Einstimmung und Referat

Transcription

Einstimmung und Referat
BEFAH e.V.
Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen
BET 2009
Wir sind da!
Nehmt uns wahr!
Eltern erwarten ein besseres Verständnis
für ihre lesbischen und schwulen Kinder
in der Gesellschaft.
Bundeselterntreffen
1. bis 3. Mai 2009
in Stuttgart
Inhalt
Impressum
Begrüßung durch die BEFAH-Vorsitzende Gudrun Held
Eröffnung durch die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Stuttgart,
Frau Gabriele Müller-Trimbusch
Grußwort der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dr. Ursula von der Leyen
Grußwort von Frau Dr. Monika Stolz MdL,
Ministerin für Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg
Grußwort des Landesbischofs Dr. h.c. Frank Otfried July
Grußwort der Schweizer Partnerorganisation „fels“
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Einstimmung und Referate
Einstimmung und Referat – Hermann Bayer, Theologe
Am Anfang war es Scham … – Henning Röhrs, Therapeut
Vorstellung „Aktionsbündnis gegen Homophobie“ – Sören Landmann
Wie heil machen Heilungstheorien? – Hermann Bayer, Theologe
Kultursensible Aufklärung in Familien mit Migrationshintergrund – Aleksij Urev (LSVD)
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Berichte aus den Elterngruppen
Elterngruppe Stuttgart
Elterngruppen Freiburg und Dortmund
Elterngruppe Nürnberg – und EuroFLAG
Elterngruppe Bremen
Elterngruppen Lorsch und Dresden
Elterngruppen Paderborn und Gütersloh
Elterngruppe Hamburg
Elterngruppe Hannover
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Berichte der ausländischen Gäste
Zur Situation in der Türkei, speziell in Istanbul – Günseli Dum und Ulrike Öztek (Lambda Istanbul)
Elternarbeit in Argentinien (und in der übrigen spanisch-sprechenden Welt)
– Irmgard Fischer (PFALyG)
Neues aus Island – Gudrun Rögnvaldardottir (FAS)
Aus der Schweiz: Was macht der Verein fels? – Hanni Müller und Brigitte Schenker (fels)
Aus der Diskussion
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Kulturprogramm
Horst Emrich liest Tiergeschichten von Manfred Kyber und Texte von Michael Ende
„Der K.d.R.“ von Manfred Kyber
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Podiumskussion und Abschluss
Podiumsdiskussion mit Manfred Bruns, Bundesanwalt a.D. (LSVD);
Dr. Ulrich Noll MdL, Fraktionsvorsitzender der FDP im baden-württembergischen Landtag;
Ute Vogt, SPD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg;
Alexander Kotz, CDU-Stadtrat in der Landeshauptstadt Stuttgart;
Brigitte Lösch MdL, Bündnis 90/Die Grünen, Vorsitzende des Sozialausschusses im
baden-württembergischen Landtag.
Moderation: Ansgar F. Dittmar, Bundesvorsitzender der Schwusos in der SPD
Ausklang. Gudrun Held
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Begrüßung und Eröffnung
© 2009 Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen e.V.
Postanschrift:
BEFAH e.V.
Schuhstraße 4
30159 Hannover
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E-Mail: [email protected]
BEFAH im Internet: www.befah.de
Redaktion: Dr. Bernd König, Hannover
und Redaktionsteam des Befah e.V.
Gestaltung und Satz: Oliver Wilking, Bremen
Druck: Laserline, Berlin/Bremen
Gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin
Spendenkonto des BEFAH:
Bank für Sozialwirtschaft, Hannover (BLZ 251 205 10),
Konto-Nr. 74 815 00
Der BEFAH ist als mildtätig anerkannt i.S. §§ 51ff. AO vom Finanzamt Hannover-Nord
Anhang:
Pressestimmen und Verschiedenes
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BET-Reader 2009
BET-Reader 2009
Karten der Elterngruppe Stuttgart
„Mein Kind ist schwul!“ – „Die Reli-Lehrerin wusste es – ich wusste es nicht“
(Stuttgarter Wochenblatt vom 30. April 2009)
Bericht im vk-newsletter der RG Frankfurt
Impressionen vom BET 2009 in Stuttgart – Renate Löhr
BEFAH - Wofür sind denn diese da? – Gedicht von Dorle Johannsen
Danksagung – Roswitha Schirra
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Begrüßung und Eröffnung
Begrüßung und Eröffnung
Begrüßung durch die
BEFAH-Vorsitzende Gudrun Held
Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Gäste!
Im Namen des Bundesvorstandes heiße ich Euch und
Sie alle herzlich willkommen zu unserem diesjährigen Bundeselterntreffen 2009.
Wir freuen uns, dass Sie und Ihr der Einladung gefolgt seid und nach kurzer oder langer Anreise in
Stuttgart angekommen seid. Und hoffentlich können
alle sich hier wohlfühlen! Ein herzliches Dankeschön
an die Elterngruppe Stuttgart, die uns hier so liebevoll empfangen hat und ein besonderer Dank an Erika
Micale, die mit großem Einsatz die Vorbereitungen
mitgetragen hat.
Viele von Euch und Ihnen sind zum wiederholten Mal
bei einem Bundeselterntreffen und erleben diese
beinahe wie eine Familienzusammenkunft. Nun können Familientreffen ja schnell langweilig werden,
weil immer dieselben Geschichten auf den Tisch kommen und dieselben Dinge hinter vorgehaltener Hand
getuschelt werden. Deshalb freue ich mich, dass auch
in diesem Jahr wieder neue Menschen dazu gekommen
sind: Ich bitte diejenigen, doch eben aufzustehen,
damit wir uns auch untereinander wahrnehmen können. Herzlich willkommen und ich wünsche Ihnen,
dass Sie sich nicht lange fremd fühlen müssen. Denn
die BEFAH-Familie ist eigentlich sehr aufnahmefähig!
Vor knapp zwei Jahren hat BEFAH sein 10-jähriges
Bestehen gefeiert. Die Kindheit ist zu Ende, wir
kommen in die Pubertät und suchen die Kontakte
außerhalb des eigenen Gartens. BEFAH ist offenbar
über die Landesgrenze hinaus sichtbar geworden
und Anreiz, hierher zu kommen: Ich freue mich sehr,
Frau Hanni Müller und Frau Brigitte Schenker vom
Schweizer Bundesverband fels bei uns begrüßen zu
können.
Aus Istanbul sind ebenfalls zwei Mütter angereist:
ich begrüße Frau Günseli Dum und Frau Ulrike Öztek.
Und wie in Hamburg kann ich auch heute Gudrun aus
Island begrüßen, inzwischen schon vertraut. Sie wird
diesmal von ihrer Tochter begleitet.
Und – Frau Irmgard Fischer hat sich von Argentinien
aus auf den Weg zu uns gemacht.
Herzlich willkommen und herzlichen Dank, dass
wir von einander hören, lernen und uns unsere
Geschichten erzählen können und erfahren, wie es
woanders ist und welche Probleme dort zu lösen sind.
Ich glaube, wir alle sind neugierig aufeinander und
auf die Begegnung mit allen!
Ich begrüße ebenfalls die Referentinnen und Referenten, soweit sie schon da sind.
Sie werden dafür sorgen, dass das Tagungsthema
„Wir sind da - nehmt uns wahr! Eltern erwarten ein
besseres Verständnis für ihre lesbischen und schwulen
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Kinder in der Gesellschaft“ zum Klingen kommt und
von verschiedenen Seiten beleuchtet wird.
Zum einen haben wir überlegt, das Thema von der
gesellschaftspolitischen Seite anzugehen. Dazu
dient die Einstimmung gleich im Anschluss an die
Begrüßung.
„Wir sind da - nehmt uns wahr!“ mit wie viel Biss
können wir diesen Satz sagen? Und vielleicht sagen
wir ihn am Ende der Tagung noch einmal ganz anders.
Am Samstagnachmittag werden wir dem Thema weiter nachspüren. „Wie heil machen Heilungstheorien?“
Es gibt ja unheimlich viele Heilsversprechungen in
der Welt und heil macht längst nicht immer heil.
Menschen können „Heil Hitler“ schreien oder „heil
dir im Siegerkranz“ singen, bzw. „heile, heile Gänschen“. Es ist gut und weise, die Geister unterscheiden
zu können.
Von einer anderen Seite blicken wir ebenfalls am
Samstag auf das Tagungsmotto, wenn wir uns den
Eltern mit Migrationshintergrund nähern und deren
Sichtweise jedenfalls annähernd kennen lernen und
ein Verständnis für sie entwickeln. Ich denke, gerade
wir Eltern, die durch ihre lesbischen und schwulen
Kinder erfahren, was es heißt, einer Minderheitengruppe anzugehören, sind besonders dafür geeignet
und wohl auch verpflichtet, andere Minderheiten zu
achten und zu stützen.
Auf unsere eigene Gefühlsebene werden wir am
Samstagmorgen geführt, wenn es um das Thema
geht: „am Anfang war es Scham …“
Und – in diesem Jahr wird in Deutschland die Regierung gewählt! Vornehmste Elternpflicht ist es, das
Leben der Kinder zu schützen und ihnen Raum zum
Leben zu geben. Deswegen die Podiumsdiskussion
zu den Wahlprüfsteinen. Befragen wir die Politiker
und hören gut hin, was sie sagen, damit wir nicht die
wählen, die die Rechte unserer Kinder beschneiden
oder nicht ernst nehmen. Und fordern wir von allen
ein, die Würde und sexuelle Orientierung eines jeden
Menschen zu achten und nicht nur widerwillig zu
dulden.
Dem Vorstand war wichtig, dass diese Tage auch viel
Raum bieten, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Deswegen haben wir uns bemüht, Frei-Räume zu
lassen.
Und nun endlich begrüße ich ganz herzlich die
Bürgermeisterin, Frau Müller-Trimbusch, die in
Vertretung des Stuttgarter Oberbürgermeisters Dr.
Schuster, zu uns gekommen ist. Ich darf Sie bitten,
das Bundeselterntreffen nun zu eröffnen!
BET-Reader 2009
BET-Reader 2009
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Begrüßung und Eröffnung
Begrüßung und Eröffnung
Eröffnung durch die Bürgermeisterin
der Landeshauptstadt Stuttgart,
Frau Gabriele Müller-Trimbusch
Sehr geehrte Frau Micale, sehr geehrte Frau Held,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Eltern aus
ganz Deutschland,
ich darf Sie ganz herzlich hier in Stuttgart begrüßen
und mich für die Gelegenheit bedanken, zu Ihrem
Bundeselterntreffen ein Grußwort sprechen zu
dürfen. Frau Micale von der Elterngruppe Stuttgart
danke ich für die freundliche Einladung.
Mit dem Bundeselterntreffen verfolgen Sie aus meiner Sicht zwei ganz wichtige Ziele. Ziele, die in einem
übergeordneten Bezug auch für Stuttgart zentral
sind. Deswegen freut es mich, dass das Bundeselterntreffen — zwar schon zum zehnten, dieses Jahr aber
zum ersten Mal in Stuttgart stattfindet.
1.
Spontan fiel mir mit der Einladung zu Ihrer Veranstaltung ein Film ein, den ich gerne zur Verdeutlichung
für das erste Ziel aufgreifen möchte, das ich mit
Ihrem Engagement verbinde:
Es liegt schon einige Zeit zurück, da gab es den wunderbaren Film „Mein Leben in Rosarot“ in den Kinos
zu sehen. Es wird darin die Geschichte einer französischen Familie erzählt, die eine besondere Entwicklung durchmacht. Mutter, Vater und Geschwister
müssen allesamt lernen, mit der Andersartigkeit des
Sohnes und Bruders `Ludovic´ umzugehen. Dieser
zeigt Neigungen, die unkonventionell sind. Aber
nicht nur das; sie berühren auch heikle Tabus.
Sie kennen den Film vielleicht und erinnern sich
daran, wie darin durchaus humorvoll, aber auch mit
der notwendigen Ernsthaftigkeit erzählt wird, wie
sich der Siebenjährige als Prinzessin verkleidet und
angibt, später einmal den Nachbarsjungen heiraten
zu wollen. Wenn Sie den Film gesehen haben, werden
Sie sich auch an die Reaktionen erinnern, die er
damit unter den Familienmitgliedern ausgelöst hat,
bis hin zur Ehekrise.
Der Film zeigt eine Familie, die nach innen hin stark
werden musste, um die Andersartigkeit des Kindes
gegenüber den eigenen Selbstverständlichkeiten,
aber auch gegenüber einer Umwelt, die nicht rosarot
„tickt“, zu bewältigen.
Als aktiv organisierte Eltern von lesbischen Töchtern
und schwulen Söhnen haben Sie ein ähnliches Ziel.
Sie treten dafür ein, dass Sie Ihren Kindern einen
starken familiären Rückhalt bieten können. Darüber
hinaus — das zeigt der BEFAH mit seinem Angebot
— ist es Ihnen ein Anliegen, auch solche Eltern und
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Familien zu unterstützen, die noch am Anfang dieser
Entwicklung stehen.
Erziehung ist schwer bzw. wird von denen, die erziehen, als schwierig empfunden. Erst kürzlich hat eine
Studie dies belegt, das „Generationen-Barometer
2009“.
In dieser Repräsentativ-Studie des Allensbach-Instituts gaben 89 Prozent der Eltern an, ihr wichtigstes
Erziehungsziel sei, dass ihre Kinder Selbstbewusstsein entwickeln.
Was heißt das erst für Eltern homosexueller Kinder?
Sie müssen Ihren Kindern umso deutlicher zeigen,
dass sie angenommen sind. Das Fundament für
Selbstbewusstsein ist hier ein Stück weit windfester
zu bauen. In unserer kommunalen Verantwortung
für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen
— in der Kindertagesbetreuung, in der Jugendarbeit,
in den Erziehungshilfen — zeigt sich immer wieder,
wie wichtig eine aktive Rolle von Eltern ist. Ohne die
Eltern geht es nicht. Erziehungspartnerschaft ist hier
unser Stichwort. Es meint, dass individuelle Bildung
und Persönlichkeitsentwicklung erst im Zusammenspiel zwischen Elternhaus und Bildungseinrichtungen
vollends gelingen kann. Komplementär zur öffentlichen Erziehung brauchen wir also Eltern wie Sie, die
sich für ihre Kinder einsetzen und ihnen Lebensmut
vermitteln und immer wieder verdeutlichen, dass sie
wichtige und wertvolle Gesellschaftsmitglieder sind.
„Mein Leben in Rosarot“ - ich möchte nochmals auf
den Film zurückkommen, denn darin wird eine zweite
Notwendigkeit begreifbar: Alle elterliche Anstrengung, sei sie auch noch so groß, kann letztendlich
nur in einem liberalen gesellschaftlichen Klima und
Umfeld fruchten.
öffentlichen Erziehung und der Jugendförderung ist
es uns ein wichtiges Lernziel, dass Mädchen und Jungen lernen, Differenzen zwischen sich und anderen
vorurteilsfrei wahrzunehmen. Dass sie lernen, Vielfalt
zu respektieren und darin eine wertvolle Basis für die
eigene Selbstverwirklichung erkennen. Diese Kompetenz zur Vielfalt gilt es bei den Heranwachsenden
zu fördern, denn sie ist zukunftswichtig: Der Umgang
mit Heterogenität gilt inzwischen nämlich als eine
Schlüsselkompetenz.
Sie tragen mit Ihrer Arbeit dazu bei, dass ein solches
kulturelles Klima der gegenseitigen Wertschätzung
und positiv gelebten Vielfalt entstehen kann.
Mit dem Programm des 10ten Bundeselterntreffens haben Sie sich ein arbeitsames Wochenende
„beschert“. Sie haben sich anspruchsvolle Themen
vorgenommen, wie z.B. die „Kultursensible Aufklärung in Familien mit Migratonshintergrund“ oder
die Auseinandersetzung mit Vorstellungen aus dem
Umfeld der evangelikalen Christen, die diskriminierend gegen homosexuelle Lebensentwürfe vorgehen.
Vielleicht bleibt zwischendurch auch noch Zeit für
den einen oder anderen Stadtspaziergang durch
Stuttgart, die schönste Stadt der Bundesrepublik.
Insgesamt wünsche ich Ihnen ein gutes Gelingen,
einen spannenden Erfahrungsaustausch, anregende
Referate, viele Impulse und gute Ideen, um das zu
erreichen, was Sie sich vorgenommen haben.
Für all das, was Sie schon erreicht haben, möchte ich
Ihnen meine Anerkennung aussprechen und Ihnen
für Ihre wichtige Arbeit danken. Und wünsche Ihnen
weiterhin Mut, Kraft und Gelassenheit.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Damit komme ich zum zweiten Ziel, das ich mit ihrer
Arbeit verbunden sehe.
2.
„Wir sind da, nehmt uns wahr“ — lautet Ihr Motto für
das Elterntreffen an diesem Wochenende. Mit Ihrem
Treffen wollen Sie sich dafür einsetzen, dass Ihre
homosexuellen Kinder im Wohnumfeld, in der Schule,
in der Ausbildung — kurzum in sämtlichen Bezügen
des gesellschaftlichen Alltags — Anerkennung und
Wertschätzung erfahren — so wie sie sind und so wie
sie leben wollen. Sie setzen mit dieser Forderung
eine Gesellschaft voraus, die kompetent ist, Vielfalt
zu leben.
Das imponiert mir. Auch in den Arbeitsfeldern der
BET-Reader 2009
Im Anschluss wurden die Grußworte der Bundesfamilienministerin Dr. von der Leyen, der Ministerin für
Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg,
Dr. Monika Stolz MdL sowie des württembergischen
Landesbischofs Dr. h.c. Frank Otfried July verlesen.
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Grußwort
der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dr. Ursula von der Leyen,
zum Bundeselterntreffen des Bundesverbandes
der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen e.V. (BEFAH)
1. - 3. Mai 2009 in Stuttgart
Begrüßung und Eröffnung
Begrüßung und Eröffnung
Grußwort der Bundesministerin für
Sehr geehrte Damen Senioren,
und Herren,
Familie,
Frauen und Jugend,
Dr.
Ursula
von
der Leyen
ich begrüße
Sie herzlich zu
dem Bundeselterntreffen
des Bundesverbandes der Eltern, Freunde
Grußwort von Frau Dr. Monika Stolz MdL,
Ministerin für Arbeit und Soziales des
Landes Baden-Württemberg
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen setzt sich für
ich
begrüßeund
Sie Achtung
herzlich zugegenüber
dem Bundeselterntreffen
des Bundesverbandes
der Eltern,
Freunde
Toleranz
Homosexuellen
in unserer Gesellschaft
ein.
Er unterstützt die
und
Angehörigen
von Homosexuellen
e.V.an
in Stuttgart
Arbeit
von Elterngruppen,
wirkt mit
der Einrichtung von Gesprächskreisen und
Beratungseinrichtungen.
zur diesjährigen Jahrestagung des Bundesverbandes der Eltern, Freunde und Angehörigen
von Homosexuellen in Baden-Württemberg möchte ich Sie auf diesem Wege herzlich
begrüßen.
und Angehörigen von Homosexuellen e.V. in Stuttgart
Der Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen setzt sich für
Toleranz und Achtung gegenüber Homosexuellen in unserer Gesellschaft ein. Er unterstützt die
Er bietet
Rat suchenden
Angehörigen
und Freunden Hilfe
Arbeit
von vielen
Elterngruppen,
wirkt mit Eltern,
an der Einrichtung
von Gesprächskreisen
und in vielfältiger Form. Mit
Beratungseinrichtungen.
seinem Angebot an Information und persönlichem Austausch gibt er konkrete Unterstützung bei
der Bewältigung neuer und schwieriger Lebenssituationen. Er hilft Eltern, die sexuelle
Er bietet vielen Rat suchenden Eltern, Angehörigen und Freunden Hilfe in vielfältiger Form. Mit
Orientierung ihres Kindes zu akzeptieren und als Familie damit umzugehen.
seinem Angebot an Information und persönlichem Austausch gibt er konkrete Unterstützung bei
der Bewältigung neuer und schwieriger Lebenssituationen. Er hilft Eltern, die sexuelle
Dies ist immens
wichtig,
denn manchmal
fürdamit
Eltern
ihr ganzes Weltbild ins Wanken, wenn
Orientierung
ihres Kindes
zu akzeptieren
und alsgerät
Familie
umzugehen.
sie von der Homosexualität ihres Kindes erfahren. Gespräche und die Erfahrung, das Gefühl,
Dies
immens
wichtig,
denn
manchmal
für Eltern
ihr ganzes
insDer
Wanken,
wenn mit anderen
nichtistmit
seinen
Sorgen
und
Ängstengerät
alleine
zu sein,
helfen Weltbild
hier sehr.
Austausch
sie von der Homosexualität ihres Kindes erfahren. Gespräche und die Erfahrung, das Gefühl,
Betroffenen gibt oft neue Impulse, Mut und Kraft. Hierzu leistet das jährlich stattfindende
nicht mit seinen Sorgen und Ängsten alleine zu sein, helfen hier sehr. Der Austausch mit anderen
Bundeselterntreffen
einen
bedeutenden
Beitrag.
Betroffenen
gibt oft neue
Impulse,
Mut und Kraft.
Hierzu leistet das jährlich stattfindende
Bundeselterntreffen einen bedeutenden Beitrag.
Die Arbeit des Bundesverbandes der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen
Die
Arbeit
desehrenamtlichem
BundesverbandesEinsatz
der Eltern,
Angehörigen von
Homosexuellen
basiert
auf
undFreunde
ist einund
herausragendes
Beispiel
für bürgerschaftliches
basiert auf ehrenamtlichem Einsatz und ist ein herausragendes Beispiel für bürgerschaftliches
Engagement.
Sie
verdient
unseren
besonderen
Respekt
und
unsere
Anerkennung.
Denn
Engagement. Sie verdient unseren besonderen Respekt und unsere Anerkennung. Denn
Engagement
und
der
Einsatz
für
andere
hält
unsere
Gesellschaft
zusammen
und
macht
sie
Engagement und der Einsatz für andere hält unsere Gesellschaft zusammen und macht sie
lebenswert.
lebenswert.
Ich
Ihnen
alles
GuteGute
für die
und Ihrer
Veranstaltung
einen erfolgreichen
Ichwünsche
wünsche
Ihnen
alles
fürZukunft
die Zukunft
und
Ihrer Veranstaltung
einen erfolgreichen
Verlauf.
Verlauf.
Verhinderung und Abbau von Diskriminierung und Ausgrenzung sind mir als Ministerin für
Arbeit und Soziales und Kinderbeauftragte der Landesregierung ein wichtiges Anliegen.
Hierfür bedarf es eines langen Atems; dieser Aufgabe muss sich die Politik und jede Generation von Neuem stellen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass sich Lebensbedingungen
und Rechte homosexueller Menschen zu Recht - nicht zuletzt durch wichtige gesetzliche
Maßnahmen - in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert haben.
Dennoch haben insbesondere homosexuelle junge Menschen auch in unserer modernen
Gesellschaft leider immer noch einen Lebensweg vor sich, der von vielen Mitmenschen
nicht als selbstverständlich und gleichwertig akzeptiert wird. Es sind Menschen, die sich
vor Minderheiten und Außergewöhnlichem fürchten oder Anderssein zum Anlass nehmen,
ihre vermeintliche Überlegenheit zu demonstrieren. Daher sind Homosexuelle mehr als
andere Söhne und Töchter auf Rückhalt und Verständnis von Eltern, Geschwistern, Verwandten und Freunden angewiesen. Dies fällt aber nicht ohne Weiteres leicht. Irrtümliche
Vorstellungen über ihre Lebensweise, die Meinung, die Veranlagung sei disponibel, ganz
besonders aber die Verfolgung in Diktaturen wirken so stark nach, dass längst nicht jede
und jeder sofort angstfrei mit den Anzeichen der Homosexualität oder gar dem offenen
Bekenntnis zu ihr umgehen kann. Furcht oder Sorge lähmen zunächst vermutlich um so
stärker, je näher einem die entsprechende Person steht. In einer solchen Situation ist die
Bedeutung einer Selbsthilfegruppe nicht hoch genug einzuschätzen. Ein Zusammentreffen
mit Menschen, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben und sich dadurch gegenseitig
eine Stütze bieten, ist besonders wertvoll. Wer das tut, hilft damit nicht nur sich, seinen
Kindern und Angehörigen sowie anderen Eltern, sondern weist unserer gesamten Gesellschaft einen Weg zu mehr Toleranz und Demokratie.
Ich wünsche dem BEFAH e.V. und seinen Mitgliedern einen für alle hilfreichen Austausch
beim Bundeselterntreffen in Stuttgart und bei ihrem Wirken weiterhin viel Erfolg!
Ursula von der Leyen
Ursula von der Leyen
Dr. Monika Stolz MdL
Ministerin für Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg
Anmerkung:
In einer Hinsicht befand sich die Ministerin im Irrtum,
denn das Bundeselterntreffen findet seit längerem nur
alle zwei Jahre statt.
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Begrüßung und Eröffnung
Begrüßung und Eröffnung
Grußwort des Landesbischofs
Dr. h.c. Frank Otfried July
Grußwort der Schweizer
Partnerorganisation „fels“
„Ich glaube an die Liebe zu unseren homo- und heterosexuellen Kindern“, steht auf einer Grußkarte der
Selbsthilfegruppe von Eltern homosexueller Kinder in Stuttgart.
Der Satz hat mich berührt. Als Vater von vier Kindern kann ich mir nichts anderes vorstellen, als dass Eltern
ihre Kinder ohne Bedingungen lieben.
Desto mehr beunruhigt mich ein anderer Satz:
„Homosexuelle fallen nicht vom Himmel – aber vielfach aus dem Nest.“
Im Matthäusevangelium sagt Jesus dazu einen bedenkenswerten Satz: „Kauft man nicht zwei Sperlinge für
einen Groschen? Dennoch fällt keiner auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem
Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.“ (Matth.10,29-31).
fels, Freundinnen, Freunde und Eltern von Lesben und Schwulen, die nationale Elternorganisation der
Schweiz, grüßt die BEFAH und wünscht eine erfolgreiche Jahrestagung.
Nein, kein Mensch fällt aus dem Himmel, der sich nach dem Himmel sehnt, was immer auch geschehen ist
und was immer in einem Menschenleben nicht nach Wunsch verlaufen mag. Dass nichts uns von der Liebe
Gottes trennen kann, weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges
noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur, lehrt uns nicht nur der Römerbrief
(Röm.8,38f), auch die Grundlagen der Reformation lassen daran keinen Zweifel.
Ich danke allen Eltern von homosexuellen Töchtern und Söhnen, die ihre Kinder ohne Vorbehalt lieben,
den Müttern, die dieses Leben zur Welt gebracht haben und bedingungslos zu ihm stehen, den Vätern und
Geschwistern, die zu einander halten.
Unsere evangelische Landeskirche in Württemberg ist mit homosexuellen Menschen im Gespräch. Erst vor
wenigen Wochen habe ich für den Bereich unserer Prälaturen Pfarrer und Pfarrerinnen mit entsprechendem
Gesprächsauftrag berufen. Der Aufrichtigkeit halber weise ich aber auch darauf hin, dass es in unserer Landeskirche in der theologischen und sexualethischen Diskussion über die Frage der Homosexualität zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommt. In manchen Folgerungen sind wir deshalb eher zurückhaltend. Dennoch:
Christliche Gemeinde lebt davon, dass die verschiedenen Lebensbereiche eingebracht werden und mit einander im Gespräch bleiben. Dafür danke ich vielen von Ihnen.
Und ich danke dem Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen e.V. dafür, dass
er den Schatz der Erfahrungen mitzuteilen und auszutauschen hilft und Menschen dabei unterstützt, Wege zu
finden, die man gehen kann.
