stilgefühl Wein aus dem Holzfass wie in der Casa Montaña
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stilgefühl Wein aus dem Holzfass wie in der Casa Montaña
Stilgefühl Wein aus dem Holzfass wie in der Casa Montaña und das Großpro jekt Ciudad de las Artes y de las Ciencias prägen gleichermaßen den Charme Valencias. 74 text henriet te kuhrt fotos enno k apitz a e m o t i o n Stadt der Sinne VAlencia hat alles, was ein moderner Sehnsuchtsort benötigt: Strände, spektakuläre Architektur, wunderbaren Wein und den Duft von Orangenblüten.Trotzdem litt Valencia lange Zeit unter der kulturellen Übermacht von Madrid und Barcelona. Wie gut, dass die Bewohner schon längst einen Schritt weiter sind. 75 den Nachtflügen so langweilte, fing ich an, im Flugzeug zu sticken. Erst später habe ich verstanden, dass ich diese Phase gebraucht habe. Dass Schönheit auch Kummer und Schmerzen benötigt.“ Genial-narzisstische Bauten zeitreise Alejandro (l.) und Emiliano García betreiben eine gemütliche Bodega im ehemaligen Fischerviertel Cabanyal. Während vor der Tür gegen eine neue Prachtstraße zum Meer demonstriert wird, versuchen Vater und Sohn in ihrer Kneipe die Urtümlichkeit zu bewahren. E 76 in warmer Morgen im Café La Mas Bonita, einer von 300 Sonnentagen im Jahr, Blick aufs Meer. Paula Sanz Caballero bestellt einen Tee und klappt ihren Computer auf, eine feingliedrige Frau mit einem einnehmenden Lachen. Die 44-Jährige zeigt ihre Bilder: Als Illustratorin arbeitet sie für Magazine in Spanien, den USA, Japan und Deutschland. Sie skizziert zunächst eine Szene, reduziert und elegant, dann bestickt oder beklebt sie ihre Figurinen mit Textilien. Doch auch wenn Caballero weltweit erfolgreich ist, für sie gibt es keine Alternative zu ihrem Leben in Valencia: „Wir Valencianer sind gesellig, meine Familie, meine Freunde, oft trinken wir ein Bier in der Abendsonne und feiern bis spät in die Nacht.“ Doch Caballeros Leben war nicht immer so unbeschwert: „Bevor ich auf die Kunsthochschule ging, arbeitete ich als Flugbegleiterin. Ich war unglücklich verliebt, ich wollte diesem Mann folgen. Und weil ich mich auf Das gleiche könnte man auch über Valencia sagen. Denn trotz aller Geschenke, die das Klima, die Geschichte und der Fleiß seiner Bewohner der Stadt gemacht haben, leidet Valencia unter Phantomschmerzen: nämlich nicht so groß und mondän wie Barcelona und Madrid zu sein. Auch der Fußballverein FC Valencia hinkt hinterher. Das sitzt so tief, dass die Bewohner der Stadt es sich verbitten, ihren Dialekt als „catalán“ zu bezeichnen – nein, hier wird „valenciano“ gesprochen, sogar als Amtssprache. Die Regierung hat daher versucht, die Stadt aufzuwerten. Das Ergebnis ist die Ciudad de las Artes y de las Ciencias, die Stadt der Künste und der Wissenschaften: ein spektakulärer Kulturpark mit Oper, Kino, Museum, Riesenaquarium und Planetarium. Der genial-narzisstische Entwurf stammt von Santiago Calatrava, Architekt, Ingenieur, Künstler und berühmtester Sohn der Stadt. Wie träge Aliens liegen die Bauwerke im ehemaligen Flussbett, als modernes Wahrzeichen stehen sie auf der Liste der zwölf Schätze Spaniens, in einer Liga mit der Sagrada Família in Barcelona. Endlich. Doch die Bewohner der Stadt sind mit anderen Dingen beschäftigt; Emiliano García zum Beispiel, der gerade die Casa Montaña an seinen Sohn Alejandro übergeben hat. Die Bodega ist eine Institution im Stadtteil Cabanyal. Wer sie besucht, findet nicht nur sensationelle spani- wir valencianer sind gesellig. Oft feiern wir bis spät in die Nacht. e m o t i on holfen. Die spottbilligen Altbauten wurden zu nächst von Künstlern annektiert, jetzt haben die Bohemiens der Stadt Co-Working-Spaces eröffnet. paul a sanz caballero Eine Stadt hat Wachstumsschmerz Der Mercedes-Benz B 200 CDI* vor