Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers
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Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers
Regelung eines TDI-Motors Regelung eines Beispiel des Leerlaufreglers amTDI-Motors Beispiel desam Leerlaufreglers Ein gemeinsamer Versuch der IAV GmbH, Gifhorn und des Instituts für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik der Fachochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Vortrag: Dr.-Ing. T.Lange Versuchsbetreuung: Dr.-Ing. M.Sofsky Dipl.-Ing. D.Giebert Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik Salzdahlumer Straße 46/48 38302 Wolfenbüttel Telefon 05331/939-3316 Telefax 05331/939-3302 Skript: Dr.-Ing. K.Müller, Dr.-Ing. T. Lange Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik: Prof. Dr.-Ing. D. Meyer Nordhoffstraße 5 38518 Gifhorn Telefon 05371/8 05-0 Telefax 05371/8 05-12 50 1 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Kontaktadressen IAV GmbH Nordhoffstraße 5 38518 Gifhorn Internet: www.iav.de Dr.-Ing. T. Lange Telefon 05371 / 805 - 1416 E-Mail [email protected] Dr.-Ing. M. Sofsky Telefon 05371 / 805 - 1878 E-Mail [email protected] 2 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Inhalt 1. Einführung 2. Allgemeiner Regelkreis 3. Aufgabengebiet eines Applikationsingenieurs 4. EDC – Elektronische Diesel-Regelung 4.1 Regelstrecke – Viertakt-Dieselmotor 4.1.1 Viertaktprinzip 4.1.2 Erweiterung zum modernen Dieselmotor 4.2 Regelungen 4.3 Motorsteuergerät 4.4 Sollwertberechnung 4.5 Stellglied – Beispiel Einspritzsystem 4.6 Meßeinrichtung – Beispiel Drehzahlmessung 4.7 Regler 4.7.1 Änderungen des Streckenverhaltens 4.7.2 Reglerstruktur 4.7.3 Groß- und Kleinsignalverhalten 5. Versuchsdurchführung 5.1 Reglerdimensionierung – Symmetrisches Optimum 5.2 Versuchsvorbereitung 5.3 Versuchsaufbau 5.4 Änderung der Leerlaufdrehzahl 5.5 Reglerauslegung 5.6 Lastaufschaltung 5.7 Sturzgas 3 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 1. Einführung Der Laborversuch ist eine Gemeinschaftsveranstaltung des Instituts mit der Industrie. Mit diesem Versuch sollen Probleme aufgezeigt werden, wie sie vielfach in der Praxis eines Regelungstechnikers auftreten. Es wird gezeigt, daß für die Lösung jeder regelungstechnischen Aufgabenstellung ein system-technisches Denken und Handeln notwendig ist. Aufgrund der immer höheren Anforderungen an das Aggregat in Bezug auf Emission, Komfort, Leistung, Akustik und Verbrauch werden die technischen Systeme zunehmend komplizierter und komplexer. Dies soll am Beispiel der Leerlaufregelung eines TDI-Motors gezeigt werden. 2. Allgemeiner Regelkreis Das Ziel einer Regelung ist es, ein bestimmtes, i.allg. gegebenes technisches System mit Hilfe einer Regeleinrichtung so zu beeinflussen, daß die Regelgröße einen vorgeschriebenen Wert oder Verlauf annimmt. Hierzu wird der Wert der Regelgröße mit Hilfe einer Meßeinrichtung erfaßt und mit der Führungsgröße verglichen. Die Regeleinrichtung ermittelt aus der Regeldifferenz eine Stellgröße, die das zu regelnde System so beeinflußt, daß die an die Regelung gestellten Anforderungen mög-lichst optimal erfüllt werden. Eine häufige Anforderung ist z.B., daß die Regeldifferenz nach kurzer Zeit verschwindet, so daß die Regelgröße der Führungsgröße entspricht. Die Zuordnung zwischen den im Bild 1 genannten prinzipiellen Blöcken eines Regelkreises und den Teilen eines realen Systems ist nicht immer scharf abgegrenzt, sondern stark vom jeweils betrach-teten System abhängig. Störgröße Sollwertvorgabe Regeldifferenz Regler Störgröße Stellgröße Stellglied Regelstrecke Regelgröße Regeleinrichtung gemessener Istwert Bild 1: Allgemeiner Regelkreis. [DIN 192226] Istwert Meßeinrichtung Störgröße Ein handelsübliches Heizkörperthermostat könnte z.B. als Regeleinrichtung aufgefaßt werden, da es sowohl den Regler (Bimetallfeder) als auch das Stellglied (Ventilverstellung) beinhaltet. 4 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers In einem Kraftfahrzeug besteht die Regeleinrichtung i.allg. aus verschiedenen Komponenten. Die Regeldifferenz wird z.B. vom Steuergerät ermittelt, das auch den eigentlichen Regler als Softwarestruktur beinhaltet. Das Steuergerät hat Leistungsendstufen, mit denen die Stellglieder z.B. einen elektropneumatischen Wandler (EPW) ansteuern. Ein EPW setzt einen pulsweitenmodulierten Strom in Verbindung mit einer Unterdruckdose in eine Kraft um, die z.B. ein Ventil um einen bestimmten Wert öffnet. 3. Aufgabengebiet eines Applikationsingenieurs Die eigentliche Aufgabe eines Applikationsingenieurs ist es, die Reglerparameter eines gegebenen Systems so auszulegen, daß das System in allen möglichen Betriebspunkten einen definierten Zustand hat bzw. möglichst schnell den gewünschten Zustand annimmt. Unter idealen Bedingungen müßte sich der Applikationsingenieur somit nur mit den Reglerparametern befassen. Diese ideale Vorstellung läßt sich in der Praxis nicht umsetzen, da sich reale Systeme i.allg. nicht ideal verhalten. Dies äußert sich z.B. durch den möglichen Ausfall bestimmter Komponenten oder dadurch, daß Sensoren oder Aktoren einfach falsch angeschlossen sind. Weiterhin können alle realen Systeme nur mit endlicher Genauigkeit gefertigt werden und unterliegen einem Alterungsprozeß. Hierdurch ergeben sich bestimmte Streuungen, die bei der Applikation, also der