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Ma bie ü rn de omo erwin o e n b h u e ü p a d o e n i M i m b opho inden der Ho m e überw i w o n r b r H e o e b r h u e ü p a omo n M hobie uern d e p a d o n M i m w o r n ie übe n der H rwinde b r e o e b h u ü p a o e i M Hom den ophob n i m w o r H e b r ern de hobie ü u p a o M m o rH inden w r e b ü phobie o m o H er r if t hzeitsch rime c a F O NE -C Die M A hobie und Hate p o zu Hom i l 2008 01 / A p r gne.de zkampa Ausgabe n a r le to neowww.ma 10,00 ebühr € g Schutz Männlichkeit Wann ist ein Mann ein Mann? Popkultur Homo-Bashing – nur Attitüde? Fußball Homophobie: Rote Karte! Migration Mythos „Multikulti“ Religion Keine zwei Meinungen Polizei Der Draht in die Behörden Editorial Wir setzen Zeichen. enjoy bed & breakfast ist eine der weltweit führenden Agenturen für die Vermittlung privater Unterkünfte in der schwul-lesbischen Community. Unser Ziel ist es, Menschen zueinander zu bringen. Ein global funktionierendes Netz von Unterkünften für Schwule, Lesben und deren Freundinnen und Freunde – in angemessener Qualität und sicherer Umgebung – soll die Grundlage für eine interkulturelle Kommunikation bilden. Durch unsere Arbeit und unser Engagement fordern und fördern wir Toleranz, Akzeptanz und Selbstverwirklichung. In diesem Sinne unterstützen wir MANEO, um ein Zeichen zu setzen für ein respektvolles und tolerantes Miteinander. Editorial Homophobie und vorurteilsmotivierte Hassgewalt werfen einen Schatten auf die freiheitliche Grundordnung unserer Gesellschaft. Seit 18 Jahren ist MANEO als profiliertes schwules Anti-Gewalt-Projekt in Berlin tätig, um schwulenfeindliche Gewalt sichtbar zu machen, auf die anhaltende Ausgrenzung und Diskriminierung von homosexuellen Männern hinzuweisen und mehr Licht in das Dunkelfeld homophober Gewalt zu bringen. schaftlichen Vorurteilen nicht frei; viele Betroffene fürchten deshalb Rechtfertigungen gegenüber Bekannten und Freunden und verschweigen aus Scham und Angst die erlebte Demütigungen und Gewalt. Neben Gewaltprävention sind Opferhilfe, Meldestelle und Engagement zentrale Kernbereiche des Projekts. Auf den aus dieser Vernetzung resultierenden Synergieeffekten basiert unser langjähriger Erfahrungsschatz im Kampf gegen Homophobie und Hassgewalt. So steht die mittlerweile gesellschaftlich geforderte Aufgabe, Vorurteile und Gewalt gegen Homosexuelle zu überwinden, den Alltagserfahrungen vieler Schwuler widersprüchlich gegenüber. Ihr Alltag berührt gesellschaftliche Teilbereiche, durch die sie nach wie vor mit Homophobie und Ausgrenzung konfrontiert sind, teilweise auch mit konkreter schwulenfeindlicher Gewalt. Unser Bemühen ist, diese Bereiche zu skizzieren und sichtbar zu machen. Damit ein tragfähiges Fundament für Toleranz und Akzeptanz geschaffen werden kann, müssen die Mauern der Homophobie überwunden werden. In unserer Arbeit wird uns regelmäßig vor Augen geführt, wie sehr Alltag und Gewohnheit jedoch den Blick auf Probleme verstellen. So verursachte der Hinweis der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin (GEW) vor einiger Zeit, „schwule Sau“ sei das meistgebrauchte Schimpfwort an Berliner Schulen, in Politik und Verwaltung eher ein Achselzucken, als dass ein Maßnahmenkatalog zu Wege gebracht wurde, schwule Schüler und Jugendliche vor Beleidigungen und Ausgrenzungen besser zu schützen. Während unserer vielen Vor-Ort-Aktionen, die wir regelmäßig in den schwulen Szenen Berlins durchführen, sprechen wir jedes Jahr mit Tausenden Szenegängern über Alltagsdiskriminierung und Gewalt. Auch hier erfahren wir immer wieder Achselzucken und Kopfschütteln, wenn wir auf die Notwendigkeit hinweisen, auch Beleidigungen und verbale Bedrohungen zu melden oder zur Anzeige zu bringen. Als Antwort