einem Haus mit Stern in Cabanyal. (*Weitere technische Daten und Verbrauchsinformationen finden Sie auf der Seite 83.) sche Weine und wunderbaren Wermut, sondern bekommt auch eine Gratiszeitreise dazu: Das Interieur, die gekachelten Räume und die Holz fässer an der Wand haben sich seit 175 Jahren kaum verändert. Essiggeruch liegt in der Luft, Fischer kommen, um sich den Wein aus dem Fass abfüllen zu lassen. Und während Alejan dro hinter der Theke mit den Gästen plaudert, ist Emiliano schon auf dem Weg zu einer Veran staltung, die sich für den Erhalt des ehemaligen Fischerdorfes einsetzt. Es gibt Pläne, eine Ave nida Valencia zum Meer zu bauen, mitten durch Cabanyal hindurch. Die zweistöckigen Häuser mit den bunten Fliesen sollen abgerissen wer den. Doch mittlerweile haben die Menschen ge lernt, dass es sich lohnt, das Schicksal der Stadt selbst zu gestalten. Russafa ist da schon ein Stück weiter. Der Stadt teil im Zentrum Valencias hat sich im Schatten der Riesenprojekte selbst zu neuem Leben ver Die Dichte an urbanen Stadtcafés ist hoch, dazwischen drängen sich Vintagegeschäfte, ve gane Restaurants und kleine Galerien. Und hier, hoch über den Dächern, hat Vinz Feel Free sein Atelier, ein Street Artist, der mittlerweile als der Banksy Valencias gilt. Er ist ein hellwacher Mitt dreißiger, der seine Identität geheim hält, denn seine Kunstwerke sind zwar begehrt, aber nicht so richtig legal: Zunächst fotografiert er seine nackten Modelle, dann malt er ihre Körper in Originalgröße auf vergilbte Papierbögen. Diese tapeziert er an die Wände der Stadt und malt dann zu den Figuren Vogelköpfe auf das Mauer werk. Diese Fabelwesen sind sein Weg, sich mit dem katholischen Erbe auseinanderzusetzen, mit den Wachstumsschmerzen der Stadt, mit der Krise Spaniens. Seine Werke sind flüchtig, manche Spanier stören sich an der Nacktheit. Sammler dagegen versuchen, einen echten Feel Free von der Wand zu reißen. Und obwohl Vinz’ Werke in Galerien in London und New York aus gestellt werden, dort, wo die Street-Art-Szene viel wichtiger ist als in Spanien, bleibt er doch Valencia treu. „Ich kann nicht in der Kälte le ben“, sagt er. „In London regnet es vier Monate am Stück, wie soll ich da auf der Straße malen? Hier in Valencia ist das Wetter so gut, dass man fast immer draußen sein kann. Und ich liebe meine Familie.“ Und so importiert er den neuen spanischen Stil in die Metropolen der Welt – aus einer Stadt, die immer noch nicht glauben kann, > dass sie längst dazugehört. happy End Die Inspiration für ihre Kunst zog Illustratorin Paula Sanz Caballero aus einer unglücklichen Liebe. Mittlerweile sind ihre Werke weltweit gefragt. 77 Ruhig bleiben Bis zum ersten Stern muss sich Valencias Starkoch Quique Barella wohl nicht mehr lange gedulden. Spielkunst in der Küche Das Gute K ann s o e infac h se in Torrija heißt dieses Dessert von Quique Barella: Weißbrot eingelegt in Mandelmilch und in der Pfanne karamelisiert. 78 Keep calm and Jocs de Cuina , behalte die Nerven und spiel’ in der Küche: So heißt es auf dem Bild im Restaurant von Quique Barella. Das steht im Gegen satz zum schnörkellosen Design und den geradlinigen Möbeln und trifft es den noch gut: Barella spielt mit den Zutaten, er verbindet Altes mit Neuem und führt die valencianische Küche ins 21. Jahr hundert. Er will weg von dem gestrigen Motto, dass alles jederzeit verfügbar sein muss, hin zu einem originellen Weg, mit dem valencianischen Erbe umzugehen. Barella kann es sich leisten, die Regeln zu brechen, denn er kennt sie seit seiner Kindheit: Seine Großmutter hatte einst einen Marktstand und verkaufte Fisch, seine Eltern hatten in Artana, einem Dorf in der Nähe von Valencia, ein kleines Restaurant. „Ich stehe in der Küche, seitdem ich 14 Jahre alt bin“, erzählt er. Sein Menü