Auslegung des Regelkreises, berücksichtigt werden müssen. Neben diesen vom technischen System vorgegebenen Einflüssen muß berücksichtigt werden, daß jedes System äußeren Einflüssen unterliegt. So können sich z.B. die vom Menschen verfolgten Ziele ändern. In den ersten Jahren der Motorentwicklung war fast ausschließlich die Erhöhung des maximalen Drehmoments bzw. der Leistung das angestrebte Ziel. Im Laufe der Zeit hat sich ein zunehmendes Umweltbewußtsein eingestellt, weshalb derzeit viel Entwicklungsaufwand für die Senkung des Verbrauchs bzw. der Abgase eines Verbrennungsmotors aufgebracht wird. Neue, höher gesteckte Ziele lassen sich erreichen, wenn sich die Technik weiterentwickelt hat und leistungsfähigere Komponenten vorhanden sind. Dies können z.B. genauere Sensoren, schnellere Mikrocontroller oder leistungsfähigere Stellglieder sein. Die Aufgabe eines Applikationsingenieurs ist es, das gesamte System zu betrachten, mögliche Schwachstellen zu erkennen und das Gesamtsystem durch geeignete Maßnahmen zu verbessern. 5 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Ein System kann somit nur zielgerichtet beeinflußt - also geregelt - werden, wenn von allen im Bild 2 genannten Elementen der grundsätzliche Aufbau und dessen Verhalten bekannt ist. Realisierbarkeit von Sollwertvorgaben Abstimmung der Reglerparameter, Entwurf neuer Reglerstrukturen Arbeitsbereich des Stellgliedes Störgröße Störgröße Sollwertvorgabe Regeldifferenz Regler Minimierung der Störgrößen Berücksichtigung Änderung des Regelstreckenverhaltens Stellgröße Stellglied Regelstrecke Regelgröße Regeleinrichtung gemessener Istwert Istwert Meßeinrichtung Erfassung des Istwerts Störgröße Bild 2: Aufgabengebiete eines Applikationsingenieurs Zusammenfassend muß ein Applikationsingenieur folgende Fragen beantworten: • Welche Sollwertvorgaben müssen unter welchen Bedingungen getroffen werden? • Was ist die geeignete Reglerstruktur für die gestellte Aufgabe und wie müssen die Reglerparameter ausgelegt werden? • Ist der Arbeitsbereich des Stellgliedes ausreichend? Ist eine Vergrößerung evtl. möglich? • Wie können Störgrößen vermieden oder ihre Auswirkungen reduziert werden? • Wie ändert sich das Regelstreckenverhalten in den verschiedenen Betriebspunkten? Sind die Regler entsprechend robust ausgelegt? • Wie kann der Istwert hinreichend genau gemessen werden? 6 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 4 EDC — Elektronische Diesel-Regelung Die elektronische Regelung eines Dieselmotors ist durch die sehr hohe Kompliziertheit des Systems gekennzeichnet, die sich durch die verschiedenen Sensoren und Aktoren und die vielfältigen Anforderungen ergeben. 4.1 Regelstrecke — der Viertakt-Dieselmotor Die Regelstrecke stellt das technische System dar, dessen Verhalten durch die Bildung eines geschlossenen Regelkreises zielgerichtet beeinflußt werden soll. In diesem Versuch soll die Drehzahl eines ViertaktDieselmotors geregelt werden. Der Dieselmotor ist somit die Regelstrecke. Seine Funktion wird im folgenden erläutert. 4.1.1 Viertaktprinzip Bild 3 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines modernen Viertaktmotors1. In Bildmitte befindet sich der Kolben, der über das Pleuel mit der Kurbelwelle beweglich verbunden ist. Er bewegt sich im Zylinder auf und ab und treibt die Kurbelwelle an. Die Kurbelwelle ist im Kurbelgehäuse drehbar gelagert. Die Ölwanne, die das Kurbelgehäuse nach unten abschließt, nimmt den Ölvorrat des Motors auf. Der Zylinder ist nach oben hin durch den Zylinderkopf abgeschlossen. Bild 3: Aufbau eines Viertakt-Motors. Zeichnung angelehnt an: Peter Gerik, Detlef Bruhn, Dietmar Danner, Leonhard Endruschat, Jürgen Göbert, Heinrich Gross, Detlef Komoll: Kraftfahrzeugtechnik. Westermann Schulbuchverlag GmbH. 1 Mit Fremdzündung über eine Zündkerze erhält man einen Viertakt-Otto-, mit Selbstzündung nach Kraftstoffzufuhr über eine Einspritzdüse einen Viertakt-Dieselmotor. 7 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Hier befinden sich zwei Ventile, die zu bestimmten Zeiten Einlaß- bzw. Auslaßkanal öffnen. Das Öffnen und Schließen dieser Ventile wird von der Nockenwelle über Übertragungselemente (Kippoder Schlepphebel oder Tassen- oder Hydrostößel oder Stößelstangen, je ein Element für Ein- bzw. Auslaßventil) gegen den Druck der Ventilfedern gesteuert. Am Ende der Kurbel- und der Nockenwelle befindet sich jeweils ein Zahnrad (Kurbelwellenrad bzw. Nockenwellenrad), beide sind über den Zahnriemen oder die Steuerkette miteinander verbunden. Die Spannung des Zahnriemens (der Steuerkette) wird durch eine Spannrolle (einen Kettenspanner) aufrechterhalten. Damit treibt die Kurbelwelle die Nockenwelle an und die Ventilsteuerung ist zeitlich fest mit der Stellung des Kolbens gekoppelt (eine Nockenwellenumdrehung entspricht zwei Kurbelwellenumdrehungen). Im Raum zwischen Kolbenoberseite (“Kolbenboden”) und Zylinderkopf findet der Verbrennungs-vorgang statt, er wird daher als Brennraum bezeichnet. Um ein Entweichen der Verbrennungsgase zwischen Kolben und Zylinderwand zu vermeiden, dichten federnde Kolbenringe in Nuten des Kolbens diesen zum Zylinder hin ab. Beim Ottomotor gelangt über den Einlaßkanal ein zünd-fähiges, homogenes Luft/Kraftstoffgemisch in den Brennraum. Die Verbrennung wird durch einen Hochspannungsfunken an einer Zündkerze eingeleitet (fremdgezündeter Motor). Beim im weiteren betrachteten Dieselmotor hingegen entzündet sich das Luft-/Kraftstoffgemisch allein durch die hohen Drücke und Temperaturen, die infolge der Kompression herrschen2. Über den Einlaßkanal wird nur Luft in den Brennraum geführt, eine (nicht gezeichnete) Einspritzdüse spritzt kurz vor dem gewünschten Zündzeitpunkt den Kraftstoff direkt in den Brennraum ein. Mit einem Zündverzug von etwa 1ms nach dem Spritzbeginn entzündet sich das heterogene Gemisch3. Die heißen Verbrennungsgase drücken den Kolben nach unten. Die Kraft auf den Kolben wird über das Pleuel in den Kurbelzapfen der Kurbelwelle eingeleitet. Das an der Kurbelwelle anliegende Moment kann am Kurbelwellenende abgenommen werden. 