Übereinstimmung mit den „besonderen Grundsätzen, auf denen dieses Recht beruht“. 50 A lbaladejo, Comentarios, a.a.O., S. 1201. 51 Art. 35 Abs. 1 EAA, Art. 10 Ziff. 22 EAB, Art., Art. 9 Ziff. EAC, Art. 27 Ziff. 4 EAG, 10 Ziff. 5 EAPV und Art. 48 EAN. 52 88/1993 vom 12.02.1993 (BOE Nr.. 90 vom 15.04.1993) und 156/1993 vom 06.05.1993 (BOE. Nr. 127 vom 26.05.1993). 13 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Daneben gibt es Autonome Gemeinschaften, in denen es zum Zeitpunkt der Verkündung der Verfassung kein Foralrecht gab, wo aber besondere zivilrechtliche Institutionen kraft Gewohnheitsrecht fortbestehen. Hierzu gehören Asturien, Murcia und Extremadura (Fuero del Baylío). Auch sie haben entsprechende Vorschriften in ihre Autonomiestatute aufgenommen, allerdings jeweils unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Gewohnheitsrecht. Sie bewegen sich damit nicht im Rahmen des Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 CE, es handelt sich nicht um Foralrecht im Sinne dieser Vorschrift53. Für das spanische Erbrecht haben diese Gewohnheitsrechte, mit Ausnahme des Fuero del Baylío, keine Bedeutung. Einen Sonderfall stellt Valencia dar. Das Statut der Valencianischen Autonomen Gemeinschaft übernimmt in Art. 31 Abs. 2 ebenfalls, wie die foralrechtlichen Autonomen Gemeinschaften, die Formulierung des Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 CE. Valencia erfüllt aber nach h. M. nicht die verfassungsmäßige Voraussetzung des Vorhandenseins eines Foralrechts. Es hat ein solches zwar früher besessen, dies aber schon im 18. Jahrhundert verloren.54 Der Spanische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung 121/1992 vom 28. September 1992 (BOE Nr. 260 vom 29.10.1992) die Zuständigkeit der Valencianischen Autonomen Gemeinschaft in der Zivilgesetzgebung trotz Fehlens einer Kompilation bejaht, sie aber gleichzeitig auf das noch vorhandene Gewohnheitsrecht beschränkt, dessen einziger Inhalt die sog. „historischen Pachtverträge (arrendamientos históricos)“ sind.55 Alle Autonomen Gemeinschaften mit Foralrecht haben mittlerweile von der Gesetzgebungsbefugnis des Art. 149 Abs. 1 Ziff. 8 Gebrauch gemacht. Der territoriale Umfang der Foralrechtsgebiete deckt sich mit den Gebieten, in denen die Praxis und die Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten des Código Civil von diesem abweichende Vorschriften des bürgerlichen Rechts ständig angewendet haben, weil solche Vorschriften im Jahre 1889 galten. 15 Die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereiches der jeweiligen Foralrechte ist unproblematisch in Aragonien, Galicien, Katalonien und Navarra Er stimmt mit den politischen Grenzen der Autonomen Gemeinschaften gleichen Namens überein. In Katalonien gilt in einigen Ortschaften und Gemarkungen vom gemeinen katalanischen Recht abweichendes, lokales geschriebenes Recht oder Gewohnheitsrecht, das in den Gebieten zu beachten ist, welches die entsprechenden Ortschaften oder Gemarkungen von alters her umfassten, soweit es in die Kompilation aufgenommen wurde oder in dieser darauf verwiesen wird. Im Wesentlichen handelt es sich um erbrechtliche Besonderheiten in Barcelona, dem Bistum Girona, Tortosa und Pallars Sobirà, und Conca de Tremp sowie um Sonderformen der Errungenschaftsgemeinschaft in Tortosa, dem Bistum Girona, dem Valle de Arán und dem Campo de Tarragona (Art. 2 CDC). Die galicische Kompilation nennt in Art. 4 CDG als Anwendungsbereich ihres Rechts ausdrücklich die Autonome Gemeinschaft. 53 Lacruz , Elementos, I, vol. 1, a.a.O, S. 421. 54 Valencia verlor sein Foralrecht durch Dekret Philipp des V. vom 29.06.1707 wegen seiner Parteinahme für die Habsburger im spanischen Erbfolgekrieg. 55 Arrendamientos históricos, zitiert nach Albaladejo, Comentarios, a.a.O., S. 1131. Vgl. auch Gesetz 6/1986 vom 15.12.1986 über die valencianischen historischen Pachtverträge (Ley 6/1986, de 15 de diciembre, de Arrendamientos Históricos Valencianos – BOE Nr.14 vom 16. 01.1987). 14 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Auch der Geltungsbereich des balearischen Foralrechts stimmt grundsätzlich mit der Autonomen Gemeinschaft Balearen überein (Art. 2 CDB). Auf den verschiedenen Inseln gilt allerdings unterschiedliches Recht. Das 1. Buch der balearischen Kompilation enthält die auf der Insel Mallorca anwendbaren Vorschriften, das 2. Buch die auf der Insel Menorca anwendbaren Vorschriften und das 3. Buch die auf den Inseln Ibiza und Formentera anwendbaren Vorschriften. Die nirgends erwähnte Insel Cabreras wird hierbei zu Mallorca gezählt. Das Erbrecht ist am ausführlichsten für Mallorca geregelt. Die gleichen Bestimmungen gelten in Menorca mit Ausnahme der allgemeinen Bestimmungen in Art. 6 und 7 CDB und der Vorschriften über Universalschenkungen (Erbschaftsschenkung) und den Erbverzicht. Auf Ibiza und Formentera gelten, neben einem eigenständigen Güterstand, nur die wenigen erbrechtlichen Vorschriften des 3. Buches und kraft Verweisung das Recht von Mallorca für Erbschaftsschenkung und Erbverzicht. Im Baskenland deckt sich der räumliche Geltungsbereich des Foralrechts nicht mit dem Gebiet der Autonomen Gemeinschaft. Foralrecht findet sich zwar in allen drei baskischen Provinzen (Biskaya mit der Hauptstadt Bilbao, Álava mit der Hauptstadt Vitoria – bask. Gasteiz - und Guipúzcoa – bask. Gipuzkoa - mit der Hauptstadt San Sebastián – bask. Donostia). Dieses Foralrecht ist aber von Provinz zu Provinz unterschiedlich und gilt in Biskaya und Álava jeweils nur in bestimmten Teilen des Gebietes. Das biskayische Foralrecht gilt in der Provinz Biskaya und dort wiederum in dem sogenannten „Infanzonado“, auch bezeichnet als „Tierra Llana“56 (Art. 5 CDPV) und in den Gemeinden Llodio und Aramayona der Provinz Álava, die früher zur Herrschaft Biskaya gehörten (Art. 146 CDPV). Ausgenommen sind die nicht dem Foralrecht unterstehenden Teile der in Art. 6 CDPV aufgezählten Orte (villas, ciudad de Orduña) sowie der Stadtbezirk von Bilbao57. Dort gilt gemeines Recht, dessen Geltung in einem komplizierten Verfahren auf das gesamte Gemeindegebiet ausgedehnt werden kann (Art. 10 CDPV). Veränderungen der Gemeindegrenzen bzw. der ebenfalls maßgebenden Bebauungspläne lassen die Abgrenzung unberührt, eine Ausgemeindung führt allerdings ggf. zu einem Wiederaufleben der Geltung von Foralrecht (Art. 7 bis 9 CDPV). Dem Foralrecht unterstehen diejenigen Biskayer, die die zivilrechtliche Gebietszugehörigkeit des Foralrechtsgebietes haben. Bestimmte Vorschriften gelten aber auch für die nicht dem Foralrecht unterstehenden Biskayer, wie z.B. die Zulässigkeit des gemeinschaftlichen Testaments (Art. 12 ff. CDPV). In den Gemeinden Amurrio, Ayala, und Okondo sowie in den vier Ortschaften Mendieta, Retes de Tudela, Santa Coloma und Sojoguti in der Gemeinde Artziniega der Provinz Álava, der sog. „Tierra de A yala“, gilt der Fuero de Ayala, der den ihm unterstehenden „Ayalesen“ die absolute Testierfreiheit einräumt (Art. 131 f. CDPV). Das Foralrecht von Gipuzkoa gilt in der gleichnamigen Provinz. 