erhalten wir mit großer Regelmäßigkeit, dass man als Schwuler dann ja fast täglich unser Überfalltelefon anrufen oder Anzeige bei der Polizei erstatten müsse, und: Als Schwuler lerne man eben früh, sich auf diese Gegebenheiten einzustellen, sich anzupassen, damit zu leben. Als Schwuler in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden, geht mit einem hohen Risiko einher, Beleidigungen und Anfeindungen, sogar körperliche Übergriffe zu erleben. Für sehr viele Schwule lautet deshalb die Devise „no show“, nicht auffallen, oder „straight acting“, sich allgemeinen Normenvorstellungen nach unauffällig männlich verhalten. Nicht selten resultiert daraus die irrige Annahme, dass diejenigen, die dennoch Übergriffe erlitten haben, sich falsch verhalten haben müssten, dass sie die Situation durch ihr Verhalten mitverursacht oder gar provoziert hätten. Auch die schwulen Szenen sind von diesen allgemeingesell- Unsere Fachzeitschrift impuls, die einmal jährlich erscheinen soll, unterstützt dieses Anliegen, indem sie die verschiedenen Themenfelder in den Kontext unserer eigenen Bemühungen auf diesen Gebieten setzt. Mit impuls möchten wir sachdienliche Informationen über die Themen sowie über unsere Arbeit vermitteln, gesellschaftliche Aufklärungsarbeit unterstützen und so dazu beitragen, Mauern der Homophobie zu überwinden und Hassgewalt gegen schwule Männer zu beenden. Bastian Finke Dipl. Soziologe, MANEO-Projektleiter Impressum Herausgeber MANEO Das schwule Anti-Gewalt-Projekt Berlin Ein Projekt von Mann-O-Meter e.V. Bülowstraße 106 – 10783 Berlin Macht Spaß. Schafft Kontakte. Ist weltoffen. Telefon: 030-216 333 6 Telefax: 030-236 381 42 E-Mail: [email protected] Internet: www.maneo.de Projektleitung (impuls) und V.i.S.d.P. Bastian Finke Redaktion Jens Brodzinski (red) Fotos und Illustrationen (soweit nicht anders angegeben): freikind Mitarbeiter dieser Ausgabe Mark Coester, Dr. Tatjana Eggeling, Jan Feddersen, Florian Frei, Dr. Bodo Lippl, Oliver Lück, Dr. Christian Messer, Stefan Mey, Martin Reichert, Sirko Salka, Rainer Schäfer, Paul Schulz, Frank Störbrauck Anzeigenleitung Matthias Reetz Art Direction, Grafik, Layout Marlene Bruns, Michael Pfötsch freikind, www.freikind.com Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom 1.3.2008. Impuls erscheint, vorbehaltlich Sondernummern, einmal jährlich im Eigenvertrieb. Erscheinen dieser Ausgabe: April 2008. Druck diedruckerei.de Ermöglicht durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. www.ebab.de impuls - 2008 3 Inhalt Inhalt Dossiers Homophobie & Männlichkeit 12 Mann oder Memme? Wie gesellschaftliche Dimensionen die Stigmatisierung von Homosexuellen begünstigen 13 Homophobie Eine Definition 13 Der Schwule als Feindbild Interview mit Prof. Kersten, Deutsche Hochschule der Polizei Münster 15 Homophobie & Popkultur Suck my Gun! Hate-Music und Homo-Bashing als salonfähige Jugendkultur Gewalt in Buchstaben Interview mit Tomte-Sänger Thees Uhlmann 18 Homophobie & Fußball 19 Platzverweis hintenrum Fußball – eine schwulenfreie Männerzone? 21 Vom Platz auf die Couch Psychologische Betreuung für traumatisierte Spitzensportler 30 Antischwule Hetze in Songs nicht verharmlosen! Kommentar von Kai Gehring MdB (Grüne) 23 Verkaufsschläger Kolumne von Musikjournalist Paul Schulz 23 24 Stunden in Angst Interview mit Corny Littmann, offen schwuler Präsident des FC St. Pauli 26 27 Homophobie & Migration 42 Der Multikulti-Mythos Interview mit der Rechtsanwältin und Autorin Seyran Ates und dem Soziologen Michael Bochow 43 Simon-Studie Verbreitung homosexuellenfeindlicher Einstellungen unter Schülern mit Migrationshintergrund 45 Homophobie & Religion 46 Keine zwei Meinungen Interview mit der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen 47 Homosexualität