2 3 Daher bezeichnet man den Dieselmotor auch als Selbstzündungsmotor: Ein Dieselmotor erzeugt ein Drehmoment, solange er Kraftstoff und Luft zur Verbrennung hat. Das Gemisch aus Kraftstofftröpfchen und Luft verbrennt nur vollständig, wenn auch lokal stets hinreichend Luftsauerstoff für die Verbrennung zur Verfügung steht. Daher wird der Dieselmotor mit seinem insgesamt heterogenen Gemisch mit Sauerstoffüberschuß betrieben. Andernfalls steigen die Rußemissionen steil an. 8 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers In vier aufeinander folgenden Arbeitstakten (Bild 4) wiederholt sich der Verbrennungsvorgang zyklisch. Ansaugen Im ersten Takt strömt bei abwärts wanderndem Kolben über das geöffnete Einlaßventil Luft ein. Verdichten Im zweiten wird sie vom wieder aufwärts strebenden Kolben verdichtet. Kurz vor dem Erreichen des oberen Totpunktes wird durch Einspritzen4 des Kraftstoffes die Verbrennung eingeleitet. Arbeiten Damit beginnt der dritte Takt, in dem die expandierenden Verbrennungsgase Arbeit am nach unten wandernden Kolben verrichten. Ausschieben Im letzten, dem Ausschiebetakt, drückt der Kolben auf dem Weg nach oben die Abgase aus dem nun geöffneten Auslaßventil. Bild 4: Zwei Umdrehungen eines Viertaktmotors (Bild Andreas Grote/IAV) 4 Der Spritzbeginn wird vom Steuergerät festgelegt, das entsprechende Signale an das Einspritzbeginnventil der Einspritzpumpe liefert. Zur Einspritzpumpe siehe Abschnitt 4.4. 9 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 4.1.2 Erweiterung zum modernen Dieselmotor Ein moderner Dieselmotor (Bild 5) wird mit einer Vielzahl von Sensoren und Stellgliedern betrieben, welche im wesentlichen die Aufgabe haben, das vom Fahrer gewünschte Drehmoment unter Berücksichtigung von Emissionen, Komfort, Verbrauch u.a. zur Verfügung zu stellen. Teilweise sind die zugehörigen Regelungen recht komplex. Sie werden daher im folgenden teilweise etwas vereinfacht dargestellt. Bild 5a: Volkswagen 1,9l TDI-Motor mit Abgasreinigung 60 200 180 50 160 140 40 D r eh mo m e n t [ N m ] L e istu n g [ k W ] 70 120 100 30 Bauart: 4-Zyl.-Reihen-Turbodiesel Hubraum: 1896 cm3 Bohrung: 79,5 mm Hub: 95,5 mm Verdichtungsverhältnis: 19,5 mm Nennleistung: 66 kW (90PS) bei 4000 min-1 Max. Drehmoment: 202 Nm bei 1900 min-1 20 10 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 Gemischaufbereitung: Direkteinspritzung mit elektronisch geregelter Verteilereinspritzpumpe Abgasreinigung: Abgasrückführung und Oxidationskatalysator Drehzahl [1/min] Motorleistung und Drehmoment über der Drehzahl des Motors aufgetragen Bild 5b: Technische Daten des 1,9l TDI-Motors 10 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Der Spritzbeginn5 ist eine variable Größe: Die Kurbelwelle legt in gleicher Zeit bei höheren Drehzahlen größere Winkel zurück. Daher muß bei einem konstanten Zündverzug von etwa 1ms bei höheren Drehzahlen der Spritzbeginn um einen größeren Winkel vorverlegt werden. Für einen optimalen Wirkungsgrad des Motors sollte der Schwerpunkt der Verbrennung etwa bei 10° KW n. OT (Grad Kurbelwelle nach dem oberen Totpunkt) liegen. Der Mengenstrom durch die Düse ist aber begrenzt. Entsprechend liegt bei großen Einspritzmengen der Spritzbeginn früher. Beide Zusammenhänge finden ihren Niederschlag im Spritzbeginnkennfeld (siehe Bild 6), das die Vorgaben für das Steuergerät enthält. Bild 6: Kennfeld für Spritzbeginn-Sollwert (Bosch). Je höher Drehzahl und Einspritz-menge sind, desto früher beginnt die Einspritzung. Aus: Wolf-Peter Böttcher, Heinz Hermböding, Peter Klavon, Volkert Schlüter, Richard Skutnick, Axel Sprenger: Die Meisterprüfung im KFZ-Handwerk. Vogel Buchverlag, Würzburg, 1998. Die Abgase entweichen im vierten Takt mit hohen Temperaturen und Überdruck aus den Aus-laßventilen. Entläßt man sie über die Auspuffanlage direkt in die Umgebung, so bleibt die in ihnen enthaltenen Restenergie6 ungenutzt. Andererseits könnte man die Leistung eines Motors bei unverändertem Hubraum7 steigern, wenn die Luftmenge erhöht werden könnte, die bei geöffnetem Einlaßventil und zurückwanderndem Kolben im Ansaugtakt vom Umgebungsdruck in den Zylinder gedrückt wird. Stünde so mehr Luft für die Verbrennung zur Verfügung, könnte mehr Kraftstoff eingespritzt und damit mehr Leistung zur Verfügung gestellt werden8. 5 Das ist der Zeitpunkt, an dem die Einspritzung des Kraftstoffes in den Brennraum beginnt. Er wird angegeben in °KW v. OT (Winkel der Kurbelwelle vor dem oberen Totpunkt in °). 6 Gegenüber der Umgebung sind Temperatur und Druck der Abgase erhöht. 