Liebe, Kampf Schicksal

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Liebe, Kampf Schicksal
ROMAN
Freitag, 1. Februar 2008
eine Mutter zitterte zu
Hause und hatte Angst
um uns. Sie fürchtete,
dass in den Bunkern Mienen
versteckt sein könnten. Daran
hatten wir nicht gedacht, als wir
im Wald arbeiteten. Wir kamen
abends immer gut nach Hause.
Im Ort waren mehrere Mienen gelegt, durch die so manche
Leute ihr Leben lassen mussten.
M
Mein Schutzengel
An den Vormittagen besuchte
ich die Volksschule in Söchau.
Eines schönen Wintertages wurde meine Schulkameradin krank.
Unser Herr holte sie zu sich. Wir
hatten den Auftrag von der Schule, für das Begräbnis einen Kranz
aus der nächstgelegenen Stadt zu
besorgen. Die Sonne strahlte in
verschwenderischer Pracht vom
Himmel. Bei dichtliegendem
Schnee auf der Straße legten wir,
meine Freundin Mitzi und ich,
neun Kilometer mit den Schiern
zurück, wobei ich den schweren
Kranz auf dem Rücken trug.
Schweißgebadet kamen wir
nach Hause. Nach einiger Zeit
bekam ich Fieber und wurde
schwer krank. Ich hatte eine
Rippenfell- und doppelte Lungenentzündung. Der Doktor gab
schon die Hoffnung auf. Ich lag
drei Tage bewusstlos im Bett.
Meine mich liebende Mutter
wachte Tag und Nacht an meinem Bett. Sie betete und flehte
zu unserem Herrn, ihr jüngstes
Kind auf dieser Erde zu lassen.
Am vierten Tag fing ich an zu
sprechen und rief nach meiner
Mutter. Sie beugte sich über das
Bett und sagte: „Ja, mein Kind?“
Darauf antwortete ich: „Hast Du
den Engel gesehen, der mich bewacht hat und jetzt weggeflogen ist?“. Schwach legte ich den
Kopf zur Seite und war still. Die
Mutter weinte vor Freude, da der
liebe Gott ihr die geliebte Tochter wiedergegeben hatte. Mit fürsorglicher Pflege und durch die
große Liebe der Mutter wurde
ich wieder gesund und fröhlich.
Mutter hatte große Angst gehabt, dieses Kind auch noch
zu verlieren. Von sechs Kindern blieben ihr nur noch meine
Schwester und ich. Der 21-jährige Sohn Loisl war im Krieg gefallen, die Zwillinge Lieserl und
Tonerl verstarben mit sechs Wochen und der Bub Ruderl starb
mit 22 Monaten. Zu dritt bildeten wir eine kleine Familie. Der
Vater hatte uns verlassen, Haus
und Hof wurden versteigert, da
er hohe Schulden machte.
Durch ihren tiefen Glauben
und die Liebe zu unserem Herrn
im Himmel fand meine Mutter
Liebe, Kampf
und
Schicksal
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von Christine Reisenhofer,
die Kraft den verlorenen Besitz
wieder zurückzugewinnen. Mutter und Kinder hatten wieder ein
Heim
Es sollte sich später herausstellen, dass ich das gleiche Schicksal erleiden musste wie meine
Mutter. Mit 39 Jahren trennte ich mich von meinem Mann.
Mit meiner 80-jährigen Mutter
und drei Kindern, die acht und
neun Jahre sowie sieben Monate alt waren, habe ich mich
durchgekämpft. Ich bin mit meinen Kindern alleine geblieben,
doch habe ich mit ihnen sehr
viel Freude und schöne Stunden
erlebt. An meinen Schutzengel
denke ich heute noch zurück.
Wolfi, Helmut und Roland
und die Zeit in Graz
Die Weihnachtsfeiertage waren
bei uns in der Familie sehr traurig. Meine Mutter hatte durch
den Tod ihres Sohnes und
durch meine schwere Krankheit
viel Leid ertragen müssen. Kurz
vor Weihnachten 1945 brachten
Christls Eltern und ihr Bruder
Rudi Christls kleinen Sohn Wolfi aus Graz zu uns. Das Post-
auto ging nur bis Großwilfersdorf. Herr Jost und ich holten
sie mit dem Landauer dort ab.