56 Übersetzt mit „Infanzonat“ und „unbefestigtes Gebiet“. Die Dualität der Rechtsordnungen geht darauf zurück, dass sich gegen Ende des Mittelalters die Bevölkerung einerseits aus eingewanderten adeligen Städtegründern und andererseits aus auf dem Land ansässigen freien Basken zusammensetzte. Die Städte folgten dem gemeinen Recht, auf dem Land galt Gewohnheitsrecht. Das freie Land hieß „Tierra llana“ (unbefestigtes Gebiet) oder „Anteiglesias“ (Gemeinde, von den vor der Kirche abgehaltenen Bürgerversammlungen. 57 15 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Der Geltungsbereich des Fuero del Baylío umfasst mehrere Orte der Provinz Badajoz in der Autonomen Gemeinschaft Extremadura.58 Es enthält eine besondere Form der „gesetzlichen Gütergemeinschaft“ deren Ursprung im portugiesischem Recht gesucht wird, mit der Folge, dass bei Beendigung der Gütergemeinschaft das von den Ehegatten eingebrachte und während der Ehe erworbene Vermögen je zur Hälfte geteilt wird.59. Seine Geltung in der autonomen Stadt Ceuta in Nordafrika, die ebenso wie die ebenfalls in Nordafrika gelegene autonome Stadt Melilla zu Spanien gehört, ist umstritten. Da in der Bestätigung des Fuero del Baylío durch Karl III. im Jahre 1778 – die einzige schriftliche Rechtsgrundlage – nur Alburquerque und Jerez de los Caballeros ausdrücklich erwähnt sind, im übrigen aber von den „Orten, in denen es bisher beobachtet wurde“ die Rede ist, muss der ununterbrochene Gebrauch des Fuero in diesen Orten jeweils nachgewiesen werden. II. Rechtsgeschichte60 1. Allgemein a) Vorrömische und römische Zeit (ca. 500 v. Chr. bis 409) 16 In der vorrömischen Zeit galt Gewohnheitsrecht. Allerdings sollen die um das 5. und 4. vorchristliche Jahrhundert im Süden (Tal des Guadalquivir sowie Zentral- und Westandalusien) heimischen Turdetaner bereits geschriebene Gesetze besessen haben, deren Inhalt nicht überliefert ist. Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. wurde die iberische Halbinsel in die Konflikte zwischen Rom und Karthago einbezogen. Nach der ersten Landung der Römer an der Küste von Ampurias 217 v. Chr. dauerte es über zweihundert Jahre, bis die Römer ganz Spanien unter ihren Einfluss gebracht hatten. 206 v. Chr. waren die Mittelmeerküste und Andalusien unter römischer Gewalt. Das Ebro-Tal wurde zwischen 195 und 178 v. Chr. eingenommen, Kastilien nach dem Fall von Numantia 133 v. Chr. und die kantabrische und asturische Region erst im Jahre 19 unserer Zeitrechung. Während der Herrschaft der Römer setzte sich nicht nur deren Sprache, sondern auch ihr Recht weitgehend durch, ohne dass die ursprünglichen Gewohnheiten völlig verschwanden. 74 n. Chr. setzte Kaiser Vespasian das ius latii für geschäftliche Angelegenheiten in Kraft. Seit der Gewährung des römischen Bürgerrechtes an alle Bewohner Spaniens durch den Kaiser Caracalla im Jahre 212 galt einheitlich römisches Recht. Neben dem allgemeinen Recht der Hauptstadt Rom gab es aber einerseits ein besonderes und partikulares Recht der Iberischen Habinsel, welches sich u.a. aus den Edikten der Provinzstatthalter und aus örtlichen Gesetzen zusammensetzte. Andererseits trat teilweise eine Vermischung des alten 58 Alburquerque und La Coderosa (Gerichtsbezirk Alburquerque), Burguillos, Fuentes de Leión und Valverde de Burguillos (Gerichtsbezirk Fregenal de la Sierra), Atalaya und Valencia del Ventoso (Gerichtsbezirk Fuente de Cantos), Jerez de los Caballeros, Oliva de Jerez, Valencia de Mambuey, Valle de Matamoros, Valle de Santa Ana und Zahinos (Gerichtsbezirk Jerez de los Caballeros), Olivenza mit Santo Domingo, San José, San Benito und Villareal, sowie Alconchel, Cheles, Huigera de Vargas, Táliga und Villanueva (Gerichtsbezirk Olivenza). 59 Das gemeinspanische Recht kennt als eheliche Güterstände nur Errungenschaftsgemeinschaft, Gütertrennung und den Güterstand der Teilhabe (sehr ähnlich der Zugewinngemeinschaft des BGB). 60 Quellen: García Gallo, A.. La evolución General del Derecho Español, Madrid, 1957, Castán Tobeñas. J., Derecho civil español, común y foral, 1, I, Madrid 1986, 179 ff., Hierneis, 12.f., 50 f. 16 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Gewohnheitsrechtes mit dem römischen Recht ein. Es entstand ein vereinfachtes römisches Recht eigener Prägung unter Beibehaltung alter Gewohnheiten und Institutionen, die äußerlich die rechtlichen Gestaltungsformen des römischen Rechts annahmen. b) Herrschaft der Westgoten (409 bis 711) 17 In der Zeit der Westgoten, die sich vom 5. bis zum 7. Jahrhundert erstreckte, wurde das System der Rechtseinheit zunächst durch ein dualistisches System ersetzt. Es bestanden zwei Rechtsordnungen nebeneinander, d.h. diejenige der Westgoten und diejenige der romanischen Hispanier. Das römische Recht war jetzt dasjenige des Codex Theodosianus, erlassen im Jahre 438, und galt für die Romano-Hispanier. Für die Westgoten, welche nur fünf Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, galt deren eigenes Gewohnheitsrecht. In den südlichen Regionen Spaniens, die zeitweise unter oströmische Herrschaft fielen, fand das Justinianische Recht in Form des Codex Juris und der Digesten Eingang. Dies führte im römischrechtlichen Bereich zu einem Nebeneinander dieses Rechts mit dem vorjustinianischen Recht. Im weiteren Verlauf wurde versucht durch eine Reihe von