7 Der Hubraum ist das Volumen, das der Kolben auf seinem Weg vom unteren zum oberen Totpunkt überstreicht, also das Produkt aus Kolbenhub und kreisförmiger Kolbenfläche. Bei einem Mehrzylindermotor addieren sich dabei die Hubräume der einzelnen Zylinder. 8 Die maximal eingespritzte Kraftstoffmenge muß stets nach der im Brennraum zur Verfügung stehenden Luftmenge geregelt werden: Zuviel eingespritzter Kraftstoff führt durch unvollständige Verbrennung zu einem steilen Anstieg der Partikel sowie des CO und der Kohlenwasserstoffe im Abgasstrom. 11 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Mit einem Abgasturbolader (Bild 7) kann nun sowohl ein Teil der Restenergie der Abgase genutzt werden als auch der Luftfüllungsgrad erhöht werden: Verdichterrad Abgasturbine Bild 7: Abgasturbolader mit Ladedruckbegrenzung Aus: Wolf-Peter Böttcher, Heinz Hermböding, Peter Klavon, Volkert Schlüter, Richard Skutnick, Axel Sprenger: Die Meister-prüfung im KFZ-Handwerk. Vogel Buchverlag, Würzburg, 1998. Ansaugkrümmer Verbindungsleitung zwischen Ansaugkrümmer und Membrankammer Regelventil Es handelt sich beim Turbolader um zwei Schaufelräder in getrennten Gasräumen, die über eine gemeinsame Welle verbunden sind. Das eine Schaufelrad wird vom Abgasstrom angetrieben, dabei werden die Abgase entspannt und Druck und Temperatur sinken. Das andere Schaufelrad erhöht den Luftdruck auf der Einlaßseite des Motors und sorgt damit für die erwünschte Vergrößerung der angesaugten Luftmasse. Dabei muß darauf geachtet werden, daß ein maximaler Ladedruck nicht überschritten wird: Der Lader müßte mit unzulässig hohen Drehzahlen arbeiten, um ihn zu erzielen. In Bild 7 wird dies über ein direkt vom Ladedruck gesteuertes Bypassventil parallel zum Schaufelrad im Abgasstrom sichergestellt, beim Versuchsfahrzeug über ein vom Steuergerät angesteuertes, pneumatisch betätigtes Ventil9. Beim Betrieb des Dieselmotors entstehen infolge unvollständiger Verbrennung insbesondere bei niedrigen Temperaturen Schadstoffe: Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffe (HC) und Partikel (Ruß mit angelagerten Kohlenwasserstoffen). Außerdem verbindet sich mit der Temperatur zunehmend der Luftstickstoff (N2) mit dem Luftsauerstoff (O2) zu Stickstoffdioxid (NO2), Stickstoffmonoxid (NO) und Distickstoffoxid (N2O , Lachgas). Die Stickstoffoxide werden im weiteren zusammengefaßt als NOx bezeichnet. Bei schwefelhaltigen Kraftstoffen entsteht als weiterer Schadstoff Schwefeldioxid (SO2). 9 Hier ist die Regelung aufwendiger: Ein Fühler liefert dem Steuergerät die Information über den Ladedruck (Istgröße), das pneumatische Ventil wird über einen vom Steuergerät betätigten EPW mit Unterdruck angesteuert. 12 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Darüber hinaus produziert der Motor wie bei idealer Verbrennung Wasserdampf (H2O) und Kohlendioxid (CO2). SO2 passiert einen nachfolgenden Katalysator unverändert10. Dieser Schadstoff kann nur durch Verringerung des Schwefelanteils im Kraftstoff verringert werden. CO und HC können durch einen Oxidationskat zu CO2 und H2O oxidiert werden. Anders als beim Ottomotor ist eine gleichzeitige Reduktion der NOx jedoch nicht möglich, da der Dieselmotor mit Luftüberschuß arbeitet (λ>1). Es ist ein Kompromiß zwischen den bei hohen Verbrennungstemperaturen entstehenden NOx und dem bei niedrigen Temperaturen entstehenden Ruß zu schließen, beide Schadstoffe können durch den Oxidationskat nicht aus dem Abgasgemisch entfernt werden. Die Verbrennungstemperatur kann durch gezielte Rückführung von Abgas in den Ansaugtrakt (Bild 8) des Motors gesenkt werden (Absenkung des NOx-Anteils). Gleichzeitig können unvollständig verbrannte Abgasanteile beim zweiten Durchlauf durch den Motor weiter oxidiert werden. Damit kann durch die Abgasrückführung (AGR) der Schadstoffanteil im Abgas gesenkt werden. Bild 8: EDC-Steuergerät mit Abgasrückführung Aus: Wolf-Peter Böttcher, Heinz Hermböding, Peter Klavon, Volkert Schlüter, Richard Skutnick, Axel Sprenger: Die Meisterprüfung im KFZ-Handwerk. Vogel Buchverlag, Würzburg, 1998. 10 Bei Kraftstoffüberschuß (λ =zugeführte Luftmenge/theoretischer Luftbedarf<1, z.B. beim Ottomotor kurz nach dem Start) kann SO2 zu H2S (Geruch nach fauligen Eiern) reduziert werden. Dieser Fall tritt jedoch nur selten auf. Außerdem ist H2S ebenfalls ein Luftschadstoff. 13 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Die Regelung der Abgasrückführung erfolgt beim Versuchsfahrzeug ganz ähnlich wie die bereits beschriebene Ladedruckregelung: Ein Bypass zwischen Ladedruck- und Abgasraum wird über das pneumatisch betätigte AGR-Ventil nach den Vorgaben des Steuergeräts mehr oder weniger geöffnet. Das AGR-Ventil wird dabei durch einen vom Steuergerät gesteuerten EPW betätigt. Die Information über die rückgeführte Abgasmenge gewinnt man indirekt: Das über den Einlaßtrakt pro Arbeitsspiel in den Zylinder gespeiste Gesamtvolumen (Abgas + Frischluft) ist abhängig von Ladedruck und Drehzahl aus Prüfstandsläufen bekannt. Der Luftmassenmesser im Ansaugtrakt liefert die Information über die Frischluftmenge, die Abgasmenge kann aus diesen beiden Größen durch Subtraktion berechnet werden. Es wurde bereits erklärt, daß eine sektorale Betrachtung einzelner Komponenten eines Systems nur unter idealen Bedingungen zulässig wäre. Bei einem realen System muß, sofern dies möglich ist, das Ganze betrachtet werden. Bei der Diagnose von Problemen muß auf jeden Fall auch