besteht aus tapasartigen Portionen. Die „chufa“, die Erdmandel, die in Valencia eine große Rolle spielt, kehrt dabei als ständiges Thema wie der, als Schaum auf der Auster, als Fond für den Seehecht und als süße Beglei tung für eine Art Arme Ritter mit Zimt. Zum Abschluss gibt es einen Nach tisch aus der Region, Erbsensorbet mit Blumenkohlschaum – klingt sonderbar, schmeckt wundervoll, frisch, süß und fremd zugleich. Sterne hat sich Quique Barella noch nicht erkocht, doch für diesen Künstler und Spieler sind sie zum Greifen nah. qdebarella . com e m o t i o n hotspot Im Casa Carmela haben die Gäste Einblick in die Küche: Traditionellerweise wird Paella über offenem Feuer bereitet. i Agua de Valencia Den Valencianern wird unterstellt, dass sie so gern trinken, dass sie zur Not auch vor dem Blumenwasser nicht haltmachen. Zu dieser, nun ja, lebensbejahenden Attitüde gibt es das passende Getränk: trink- was se r Mit dem süßen Drink Agua de Valencia lässt sich abends vor den Cafés besonders gut entspannen. 20 cl Orangensaft 5 cl Gin 5 cl Vodka 70 cl Cava (spanischer Sekt) und etwas Zucker Doch ein süßes Getränk ist wie eine süße Frau, Fehleinschätzungen können dramatisch enden. Agua de Valencia mag harmlos schmecken, doch der Drink zieht einem den Boden unter den Füßen weg, zumal er auch noch in Saftgläsern serviert wird. Salud! Geheimrezept gegen Komplexe Va l e n c i a s D r a m a besteht im Glauben, nicht genügend Beachtung vom Rest des Landes zu bekommen. Dabei hat Spanien Valencia sogar ein Nationalgericht zu verdanken: die Paella. Und da die Stadt in der Vergangenheit noch nicht bis zum Meer reichte, hat man die typische Paella Valenciana mit Kaninchen, Hühnern, Schnecken und weißen Bohnen zubereitet – eben allem, was die Region hergab. Dazu zählten früher auch Feldratten, aber das ist – zum Glück – lange vorbei. Die beste Paella der Stadt gibt es in der Casa Carmela. Dort bereitet man sie seit fast Hundert Jahren zu, und diese Erfahrung schmeckt man. Ganz wichtig: Die echte Paella wird auf dem Holzfeuer zubereitet. Durch die großen Fenster der Küche kann man den tapferen Köchen dabei zusehen, wie sie der Hitze trotzen. Das Ergebnis ist so gut, dass das Restaurant trotz der recht hohen Preise fast ausschließlich von Einheimischen besucht wird. casa - carmela . com 79 Früchte, Freuden & Fassaden 1 Kleine Zuflucht Der Charme von Valencia besteht in der Bodenständigkeit: Die Bauwerke der Stadt dienen den Menschen – etwa der Mercat Central im spanischen Jugendstil. Neben den regionalen Spezialitäten gibt es auch eine kleine Bar in der SterneKoch Ricard Camarena Tapas und Wein serviert. mercadocentralvalencia . es 2 Hohe Ansprüche Die Calle del Marqués de dos Aguas ist die goldene Meile Valencias, hier finden sich sämtliche Luxuslabels. Auch das spanische Unternehmen Loewe, das Hand taschen herstellt, die für ihre hervorragende Verarbeitung berühmt sind. Aber auch die Einrichtung des Ladens erfüllt diesen Anspruch. loewe . com 3 schöne Front Die Begriffe „Keramikmuseum“ und „aufregend“ sind nur schwer miteinander in Verbindung zu bringen. Doch allein die wilde Fassade aus Marmor und Stuck, die den alten Palast dekoriert, ist einen Zwischenstopp wert. Und innen überrascht die Grandezza alter Adelsgeschlechter. mnceramica . mcu . es U r s p r ü n g l i c h sollte das Palacio de Marques de Caro ein Drei-Sterne-City- Hotel werden, doch dann förderten die Sanierungsarbeiten des alten Stadtpalastes Denkwürdiges zutage: 2000 Jahre alte römische Säulen und Mosaike, Teile der islamischen Stadtmauer, maurisches Geschirr und blaue Kacheln. Architekt Francisco Jurado und Innenarchitekt Francesc Rifé mussten umdenken und integrierten das historische Erbe in das neue Hotel: Über der Bar befinden sich Reste römischer Säulen, die Rezeption besteht aus viel Glas und einem hübschen Mosaik. Natürlich gibt es auch Fünf-Sterne-Frühstück, einen freundlichen, vielen Fremdsprachen mächtigen Herrn am Empfang und superbequeme Kissen. Doch allein das Gefühl, zwischen Vergangenheit und Zukunft zu nächtigen und das Beste aus beiden Welten mitzunehmen, ist schon einen Besuch im Caro wert. carohotel . com Zwischen gestern und morgen „Ich habe versucht, so nah wie möglich an die Grenze zwischen Architektur und Bildhauerei zu gelangen, um Architektur als Kunst zu verstehen.