am Pranger Stimmen prominenter Glaubensführer 48 31 Hilfe in Hamburg Wie die Hansestadt Betroffenen von homophober Gewalt zur Seite steht 49 Hort der Homophobie Fatale Denkmuster und ihre Folgen für den Fußballsport 32 Glaubensgesichter Vier homosexuelle Gläubige erzählen aus ihrem Religionsalltag 50 Homophobie & Polizei 52 Im Notfall: Kommunikationsstörungen auf breiter Front Schwule Überfalltelefone suchen den Draht in die Behörden 53 Die Polizei – dein Freund und Helfer? Zwei Geschädigte berichten von ihren Erfahrungen mit den Ermittlungsbehörden 55 Viktimisierung von Menschen mit homosexueller Identität Opfererleben im individuellen psychodynamischen Kontext 56 Den Bock zum Gärtner gemacht Proteste gegen Berliner Rapper Bushido 25 Hass-Videos im Internet MANEO kämpft gegen Windmühlen überblick Editorial Impressum Danksagungen Engagement Publikationen Das Projekt MANEO 4 impuls - 2008 25 information 3 3 34 36 63 66 impulse §175 Geschichte der Homosexuellenverfolgung in Deutschland 6 Antischwule Hassgewalt Ein Fall für den Staatsschutz 11 Hate-Crimes Hasskriminalität als „politisch motivierte Kriminalität“ und ihre Relevanz für die Gesellschaft 9 Ausstellung Zeugnisse schwulenfeindlicher Gewalt Auszüge aus der MANEO-Wander 38 ausstellung Studie Hasskriminalität gegenüber bi- und homosexuellen Männern in Deutschland Ergebnisse der MANEO-Studie zu Gewalterfahrungen von schwulen und bisexuellen Jugendlichen und Männern 2006/2007 57 Konferenz Gemeinsam gegen Homophobie und Hassgewalt Die deutsch-französisch-polnische MANEO-Werkstatt als Forum der länderübergreifenden Vernetzung Aktion Internationaler Tag gegen Homophobie 17. Mai MANEO-Aktionstage 2008 64 60 Tolerantia-Preis Auszeichnung des „Schwulen Weimarer Dreiecks“ für verdiente Persönlichkeiten und Projekte 63 impuls - 2008 5 Information Information Christopher Street Day Berlin Die 175er Hass du was dagegen? Von Sirko Salka Homosexuellenverfolgung per Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland – erst 1994, mit der ersatzlosen Streichung des §175 StGB, wurden schwule Männer entkriminalisiert. Sie wurden erpresst, denunziert und verurteilt. Verloren ihre Jobs, ihre Wohnungen, ihre Freiheit. Schwule Männer waren Kriminelle. Und das noch 20 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur in Deutschland. Als „äußerst homophob“ bezeichnet deshalb der Sexualwissenschaftler Günter Grau das politische Klima der jungen Bundesrepublik. So hatten die Gründungsväter der BRD eben nicht quasi aus Versehen einen von den Nationalsozialisten drastisch verschärften Paragraphen gegen homosexuelle Handlungen unter Männern (§175 StGB) übernommen, sondern in öffentlichen Erklärungen dessen Legitimität noch zementiert. Wie Juristen, Politiker und Meinungsmacher dieser Zeit kolportierten, hatte Homosexualität demnach das verwerfliche Potenzial, die sittliche Haltung eines ganzen Volkes zu untergraben. Außerdem, so wurde argumentiert, gefährde sie die Jugend und rüttele an den Vorzeigeinstitutionen des Staates – Ehe und Familie. Das Bundesverfassungsgericht erklärte 1957 in einem Grundsatzurteil dann sogar, dass männliche Homosexualität im Widerspruch zum Sittengesetz stehe. Auch sei der §175 kein Nazi-Gesetz. Damit schmetterten die Obersten Richter eine Verfassungsbeschwerde ab, die die Unvereinbarkeit des §175 mit dem deutschen Grundgesetz beklagt hatte. Insofern rechtsgültig, kam es zwischen 1950 und 1969 zu über 50.000 Verurteilungen, die von einer breiten Öffentlichkeit getragen wurden.1 So publizierte die „Frankfurter Rundschau“ eine frühe Umfrage (1950), in der alle Interviewten für die Beibehaltung 6 impuls - 2008 des §175 votierten. Außerdem forderten diese eine schnelle medizinische Heilung homosexueller Menschen, deren Geschlechtsleben – wie bereits im Dritten Reich – gemeinhin als Perversion galt. Dabei schien während der Weimarer Republik einst die Abschaffung des §175, der seit seiner Verabschiedung als Reichsstrafgesetz (1872) nie so lax gehandhabt wurde wie gegen Ende der 1920er-Jahre, greifbar nahe gewesen zu sein. Ein Rückschritt also, dass sich in der jungen BRD Schwule abermals verstecken und ihre Identität verleugnen mussten – bevor 1969 und 1973 das Sexualstrafrecht reformiert und §175 dann 1994 endgültig gelöscht wurde. Homosexuelle standen bis dahin vor einem doppelten Dilemma: Als NS-Opfer konnten sie keine Entschädigungsansprüche geltend machen, ohne sich dabei selbst zu de- nunzieren. Auf der anderen Seite wurden sie durch die populäre Legende vom „latent homosexuellen Nazi“ zusätzlich stigmatisiert und gedemütigt. So schreibt die Historikerin Anna Maria Sigmund,2 dass „die nationalsozialistische Bewegung selbst nach 1945 als Homosexuellenbewegung in das Bewusstsein vieler Menschen gedrungen“ ist. Im Zuge der Entnazifizierung glaubte man offenbar, das „Homoproblem“ gleich mitzulösen. Kein Wunder also, dass die frühe westdeutsche Homobewegung dem eine ebenso wackelige These von der „Weiterwirkung des Dritten Reichs“ entgegensetzte, wie HansJoachim Schoeps 1962 in einem Aufsatz schreibt.3 Analog zum Holocaust verbreiteten Aktivisten auch hartnäckig die Mär vom „Homocaust“, also einer systematischen Auslöschung der Schwulen – die von der Wissen- Einfach Liebe! Christopher Street Day am 28. Juni 2008 >> www.csd-berlin.de § 175 in der Bundesrepublik Deutschland ·1872 tritt §175 als Reichsstrafgesetz in Kraft, Höchststrafe: sechs Monate Gefängnis. ·1935 wird §175 überarbeitet. In den neuen §§175a und 175b werden Härtefälle wie Missbrauch, Prostitution, Vergewaltigung und Sodomie geregelt und mit bis zu zehn Jahren Zuchthaus belegt. · 1949 werden §175 und §175a von der BRD offiziell übernommen. · 1969 und 1973 Reform des bundesdeutschen Sexualstrafrechts. · 1994 Streichung des §175. § 175 in der deutschen demokratischen republik · Die DDR übernimmt §175 in der alten Fassung von 1872, behält aber §175a bei. ·Ab Ende der 1950er-Jahre bleiben homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen straffrei. · 1968 wird §175 im DDR-Strafgesetzbuch umbenannt zu §151. · 1988 Streichung des §151. www.publicom.info Foto: Burghard Mannhöfer © MANEO – www.maneo.de impuls - 2008 7 Information schaft längst widerlegt wurde. Der Historiker Andreas Pretzel sagt, dass „die Mehrheit der Verfolgten [...] Opfer der NS-Justiz geworden“ ist: „Die Reviere von Polizei und Gestapo, Gerichtssäle sowie Haftanstalten und Zwangsarbeitslager der Justiz waren die für Homosexuelle mehrheitlich durchlittenen Orte des Terrors.“ Die Dimension staatlicher Verfolgung sei nicht gleichzusetzen mit dem Holocaust. „Sie ist aber ebenso nicht gleichzusetzen mit den Erfahrungen, die Lesben während des Nationalsozialismus machten.“ Denn „175er“ oder „am 17. Mai Geborene“, wie Schwule salopp genannt wurden, waren immer homosexuelle Männer; im Wortlaut des §175 tauchten Frauen nicht auf. Ob nun bewusst ignoriert oder vernachlässigt, weil man ihnen keine freie Sexualität zubilligte – von Diskriminierung betroffen waren Lesben während der NS-Diktatur ebenfalls. Die Historikerin Claudia Schoppmann hat die Schicksale solcher Frauen dokumentiert und kommt zu dem Schluss, dass der Verfolgungsbegriff auf Lesben nicht zutrifft. 