außerhalb des eigentlichen Teilsystems gesucht werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu wissen, daß der Motor ein Getriebe und dieses über verschiedene Wellen die Räder des Fahrzeugs antreibt und hierdurch ein Antriebsmoment aufgebaut wird. Dieser Zusammenhang kann z.B. wichtig sein, falls es während der Fahrt zu Schwingungen kommt, da sich der Antriebsstrang unter bestimmten Bedingungen wie eine Feder verhält und sich aufziehen und entspannen kann. Welche Teile nun zur Regelstrecke gehören, hängt von der Aufgabenstellung und vom zu betrachtenden Betriebspunkt ab. Der Einfluß eines Abgasturboladers ist im Leerlauf z.B. so gering, daß dieser bei den weiteren Betrachtungen nicht berücksichtigt wird. Bei Luftüberschuß ist die Leistung eines Dieselmotors bei konstanter Drehzahl im wesentlichen nur von der Menge des eingespritzten Kraftstoffs abhängig. Dies setzt voraus, daß die Menge des zurückgeführten Abgases, der Spritzbeginn und der Ladedruck für den jeweiligen Betriebspunkt optimal angepaßt sind. Theoretisch ist das vom Motor erzeugte Drehmoment proportional zur eingespritzten Menge. Eine Verschiebung des Spritzbeginns außerhalb des optimalen Punktes setzt die Leistung des Motors z.B. trotz konstanter Einspritzmenge herab. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit einer Leerlaufregelung: Angenommen, ein Dieselmotor bekäme im Leerlauf immer die gleiche Kraftstoffmenge. Aufgrund der Erwärmung verringerte sich die interne Reibung des Motors. Da die eingespritzte Menge ungefähr proportional zum Abtriebsmoment des Motors ist, würde für diesen neuen Betriebspunkt weniger Kraftstoff benötigt. Erfolgte keine Reduzierung des Kraftstoffs, erhöhte der Motor permanent seine Drehzahl und zerstörte sich bald selbst. 14 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 4.2 Regelungen Die wesentlichen Regelungen eines Dieselmotors sind: • Spritzbeginnregelung, • Ladedruckregelung, • Abgasrückführungsregelung, • Leerlaufregelung, • Laufruheregelung, • aktive Ruckeldämpfung und • Fahrgeschwindigkeitsregelung. Die Spritzbeginnregelung legt den Beginn der Einspritzung und damit der etwa 1ms später beginnenden Verbrennung fest. Der Spritzbeginn wird über einen Nadelbewegungsfühler (NBF) erfaßt, der an einem Zylinder die Bewegung der Nadel einer Einspritzdüse überwacht. Der Vergleich dieses Istwerts mit dem im Spritzbeginnkennfeld (Bild 6) festgelegten Sollwert legt den Zeitpunkt fest, zu dem das Steuergerät das Ventil für den Einspritzbeginn (siehe später in Bild 11) betätigt. Die Gründe für Ladedruck-, Abgasrückführungs- und Leerlaufregelung wurden bereits früher besprochen. Durch Fertigungstoleranzen und Alterung gelangen auch bei gleicher Vorgabe nicht identische Kraftstoffmengen in die einzelnen Zylinder. Die entstehende Ungleichförmigkeit im Motorlauf (Schütteln) wird als zylinderabhängige Drehzahländerung erfaßt und durch zylinderspezifische Mengenanpassung vom Laufruheregler ausgeglichen. 15 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Bei plötzlichen Lastwechseln kann der Antriebsstrang zum Schwingen angeregt werden. Diese Schwingungen werden vom aktiven Ruckeldämpfer ausgeregelt. Schließlich wird von verschiedenen Herstellern optional eine Einrichtung angeboten, die die Fahrgeschwindigkeit auf einen vom Fahrer vorgegebenen Wert regelt. Hierfür wird die Fahrgeschwindigkeit mit einem Geschwindigkeitssensor erfaßt und im Steuergerät mit dem Vor-gabewert des Fahrers verglichen. 4.3 Motorsteuergerät Das Motorsteuergerät (Bild 9) ist die wesentliche Komponente im Regelkreis bei der elektronischen Regelung eines Dieselmotors. Hierin wird aus der Sollwertvorgabe und dem gemessenen Istwert die Regeldifferenz gebildet und diese aufgrund der Reglerstruktur in eine Reglerausgangsgröße umgewandelt. Diese Berechnung wird mit einer Vielzahl von Eingangsgrößen parallel durchgeführt. Leistungsendstufen wandeln die Reglerausgangsgrößen in ein für das jeweilige Stellglied geeignetes Leistungssignal um. Zur Ansteuerung einer Bild 9: Motorsteuergerät MSA 15 von Bosch PumpeDüse11 kann dies ein konstanter Strom oder zur Ansteuerung eines elektropneumatischen Wandlers auch ein pulsweitenmoduliertes Signal sein. Das Motorsteuergerät bereitet nicht nur die Ausgangsgrößen für die Aktoren auf, es sind auch Komponenten integriert, die die Sensorsignale aufbereiten. Das Drehzahlsignal wird z.B. von einem speziellen IC so vorverarbeitet, daß das Motorsteuergerät die Zeit zwischen zwei Signalen abfragen und hieraus ohne großen Rechenaufwand die aktuelle Motordrehzahl berechnen kann. 11 Die PumpeDüse ist ein Einspritzsystem, bei dem für einen Zylinder Druckerzeugung und Einspritzung in einem Bauteil zusammengefaßt sind. Anders als bei anderen Verfahren sind also Einspritzpumpe und -düse keine getrennten Bauteile. Einspritzbeginn und -ende können bei der PumpeDüse über ein Magnetventil durch elektrische Signale bestimmt werden (vgl. auch Abschnitt 4.5). 16 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Die wesentlichen Aufnehmer und Stellglieder des Motorsteuergeräts sind in Bild 10 dargestellt. ICs Nadelbewegungsfühler Fahrpedalgeber Geschwindigkeitswählhebel Bild 10: Steuergerät mit Ein- und Ausgängen. 