Anforderungen an geschlossene Systeme herunterladen

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Anforderungen an geschlossene Systeme im Gesundheitsdienst am Beispiel der Zytostatikazubereitung
A. Heinemann
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Köln
Einleitung
In der betrieblichen Praxis existieren unterschiedliche Auffassungen darüber, wie „geschlossen“ ein geschlossenes System für Tätigkeiten mit krebserzeugenden, mutagenen und reproduktionstoxischen (CMR) Stoffen sein muss. In Einrichtungen des Gesundheitsdienstes stellt
sich die Frage nach der Geschlossenheit vor allem bei der Zubereitung von CMR-Arzneimitteln;
insbesondere Zytostatika, die im mg- bis g-Bereich zur Behandlung von Patienten mit Krebserkrankungen eingesetzt werden. Neben der Pflicht zur Verwendung einer Zytostatikasicherheitswerkbank (ZWB) wird zusätzlich der Einsatz von Überleitsystemen mit Druckentlastungseinrichtung als technisches Hilfsmittel empfohlen. Ein Problem ist dabei, dass der unterschiedliche
Grad an Geschlossenheit bzw. Rückhaltevermögen der Überleitsysteme bei einigen Anwendern
zu Ängsten und Unsicherheiten hinsichtlich einer gesundheitlichen Gefährdung durch inhalative oder dermale Stoffaufnahme führte. Das Ziel der BGW war es, eine Entscheidungshilfe zu
erstellen, wann ein Überleitsystem für CMR-Arzneistoffe als geschlossen im Sinne des Gefahrstoffrechts betrachtet werden kann.
Methode
Anhand von Suchbegriffen (closed system, closed-system drug-transfer device, containment
system, geschlossenes (Transfer-)System etc.) wurden Informationen und Literatur über
geschlossene Systeme zusammengetragen und in Gesprächen mit Herstellern und Anwendern
von Überleitsystemen die bestehenden, technischen Lösungen vor dem Hintergrund der Belange
des Arbeitsschutzes diskutiert. Gleichzeitig wurde die Bekanntmachung (BekGS) 910 „Risikowerte und Expositions-Risiko-Beziehungen für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ des BMAS zur Bestimmung sogenannter Toleranz- und Akzeptanzrisiken für die Beurteilung des Arbeitsplatzes „Überleitsystem unter Zytostatikasicherheitswerkbank“ herangezogen,
um einen Ansatz zur Beurteilung der technischen Geschlossenheit einzuführen.
Ergebnisse
Die Zubereitung von Zytostatika muss so erfolgen, dass beim Misch- bzw. Lösevorgang entstehende Druckdifferenzen so ausgeglichen werden, dass eine Gefährdung der Beschäftigten
ausgeschlossen werden kann (TRGS 525, M 620). Die auf dem Markt befindlichen Druckentlastungs- bzw. Überleiteinrichtungen nutzen im Wesentlichen hierzu 2 physikalische Prinzipien:
1. Druckausgleich in die Umgebung über aerosoldichte Partikelfilter (z.B. Zuspritz- und Entnahmespikes, wie Mini-Spike®, Extra-Spike®, UltraSpike Z+® oder andere Hilfsmittel)
Kontakt: [email protected] · Telefon: (0221) 3772-5340 · Stand: 02/2013
Fotos von links nach rechts: B. Braun Melsungen AG (Produkt: Mini-Spike®), Fresenius Kabi Deutschland GmbH
(Produkt: Extra-Spike®), Berner International GmbH (Produkt: UltraSpike Z+®)
2. Druckausgleich über eine Ausdehnungskammer (Produkt: PhaSeal™). Auf dem Foto ist der
sog. Protector abgebildet, dessen Hauptmerkmal
eine doppeltschichtige Polyamid-/Polypropylenfolie zum Druckausgleich ist.