Gesetzeswerken diese Dualität zu überwinden und ein einheitliches Recht für alle Bewohner Spaniens bzw. der Iberischen Halbinsel zu schaffen. Am bedeutendsten ist in diesem Zusammenhang die Gesetzessammlung aus dem Jahre 654, genannt Liber Iudiciorum oder Lex V isigothorum , bekannter unter dem Namen Fuero Juzgo, welcher in der einen oder anderen Form bis zum Inkrafttreten des Código Civil im Jahre 1889 in Kraft war. Sie stellt eine Verschmelzung von germanischem und römischem Vulgärrecht dar, wobei der römischrechtliche Einfluss u.a. im Erbrecht sehr stark ist, während sich die Regeln über die Ehe und das eheliche Güterrecht am weitesten davon entfernen.61 Der Fuero Juzgo regelt sowohl das Zivilrecht wie auch das Gerichtsverfahren zu seiner Durchsetzung. Er konnte nicht verhindern, dass in einigen Regionen altes hispanisches Gewohnheitsrecht (Asturien, Kantabrien und Baskenland), traditionelles römisches Recht (im Süden) und auch germanische Elemente (Galicien, León, Alt-Kastilien und Katalonien) fortgalten. Daneben gewann das kanonische Recht an Bedeutung und wirkte sich auch auf das Zivilrecht aus, wie z.B. hinsichtlich der Form der Eheschließung und der Unauflöslichkeit der Ehe. Obwohl das westgotische Erbrecht vom römischen Recht beeinflusst war, zeichnete es sich durch eine strenge Beschränkungen der Testierfreiheit zugunsten der Familie aus. In einem Kompromiss zwischen dem Schutz der pflichtteilsberechtigten Erben bzw. Noterben und der Testierfreiheit entstand das Noterbrecht mit der Möglichkeit der Aufbesserung innerhalb der Noterben (mejora), welches heute noch, zumindest dem gemeinen Recht, zugrunde liegt.62 c) Maurische Herrschaft und Reconquista (711 bis 1492) 18 Im Jahre 711 überschritten Araber und Berber, anfänglich nur mit rund 10.000 Mann, die Meerenge von Gibraltar und besiegten den westgotischen König Rodrigo, dessen Herrschaft durch interne Querelen geschwächt war. Innerhalb weniger Jahre hatten sie Spanien bis zu den Pyrenäen erobert und machten Anstalten, in Gallien einzufallen, wo sie von Karl Martell 732 bei Tours und Potiers besiegt wurden. Die Mauren konzentrierten sich nun auf Spanien. Dort blieben sie mehr als 700 Jahre, wenn auch zuletzt, über fast 200 Jahre, beschränkt auf 61 Castán Tobeñas, Derecho civil español, Bd. I, 1, S. 133, Fn. 1 (10. Aufl.). Zur historischen Entwicklung des Erbrechts: Castán Tobeñas, J., Derecho Civil Español, Común y Foral, 6, I, 9. Aufl., Madrid 1989, S. 69 f., zum Ehegattenerbrecht Sánchez-Henke, R.M., Das Ehegattenerbrecht im 62 spanischen Recht, Münster, 1999, S. 2 f. 17 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien ein stark verkleinertes Gebiet, das im Wesentlichen nur noch die heutigen Provinzen Granada und Málaga umfasste. Die schon im 8. Jahrhundert beginnende Reconquista war erst mit der Eroberung von Granada durch die Katholischen Könige Isabel von Kastilien und Ferdinand von Aragón am 2. Januar 1492 abgeschlossen, im gleichen Jahr, in dem Kolumbus fast genau 10 Monate später Amerika entdeckte (12. Oktober 1492). Frei von maurischer Herrschaft blieben nur die gebirgigen Gebiete von Asturien, Kantabrien und der Pyrenäen. Von dort aus begann die Reconquista. Eine juristische Einheit, wie unter den Römern und, zum Teil, auch unter den westgotischen Königen sollte sich aber nie mehr einstellen. Der dem Islam unterworfene Teil Spaniens lebte nach dessen, aus dem Orient mitgebrachtem religiösem Recht, das in der nur oberflächlich islamisierten einheimischen Bevölkerung keine tiefen Wurzeln hatte. Auch unter der maurischen Herrschaft behielt die christliche Bevölkerung weitgehend und zeitlich in unterschiedlichem Umfang ihre Religion, ihr Recht und ihre Gewohnheiten. Unter dem Druck der Fremdherrschaft verloren sich immer mehr die lokalen Gewohnheiten und man hielt sich an die Vorschriften des Liber Iudiciorum . Das islamische Recht verschwand in dem Maße, wie die Reconquista fortschritt, ohne wahrnehmbare Spuren zu hinterlassen. Die Tatsache seiner Geltung bzw. die Existenz des Islam auf spanischem Boden hatte allerdings starke Rückwirkungen auf die Entwicklung des spanischen Rechts. Die Reconquista begann von den wenigen Gebieten aus, die nicht dem maurischen Spanien einverleibt worden waren. Dies waren im Wesentlichen die bereits genannten Regionen in Asturien, Kantabrien und den Pyrenäen im Bereich des heutigen Aragonien und Navarra, sowie sehr bald auch die Spanische Mark Karl des Großen (im heutigen Katalonien). Diese Gebiete und die daraus entstehenden unabhängigen christlichen Staaten waren durch die dazwischen liegenden maurischen Gebiete räumlich voneinander getrennt, hatten keine gemeinsame Oberhoheit und eine unterschiedliche Vorgeschichte. Vor allem die Basken, die als einzige ihre urtümliche, nicht indoeuropäische Sprache bis heute bewahrten, wurden von keiner der herrschenden Mächte je völlig unterworfen. Diese isolierte Entwicklung begünstigte zusammen mit anderen Gründen (z.B. personaler Rechtsspaltung63) das Entstehen unterschiedlicher Rechtsordnungen, so dass sehr bald zwischen einem kastilischleonesischen Recht, einem katalanischen Recht, das auch die Balearen und Valencia umfasste, und einem baskischen, navarrischem und aragonesischem Recht unterschieden werden konnte. Alle diese Rechte stellten Mischformen aus Gewohnheitsrecht und in verschiedenen Gesetzeswerken enthaltenem geschriebenem Recht dar. Eine besondere Rolle kam, insbesondere seit dem 15. und 16. Jahrhundert, der Entwicklung des kastilischen Rechts zu, welches später die Rolle eines gemeinen Rechts für ganz Spanien übernehmen sollte. Die Bemühungen, es zu vereinheitlichen und auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, führten zu einer Renaissance des römischen Rechts. Hierzu trugen die sich herausbildenden Rechtswissenschaften, das Studium an italienischen Universitäten und die neu entstehenden spanischen Universitäten (z.B. Salamanca 1215) bei. Das bedeutendste Gesetzeswerk jener Zeit ist die Gesetzessammlung Alfons X., des Weisen, aus den Jahren 1256-1263 (Código de las Siete Partidas), die erst aufgrund der Verordnung von Alcalá 1348 63 So galt für die Mozárabes (vom arabischen. musta‘rab, d.h. arabizado, arabisiert); übliche Bezeichnung für die im islamischen Spanien lebenden bzw. aus diesem stammenden christlichen Spanier, das Liber iudiciorum, für die Franken deren eigenes Recht und für die zunächst verbliebenen Mauren das islamische Recht. 