Wolfi blieb bis zu seinem fünften
Lebensjahr bei uns und wir verbrachten eine schöne Zeit miteinander. Es war gut, dass meine
zwei Tanten mit Mann und Kindern bei uns waren, sie haben
meine Mutter getröstet.
Ich umsorgte Wolfi liebevoll
und war zu ihm wie eine Mutter. Das Kind war ein Geschenk
Gottes. Wolfi war bezaubernd,
lieb und schön. Ich verbrachte
mit ihm die schönsten Tage. Alle
in unserem Hause hatten ihn
sehr lieb. Abends legte meine
Mutter eine Decke für Wolfi auf
den Tisch und wir saßen ringsum auf der Bank; meine Mutter, Lilli, die Magd Mitzl, Frau
Weinbauer (sie wohnte auch in
unserem Haus) und ich. Wir unterhielten uns sehr gut mit ihm.
Ich hatte noch die Schultasche auf dem Rücken, doch der
kleine Wolferl kam mir vor wie
mein eigenes Kind. Ich hatte ihn
ja von Herzen gern. Ich konnte
mit ihm vieles unternehmen. Ob
es bei der Arbeit war oder sonst
Wie’s g’wesen is
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irgendwo. Wolfi war immer lustig und fröhlich, weinen hörte ich ihn nie. Wenn Wolfi die
Lade, wo die Eier aufbewahrt
wurden, aufmachte, schrie er:
„Eierln!“ Er nahm eines heraus
und lege es dann wieder zu den
anderen zurück und machte die
Lade wieder zu.
Wolfi lächelte die Menschen an
und alle hatten an ihm ihr Wohlgefallen. Als er schon größer war,
kam er oft zu Besuch, besonders zu Ostern beim „Eierscheiben“. Das liebte er. Auch das gute
„Gselchte“ schmeckte ihm sehr.
Wolfi besuchte die Schauspielschule und ist heute ein großer, begehrter Mann. Sein Bruder Helmut kam erst mit vierJahren das erste Mal zu uns. Er
hat auch den gleichen Beruf wie
sein Bruder Wolfi.
Der dritte Bruder, Roland,
war ein kleiner fröhlicher Lausbub, den wir wegen seiner Fröhlichkeit und Anhänglichkeit vergötterten. Wann immer es ihnen
möglich war, besuchten sie uns.
Ich nannte sie immer „die Buben“. Aber heute traue ich mich
nicht mehr, sie so anzureden,
denn sie sind ja älter geworden
und begabte Künstler. Auch heute sind mir alle drei noch willkommen und meine Tür steht
immer für sie offen.
Im Februar lag der Schnee
ziemlich hoch und so gingen meine Schwester Lilli, die Bierbauer Mitzi, der Pfingstl Franz und
ich miteinander nach Söchauberg, um Schi zufahren. Der
Tag war wunderschön, aber zu
kurz. Die Sonne strahlte schon
warm vom Himmel. Wir sausten
mit den Schiern den Berg hinNicht jedes Mal kamen
unter. N
wir unten an, oft landeten wir
unterwegs im Schnee. Da
schon un
gelacht und wir hatten
wurde ge
größte „Gaude“ beim Hindie größt
aufgehen. Es wurde früh dunkel
aufgehen
und so mussten wir leider schon
nachhause gehen. Unsere Mutter sah es nicht gerne, wenn wir
zu spät nach Hause kamen. Es
waren die Kühe noch zu versorgen und auch noch andere Arbeiten zur verrichten. Wenn der
Maier-Teich recht fest gefroren
war, dann zogen wir mit unseren Schlittschuhen unsere Kreise und hinterließen unsere Spuren. Auch im Dorfgraben fuhren
wir oft mit den Schlittschuhen,
wenn es gefroren war.
Fortsetzung folgt
Die „Oacher Dirndln“ als lustige Faschingsrunde etwa um
1920 vor dem Eingang des Gasthofs „Bärenwirt“ in Aich.
Bildeinsender ist Leo Walcher sen. vulgo Schirf aus Michaelerberg, dessen Mutter und Tante am Foto zu sehen sind.
Christine
Reisenhofer
„Liebe,
Kampf und Schicksal“. Eigenverlag.
Bei Interesse bitte direkt bei Christine Reisenhofer, 8362 Söchau 28,
Tel. 0 33 87/23 06 melden.
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