Ihnen allen wünsche ich den Segen des Gottes, dem wir wichtiger sind, als viele Sperlinge, und der keinen aus
dem Himmel fallen lässt, der sich nach dem Himmel sehnt.
Ihr
Warum sind unsere Elternorganisationen so wichtig?
Als Elternorganisation, die auch Angehörige, Freundinnen und Freunde von Lesben und Schwulen vertritt,
haben wir zu den Schulen, zum Elternhaus und zur Politik einen speziell guten Zugang. Das ist unsere Stärke.
Diesen Vorteil müssen wir nutzen.
Während der vergangenen, schweizerischen Volksabstimmung zum Partnerschaftsgesetz hat sich dies
gezeigt. Als Elternorganisation konnten wir den Medien und der Bevölkerung zeigen, dass es nicht nur um
Lesben und Schwule, sondern auch um deren Eltern, Familie, Verwandte, Freundinnen und Freunde geht.
Also, es geht nicht nur um eine Randgruppe, sondern um das ganze Volk.
Wir erinnern uns an eine Aussage, als die Abstimmungs-Kampagne nachträglich analysiert wurde: „Das war
wirklich der Ausstieg aus der „Wir-sind-am-Rande-der-Gesellschaft- ein-kleines-Grüppchen“ Phase zu „Wirsind-ein-großer-Teil-der-Gesellschaft“, und ich denke, als etwas vom Wichtigsten der Kampagne ist wirklich
auch der Einbezug der Eltern und die Sichtbarkeit der Eltern zu nennen. Das hat zwar gedauert, bis die Medien
das aufgreifen wollten, aber als sie es dann begriffen haben, kam es breit“.
Frau Schenker und Frau Müller von der Schweizer Partnerorganisation fels verlasen deren Grußwort
Das bedeutet: Die Sichtbarkeit der Eltern hat wesentlich das positive Resultat der Volksabstimmung beeinflusst.
Die Sichtbarkeit ist die Voraussetzung zur Akzeptanz.
Nutzen wir diese Wahrheit, zeigen wir uns für die volle Akzeptanz unserer lesbischen Töchter und schwulen
Söhne.
Wir danken Ihnen für ihren Einsatz für unsere gemeinsamen Ziele.
Mit herzlichen Grüssen
Hanni Müller, Vizepräsidentin a.D. Brigitte Schenker; Vizepräsidentin, Fritz Lehre, Präsident
des fels
Dr. h.c. Frank Otfried July
Landesbischof
Im Anschluss an die Verlesung des Grußworts überreichten Frau Müller und Frau Schenker als Präsent
ihrer Organisation eine „Regenbogen-Kuh“, geschnitzt
aus Schweizer Holz vom Genfer See. „Sie hat Hörner,
was heutzutage nicht alle Schweizer Kühe haben; sie
trägt ihren Blumenschmuck aus Anlass des Tages und
ihr Schwanz vertreibt lästige Fliegen“ meinten die
Damen dazu.
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Einstimmung und Referate
Einstimmung und Referate
Einstimmung und Referat
– Hermann Bayer, Theologe
Wir sind da! Nehmt uns wahr!
Das Motto klingt am 1. Mai ganz besonders.
Aus zweierlei Gründen.
Sie haben sich auf den Weg gemacht hierher nach
Stuttgart – vermutlich nicht mit Wanderschuhen oder
Bollerwagen, jedoch umso entschiedener mit der
Bahn, dem Auto oder Flugzeug, um hier zu sein.
Nicht am Grillplatz oder einem Biergarten, jedoch
umso entschiedener in einer Gemeinschaft, die mit
demselben Anliegen losmarschiert sind.
Das ist die Kultur, auf die ich mich als Kind und als
Jugendlicher durchaus lustvoll mit der Familie und
später im Freundeskreis gefreut habe. Mit einem Ziel
und darin bezogen auf den Weg und die Menschen,
die mit unterwegs waren.
Wir sind da! Nehmt uns wahr!
manche Eltern zum ersten Mal dabei. Und sie sind
froh sagen zu können: „Ich bin da.“ Ich bin zumindest mal angekommen. Mit dem Zug oder Auto,
mit meiner Erfahrung und meinem Anliegen. Mal
sehen, was daraus werden wird. Vielleicht – und das
wünsche ich mir – dass ich am Ende der Tagung auch
freier, befreiter sagen kann, „Wir Eltern, Angehörige,
Freunde sind da.“
Wir sind da! Nehmt uns wahr!
Das ist also zunächst die Botschaft an uns hier im
Raum. Da geht es noch nicht um die politische Aussage, sondern um eine Solidarität, die aus dem „ich
zum wir“ erwachsen kann und die Zeit braucht, Pflege
und Wertschätzung jedes Einzelnen.
Und irgendwann in diesem Annäherungsprozess vom
ich zum wir - ich im wir - können wir auch dann auch
erleichtert und unüberhörbar sagen „Yes, we can“.
Mit roten Fahnen und Transparenten. Vielleicht schon
eher. Zumindest in der Vorstellung. Haben Sie, Frau
Held, mit Ihren Begrüßungsworten etwa die 1. MaiKundgebung eröffnet? Die des Bundeselternverbandes?
Ich habe bislang nur in der Kirche gelernt, Fahnen
zu tragen bei feierlichen Anlässen, nicht auf der
Straße als politische Aussage. Obgleich ich der 68er
Generation angehöre, davon infiziert bin, war ich
eher derjenige, der sich sozial engagiert hat für
behinderte und benachteiligte Menschen; das andere
habe ich meinem älteren Bruder überlassen. Beides
hatte seinen christlichen Ansatz im Elternhaus und
suchte nach entsprechendem Ausdruck.
Wir sind da! Nehmt uns wahr!
Eine 1. Mai-Überschrift, die durchaus dem Anliegen
Ihres Verbandes entspricht.
Wir sind da.
„Der Verein setzt sich für die Verwirklichung eines
aufrechten Lebens von Lesben, Schwulen und Transgender, ihrer Eltern, Freunde und Angehörigen ein
im Sinne des Wortes: Nicht richten, sondern aufrichten!“
Wir sind da, wir haben uns auf den Weg gemacht. Wir
sind nicht zu übersehen.
Nehmt uns wahr.
Die Elterngruppen, die über das ganze Bundesgebiet
verteilt leben, versuchen, sich gegenseitig zu stärken
und zu ermutigen auf dem Weg zu bedingungsloser,
selbstverständlicher Akzeptanz und Antidiskriminierung.
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Ich lade Sie ein, aufzustehen.
Hinzustehen.
Sich aufzurichten.
Ich bin da. Und spüre wie sich das anfühlt.
Vielleicht noch etwas unsicher auf den Beinen, vielleicht auch müde vom langen Unterwegssein, etwas
schwindelig bei den Themen, freudig in dem Wunsch
nach Begegnung und Austausch.
So bin ich da.
Wir sind da! Nehmt uns wahr!
Und ich schaue etwas nach rechts oder nach links,
oder sogar nach hinten.
Und sage meinem Nachbarn oder Nachbarin: „Ich
bin da.“ Leise, entschieden, laut, schweigend in die
Augen sehend
„Ich bin da“ und Sie finden gemeinsam zum „wir sind
da“. Vielleicht spüren Sie jetzt, wie sich das anfühlt,
dieses „wir sind da“.
Wir beide, wir drei, wir in der Stuhlreihe, wir im Saal.
Für manche ist das „Wir“ fast zu schnell. Noch nicht
vollzogen. Als Wunsch formuliert. Vielleicht sind
Jede und jeder mit seiner Geschichte, Wunden und
Freuden.
BET-Reader 2009
Mein Ich begegnet sich im Du und sucht das Wir.
Die Gemeinschaft und Solidarität.
Wir sind da mit unseren Kindern, so wie sie sind,
unseren Angehörigen und Freunden.
Gemeinsam sind wir da! Nehmt uns wahr!
(Einladung, wieder Platz zu nehmen)
Ich bin auch da und danke von Herzen für Ihre
Einladung.
Eine Herausforderung, die Sie mir stellen und eine
Begegnungsmöglichkeit mit Eltern, die ich bislang so
nur mit meinen eigenen Eltern und Schwiegereltern
gelebt habe.
Und wir wissen ja, mit den eigenen Eltern ist das alles
ja auch etwas anderes, besonders und eigen. Und ich
bin dankbar, noch Kind sein zu dürfen.
Wiederum könnte ich nicht so dastehen, wie ich
hier stehe, hätte ich nicht genau meine Erfahrung
mit meinen Eltern und mit meiner Familie machen
dürfen.
Statt dass ich zunächst aufzähle, was ich beruflich so
mache, und warum ich eingeladen worden bin, zitiere
ich aus meinem Leserbrief im vergangenen Sommer
an die „verehrte Frau Waldburg“, der Society-Journalistin aus der Bunten. Sie berichtet von der Hochzeit
(entschuldigen Sie gnädige Frau, das heißt korrekt:
eingetragene Partnerschaft) von Udo Walz und
seinem Partner.
Vielen Dank. Dadurch entsteht Öffentlichkeit und das
ist gut so! Öffentlichkeit ist deshalb wichtig, weil dies
ja keine Hochzeit ist, denn der deutsche Staat sieht
dies für ein schwullesbisches Paar nicht vor.
Ich bin auch seit zwei Jahren „verpartnert“ und erlebe
nun die Ungerechtigkeit gegenüber unserer Lebensform sehr nah. Und dennoch, immerhin schon so weit,
obgleich in anderen europäischen Ländern dies schon
gleichgestellt ist.
Doch vielleicht interessiert das die Leser ja auch nicht
so …?
Ich möchte gerne auf zwei Sätze aufmerksam machen,
die mir in Ihrem Artikel zeigen, wie „Vorurteile“ transportiert werden.
„Es war keine Spaßhochzeit unter schwulen Männern,
sondern eine Geste der Liebe und Fürsorge.“
Gut so. Doch auf welchem Hintergrund wird dem Leser
ein solches Bild gezeigt? Was denkt die Welt, wie wir
leben? Es ist nicht das ganze Jahr CSD!
Der andere Satz: „Er ist ein zuverlässiger Kumpel. Einer, der Männer liebt, aber dessen Schulter immer ein
wohliger Platz ist für eine Freundin – ob in Sorge oder
in Freude.“ Schön, doch warum eigentlich nicht.
Auch schwule Menschen sind reif und fähig, mit Frau
und Mann zu kommunizieren, sie zu lieben und zu
achten.
BET-Reader 2009
Ich bin Jahrgang 1950 und bin aufgewachsen in einer
Zeit der Kriminalisierung und der Unsicherheit. Selbst
mein „Coming Out“ löst diesen Makel nicht auf. […]
Toll was passiert ist in diesen fast 60 Jahren.
Doch das heißt für mich auch achtsam umgehen mit
Bildern, Sprache und dem, was „normal“ ist, egal ob
heterosexuell oder homosexuell oder was auch immer.
Wir sind da! Nehmt uns wahr!
Manchmal wird man wahrgenommen und weiß gar
nicht was geschieht.
Ostersonntag in St. Gilgen. Ostergottesdienst mit der
befreundeten Familie, der Wirtsfamilie, Freundinnen
und Freunde … Kind und Kegel sozusagen. Wir alle
haben uns „schön gemacht“ und bekommen noch
einen Platz oben auf der Empore gleich neben dem
Chor. Jemand fragt einen Sänger, ein feiner älterer
Herr in Lederhose, was sie denn singen werden und
er sagt: Missa brevis von Mozart, KV 275 … Sie wissen
schon, wie der Paragraph mit den Schwulen …
Ich stand am nächsten und erlebte ganz bewusst,
was in mir vorging. Ich begann zu sortieren, wie ich
reagieren soll.
„175“ sagte ich … „Na ja“, sagte er, „ist ja auch nicht
schlimm, die dürfen ja jetzt sogar heiraten, solange
sie nichts schlimmes machen …“
Ostersonntagmorgen 2009:
Einerseits die ganz selbstverständliche Zugehörigkeit
im Freundeskreis, Achtung und Wertschätzung.
Andererseits ganz plötzlich und wie aus einer vorher
nicht geahnten Unverschämtheit diese Szene. Comedyreif, wenn sie nicht auch immer und immer wieder
verletzend wäre. Die Wunden berührt und zugleich
herausfordert, für diesen Augenblick bewusst und
klug zu entscheiden, wie dieser Situation begegnet
werden kann. Nicht dadurch, dass ich „darüber
stehe“, sondern wahrnehme, was geschieht.
Verletzung und Heilung. Immer wieder diese Spannung, in der wir stehen.
Wir sind da! Nehmt uns wahr!
Wer ich bin
In der Ausschreibung steht Theologe. Das stimmt
bedingt. Ich war über zwanzig Jahre Ständiger
Diakon in der katholischen Kirche. Schwerpunkt der
Ausbildung ist Sozialpädagogik und Theologie. Mit
49 Jahren habe ich den Dienst beendet und arbeite
seither selbständig überwiegend im Bereich Sterben
– Tod und Trauer.
Die Hospizbewegung ist seit über 20 Jahren meine
Spur und darin derzeit ganz besonders die Fortbildung für Ehrenamtliche, die Gestaltung von Trauerfeiern und die Trauerbegleitung. Ein so genannter
„freier“ Theologe!
13
Einstimmung und Referate
Ich möchte Sie zu einer Übung einladen.
Zu einem Augenblick der Stille, ganz für sich, ehe
nachher die Gemeinschaft Raum nehmen wird und Sie
erfreuen möge an diesem 1. Mai-Abend.
Diese Übung steht in Verbindung mit meinem Referat, das ich morgen Nachmittag halten werde.
Mit Heilung, Coming Out und Coming In.
Übung und anschließend Austausch mit den Nachbarn
(nach einer Vorlage aus „Coming In“ von Urs Mattmann, Kösel-Verlag 2002)
Einstimmung und Referate
entdeckst du in der weiteren Umgebung einen Berg.
Er erhebt sich in relativer Nähe und während du zum
Gipfel blickst, spürst du Erhabenheit.
4.
Du siehst einen Weg, der zum Berg führt. Du entschließt dich, ihn zu besteigen. Der Weg führt zuerst in
einen Wald hinein. Du riechst das angenehme Aroma
von Nadelbäumen und nimmst die kühle, dämmrige
Atmosphäre des Waldes wahr.
5.
Nun siehst du, wie der Weg wieder aus dem Wald hinausführt und der Weg steiler wird. Aufwärts steigend
spürst du die Anstrengung in deinem Körper und die
Energie, die ihn gleichzeitig anregt. Der Weg wird
steiler, vielleicht musst du auch die Hände zur Hilfe
nehmen.
6.
Die Luft wird frischer. Du spürst Erhabenheit und bemerkst die Stille. Jetzt führt der Aufstieg in eine Wolke.
Alles sieht weißlich und neblig aus. Du gehst vorsichtig
und behutsam weiter. Jetzt löst sich die Wolke auf und
du kannst den sonnigen Himmel wieder über dir sehen.
Psychosynthese – Imaginationsübung
1.
Sitze bequem und aufrecht oder liege auf dem Boden.
Schließe deine Augen und nimm für einen Moment
deinen Atem wahr.
2.
Nun stelle dir vor, dass du an einem freundlichen,
sonnigen Morgen auf einer Blumenwiese stehst. Du
befindest dich in einer wunderschönen Landschaft.
Langsam wirst du dir deiner Umgebung bewusst: die
Wiesen mit den Blumen, der tiefblaue Himmel, die
reine Luft, der leichte Wind, der sanft über das Gesicht
streift.
Nimm wahr, wie du gut geerdet auf der Wiese stehst
und welche Kleider du trägst.
3.
Du spürst in dir Offenheit und Erwartung. Nun
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7.
Hier oben ist alles viel heller und klarer. Die Luft ist
rein, die Farben der Umgebung leuchten intensiv und
die Sonne scheint wärmend. Der Aufstieg ist leicht
geworden. Du fühlst dich, als ob du weniger Gewicht
hättest. Der Gipfel zieht dich an und du bist erpicht,
ihn zu erreichen.
8.
Nun bist du auf dem Plateau des Berggipfels angelangt. In einiger Entfernung siehst du jemanden. Es
ist ein weises Wesen, eine liebevolle Person. Du spürst
deren Bereitschaft zuzuhören und deine Fragen zu beantworten. Ihr habt einander in der Weite bemerkt und
geht aufeinander zu. Du spürst die Freude, Heiligkeit,
Kraft und Liebe, die es ausstrahlt.
stellst du weitere Fragen oder ein Gespräch entwickelt
sich. Auf jeden Fall merke dir die Antworten.
10.
Zeige in irgendeiner passenden Form Dankbarkeit
und verabschiede dich von diesem weisen Wesen, im
Wissen, dass du immer wieder auf diese Bergspitze
zurückkehren kannst.
11.
Nun gehe in deinem Tempo den gleichen Weg wieder
zurück, bis du am Ausgangsort im Tal auf der Blumenwiese angekommen bist. Nach einer kurzen Zeit öffne
deine Augen. Recke und strecke dich, trinke etwas und
mach dir Notizen zu dieser inneren Reise, besonders zu
den Antworten.
(Der Aufbau dieser Übung geht auf den Begründer der
Psychosynthese, Roberto Assagioli, zurück. Die Übung
wird zum Beispiel vom Assagioli-Schüler Piero Ferrucci
in seinem Buch „Werde was du bist“ dargestellt.)
So sind Sie jetzt, ganz eigen und ganz persönlich, da.
So sind wir jetzt als Bundesverband da.
Hier angekommen und bereit einen Weg zu gehen,
für den die Spur gelegt worden ist an diesem Wochenende.
Der nächste Schritt geht nun zum gemeinsamen
Abendessen und zum Erfahrungsaustausch und
geselligen Beisammensein.
Viel Freude dabei.
9.
Nun steht ihr euch gegenüber. Du hast die Möglichkeit,
dieser weisen und liebevollen Person Fragen zu stellen
und Anliegen mitzuteilen. Stelle ihr nun folgende
Fragen und lass dir Zeit dazwischen, um die Antworten
wahrzunehmen:
- Worin liegt das Potential der Homosexualität meiner
Tochter/meines Sohnes
- Welche Begabungen, Talente drängen in ihrem/seinem Leben zur Entfaltung?
- Was für ein Schritt steht in ihrem/seinem Leben konkret an, damit sie/er das Potential mehr leben kann?
Möglicherweise kommen die Antworten verbal. Achte
aber auch auf Symbole und Gesten.
Was immer die Antwort ist, werte nicht. Vielleicht
BET-Reader 2009
BET-Reader 2009
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Einstimmung und Referate
Einstimmung und Referate
Am Anfang war es Scham …
– Henning Röhrs, Therapeut
Über Schamgefühle zu sprechen, ist in einem kleinen
Kreis sicher möglich. Schamgefühle im Zusammenhang mit der Homosexualität der eigenen Kinder in
einem so großen Kreis offen zu legen, ist schon eine
Herausforderung.
Mit dem Geschick des Therapeuten und der Bereitschaft der Anwesenden, auf ihn einzugehen, wurde
diese Veranstaltung für große Emotionen und befreiende Erfahrungen geöffnet.
So bat H. Röhrs am Anfang die TeilnehmerInnen,
aufzustehen und sich umzuschauen. Denn er findet
es wichtig bei einem solchen Thema, zu wissen, dass
man nicht allein damit ist. Bei Schamgefühlen und
Akten der Bloßstellung seien die Menschen bisweilen
starr vor Schreck und könnten nichts tun. Das ist wie
in der Bibel bei der Geschichte von Adam und Eva
– auf einmal erkannten sie, dass sie nackt waren.
Der Blick richtet sich auf die Peinlichkeit des jeweils
Anderen und zurück auf sich selbst.
Der Blick richtet sich auf die Peinlichkeit des jeweils
Anderen und zurück auf sich selbst. Dadurch entsteht
das Gefühl, ganz anders zu sein. Der Blick des Gegenübers, der meine Peinlichkeit bemerkt, erzeugt in mir
eine bis dahin unbekannte Fremdheit, die Scham. Sie
verunsichert mich als Mutter oder Vater eines schwulen Sohnes oder einer lesbischen Tochter, aber auch
als jungen Menschen, der sich gerade im Coming Out
befindet. Wie halte ich es aus, anders zu sein? Diese
dauernde Auseinandersetzung mit Blicken, Aussagen
und Normen! Nicht selten führt dies zu persönlicher
Vereinsamung und zu einem Rückzug aus der Gesellschaft.
Wie haben die Teilnehmer/innen das Coming Out
ihrer Kinder erlebt?
Der Referent bittet, sich den Augenblick bzw. den Tag
zu vergegenwärtigen, als die Eltern erfuhren – oder
(für die anwesenden Töchter und Söhne) als man
selbst erkannte, ich bin lesbisch / ich bin schwul.
Was war damals die allererste Reaktion? Nach einem
Augenblick zum Überlegen ermuntert Röhrs die
Anwesenden zum Austausch mit dem/der Vorder/Hinter- oder auch Neben-Mann oder Frau. Es kommt
zu lebhaften Gesprächen untereinander; dann sammelt er viele Statements seitens der Eltern und auch
einzelner anwesender „Kinder“ (bereits erwachsener
Söhne und Töchter) ein:
Väter schwuler Söhne etwa haben damit zumeist
mehr und größere Probleme als die Mütter – so
jedenfalls die Meinung einer Mutter. Ein Vater hingegen meint, schon lange vor dem Coming out des
Sohnes „etwas gespürt“ zu haben und gar nicht überrascht gewesen zu sein; er wundere sich geradezu,
wieso Eltern so oft berichten, ahnungslos gewesen
und dann vollkommen überrascht worden zu sein. Ein
junger Schwuler berichtet, wie offensichtlich es für
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jeden auch nur oberflächlichen Betrachter bei ihm
gewesen wäre, aber wie sehr er selbst und auch seine
Eltern alle diese „Anzeichen“ bis zum Coming out verdrängt hätten. Bisweilen erfolgt das Coming out den
Eltern gegenüber auch in Etappen – so erfuhr Frau
Micale „es“ von ihren Söhnen zwei Jahre eher als der
Vater. Wenn Geschwister vorhanden sind, werden die
zumeist vor den Eltern eingeweiht. Dass Väter mit
lesbischen Töchtern eher „klar kämen“ als mit schwulen Söhnen hält eine Teilnehmerin für eine doch eher
unbewiesene Vermutung: In ihrem persönlichen Fall
trennte sich darauf hin sogar der Mann von ihr und
ließ sie mit ihrer Tochter allein zurück.
Eine Mutter berichtet von ihrem Sohn, der sich im
Alter von 21 geoutet hatte, er hätte aus Angst vorm
Outing schon seit der Pubertät unter Depressionen
gelitten und wäre nahe daran gewesen, sich vor
einen Zug zu werfen – dabei hätten sie und ihr Mann
überhaupt keine Probleme mit dem Schwulsein ihres
Sohnes gehabt. Eine der beiden türkischen Mütter
hatte schon als ihr Junge noch sehr klein war damit
gerechnet, dass er schwul sein könne, „weil er
sowohl mit Autos als auch mit Puppen spielte“. Ihr
sei aber damals schon bekannt gewesen, dass das
vollkommen natürlich ist und sich wohl auch nicht
mehr ändern würde. Sie hätte ihm daraufhin frühzeitig kindgerecht vermittelt, dass er „nichts solle, was
er nicht wolle“ – gerade auch in sexueller Hinsicht.
Sie ist heute sehr aktiv in der Istanbuler Gruppe und
ihr Mann habe es später auch akzeptiert und nähme
regelmäßig an den Treffen teil.
Einem der jüngeren anwesenden schwulen Söhne
hatten die Eltern von einem fremden Ehepaar
erzählt, das sich vor lauter Scham noch nicht einmal
in der Lage sähe, untereinander über das Thema zu
sprechen. Als Ursache der nicht selten jahrelangen
„Sprachlosigkeit“ der Kinder vermuten hingegen
mehrere TeilnehmerInnen deren Angst, die Liebe
ihrer Eltern zu verlieren.
Aus eigenem Erleben weiß der Redakteur, dass es auch
die Angst davor sein kann, die Eltern könnten sich aus
Scham über ihr „missratenes“ – weil nicht der heterosexuellen Norm entsprechendes – Kind etwas antun.
Röhrs fasst die Statements zusammen und betont,
dass in der Gesellschaft heute immer noch die Homosexualität als ein reparierbarer Makel dargestellt
wird; unter Jugendlichen ist der Begriff „schwul“ –
und „lesbisch“ ebenso – immer noch das schlimmste
Schimpfwort. Eltern können das nicht beeinflussen,
können aber lernen, damit umzugehen! Sie können
nachfragen, was das Gegenüber über Sexualität weiß.
Sie können positiv einwirken, wenn sie die Bereitschaft zu einem Gespräch spüren, müssen aber auch
nicht auf alles eingehen! Wichtig ist es außerdem,
BET-Reader 2009
im eigenen sozialen Umfeld für Wertschätzung zu
sorgen und Menschen zu suchen, die ihnen und ihren
Kindern mit Wertschätzung begegnen.
Dabei ist das Coming out nicht mit einem Mal (oder
wenigen Malen) abgetan: es ist vielmehr ein lebenslanger Prozess. Wir können es im Einzelfall natürlich
auch lassen, aber dann verbiegen wir uns. Als Lesbe
oder Schwuler selbst - und als Elternteil genauso muss man(n/frau) da immer wieder eine kleine Hürde
überwinden – in jedem neuen Lebensbereich immer
wieder aufs Neue. Wir leben eben in einer heterosexuell geprägten Gesellschaft, in der (so würde es der
Redakteur formulieren) die sogenannte „heterosexuelle Vorannahme“ gilt - das will heißen, bis er/sie
sich anders erklärt, wird ein Mensch vom Gegenüber
ungefragt als heterosexuell eingestuft.
Henning Röhrs ist in Hannover als Therapeut tätig;
früher in der Beratungsstelle des (ehemaligen)
Lesben- und Schwulenzentrums des HOME e.V., danach
in der Beratungsstelle Osterstraße und nunmehr frei
praktizierend.
Der vorstehende Text wurde nach den vorgenommenen Aufzeichnungen des Redakteurs von diesem neu
formuliert; daraus könnten sich geringe Abweichungen
in der Wortwahl ergeben.
So wie wir Homosexuellen selbst immer wieder die
Erfahrung machen, dass in unserem Beisein von
Leuten, die das nicht wissen, über das Thema geredet wird, so geschieht es ja auch den Eltern im Kreis
von Menschen, die nicht wissen, dass sie ein homosexuelles Kind haben. Röhrs bittet darum, darüber
nachzudenken, wie ich mit dieser Situation umgehe,
wenn ich damit konfrontiert werde. Danach fordert er
nochmals zum persönlichen Gespräch mit den Sitznachbarn auf; nach einer wiederum sehr lebhaften
Gesprächsrunde sammelt er auch dazu Statements
ein:
Eine der Mütter beispielsweise räumt ein, sich
anfangs nicht so recht getraut zu haben, in einer
solchen Situation das Wort zu ergreifen; heute hakt
sie aber immer nach und hat dann auch kein Problem
mehr damit, zu sagen, dass ihr Sohn schwul ist. In
Einzelfällen kam es sogar vor, dass sie den Arbeitgeber einer über „Homos“ lästernden Person kannte
und dann „eins draufsetzte“ wie etwa: „Pass/en Sie
lieber auf, was Du/Sie da redest/n – denn es könnte
sein, dass Dein/Ihr ArbeitgeberIn schwul bzw.
lesbisch ist!“ Bei nicht verletzenden Witzen kann sie
durchaus mitlachen, bei verletzenden hingegen führt
sie den ErzählerInnen das Verletzungspotential vor
Augen. Eine andere Mutter fragt dann nur „Und wo
ist die Stelle zum Lachen?“ – Einer der Väter betont,
man müsse ja nicht auf jede dumme Bemerkung und
jeden dummen Witz reagieren, besonders wenn man
gerade nicht in der Stimmung dazu ist. Er tue sich
das dann auch nicht an; wenn jedoch so unsägliche
Thesen in den Raum gestellt werden würden wie
etwa, Homosexualität sei Sünde und gewiss nicht von
Gott gewollt, dann könne und dürfe man das nicht so
stehenlassen, sondern müsse sich zu Wort melden.