18 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien (Ordenamiento de A lcalá) in ganz Kastilien verbindliche Anwendung fand, mit subsidiärer Geltung gegenüber dem Lokalrecht. Sie enthält Elemente des kastilischen Gewohnheitsrechts, des kanonischen Rechts, vor allem aber des römischen Rechts, insbesondere im Bereich des Erb- und Familienrechts. In der Zeit der Reconquista trat in den städtischen Fueros und denjenigen des Adels der germanische Einfluss auf das Erbrecht in den Vordergrund, mit der Absicht, die Wiederbesiedlung der von den Arabern verlassenen Gebiete zu fördern und die Familie zu stärken. Die Folge davon waren eine Einschränkung der Testierfreiheit, die Berufung der Kinder einer Konkubine oder nicht standesgemäßen Ehefrau zur gesetzlichen Erbfolge, wenn keine legitimen Abkömmlinge vorhanden waren, die Zulässigkeit der Stammesbindung etc. In den Gegenden der Pyrenäen und der Mittelmeerküsten kommt hingegen der familiäre Aspekt in anderen Rechtsformen zum Ausdruck und führt, im Rahmen einer weitgehenden Verfügungsfreiheit, zu einer überwiegenden Regelung der Erbfolge durch Ehe- oder Erbvertrag. Das Ordenamiento de A lcalá bringt eine Abwendung vom römischen Recht. Die Förmlichkeiten des Testamentes werden erleichtert und das Erfordernis einer Erbeinsetzung sowie die Unvereinbarkeit der testamentarischen mit der gesetzlichen Erbfolge beseitigt. d) Von den ersten Habsburgern bis zur Gegenwart 19 Die weitere Entwicklung des gemeinen Rechts – und der Foralrechte – hängt eng mit der politischen Entwicklung Spaniens zu einem einheitlichen Nationalstaat zusammen. Die Heirat der „Katholischen Könige“ Isabella von Kastilien (1451-1504) und Ferdinand von Aragón (1452-1516) im Jahre 1469, welche 1474 bzw. 1479 den Thron bestiegen, führte zu einer Personalunion zwischen Kastilien und Aragonien. Sie legte die Grundlagen für deren institutionellen Zusammenschluss unter der Regierung des Enkels, Karl I. von Spanien, nach unserer Zählung Kaiser Karl V., der von 1516 bis 1555 regierte. Bis dahin bestanden nebeneinander die Königreiche Kastilien, hervorgegangen 1037 aus dem Königreich Leon, Navarra (seit 905) und Aragón (seit 1035). Navarra wurde 1512 von Ferdinand von Aragón erobert, der, nach dem Tod von Isabella (1504) und seines Schwiegersohns, Philipp des Schönen, dem ersten Habsburger auf dem kastilischen Thron (1506), bis 1516 auch König von Kastilien war. Die Tochter der Katholischen Könige, Johanna die Wahnsinnige, regierte nominell gemeinsam zunächst mit ihrem Vater Ferdinand und später mit ihrem Sohn Karl, war aber wegen ihres „Wahnsinns“ in das Kloster von Tordesillas verbannt worden. Damit war, zusammen mit der Eroberung Granadas 1492, die politische Einheit Spaniens hergestellt. Die ehemals selbständigen Reiche behielten aber eine weitgehende Autonomie, die ihnen ihre Gesetzgebungsorgane und sonstigen staatlichen Zuständigkeiten unter dem Fortbestand verschiedener Staatsangehörigkeiten beließ. Mit der Entdeckung Amerikas und der Ausdehnung der Macht auf die spanischen Niederlande, Neapel und Sizilien begann der Aufstieg Spaniens zur Weltmacht, welche unter der Regierung von Philipp II. (1527 – 1598, auf dem Thron seit der Abdankung seines Vaters Karl V. im Jahre 1555), ihren Höhepunkt erreichte (Goldenes Zeitalter „Siglo de Oro“). Die Herrschaft der Habsburger dauerte bis 1700, als König Karl II. kinderlos starb. Unter diesen historischen Rahmenbedingungen bestanden auch günstige Bedingungen für die Fortbildung des kastilischen Rechts. Es wurde nun spanisches und gemeines Recht im Gegensatz zu den Partikularrechten genannt. Es entstanden zwei bedeutende kastilische Gesetzessammlungen. Zunächst waren dies die Leyes de Toro von 1505, die versuchten, 19 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Zweifelsfragen zu lösen und Lösungen bei widersprüchlichen Rechtsgrundlagen zu finden. Sie enthielten auch erbrechtliche Regelungen. Die Nueva Recopilación von 1567 enthielt die Gesetze des Fuero Real, des Ordenamiento de A lcalá sowie spätere Texte. Ihr folgte später noch eine Novísima Recopilación im Jahr 1805 mit Nachtrag von 1808, die im Wesentlichen auf der Nueva Recopilación unter Einschluss späterer Gesetze beruht. Im Jahre 1700 starb Karl II., ohne einen unmittelbaren Thronerben zu hinterlassen. Dies führte zum Spanischen Erbfolgekrieg zwischen Österreich und Frankreich, auf dessen Seite u.a. auch Bayern stand. Kaiser Leopold I. trat für seinen jüngeren Sohn, den Habsburger Thronprätendenten Karl, später Kaiser Karl VI, ein und Ludwig XIV. für seinen Enkel, Philipp von Anjou, der von Karl II. zum Erben bestimmt worden war. Der Krieg dauerte von 1701 bis 1714 und an seinem Ende (Friede von Utrecht) wurde Philipp V. als spanischer König bestätigt, der Habsburger erhielt die spanischen Niederlande, Neapel, Mailand mit Mantua und Sizilien. Auf Seiten der Habsburger standen in Spanien insbesondere die ehemals zur Krone von Aragonien gehörenden Gebiete Aragonien, Katalonien, die Balearen und Valencia. Aus diesem Grunde hob Philipp V. durch Dekret von 1707 ihre Rechte auf, vor allem auch im öffentlich-rechtlichen Bereich. Nach dem Wortlaut dieses Dekrets war auch der Gedanke maßgebend, dass ein einheitliches Recht für Spanien von großem Nutzen wäre. Für alle diese Regionen, mit Ausnahme von Valencia, wurde kurze Zeit danach durch die Decretos de Nueva Planta zwischen 1711 und 1718 - für Menorca erst 1781, als diese Insel wieder unter spanische Herrschaft kam - die Aufhebung der eigenständigen politischen, verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Organisation bestätigt, die Anwendung der Foralrechte durch die Oberen Gerichte aber ausdrücklich zugelassen. Die foralen Zivilrechte der genannten Regionen bestanden damit fort, es gab aber keine autonomen Gesetzgebungsorgane mehr, die sie hätten weiterentwickeln könnten, sie waren „versteinert“ (petrificados). Eine vergleichbare