4 Auch Andreas Pretzel erläuterte 2007 auf einer MANEO-Soirée, dass man eher von Repression und Diskriminierung sprechen sollte. Um nichts Geringeres aber als um die Frage, wer alles zu den homosexuellen Verfolgten im Dritten Reich zu zählen sei, dreht sich ein Streit um das 2008 am Rande des Berliner Tiergartens fertiggestellte „Homo-Mahnmal“, dem vorläufig letzten Kapitel des §175. Angetrieben durch das Frauenmagazin Emma – welches sich über einen ursprünglich geplanten Schwulenkuss im Denkmal, der als Videoinstallation in einer Dauerschleife gezeigt werden sollte, lautstark empörte, weil Lesben augenscheinlich mal wieder vergessen wurden – einigten sich die Verantwortlichen Information Hate-Crimes Hassverbrechen | Vorurteilsverbrechen um Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) auf einen eilig gezimmerten Kompromiss: Alle zwei Jahre werden nun Schwule und Lesben im Wechsel knutschen. In einer Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten vom 19.05.07 wird dazu unter anderem erklärt: „Die Arbeitsgemeinschaft sieht daher mit großen Bedenken, wie durch den Streit um die Ausgestaltung des Denkmals für die verfolgten Homosexuellen und die verschiedensten Versuche nachträglicher Einflussnahme allgemeine Trends der deutschen Erinnerungskultur fortgesetzt und verstärkt werden, die zu einer immer stärkeren politischen Instrumentalisierung des Gedenkens führen.“ Der Historiker Joachim Müller erklärte: „Ein am Ort zelebriertes differenzierendes Gedenken birgt die Gefahren der falschen Interpretation, der Faktenverfälschung und einer sicher nicht beabsichtigten Opferverhöhnung.“ Vergangene Homosexuellenverfolung mit gegenwärtiger Diskriminierung in Eins zu setzen, führt die Idee des Mahnmals ad absurdum. Von Marc Coester Hans-Georg Stümke: Homosexuelle in Deutschland – Eine politische Geschichte. Verlag C.H. Beck, München 1989. / Hans-Georg Stümke, Rudi Finkler: Rosa Winkel, rosa Listen: Homosexuelle und ‚gesundes Volksempfinden‘ von Auschwitz bis heute. Rowohlt, Reinbek 1981. 2 Anna M. Sigmund: Das Geschlechtsleben bestimmen wir – Sexualität im Dritten Reich. Heyne, München 2008. 3 Hans-Joachim Schoeps: Soll Homosexualität strafbar bleiben? In: Der Monat Jg. 15, Nr. 171, S. 19-27. Berlin, Dezember 1962. 4 Claudia Schoppmann: Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualität. Centaurus, Herbolzheim 1991. 1 Bülowstraße 106 – 10783 Berlin am Nollendorfplatz Telefon 030-216 80 08 www.mann-o-meter.de Vorurteilsverbrechen sind Straftaten gegen Personen oder Sachen, die der Täter vor dem Hintergrund eines eigenen Gruppenzugehörigkeitsgefühls gegen ein Mitglied einer anderen sozialen Gruppe aufgrund deren Eigenschaft (wie Rasse, Nationalität, Religion, sexuelle Orientierung oder sonstiger Lebensstile) ausführt und damit beabsichtigt, alle Fremdgruppenmitglieder einzuschüchtern und die Eigengruppe zu entsprechenden Taten aufzufordern. Der Begriff entstammt dem Konzept der sogenannten Hassverbrechen (hate crimes) und wurde Mitte der 1980er-Jahre in den USA durch die Einführung von Gesetzeserweiterungen in mehreren Staaten und dem daraus resultierenden „Hate Crime Statistics Act“ von 1990 geprägt. Dieses Gesetz verlangt vom amerikanischen Justizministerium die Sammlung und Veröffentlichung von Daten über die Ursache und Verbreitung von Kriminalität, die von rassistischen, religiösen, sexistischen und ethnischen Vorurteilen geleitet ist. Die international eingeführte Bezeichnung der hate crimes lässt allerdings wegen ihrer alleinigen Berücksichtigung der Tatmotivation die entscheidende gesellschaftliche Dimension der Gemeinschaftsschädigung außer Betracht. Deshalb findet sich auch die Bezeichnung bias crimes. Wegen der genaueren Inhaltsangabe zum Erscheinungsbild dieser Kriminalitätsform wird dieser Begriff in letzter Zeit verstärkt übernommen und das zu bearbeitende kriminologische und kriminalpolitische Problemfeld als Vorurteilskriminalität begriffen. Hasskriminalität ist ein synonymer Ausdruck. Zentrales Element der Vorurteilskriminalität ist die Gewalthandlung gegen Mitglieder anderer Gruppen. Der Täter nimmt 