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Einstimmung und Referate
Einstimmung und Referate
Vorstellung „Aktionsbündnis gegen
Homophobie“ – Sören Landmann
Anschließend stellte Sören Landmann das zum
Tag der Menschenrechte 2008 neu gegründete
„Aktionsbündnis gegen Homophobie“ kurz vor,
dessen Vorsitzender er ist. Es ist in Trier ansässig
und plant ein Schulprojekt auf Landesebene sowie
bundesweit Stellungnahmen zu Vorgängen wie
dem Marburger Kongress für Psychotherapie und
Seelsorge Ende Mai 2009, wo selbsternannte „HomoHeiler“ sich durch Auftritte in einem sich wissenschaftlich gebenden Rahmen – und zudem an einer
ihrer Forschungsleistungen wegen angesehenen
Universität! - unberechtigte Reputation verschaffen
wollen. Außerdem will das Aktionsbündnis Materialien zur Nutzung auch durch andere lesbischwule
Organisationen produzieren, als Beispiel dafür
werden je ein „lesbisches“ und ein „schwules“ Poster
zum Internationalen Tag gegen Homophobie (17.
Mai) vorgestellt. Näheres kann mensch durch die im
Aufbau befindliche Homepage erfahren:
www.aktionsbuendnis.org
Wie heil machen Heilungstheorien?
Wie erreichen wir Eltern, die diesen Theorien ausgesetzt sind?
– Hermann Bayer, Theologe
Herzlichen Dank für die Einladung.
Während der Vorbereitung auf mein Referat fiel mir
wieder ein Text in die Hände, der sich vermutlich
deshalb mir gezeigt hat, weil diese Gedanken unser
Nachdenken über „Heilungstheorien und die Unterstützung für Eltern, die solchen Theorien ausgesetzt
sind“ begleiten wollen. (Der Verfasser ist mir leider
unbekannt.)
Beim Heilwerden geht es darum, unsere Herzen zu
öffnen, nicht sie zu verschließen.
Es geht darum, die Stellen in uns, die die Liebe nicht
einlassen wollen, weich zu machen.
Heilung ist ein Prozess.
Beim Heilwerden schaukeln wir hin und her zwischen
den Verletzungen der Vergangenheit und der Fülle
der Gegenwart. Es ist das Schaukeln, das die Heilung
bewirkt, nicht das Stehenbleiben an einer der beiden
Stellen.
Der Sinn des Heilwerdens ist nicht, für immer glücklich
zu werden. Das ist unmöglich.
Der Sinn der Heilung ist, wach zu sein.
Und sein Leben zu leben, nicht bei lebendigem Leibe
zu sterben.
Heilung hängt damit zusammen, gleichzeitig ganz und
zerbrochen zu sein.
Es ist genug gesagt, geschrieben, diskutiert und wir
dürfen nicht aufhören, wach zu bleiben. Und unser
Leben zu leben.
Herzlichen Dank für ihr Engagement.
Zwei Nachrichten können wir aktuell nebeneinander
stellen.
Einerseits bekommt Herta Leistner für ihren Einsatz
für Homosexuelle in der Kirche den Amos-Preis von
der Offenen Kirche verliehen … Von der Kirche, die
sie in den 80ern Anlaufstelle für lesbische Frauen
nennt. In einem regelrechten „Inquisitionsverhör”
haben damals der Theologin klerikale Vertreter vorgeworfen, sie habe aus der Akademie Bad Boll einen
„Tempel der lesbischen Liebe” gemacht.
Die öffentliche Verleihung des Amos-Preises solle
ein deutliches Zeichen sein, dass Herta Leistners
Engagement auch im Raum der Kirche Resonanz
und Würdigung findet. Denn sie habe sich mit ihrem
Einsatz gegen Unrecht, Menschenverachtung und
Ignoranz in Kirche und Gesellschaft in die prophetische Tradition der Kirche gestellt, „den Mund für
die Stummen aufzutun und für die Sache derer, die
verlassen sind“ (Sprüche 31,8). Trotz geänderter
Gesetzeslage für homosexuelle Paare, so die Jury
weiter, sei das Thema Homosexualität gerade in
18
BET-Reader 2009
BET-Reader 2009
den Kirchen im Untergrund aktuell. Es scheine eine
Art Burgfrieden zu herrschen, ohne die erfolgten
theologischen Klärungen in den Kirchen und in der
Gesellschaft bekannt zu machen.
Andererseits ist es neben vielen anderen Initiativen
und Stimmen aus der gesellschaftspolitischen Landschaft der Bundeselternverband, der mit klaren und
unmissverständlichen Worten in einem offenen Protestbrief sich an den Veranstalter des 6. Internationalen Kongresses für Therapie und Seelsorge im Mai
dieses Jahres in Marburg wendet: „Unsere Kinder
sind, wie sie sind. Sie haben ein Recht, in unserer
Gesellschaft ihr Leben so zu gestalten wie es ihren
Anlagen gemäß ist.“
Wir könnten viele solcher Beispiele anführen. So
schaukeln wir hin und her in der Spannung zwischen
den „Verletzungen der Vergangenheit und der Fülle
der Gegenwart“.
Einerseits – andererseits. Ein Zeichen für den Wandel
in der gesellschaftlichen Diskussion, der jedoch auch
kontroverser diskutiert werden wird.
So der Kommentar in
der taz „Bekennen und
Bekehren“ von Philipp
Gessler am 16.04.2009
zu diesem Thema. Neu sei
nicht, dass evangelikale
Christinnen und Christen
glauben, Homosexualität sei „heilbar“. Dass
„Heilung“ sogar nötig
sei. „Neu ist, wie massiv
sie mit ihren Ansichten in
die Öffentlichkeit gehen,
auch wenn die Aussagen
der Bibel über die Homosexualität alles andere als eindeutig sind. Eindeutig
aber passt der jüngste Marburger Fall zu einer
Tendenz, die in der deutschen Gesellschaft insgesamt
zu beobachten ist. Die Konfessionen und Weltanschauungen differenzieren sich auch intern immer
weiter aus, radikalisieren sich partiell und suchen
selbstbewusster die öffentliche Aufmerksamkeit …
Zugleich zwingt die Mediengesellschaft alle Gruppen,
ihr Profil zu schärfen. Das geistlich-geistige Leben
wird dadurch vielfältiger, schroffer und verrückter
auch. Dagegen ist nichts zu sagen.“
Eben doch: wagen wir ein Profil. Dazu sind wir heute
Nachmittag eingeladen, dies zu klären und Eltern
anzubieten, die verunsichert sind.
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Einstimmung und Referate
Einstimmung und Referate
Während meiner
Vorbereitung auf dieses
Referat sprach ich mit
Freunden, Freundinnen,
Eltern … und immer wieder ging es auf beiden
Seiten um Verständnis,
Sorge und Zeit lassen …
Ja, jedoch bitte schön in
„wachem Zustand“. Das
ist der Sinn der Heilung
und dazu sind Sie wiederum ein Wochenende
zusammen, um nicht
„bei lebendigem Leib zu
sterben“.
Über eines sind sich die meisten Wissenschaftler
einig:
Die sexuelle Ausrichtung liegt sehr frühzeitig
fest, lange vor der Pubertät. Ob wir homosexuell
oder heterosexuell sind, liegt außerhalb unserer
Einflussmöglichkeiten und unseres Willens. Eltern
müssen sich nicht vorwerfen, sie hätten etwas
„falsch gemacht“. Ebenso wenig muss jemand Angst
haben, sein Kind könnte zur Homosexualität verführt
werden. (LSVD)
Die Psychologen in der WHO bestätigen: Die Richtung
der sexuellen Orientierung selbst ist nicht als Störung anzusehen.
Alle Ursachenforschung hat den Zweck, Homosexualität wegzumachen. Die Geschichte der Medizin
ist voller grauenhafter „Umpolungsversuche“. Im
Nationalsozialismus haben SS-Ärzte an schwulen
KZ-Häftlingen Hormonexperimente und entsetzliche
Quälereien vorgenommen.
Später versuchte die Verhaltenstherapie, Homosexuelle mit Elektroschocks auf heterosexuell zu dressieren. In den 70er Jahren wurden sogar chirurgische
Eingriffe im Gehirn vorgenommen. … Selbst wenn in
Deutschland solche brutalen Methoden nicht mehr im
Gebrauch sind, versprechen manche Ärzte, Heilpraktiker oder Psychologen, Homosexualität zu heilen.
20
warnen, ist geblieben.
Eine Ex-Gay-Bewegung schwappt aus den USA auf
Deutschland über … so die Nachrichten, die durch
das Internet jagen.
Therapeuten glauben an Heilung Homosexueller …
Süddeutsche 26.03.2009
Im Bundestag wird klargestellt:
Homosexualität bedarf weder einer Therapie noch ist
Homosexualität einer Therapie zugänglich.
Die vor allem in den 60er und 70er Jahren häufig
angebotenen so genannten „Konversions- oder
Reparations-Therapien“, die auf eine Änderung von
gleichgeschlechtlichem Verhalten oder der homosexuellen Orientierung abzielten, werden heute in der
Fachwelt weitgehendst abgelehnt.
Dies gründet sich auf Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen, nach denen bei der
Mehrzahl der so therapierten Personen negative und
schädliche Effekte (z.B.: Ängste, soziale Isolation,
Depressionen bis hin zur Suizidalität) auftraten
und die versprochenen Aussichten auf „Heilung“
enttäuscht wurden.
Erfahrungen im Schaukeln zwischen den Verletzungen der Vergangenheit und der Fülle der
Gegenwart
Heilungsversuche gab es ständig … einer davon ist,
sich in die Ehe zu retten.
Beispiel Wolfgang, der am Hochzeitsmorgen, als er seine Frau im Brautkleid sah, heftig weinen musste. Seine
Seele wusste, dass dies kein heilender Weg sein wird.
Erklärungsbedürftig ist nicht die Homosexualität.
Sondern vielmehr, warum in unserer Gesellschaft
immer noch viele Menschen Schwule und Lesben
verachten und anfeinden.
Doch bitte: Heilung beginnt damit, dass Eltern in
ihrer Erstreaktion aufhören zu sagen, „was habe ich
falsch gemacht …“, denn das impliziert: „du bist
falsch ...“ - nachdem vielleicht der Sohn, die Tochter
gerungen haben, endlich den Eltern das zu sagen.
Beispiel: der erste Besuch bei meiner Schwiegermutter
vor 6 Jahren: sie weinte und erzählte mir, der fremd
bei ihr am Tisch saß, davon, wie schlecht es ihr gehe…
Therapeutisch geschult höre ich zu, signalisiere ihr, sie
zu verstehen, bis mir plötzlich klar wurde, das betrifft
ja auch mich. Und ich befreie mich mit den Worten:
„Wissen sie, hier am Tisch kann ich auswählen
zwischen einem Johannisbeerkuchen oder Himbeerkuchen, ich konnte jedoch nicht auswählen, ob ich
hetero- oder homosexuell sein möchte. Das ist der
Unterschied.“
Warum homosexuelle Männer und Frauen im kirchlichen Dienst entlassen werden können, wenn sie sich
verpartnern.
Das gesellschaftliche Klima hat sich in den letzten
Jahren bedeutend verändert, aber die Angst vor dem
Unbekannten, vor dem die Eltern und das Umfeld
Ja und sich selbst die Zeit als Eltern zu lassen,
damit zurecht zu kommen.
Mit all den Bildern, die die Eltern meiner Generation
noch in sich tragen und ich dazu NS-Zeit, Kriminalisierung, AIDS, Verachtung, Stigmatisierung.
BET-Reader 2009
Und die Eltern der jetzt erwachsen werdenden
Kinder?
Beispiel: mein jüngster Bruder: als vor zehn Jahren
sein Sohn zur Welt kam und er mir sagte … der gehört
auch dir, da du ja keine Kinder bekommen kannst. Vier
Jahre später kommt sein Sohn aus dem Kindergarten
und erklärt seinem Vater: ich heirate Philipp.
Worauf sein Vater prompt zurückfragt: gibt es denn da
keine Mädchen … und erst dann merkt, wie festgelegt
der Kopf ist. Sein Sohn wusste es besser, erstens hat
Philipp auch Playmobil und der Onkel in Stuttgart hat
doch auch einen Mann!
Oder die Mutter eines 40jährigen Freundes …
Beispiel: Vielleicht wirst du doch noch anders …
obgleich er seit 18 Jahren mit seinem Partner in einer
festen Beziehung lebt …
Meine Freundinnen sagen:
Das ist doch heute ganz normal. Was heißt normal,
wo ich doch schon als Kind mich als „abnormal“ empfinden musste. Ich möchte in dieser Polarisierung gar
nicht „normal“ sein.
Ich möchte lernen, mit meiner Geschichte zu leben
und mit ihrer darin wohnenden Angst, und ich
möchte lernen wertzuschätzen, was geworden ist
und wie ich heute leben darf.
Heute noch, geoutet und bekannt, zögere ich in manchen Situation von „meinem Mann“ zu reden …
Ich habe Angst vor Ablehnung ob meiner Sexualität.
Ich bin Wowereit dankbar für seine Öffentlichkeit.
Und zugleich ist es, als ob der eigene Verletzungsweg zum Befreiungsweg werden kann.
Wie lange ließ ich die Welt reden, denken, verlautbaren, bis ich gemerkt habe, wie verletzend dies
für mich ist. Und ich nicht länger in dieser Kirche
arbeiten kann.
Selbst wenn ich lange Zeit erleben durfte, dass dieser
Dienst für mich heilend war … mitten drin in der „Ablehnung“ … mich zu zeigen, mich zu entwickeln …
Identität ist mehr als nur über Sexualität reden …
Wir sollten vielmehr darüber reden, wie wir als
schwule oder lesbische Menschen Gott, die Welt und
uns selbst erfahren.
Pierre Stutz spricht in seinem Buch „verwundet
bin ich und aufgehoben. Für eine Spiritualität der
Unvollkommenheit“ (Kösel 2003) vom
- Geradestehen für mein Leben
- Zu-Grunde-Gehen
- Loslassen.
Sein Brief Ende Juni 2002 an den Freundeskreis der
Abtei … sagt deutlich:
Mein Coming-Out ist das … „Gerade stehen für mein
homophiles Fühlen.
Denn nicht ich habe es gesucht, sondern Gott als
Urgrund allen Lebens hat mich so wunderbar ge-
BET-Reader 2009
schaffen und gestaltet.“
Eine neue Kultur
schaffen
Die Aneinanderreihung
von Bibelworten, solche
die „für oder gegen“
Homosexualität reden
wollen, dient nicht mehr.
Denn daran werden die
Kirchen ja auch gemessen, wenn sie sagen,
dass „Gott im Himmel“
alle Menschen liebt und
ihr Verhalten und ihre
Sanktionen „hier auf
Erden“ einer scheinbar
anderen Wirklichkeit
entsprechen.
So kommen wir nicht mehr weiter und diese Argumente sind zur Genüge ausgetauscht. Verletzungen
mit inbegriffen. Es geht darum, dass wir eine neue
Kultur schaffen.
„Nun, zum einen ist die Kultur, in der wir leben,
nicht dafür geeignet, dass sich die Menschen mit sich
selbst wohl fühlen. Wir lehren die falschen Dinge.
Und man muss stark genug sein, um zu sagen: Wenn
die Kultur nicht funktioniert, dann pass dich ihr nicht
an. Schaff dir deine eigene. Die meisten Menschen
können das nicht …
Das Wichtigste im Leben ist zu lernen, wie man Liebe
gibt und wie man sie in sich selbst hereinlässt. Lass
sie rein. Wir denken, wir verdienten keine Liebe, wir
denken, wenn wir sie rein ließen, würden wir allzu
weich und rührselig.
Aber ein weiser Mann namens Levine hat mal genau
das Richtige dazu gesagt:
Er sagte: ‚Liebe ist der einzig rationale Akt.‘“
(aus: „dienstags bei Morrie“ von Mitsch Albom)
Coming In
nennt dies Urs Mattman in seinem Buch „Spiritualität
für Schwule und Lesben als Ausdruck eines selbstbewussten Lebensstils”(Kösel-Verlag).
Es geht darin um die positive Haltung zu sich selbst,
die ganzheitliche Wahrnehmung schwullesbischen
Lebens und die Frage nach persönlichen Prioritäten in einer häufig immer noch diskriminierenden
Umwelt.
Coming In als notwendige Ergänzung zum Coming
Out. Was nach außen tritt, schöpft aus einer
inneren Lebenskraft. Was wie eine innere Quelle
wahrnehmbar wird, sucht einen Ausdruck, der
sichtbar werden lässt, welchen Platz ein homose-
21
Einstimmung und Referate
xueller Mensch in der Welt einnehmen kann.
„Ich gehe davon aus, dass Homosexualität kein
„Zufallsprodukt“ ist, sondern dass damit besondere
Berufungen, Qualitäten und Aufgaben für homosexuelle Menschen in ihrer Entfaltung und am Dienst an
der Welt impliziert sind.“ (ebenda)
Richard Rohr sagt im Vorwort:
„Das Thema entzweie sonst rechtschaffene Menschen.
Beide Seiten bekämen Angst, haben Interesse an
Anschuldigungen und schnellen Rechtfertigungen
durch Bibelstellen, bevor der aufgewirbelte Staub
sich wieder setzt.
Leichtfüßig und mit Respekt vor den anderen bewegen wir uns vorwärts …
Lasst uns die großartige Vielfalt, Mensch zu sein,
wahrnehmen …
Dies ist ein grundsätzlich identischer Prozess für
Homosexuelle und Heterosexuelle.
Wir verlieren wertvolle Zeit, wenn wir versuchen,
dieses Liebesmysterium in unseren Köpfen oder nur
in unserer abgesonderten Gruppe einzugrenzen. Ich
dachte früher immer, dass das Gegenteil von Kontrolle Loslassen oder Nicht-Kontrolle ist.
Nach und nach wurde mir klar, dass das wahre Gegenteil von Kontrolle in Partizipation, in Teilnahme und
Beteiligung zu suchen ist.
Das Evangelium fordert uns auf … im Mysterium
aktiver Liebe aneinander zu partizipieren …“
Es gibt eine Sehnsucht von Menschen, so Mattmann,
die ihre Sexualität bejahen, eine relevante Form von
Glauben suchen und einen spirituellen Weg gehen
wollen.
Und es muss auch gesagt werden, dass trotz sattsam
bekannten sexualfeindlichen Geschichten des Christentums in keiner anderen der Weltreligionen so viel
an Aufbruch, Dialog und Infragestellung in Bezug auf
Homosexualität im Gang ist.
Es geht nicht darum, die gleichgeschlechtliche sexuelle Ausrichtung zu rechtfertigen, sondern ihren Sinn
zu entdecken, sie in der Integration in die Spiritualität fruchtbar werden zu lassen. Drei Lebenswirklichkeiten finden darin zueinander:
Sexualität und Liebesbeziehung und Bewusstsein.
Wir sind eingeladen, umzudenken für ein neues
Handeln, um Sexualität würdevoll und respektvoll
zu leben und als Kraftquelle zu entdecken für eine
Kultur der Partizipation.
Dies könnte ein wichtiger Schritt sein, wenn wir jetzt
überlegen werden, wie wir die Eltern erreichen, die
„Heilungstheorien“ ausgesetzt sind.
Einstimmung und Referate
mit einem ihnen eigenen Bewusstsein zu tun, das
sich in Aspekten von dem der heterosexuellen Mehrheit unterscheidet.
Zudem sind sie vom dem kollektiven Bewusstsein
als Schwule und Lesben geprägt. Dazu gehört eine
Geschichte, die durch lange Unterdrückung, Gewalt,
und Ausgeschlossen-Sein gekennzeichnet war und in
vielen Ländern der Erde immer noch ist.
Die Frage heißt jetzt nicht mehr: warum homosexuell, sondern wozu.
Die Frage nach Potential, Sinn und Berufung.
Im englischsprachigen Raum ist dies das zentrale
Anliegen für engagierte Menschen geworden.
Ein Grund für erhöhte Sensibilität liegt darin, dass
erlittene Unterdrückung sensibler macht und die
Solidarität mit anderen Ausgestoßenen stärkt.
Dass geschichtlich die traditionellen Weltreligionen
und so auch das Christentum in ihrer patriarchalen
Phase so viel Homophobie praktizierten, ist doppelt
tragisch.
Einmal wegen des Leids, das Schwulen und Lesben
zugefügt wurde und wird; dann, weil so viel Kreativität, Heilung, Dienen und Lebensfreude den Kirchen
und letztlich allen Weltreligionen durch den Ausschluss von offen schwul und lesbisch lebenden
Menschen verloren gegangen ist.
Wozu Homosexualität und wie kann sie zum Aufbau
einer menschlicheren Welt und zur Verwirklichung
der alles durchstrahlenden Liebe gelebt werden
… das ist der Ansatz unserer „neuen Kultur“, der
Übergang zu einer neuen Bewusstseinsstufe, die wir
integrales Bewusstsein nennen.
Die ganze Bewegung können wir also auch in einem
viel größeren Zusammenhang sehen.
„Die Integration von Homosexualität ist ein so
wichtiger Schritt in der Evolution der Menschheit wie
die Abschaffung der Sklaverei, der Rassentrennung
und der Kampf um die volle Anerkennung der Frau. In
diesem Sinne ist die Integration der Homosexualität
also ein wichtiger Schritt zu einem neuen Bewusstsein in der Menschheit. Er muss erfolgen, wenn die
Schöpfung fortschreiten will. Das Ziel heißt Einheit
in der Vielfalt. Wir erleben einen Übergang vom
mentalen zum integrativen Bewusstsein. Aus Abspaltung muss Integration werden, wenn wir überleben
wollen.“ (ebenda)
Von „Wowereit zu Obama“ sozusagen, der in seiner
Antrittsrede als Vertreter einer Minderheit alle anderen Minderheiten nennt und würdigt.
Indem wir uns zunächst selbst erreichen!
Das Coming out als heilender Prozess.
Abschluss
1
Das Coming Out als Ritual feiern in der Familie und
im Freundeskreis
Das könnte ein Weg sein, Ihrem Kind in seinem Sosein und darin auch allen Ihren Kindern den Platz zu
geben, den sie in ihrer Familiengemeinschaft haben:
Eltern können so die Beziehung fördern, Gemeinschaft stiften und dem Göttlichen Raum geben.
Im Coming-Out wird ein altes Lebensmuster sterben,
hinter dem wir uns versteckt haben, und beginnt ein
Leben in Fülle und Integrität. Das Coming-Out versöhnt mit der Vergangenheit und kann den inneren
Weg zu sich selbst vertiefen.
Beim Heilwerden schaukeln wir hin und her zwischen
den Verletzungen der Vergangenheit und der Fülle der
Gegenwart.
Carter Heyward (ebenda):
„ … Ich wusste, dass für
mich persönlich das Coming-Out nicht ein Statement darüber war, mit
wem ich schlafe, sondern
eine Aussage darüber,
was ich im menschlichen
und göttlichen Leben
wertschätze.
Es galt für mich zu
lernen, auf einem
gemeinsamen Grund
zu stehen: ein Prozess,
der gleichzeitig sexuell,
politisch, spirituell,
ökonomisch ist. Eine
Reise in Beziehung zum
Individuellen wie auch zum Kollektiven.”
Beispiel: Bei dem Fest unserer eingetragenen Partnerschaft vor zwei Jahren zogen wir vom Standesamt
in der Eberhardstraße (Stuttgart) in einem großen
„Hochzeitszug“ durch die Stadt zu unserem Festlokal
am Charlottenplatz. Öffentlich und intim zugleich,
unsere Familien, Freundinnen, Freunde – Kinder und
Erwachsene. Plötzlich war alles „ganz normal“ und
dankbar feierten wir diesen Tag.
2
Unterstützung durch uns, die wir einen langen
Weg schon gegangen sind.
Wir ältere homosexuelle Frauen und Männer können
Sie, die Eltern, Angehörige und Freunde in Ihrer
Elterngruppe unterstützen. Wir können das Gespräch
anbieten für Ihre Kinder und/oder Eltern, die mit
dem Coming-out ihrer Kinder beginnen zu leben.
3
Der „Übergangsgemeinschaft“ als örtliche Elterngruppe Bedeutung für den eigenen Weg und den
als Verband beimessen
Der Theologe und Psychotherapeut Peter Schellenbaum beschreibt diese Lebensform in einer Zeit
zunehmender Individualisierung: Wir brauchen
„spirituelle und therapeutische Übergangsgemeinschaften“. Sei es als Familie, als Freundeskreis, als
Elterngruppe.
„Denn wenn ein Ich sich in einem Du zu spiegeln
traut, dann gibt diese Beziehung dem einzelnen
Menschen Kraft und schenkt ihm Glauben.“
Diese Unterstützung in den wiederkehrenden Treffen
einer Elterngruppe kann Sicherheit geben für den
neuen und noch unvertrauten Weg, den Eltern
unterschiedlich gehen. Und sie kann Mut machen für
das Engagement und den Einsatz für „ein besseres
Verständnis für ihre lesbischen und schwulen Kinder
in der Gesellschaft“.
Andrew Harvey (ebenda): „Aus der tiefsten Wunde
meines Lebens wuchs eine wunderbare Möglichkeit
… die Entdeckung der Schmerzen des Selbst-Betrugs
in Selbst-Entdeckung.
Das Bewusstsein, dass wir alle in uns selbst ein heiles
Zentrum haben, ist entscheidend.
In uns gibt es einen göttlichen Kern, der unverletzbar
ist bei allen Verletzungen, die wir auf der Persönlichkeitsebene erleben.
Die Verletzungen, die wir erleben, sind ja nicht nur
individuelle, sondern haben auch eine kollektive
Seite …
Ich glaube, dass wir kollektiv bewusst und unbewusst
auch mit den Lesben und Schwulen der Vergangenheit, der Gegenwart und auch denen aller Kontinente
verbunden sind ….”
Auf dem heilenden Weg von Coming-Out und
Coming-In
Einkehren, mich einlassen auf die Stille, eintauchen
in die Tiefe des eigenen Wesens, die göttliche Wirklichkeit erfahren und aus dieser Einkehr heraus denken, entscheiden und handeln, das ist die Einladung.
In einer Aussprache im Anschluss an das Referat
ging Hermann Bayer auch noch einmal auf seinen
Lebensweg ein. Als er sich in den 70er Jahren auf
das Diakonat vorbereitete, wäre er nicht eingestellt
worden, wenn die Kirche davon Kenntnis erlangt hätte,
dass er schwul ist. Oder wenn er die ihm einmal aus
heiterem Himmel gestellte Frage „Aber gell, Sie sind
nicht andersrum?“ zutreffend beantwortet hätte. Bis
in sein 49. Lebensjahr habe er – so wörtlich – in einem
„unverschämten Vertrauen“ darauf gebaut, dass bei
der ihm angeborenen Natur das ihm seitens seines
Arbeitgebers Kirche aufgezwungene Versteckspiel vor
Gott so richtig ist. Dann aber konnte er das für sich
persönlich nicht mehr so fortsetzen – auch wenn bis
in höchste Kirchenämter heimlich homosexuell gelebt
wird. Auslöser war ein Artikel des Magazins Spiegel,
wo er zufällig zusammen mit einem Bischof abgebildet
worden war, der dann mit der Aussage zitiert wurde
„Ich habe nichts gegen Homosexuelle, solange sie
enthaltsam leben.“ Der Spiegel habe ihm da gewissermaßen den Spiegel vorgehalten.