Entwicklung vollzog sich für die Regionen Vizcaya und Navarra, die im Erbfolgekrieg zu Philipp V. gehalten hatten, erst im 19. Jahrhundert nach den Napoleonischen Kriegen. Der vierte Bourbone auf dem spanischen Thron, Ferdinand VII. hinterließ bei seinem Tode 1833 seine dreijährige Tochter Isabel (II.), zu deren Gunsten er die erst 1713 in Spanien eingeführte salische Erbfolge wieder aufgehoben hatte. Dem widersetzte sich der Bruder Ferdinands VII., Karl, was zu den Karlistenkriegen (1834 – 1839) führte. Hierbei standen u.a. Navarra und das Baskenland auf der Seite der Karlisten. Als diese unterlagen, verloren Navarra und das Baskenland durch die sog. Leyes paccionadas von 1839 bzw. 1841 ebenfalls ihre Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit, behielten aber ihr forales Zivilrecht. Beide Ereignisse führten zu einer weiteren Ausbreitung des kastilischen Rechts und damit auch des kastilischen Zivilrechts, zumindest als Subsidiärrecht, wenn auch häufig nur zweiten oder letzten Grades. Isabel II. wurde durch die Revolution von 1868 entthront, Auf sie folgte ein König außerhalb der bourbonischen Dynastie, Amadeus von Savoyen. Auch dieser verlor seinen Thron bereits 1873 und es kam zur ersten spanischen Republik, die nur von kurzer Dauer war. 1874 kam Alfons XII., der Sohn Isabels, durch einen Militärputsch an die Regierung. 1886 folgte ihm sein Sohn Alfons XIII., der bis zur zweiten Republik von 1931 und damit auch während der Militärdiktatur von General Primo de Rivera (1923-1929) regierte. 20 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Der erste Entwurf eines spanischen Zivilgesetzbuches stammt aus dem Jahre 1851. Er ging von einem radikal vereinheitlichenden Standpunkt aus. Während der langen Zeitdauer bis zur Verabschiedung des heute geltenden Código Civil im Jahre 1889 ergingen mehrere Einzelgesetze, wie das Hypothekengesetz von 1861 und das Gesetz über die Ehe und das Personenstandsregister von 1870, die dieser Tendenz folgten. Ab 1880 bahnt sich ein Ausgleich zwischen der Einheitstendenz und einer mehr dezentralen Betrachtungsweise an, der auch in dem Código Civil seinen Niederschlag fand. Das System einer Rechtsvielfalt wird akzeptiert, wobei einige Materien der ausschließlichen Zuständigkeit des Staates vorbehalten bleiben. Als Gesetzeswerke für die Foralrechte sind von der Zentralgewalt zu erlassende sog. A péndices (Anhänge) vorgesehen, von denen nur der für Aragonien im Jahre 1925 in Kraft trat. Eine Gesetzgebungszuständigkeit der Foralrechtsgebiete bestand nach wie vor nicht. In der 2. Republik sollten die Regionen wieder eine Autonomie mit eigenen Gesetzgebungsund Regierungsorganen erhalten. Ein entsprechendes Statut erging aber nur für Katalonien. Diese Autonomiebestrebungen wurden durch den folgenden Bürgerkrieg (1936 bis 1939) und durch das obsiegende Franco-Regime beendet. Während der Franco-Zeit fand 1946 in Zaragoza der erste Kongress zur Untersuchung des Zivilrechts statt. Auf diesem Kongress wurde das Bestehen und die Rechtsmäßigkeit des Foralrechts bestätigt, das System der A péndices verworfen und als Endziel die Schaffung eines Allgemeinen Gesetzbuches des Zivilrechtes, das die Institutionen des gemeinen und des Foralrechts beinhalten sollte, anerkannt. Als Vorstufe hierzu sollten Kompilationen der einzelnen Foralrechte –immer noch von der Zentralgewalt – geschaffen und verkündet werden. Derartige Kompilationen sind in den Jahren 1959 (Baskenland) bis 1973 (Navarra) für alle Foralrechtsgebiete erlassen worden. Sie sind überholt durch die unter I. 3 (Rz 5 ff.) aufgeführten Kompilationen, die mittlerweile von den Gesetzgebungsorganen der Autonomen Gemeinschaften in Kraft gesetzt worden sind. Die Vereinheitlichung des Zivilrechts wird nicht mehr angestrebt (Rz 12 a. E., 13). 2. Foralrecht a) Allgemein 20 Das Adjektiv „foral“ leitet sich von dem in der spanischen Rechtssprache in verschiedenen Bedeutungen gebräuchlichen Wort „Fuero“64 ab. Fuero kann u.a. bedeuten: Gesetz oder Gesetzbuch (insb. im MA: einer Stadt); Gerichtsstand; bestimmte Gesetzeswerke oder – sammlungen (Fuero Juzgo, Fuero General de Navarra); Privilegien oder Ausnahmevorschriften zugunsten einer Region, Stadt oder Person. Besonders in den Foralrechtsgebieten Aragón, Navarra und Vizcaya ist „Fuero“ die historische Bezeichnung für das richtige Recht überhaupt und für bestimmte, in Gesetzessammlung enthaltene Rechtsquellen. Die Bezeichnung „Foralrecht“ für die auch nach der Herstellung der politischen Einheit fortbestehenden und vom gemeinspanischen Recht abweichenden Rechte bestimmter Landesteile ist in dieser allgemeinen Bedeutung ziemlich modern und findet sich erstmals Mitte des 18. Jahrhunderts in dem Glückwunsch des Rektors und Lehrkörpers der Universität 64 Vom lat. forum. 21 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Valencia zur Thronbesteigung Karl III. (Parabién del Rector y Claustro de la Universidad de V alencia al Rey Carlos III en su feliz advenimiento al Trono), in dem daran erinnert wird, dass es in der Audiencia65 von Valencia immer eine bestimmte Zahl „valencianischer Richter zur Entscheidung über die alten foralrechtlichen Prozesse geben müsse“.66Der Gesetzgeber verwendet die Bezeichnung „Derecho foral“ erstmals in Bestimmung 50 des Kgl. Dekrets vom 23.9.1867 über die Schaffung eines Lehrstuhls an allen Rechtsfakultäten für „Geschichte und Institutionen des gemeinen und foralen spanischen bürgerlichen Rechts“ (Historia e Instituciones de Derecho civil español común y foral). Der Código Civil spricht von „Derecho foral“ in seinen Artikeln 13, 14 und 15.67 b) Aragonien 21 Von der Gründung des Königreiches Aragonien in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts bis 1247 sind die wichtigsten Quellen des aragonesischen Rechtes die einzelnen Städten und Ortschaften gewährten Fueros oder Stadtrechte, die Rechtsprechung und die Gewohnheit. Die bekanntesten Fueros dieser Art sind der Fuero de Jaca von 1063 und der Fuero von Teruel von 1177. 