8 impuls - 2008 Politsch motivierte Kriminalität (PMK) - rechts in Deutschland 2001-2006 14000 12629 12000 10000 10905 9418 8538 8000 8455 7951 Propagandadelikte Gewaltdelikte 6000 4000 2000 0 980 2001 940 2002 845 2003 832 2004 1034 2005 1115 2006 Quelle: Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2002 bis 2006. Berlin 2003 bis 2007. Online unter www.verfassungsschutz.de. zum Zeitpunkt der Handlung das Opfer als Mitglied einer Gruppe wahr, die sich von einer für ihn wichtigen Eigengruppe unterscheidet. Hass mag dabei eine Rolle spielen; denkbar sind aber auch andere begleitende Emotionen oder auch immanent rationale Handlungen. In dieses Verständnis von Vorurteilskriminalität fließen theoretische Vorstellungen über Gruppenprozesse und soziale Ausgrenzungsprozesse ein: Zugrunde gelegt wird die Annahme, dass Gruppen wesentlich durch Identifikationsprozesse entstehen. Ob eine solche Gruppenmitgliedschaft dann handlungswirksam wird – nach innen in Bezug zu Mitgliedern dieser Gruppe oder nach außen gegenüber anderen Gruppen, beispielsweise in Form von Vorurteilskriminalität – hängt vom Kontext ab. Die Wahl von Gruppen, mit denen Menschen sich iden- tifizieren, ist nicht beliebig. Gesellschaftliche Definitionsprozesse bestimmen mit, was als Eigengruppe, was als Fremdgruppe überhaupt in Frage kommt. Als Vorurteil in diesem Sinn ist eine ablehnende Haltung gegenüber einer fremden Gruppe und deren Mitgliedern zu verstehen. Vorurteile bestehen aus dem vermeintlichen Wissen über die fremde Gruppe, dem Stereotyp, der negativen Bewertung der fremden Gruppe und der Neigung, der fremden Gruppe und ihren Mitgliedern gegenüber entsprechend diskriminierendes Verhalten zu zeigen. Menschen können aus sehr unterschiedlichen Gründen Vorurteile entwickeln. Wesentliche Ursachen sind zum Beispiel, dass die fremde Gruppe als Konkurrent um wichtige Ressourcen angesehen wird oder dass sie wichtige kul- impuls - 2008 9 >> Information Information turelle Werte der eigenen Gruppe gefährdet. Solche Gefährdungen von Ressourcen oder der kulturellen Identität müssen nicht wirklich gegeben sein; hinreichend ist, dass dies unterstellt wird. Damit haben Familien, Peergroups und Massenmedien einen bedeutsamen Einfluss auf die Entstehung von Vorurteilen. Gleichzeitig bieten insbesondere persönliche Begegnungen mit Mitgliedern fremder Gruppen eine wichtige Informationsquelle für eigenständige Urteile, die der Entstehung von Vorurteilen entgegenwirken können. Die besondere Gefährlichkeit der vorurteilsbedingten Gewaltkriminalität liegt in ihrem Angriff auf die Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens in der zivilisierten Gesellschaft: die Unantastbarkeit der Menschenwürde als Gemeinschaftswert. Brutale Gewalt, die das konkrete Opfer zufällig und gesichtslos auswählt, um eine ganze Bevölkerungsgruppe (Ausländer, Behinderte, Obdachlose, Homosexuelle usw.) symbolisch zu erniedrigen und einzuschüchtern, muss eine Gemeinschaft besonders beachten. Die Wirkungen dieser Taten sind verheerend, da sie zum einen auf Merkmale abzielen, welche das Opfer nicht beeinflussen kann, und zum anderen der gesamten Opfergruppe die einschüchternde Botschaft der Ablehnung, des Hasses und der Angst signalisieren. Schließlich wohnt ihnen ein fataler Aufforderungscharakter an Gleichgesinnte inne. Der kriminalpolitische Begriff der Vorurteilskriminalität bündelt diese Zusammenhänge und sensibilisiert die Gesellschaft für die Gefahren. Der Ansatz ist opferorientiert: Nicht nur das unmittelbare Opfer wird schwer traumatisiert, wie bei jeder Gewalttat, sondern es geht um die Verunsicherung und Verängstigung der gesamten Opfergruppe. Betroffen ist darüber hinaus die rechtsstaatliche Gemeinschaft, denn die Täter senden durch ihre Tat die