Jeff Leeds, ein ehemaliger Jesuit: „Ich sehne mich
danach, ein Befreier zu werden, nicht nur für mich
selbst, sondern, um auch andere von ihrem Platz im
Exil zu lösen.“ (ebenda)
Wie Sie dies miteinander tun können als Bundeselternverband, gerade darin, dass wir Eltern erreichen,
die „Heilungstheorien“ ausgesetzt sind, darüber
nachzudenken, lade ich Sie ein.
Die Gleichgeschlechtlichkeit Ihrer Kinder hat auch
22
BET-Reader 2009
BET-Reader 2009
23
Einstimmung und Referate
Einstimmung und Referate
Kultursensible Aufklärung in Familien
mit Migrationshintergrund
– Aleksij Urev
(Projekt Migrationsfamilien im Familien- und Sozialverein des LSVD)
Eingangs stellte der Referent sich selbst mit seinem
familiären Hintergrund vor und umriss in groben
Zügen die Rahmenbedingungen des Projektes. Herr
Urev entstammt einer Spätaussiedlerfamilie, die seit
etwa zehn Jahren in Deutschland lebt. Seine Mutter ist
deutschstämmig, der Vater Russe. Er selbst ist jetzt fast
30 und outete sich vor acht Jahren gegenüber seiner
Mutter und vor zwei Jahren gegenüber dem Vater; der
meinte dazu „Wir sind aus Russland ausgewandert; das
werden wir dann auch noch überleben.“ Der Bruder
weiß es erst seit zwei Monaten und die jüngere Schwester fand‘s einfach nur „cool“.
Dem Projekt ging ein Modellprojekt in Berlin von
2005 bis 2007 voraus, während das jetzige Projekt
von 2008 bis 2010 läuft mit Köln als Dienstsitz – seit
genau einem Jahr. Berlin ist dabei ausgenommen,
Schwerpunkte sind Hamburg, das Rhein-Ruhr-Gebiet,
Stuttgart, München und Frankfurt/Main. Hannover
gehörte also eigentlich auch nicht dazu, ist nun aber
mitbeteiligt, weil der Migrationsausschuss der niedersächsischen Landeshauptstadt ausdrücklich auf das
Projekt zugegangen ist.
Näheres lässt sich im Übrigen auch der Webseite
www.migrationsfamilien.de entnehmen.
Eine Frage aus dem Publikum nach etwaiger Kooperation mit der Gruppe GLadT (Gays und Lesben aus
der Türkei) beantwortete Urev dahingehend, dass
diese Gruppe auf Berlin beschränkt sei und Berlin
eben gerade nicht zum Projektgebiet gehöre. Gerade
türkische Migrationsfamilien stehen ansonsten aber
natürlich mit im Vordergrund des Projektes und da
habe er als „Russlanddeutscher“ auch noch einiges
zu lernen gehabt – und sei es auch nur die Bedeutung
des Spruches „Ich war auch schon mal in Bursa“, was
unter Türken so viel heißt wie „Ich hatte auch schon
mal gleichgeschlechtlichen Sex.“
Aber kommen wir nun zu den grundlegenden Überlegungen zum Thema:
Kultursensible Aufklärung zum Thema Homosexualität in Migrationsfamilien – eine immer wieder
neue Herausforderung
Bei Projektvorstellungen wird das LSVD-Team
Migrationsfamilien je nach Arbeitsbereich der
möglichen Kooperationspartner mit verschiedenen
Fragen konfrontiert. Diese Fragen können sich auf
der praktischen Ebene bewegen, wie z.B.: Wie und wo
erreicht Ihr Migrantinnen und Migranten? Wie sind
die Reaktionen, wenn Ihr das Thema Homosexualität
ansprecht? Könnt Ihr das Thema überhaupt ansprechen? Oder lauft Ihr da nicht ständig gegen Mauern?
24
Aber auch die Theorie oder Konzepte hinter der
Praxis interessieren viele, vor allem Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die selbst Aufklärungsarbeit
leisten und damit eigene Erfahrungen gemacht
haben: Was ist für Euch Kultursensibilität? Reicht
es nicht, die jeweilige Sprache zu sprechen? Wie
kann man mit Menschen arbeiten, mit denen man
nicht einen bestimmten (kulturellen) Hintergrund
teilt? Warum überhaupt „Aufklärung“? Es sind doch
schließlich Erwachsene, die da vor Euch sitzen? Die
muss man doch nicht mehr aufklären?!
All diese Fragen können natürlich nicht „ein für
alle Mal“ oder mit einem Patentrezept beantwortet
werden, das immer gleich funktioniert. Ebenso wenig
ist garantiert, dass andere Menschen oder Aufklärungsprojekte dieselben Erfahrungen wie im Projekt
Migrationsfamilien machen. Zuviel hängt von der
Interaktion der TeilnehmerInnen und Teammitglieder
ab. Die jeweilige Situation ist z.B. von den individuellen Charakteren der Beteiligten und von Sympathie
und Antipathie beeinflusst. Es spielt aber auch eine
Vielzahl von (verinnerlichten) sozialen und kulturellen Faktoren eine wichtige Rolle, deren Wirkung man
sich zum größten Teil nicht bewusst ist.
Dennoch findet die Arbeit des Projektes Migrationsfamilien nicht „aus dem Bauch heraus“ statt. Wir
haben die Erfahrung gemacht, dass gut durchdachte
Konzepte und wenige knapp formulierte Grundsätze
helfen, andere vom Wert und der Machbarkeit der
eigenen pädagogischen Arbeit zu überzeugen. Daher
wollen wir hier zwei grundlegende Prinzipien vorstellen, die wir in unserer Arbeit anwenden. Unserer
Erfahrung nach sind dies auch diejenigen Grundsätze, die selbst unsicherste Kooperationspartner
überzeugen helfen können.
Kultursensibilität als „Respekt vor den Werten
anderer“
Eltern, Freunde und Angehörige von Homosexuellen
wissen, was es heißt, wenn die eigenen Vorstellungen und Erwartungen bei der Auseinandersetzung
mit dem Thema Homosexualität plötzlich auf den
Kopf gestellt werden. Erst wenn man mit etwas völlig
Unerwartetem oder Unvorstellbarem konfrontiert
wird, wird einem bewusst, was und wie viel für einen
selbstverständlich ist oder war. Ähnliches geschieht,
wenn Homosexualität zum ersten Mal in einer Gruppe
angesprochen wird, in der sich sonst (mehrheitlich
heterosexuelle) Erwachsene zum Kaffeekränzchen,
zur Weiterbildung, zur Familienberatung oder zum
Sprachenlernen treffen. Das Thema stellt Erwartungen und Vorstellungen in Frage, die bis dahin völlig
selbstverständlich erschienen.
BET-Reader 2009
Solche Selbstverständlichkeiten sind Werte, die das
eigene Weltbild, die Wahrnehmung von sich und anderen bestimmen und das Handeln beeinflussen. Das
Coming out von Kindern, Angehörigen und Freunden
kann eine ganze Reihe von Werten verunsichern:
Familie, die Beziehungen zwischen den Geschlechtern und zwischen den Generationen, Freundschaft,
Liebesbeziehung und Sexualität. Aber auch so
abstrakte Werte wie Normalität und Tabus, Toleranz
und Vorurteil, Wissen und Projektion verlieren ihre
sicher geglaubten Bedeutungen. Man ist gezwungen,
sich neu zu orientieren, die alten Selbstverständlichkeiten zu verändern oder neue zu entwickeln. Dass
Werte sich verändern (können), zeigt sich schon
an so alltäglichen Beispielen über Geschlechterbilder wie Männern, die Kinderwagen schieben, und
Frauen, die Hosen tragen. Andere Beispiele wie die
Gründung und die Arbeit des BEFAH selbst und die
Eingetragene Lebenspartnerschaft nur 7 Jahre nach
der Abschaffung des Paragraphen 175 weisen auf
die Veränderungen in Bezug auf Homosexualität und
Homosexuelle hin.
Werte sind aber nicht nur veränderlich, sondern auch
noch kulturell verschieden. Es gibt jedoch keine
einheitliche Definition, was „Kultur“ ist. Wir wollen
auch gar nicht versuchen, den vielen wissenschaftlichen Definitionen noch eine weitere hinzuzufügen.
Entscheidend ist für „kultursensible“ Arbeit folgendes: Kulturelle Grenzen orientieren sich nicht nur
an nationalen Grenzen. „Unterschiede zwischen den
Kulturen“ sind daher am ehesten an verschiedenen
Vorstellungen und Werten festzustellen. So sind die
durch ein Coming out verunsicherten Selbstverständlichkeiten ebenfalls kulturell beeinflusst und entsprechend veränderlich und vielfältig. Es sind die Fragen, wer zur Familie zählt; wie Beziehungen zwischen
den Geschlechtern, die jeweiligen Lebensbereiche
und Rollenbilder gestaltet sind; ob und mit wem über
Partnerschaften und Liebesbeziehungen gesprochen
werden kann usw. Auch die Vorstellungen, was oder
wer normal und was „richtiges Verhalten“ ist oder
nicht toleriert werden darf, was man wissen muss,
was man erwarten kann und was unwichtig zu wissen
ist, gehören zu kulturellen Selbstverständlichkeiten
oder Werten. Das heißt, dass auch innerhalb eines
Landes und einer Nationalität verschiedene Kulturen
existieren.
Der Anspruch von kultursensibler pädagogischer
Arbeit ist an sich schon eine Herausforderung angesichts der Komplexität, Veränderlichkeit und oftmals
unbewussten Wirkung von „Kultur“. Denn man kann
beim besten Willen nicht alle Werte und Vorstellungen kennen, die von dem zu bearbeitenden Thema
BET-Reader 2009
berührt werden. Wer selbst die Erfahrung gemacht
hat, wie viele miteinander verknüpfte und bis dahin
unbewusste Vorstellungen durch ein einziges Erlebnis ihre Selbstverständlichkeit verlieren können, wird
dies vermutlich bestätigen. Bestandteil kultursensibler Arbeit ist zwar der Respekt vor den Werten
anderer. Das Ziel besteht jedoch nicht darin, diese
Werte und Selbstverständlichkeiten unangetastet zu
lassen und gar nicht erst in Frage zu stellen. Vielmehr
unterstützt kultursensible Aufklärung das Gegenüber
darin, sich selbst dieser Werte bewusst zu werden und
sie dadurch letztendlich auch verändern zu können.
Das fügt der Herausforderung von Kultursensibilität
eine weitere Facette hinzu: die Notwendigkeit, Tabus
zu brechen und also in einem gewissen Maß doch
unsensibel zu scheinen.
Praktisch ist das z.B. möglich, indem das Team Migrationsfamilien mit dem Modul „Blaue-Gelbe-Gruppe“
Diskussionen anregt, Vorurteile formulieren lässt,
sie aushält und nicht bewertet. Durch das Aussprechen der Vorurteile verlieren diese Vorstellungen
bereits ihre Selbstverständlichkeit und können
diskutiert werden. Für viele ist es das erste Mal, ihre
Vorbehalte, Vorurteile und festen, aber unbewussten
Vorstellungen überhaupt auszusprechen. Sie werden
eingeladen, in der Gruppe zu diskutieren, während
die Teammitglieder lediglich moderieren. Dabei werden den TeilnehmerInnen nicht einfach nur andere
Werte oder Vorurteile entgegen gehalten. Respekt
zeigt sich vielmehr darin, das Gegenüber darin zu unterstützen, sich die jeweiligen Selbstverständlichkeiten bewusst zu machen, sich mit abweichenden (z.B.
den eigenen oder weiteren) Werten zu konfrontieren
und selbst den Dialog zu suchen.
Entscheidend ist, die Wertschätzung des Gegenübers und seiner Weltsicht immer wieder deutlich
zu machen, da sonst kein Dialog möglich ist. Nach
unserer Erfahrung sind Hinweise auf die Vielfalt von
Werten auch in der jeweiligen eigenen Kultur äußerst
hilfreich: Dies lädt die TeilnehmerInnen dazu ein,
immer wieder neue Perspektiven einzunehmen und
sich damit auch von eigenen Vorurteilen zu lösen.
Diese Bereitschaft, die von den TeilnehmerInnen
eingefordert wird, muss natürlich in erster Linie von
den Teammitgliedern auch geleistet werden. Die
Teammitglieder müssen interkulturell kompetent
sein: Sie sollten entweder über ein grundlegendes
Wissen über die jeweils andere Kultur verfügen oder
bereit und neugierig sein, die Wissenslücken zu
füllen und selbst zu lernen. Sie müssen außerdem
in der Lage sein, andere Standpunkte einzunehmen,
sich selbst zu reflektieren und in Frage zu stellen,
Widersprüche, eigene Unsicherheiten und Konflikte
25
Einstimmung und Referate
auszuhalten. Eine solche Bereitschaft von Seiten
der Teammitglieder unterstützt den „Dialog auf
Augenhöhe“ mit den TeilnehmerInnen und ist eine
überzeugende Einladung, sich auf das Wagnis und
die Herausforderungen von Enttabuisierung und Wertediskussion einzulassen. Kultursensibilität ist also
nicht an ein wissenschaftliches oder pädagogisches
Diplom gebunden; sie ist lernbar und erschöpft sich
nicht in der Kenntnis der Sprache oder des kulturellen Hintergrundes, auch wenn beides hilfreich ist.
Aufklärung ohne Sexualaufklärung
Kultursensible Arbeit wird also durch die Achtung vor
der Kultur und den Werten des jeweiligen Gegenübers
für beide Seiten zur Herausforderung. Kultursensible
Aufklärung zum Thema Homosexualität scheint ein
Widerspruch in sich zu sein: Das Thema Homosexualität selbst ist eines der am weitesten verbreiteten
Tabus. Gleichzeitig eint die Verurteilung von Homosexuellen die verschiedensten Kulturen und Autoritäten weltweit. So stellen sich dann die Fragen, wie
überhaupt kultursensibel, also auch mit Sensibilität
vor Tabus, über das Thema gesprochen werden kann?
Und wie kann „Aufklärung“ als ein gleichberechtigter, ein „Dialog auf Augenhöhe“ praktiziert werden?
Die Arbeit des Projektes Migrationsfamilien löst sich
zum einen vom weitverbreiteten Verständnis von
„Aufklärung“ als einer Art der Belehrung. Diskussionen werden moderiert, nicht aber bewertet, die
„Richtigkeit“ von Antworten in den Spielen wird von
den TeilnehmerInnen selbst beurteilt. Zum anderen
verfolgt das Projekt den (traditionell philosophischen) Anspruch, starre und überholte bzw. diskriminierende Vorstellungen und Vorurteile durch Wissen
und Informationsvermittlung zu überwinden. In
Diskussionen (von Werten) werden gleichgeschlechtliche Liebes- und Lebensweisen enttabuisiert, und
durch die Unterstützung von Selbstreflexion wird für
Vielfalt und Veränderung sensibilisiert. Z.B. in der
spielerischen Form des Quiz „Gay Pursuit“ werden
Wissen und Anregungen zum Nachdenken vermittelt.
Im Rollenspiel „Hattice bittet um Rat“ hingegen
bringen die TeilnehmerInnen ihre eigenen Erfahrungen und Wissen als Eltern und Angehörige ein und
diskutieren miteinander Strategien zur Bewältigung
von möglichen familiären Konflikten.
Ist das Eis in einer Veranstaltung erst einmal
gebrochen, stellen die TeilnehmerInnen oftmals
viele Fragen, die sehr persönlich werden können
und manchmal die Teammitglieder selbst unsicher
werden lassen. Die meisten Fragen beziehen sich auf
das Alltags- und Beziehungsleben, auf Vorstellungen
von Liebe und Partnerschaft. Sie sind Anzeichen für
26
Einstimmung und Referate
den Erfolg der Aufklärungsarbeit: Sie zeigen, dass
das Tabu, das „Sprechverbot“ über Homosexualität
bereits gebrochen ist, sie beweisen Wissbegierde der
TeilnehmerInnen und die zunehmende Bereitschaft,
sich mit den eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen.
Hin und wieder werden zwar auch Fragen zur
Sexualität (z.B. im Zusammenhang mit HIV/AIDS
oder Kinderwunsch) gestellt. Diese jedoch zielen
i.d.R. nicht auf eine Sexualaufklärung, sondern sind
in die Komplexe „Gesundheit“, „Verantwortung“,
„Familie“ und „Kinder“ eingebettet. Es ist sinnvoll,
diese Fragen dann auch in den entsprechenden
Kontexten zu beantworten und daraus keine Sexualaufklärung werden zu lassen. Wenn es gelingt, die
Gemeinsamkeiten zwischen den (heterosexuellen)
TeilnehmerInnen und den (homosexuellen) Teammitgliedern überzeugend darzustellen, ist einer der
wichtigsten Schritte zu Enttabuisierung und Respekt
geschafft. Aus diesem Grund werden Lebensweisen,
Beziehungsfragen, Fragen der Lebensplanung und
rechtlichen Anerkennung usw. thematisiert und
keine Sexualaufklärung betrieben.
Und die Praxis?
Aber wo und wie kann man nun Migrantinnen und Migranten erreichen? Die Antwort ist einfach: „Überall
da, wo sich Menschen treffen“. Auf der ganz praktischen Ebene sind das zum Beispiel je nach Ort Nähgruppen, Frühstücks-, Gemeinde- oder „Kiez“treffs,
Nachbarschaftshäuser, Kaffeekränzchen, Interkulturelle Zentren, Stammtische, Sportvereine und viele
mehr. Sinnvoll ist es immer, GruppenleiterInnen
anzusprechen. GruppenleiterInnen werden von den
TeilnehmerInnen meist sehr respektiert. Wenn man
sie als „Türöffner“ gewonnen hat, ist schon viel
erreicht. Da in vielen Kulturen die Gastfreundschaft
einen respektvollen Umgang mit Gästen sichert, bietet es sich an, sich von der Gruppenleitung einladen
zu lassen und als Gast aufzutreten. Die Rolle als Gast
beinhaltet aber auch entsprechende Erwartungen an
das Verhalten, den Respekt vor den Hausherren und
den Regeln der Gruppe. Diese oftmals auch ungeschriebenen Regeln können und sollten auch bei der
Gruppenleitung vorher erfragt werden, um sie nicht
unbewusst zu brechen.
Wenn Angehörige von Homosexuellen in Gruppen mit
Migrationshintergrund Aufklärungsarbeit betreiben,
haben sie im Vergleich zu jungen Homosexuellen
einen Vorteil: Sie können aus einer eigenen Art von
„Betroffenheit“, eben als Angehörige sprechen. In
diese Position können sich die TeilnehmerInnen
tendenziell leichter hineinversetzen als in die Rolle
BET-Reader 2009
von Homosexuellen selbst. Menschen, die selbst
ein Coming out als Angehörige von Homosexuellen
durchgemacht haben, haben unter Umständen
ähnliche Gefühle, Unsicherheiten und Ängste erlebt,
die die Berührungsängste und Vorurteile der TeilnehmerInnen in Aufklärungsveranstaltungen bewirken.
Elterliche Sorgen im weitesten Sinne sind außerdem
Erfahrungen, die Angehörige von Heterosexuellen
und von Homosexuellen gemeinsam haben. Beide,
die Ängste beim Coming out und die elterlichen
Sorgen um das Kind, bilden die Grundlage für die
„kulturelle Übersetzung“ und den gesuchten Dialog.
Es ist auf jeden Fall überzeugend, wenn die Gäste
sich mit ihrer eigenen Erfahrung einbringen. Wenn
Fragen auftauchen, die den Gästen zu persönlich sind
oder auf die man keine Antwort weiß, ist es nicht nur
angebracht, sondern kann auch Respekt verschaffen,
diese Fragen nicht zu beantworten und Unsicherheiten zuzugeben oder persönliche Grenzen zu setzen.
Eine solche Wahrung der Persönlichkeitsrechte wird
in den meisten Fällen mit Achtung registriert.
Die Antwort auf die Frage nach dem „Wie kann man
sie erreichen?“ ist natürlich auch kompliziert: es
braucht manchmal viel Beharrlichkeit, immer neue
Versuche, manchmal etwas Glück und persönliche
Sympathie. Vor allem aber sind es Kontaktbereitschaft und Neugierde, der Wille, seine Erfahrungen
zu teilen und von denen anderer zu lernen, die
Kontaktaufnahme ermöglichen und die Gruppenleitung zur Durchführung einer solchen Aufklärungsveranstaltung überzeugen können. Die Reaktionen
in den Gruppen können dann von überraschend offen
bis völlig ablehnend reichen. Wenn auch nur eine
Person dabei ist, die die ganze Zeit nur von der Sünde
oder der Widernatürlichkeit von Homosexualität
gesprochen hat und irgendwann einen unerwartet
nachdenklichen Gesichtsausdruck zeigt oder gar
selbst anfängt, über homosexuelle Bekannte oder
Verwandte (nicht Kinder!) nachzudenken - ist mitunter schon viel gewonnen. Dann hat ein Denkprozess
eingesetzt, der mit Sicherheit noch über das Ende der
Veranstaltung hinausreichen wird und vielleicht zu
einem Anruf bei einer Elterngruppe des BEFAH oder
einer hoffentlich sensiblen Familienberatung führen
wird. Und das sind die Erfahrungen, die jede Aufregung und Unsicherheit vor und in einer Aufklärungsveranstaltung wettmachen. Das ist das Lohnenswerte
an der Herausforderung „Kultursensible Aufklärung
zum Thema Homosexualität“.
BET-Reader 2009
Ilka Borchardt (Projektleiterin),
Aleksej Urev (Projektkoordinator)
Projekt Migrationsfamilien, LSVD, Pipinstr. 7,
50667 Köln, Tel.: 0221-925961-12,
[email protected]
27
Berichte aus den Elterngruppen
Berichte aus den Elterngruppen
Elterngruppe Stuttgart
– Erika Micale
Elterngruppe Freiburg
– Doris Eisele
Im Januar 2008 erschien im „Stern“ der Artikel
„Mama ich bin schwul!“. Daraus ergab sich dann
noch ein Termin mit dem „Schwulfunk“ zum Artikel.
Außerdem war noch ein Lehrer - Herr Epp - zum Gespräch bei uns zu Hause. – Im Februar 2008 wurden
Fernsehaufnahmen in Lorsch bei Familie Schütz für
den Norddeutschen Rundfunk (NDR) gemacht; sie
wurden dann im ARD-Programm gesendet. Im März
2008 wurde eine Einladung bei den GRÜNEN im Landtag anlässlich 7 Jahre Lebenspartnerschaftsgesetz
wahrgenommen und wir nahmen am BEFAH-Seminar
und der Mitgliederversammlung in Nürnberg teil.
Die Elterngruppe Freiburg ist sehr gut vernetzt mit
den Lesben- und Schwulengruppen in der Region,
besonders auch nach Lörrach und über die Grenze in
die Schweiz. Während das Freiburger Schulprojekt
„Fluss“ die Kooperation mit den Eltern ablehnte, gibt
es eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Lörracher
Jugendgruppe, die aus etwa gleich vielen Mädels und
Jungs besteht, sehr international und auch sehr nett
ist. So beteiligten wir uns mit einem Stand beim 1.
Lörracher CSD; beim Sommerfest der Jugendgruppe
waren wir dabei sowie – auf Wunsch der Jugendlichen
– bei einem Informationsabend im Herbst. Leider
haben diese Jugendlichen zumeist sehr negative Erfahrungen mit ihren eigenen Eltern machen müssen.
Die Probleme unserer Gruppe liegen vor allem darin,
dass die Eltern fast alle voll berufstätig sind und dadurch wenig Zeit haben, dass sie auch sehr verstreut
wohnen und dass sie überwiegend nicht so gern an
die Öffentlichkeit gehen.
Im April 2008 wurde in Karlsruhe an der VHS die
Elterngruppe vorgestellt; wir nahmen an der CSDWoche „Schrill im April“ teil und in Ravensburg/Weingarten im Theater Linse diskutierte Herr Frommlet
auf der Bühne mit Patern (Ordensgeistlichen).
Im Juli 2008 waren wir zum ersten Mal bei der CSDGala-Eröffnung mit einem Infotisch vertreten; eine
Mutter meldete sich bei dieser Gelegenheit (es waren
ja im Allgemeinen nur Schwule und Lesben da). Es
gab dann wieder unsere Teilnahme an der CSD-Parade und mit einem Info-Stand an der AIDS-Hocketse.
Im Oktober 2008 besuchten wir Pierre Stutz´ Vortrag
in Ditzingen. Im November 2008 war eine junge
italienische lesbische Frau zu Hause bei uns zum
Gespräch mit meinem italienischen Ehemann.
der Anruf von Holger Klotzsche, dass Franziska am
14.04.09 starb … das hat mich gewaltig mitgenommen, aber es muss weitergehen … – Am 16.04.
rief das Stuttgarter Wochenblatt an wegen eines
Interviews; sie hatten den Artikel in der Filderzeitung
gelesen. Am 20.04. fand der Telekom-Hotelbesuch
mit Familie Schütz statt und am 21.04. wurde an der
VHS in Karlsruhe wiederum die Elterngruppe vorgestellt wie jedes Jahr (mit Eltern aus der Gruppe).
Am 23.04.09 wurde das Interview mit dem Stuttgarter Wochenblatt geführt, das dann am 30.04.09
erschien. Es wurden noch alle eingehenden E-Mails
zum BET bis gestern abend beantwortet und nun
hoffe ich auf ein gutes Gelingen des BET.
Elterngruppe Dortmund
– Isolde Braun
Vielen neuen Eltern haben wir in 2008 telefonisch
und schriftlich (BEFAH-Forum) geholfen und erste
schriftliche Vorbereitungen fürs BET 2009 in Stuttgart getroffen.
Die Dortmunder Elterngruppe wurde im Dezember
vorigen Jahres 25 Jahre alt – Christa Bauer und
Gudrun Held haben sie aus diesem Grunde und zu
diesem Anlass besucht. Während man sich früher in
der Volkshochschule traf, wechselte die Gruppe nun
ins Selbsthilfezentrum KCR – wobei die Zusammenarbeit mit beiden Institutionen immer sehr positiv
verlief. Leider ist die Elterngruppe in ihrer Mitgliederstruktur etwas überaltert, was jedoch die neue
Jugendgruppe „Sunrise“ nicht davon abhielt, sie
sich zum Beratungsteam zu wählen. Die Kooperation
klappt auch immer dann sehr gut, „wenn es irgendwo
brennt“ – ansonsten trifft man sich alle paar Monate.
Die Elterngruppe beteiligt sich auch aktiv am neuen
Dortmunder CSD und beantwortet laufend sehr viele
email-Anfragen, während neue persönliche Kontakte
eher selten sind.
Im Jahre 2009 fassten wir dann den Entschluss, ein
Häuschen im Norden als Rentnerruhesitz zu erwerben. In Verbindung damit haben wir arbeitsmäßig
die Altersteilzeit eingereicht und eine Nachfolge für
die Elterngruppe gesucht und auch gefunden: Frau
Andrea Wanner wird ab 1. Januar 2010 die Leitung
der EG Stuttgart übernehmen. Ich bleibe jedoch
der EG erhalten, da sich der Traum vom Häuschen
zerschlagen hat.
Im Januar 2009 stießen drei neue Eltern zu unserer
Gruppe; es standen die Telekom-Hotel-Besichtigung
an und die Aufgaben, Briefe zu schreiben an PolitikerInnen zum BET und Grußworte anzufordern.
Im Februar 2009 waren wir in Karlsruhe zum Theaterstück „Egohelden“ über das Coming out für SchülerInnen und sahen im März 2009 den Kino-Film „Milk“.