1247 leitete die Veröffentlichung der Sammlung der Fueros de A ragón in der sog. Compilación de Huesca, auch genannt Código de Huesca eine neue Etappe der Rechtsentwicklung ein. Dieser Código ist frei von römisch-kanonischem Einfluss und zeigt Gemeinsamkeiten mit dem katalanischen und kastilischen Recht. Im 15. Jahrhundert erlangte die Sammlung der Observantiea consuetudinesque regni A ragoniae offiziellen Charakter. Die Fueros und Observancias del Reino de A ragón waren wiederholt Gegenstand von Sammlungen oder Rekopilationen. Die erste stammt aus den Jahren 1467/77 und wurde jeweils 1496, 1517 und 1542 auf den neusten Stand gebracht. 1547 erschien die systematische Sammlung der Fueros y Observancias, in die u.a. auch die Compilación de Huesca” aufgenommen wurde. Schließlich wurde 1554 noch eine Sammlung der sogenannten A ctos de Corte” fertiggestellt. Das Dekret Philipp V. von 1707 setzte der Fortentwicklung der aragonesischen Rechtsquellen zunächst ein Ende. Sie blieben aber in Kraft, bis am 2. Januar 1926 der Anhang zum Código Civil über das aragonesische Foralrecht (A péndice) wirksam wurde. Er hebt die Fueros y Observancias del Reino de A ragón in seiner Schlussbestimmung ausdrücklich auf. Seit Inkrafttreten des Código Civil im Jahre 1889 galt dieser als einziges Subsidiärrecht (Art. 13 CC a. F.) Der A péndice wurde durch die vom spanischen Staat erlassene Kompilation des Zivilrechts von Aragonien von 1967 außer Kraft gesetzt. Diese Kompilation wurde ihrerseits durch Gesetz von 1985 in die autonome aragonesische Rechtsordnung übernommen. Das Erbrecht ist heute in dem Erbgesetz von 1999 geregelt. c) Balearische Inseln 22 Die Geschichte der balearischen Rechtsquellen beginnt mit der Eroberung Mallorcas von den Mauren durch Jakob den Eroberer im Jahre 1229. Schon 1230 erhielt Mallorca eine sog. carta puebla, die vor allem Staats-, Verwaltungs- und Prozessrecht, aber auch einige bürgerlichrechtliche Vorschriften enthielt. Ähnliche Bestimmungen wurden 1236 für Ibiza und 1301 für 65 Ein Oberes Gericht. Fundstellen Hierneis, 4; vgl. aber auch Fn 18. 67 „Leyes Civiles Forales“, Boletín Oficial del Estado, 10. Aufl., Madrid 2000; im übrigen Hierneis, S. 4 f. 66 22 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Menorca erlassen. Ob die katalanischen Usatges, Costumbres und Constituciones daneben unmittelbar oder als Subsidiärrecht gegolten haben, ist umstritten. Seit dem 14. Jahrhundert wurden mehrere Sammlungen des mallorkinischen Rechts veröffentlicht, die aber mehr für das Staats- und Verwaltungsrecht von Bedeutung waren. Die wichtigste Quelle des historischen mallorkinischen Rechts ist die 1663 von dem Notar Antonio Moll veröffentlichte Sammlung, die aber nie Gesetzeskraft erhalten hat. Durch Dekret von 1715 verloren die Balearen ihre Gesetzgebungszuständigkeit. 1889 trat der Código Civil für die Balearen als einziges Subsidiärrecht in Kraft (Art. 13 CC a. F.). Tatsächlich wurde aber weiterhin römisches Recht angewandt. 1961 folgte die Kompilation, die die Streitfrage der Anwendung des römischen Rechts beendet und das Recht der Inseln untereinander klar abgrenzt. 1990 machte der autonome Gesetzgeber von seiner verfassungsmäßigen Befugnis Gebrauch und erließ eine neue Kompilation, welche ihre Vorgängerin in vielen Punkten änderte. d) Baskenland 23 In den baskischen Provinzen Biskaya und Álava gelten drei unterschiedliche Foralrechte, nämlich in der tierra llana Biskayas und in einigen Orten Álavas das biskayische Foralrecht, in der Tierra de A yala68 der Fuero de A yala und schließlich in der Provinz Gipuzkoa (Guipúzcoa) einige erstmalig 1999 kodifizierte gewohnheitsrechtliche Besonderheiten. Das gesamte biskayische Foralrecht war ursprünglich Gewohnheitsrecht. Es galt auf dem flachen Lande, während den Städten Stadtrechte verliehen worden waren. Die erste Niederschrift des Gewohnheitsrechtes erfolgte 1452 (Fuero V iejo oder A ntiguo). Im Jahre 1526 wurde der Fuero de V izcaya von einer Juristenkommission ausgearbeitet und am 7.6.1527 von Kaiser Karl V. bestätigt. Er trat am 3.7.1527 in Kraft. Dieser Fuero, dessen letzte Ausgabe 1950 erschien, galt bis zum Inkrafttreten der Kompilation von 1959. Das Gewohnheitsrecht der Tierra de A yala wurde erstmals im Jahre 1373 niedergeschrieben. 1469 wurden dem Fuero weitere Kapitel hinzugefügt. Im Jahre 1487 verzichteten die Ayalesen auf ihre Fueros und nahmen von diesem Verzicht im privatrechtlichen Bereich die absolute Testierfreiheit aus. Diese und die Institution des mächtigen Nießbrauches sind heute die einzigen Besonderheiten des Fuero de A yala. Der Entwurf eines A péndices war bereits 1901 abgeschlossen. Er trat aber nie in Kraft. Durch den Nationalkongress von Zaragoza erhielten die Kodifizierungsbemühungen neuen Aufschwung. Die Arbeiten waren so schnell beendet, dass die Kompilation des foralen Zivilrechts vom Zentralstaat als erste aller Kompilationen bereits 1959 erlassen werden konnte. Sie enthielt das biskayische Foralrecht und die Testierfreiheit des Fuero de A yala, regelte aber nicht das Rechtsinstitut des mächtigen Nießbrauches. Der autonome Gesetzgeber erließ 1992 das Gesetz über das baskische forale Zivilrecht. Die Bezeichnung „Gesetz“ wurde ausdrücklich deswegen gewählt, weil der Begriff „Kompilation“ im Baskenland keine Tradition habe. Dieses Gesetz regelte, wie die Kompilation, das bizkayische Foralrecht und den Fuero de A yala, letzteren nunmehr unter Einschluss des mächtigen Nießbrauches. Es enthielt von Anfang an in Art. 147 einen Vorbehalt für eine künftige Regelung des Foralrechts von Gipuzkoa. Dies geschah durch das 68 Die “Tierra de Ayala” liegt zwischen Bilbao und Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt der Provinz Álava (30 km südöstlich von Bilbao und 45 km nordöstlich von Vitoria). 