“ s antiag o cal atr ava , ar c hite k t winzig Im GulliverPark wird man wieder klein. i n f o r m at i o n e n f ü r u n t e r w e g s Die wichtigsten Empfehlungen, Tipps und Links zu diesem Artikel finden Sie auch online – einfach QR-Code mit dem Smartphone scannen (z. B. mit der App Scanlife) und Valencia entdecken. m b - q r . c o m / 0 IO 80 e m o t i o n Gut zu wissen S ü SS e r K l a s s i k e r Zu den wichtigsten kulinarischen Besonderheiten von Valencia gehört die „chufa“, die Erdmandel. Daraus wird eine Milch hergestellt und dazu gibt es einen „fartón“, ein süßes Hefegebäck, das man in die Milch tunkt. Fartón bedeutet so viel wie gefräßig, weil es die Milch so gut aufsaugen kann – und auch weil man davon kaum genug kriegen kann. Ein Klassiker ist die Horchatería El Siglo, Plaz de Santa Catalina, 11. Gelebte WEisheit „ Pensat i fet – gedacht und getan“, sagt ein valencianisches Sprichwort. Einfach loslegen, nicht an morgen denken und keine Pläne schmieden. Die Vielfalt der Stadt kommt einem sowieso immer dazwischen. S t e i n e r n e S i t t e n wäc h t e r Gut hinschauen und die Kamera bereithalten: Von Brücken und alten Gebäuden springen die „gárgolas“ herab, furchterregende Wesen aus Sandstein, halb Wolf, halb Dämon. Sie sollen symbolisieren, dass Sünden hier keinen Platz haben. Unendliche Geschichten f r ö h l i c h e r Au s n a h m e z u s ta n d Und das Wichtigste zum Schluss: die Fallas. Ein valencianisches Spektakel, das die Stadt jeden Frühling vier Tage lang komplett lahmlegt. Die Fallas-Vereine sind das Valencia-Äquivalent zu den rheinischen Karnevalsvereinen. Das ganze Jahr über arbeiten sie an riesigen, teils haushohen Figuren aus Pappmaschee, die am letzten Tag der Festlichkeiten in der Stadt angezündet werden, dazu gibt es opulente Feuerwerke, Popkonzerte fürs jüngere Publikum und mehr als 100.000 Besucher. Klingt wahnsinnig – ist es auch, hier wird besinnungslos gefeiert. Die Kultur, die Schutzpatronin der Stadt, einfach das Leben überhaupt. fallas . com Valencia PLATZ SPIEL Tu »Ríu ria« illustr ation anna Schäfer I n s e i n e m e r s t e n L e b e n war Luis Lonjedo Kunstlehrer, doch dann hat die Malerei über sein Leben gesiegt. Sein Thema ist der urbane Alltag, er fotografiert vermeintlich unwichtige Szenen, malt sie nach – und findet in ihnen Schönheit und Tragik zugleich. Wie etwa auf dem Bild im Hintergrund, wo Frauen achtlos an Straßenmusikern vorbeigehen. Für ihn spielt das mediterrane Leben im Freien, auf der größten Bühne, und Valencia ist eine Stadt, die unendlich viele Geschichten bereithält. Bilder von Lonjedo findet man etwa im Teatro Olympia (Calle de San Vicente Mártir 44) und in der Galería 9 (Conde Salvatierra, 9). luislonjedo . es AD CIUD S Y LA S RTES AS A CIENCIA DE L VALENCIA BIKES.CO M ! unterwegs ! Besonders am Morgen lohnt sich ein Spaziergang oder eine Jogging runde durch den ehemaligen Ríu Turia. Früher sorgte der Fluss für verheerende Überschwemmungen, heute ist er umgeleitet und sein Bett in einen riesigen Stadtpark ver wandelt. Man bekommt ein Gefühl für Valencia, läuft an der Ciudad de las Artes y de las Ciencias und dem Gulliver-Spielplatz vorbei. Es lohnt sich auch, ein Bike zu leihen und eine größere Runde zu drehen. 81