Ferner standen das Schreiben von Erinnerungen und
der Pressemitteilung zum BET an.
Im April 2009 erhielten wir einen Anruf von der
Filderzeitung zum Interview, das am 14.04. geführt
wurde und am 16.04.09 erschien. Dann erreichte uns
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BET-Reader 2009
BET-Reader 2009
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Berichte aus den Elterngruppen
Berichte aus den Elterngruppen
Elterngruppe Nürnberg – und EuroFLAG
– Inge Breuling
Elterngruppe Bremen
– Werner Steinmeyer
Inge Breuling ist nicht nur die Vorsitzende der
Nürnberger Elterngruppe, sondern zugleich auch
Vorstandsmitglied des örtlichen Lesben- und Schwulenvereins Fliederlich e.V., so dass dadurch eine gute
Vernetzung gegeben ist. In der Elterngruppe selbst
herrscht ein stetiger Wechsel von Personen insofern
als immer wieder neue Eltern dazustoßen, dann aber
nach einiger Zeit auch wieder weg bleiben. Sorgen
bereiten türkische Migrantinnen aus Anatolien, die
kein Deutsch sprechen und als Analphabetinnen
das vorhandene Informationsmaterial in türkischer Sprache nicht lesen können. Ihre Ehemänner
könnten zwar beides, aber die sollen lieber nicht
erfahren, dass ihre Kinder lesbisch bzw. schwul
sind! Problematisch ist ansonsten in Nürnberg auch,
dass Mitteilungen – schon allein nur der Termin
der Elterntreffen – nur ganz schwer in der örtlichen
Presse unterzubringen sind. Die beim Nürnberger
Schulprojekt aktiven Jugendlichen wollen dies
lieber ohne Beteiligung von Eltern durchführen; mit
dem Erlanger Schulprojekt hingegen ist jetzt eine
Kooperation zustande gekommen. Im vorigen Jahr
hat die Nürnberger Gruppe die BEFAH-Mitgliederversammlung mit Seminar in ihrer Stadt vorbereitet und
durchgeführt. Ferner wurde die Gruppe vom neuen
schwulen Fernsehsender Timm angefragt wegen einer
Teilnahme an dem dortigen „Talk-Format“ „Timmousine“; Inge Breuling hat diese Gelegenheit wahrgenommen und ihre Mitfahrt im Talk-Taxi „Timmousine“
ist inzwischen erfolgt.
Die Elterngruppe Bremen wurde im Jahre 1989 von
Uschi Schulze im Rat & Tat-Zentrum für Schwule und
Lesben in Bremen ins Leben gerufen. Als Betroffene
hatte auch sie das Bedürfnis, sich mit anderen Eltern
homosexueller Kinder über die Sorgen und Probleme
auszutauschen, die sich vor allem nach dem ComingOut einstellten. Diese Gruppenarbeit führte sehr
bald dazu, dass sich das Verhältnis zu den Töchtern
und Söhnen verbesserte und die betroffenen Eltern
wieder Freude daran hatten, in Harmonie mit ihren
Kindern weiterleben zu können und ein verständnisvolles Miteinander zu erreichen.
Durch die Verbindung zum Rat&Tat-Zentrum kamen
immer mehr Eltern zu uns, so dass wir auch immer
gut besucht wurden. Leider wird dieser Zulauf in den
letzten Jahren immer weniger.
Das daraufhin beantragte, bewilligte und nunmehr abgeschlossene EU-Projekt trug die offizielle
Bezeichnung „Family Matters - Supporting families
to prevent violence against gay and lesbian youths“
und zielte somit (ins Deutsche übersetzt und zugleich
ein wenig erklärt) darauf ab, wie man Familien mit
schwulen und lesbischen Jugendlichen darin unterstützen könne, auf einer Basis der innerfamiliären
Akzeptanz einen psychologisch starken Rückhalt gegen soziale Stigmatisierung und Diskriminierung bis
hin zu Akten antihomosexueller Gewalt aufzubauen.
Über 200 Familien aus den drei genannten Ländern
waren in das Projekt einbezogen worden.
An der Abschlusstagung im Juni 2008 in Florenz
nahmen auch Frau Dum und zwei weitere Mitglieder der Familiengruppe von Lambda Istanbul teil.
EuroFLAG plant nun für die nächste Zukunft, das
erarbeitete Projektmaterial auch in andere europäische Sprachen übersetzen zu lassen und hofft, dann
besonders in jenen EU-Mitgliedsstaaten, in denen es
noch überhaupt keine staatliche Unterstützung für
lesbische und schwule Jugendliche und ihre Familien
gibt, damit die erforderlichen Entwicklungen in Gang
setzen zu können.
(In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen,
dass die Webseite von EuroFLAG jetzt unter
www.euroflag.net zu erreichen ist und nicht mehr
unter www.euroflag.org!)
Inge Breuling ist auch aktiv als Repräsentantin des
BEFAH im im Jahr 2000 gegründeten europäischen
Dachverband der Elternorganisationen EuroFLAG
(European Organisations for Families of Lesbians
And Gays). Dazu gibt es derzeit nichts zu berichten
außer dem Abschluss eines von der EU über zwei Jahre im Rahmen des sozialwissenschaftlich-sozialpolitischen Programms „Daphne II“ geförderten Projektes
der drei EuroFLAG-Mitgliedsorganisationen in Italien
(AGEDO), Spanien (AMGIL) und Großbritannien
(FFLAG). Dem war eine Pilotstudie an der Universität
London vorausgegangen, in der in sehr kleinem Rahmen junge Lesben und Schwule und deren Familien
in Frankreich, Belgien, Deutschland und Großbritannien zu den Rahmenbedingungen des Coming outs
befragt worden waren.
Gemeinsam mit dem Rat&Tat-Zentrum haben wir uns
an Unterschriften-Aktionen in der Bremer Innenstadt
beteiligt und gegen die Präsenz der Evangelikalen
anlässlich des „Christival“ im Jahr 2008 drei Tage
lang protestiert. Hier hatten wir viel Zuspruch aus der
Bevölkerung, so dass wir den konservativen Christen
ausreichend Paroli bieten konnten.
Unsere gemeinsamen Ziele waren und bleiben daher:
– Die Verständigung zwischen homo- und heterosexuellen Mitbürgern zu fördern;
– Vorurteile abzubauen und die Akzeptanz zu fördern;
– Für sich und für die betroffenen Frauen und Männer
Homosexualität zu akzeptieren und beherzt offen
damit umzugehen;
– Die Rechte unserer Töchter und Söhne zu verbessern.
Mitglieder der Elterngruppe Bremen nahmen schon
früh an überregionalen Treffen von Elterngruppen
teil und waren somit auch bei den Gründungsveranstaltungen von BEFAH im Jahre 1997 in Hamburg und
1998 in Laatzen dabei.
Seit dem haben wir die große Unterstützung durch
BEFAH schätzen gelernt und sind sehr dankbar dafür.
Hier beteiligen wir uns auch an den Kirchentagen,
auf denen BEFAH präsent ist. So im Mai auf dem
32. Deutschen Evangelischen Kirchentag bei uns in
Bremen.
Um auch im regionalen Bereich mehr Einfluss zu politischen Gremien zu bekommen, sind wir zusammen
mit anderen Interessengruppen am Lesbisch-Schwulen-Runden-Tisch beim Senator für Arbeit, Frauen,
Gesundheit, Jugend und Soziales in Bremen beteiligt.
Hier beteiligen wir uns an etlichen Aktivitäten wie
Fragebogenaktionen, Filmreihen, Protestschreiben,
Eingaben an die Bremische Bürgerschaft usw.
Übereinstimmend wurden diese in allen vier Ländern
als sehr unbefriedigend beschrieben: Die Aufklärung
zum Thema Homosexualität im Schulunterricht war
sehr dürftig bis nicht vorhanden und in keiner Weise
hilfreich; gleiches galt für die Darstellung in den
Medien, die als vorwiegend auf die Bedienung von
Klischees und Stereotypen gerichtet und als fern der
Lebenswirklichkeit junger Menschen beschrieben
wurde.
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Die Bremer Elterngruppe (v.l.n.r.):
Werner Knebel, Mechthild Mehrtens, Werner Steinmeyer,
Uschi Schulze (Leiterin) und Josef Hudalla
Es gibt noch viel zu tun und wir werden so lange wie
möglich aktiv bleiben.
BET-Reader 2009
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Berichte aus den Elterngruppen
Berichte aus den Elterngruppen
Elterngruppe Lorsch
Elterngruppen Paderborn
und Gütersloh
Gabi und Willibald Schütz haben uns bei der Erstellung des neuen Flyers große Hilfe geleistet.
Willibald Schütz war als Vorstandsmitglied bei der
Vorbereitung des BET 2009 maßgeblich beteiligt.
Beide sind über die Selbsthilfekontaktstelle des
Kreises Bergstraße zu erreichen und vertreten hier
BEFAH. Sie widmen sich der Aufgabe, Eltern, Freunde
und Angehörige von Homosexuellen zu stärken und
zu unterstützen. Sie helfen aber auch Lesben und
Schwulen, die sich aus religiösen oder sonstigen
Gründen selbst ablehnen, aus Angst vor Diskriminierung völlig isoliert leben und es nicht wagen,
sich gegen Benachteiligung und Verletzung ihrer
Menschen- und Bürgerrechte zu wehren.
Auf große Resonanz stieß der Artikel im Stern
„Mama, ich bin schwul!“ (erschien im Januar 2008).
Die Lorscher Gruppe trifft sich nicht regelmäßig,
sondern nur auf Verabredung.
Paderborn:
Edda Zeileis und ihr Mann sind in Paderborn bemüht,
ihre Elternarbeit in einer überwiegend katholisch
geprägten Umgebung fortzusetzen. Das dies nicht
immer leicht ist, konnten wir vom BEFAH zusammen
mit ihnen beim Katholikentag 2008 in Osnabrück
erleben.
Katholische Eltern haben in der Öffentlichkeit keine
Probleme mit ihren lesbischen und schwulen Kindern,
weil sie meist nicht darüber reden. In den Gesprächsrunden, die wir bei den Kirchentagen anbieten, reden
sie offen über das, was sie sonst verdrängen. Bis zu
einer Mitarbeit in einer unserer BEFAH Gruppen ist es
aber noch ein langer Weg.
Marianne und Detlef Kerkhoff (Gütersloh)
Gütersloh:
Außer der Paderborner Gruppe wird es ab September
2009 eine weitere Elterngruppe in Gütersloh geben.
Ansprechpartner werden dort Marianne und Detlef
Kerkhoff sein. Die Gruppe hat bereits Kontakt aufgenommen zur Gleichstellungsbeauftragten des Kreises, zur Polizei und zur Beratungsstelle pro familia.
Gabi Schütz (Lorsch)
Elterngruppe Dresden
Nach dem Tod von Franziska Klotzsche hält Eveline
Seidel die Verbindung der Elterngruppe Dresden zu
BEFAH aufrecht. Die Gruppe hat im Moment 20 aktive
Mitglieder, davon 8 Elternpaare und 4 Einzelmitglieder.
Wir treffen uns gewöhnlich einmal im Monat zur Aussprache, aber auch zu thematischen Gesprächen, teilweise mit eingeladenen Fachleuten.
Eveline Seidel (Dresden), hier mit Detlef Kerkhoff
(Gütersloh)
Durch den Tod von Frau Klotzsche ist in diesem Jahr
einiges weggefallen, was eigentlich geplant war. So
haben wir nicht am CSD in Dresden und Leipzig und
auch nicht am „Runden Tisch Transgender“ in Berlin
teilgenommen. Die Gruppe strukturiert sich gerade
neu, so dass im nächsten Jahr wieder mit einer
normalen Arbeit zu rechnen ist. Dieses Jahr haben
wir noch eine kleine Wanderung und einen Abend mit
Filmen zum Thema geplant.
Neben der Gruppenarbeit führt Holger Klotzsche
nach wie vor die Telefonberatung für Eltern durch.
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BET-Reader 2009
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Berichte aus den Elterngruppen
Berichte aus den Elterngruppen
Elterngruppe Hamburg
– Sabine Fischer
Elterngruppe Hannover
– Elvira Gatz
Sabine Fischer übernahm die Leitung der Elterngruppe aus den Händen von Günther Stümpel, der
nunmehr seinen 80. Geburtstag feiern konnte. Sie
selbst ist erst seit einem Jahr dabei und erfuhr, dass
seit etwa 2002 „viel weggebröckelt“ sei und die
Gruppe nunmehr sehr klein ist. Die Beratungsarbeit
im Sinne einer „Notfallklinik“ läuft gut, aber an
Lobbyarbeit und PR-Arbeit leistet die Gruppe derzeit
kaum etwas – das ist auch im Moment „noch nicht so
ihr Ding“. Die Kooperation mit dem MHC (MagnusHirschfeld-Centrum, das Hamburger Lesben- und
Schwulenzentrum; der Redakteur) ist produktiv – so
erschien kürzlich eine gemeinsame Pressemitteilung
im Hamburger Abendblatt und in Vorbereitung ist ein
Infotreff mit Jugendlichen im MHC, die wohl zum Teil
auch ihre Eltern mitbringen werden. Die Teilnahme
der Gruppe am Hamburger CSD ist geplant.
Wir versuchen in unserer Elterngruppe die Arbeit vor
Ort wie auch die Arbeit für den Bundesverband zu
koordinieren. Immerhin sind in unserer Gruppe vier
Mitglieder, die dem Vorstand angehören und sechs
Mitglieder, die im Beirat sind. Das führt sehr oft zu
großem Einsatz auch der anderen Gruppenmitglieder
für den Bundesverband. Der Vorteil ist sicher ein
lebendiger Bezug zur Praxis, denn alle bringen ihre
Ideen und Erfahrungen ein, die der Vorstand für die
gesamte Arbeit nutzen kann.
So haben wir gemeinsam eine Buchauswahl für das
BET in Stuttgart vorbereitet und die Bücherliste ergänzt. Wir haben dem LSVD die Gelegenheit gegeben,
das Projekt „Homosexualität in Migrationsfamilien“
vorzustellen, um es anschließend in das Programm
für das BET zu übernehmen. Auch der Aufbau einer
neuen BEFAH-Elterngruppe in Gütersloh / NordrheinWestfalen wurde in Gesprächen mit dem notwendigen
Hintergrundwissen der Gruppe begleitet.
immer von vielfältigen Homophobien geprägten
Gesellschaft zur Sprache kommt. Wir freuen uns,
wenn wir Berichte über gelungenes schwules und
lesbisches Leben hören, da wir ja auch wissen, wie
schwer eine Identitätsfindung unserer Kinder war
und ist.
Wir pflegen unsere Gemeinschaft auch mit Veranstaltungen, die auch andere Themen zulassen. Ein Gang
über den Weihnachtsmarkt in Hannover, ein gemeinsames Essen oder ein Glas Bier an einem lauen
Sommerabend in einem Lokal am Leineufer gehören
dazu und tun uns allen gut!
Die aktive Teilnahme von BEFAH an der offiziellen
Gedenkfeier anlässlich des 64. Jahrestages der Befreiung des Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagers
Bergen-Belsen wurde von der Gruppe Hannover aus
organisiert, und deren Mitglieder haben vor Ort
einen Kranz für die verfolgten Homosexuellen des
NS-Regimes niedergelegt.
Eine vom Referat für Frauen und Gleichstellung initiierte Ausstellung der Stadt Hannover mit dem Titel
„Vom anderen Ufer … Hannovers verschwiegene
Geschichten“ (vom März bis September 2009 im
Historischen Museum) fand unser großes Interesse,
da hier auch etwas über die Gründungsgeschichte
von BEFAH zu sehen ist.
Zeit bleibt aber immer auch für unsere persönlichen
Gespräche, in denen die Sorge um die Zukunft unserer Töchter und Söhne und deren Leben in einer noch
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BET-Reader 2009
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Berichte der ausländischen Gäste
Zur Situation in der Türkei, speziell in
Istanbul – Günseli Dum und
Ulrike Öztek (Lambda Istanbul)
Elternarbeit in Argentinien (und in der
übrigen spanisch-sprechenden Welt)
– Irmgard Fischer (PFALyG)
Die Lambda Istanbul Familiengruppe (LISTAG) ist
eine Selbsthilfegruppe für Eltern, Geschwister, Verwandte und Freunde von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen / Transgendern (LGBTT). Als
Familiengruppe führen wir die Familien und Freunde
zusammen und versuchen, ihnen in der Zeit bis zum
Coming-out beizustehen.
Irmgard Fischer ist in Deutschland geboren, lebt aber
seit ihrem 4. Lebensjahr in Argentinien. Ihre Tochter
heiratete mit 18 Jahren nach Deutschland; ihr ebenfalls in Argentinien geborener und aufgewachsener
Sohn Robert folgte seiner Schwester zwei Jahre später.
Seiner Mutter zuliebe engagiert er sich in der Stuttgarter Elterngruppe.
Das erste Treffen fand im Januar 2008 statt. Zuerst
trafen wir uns zu Hause oder in Café‘s und versuchten dort den Familien „beim Sich-Näherkommen“
zu helfen. Im Mai hatten wir dann unser erstes
Treffen in der jetzt üblichen Form, wobei wir uns
nur unterhalten, essen und trinken. Unsere Gruppe
trifft sich jeden Samstag und gibt Angehörigen von
Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen
die Gelegenheit, ihre Erfahrungen auszutauschen;
auf der anderen Seite helfen wir ihnen, sich auf das
Coming-Out vorzubereiten. Es ist sehr schwer in der
Türkei, homosexuell zu sein.
Der Autor und Dichter Murathan Mungan sagte in
einem seiner Kommentare „Wenn sie sichtbar werden
wollen, sind sie ein Teil der Politik. Kurz gesagt, ohne
politisch zu sein, können sie auch nicht homosexuell
sein. Sie sind dann nur eine Person, die mit einer
gleichgeschlechtlichen Person schläft. Wenn es ihnen
genügt, dass sie mit einem gleichgeschlechtlichen
Menschen schlafen, lässt sie das gegen den Druck des
Systems widerstandslos und hilflos sein.“
Lesben und Schwule müssen sich wegen der Diskriminierung verstecken; lebten sie offen, erhielten
sie von vornherein keine Arbeit, schon gar nicht im
Öffentlichen Dienst. Dabei gibt es in der Türkei kein
Gesetz gegen Homosexuelle; sie existieren offiziell
gar nicht. Morde an Transsexuellen werden von der
Polizei kaum ernsthaft verfolgt. Es ist auch schwer, in
der Türkei ein lesbisches, schwules, bisexuelles oder
transsexuelles Kind zu haben. Man hat Angst vor dem
Druck der Familien, dem Druck der Freunde, man hat
Angst, die Arbeitsstelle zu verlieren und scheut sich
davor, das eigene Kind zu akzeptieren.
Um noch mehr Familienangehörigen von LGBTT zu
helfen, versuchen wir, mit Hilfe der Medien auf uns
aufmerksam zu machen. Über die folgenden Adressen
können Sie mit uns Kontakt aufnehmen:
Unser Blog: http://listag.wordpress.com
Telefon:
0090-212-244 57 62
E-mail:
[email protected] oder
[email protected]
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Berichte der ausländischen Gäste
Wie in anderen Ländern auch, haben wir meistens das
Problem, dass sich Familien alleingelassen fühlen;
man denkt „Warum gerade mein Kind?“; es folgen
Selbstvorwürfe, Gedanken an Heilung, Psychiater,
die falsch beraten und Heilung versprechen. Man hat
Angst, die Partner des Kindes zu akzeptieren und die
Kommunikation mit dem Kind wird schwerer oder
reißt ganz ab. Darum müssen wir uns weiterbilden
und uns mitteilen.
Als Familiengruppe sind wir in der Türkei die ersten
und immer noch die Einzigen. Der Unterschied zu den
Familiengruppen in Europa ist, dass wir auch Familienangehörige von Transsexuellen unter uns haben
und gemeinsam kämpfen. Unsere Gruppe redet über
die Probleme bis zum und nach dem Coming out und
tauscht ihre Erfahrungen aus, außerdem lernen wir
immer wieder etwas dazu. Lambda Istanbul ist der
einzige Verein für Lesben und Schwule und auch deren Eltern. Weitere Vereine gibt es in der Türkei noch
in Ankara und Izmir, zu denen Lambda Kontakt hält.
Wir treffen uns einmal im Monat im Verein für Sexualforschung und Rehabilitation (CETAD) und reden
dort mit Hilfe von freiwillligen Psychologen über
unsere Probleme. Jeder, der erfahren hat, dass ein
Angehöriger schwul, lesbisch, bisexuell oder transsexuell ist, kann zu unseren Treffen kommen, seine
Erfahrungen austauschen oder um Rat fragen. Bei
diesen Treffen geht es meistens um die Zeit nach dem
Coming out. Was haben die Angehörigen gefühlt?
Der erste Schock, die Zeit der Verdrängung, Wut und
Selbstvorwürfe, die Phase der Anerkennung. Danach
die Lernphase und der Wiederaufbau der Kommunikation mit dem Kind; wir brechen unsere Tabus und
reden auch offen über Sexualität.
Wir als LISTAG kommunizieren und arbeiten mit
Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transsexuellen
zusammen. Gemeinsam protestieren wir gegen den
Schließungsprozess vom Lambda-Verein, der vom
Regierungsbezirk Istanbul angestrengt wurde und
gegen den sich der Verein mit eigenen Anwälten
erfolgreich gewehrt hat. Wir veranstalten Lesestunden und bereiten Aktivitäten für den CSD vor (Onur
Haftasi). Einen CSD gibt es in Istanbul seit etwa 7
bis 8 Jahren; darüber wird in den Medien berichtet
und zu Angriffen auf die TeilnehmerInnen – wie etwa
im Vergleich in osteuropäischen Ländern – kam es
bisher erfreulicherweise nicht. - Im letzten Jahr
waren wir in Italien bei der Abschluss-Veranstaltung
zum EuroFLAG-Projekt „Family Matters“ dabei (siehe
hier den Bericht zur Elterngruppe Nürnberg und
zu EuroFLAG – der Redakteur). Wir motivieren und
unterstützen uns bei Problemen wie Namensänderungen und Wehrdienst.
Die Gruppe verfügt über eine Internetseite und
erhält viele Anrufe und emails auch aus ländlichen
Regionen. Unsere wichtigste Aktivität aber ist unsere
Broschüre, die ein Wegweiser für Angehörige von
Schwulen, Lesben und Bisexuellen ist. Eine zweite
Broschüre für Angehörige von Transsexuellen wird
auch in Kürze fertig sein.
BET-Reader 2009
„Zu derem 10-jährigen Bestehen im Jahr 2003
erschien in der entsprechenden Festschrift die
Geschichte unserer Elterngruppe in Buenos Aires,
Argentinien,“ begann Frau Fischer ihren Bericht.
„Einige werden sich vielleicht noch daran erinnern;
ich erzähle aber nochmal kurz von der Entstehung
unserer Gruppe, da dieselbe eng mit der Stuttgarter
Gruppe verbunden ist.
Unsere Elterngruppe in Buenos Aires besteht seit
dem Jahre 1996. Sie wurde von der Mutter einer in
Kanada lebenden lesbischen Tochter und von mir
gegründet. Sie war die erste Gruppe dieser Art in Argentinien, und wahrscheinlich in ganz Lateinamerika. Währenddessen besteht noch eine kleine Gruppe
in einer Zentralprovinz von Argentinien, die sich aber
nicht regelmäßig trifft.
Wie kam es dazu, dass diese erste Elterngruppe in
Argentinien entstand?
Vor 14 Jahren gestand mir mein damals 25jähriger
Sohn, der zu der Zeit bereits in Deutschland lebte,
bei einem meiner jährlichen Besuche, dass er schwul
sei. Das bedeutete für mich einen unerwarteten
Schlag. Ich war dieser Lage nicht gewachsen und
merkte, dass ich überhaupt nichts über dieses Thema
wusste. Mein Sohn, der damals seinen Mut, es mir zu
erzählen, bei einer Selbsthilfegruppe geholt hatte,
hielt schon die Broschüre der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung, Köln, „Unser Kind fällt
aus der Rolle“ für mich bereit. Ich entdeckte eine
neue Welt, und das Büchlein wurde mir zur Rettung.
Nach meiner Rückkehr nach Argentinien erzählte ich
zunächst niemandem von dieser Angelegenheit. Ich
erhielt von zwei Seiten Hilfe: von meinem eigenen
Sohn, der mir Bücher zum Thema zuschickte, und
von der Leiterin der Stuttgarter Elterngruppe, Frau
Micale. Als ich ihren ersten Brief erhielt, liefen mir
die Tränen über das Gesicht. Ich konnte es nicht
fassen, dass eine mir unbekannte Mutter mir so voller
Verständnis und Trost entgegenkam. Ich fühlte mich
nicht mehr alleine. Bald lernten wir uns persönlich
kennen; es entstand eine schöne Freundschaft und
durch Frau Micale wurde mir auch die Stuttgarter
Elterngruppe vertraut.
BET-Reader 2009
Nach kurzer Zeit erzählte ich meinen Familienangehörigen, einigen Verwandten und Freundinnen von
dem Thema. Und da ich erfahren hatte, dass es in
Argentinien keine Elterngruppe gab, entstand bei mir
langsam der Gedanke, eine zu gründen. Ich verspürte
den Wunsch, die Hilfe, die ich von der deutschen
Elterngruppe erfahren hatte, an andere weiterzugeben. Ich tat mich mit einer anderen Mutter zusammen, und die Gruppe entstand. Zu Anfang erfuhr die
Öffentlichkeit nichts davon. Wir verteilten Werbeprospekte in den Schwulengruppen, aber es erschienen
keine Eltern. Ein Jahr später trat die zweite Mutter
zurück, und ich blieb alleine. Ich beschloss, weiter
zu machen. Und in dem Jahr begann die Bekanntmachung unserer Gruppe durch öffentliche Medien.
Dies war der wahre Beginn unserer Elterngruppe. Es
erschienen Eltern und Familienangehörige. Einige
von ihnen sind noch heute dabei und bedeuten eine
große Hilfe. Unser Arbeitsmaterial erhielten wir z.T.
aus der Elterngruppe Stuttgart, die uns immer wieder
halfen, und auch aus Washington, USA, mit denen wir
eine gute Verbindung aufbauen konnten.
Währenddessen ist unsere Gruppe in Buenos Aires
sehr bekannt geworden. Wir werden oft um Hilfe
gebeten. Die Broschüre „Unser Kind fällt
aus der Rolle“ ist von mir ins Spanische
übersetzt worden und inzwischen in der
3. Auflage erschienen. Auf der Titelseite
zeigt die spanische Fassung eine BarlachSkulptur, bei der eine Person eine andere
tröstet. Die Broschüre ist in weiten Kreisen
verteilt worden, so z.B. auch in der Evangelischen Theologischen Fakultät und in
der Evangelischen Kirche, und wurde auch
landesweit in den katholischen Kirchen
empfohlen. Daraus ist zu ersehen, wie notwendig solche Aufklärungsliteratur für die
Bevölkerung ist.
Unsere Gruppe besitzt ihre eigene Webseite
www.familiaresdegays.org. Wir treffen uns jeden
letzten Samstag des Monats. Die Anzahl der Anwesenden liegt normalerweise zwischen 25 und 30,
manchmal zu viel, um jeden einzelnen sprechen zu
lassen. Die Gruppe besteht hauptsächlich aus Eltern,
aber auch aus mehreren Kindern oder anderen homosexuellen Personen. So haben wir einige homosexuelle Jugendliche als „Kinder“ angenommen. Allerdings ist unser ältestes Kind ein Mann von 89 Jahren,
der nie fehlt und uns als seine Familie angenommen
hat. Er hat, wenn man sein Alter berücksichtigt,
eine nicht sehr einfache Lage für Homosexuelle in
unserem Land mitgemacht. Als Spezialfall erleben
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Berichte der ausländischen Gäste
Berichte der ausländischen Gäste
leichter. Was uns auffiel, war das Interesse der
Jugendlichen, es gab kein Gekicher, wie wir erwarteten. Am dritten Tag fiel aber alles ins Wasser, weil
drei „Pfingstler“-Mädchen, Fundamentalistinnen,
mit dem Thema „Bibel und Religion“ anfingen, und
dieses Thema ist nicht in kurzer Zeit zu behandeln.