4.4 Sollwertberechnung Der Sollwert der Leerlaufdrehzahl eines Dieselmotors ist von verschiedenen Bedingungen abhängig und grundsätzlich einstellbar. Die wesentlichen Einflußgrößen sind die Wassertemperatur und die Batteriespannung. Weiterhin kann die Leerlaufdrehzahl angehoben werden, wenn z.B. der Pedalwertgeber 12 (PWG) als defekt erkannt wird oder die Wassertemperatur bestimmte Temperaturen unterschreitet. Die Erhöhung der Leerlaufdrehzahl bei defektem PWG hat den Hintergrund, daß auf jeden Fall vermieden werden soll, daß ein Fahrzeug liegenbleibt. Bei einem Dieselmotor ist es möglich, nur mit dem Leerlaufregler zu fahren; eine Erhöhung der Leerlaufdrehzahl für diesen Fall bewirkt eine proportional höhere Geschwindigkeit. 12 Sensor für die Stellung des Gaspedals 17 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 4.5 Stellglied—Beispiel Einspritzsystem Ein Stellglied hat die Aufgabe, die Eingangsgröße der Regelstrecke nach Vorgabe des Reglers festzulegen und damit das Verhalten der Regelstrecke zu bestimmen. Die Drehzahl eines Dieselmotors kann - wie erläutert - durch die eingespritzte Kraftstoffmenge beeinflußt werden. Das wesentliche Stellglied eines Dieselmotors ist somit dessen Einspritzsystem. Diesem kommt eine entscheidende Bedeutung für die Motorfunktion und dessen Qualität in Bezug auf Leistung und Schadstoff zu. Das Einspritzsystems übernimmt die Dosierung des Kraftstoffs und dessen gleichmäßige Verteilung im Brennraum bei allen Drehzahlen und Lasten. Außerdem muß der Zustand der Ansaugluft hinsichtlich Druck und Temperatur mit berücksichtigt werden. Jeder Betriebspunkt benötigt somit: • die richtige Kraftstoffmenge • zur richtigen Zeit • im richtigen zeitlichen Verlauf • an der richtigen Stelle des Brennraums • mit dem richtigen Druck. Das Einspritzsystem kann eine Verteilerpumpe mit Einspritzdüse wie z.B. beim TDI-Motor, das System Common-Rail, PumpeDüse oder Pumpe-Leitung-Düse sein. Eine Verteilereinspritzpumpe erreicht bei Drehzahlen bis etwa 2400 min-1 im Hochdruckraum der Pumpe ca. 700-800 bar. Common-Rail- und PumpeDüse-Systeme können deutlich höhere Drücke und damit eine feinere Verteilung des Kraftstoffes im Brennraum erreichen. Aufgrund der stark begrenzten Zeit dieses Laborversuchs muß davon ausgegangen werden, daß das Einspritzsystem hinreichend genau funktioniert und Abweichungen und Störgrößen nicht weiter berücksichtigt werden. Nicht vernachlässigt werden dürfen aber die maximale und speziell die minimale Menge, die von der Einspritzpumpe eingespritzt werden können und die bei der Einspritzung auftretenden Totzeiten (Spritzverzug zwischen Förderbeginn und Spritzbeginn, Zündverzug zwischen Spritzbeginn und Brennbeginn). Auf diesen Punkt wird bei der Versuchsdurchführung noch genauer eingegangen. 18 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers In Bild 11 ist eine elektronisch geregelte Verteilereinspritzpumpe dargestellt. Für die Kraftstoffmengenregelung ist der Mengensteller ein wesentliches Bauteil. Die Aufgabe des Mengenstellers ist es, aus den Steuersignalen die richtige Einspritzmenge zu erzeugen. Der Mengensteller ist ein Drehmagnet, eine Art Elektromotor, der über eine Exzenterwelle die Position des Regelschiebers verändert und somit die Kraftstoffmenge stufenlos von Null- bis Maximalförderung freigibt. Bild 11: Verteilereinspritzpumpe Es würde den Rahmen dieser Veranstaltung bei weitem sprengen, wenn alle Sensoren und Stellglieder detailliert dargestellt und besprochen würden. An dieser Stelle ist es das Ziel, einige Komponenten vorzustellen, um hierdurch zu verdeutlichen, daß ein Regelungstechniker beim realen System alle Komponenten des gesamten Regelkreises betrachten muß und es nicht richtig ist, die Systemgrenze einfach um den Regler zu legen. Vielmehr sind Systemtechniker gefragt, die Interesse daran haben, sich mit dem Zusammenspiel aller Komponenten zu beschäftigen. Aufgrund der hohen Komplexität ist es in diesem Bereich nicht möglich, auf allen Gebieten vertiefte Kenntnisse zu haben. Ein Zusammenarbeiten verschiedener Experten im Team ist deshalb unabdingbare Voraussetzung, um das System als Ganzes beherrschen zu können. 19 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 4.6 Meßeinrichtung - Beispiel Drehzahlmessung Die Drehzahl des Dieselmotors wird mit einem induktiven Drehzahlsensor (Bild 12) Dauermagnet Gehäuse gemessen. Hierzu ist an der Kurbelwelle ein Geberrad angebracht, das beim betrachteten Fahrzeug vier Einkerbungen hat 13, die jeweils um 90° versetzt sind. Der Sensor besteht aus einem Stabmagneten mit weichmagnetischem Polstift, der die Spule Weicheisenkern trägt. Dreht sich vor diesem Aufnehmer ein Spule ferromagnetisches Zahnrad, so wird in der Zahnrad Induktivität eine Spannung induziert, die zu der zeitlichen Änderung des Magnetflusses proportional ist. Die Drehzahl wird aus dem zeitlichen Abstand der Nulldurchgänge dieser Spannung ermittelt. Bild 12: Induktiver Drehzahlsensor Aus: Bauer, H. (Chefred.): Kraftfahrtechnisches Taschenbuch VDI-Verlag. 