23 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Gesetz über die Änderung des Gesetzes über das baskische forale Zivilrecht, in Bezug auf den zivilen Fuero von Gipuzkoa von 1999. Es ist herrschende Meinung, dass die Provinz Guipúzcoa seit dem 13. Jahrhundert dem gemeinen Recht untersteht. Sie hatte zunächst zu Navarra und später zu Kastilien gehört und es wurde davon ausgegangen, dass seit der Einverleibung in Kastilien im Jahre 1200 kastilisches Recht galt. Der Fortbestand einiger Gewohnheiten wurde allerdings nie abgestritten. Durch das vorgenannte Gesetz wurden, nach entsprechenden Vorarbeiten einer zu diesem Zwecke eingesetzten Kommission, diese Gewohnheiten erstmals kodifiziert und das baskische Foralrechtsgesetz um das Foralrecht von Guipúzcoa ergänzt. Es enthält auch erbrechtliche Vorschriften (Art. 147 f. CDPV). e) Galicien 24 Das Foralrecht der früheren römischen Provinz Gallaecia war bis zum Inkrafttreten der Kompilation des besonderen Zivilrechts von Galicien von 1963 reines Gewohnheitsrecht. Dieses war stark ausgerichtet an den Bedürfnissen einer bäuerlichen Gesellschaft und den Rechtsinstituten, die sich mit dem Grundeigentum und dessen Nutzung befassten. Schon durch kgl. Dekret vom 2.2.1880 wurde der Allgemeinen Kodifizierungskommission auch ein Mitglied für Galicien beigefügt. 1899 wurde eine Kommission für Galicien gebildet, die 1915 einen Entwurf für einen Anhang zum Código Civil (A péndice) vorlegte, der nie Gesetz wurde. Die Kompilation von 1963 beruht auf diesem Entwurf. Das Gesetz über das Zivilrecht von Galicien von 1995 ersetzt die Kompilation und versucht alle Institutionen zu erfassen, die im Gewohnheitsrecht von Galicien lebendig sind (Motive) f) Katalonien 25 Die ersten Rechtsquellen in Katalonien waren die Kapitularen (capitulares pro hispani) der Kaiser Karl de Großen, Ludwig des Frommen und Karl des Kahlen sowie die gotischen Gesetze, vor allem der Fuero Juzgo (Rz 17). Daneben kam den lokalen Gewohnheitsrechten eine große Bedeutung zu. Um 1068, während der Regierungszeit von Ramón Berenguer I. (1035-1076) beginnt die Veröffentlichung der Usatges, die hauptsächlich Gerichtsbräuche enthielten. Sie führten zu dem Gesetzbuch der Usatges de Barcelona, die nicht nur in Barcelona, sondern in ganz Katalonien, im Roussillon und in der Cerdagne galten. Die Usatges de Barcelona und die vorhergehenden Westgotengesetze (Fuero Juzgo) ergänzten einander. Die Usatges bezogen sich sogar ausdrücklich auf den Liber iudiciorum . Ihre zivilrechtlichen Bestimmungen galten bis zur Kompilation von 1960. In der Folgezeit entstanden die wichtigsten Bestandteile des katalanischen Rechts: Constituciones, Capítulos, A ctos de Cortes, königliche Verfügungen, und Concordias. Auch die Gewohnheitsrechtssammlung Las Conmemoraciones de Pere A lbert stammt aus dieser Zeit. Etwa gleichzeitig wurden die wichtigsten Quellen des lokalen Rechtes verfasst, gegenüber dem das für ganz Katalonien geltende römische und kanonische Recht die Rolle eines gemeinen Rechts einnahm. Hierzu gehören die Consuetuts de Barcelona, die nach ihrem Anfang meist Recognoverunt Proceres genannt werden (1284), die Ordinacions d’en Sancta Cicilia (14. Jhrdt.) und die Konstitution Peters von Aragonien über die Form der Testamente 24 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien (1339). Daneben gewann seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Gewohnheitsrecht von Tortosa immer mehr an Bedeutung. Seine Niederschrift in dem Código de las Costumbres de Tortosa tritt gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Kraft. Der Código weist vorwiegend römischrechtliche Elemente auf, subsidiär galten die Usatges und gemeines Recht. Im Bistum Gerona wird ebenfalls im 13. Jahrhundert mit der Aufzeichnung des Gewohnheitsrechtes begonnen. Tormas Mieres verfasste 1430 eine Zusammenstellung, die 1439 revidiert wurde und den Titel Consuetudines diocesis Gerundensis erhielt. Auch die Gewohnheiten des Valle de Arán wurden schriftlich festgehalten und 1616 unter dem Titel Ordinaciones pragmáticas y edictos reales del V alle de A rán zusammengefasst. Die Costumbres del campo de Tarragona wurden nie aufgezeichnet, wirken aber ebenso wie die bisher aufgezählten Lokalrechte noch in die geltende Kompilation hinein. Die Komplexität der katalanischen Rechtsquellen führte zu den ersten beiden allgemeinen Kompilationen des katalanischen Rechts in den Jahren 1495 und 1588 mit der Bezeichnung Constitucions y altres drets de Cathalunya. In den Jahren 1409 und 1599 ergingen Gesetze, die das römisch-kanonische Recht als gemeines Recht anerkannten und die Rangfolge der katalanischen Rechtsquellen endgültig festlegten. Kurz bevor Katalonien durch die Dekrete Philipps V. seine Gesetzgebungsautonomie verlor, kam im Jahre 1704 eine neue Kompilation heraus, welche bis 1960 die Grundlage des katalanischen Rechts bildete. Danach stagnierte das katalanische Recht und hatte sich auch gegen den Druck der Vereinheitlichungsbestrebungen des spanischen, d.h. kastilischen Rechts zu wehren. 1930 legte die zuständige katalanische Kommission den Entwurf eines katalanischen Anhangs (A péndice) zum Código Civil vor, welcher aber nie Geltung erlangte. Die republikanische Verfassung von 1931, zusammen mit dem katalanischen Statut von 1932, gab Katalonien die volle Gesetzgebungsautonomie auf dem Gebiet des Privatrechts, mit Ausnahme der Form der Eheschließung, der Einrichtung der Register, der Grundlagen des Schuldrechts und des Kollisionsrechts, zurück. Die katalanische Generalität (Generalidad catalana) erließ daraufhin mehrere Gesetze, darunter auch über die gesetzliche Erbfolge (19.6.1936). Nach dem Sieg Francos hob der spanische Staat durch Gesetz vom 5. August 1938 das katalanische Statut auf und beseitigte die genannten Gesetze mit rückwirkender Kraft durch Gesetz vom 8. September 1939. Im Zuge der Kodifizierung der Foralrechte nach dem Nationalkongress von Zaragoza erhielt Katalonien 1960 die von der Zentralgewalt erlassene Kompilation des besonderen Zivilrechts von Katalonien. Durch gesetzgebendes Dekret von 1984 wurden die Regelungen dieser Kompilation vom autonomen Gesetzgeber übernommen und der Verfassung angepasst. Seit Inkrafttreten des Erbgesetzbuches und des Familiengesetzbuches sind die familien- und erbrechtlichen Bestimmungen der Kompilation aufgehoben. Neueren Datums sind das Gesetz über Lebensgemeinschaften von 1998 und das Gesetz über Haushaltsgemeinschaften mit gegenseitigem Beistand von 1998/99. Im Januar 2003 trat das erste Gesetz über ein neues Zivilgesetzbuch von Katalonien in Kraft (vgl. Rz. 10). g) Navarra 26 In der ersten Epoche nach Gründung des Königreiches Navarra existierten vor allem örtlich beschränkte Rechtsquellen, lokale Fueros. Dazu