Wir haben vor, dieses Jahr wieder über das Thema
Homosexualität in dieser Schule zu sprechen. Es ist
eine evangelische Schule, deren Leiter, ein Pfarrer
unserer Gemeinde, uns dabei helfen wird. Im Allgemeinen wird über das Thema Sexualität nicht viel
in den Schulen geredet, und schon gar nicht über
Homosexualität.
wir gerade das schwierige Thema der Transsexualität,
auch wenn es ja nicht unbedingt in unsere Gruppe
gehört. Ein Elternpaar suchte uns auf, deren Tochter
sich als Junge fühlt. Dieses wurde von Ärzten,
Rechtsanwälten und Psychologen bestätigt und die
Geschlechtsanpassung wird durchgeführt. Die Eltern
und der zukünftige Junge fühlten sich bei uns so
wohl, dass sie es nicht bereut haben, uns aufzusuchen. Und für uns war es eine neue Erfahrung und
jeder hat diesen Jungen gern.
Oft werden wir gebeten, uns an Fernseh- oder Rundfunksendungen zu beteiligen. Auch in Zeitungen und
Zeitschriften sind wir erschienen. In diesen Artikeln
erscheinen normalerweise die Namen der Eltern
verändert. Es besteht immer die Angst, erkannt zu
werden. Anonymität ist bei den meisten oberstes
Gesetz. Ich selbst erscheine mit meinem richtigen
Namen und auch Foto. Das sind eben die Spielregeln.
Bei der Gründung von neuen Gruppen in Córdoba und
Rosario, zwei Städten im Innern des Landes, habe ich
persönlich mitgeholfen.
Vor ca. 4 Jahren haben eine andere Mutter und ich
3 Tage lang in einer Schule mit 17-jährigen über das
Thema Homosexualität gesprochen. Wir verteilten
anonyme Fragen auf Zetteln, das war für die Schüler
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Wir nahmen an mehreren Treffen teil, nicht nur in
Argentinien, sondern auch in unserem Nachbarland
Uruguay. Im Jahr 2005 fand ein 1. „internationales“ Treffen von spanisch sprechenden Ländern in
Buenos Aires, Argentinien, statt. Das Treffen war in
einem sehr schönen zentral gelegenen Hotel, und
die Kosten wurden von der Firma IBM übernommen,
die zu der gleichen Zeit ein eigenes Treffen für ihre
homosexuellen Mitarbeiter organisiert hatte. IBM ist
eine der nordamerikanischen Firmen, die diesbezüglich sehr offen sind und zu dem Schluss gekommen
sind, dass die geouteten homosexuellen Mitarbeiter
sich wohl fühlen und sich sehr gut in die allgemeine
Arbeit einfügen. Die vertretenen Länder waren in
diesem Fall Uruguay, Mexiko, USA (der spanisch sprechende Teil), Argentinien und Spanien. Im Jahr 2007
fand das nächste „internationale“ Treffen spanisch
sprechender Länder in Montevideo, Uruguay, statt.
Dieses Mal waren, außer den vorher genannten
Ländern, eine Menge lateinamerikanischer Länder
vertreten, wie Peru, Chile, Ecuador, Kolumbien, Costa
Rica, Nicaragua, Panama, Puerto Rico und Brasilien
(obwohl man dort ja portugiesisch spricht). Es war
ein sehr erfolgreiches Treffen und bei der Gelegenheit wurde die internationale Gruppe „Asociación
Internacional de Familias por la Diversidad Sexual
(FDS)“, www.familiasporladiversidad.org, gegründet. Der Hauptsitz dieser Gruppe liegt in Barcelona,
Spanien. Die Organisation der Gruppe ist noch nicht
abgeschlossen. Für September 2010 ist das dritte
„internationale“ Treffen spanisch sprechender
Länder in Chile vorgesehen, an dem schon jetzt
gearbeitet wird.
In Argentinien, einem riesigen Land mit nur 38
Millionen Einwohnern, war vor mehreren Jahren das
Thema Homosexualität noch tabu. Die größtenteils
lateinische Bevölkerung (spanisch und italienisch)
war noch an alt überkommene strenge Ansichten
BET-Reader 2009
gebunden. Das ist bis zu einem gewissen Grad heute
noch so, obwohl z.B. im Fernsehen ständig das Thema
Homosexualität vorkommt. Manchmal in ernster Weise, aber leider auch oft ins Lächerliche gezogen. Auf
der anderen Seite wird Buenos Aires jetzt bekannt als
die Hochburg der Toleranz in touristischer Hinsicht.
Buenos Aires wurde zur Schwulenhauptstadt Lateinamerikas. Vor einiger Zeit wurde ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet; seit 2003 ist in der Stadt
Buenos Aires, Carlos Paz in der Provinz Córdoba und
in der Provinz Río Negro ein Partnerschaftsgesetz
gültig. – Das Tangoviertel San Telmo ist berühmt für
sein Nachtleben mit stimmungsvollen Restaurants
und gilt nunmehr als der Schwulen-Stadtteil von
Buenos Aires. Dort besteht jetzt auch ein 5-SterneGay-Hotel der Gruppe „Axel-Hotels“ wie in Barcelona
und Berlin – mit allem Luxus versehen, aber auch mit
den dazugehörigen Preisen. So kosten die Zimmer
zwischen 180 und 350 Dollar pro Nacht. (Die „AxelHotels“ bezeichnen sich als „heterofriendly“, stehen
also auch heterosexuellen Paaren offen.)
Der CSD-Tag wird in Buenos Aires seit 1992 jeden
ersten Samstag im November gefeiert, nicht wie in
anderen Ländern am 28. Juni. Im Juni ist Winter in
Argentinien, im November Frühling, geeignet für
einen Umzug. Dieser wird „Marcha del Orgullo“
genannt (Marsch des Stolzes). Im November 2008
nahmen in der Stadt Buenos Aires 50.000 Menschen
daran teil. Im Jahr 1992 waren es erst 250! Es ist ein
Ereignis, welches im November zum Stadtbild gehört.
Wir als Elterngruppe nehmen erst seit 4 Jahren daran
teil, zuerst waren wir nur 4, das letzte Mal schon 11.
Die Eltern haben immer eine große Angst, sich zu
zeigen, aber es sind jedesmal mehr, die diese Angst
überwinden. Und ich muss sagen, dass unser Umzug
immer mit einem Gang in ein Restaurant endet, und
das ist immer sehr anregend und lustig.
Nun habe ich einen kleinen Überblick über das Thema
„Homosexualität“ in Argentinien gegeben und über
unser Wirken als Elterngruppe. Meinen allerherzlichsten Dank an Frau Micale, denn ohne ihre Hilfe wäre
wohl nichts aus unserer Gruppe geworden.“
Anschrift:
Padres, Familiares, Amigos de Lesbianas y Gays
(PFALyG)
Buenos Aires, Argentina
Tel.: 0054-11-4765-5531
e-mail: [email protected]
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Berichte der ausländischen Gäste
Berichte der ausländischen Gäste
Neues aus Island
– Gudrun Rögnvaldardottir (FAS)
Gudrun Rögnvaldardottir
Frau Rögnvaldardottir war bereits beim vorigen Bundeselterntreffen 2007 in Hamburg zu Gast gewesen
(vgl. S. 33-34 im Tagungsreader zum BET 2007);
inzwischen ist sie selbst von der Vizevorsitzenden zur
Vorsitzenden der Elternorganisation FAS aufgestiegen. Nach wie vor arbeitet FAS mit dem „Verein von
’78” zusammen, dem 1978 gegründeten Verband von
Schwulen und Lesben in Island, wo seit 1996 die Diskriminierung von Lesben und Schwulen strafbar ist.
Das Partnerschaftsgesetz von 1996 erfuhr nach den
Änderungen in 2000 und 2006 (Adoption, künstliche
Befruchtung u.a.) inzwischen eine weitere in 2008,
bei der es um die Partnerschaftsstiftung in der Kirche
und in anderen Glaubensgemeinden, die es wollen,
ging und die nunmehr – anders als noch 2007 in
Hamburg berichtet – jetzt auch möglich ist. Damit
sind jetzt in Island alle Rechte und Pflichten bei der
homosexuellen Partnerschaft wie bei heterosexuellen Paaren. Es wird aber immer noch von „Ehe“ und
„Partnerschaft“ gesprochen.
Alle Parteien im neugewählten Parlament haben
ihren Willen dazu erklärt, das Gesetz so zu verändern,
dass es nur ein Ehegesetz geben wird, gültig für
homosexuelle wie heterosexuelle Partnerschaften.
Voraussichtlich wird dies noch innerhalb dieses Jahres in die Praxis umgesetzt, gibt sich die Referentin
optimistisch. Natürlich hat sich FAS sehr stark für
diese Gesetzesänderungen eingesetzt.
Seit 1999 gibt es “Reykjavík Gay Pride” jedes Jahr im
August. 2008 gab es etwa 70.000 TeilnehmerInnen
und ZuschauerInnen (bei einer Gesamtbevölkerung
von 320.000!). FAS macht immer mit in der Parade.
Wir sind stolz auf unsere Kinder.
Seit dem 1. Februar 2009 hat Island mit seiner neuen
lesbischen Ministerpräsidentin Johanna Sigurdadottir das erste homosexuelle Regierungsoberhaupt der
Welt (sie ist seit 7 Jahren mit einer Frau verpartnert).
Eigentlich ist Homosexualität in Island kein Thema
mehr, die gesetzliche und soziale Anerkennung
weitestgehend erreicht - und dennoch gibt es immer
noch Vorurteile und Gewalt, insbesondere unter
Jugendlichen. Unterricht, Wissen, Ausbildung! DAS
ist daher das Thema von heute. Ansonsten wird FAS
langsam irrelevant und schon jetzt gibt es so gut wie
keinen Bedarf mehr für FAS als Selbsthilfegruppe.
Was macht FAS sonst noch?
Gruppen gibt es in Reykjavík und Akureyri; die Elterntreffen finden in jeder Gruppe einmal im Monat statt.
Wir veranstalten Seminare, z.B. in Zusammenarbeit
mit dem Verein von ’78, und haben Treffen mit der
Jugendgruppe vom Verein von ’78. Wir bieten, vermitteln und pflegen Kontakte per Telefon und über
unsere Webseite, zeigen politischen Einsatz für
gleiche Rechte und die Anerkennung unserer Kinder
und Medienpräsenz nach dem Motto „Sichtbar sein!“
– neben dem Gay Pride auch durch Zeitungsartikel,
Interviews und Broschüren.
Seit 2007 arbeitet FAS zusammen mit dem Verein
von ‘78 und den Schulbehörden in Reykjavík daran,
GrundschullehrerInnen und andere Schulangestellte
über Homosexualität zu unterrichten. Jugendliche
Homosexuelle besuchen auch Grundschulen (13- bis
16-jährige) und Gymnasien und sprechen mit den
Schülern. Das Ziel dabei ist, Wohlbefinden und Anerkennung von jungen Homosexuellen zu erreichen.
Auf eine Nachfrage in der Diskussion hin meinte Frau
Rögnvaldardottir, dass man etwa 15 bis 20 Transsexuelle in Island vermutet; etwa so viele hätten sich
auch schon an FAS gewandt wegen einer möglichen
Zusammenarbeit.
Zur Vorgeschichte des Ende 1997 gegründeten Vereins
fels gehört auch die Petition der Schwulen und Lesben
„Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare“ von
1995, als noch die Mutter einer lesbischen Tochter bei
LOS – der LesbenOrganisation der Schweiz – nachfragte
„Und wo sind Eure Eltern?“. Als die dann bei der Demonstration „Lesben und Schwule in guter Verfassung“
am 31. Mai 1997 auf dem Berner Bundesplatz mit
einem eigenen Transparent „Wir Eltern wollen gleiche
Rechte für unsere heterosexuellen und homosexuellen
Kinder“ dabei waren, gingen auch die jungen Leute
begeistert auf sie zu.
Ein Schwerpunkt der Arbeit in der Vergangenheit war
der Einsatz für das Schweizer Partnerschaftsgesetz,
das doch noch einiger Nachbesserungen bedarf, so
etwa in den Bereichen Altersvorsorge, Erbschaft und
Steuer. Auch soll das Verbot der künstlichen Befruchtung und der Adoption fallen. Hier besteht sogar ein
geradezu grotesker Nachteil im Vergleich zur Situation in Deutschland - nicht nur hinsichtlich des Fehlens der Möglichkeit der Stiefkindadoption, sondern
dadurch, dass Adoptionen Lesben und Schwulen nur
als Einzelpersonen erlaubt sind (wie in Deutschland
auch), aber – und hier ist der Unterschied! – nur solange sie nicht in einer Partnerschaft leben!
(Dazu und zu anderen Problemen in Verbindung mit
dem Partnerschaftsgesetz reichte genau einen Monat
nach dem Bundeselterntreffen ein eigens gegründetes
Komitee“Familienchancen“ die Petition „Gleiche
Chancen für alle Familien“ ein – näheres siehe z.B. auf
der Webseite www.pinkcross.ch – der Redakteur)
Der Vorstand des Vereins fels erarbeitet jährlich ein
Tätigkeitsprogramm. Unser wichtigstes Projekt ist
im Moment Schule und Elternhaus. Dort möchten
wir erreichen, dass alle Eltern und auch die Schule
es vollständig normal finden, über Homosexualität
zu reden. Wir möchten mit einem Versand möglichst
alle Oberstufen-Schulgemeinden, Kirchgemeinden,
Elternvereine, Ärzte, Psychologen, Sozial- und JugenarbeiterInnen etc. erreichen. Dieser Versand läuft
im Moment auf Hochtouren.
Denn alle Eltern müssen wissen, dass auch ihre
Tochter einmal sagen könnte, ich liebe eine Frau;
oder ihr Sohn, ich liebe einen Mann.
In regionalen Lesben- und Schwulen-Jugendgruppen
organisieren wir Elternabende und intensivieren so
die Zusammenarbeit. Auch Eltern-Gesprächsgruppen
sind ein Teil unserer Arbeit. Zusammen mit Pink Cross
(eidgenössischer Schwulenverband) und LOS (Lesbenorganisation Schweiz) sind wir in drei wichtigen
Gruppen vertreten.
Ministerpräsidentin Johanna Sigurdadottir
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Aus der Schweiz:
Was macht der Verein fels?
– Hanni Müller und Brigitte Schenker
BET-Reader 2009
BET-Reader 2009
Gruppe Politik: Diese Gruppe hat vor allem das Ziel,
auf politischer Ebene viel zu erreichen.
Fachgruppe Bildung: Diese Gruppe arbeitet daran,
dass Homosexualität in allen Lehrmitteln und Lehrbüchern aufgenommen wird – und zwar in allen Sprachen der Schweiz! Grundlage der Arbeit ist hier eine
aktuelle Dissertation zur Behandlung des Themas in
der Schulbuch-Literatur.
Schulprojekt GLL (Gleichgeschlechtliche Liebe leben):
Ein Dreierteam besucht Oberstufenklassen, Konfirmanden, Jugendgruppen und selten einmal auch
eine Firmklasse. Eine Lesbe, ein Schwuler und ein
Elternteil eines homosexuellen Kindes besuchen
die Schulen und informieren während zwei bis drei
Lektionen über Homosexualität.
Euro-Pride 2009 in Zürich: Heute abend wird die
Euro-Pride eröffnet und dann wird während fünf
Wochen ein lesbisch-schwules Fest gefeiert.
Wir von fels hoffen, dass wir bei der Abschlussparade
das eine oder andere Gesicht von Euch wiedersehen.
Die Parade findet am 6. Juni statt. Dort wird auch die
erste lesbische Stadtpräsidentin Zürichs anzutreffen
sein, die seit gestern im Amt ist.
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Berichte der ausländischen Gäste
Kulturprogramm
Aus der Diskussion
– Probleme mit der Religion
und mit AIDS
Horst Emrich liest
Tierfabeln von Manfred Kyber
und Texte von Michael Ende
Es schloss sich eine lebhafte Diskussion mit der Möglichkeit zu Nachfragen an alle ausländischen Gäste
an. Probleme mit den Kirchen beziehungsweise mit
der Religion und Fragen im Zusammenhang mit AIDS
bildeten dabei den Schwerpunkt – andere Aspekte
wurden der besseren Lesbarkeit im Zusammenhang
wegen schon vom Redakteur in die vorangegangenen
Texte eingearbeitet.
Nach dem Abendessen am Samstag folgten dann als
Kulturprogramm Tiergeschichten von Manfred Kyber
(so etwa „Der K.d.R.“, was ausgeschrieben „Der Kongress der Regenwürmer“ heißt) und ebensolche von
Michael Ende (und auch andere Texte, vermutlich aus
dem Programm „Michael Endes Zettelkasten“), vorgetragen vom Stuttgarter Schauspieler Horst Emrich,
der mit seiner „kaba-reh production“ vor allem mit
Einpersonenstücken auftritt, und zwar nicht nur im
Stuttgarter Raum, sondern bundesweit. (Näheres auf
seiner Homepage http://www.kaba-reh.de).
Als die Schweizerinnen nach dem Widerstand aus
den Kirchen gegen das Partnerschaftsgesetz gefragt
wurden, betonten sie unisono: „Bei uns sind Staat
und Kirche getrennt!“ In Deutschland sollte das
theoretisch zwar auch der Fall sein, doch ist Dank der
Konkordate, durch vielfache Beteiligung der Kirchen
beispielsweise in den Gremien der Öffentlich-Rechtlichen Medien und vieles mehr diese Trennung oftmals
nicht so deutlich wie sie sein sollte. Eine schwere
Hypothek, die anderswo nicht so gegeben sei, sei
auch immer noch die Nachwirkung des „Dritten
Reiches“ in den Köpfen, meinte Wolfgang Köhn vom
Beirat des BEFAH. Frau Fischer, auf die Verhältnisse
in ihrem Land angesprochen, sagte, dass Argentinien
zwar ein katholisches Land sei, aber das „regierende
Paar“ (die amtierende Präsidentin und ihr Ehemann
und zugleich Vorgänger) sehr gegen die katholische
Kirche eingestellt sei.
Einer der Ende-Texte widmete sich auch dem „Phänomen“ des abgeschlagenen Penis bei antiken Statuen:
»2007 berichtete der Künstler Jean-Jaques Lebel in
dem Film „Geheime Museen“ von Peter Woditsch, er
habe mit einem Empfehlungsschreiben ausgestattet
im Vatikan Dutzende von Schubladen gesehen, in
denen Penisse gelagert seien. Ein amtlicher, vom
Vatikan bestellter „Kastrator“, habe sie abgeschlagen, denn anstelle der Penisse mussten Feigenblätter
montiert werden. Als hätte sie es mit Scham erfüllt,
behielten sie die Marmorglieder, versahen sie mit
Etiketten und deponierten sie in großen Schubladen.
In demselben Film erklärt der ehemalige Chef-Restaurator im Vatikan, Gianluigi Colalucci, dass man
Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts damit
begonnen habe, die antike Kultur wiederzuentdecken
und man habe eben auch „solche“ Dinge, gemeint
sind jetzt erotische, gesammelt. Die Päpste sammelten alles aus der Antike, auch Erotisch-Sexuelles.
Und: Die Einstellung gegenüber Kunstwerken, die in
einer Epoche für normal und schön gehalten worden
seien, habe sich verändert. Plötzlich schäme man
sich ihrer. Es geschah aber nicht „plötzlich“. Die großen monotheistischen Weltbetrachtungen hatten in
Jahrhunderten eine Kultur der Verdrängung, Körperfeindlichkeit und Sexualunterdrückung geschaffen.
Sexualität wurde mit Sünde und Schuld beladen und
für das Volk tabuisiert. Der abgeschlagene Penis
symbolisiert die Selbstkastration des Abendlandes
und die Selbstzensur.« (Zitiert aus einem Aufsatz von
Rainer Hoffschildt, Hannover)
Zum Thema Homosexualität befragt, meinten Frau
Dum und Frau Öztek, dass nach Aussage des Koran
Mann und Frau zum Zweck der Vermehrung geschaffen wurden. So habe ein Imam einem Gruppenmitglied gegenüber erklärt, Homosexualität sei Sünde,
ebenso aber auch, wenn ein heterosexuelles Paar
keine Kinder wolle. Andererseits stünde im Koran
aber, man müsse Respekt haben vor allem, was Gott
geschaffen hat.
Zum Thema AIDS geben bei Lambda Istanbul Ärzte
Aufklärung; außerdem arbeitet man mit einem AIDSAufklärungsverein zusammen. In Argentinien wird
laut Frau Fischer viel für die AIDS-Aufklärung und die
Prophylaxe getan. In Island gibt es generell nur sehr
wenige Fälle von AIDS-Infektionen; hier seien in der
Hauptsache heterosexuelle junge Leute infiziert bzw.
schon erkrankt, so dass AIDS dort gar nicht mehr als
„Schwulen-Krankheit“ eingeschätzt wird.
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Kulturprogramm
Kulturprogramm
„Der K.d.R.“
von Manfred Kyber
Die Regenwürmer hatten einen Kongress einberufen,
Es war ein moderner Kongress. Darum hieß er nicht
der Kongress der Regenwürmer, sondern der K.d.R..
Der K.d.R. tagte im Garten an einer recht staubigen Stelle. Es wurden nur Fragen der Bodenkultur
erörtert. Weiter geht der Horizont der Regenwürmer
nicht. Sie kriechen auf der Erde und essen Erde. Es
sind arme bescheidene Leute, aber sie sind nützlich
und notwendig, Die Erde würde ohne sie nicht gedeihen. Ihre Arbeit muss verrichtet werden.
Es war Abend. Die Dämmerung lag auf den Wegen,
auf denen der K.d.R. zusammengekrochen war.
Manfred Kyber (1880-1933)
Ein langer alter Regenwurm hatte den Vorsitz
übernommen, Er besprach Fragen lokaler Natur, die
Bodenverhältnisse des Gartens, in dem man arbeitete. Es waren erfreuliche Resultate.
„Wir sind schon recht tief in die Erde eingedrungen“,
sagte der Präsident des K.d.R. „Wir haben viele
Erdschichten an die Oberfläche befördert, von denen
niemand vorher etwas wusste. Wir haben sie zerlegt
und zerkleinert. Aber die Erde scheint noch tiefer
zu sein, als wir dachten. Sie scheint noch mehr zu
bergen, als wir heraufgeschafft haben. Wir müssen
fleißig weiter überall herumkriechen und Erde essen.
Es ist eine große Aufgabe. Damit schließe ich den
K.d.R..“ Er ringelte sich verbindlich. Der offizielle Teil
des K.d.R. war erledigt.
Man bildete zwanglose Gruppen mit Nachbarn und
Freunden und sprach über die Praxis der Gliederbildung. Man wollte allerseits lang werden. Darin sah
man den Fortschritt. Neue Methoden hierfür waren
stets von Interesse. „Die allerneueste Methode, lang
zu werden“, sagte ein junger Regenwurm, „heißt
`Ringle dich mit dem Strohhalm´. Das stärkt die
Muskeln und zieht die Glieder auseinander. Sehen
Sie — so!“ Er tastete nach einem Strohhalm und
demonstrierte die neue Methode energisch und mit
Überzeugung.
Dabei stieß er an etwas an. Er fühlte, dass es rauh
und haarig war. „Nanu, was ist denn das? Das hat ja
Haare und bewegt sich!“ Er ringelte sich ängstlich
vom Strohhalm los, „Verzeihen Sie, ich war so müde.
Da hab ich mich auf den Strohhalm gesetzt“, sagte
das Etwas mit Haaren. „Wer sind Sie denn?“ fragte
der Regenwurm und kroch vorsichtig wieder näher.
„Ich bin Raupe von Beruf. Ich hätte mich gewiss
nicht auf den Strohhalm gesetzt, aber ich bin so sehr
müde. Ich habe einen so langen Weg hinter mir.
Ich bin immer im Staub gekrochen. Nur selten fand
ich etwas Grünes. Ich bin ein bißchen schwächlich,
schon von Kind an. Es ist auch so angreifend, bei
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jedem Schritt den Rücken zu krümmen. Jetzt kann ich
nicht mehr. Ich bin zu müde. Sterbensmüde.“
Die Raupe war ganz verstaubt und erschöpft. ihre
Beinstummel zitterten.
Der gesamte K.d.R. kroch teilnahmsvoll heran.
„Sie müssen sich stärken“, sagte ein Regenwurm
freundlich. „Sie müssen etwas Erde zu sich nehmen.“
„Nein danke“, sagte die Raupe, „ich bin zum Essen zu
müde. Mir ist überhaupt so sonderbar. Ich will nicht
mehr auf der Erde kriechen.“
„Aber ich bitte Sie“, sagte der Präsident des K.d.R.
„Das ist das Leben, dass man auf der Erde kriecht
und Erde isst. Wenn man das nicht mehr kann, stirbt
man. Man soll aber leben und recht lang werden, Ich
kann Ihnen verschiedene Methoden empfehlen. Es ist
Makrobiotik.“
„Ich glaube, dass man nicht stirbt“, sagte die Raupe.
„Wenn man zu müde ist und nicht mehr auf der Erde
kriechen kann, verpuppt man sich, und nachher wird
man ein bunter Falter. Man fliegt im Sonnenlicht und
hört die Glockenblumen läuten. Ich weiß nur nicht,
wie man es macht. Ich bin auch viel zu müde, um
darüber nachzudenken.“
Die Regenwürmer ringelten sich aufgeregt und ratlos
durcheinander. „Fliegen? — Sonnenlicht? — Was
heißt das? — So was gibt‘s doch gar nicht! — Sie
sind wohl krank?“ „Sie gebrauchen solche kuriosen
Fremdworte“, sagte der Präsident des K.d.R. „Ihnen
ist einfach nicht wohl!“
sollte. Denn er hatte vergessen, was er als Raupe geglaubt und gehofft hatte — und wie müde er gewesen
war, sterbensmüde ... Die Flügel aber wuchsen im
Sonnenlicht. Sie wurden stark und farbenfroh.
Da breitete der Falter die Schwingen aus und flog
weit über die Erde ins Sonnenlicht hinein. Die Glockenblumen läuteten.
Unten im Staube tagte der K.d.R.. Man hatte die
leere Hülle gefunden und alle Kapazitäten waren
zusammengekrochen. „Es ist nur ein Mantel“, sagte
die erste Kapazität enttäuscht. „Die Krankheit ist
allein zurückgeblieben“, sagte die zweite Kapazität.
„Der Mantel ist eben die Krankheit“, sagte die dritte
Kapazität.
Hoch über ihren blinden Köpfen gaukelte der Falter
in der blauen sonnigen Luft.
„Nun ist es ganz tot“, sagten die Regenwürmer.
„Resurrexit!“ sangen tausend Stimmen im Licht.
Der Text „Der K.d.R.“ wurde entnommen aus:
Das Manfred Kyber-Buch. Tiergeschichten und Märchen.
Hamburg 1969: Wegner-Verlag;
Neuauflage Reinbek 2003: Rowohlt.
ISBN 3-498-03420-0. (S. 18-21).
Wir danken dem Verlag für die Abdruckerlaubnis!
Die Raupe antwortete nicht mehr. Sie war zu müde.
Sterbensmüde. Sie klammerte sich an den Strohhalm.
Dann wurde es dunkel um sie.