1995. Seite 107 Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Amplitude der induzierten Spannung proportional zur Drehzahl ist. Bei kleinen Drehzahlen werden somit nur kleine Spannungen induziert. Dies kann z.B. beim Starten zu Problemen führen: Hier müssen aufgrund der geringen Drehzahlen kleine Spannungen ausgewertet werden, die wegen des sehr hohen Stroms durch den Anlasser starken Störungen ausgesetzt sind. Zu den bereits angesprochenen Aufgaben eines Applikationsingenieurs gehört die Minimierung der Störgrößen, was hier durch richtiges Verlegen der entsprechenden Leitungen erreicht werden kann. Die Auswertung der Impulse wird durch ein separates IC im Motorsteuergerät durchgeführt. Der Mikrocontroller bekommt die Drehzahl für seine Bedürfnisse aufbereitet zur Verfügung gestellt, so daß Rechenzeit eingespart werden kann. 4.7 Regler Es wurde bereits geschildert, daß es die Aufgabe der Regelungstechnik ist, ein System so zu beeinflussen, daß es auf Änderungen seines Umfeldes ein bestimmtes Verhalten zeigt. 13 In Bild 12 ist ein Geberrad mit mehr als vier Einkerbungen dargestellt. Dadurch kann die Drehung des Motors mit einer höheren Auflösung erfaßt werden. 20 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Die Umwelt wird zum einen durch die Wünsche des Menschen und zum anderen durch vom Menschen nicht zu beeinflussende Größen gebildet. Ein Wunsch des Menschen ist z.B. die Erhöhung der Drehzahl des Dieselmotors, wenn der Pedalwertgeber durchgetreten wird. Die Wünsche werden als Sollwertvorgabe bezeichnet. In diesem Laborversuch wird der Leerlaufregler behandelt. Der Leerlaufregler (LLR) hat die Aufgabe, die Drehzahl bei fehlendem Mengenwunsch konstant zu halten bzw. möglichst schnell und mit möglichst geringem Überschwingen auf die Leerlaufsolldrehzahl einzuregeln. Mengenwünsche können zum einen vom Fahrer durch Betätigung des PWG (Pedalwertgeber) oder von anderen Steuergeräten (Antriebsschlupfregelung ASR oder Momentenschlupfregelung MSR) geäußert werden. 4.7.1 Änderungen des Streckenverhaltens An die Auslegung der Reglerstruktur und der Regelparameter werden besondere Anforderungen gestellt. Dieselmotoren werden in Großserie mit mehreren 100.000 Stück pro Jahr gefertigt. Fertigungstoleranzen des ganzen Regelkreises und aller Komponenten können sich addieren, die Alterung ist zu berücksichtigen. Für die Applikation des LLR müssen folgende Aspekte betrachtet werden: • Fertigungstoleranzen, • Alterung (Motor und Getriebe), • Betriebsbedingungen: warm/kalt, Änderung des Luftdrucks, • nichtlineares Strecken- und Stellgrößenverhalten, • Fahren in unterschiedlichen Gängen, • Kupplung getreten / nicht getreten, • unbekannte Störsignale, • Öl-, Wasser-, Saugrohrtemperatur, • Belastung durch elektrische Verbraucher, Klimaanlage, • Abgasrückführung, Spritzbeginn, • Hydraulik, • Fahrzeuggewicht, • Getriebeart (Handschalter, Automatik, Syncro, Quattro, ...) und • Anforderung durch Pedalwertgeber Aufgrund dieser starken und nicht berechenbaren Änderungen des Streckenverhaltens muß die Regelung sehr stabil ausgelegt werden. 21 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Eine optimal an einen bestimmten Betriebspunkt angepaßte Regelung kann in der Serie unter den erwähnten wechselnden Bedingungen zu einer instabilen Regelung führen. 4.7.2 Reglerstruktur Die beschriebene Aufgabe der Drehzahlregelung im P-Anteil Solldrehzahl Regelstrecke - Leerlauf, also ohne + I-Anteil externen Mengen- + Menge Drehzahl (n) ?? Schalter wird geschlossen wenn gilt wunsch, kann durch einen PI-Regler mit DT1 -Vorsteuerung d(Drehzahl) <0 d(Zeit) DT1-Vorsteuerung realisiert werden (Bild 13). Durch den I-Anteil ist gewähr- Bild 13: Regelstruktur des Leerlaufreglers leistet, daß es keine bleibende Regelabweichung gibt und die Solldrehzahl erreicht werden kann, wenn die maximal zulässige Menge nicht überschritten werden muß. Die DT1-Vorsteuerung ist nur bei fallenden Drehzahlen aktiv und wird wieder abgeschaltet, sobald die gemessene Drehzahl kleiner als die Solldrehzahl ist. 4.7.3 Groß- und Kleinsignalverhalten Um ein möglichst schnelles Erreichen der Solldrehzahl zu Drehzahl negative Regeldifferenz erreichen, wird die Fensterbreite Solldrehzahl Fensterbreite Regeldifferenz in drei Bereiche eingeteilt (Bild 14). Signalbereich positive Regeldifferenz Regeldifferenz = Solldrehzahl - Istdrehzahl Für jeden Bereich t stehen unabhängig voneinander einstell- Bild 14: Negative Regeldifferenz, Signalbereich, positive Regeldifferenz bare Parameter für den PI-Regler zur Verfügung. Weiterhin gibt es ein Label für die Fensterbreite. Als Label werden die einstellbaren Parameter in der Software bezeichnet. 22 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 5. Versuchsdurchführung 5.1 Reglerdimensionierung – Symmetrisches Optimum Die Regelstrecke „Motor“ kann in erster Näherung als IT1-Glied betrachtet werden. Für eine solche Strecke fordert [1] eine Reglerdimensionierung nach dem Symmetrischen Optimum. Dort und in [4] ist für eine ITnRegelstrecke mit der Übertragungsfunktion n KS GS ( p ) = , TE = ∑ Ti pT0 ⋅ (1 + pTE ) i =1 ein PI-Regler mit der Übertragungsfunktion GR ( p ) = KI + KP , p KP = T0 , aK S TE angegeben (D: Dämpfungsfaktor). Für die Größe a>1 hat sich in der Praxis der Wert 3 als günstig erwiesen. Bild 15 zeigt die Sprungantwort einer IT1- KI = KP , a 2TE a = 2D + 1 Sprungantwort IT1-Strecke Ks Strecke mit den charakteristischen Größen. Aus einer gemessenen Sprungantwort kann die Größe TE= T1 und das Verhältnis der Größen KS / T0 bestimmt werden. Damit können die Größen KP und KI für den Regler bestimmt werden. T1 T1 + T0 t Bild 15: Sprungantwort eines IT1-Gliedes und charakteristische Größen Weiterführende Literatur zur Reglerdimensionierung: [1] Holger Lutz, Wolfgang Wendt: Taschenbuch der Regelungstechnik. 