gehören die Fueros von Tudela (1127) 25 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Estella, Viguera und Val de Funes (1164). Das navarrische Recht beruht weitgehend auf der Gewohnheit. Es wird angenommen, dass das gotische Recht in Navarra nicht unmittelbar gegolten hat. Das navarrische Recht weist aber durchaus auch germanischrechtliche Züge auf. Der Fuero von Tudela, auch genannt Fuero de Sobrarbe, und derjenige von Estella steuerten neben der Gewohnheit und anderen Fueros die meisten Bestimmungen für die erste allgemeine navarrische Rechtsquelle, den Fuero General de Navarra, bei. Es ist nicht bekannt, ob es sich um eine allgemeine Kodifikation oder nur um die Auslegung bereits vorhandenen Rechts handelte. Auch der Zeitpunkt seiner Fertigstellung ist ungewiss, möglicherweise umfasst er die Zeit von 1234 bis 1253. Der endgültige Text wurde Anfang des 14. Jahrhunderts festgelegt. Die navarrischen Könige Philipp III. de Evreux (1330) und Karl III. (1418) erließen Gesetzesänderungen zum Fuero General (sog. A mejoramientos). Bis zum 19. Jahrhundert folgten noch weitere Gesetzessammlungen, nämlich die Recopilación de leyes de las Cortes von 1686, die Novísima Recopilación de las leyes del Reino de Navarra von 1735. und die Cuadernos de las Leyes de Cortes von 1724 bis 1829. Ebenfalls benutzt wurde eine inoffizielle Gesetzessammlung, der sog. Fuero Reducido” von 1530, der allerdings nie die königliche Genehmigung erhielt. Im Anschluss an den ersten Karlistenkrieg wurden durch Gesetz von 1839 zwar die Fueros von Navarra (und die der baskischen Provinzen) bestätigt, die Gesetzgebungsautonomie dagegen durch die Ley paccionada von 1841 aufgehoben. Navarra und das Baskenland behielten aber mehr Zuständigkeiten als die Regionen, welche ihre Autonomie nach dem Erbfolgekrieg eingebüßt hatten, vor allem auch auf dem Gebiet des Steuerwesens. Auch für Navarra wurde der Entwurf eines Anhangs zum Código Civil (A péndice) fertig gestellt (1900). Er wurde aber ebenso wenig wie alle anderen, außer dem für Aragonien, nie verabschiedet. Die Kompilation des foralen Privatrechts von Navarra, auch Fuero Nuevo genannt, trat als letztes der vom Zentralstaat erlassenen Gesetzeswerke 1973 in Kraft. In dem hierbei angewandten Verfahren – nicht Gesetz des damaligen spanischen Ständeparlaments (Cortes), sondern des Staatschefs – kam die besondere Stellung Navarras aufgrund der Ley paccionada zum Ausdruck. Durch Foralgesetz 5/1987 wurde die Kompilation nicht aufgehoben, sondern lediglich vom autonomen Gesetzgeber geändert, vor allem um sie der Verfassung und den aktuellen sozialen Verhältnissen in Navarra anzupassen. Das Gesetz über die rechtliche Gleichstellung von Lebensgemeinschaften änderte einige Gesetze69 der Kompilation h) Valencia 27 Valencia wurde erstmals durch den legendären „El Cid“, Ruy Díaz Vivar, 1097 von den Arabern zurückerobert, doch 1102 von den Almoraviden wieder eingenommen. Der aragonesische König Jakob I., der Eroberer (1208-1276; Regierungszeit; 1213-1276) eroberte Valencia 1238 endgültig und gab der Stadt 1240 ein Gesetzbuch namens Costum als reines Stadtrecht. Im Übrigen galt aragonesisches Recht, da Valencia zu Aragonien gehörte. Der Text der Costum ist nicht erhalten. In den Folgejahren wurde dieses Gesetzbuch geändert und ergänzt. Seine Bezeichnung lautete nun Furs oder Fuero von Valencia. Sein Anwendungsbereich dehnte sich auf das gesamte valencianische Gebiet aus, was 1330 vom 69 Die navarrische Kompilation ist in Gesetze (Leyes) und nicht in Artikel unterteilt. 26 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien Gesetzgeber bestätigt wurde. Die Quellen sind vorwiegend römischrechtlich. Das valencianische Recht wurde noch zweimal in Gesetzessammlungen zusammengestellt, einmal 1482 in chronologischer Reihenfolge und 1547 nach Rechtsgebieten. Aus den gleichen Gründen wie Katalonien und Aragonien verlor Valencia durch das Dekret Philipp V. von 1707 sein Foralrecht, ohne dass es später, wie in den anderen Regionen, wiederhergestellt worden wäre. Seither gilt in Valencia das kastilische Recht mit zivilrechtlichen Besonderheiten im Pachtrecht. Über dieses Pachtrecht (arrendamientos históricos) erließen die Valencianischen Cortes (Parlament von Valencia) im Jahre 1986 ein Gesetz.70 In den Motiven wird davon ausgegangen, dass in diesem Bereich foralrechtliche Besonderheiten zumindest im Rahmen der Vertragsfreiheit überlebt haben.71 70 71 Gesetz 6/1986, vgl. Fn 57 Zur Zuständigkeit des valencianischen Gesetzgebers in diesem Bereich, vgl. Rz 14. 27 Ferid-Firsching Spanien bearbeitet von Dr. Otto M. Hierneis Grdz. Spanien III. Intertemporales Recht 28 Die Regeln des intertemporalen Rechts sind in den Übergangsvorschriften (Disposiciones transitorias) der einschlägigen Gesetze enthalten. Die Übergangsvorschriften des Código Civil haben für diesen selbst wegen dessen langer Geltungsdauer keine praktische Bedeutung mehr. Sie sind jedoch dann noch anzuwenden, wenn ein anderes Gesetz jüngeren Datums auf sie verweist. Dies ist der Fall in den Foralrechten des Baskenlands (1. Übergangsvorschrift CDPV) und, wenn auch eher subsidiär, von Aragonien und Galicien(12. Übergangsvorschrift CDA, 4. Übergangsvorschrift CDG). In Ziff. 12 der Übergangsvorschrift des CC ist bestimmt, dass die Erbansprüche bezüglich des Nachlasses eines Erblassers, der vor Inkrafttreten des Gesetzes mit Testament oder ohne ein solches verstorben ist, sich nach dem früheren Recht richten. Der Nachlass derjenigen, welche nach seinem Inkrafttreten verstorben sind, wird gemäß diesem Gesetz aufgeteilt, jedoch unter weitmöglichster Beachtung der letztwilligen Verfügungen. Somit werden Noterbteile, Aufbesserungen und Vermächtnisse beachtet, jedoch insoweit herabgesetzt, als anderenfalls nicht jeder an der Erbschaft Beteiligte das erhalten würde, was ihm nach diesem Gesetz zusteht. Dies bedeutet insbesondere, dass sich die Ansprüche der Noterben im zweiten Fall ausschließlich nach dem Código Civil richten. Im Übrigen enthalten alle foralrechtlichen Gesetze und Kompilationen, zum Teil sehr ausführliche, Regelungen des intertemporalen Rechts. Diese werden im 2. Teil „Gesetzestexte“ B. abgedruckt. 28