Aus ihr heraus aber spannen sich feine Fäden und
spannen den verstaubten sterbensmüden Körper ein.
„Das ist ja eine schreckliche Krankheit“, sagten die
Regenwürmer. „Es ist ein Phänomen“, sagte der
Präsident des K.d.R. „Wir wollen es beobachten.“
Einige Kapazitäten nickten zustimmend mit den
Kopfringeln.
Es vergingen Wochen. Der Präsident des K.d.R. und
die Kapazitäten krochen täglich an das Phänomen
heran und betasteten es. Das Phänomen sah weiß
aus. Es war ganz versponnen und lag regungslos am
Boden.
Endlich, in der Frühe eines Morgens, regte sich das
versponnene Ding. Ein kleiner bunter Falter kam heraus und sah mit erstaunten Augen um sich. Er hielt
die Flügel gefaltet und verstand nicht, was er damit
BET-Reader 2009
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Podiumskussion und Abschluss
Podiumskussion und Abschluss
Podiumsdiskussion mit
Manfred Bruns, Bundesanwalt a.D. (LSVD) ;
Dr. Ulrich Noll MdL, FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag BW;
Ute Vogt, SPD-Landesvorsitzende in BW;
Alexander Kotz, CDU-Stadtrat in Stuttgart;
Brigitte Lösch MdL, Bündnis 90/Die Grünen, Vorsi tzende des Sozialausschusses im Landtag BW.
Moderation: Ansgar F. Dittmar, Rechtsanwalt, Bund esvorsitzender der Schwusos
Podiumsdiskussionen auf den Bundeselterntreffen
– alle TeilnehmerInnen selbst schwul bzw. lesbisch
waren). Dazu meinte Dr. Noll, er, der heterosexuelle
mehrfache Großvater, habe ganz bewusst nicht
„einen betroffenen Kollegen hergeschickt“, sondern
sei in seiner Eigenschaft als Fraktionsvorsitzender
selbst gekommen.
An ihn richtete sich auch die erste Frage des Moderators „Wie halten Sie es mit der Gleichstellung von
Lebenspartnerschaft und Ehe?“ Noll entgegnete,
seine Partei trete für die völlige Gleichstellung aller
Verantwortungsgemeinschaften ein – getreu dem
Grundsatz „Gleiche Pflichten – gleiche Rechte“.
Seine Partei wäre in jenen Bundesländern, in denen
sie mitregiert, bereits viel weiter vorangegangen
in Sachen Gleichstellung, wenn sie nicht auf die
Koalitionsraison Rücksicht nehmen müsse. Somit
sei die praktische Umsetzung ihrer Politik von Kompromissen geprägt, aber das Ziel bleibe die völlige
Gleichstellung.
A. Kotz, Dr. U. Noll, U. Vogt, B. Lösch (v.l.n.r.)
Manfred Bruns, Bundesanwalt a.D.(LSVD)
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Einziger Programmpunkt am Sonntag, dem 3. Mai,
war - abgesehen von der Zusammenfassung und
Verabschiedung durch die Bundesvorsitzende - die
Podiumsdiskussion, die im Hinblick auf die im Herbst
bevorstehende Bundestagswahl Wahlprüfsteine
für die anwesenden Eltern und ihre lesbischen oder
schwulen Kinder liefern sollte. TeilnehmerInnen
waren (gemäß der Sitzordnung, von links nach rechts
– siehe das Foto) Manfred Bruns, Bundesanwalt
a.D. und Vertreter des LSVD, Dr. Ulrich Noll MdL,
Fraktionsvorsitzender der FDP im baden-württembergischen Landtag, Ute Vogt, SPD-Landesvorsitzende
in Baden-Württemberg, Alexander Kotz, CDU-Stadtrat in der Landeshauptstadt Stuttgart, und Brigitte
Lösch MdL, Bündnis 90 / Die Grünen, Vorsitzende
des Sozialausschusses im baden-württembergischen
Landtag. Ansgar F. Dittmar, Bundesvorsitzender
der Schwusos in der SPD, fungierte als Moderator.
Nur dieser und die Herren Bruns und Kotz waren
„Selbstbetroffene“ - anders als bei der Hamburger
Runde in 2007 (wo – zum bisher einzigen Mal bei
Wo dann der Hemmschuh bei der CDU liege, wollte
Dittmar daraufhin von Kotz erfahren. Der entgegnete, innerhalb einer Partei gebe es eben unterschiedliche Strömungen. Er habe in seiner Partei das
Problem, dass er als Betroffener vieles anders sieht
als die Mehrheit seiner Parteifreunde und er habe es
eben auch besonders schwer, seine Parteifreunde
zu überzeugen. Als verpartnerter und bekennender
Schwuler bringt er allerdings seine konservativen
Parteifreunde im persönlichen Umfeld fortwährend
„auf seinen Kurs“. Als Handwerksmeister und Vorsitzender seiner Innung stellt dies für ihn inzwischen
kein Problem mehr dar. Generell sei es ja so, dass
sich die Partei durchaus bei dem Thema bewegt, aber
in einer so großen Volkspartei gehe das eben etwas
langsam und träge. Er jedenfalls trage sein Möglichstes dazu bei.
Auf Dittmars Frage, wie es denn um die Trägheit bei
der SPD in diesen Fragen stünde, wies Frau Vogt erst
einmal darauf hin, welch großen Erfolg das von ihrer
Partei gemeinsam mit den Grünen durchgesetzte
Lebenspartnerschaftsgesetz darstelle – ein Erfolg
besonders auch im Hinblick auf die gewachsene Ak-
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zeptanz lesbischer und schwuler Lebensweise in der
Bevölkerung. Nur noch in Baden-Württemberg (dem
Gastland des diesjährigen Bundeselterntreffens) und
in Thüringen bleibt Lesben und Schwulen weiterhin
das Standesamt verwehrt, um Ihre Verpartnerung
eintragen zu lassen. Das widerspreche dem Geist des
Bundesgesetzes und könne insofern fast schon als
rechtswidrig bezeichnet werden. Von Herrn Noll und
seiner Fraktion erhoffe sie sich hierzu ein offensiveres Agieren innerhalb der Regierungskoalition hier
im Lande; und das Engagement von Herrn Kotz in
seiner Partei sei ja gut und anerkennenswert, aber sie
riete ihm, von der in der SPD gemachten Erfahrung
in Fällen früherer politischer Trägheit zu profitieren,
dass nämlich die Parteimitglieder durchaus auch von
außen Druck auf die Partei machen könnten. Heute
könne aber bei der SPD von homopolitischer Trägheit
keine Rede mehr sein, habe sie doch als erste und bis
dato einzige Partei zum Zeitpunkt der Tagung einen
einzigen wichtigen Satz im Wahlprogramm stehen:
„Eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften werden wir mit der Ehe gleichstellen Punkt.“ Dem gebe es wohl nichts mehr hinzuzufügen.
(Ähnliches ist nach allgemeiner Einschätzung von FDP
und Grünen in ihren Programmen zur Bundestagswahl
zu erwarten. – Der Redakteur) Ein eigenes Kapitel
„Lesben- und Schwulenpolitik“ gebe es im Programm
ihrer Partei jedoch nicht – das habe man früher
beim Thema Frauenpolitik auch so gehalten. Die
standesamtliche Eintragung sollte ein Minimum sein,
das nun auch hier in Baden-Württemberg realisierbar sein müsste. Eine solche Diskriminierung habe
Einfluss auf das gesellschaftliche Klima, weswegen
Stuttgarter Bekannte von ihr schon nach Berlin
umgezogen seien.
Dittmar fragte dazu: „Würde denn der Ehe mit der
völligen Gleichstellung – einschließlich der Eintragung auf dem Standesamt – etwas weggenommen?
Wie sieht man das bei den Grünen, Frau Lösch?“ Die
entgegnete dazu: „Natürlich wird der Ehe nichts
„weggenommen“ – eher im Gegenteil. Im Landtag
von Baden-Württemberg habe es bisher noch keine
Diskussion über die positiven Auswirkungen des
Lebenspartnerschaftsgesetzes gegeben. Nachdem
nun die Grünen einen Entwurf für ein Ausführungs-
BET-Reader 2009
gesetz dazu eingebracht hätten, sei ja jetzt auch
den anderen Fraktionen die Chance eingeräumt, sich
dazu zu äußern.
Noll meinte zu den Chancen auch dieses Entwurfs, in
allen Koalitionen würde vorab erst einmal abgeprüft,
was gemeinsam gehe und was nicht, denn Abstimmungen mit wechselnden Mehrheiten würden überall
nach Möglichkeit vermieden und seien auch keine
gute Basis für die Arbeit einer Regierungskoalition.
Als Beispiel aus der Bundespolitik führte er das
Scheitern eines Gesetzentwurfes von Grünen und FDP
zur Drogensubstitution an. Die SPD sei zwar ebenfalls
dafür gewesen, habe dann aber aus Gründen der
Koalitionsraison nicht für den Entwurf gestimmt. So
sei wahrscheinlich in der derzeitigen Legislaturperiode in Baden-Württemberg kein Fortschritt in punkto
Ausführungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz
mehr zu erreichen. Das Thema bleibe aber auf der
Agenda für die nächsten Koalitionsverhandlungen
– mutmaßlich im Jahre 2011. Bis dahin werde man
sich bemühen, beim Koalitionspartner Überzeugungsarbeit in diesem Sinne zu leisten.
Bruns wies darauf hin, dass das Bundesverfassungs-
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Podiumskussion und Abschluss
gericht bislang in der Regel im Sinne einer Gleichstellung geurteilt habe. Vielfach habe dann auch die
CDU in den Landtagen „klammheimlich mitgemacht“,
wenn es um Fortschritte in unserem Sinne gegangen
sei. Manchmal, so zuletzt im Falle des Opferentschädigungsgesetzes, habe die CDU zwar einer direkten
Gleichstellung nicht zugestimmt; dann sei aber die
Gleichstellung durch eine Verweiskette indirekt
ermöglicht worden - auf den Druck der CDU hin. Diese
Rücksichtnahme auf den rechten Flügel der Union
„finde ich fast schon idiotisch“, so Bruns. In BadenWürttemberg speziell sei es aber jetzt regelrecht
schwierig, das für eine Verpartnerung zuständige Amt
herauszubekommen. Durch doppelte Registrierung
würde hier auch ein unnötiger Verwaltungsmehraufwand generiert. Aber auch in anderer Hinsicht könne
man in diesem Bundesland nicht so einfach Papiere
von der Wohnortgemeinde erhalten wie dies in den
anderen Bundesländern üblich sei.
Vogt stimmte – wie auch die anderen TeilnehmerInnen der Runde – Nolls Ausführungen zur
Koalitionsraison im Prinzip zu, meinte aber, auch
unterhalb dessen, was „koalitionsrelevant“ sei,
also der Gesetzesebene, könnten die FDP-Fachminister mehr tun als sie bisher gezeigt hätten. So
könne beispielsweise der FDP-Justizminister eine
Broschüre herausbringen, die den Bürger über den
Podiumskussion und Abschluss
Verwaltungsweg und die Zuständigkeiten informiert,
ohne dass dies dem Koalitionsvertrag widerspräche.
Damit wäre dann aber schon ein Anfang hin zu mehr
Normalität gemacht.
Daraufhin fragte Dittmar, wo es denn ressortmäßig anzusiedeln sei, wenn man nach dem Vorbild
unserer Schweizer Gäste auf eine Überarbeitung der
Lehrpläne der Schulen hinwirken wolle. Natürlich im
Kultusministerium, warf Frau Lösch ein. Die Grünen
hätten dazu bereits einen Antrag formuliert, der
bisher offiziell aber weder im Ministerium noch im
Schulausschuss angekommen sei. „Heroin und Homosexualität“ seien hier in Baden-Württemberg eben
Tabu-Themen und die Debatte dazu oftmals „unter
der Gürtellinie“. Auch an den Schulen – nicht nur hier
im Lande, sondern bundesweit - sei das Klima eher
schwierig und „schwul“ und „lesbisch“ immer noch
üble Schimpfworte. Trotz vieler „Promi-Outings“ in
den letzten Jahren habe sich das Klima eher wieder
verschlechtert – und zwar selbst in Berlin. Hierzu
solle mal die kleinere Regierungsfraktion im Landtag
besonders aktiv werden. [Und wie dann bitte konkret?
– der Redakteur]
Kotz kam auf die von Vogt erwähnten Umzüge nach
Berlin zurück und bestritt „als überzeugter Schwabe
und Stuttgarter“ ausdrücklich und entschieden,
dass hier das Wohnumfeld für Lesben und Schwule
(bzw. das gesellschaftliche Klima) schlechter sei
als beispielsweise in Berlin. Natürlich gehöre das
Thema Homosexualität in den Schulunterricht und
die LSU [„Lesben und Schwule in der Union“ – der
Redakteur] sei hier auch am Ball, etwas zu bewegen.
Und manches kläre sich ja auch rein biologisch,
indem unbelehrbare Alte hinwegstürben, meinte er
verschmitzt.
Dittmar bestätigte, dass es hier in Stuttgart eine
recht große und (er-)lebenswerte lesbisch-schwule
Szene gäbe.
Noll betonte, dass die „Homophobie“ ein gesellschaftliches Problem sei, das nicht erst in der Schule
angegangen werden dürfe. Vielmehr sollte schon den
Kindern im Kindergarten deutlich gemacht werden,
dass die Menschen eben unterschiedlich sind. Bei der
FDP sei auf lokaler, Landes- und Bundesebene die
Gleichstellung homo- wie heterosexueller Menschen
selbstverständlich; in Koalitionen immer wieder aufs
Neue darum kämpfen zu müssen, hänge einem allmählich zum Hals raus. Schließlich hätte ja auch der
BEFAH dann sein Ziel erreicht, wenn er nicht mehr
gebraucht würde.
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Bruns meinte dazu, die Gesellschaft – also die Bevölkerung – sei in ihrer Mehrheit da schon viel weiter als
die Abgeordneten, sowohl die des Bundes- als auch
die der Landtage. Deren Einlassungen gingen nicht
selten schon an der gesellschaftlichen Wirklichkeit
vorbei. Berlin allein sei dabei etwas weiter, so etwa
mit seinem Programm gegen Homophobie.
Vogt fragte „Wer kommt denn in unseren Schulbüchern vor?“ und gab sich selbst die Antwort „Zumeist
doch noch die „klassische Idealfamilie“. Das Thema
Homosexualität dürfe dabei in den Schulbüchern
nicht als etwas ganz Besonderes dargestellt werden,
sondern als etwas ganz Normales. Bei der Darstellung
der Rolle der Frau habe es Jahrzehnte gedauert, von
alten Klischees loszukommen; auch Behinderte kämen
heute noch so gut wie gar nicht in den Schulbüchern
vor. Diese müssten in Zukunft einfach schneller die
gesellschaftliche Wirklichkeit abbilden. Die Homophobie in der Gesellschaft würde natürlich auch verstärkt durch die politische Rechte. Wenn aber auf dem
Land Mütter, die ihre Kinder in eine Krippe geben,
zum Teil noch als Rabenmütter gelten, dann sei es
dort eben auch schwierig, in Sachen Akzeptanz von
Lesben und Schwulen voranzukommen.
Bei der Europäischen Union ist die Homophobie-Frage im Übrigen nach wie vor ein wichtiges Thema, da
eben manche europäische Länder hier noch deutlich
weiter zurück sind als das Deutschland von vor 10
Jahren. Hier muss darum gekämpft werden, dass
die konservativen Kräfte zurückgedrängt werden, so
Vogt.
Wobei – so warf Dittmar ein – das AGG [Allgemeines
Gleichstellungsgesetz] ja ein schönes Beispiel dafür
sei, wie auch einmal der kleinere Koalitionspartner
dem größeren etwas abringen kann.
Lösch begrüßte es ganz allgemein, wenn ein Aktionsplan gegen Homophobie ins Leben gerufen würde, wie z.B. das Berliner Projekt zur zahlenmäßigen
Erfassung von Gewalterfahrungen. Dabei gäbe es ja
die Probleme nicht nur bei bildungsfernen Schichten,
sondern sogar unter Gymnasiasten. Und - um wieder
auf Baden-Württemberg zurückzukommen – aus an
sich hübschen Orten wie etwa Geislingen zögen hier
die Lesben und Schwulen fort, weil sie sonst kaum
offen leben könnten.
Und dann müsse man den Leuten auch klarmachen,
so Dittmar, dass Schwule nicht immer mit Lederkappe und/oder Federboa herumlaufen. „Die habe
ich jetzt beide extra abgelegt“, meldete sich Kotz
BET-Reader 2009
zu Wort. Es brauche eben Zeit, positive Bilder von
Lesben und Schwulen selbstverständlich werden zu
lassen. Kotz ist zum Beispiel Kreishandwerkermeister
und bringt zum Bäckerball schon mal seinen Mann
mit. Man muss sich eben in bürgerliche Vereine und
Strukturen einbringen.
Natürlich sei es das Problem gerade in den eher bürgerlichen Parteien, dass die, die sich schwer tun mit
dem Thema, nicht auf einer solchen Veranstaltung
wie dem Bundeselterntreffen auftreten würden,
meinte Dittmar und fragte Noll, ob sich denn in der
FDP durch das Outing Westerwelles etwas verändert
habe. Der entgegnete, da es eh schon jeder wusste,
sei man eher erleichtert gewesen, dass es nun
„offiziell wurde“. Als Mediziner [- er ist Zahnarzt; der
Redakteur] wies er an der Stelle darauf hin, dass „Homophobie“ eigentlich nicht der adäquate Begriff ist,
da ja Aggression gegen Homosexuelle gemeint ist.
Wichtig sei es, die Menschen zusammenzubringen.
Durch persönliches Kennenlernen werden irrationale
Ängste und Ablehnung bis hin zur Gewaltbereitschaft
abgebaut – außer natürlich bei jenen, die in erster
Linie auf Gewalt aus sind und sich nur irgendein
Opfer suchen.
Dittmar fragte daraufhin Bruns, ob denn nur Berlin
(als einziges Bundesland) anti-homosexuelle Straftaten in der Kriminalstatistik gesondert ausweise.
Der entgegnete, auch in Berlin sei das im Augenblick
nur beabsichtigt, aber noch nicht umgesetzt; in den
anderen Bundesländern sei es noch nicht einmal
geplant, obwohl es sicher sinnvoll wäre. Im Übrigen
habe der LSVD das Lebenspartnerschaftsgesetz auch
aus dem Grunde gefordert, um Lesben und Schwule
mehr sichtbar zu machen. Und das Ziel sei ja nun
damit wirklich erreicht. Zur FDP meinte er, dass der
LSVD mit dem Bundesverband sehr gut zusammenarbeite, nur mit einzelnen Landesverbänden sei es eher
schwierig – in den Fällen aber auch intern, von der
Bundespartei aus gesehen.
Dittmar stellte dann die Frage in den Raum, ob nicht
die Kriminalstatistik in den Ländern kurzfristig zu
ändern wäre. Lösch antwortete, im Prinzip wäre das
möglich. Wichtig wäre aber natürlich auch, das gesellschaftliche Bewusstsein weiterzuentwickeln. Konkret müsste man fragen, was steht auf welcher Ebene
an und wie kann man da positiv etwas bewegen.
Vogt stimmte zu, antihomosexuelle Straftaten
separat zu erfassen wäre hilfreich für die gezielte
Prävention. Während Politiker ansonsten immer dazu
bereit wären, sich zu beinahe jedem Thema zu Wort
49
Podiumskussion und Abschluss
zu melden, hielten sie sich beim Thema Homosexualität und allem, was damit zusammenhängt, auffällig
zurück. Auch unter ihnen könne man dann bisweilen
Aussagen hören wie „Der neue Kollege ist nett,
übrigens schwul – aber sonst o.k.“. Als Anekdote
am Rande erzählte sie an dieser Stelle, ihr selbst sei
im letzten Wahlkampf unterstellt worden, vielleicht
lesbisch zu sein, weil sie auf ihren Plakaten mit ihrem
Hund abgebildet war, aber nicht mit einem Lebenspartner. Der aber wollte nicht mit in die Öffentlichkeit, weil Politik ja auch nicht sein Job ist.
Die erste Frage aus dem Publikum richtete sich an
Herrn Kotz, weshalb hier im Lande die Gebühr für
eine Lebenspartnerschaft höher sei als die für eine
heterosexuelle Ehe und weshalb in Stuttgart bei
der AIDS-Hocketse nicht so lange Musik gespielt
werden dürfe wie bei nicht-schwulen Events. Beides
sei wohl nicht mehr der Fall, entgegnete dieser. Auf
die Gebührenfrage sei er die ersten fünf Jahre lang
nicht angesprochen worden und bei seiner eigenen
Verpartnerung sei er schon nicht mehr betroffen
gewesen. Und in der Stuttgarter Kommunalpolitik sei
nunmehr durchgesetzt worden, dass der Musikschluss für alle Veranstaltungen auf öffentlichen
Plätzen gleich sei.
Zu den Aufgaben der Kommunalpolitik zählt auch
die strukturelle Unterstützung junger Lesben und
Schwuler, die Probleme mit ihrer Herkunftsfamilie haben, womöglich gar nach ihrem Coming out
„zuhause rausgeflogen“ sind. Für die Situation in
Baden-Württemberg zumindest beantwortete Kotz
die Frage dahingehend, dass die Kommunen hier Aufnahmeplätze bereitstellen, und zwar für alle derart
betroffenen Jugendlichen unabhängig vom Grund
des Rauswurfs zuhause. Was das faktische Blutspende-Verbot für Schwule betrifft, wie es sich als
Folge der Praxis vor allem des DRK (Deutsches Rotes
Kreuz) ergibt, so will er sich hier für eine Änderung
einsetzen.
Die künstliche Befruchtung gäbe es in Deutschland
nicht für lesbische Frauen – wo bliebe denn da die im
Grundgesetz verheißene Gleichheit vor dem Gesetz,
lautete eine Frage, die Bruns so beantwortete: „Die
einfache Insemination können Sie ja selbst vornehmen. Dass die „assistierte Insemination“ – also die
mit ärztlichem Beistand durchgeführte – nur Eheleuten und nicht-ehelichen Heteropaaren gewährt
wird, nicht aber lesbischen Lebenspartnerinnen, ist
eine standesrechtliche Entscheidung der Ärzteorganisationen. Zur Begründung wird deren „Fürsorgepflicht“ den Ärzten gegenüber angegeben, womit
50
Podiumskussion und Abschluss
gemeint ist, dass sie vor dann eventuell möglichen,
daraus abgeleiteten Unterhaltsansprüchen bewahrt
werden sollen.“ Noll verwies dazu auf das die völlige
rechtliche Gleichstellung fordernde Programm der
FDP und sieht daraus die Verpflichtung erwachsen,
über das Thema Insemination das Gespräch mit den
Standesorganisationen der Ärzte zu suchen, um hier
zu einer Verbesserung zu kommen.
Der nächste Fragenkomplex richtete sich darauf,
wie es mit der steuerlichen Gleichstellung aussähe.
Gewollt kinderlose Ehepaare etwa gelten steuerlich
als Familie, alleinstehende Frauen und Männer mit
Kindern hingegen nicht und homosexuelle Paare mit
Kindern werden als Alleinstehende veranlagt. Bruns
führte dazu aus, dass bei weitestgehender zivilrechtlicher Gleichstellung die steuerrechtliche leider
immer noch fehle – neuerdings mit Ausnahme des
Erbschaftssteuerrechts, wo ja jetzt die Freibeträge
gleich wären. Der bleibende Nachteil, dass jenseits
der Freibetragsgrenzen für Lebenspartner dieselbe
Steuerklasse wie für einander Fremde gelte, sei der
CDU zugestanden worden, um das Gesicht zu wahren.
Im Allgemeinen hoffe er, nun im Alter von 75, dass
in fünf Jahren zu seinem 80. alle derzeit noch bestehenden Probleme gelöst seien. Das Hauptproblem sei
eben, dass die Parteien möglichst nicht zerstritten
erscheinen wollten, was den Konservativen zu einer
Art Sperrminorität verhülfe. Noll ergänzte, dass das
derzeitige Steuerrecht letztlich noch aus dem traditionellen Familienbild abgeleitet sei. Die FDP strebt
stattdessen ein neues Steuerrecht an, bei dem die
Förderung von Kindern vom Familienstand unabhängig sein solle. Im Übrigen seien die Steuerfachleute
in allen Parteien gleich immer mit dem Rechenschieber dabei, um zu klären, wieviel ein steuerpolitischer
Vorschlag den Finanzminister kostet. Und dann seien
sie eben auch nicht selten für die von Bruns beschriebene „Sperrminorität“ dankbar.
Vogt betonte dazu, dass der Widerstand gegen familienpolitisch motivierte Veränderungen im Steuerrecht schon bei den nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften seitens der Kirchen sehr stark sei, insbesondere aus ihrer eigenen, der katholischen Kirche. So
wollten die SPD-Frauen schon längst das Ehegattensplitting abschaffen außer für jene Partnerschaften,
in denen Kinder leben. Der frühere Bundeskanzler
Schröder habe sich damals aus rein pragmatischen
Gründen dagegen ausgesprochen, denn das gereiche
Vielen zum Nachteil – und was solle man dann bei
älteren Paaren machen, wenn die Kinder aus dem
Haus sind? Kotz teile die Zielsetzung seiner Vorred-
BET-Reader 2009
nerInnen, pflichtete er bei. Aber die Umsetzung sei
wohl nur realistisch bei der Einführung eines völlig
neuen Steuersystems, „damit keiner mehr weiß, ob
er nun Vor- oder Nachteile bei den Veränderungen
hat“. Lösch betonte dann, dass ja die Abschaffung
des Ehegattensplittings unter Rot-Grün an der SPD
gescheitert sei. Sie aber meinte im Gegensatz zu
Kotz, dass sich dessen Abschaffung auch ohne eine
radikale Steuerreform bewerkstelligen ließe, wenn
man das wolle, und dass es dann nur noch eine
steuerliche Förderung von Kindern zu geben brauche.
Lösch meldete sich auch als erste zum Fragenkomplex „Probleme mit der Kirche“ zu Wort, indem sie
darauf hinwies, dass im (aus rund 230 Personen bestehenden) Zentralkomitee der deutschen Katholiken
(ZdK) auch die Grünen mit einem Mitglied vertreten
seien, das das Thema Homosexualität immer wieder
einbringen würde. Als beispelsweise die badenwürttembergische Sozialministerin Dr. Stolz (anders
als jetzt zum Bundeselterntreffen) im vorigen Jahr
ein Grußwort zum Stuttgarter CSD verweigerte wegen
dessen Motto „Ich glaube …“, hatte sie zugesagt,
mit Kirchenvertretern darüber zu sprechen. Nun
wird nachgefragt werden, was denn diese Gespräche
ergeben hätten. Auch der Auftritt von „Homoheilern“
in Marburg wurde angesprochen und – z.B. vom
ehemaligen BEFAH-Vorstandsmitglied Renate Löhr
– gefordert, dass die Politik bei solchen Vorgängen
nicht tatenlos zusieht. Wörtlich: „Zu sagen, die
Kirche mauert da, reicht mir nicht.“ Die Kirchenleitenden müssten „umgepolt“ werden in ihrer Haltung
zur Homophobie. Gerade hier in Baden-Württemberg
(und speziell auch in der Region Stuttgart) sind ja
auch selbsternannte „Homoheiler“ aktiv – „aber keine, die Heterosexuelle zur Homosexualität hin heilen
wollen.“ Kritisch hingewiesen wurde auch darauf,
dass die „HeilerInnen“ für ihren Auftritt in Marburg
auch UnterstützerInnen aus den Reihen der CDU gefunden hätten. (Darunter sind solche, die sich schon
gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz gewandt
und von jeher als Kämpfer gegen gleiche Rechte für
Lesben und Schwule hervorgetan hatten.) Während
jemand (auf die dortige Öffnung der Ehe abzielend)
bemerkte „Was im erzkatholischen Spanien geschafft
wurde, müsste bei uns doch auch zu schaffen sein!“,
fragte jemand anderes „Wie begründen die Kirchen
eigentlich ihren hohen Anspruch auf Einflussnahme
bei ihren sinkenden Mitgliederzahlen – und wie
begründen es die Parteien, dass sie diese Ansprüche
akzeptieren?“ Noll meinte, die FDP sei wohl in den
Kirchen personell weniger stark vertreten als andere
Parteien und könne von daher auch innerhalb der
Kirchen weniger bewirken. Er selbst sei aus der ka-
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tholischen Kirche schon vor langer Zeit ausgetreten
wegen deren Sexualmoral und des Umgangs mit dem
Thema AIDS. Ein Vorschlag, eine Resolution des Bundeselterntreffens an die Kirchen zu entwerfen und zu
verabschieden, wurde dann nicht weiterverfolgt.