2. Auflage, Verlag Harri Deutsch, Thun, Frankfurt am Main, 1998. [2] Heinz Mann, Horst Schiffelgen, Rainer Froriep: Einführung in die Regelungstechnik. 7. Auflage, Carl Hanser Verlag, München, Wien, 1997. [3] Franz Kolb, Otto Künzel: Regelungstechnik, Teil 1 - Grundlagen. Hermann Schroedel Verlag, Hannover, 1977. [4] Werner Leonhard: Einführung in die Regelungstechnik. 6. Auflage, Verlag Vieweg, Braunschweig, 1992. 23 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 5.2 Versuchsvorbereitung Diese Teilaufgabe sollte bereits vor Versuchsbeginn gelöst werden! Einspritzmenge l ah z eh Dr Bild 16: Drehzahlanstieg nach einem Mengensprung Für einen Motor wurde eine Messung nach Bild 16 durchgeführt. Bestimmen Sie aus der Messung die Streckenparameter To und Ks/T1. Legen Sie die Reglerparameter Kp, KI und a fest. Ks/To = T1 = Kp = KI = a = 24 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers 5.3 Versuchsaufbau Der Versuchsaufbau (Bild 17) besteht neben dem Fahrzeug aus drei Teilen: einem Laptop, einer Anpaßelektronik (dem sogenannten MAC – Measuring and Application System Compact) und einem modifizierten Steuergerät, einem sogenannten Applikationssteuergerät. Bild 17: Applikationssteuergerät mit elektronischem Tastkopf (ETK), Anpaßglied (MAC 2) und Laptop für die Softwareentwicklung (Controller) Das Applikationssteuergerät unterscheidet sich von einem normalen Steuergerät durch den elektronischen Tastkopf (ETK), der ein Beschreiben der Speicherzellen des Steuergeräts mit modifizierten Programmen und Daten erlaubt. Das MAC stellt die Verbindung zwischen dem ETK und der Centronics-Schnittstelle des Laptops her. Die Software wird nun auf dem Laptop modifiziert, in das (im Auto eingebaute) Steuergerät hinuntergeladen und anschließend getestet. 5.3 Änderung der Leerlaufdrehzahl a) Stellen Sie die Solldrehzahl auf 900 min-1 ein. b) Erhöhen Sie die Solldrehzahl von 900 min-1 auf 1200 min-1. c) Wie weit kann die Solldrehzahl erhöht werden? Was ist dafür zu tun? 25 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers d) Was wäre zu beachten, wenn die Solldrehzahl auf Werte unter 900 min-1 verringert werden sollte? 5.4 Reglerauslegung Der Leerlaufregler soll nach dem Symmetrischen Optimum ausgelegt werden: a) Durch welche Maßnahmen kann ein Sprung der Einspritzmenge erzeugt werden? b) Nehmen Sie die Sprungantwort der Motordrehzahl nach einem Sprung der Einspritzmenge auf. c) Berechnen Sie die Reglerparameter KP und KI. Welche den Sprung charakterisierenden Größen müssen dabei berücksichtigt werden? KP = KI = 5.5 Lastaufschaltung Es ist das Ziel der Regelung, die Solldrehzahl auch bei Motorlaständerungen (Störgröße) möglichst genau einzuhalten. a) Mit welchen Maßnahmen ist es im Stand möglich, die Qualität des Reglers zu überprüfen? Welche Störgrößen können aufgeschaltet werden? b) Vergleichen Sie nun durch Messungen folgende Parameter zwischen der Serienauslegung und dem von Ihnen ausgelegten Regler: • Drehzahlschwankung bei unbelastetem Motor • Drehzahländerung bei Be-/Entlastung • Zeitkonstante für das Wiedereinschwingen auf die Solldrehzahl (Be-/Entlastung) • Tritt ein Überschwingen auf? In welcher Höhe? Stellen Sie die Unterscheide in der nachfolgenden Tabelle dar: 26 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Qualitätsmerkmal eigene Auslegung Drehzahlschwankung bei unbelastetem Motor ................................ Drehzahländerung bei Be-/Entlastung ................................ Zeitkonstante Be-/Entlastung Serienauslegung 1/min 1/min ................................ 1/min 1/min ................................ ms ms ................................ Überschwingen ................................ 1/min ................................ 1/min ................................ Diskutieren Sie Vor- und Nachteile der von Ihnen gefundenen Reglerauslegung gegen die Serienauslegung. 5.6 Sturzgas Eine weiteres Merkmal der Reglerqualität besteht im Verhalten nach abrupter Gaswegnahme (Sturzgas). a) Messen Sie den Drehzahlverlauf, der sich ergibt, wenn die Motordrehzahl mittels PWG (Gaspedal) auf über 3000 min-1 erhöht wird und das PWG schlagartig losgelassen wird (bei Serienauslegung des Reglers). b) Messen Sie das entsprechende Verhalten bei abgeschalteter DT1-Vorsteuerung. Skizzieren Sie den Verlauf für a) und b)! n 1/min t/s 27 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers Welche Vorteile bietet die DT1-Vorsteuerung? 28 Regelung eines TDI-Motors am Beispiel des Leerlaufreglers UNSERE ARBEIT BEWEGT GANZE MODELLREIHEN! Wir suchen engagierte Studentinnen und Studenten, die Interesse daran haben, ihre theoretischen Kenntnisse in den Bereichen: • Messtechnik • Regelungstechnik • Verbrennungskraftmaschinen (Diesel-, Ottomotoren) • Softwareentwicklung • µC-Programmierung, C in der Praxis anzuwenden. Ansprechpartner: Die Zusammenarbeit kann Dr.-Ing. Thorsten Lange Dr.-Ing. Manfried Sofsky Tel.: 05371/805-1416 Tel.: 05371/805-1878 E-Mail: E-Mail: Arbeit, eines Praktikums oder [email protected] [email protected] auf Hiwi-Basis erfolgen. IAV GmbH Betriebsstätte Gifhorn Nordhoffstraße 5 38518 Gifhorn Tel. (05371)805-0 Fax (05371)805-1250 im Rahmen einer studentischen Genauere Informationen zur IAV GmbH sind im Internet (http:\\www.iav.de) Jetzt bewerben. NEUE IDEEN IN SERIE Berlin • Gifhorn • Chemnitz • Miskolc (Ungarn) • Ann Arbor (USA) 29 www.iav.de