Einen Weg zur Beantwortung der Frage, ob Überleitsysteme mit Partikelfilter bei Verwendung
unter einer ZWB trotzdem als ausreichend geschlossen im Sinne des Gefahrstoffrechts betrachtet werden können, weist die Bekanntmachung zu Gefahrstoffen (BekGS) 910. Sie basiert auf
der Festlegung von Grenzen für Lebensarbeitszeitrisiken aufgrund von Expositionen gegenüber
krebserzeugenden Stoffen und lässt den Schluss zu, dass ein für geringste Stoffmengen durchlässiges System, welches in der Lage ist, das Erkrankungsrisiko auf einen Wert unterhalb der
sog. Akzeptanzkonzentration zu reduzieren, eine vergleichbare Schutzwirkung aufweist, wie
ein vollkommen geschlossenes System. Dieser Analogieschluss erlaubt ein Abweichen von
dem Prinzip, dass aus einem geschlossenen System keine Masse austreten darf. Eigene, exemplarische Abschätzungen des zusätzlichen Erkrankungsrisikos durch die Zubereitung von Cyclophosphamid (CP) bei Verwendung eines Überleitsystems mit Partikelfilter (20 Zubereitungen
pro Tag, an 5 Tagen pro Woche, über 48 Wochen pro Jahr und 40 Jahre) ergaben unter Zugrundelegung einiger idealisierter Bedingungen und der Annahme eines spezifischen Risikos („Unit
Risk“) von 2:1.000.000 pro mg CP (Roller et al.) ein zusätzliches Risiko (worst-case) von etwa
4:550.000.000. Es liegt damit um mehrere Zehnerpotenzen unterhalb des voraussichtlich ab
2018 geltenden, schärferen Akzeptanzrisikos von 4:100.000. Dieses Ergebnis wird zusätzlich
durch Berechnungen auf der Basis von Messergebnissen aus dem Biomonitoring (24h Sammelurin) gestützt (Hadtstein et. al). Die derzeit im Einsatz befindlichen Überleitsysteme ermöglichen - unabhängig von ihrer Bauart (HEPA-Filter oder Ausdehnungskammer) - in Verbindung
mit den weiteren für die Zubereitung von Zytostatika vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen
(ZWB, PSA etc.) ein sicheres Arbeiten im Sinne der BekGS 910. Das heutige Arbeitssystem zur
Zubereitung von Zytostatika kann somit als geschlossen im Sinne des Gefahrstoffrechts
bezeichnet werden.
Schlußfolgerungen
Am Beispiel der Überleitsysteme für die Zubereitung von Zytostatika wird deutlich, welchen
Beitrag die BekGS 910 bzw. das Risikokonzept zur Beantwortung der Frage nach einem geschlossenen System leisten kann. Es trägt zur Versachlichung der Diskussion um die sichere Handhabung von krebserzeugenden Arbeitsstoffen bei. Für den Bereich der Zytostatikazubereitung
bleibt festzuhalten, dass die auf dem Markt befindlichen Überleitsysteme mit Partikelfilter in
Verbindung mit der obligatorischen ZWB ausreichen, um die Beschäftigten wirksam vor einer
inhalativen Aufnahme der heute gebräuchlichen Zytostatika mit ihren sehr geringen Dampfdrücken zu schützen. Grundsätzlich sollen alle Überleitsysteme folgende Anforderungen
erfüllen:
∙ definierte Konnektoren, Medikamentengefäße, Trennelemente und Anwendungsteile
∙ dichte und passgenaue Verbindungen (auch zu den jeweiligen Endpunkten)
∙ integrierter Druckausgleich unter Rückhaltung von Aerosolen
∙ einfache Bedienungsfehler dürfen nicht zum Stoffaustritt führen
∙ herstellerseitig gelieferte Anwenderhinweise
Arbeitsplätze, an denen Zytostatika nach heutigem Arbeitsschutzstandard zubereitet werden,
gehören damit zu den sichersten Arbeitsplätzen, an denen Tätigkeiten mit CMR-Stoffen ausgeübt werden.
Literatur
∙ Hadtstein, C., Eickmann, U., Heinemann, A., Hofmann, F.: Methods of risk assessment for the occupational
handling of cytostatic drugs (2012) Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft, 72:25-33, Springer Verlag
∙ TRGS 525: Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen der humanmedizinischen Versorgung, Ausgabe: Mai 1998
∙ BGW: Zytostatika im Gesundheitsdienst – Informationen zur sicheren Handhabung von Zytostatika
(www.bgw-online.de, Suchbegriff: M620), Hamburg Juli 2009
∙ Roller, M.; Eickmann, U. Nies, E.: Krebsrisiko durch den beruflichen Umgang mit Zytostatika – quantitative Betrachtungen
(BIA-Report 1/2001). Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG), Sankt Augustin 2001
Während bei den Zuspritz- und Entnahmespikes
Partikelfilter mit einer Porengröße von 0,1 bis 0,2
µm dafür sorgen, dass Zytostatika-Aerosole wirksam beim Druckausgleich zurückgehalten werFoto: BD Company (BD PhaSeal™)
BGW · Pappelallee 33/35/37 · 22089 Hamburg
den, wird beim System mit Ausdehnungskammer der Überdruck in ein flexibles Volumen geleitet und später vollständig wieder zurückgeführt. Beim Vergleich der unterschiedlichen
Druckausgleichssysteme wird immer wieder kritisiert, dass die bei den Spikes eingesetzten
Partikelfilter nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage sind, zytostatikahaltige Dämpfe
zurückzuhalten.