Im Zusammenhang mit Marburg erwähnte ein
Teilnehmer einen – nicht veröffentlichten – Leserbrief an eine Zeitung, von dem er Kenntnis erlangt
hatte, in dem „unsere Kinder mit Drogensüchtigen
und Alkoholikern gleichgesetzt wurden.“ Frau Vogt
berichtete dazu von einem Erlebnis mit einer CVJMJugendgruppe „aus ganz normalen gutsituierten
Familien“ aus einer pietistisch geprägten Region,
die ihr voller Feindseligkeit sagten „Zum Kirchentag
gehen wir nicht hin, weil da auch die Lesben und
Schwule auftreten dürfen!“ Dabei war das ja ein offen
vorgebrachtes Statement; in der heimischen Kommunalpolitik mussten Eltern die Erfahrung machen,
dass in einer nichtöffentlichen Sitzung ganz anders
geredet wurde als sonst in der Öffentlichkeit – und
das z.T. auch von Jüngeren, denen sie keine derartigen antihomosexuellen Ausfälle zugetraut hätten.
Vogt betonte dazu, dass dumme Bemerkungen bei
Stammtischgesprächen dann aber gut zum Anlass
genommen werden könnten, selbst einzugreifen und
Klartext zu reden.
Bruns meinte abschließend, dass trotz aller immer
noch und immer wieder zu hörender Vorurteile
und Abneigungen in den letzten Jahren erhebliche
gesellschaftliche Fortschritte durchaus erkennbar
seien. Dafür spreche zum Beispiel auch jetzt gerade
wieder die Entscheidung in Berlin, dass Ethik Pflichtund Religion Wahlfach bleiben soll. Er jedenfalls
hoffe es noch zu erleben, dass das eine oder andere
heute noch bestehende Problem schon in den nächsten Jahren gelöst werden wird.
Fazit des Redakteurs:
Alle Diskutanten treten für Fortschritte in Bezug auf
die rechtliche Gleichstellung ein – etwaige Gleichstellungsgegner hat keine Partei in die Runde entsandt.
Abgesehen von lokalen Besonderheiten ist die Union
von einer Gleichstellungspolitik noch am weitesten
entfernt.
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Podiumskussion und Abschluss
Podiumskussion und Abschluss
Ausklang und Schlusswort
– Gudrun Held
Zum allerletzten Mal muss ich die angeregten Gespräche untereinander stören und Sie und Euch hier
im Raum zusammenholen. Das tue ich nicht gern,
jedoch, unsere Zeit miteinander ist zu Ende. Die Ersten müssen schon gleich zum Bahnhof. Also nur noch
ganz kurz: Das war ein merk-würdiges Bundeselterntreffen, das nun zu Ende geht. Langjährige Mitglieder
und Neulinge sind in vertrauensvolle, gute Gespräche
gekommen. Wir alle spürten, wie gut es tut, zur Mehrheit zu gehören, die wir hier erlebten. Dafür bin ich
allen Anwesenden sehr dankbar.
Ich wünsche Euch und Ihnen allen: Kommt, kommen
Sie gut nach Hause. Nehmt mit, was gut und bereichernd für Euch ist und lasst hier, was nicht gefällt
oder ärgerlich ist.
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen in zwei Jahren
– und das wird wahrscheinlich wieder in Berlin sein.
Eine gute Heimfahrt – Aufwiedersehen – Ade.
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Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
Karten der Elterngruppe Stuttgart
„Mein Kind ist schwul!“
„Die Reli-Lehrerin wusste es – ich wusste es nicht“
Karte zum Stuttgarter CSD 2008, dessen Motto „Ich
glaube ... „ lautete
Beide Ausschnitte aus dem
Stuttgarter Wochenblatt
vom 30. April 2009
Auf der Rückseite befindet sich ein Goethe-Zitat:
„Jeder, der in sich fühlt, dass er etwas Gutes wirken
kann, muss ein Plagegeist sein. Er muss sein wie eine
Fliege, die, verscheucht, den Menschen immer wieder
von einer anderen Seite anfällt.“
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Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
Bericht im vk-newsletter
der RG Frankfurt
Eltern kämpfen für die Rechte von
Schwulen und Lesben
Vom 1. bis 3. Mai 2009 fand in Stuttgart das 10.
Bundeselterntreffen des BEFAH statt. Es stand
unter der Überschrift „Wir sind da! Nehmt uns
wahr! - Eltern erwarten ein besseres Verständnis
für ihre lesbischen und schwulen Kinder in der
Gesellschaft.“
Es wird weiter diskutiert - Ansgar Dittmar (Mitte) im
Gespräch mit Dirk Hartmann (links) und Josef Bonn
nach der Podiumsdiskussion
BEFAH e. V. steht für Bundesverband der Eltern,
Freunde und Angehörgen von Homosexuellen
und gründete sich am 29.11.1997. Der Verband
hat heute ca. 200 Mitglieder und ist bundesweit
aufgestellt. Die VK-Mitglieder Josef Bonn und Dirk
Hartmann, mit Lebensgefährte Marc-Christopher
Schütz, dessen Eltern sich schon seit 8 Jahren für
die Belange des Vereins einsetzen, nahmen als
Gäste an der Tagung teil. Weiter war noch Ansgar
Dittmar, ebenfalls VK’ler und Bundesvorsitzender
der Schwusos, als Moderator für eine politische
Podiumsdiskussion mit dabei.
Nach der Begrüßung durch die Bundesvorsitzende
Gudrun Held eröffnete Stuttgarts Bürgermeisterin
Gabriele Müller-Trimbusch das Bundeselterntreffen
mit ihrem Grußwort. Die Anwesenden durften sich
weiter über die Grußworte der Bundesfamilienministerin Dr. Ursula von der Leyen, der Ministerin für
Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg,
Dr. Monika Stolz MdL, sowie des (ev.) Landesbischofs
Dr. h.c. Frank Otfried July freuen.
Als Vertreterinnen des Schweizer Verbandes „FELS“
überbrachten die Vizepräsidentinnen Brigitte
Schenker und Hanni Müller (Vizepräsidentin a.D.)
ihre und des Präsidenten Fritz Lehre gemeinsame
Grußbotschaft. Als Präsent überreichten sie eine aus
Holz vom Genfer See geschnitzte „Regenbogen Kuh“.
Danach begann das Tagungsprogramm mit einem
Referat durch den Stuttgarter Sozialpädagogen und
Theologen Hermann J. Bayer. Anschließend stellten
die türkischen Frauen Ulrike Öztek und Günseli Dum
von der Familiengruppe „Lambda Istanbul“ die derzeitige Situation ihrer Gruppe in der Türkei und
speziell in ihrer Stadt Istanbul vor. Nach dem gemeinsamen Abendessen gab es reichlich Gelegenheit zum
persönlichen Gespräch und Gedankenaustausch.
Das Programm des Sonnabends, 2. Mai 2009, wurde
durch das Referat des Hannoveraner Psychologen
Henning Röhrs mit dem Titel „Am Anfang war es
Scham …!“ eingeläutet. Er ermunterte die Anwesenden in bestimmten Arbeitsphasen seines Referates zu
- lebhaften ! - Gesprächen auch untereinander und
sammelte viele Statements seitens der Eltern und
auch einzelner anwesender „Kinder“ (bzw. er-
56
wachsener Söhne und Töchter) ein. - Einer dieser
„Söhne“, nämlich Sören Landmann, stellte im Anschluss das zum Tag der Menschenrechte im vorigen
Jahr gegründete „Aktionsbündnis gegen Homophobie“ vor. Mehr darüber ist im Internet unter
www.aktionsbuendnis.org nachzulesen.
Den Samstagnachmittag eröffnete dann Hermann
Bayer mit seinem zweiten Referat (mit Diskussion)
„Wie heil machen Heilungstheorien? - Wie erreicht
man Eltern, die diesen Theorien ausgesetzt sind?“.
Darin wies er unter anderem auch darauf hin, wie
verletzend „für uns Lesben und Schwule“ die „klassische“ (anfängliche) Elternfrage sei „Was haben wir
falsch gemacht?“, impliziert sie doch, „wir“ (Lesben
und Schwule) seien falsch. Und er stellt fest: „Erklärungsbedürftig ist nicht die Homosexualität. Sondern
vielmehr, warum in unserer Gesellschaft immer noch
viele Menschen Schwule und Lesben verachten und
anfeinden.“
Es folgte Aleksij Urev vom LSVD mit seinem Referat
zur Vorstellung des Projekts „Kultursensible Aufklärung in Familien mit Migrationshintergrund“. Besonders interessant in diesem Zusammenhang waren die
anschließenden und ergänzenden Berichte der internationalen Gäste (ausschließlich Damen) – darunter
Irmgard Fischer aus Argentinien, Gudrun Rögnvaldardottir aus Island und Frau Schenker sowie Frau Müller
von BEFAH‘ s Schweizer Partner-Organisation FELS.
Frau Fischer, die die erste Elterngruppe in Südamerika gründete, kam durch ihren seit ein paar Jahren in
Stuttgart lebenden Sohn zur Elternarbeit der Stuttgarter Elterngruppe. Sie engagiert sich bei der neuen
internationalen Kooperation spanisch-sprechender
Länder, die auch die spanisch-sprechende Community der USA umfasst - und neuerdings auch Brasilien.
Frau Rögnvaldardottir von der isländischen Elternvereinigung konnte aus dem aus Lesben- und
Schwulensicht fortschrittlichsten Land berichten.
Die Anzahl der CSD-Teilnehmer in Reykjavik stieg im
Jahr 2008 auf 70.000 (bei einer Gesamtbevölkerung
von 320.000!). Die Partnerschaft von Lesben und
Schwulen kann nun auch in der Kirche eingegangen
werden und binnen eines Jahres soll es ohnehin ein
Ehegesetz für alle geben - „Heteros“ wie „Homos“.
Wie kommt‘s? Seit dem 1. Februar 2009 hat Island
mit seiner neuen lesbischen Ministerpräsidentin
Johanna Sigurdadottir das erste homosexuelle
Regierungsoberhaupt der Welt (sie ist seit 7 Jahren
mit einer Frau verpartnert). Eigentlich ist Homosexualität in Island kein Thema mehr, die gesetzliche und
soziale Anerkennung weitestgehend erreicht - und
dennoch gibt es immer noch Vorurteile und Gewalt,
insbesondere unter Jugendlichen.
BET-Reader 2009
Die Schweizer Organisation FELS hat im Moment
Schule und Elternhaus als Hauptthema im Visier
und will dabei alle Eltern erreichen, nicht nur die
mit homosexuellen Kindern. Sie schreiben zu dem
Zweck alle Organisationen und Institutionen an,
die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.
Bei ihremSchulprojekt, das sie gemeinsam mit
LOS (der Lesben-Organisation der Schweiz) und
Pink Cross (der analogen Schwulen-Organisation)
betreiben, gehen ein Schwuler und ein Elternteil
gemeinsam in die Schulklassen und betreiben
Aufklärung. Daran, dass das Thema angemessen
in den Schulbüchern zur Sprache kommt, arbeitet
man noch. Auch das Partnerschaftsrecht bedarf
aus Sicht des Schweizer Verbandes noch einiger
Nachbesserungen - etwa in den Bereichen Altersvorsorge, Erbschaftsrecht und Steuerrecht.
Weiteres Ziel ist der Fall des Verbotes der künstlichen
Befruchtung und der Adoption. Hier besteht sogar
ein geradezu grotesker Nachteil im Vergleich zur Situation bei uns: nein, nicht nur hinsichtlich des Fehlens der Möglichkeit der Stiefkindadoption, sondern
dadurch, dass Adoptionen Lesben und Schwulen nur
als Einzelpersonen erlaubt sind (wie in Deutschland
auch), aber - und hier ist der Unterschied! - nur
solange sie nicht in einer Partnerschaft leben!
schlechtliche Lebenspartnerschaften werden wir mit
der Ehe gleichstellen – Punkt“ Dem gab es wenig
hinzuzufügen. Ähnliches ist von FDP und Grünen in
ihren Programmen zur Bundestagswahl zu erwarten.
Bruns meinte abschließend, dass erhebliche gesellschaftliche Fortschritte in den letzten Jahren
durchaus erkennbar seien und dass er es noch zu
erleben hoffe, dass das eine oder andere heute
noch bestehende Problem schon in den nächsten
Jahren gelöst werden würde.
Der große Programmpunkt am Sonntag war eine
Podiumsdiskussion mit Manfred Bruns, Bundesanwalt
a.D. und Vertreter des LSVD, Dr. Ulrich Noll MdL,
Fraktionsvorsitzender der FDP im baden-württembergischen Landtag, Ute Vogt, SPD-Landesvorsitzende
in Baden-Württemberg, Alexander Kotz, CDU-Stadtrat in der Landeshauptstadt Stuttgart, sowie Brigitte
Lösch MdL, Bündnis 90 / Die Grünen, Vorsitzende des
Sozialausschusses im baden-württembergischen
Landtag. Ansgar F. Dittmar, Bundesvorsitzender der
Schwusos in der SPD, fungierte wie bereits erwähnt
als Moderator. Alle Parteienvertreter fordern weitere
Fortschritte in Bezug auf die rechtliche Gleichstellung, doch hat es Kotz dabei in seiner Partei besonders schwer, seine Parteifreunde zu überzeugen.
Als verpartnerter und bekennender Schwuler bringt
er allerdings seine konservativen Parteifreunde im
persönlichen Umfeld fortwährend „auf seinen Kurs“.
Aus dem Newsletter des Völklinger Kreises,
Regionalgruppe Frankfurt & Mainz/Wiesbaden,
Ausgabe Juni 2009, Seiten 4-6
In ihrer Zusammenfassung und Verabschiedung
meinte die BEFAH-Bundesvorsitzende, dass in
diesen drei Tagen in Stuttgart viel Vertrauen unter
bisher einander Fremden entstanden sei. Wir VK’ler
finden es sehr bewundernswert, dass es so viele
Eltern gibt, die sich bundesweit organisieren und
sich mit sehr viel Energie und Engagement für unsere
Rechte einsetzen. Es bleibt jedoch nach wie vor noch
viel zu tun, bis sich Verbände wie der BEAFH und der
VK einmal überflüssig gemacht haben. Mehr über
den BEFAH e.V. ist im Internet unter www.befah.de
zu finden.
Dirk Hartmann – RG Frankfurt
Als Handwerksmeister und Vorsitzender seiner
Innung stellt dies für ihn inzwischen kein Problem
mehr dar. Abgesehen von diesen lokalen „Erscheinungen“ ist die CDU von Gleichstellung jedoch
noch weit entfernt. Homosexuellen Paaren bleibt
zum Beispiel in Baden-Württemberg weiterhin das
Standesamt verwehrt, um Ihre Verpartnerung eintragen zu lassen. Ute Vogt hob hervor, dass die SPD als
erste und bis dato einzige Partei zum Zeitpunkt der
Tagung einen einzigen wichtigen Satz im Wahlprogramm stehen habe: „Eingetragene gleichge-
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57
Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
Impressionen vom BET 2009 in Stuttgart
– Renate Löhr, Pastorin i.R.
Das fand ich gut.
Was ist BEFAH?
Henning Röhrs hat aus den Anfangsbuchstaben ein
Motto entwickelt:
B - Bundesverband
E - einer
F - freundlichen und friedevollen
A - Anhörung von
H - Homo-Eltern
Ich denke weiter:
freundlich und friedevoll – also ff!
Ein ff Bundesverband!
Das fand ich gut.
Die Grußworte der Stuttgarter Bürgermeisterin Frau
Gabriele Müller-Trimbusch waren eine überraschend
gelungene und ehrliche Rede einer Politikerin zu
Beginn der Tagung. Sie hatte sich offensichtlich persönlich mit dem Thema beschäftigt und unterschied
sich daher wohltuend von dem üblichen langweiligen
Blabla solcher Eingangsworte hin und her im Lande,
die ich gern so zusammenfasse: Wir sind auch dafür!
Aber wofür, das weiß manchmal der Redner selber
nicht. Diese Frau wusste genau, wovon sie redete,
und sie war innerlich beteiligt und berührt. Ich saß in
derselben Reihe wie sie. Als sie das Podium verlassen
hatte, habe ich ihr spontan einen Zettel zugeschoben. Darauf habe ich geschrieben: Voll ins Schwarze
getroffen! Danke!
Das fand ich gut.
Der Referent Hermann Bayer wagte es, die über 80
Teilnehmer/innen in seinem 1.Vortrag auf einen
Phantasieweg mitzunehmen, der in die tieferen
Schichten der Seele führt und die Türen aufschließt
für eine Kommunikation auf der Ebene des Unbewussten, dessen, was sich unterhalb der kognitiven Oberfläche abspielt. Viele sind dabei auf die
Tiefe ihrer Gefühle gestoßen, auf ihre Ängste, ihre
Traurigkeiten, ihre Scham, ihre Zerrissenheit, ihre
verzweifelten Hoffnungen und Wünsche nach sog.
Normalität. Dieses Wagnis einer völlig unkonventionellen, fast überrumpelnden Eröffnung initiiert eine
Tagungsatmosphäre, die von Offenheit, Wahrhaftigkeit und äußerstem Vertrauen der Menschen
untereinander geprägt wird.
Das fand ich gut.
Was die Frauen und Männer am Samstag unter der
Leitung des Referenten Henning Röhrs erlebten,
habe ich eine ‚explosive Befreiung‘ genannt. Herr
Röhrs ermunterte die Mütter und Väter, von ihren
Gefühlen und Erfahrungen miteinander zu sprechen,
sich gegenseitig ihre schweren und ihre hoffnungsstarken Geschichten zu erzählen, das Peinliche, die
Scham, die Schuldzuweisungen an sich selbst, die
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Unsicherheiten, die Ängste vor dem sog. Makel zu
benennen. Von Gefühlen zu reden, die wir gemeinhin
verstecken und verdrängen, ist befreiend. Der lebhafte Gesprächslärm im Plenum war mir Beweis dieses
befreienden Geschehens.
Das fand ich gut.
Beide Referenten, Hermann Bayer und Henning
Röhrs, pflegten den Redestil der ‚offenen Rede‘. Sie
hielten im Grunde keine Vorträge im altbekannten
Sinn in der Art von ‚Einer spricht und alle anderen
hören schweigend zu‘. Sie begaben sich in ein Gespräch mit den Zuhörern, in ein inneres Gespräch mit
Anfragen, Vermutungen, Hinweisen, Antwortmöglichkeiten, Ermutigungen und Aufforderungen zum
Sprechen miteinander. Für mich war dieser Tagungsstil überraschend neu und überraschend wirkungsvoll. Letztlich führte er Menschen zur offenen und
vertrauenden Gemeinschaft zusammen. Manchmal
wirkte das ganze wie ein großes Familientreffen.
Das fand ich gut.
Innere Sicherheit trotz des Wissens um die Zerrissenheit und um die Sehnsucht nach Einssein fassten
die Referenten in Worte und verkörperten sie auch
selbst mit ihrer Persönlichkeit. Diese persönliche
Gestaltung und Gestalt vermittelten den Teilnehmern/innen Zutrauen gegen Bedrückung, Glaube an
eine bessere Zukunft.
Das fand ich gut.
Das Wir der Gemeinschaft konnte sich verwirklichen
auch in dem offenen und großzügig angelegten
Ambiente des Tagungshotels, das mit seinem Innenhof, den Sitzecken, den verschiedenen Räumen zum
Miteinander, zum Kennenlernen, zum Austausch und
zur Freundschaft einlud.
Das fand ich gut.
Das Wunder der internationalen Begegnung mit Menschen aus der Schweiz, aus Island, aus Argentinien,
aus der Türkei habe ich als besonders glückliches
Ereignis erlebt. Auch den Politikern hat diese sogar
über Europa hinausgehende Besetzung imponiert;
sie haben vielleicht ein wenig eingesehen, dass die
Arbeit des BEFAH ernster zu nehmen ist als sie wohl
ahnen konnten.
Das fand ich gut.
Die FELS-Kuh mit Hörnern, Blumen und Regenbogenfarben - ein beziehungsreiches und symbolträchtiges Geschenk. Und mit welcher Freude und
Überzeugungskraft die beiden schweizer Frauen ihr
Schmuckstück interpretiert haben, das war einfach
ein anrührender Spaß.
Der Funke aus Begeisterung und Leidenschaft sprang
über.
BET-Reader 2009
Das fand ich gut.
Dass Erica Micale eine Vorlesestunde am Samstagabend organisiert hatte, fand ich besonders gelungen.
Ich liebe die Tiergeschichten von Manfred Kyber und
ihren Bezug zu unseren menschlichen Verhaltensweisen. Und der vortragende Schauspieler hatte die
bezaubernde Gabe, sich durch Mimik und Gestik dem
jeweiligen Tier ähnlich zu machen. Ich habe es sehr
begrüßt, dass ein total anderes Thema für eine Stunde aus dem ‚Schmoren im eigenen Saft‘ herausführte
und zum Schmunzeln und Nachsinnen Raum gab.
Das ist mir wichtig.
Und da ich gerade mit meinen Gedanken beim Geld
bin: Es gab private Spenden. Sie sind das Salz in der
Suppe der Finanzierungsmodalitäten.
Das fand ich weniger gut.
Dazu fällt mir nichts Wesentliches ein!
Es war einfach rundum o.k., zukunftsweisend, stärkend und verbindend.
Das fand ich gut.
Das Podium am Sonntag Vormittag war nicht nur mit
schwulen Politikern wie beim BET 2007 in Hamburg
besetzt. Dadurch war eine breitere Auseinandersetzung möglich. Ich erlebte die ausgewogene Argumentation des Bundesanwaltes a.D. Manfred Bruns
(Vorstandsmitglied des LSVD); die weite und fundierte Toleranz des FDP-Vertreters; die vorsichtige
Annäherung des CDU Mannes an die Thematik – seine
Partei ist leider noch nicht so weit; die eloquente,
erfahrene SPD-Politikerin; die Vertreterin der Partei
der Grünen, von der ich mir mehr Einsatz gewünscht
hätte als die Aufzählung dessen, was die Grünen in
Sachen politischer Akzeptanz von Homosexualität
erreicht haben. Das weiß ich schon und kann es
anerkennen. Aber wie sieht das Engagement der
Grünen für die Zukunft aus? Der Diskussionsleiter
Herr Ansgar Dittmar machte seine Sache souverän
und zugleich angenehm locker.
Das ist mir wichtig.
Erica Micale und ihrem Mann Stefano sowie der
Elterngruppe Stuttgart sage ich danke für die Vorbereitung, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit.
Der Befah-Bundesvorstand: W. Schütz, G. Schmidt, G. Held, G. Stein und C.Bauer (von links nach rechts)
Das ist mir wichtig.
Dem Bundesvorstand gelten meine Hochachtung und
mein großer Dank.
Es ist immer wieder ein Kraftakt, eine Tagung dieses
Ausmaßes und dieser Qualität durchzuführen. Hinter
und vor den Kulissen ist viel Klein- und Schwerarbeit
nötig, die mit für das Gelingen sorgt. Die Freude der
Vorständler an dieser Arbeit ist auch ein Grund mit
für das gute Tagungsklima.
Das ist mir wichtig.
Die finanzielle Förderung der Tagung durch das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Jugend
und Soziales möchte ich lobend hervorheben. Nur
dadurch war es möglich, die Kosten für die Teilnehmer/innen relativ niedrig zu halten. Dass der Staat
unser Engagement für die Akzeptanz der Homosexuellen durch seine Unterstützung anerkennt, will ich
nicht zu klein schreiben.
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Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
Gedicht
– Dorle Johannsen, Winnenden
Danksagung
– Roswitha Schirra
Liebe Frau Held,
BEFAH
wofür sind denn diese da?
Gewusst hatt‘ ich‘s natürlich schon,
es geht um Tochter oder Sohn lesbisch oder gar auch schwul
aus Hamburg oder Istanbul.
Auch gab es manch‘ Gesprächesrunden,
um die Gefühle zu erkunden,
um die Scham zu überrunden die Seele soll danach gesunden!
Zum ersten Mal in diesem Jahr
nahm ich teil am Seminar
von Eltern unsrer Homosexuellen,
das Recht auf Gleichheit herzustellen.
Nun muss ich mich nach diesen Tagen
auch selbst nach meinem Eindruck fragen:
Am Anfang war die Lust nicht groß,
das Thema ließ mich dann nicht los!
Viele Mütter, viele Väter
fühlen sich als Übeltäter!
Doch höret: Homosexualität
ist keinerlei Abnormität,
erdacht, erschaffen von der Natur,
nicht korrigierbar durch Dressur!
Hier Probleme zu besprechen
mit Menschen, die nicht unterbrechen,
niemand war es unbequem
zuzuhör‘n - wie angenehm!
Allen konnt‘ man hier vertrauen,
seinen Selbstwert gut aufbauen.
Sympathie und Harmonie
stimmten ebenso wie die Regie.
Um dieses und um Vieles mehr
ging‘s diesmal hoch in Stuttgart her:
Politiker und Theologen
vom Thema her sehr sachbezogen,
Eltern von der Elterngruppe,
einer von der Schauspieltruppe,
auch das Ausland war vertreten,
alle wurden sie gebeten,
befreit uns von der Seelenqual
Lesbisch-/Schwulsein ist normal!
zuerst möchte ich mich für Ihr Engagement und die
Zeit, die Sie für und im Interesse unserer Kinder einsetzen, ganz herzlich bedanken. Das gilt natürlich für
den gesamten Vorstand und alle an der Organisation
Beteiligten.
Ich fand dieses Treffen als sehr informativ, wohltuend und familiär.
[…]
Gemeinsam mit einer Mutter aus Mannheim möchte
ich eine Elterngruppe gründen. Wir wollen uns einmal
in Baden-Baden treffen und einmal in Mannheim.
Vielleicht wachsen daraus zwei Elterngruppen? Jedenfalls haben wir das während des BEFAH-Treffens
so angedacht. Wenn wir die Rahmenbedingungen
geschaffen haben, melden wir uns.
Ich wünsche Ihnen ein schönes und erholsames
Wochenende.
Herzlichen Gruß
Roswitha Schirra
Nun noch zum Schluss,
für mich kein Muss:
danken möcht‘ ich allen sehr,
ich freu‘ mich auf die Wiederkehr.
Mein bester Dank auch einer Dame,
Erika Micale ist ihr hübscher Name.
Mit sehr viel Zeit und viel Elan,
hat sie für Eltern viel getan!
Es war eine schöne Zeit für ein Mehr bin ich bereit!
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BEFAH - Elterngruppen
Anhang: Pressestimmen und Verschiedenes
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München
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0911 - 59 14 15
Paderborn
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0160 - 92 60 53 11
Stuttgart
Erika Micale
0711 - 74 41 55
Würzburg
Angelika Mayer-Rutz
07931 - 45 93 7
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