Botschaft, die Opfergruppe auszugrenzen. Auch leichte Delikte können so erhebliche Konsequenzen haben. Seit 2001 existiert das neue Definitionssystem „Politisch motivierte Kriminalität“ bei der Polizei in Deutschland. Während traditionell Staatsschutzdelikte immer ein 10 impuls - 2008 Extremismuselement beinhalteten, konnten Verbrechen ohne diesen Bezug, aber dennoch gegen gesellschaftliche Gruppen gerichtet, nicht adäquat statistisch abgebildet werden. Damit waren Diskrepanzen zwischen der öffentlichen Wahrnehmung von entsprechenden Taten und der polizeilichen Registrierung gegeben. „Politisch“ wird seither nicht nur im Sinne einer Systemüberwindung oder der Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland verstanden (Extremismus), sondern schon dann, wenn der demokratische Willensbildungsprozess beeinflusst wird, oder sich Taten gegen Personen richten aufgrund deren Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Herkunft, äußeren Erscheinungsbildes, Behinderung, sexueller Orientierung oder gesellschaftlichen Status. Grundsätzlich ist eine solche Vorgehensweise zu begrüßen und diese sollte in Zukunft weiter ausgebaut werden – einhergehend mit der umfangreichen Sensibilisierung potentieller Opfergruppen. Zahlenmäßig treten in der statistisch erfassten politisch motivierten Kriminalität in Deutschland die auch in der Öffentlichkeit am stärksten beachteten rechtsextremen, rechtsradikalen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Straftaten hervor. Das Schaubild (s. S. 9) zeigt diese Verteilung der so genannten „Politisch motivierten Kriminalität – rechts“ der Jahre 2001 bis 2006 differenziert nach Propaganda(gemäß §§ 86 und 86a StGB) und Gewaltdelikten. Bei den Tätern fällt auf, dass ihre Vorurteile zum großen Teil nicht im engen Sinn politisch reflektiert und motiviert und schon gar nicht organisiert sind. Es handelt sich fast ausschließlich um männliche Täter und überwiegend um Jugendliche und Heranwachsende, die ihre allgemeine Gewaltbereitschaft mit einer rechtsradikalen Ideologie der Gewalt verbinden. Forschungen zu den Opfern von Vorurteilsverbrechen sind noch relativ selten, jedoch bestätigen sich die Ergebnisse aus den USA, dass die extremeren Tatbedingungen bei hate crimes – verglichen mit anderer (Gewalt-) Kriminalität – einen höheren physischen und psychischen Schaden bei den Opfern hervorrufen. Gleichzeitig senden die Irra- tionalität, Unberechenbarkeit und Zufälligkeit der Hassverbrechen, welche auf die Identität der Opfer abzielen, eine Botschaft und lösen somit auf gesellschaftlicher Ebene und innerhalb der gesamten Opfergruppe Angst und Schrecken aus. In Zukunft und mit voranschreitender Differenzierung der gesellschaftlichen Gruppen wird dieses Kriminalitätskonzept in Europa und Deutschland an Aktualität gewinnen. Wichtig erscheint hierbei die umfassende Sensibilisierung und Aufklärung potentieller Opfergruppen zu diesem Phänomen, seiner statistischen Erfassung, den rechtlichen und sozialstaatlichen Möglichkeiten einer Bekämpfung, sowie der übergreifenden Hilfsangebote. Marc Coester, geboren 1972, hat nach seinem Diplom Studiengang der Erziehungswissenschaft – neben praktischer Arbeit in der Jugendhilfe – am Institut für Kriminologie der Universität Tübingen geforscht und eine Dissertation zum Thema „Das Konzept der hate crimes aus den USA unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsextremismus in Deutschland“ verfasst (erscheint 2008). Seine zentralen Themen sind Rechtsextremismus (so arbeitete er im Bundesprojekt „Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige - insbesondere: junge Menschen“), Kriminalprävention, Kinderund Jugendkriminalität, Restorative Justice sowie Viktimologie. Heute arbeitet Coester beim Landespräventionsrat Niedersachsen und koordiniert dort das Bundesprogramm „kompetent. Für Demokratie. Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“. www.marc-coester.de Antischwule Hassgewalt – ein Fall für den Staatsschutz – Von Martin Reichert Im Gegensatz zu den USA gibt es in Deutschland noch immer keine Gesetzgebung, die sogenannte Hasskriminalität explizit berücksichtigt. Allerdings: Im Rahmen einer bundesweiten Neuordnung des polizeilichen Meldedienstes aus dem Jahr 2002 wurde der für die Belange des Staatsschutzes relevante Begriff der "politisch motivierten Gewalt" mit einem neuen Definitionssystem versehen, das der Motivation der Täter größere Beachtung schenkt. Demnach liegt eine politisch motivierte Gewalthandlung vor, wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, Behinderung oder eben auch ihrer sexuellen Orientierung richtet. Diese zunächst auf Verwaltungsebene erfolgte Neuerung ist für die Situation von Schwulen und Lesben von großer Bedeutung: Homophobe Gewalt gehört somit in den Aufgabenbereich der politischen Polizei – also dem Staatsschutz. Was theoretisch bedeuten könnte, das dem auf noch immer erschreckend hohem Niveau relevanten Thema homophober Gewalt mehr Bedeutung als bislang zugemessen werden könnte. Die Praxis sieht jedoch bislang anders aus, wie eine jüngst von der Linkspartei im Berliner Senat vorgetragene Anfrage deutlich machte: Von administrativer Seite erfolgte bislang keinerlei Reaktion, die Neuerung besteht vorerst nur auf dem Papier. Polizeiinterne Aufklärung über diese Gewichtung, gar eine Verbesserung der Gewaltschutzmaßnahmen für die homosexuellen Szenen? Bislang Fehlanzeige. Auch in den anderen Bundesländern herrscht weiterhin der Status Quo – im Glücksfall gibt es bei der jeweiligen Polizei einen Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Für ganz Berlin gibt es immerhin anderthalb. Die Anfrage der Linkspartei hat nun zumindest in Berlin einen Prozess des Nachdenkens in Gang gesetzt. Bei dem sich zunächst herausstellte, dass eigentlich keiner nichts Genaues weiß von diesen neuen Gegebenheiten. Ein Anfang, nicht mehr, nicht weniger. Literatur: Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Hasskriminalität – Vorurteilskriminalität. Projekt Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – insbesondere: junge Menschen – Band 1. Endbericht der Arbeitsgruppe mit einem Geleitwort von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Berlin 2006. (Beziehbar über das Deutsche Forum für Kriminalprävention). Coester, M./Gossner U.: Rechtsextremismus – Herausforderung für das neue Millennium. Wirklichkeiten eines Jugendphänomens. Marburg 2002. Gerstenfeld, P.B.: Hate Crimes: Causes, Controls, and Controversies. Thousand Oaks/London/New Delhi 2004. impuls - 2008 11 Homophobie und Männlichkeit Mann oder Memme? Von Martin Reichert Individualpsychologisch lässt sich das Phänomen Homophobie nur unzureichend erklären. Vielmehr gesellschaftliche Dimensionen begünstigen die Stigmatisierung Homosexueller. Jeder Homosexuelle weiß, was Homophobie ist. Sie ist so alltäglich, dass sie von vielen längst als Selbstverständlichkeit hingenommen wird: Selbstverständlich geht man in gewissen Vierteln der Großstadt nicht Hand in Hand, selbstverständlich nimmt man seinen Partner nicht in den Arm, wenn man sich auf einem kleinstädtischen Weinfest befindet. Völlig klar, dass man den Arbeitskollegen oder Menschen, die man im Urlaub oder im Fitnessstudio neu kennenlernt, schonend beibringen muss, dass man eine andere Sexualität hat. Ein routinierter Witz über sich selbst hier, die lustig verpackte Versicherung, dass man nichts Böses im Schilde führt dort – in ganz heiklen Fällen das Selbstbewusstsein des Gegenübers stützen, indem man ihm versichert, dass er ja so was von eindeutig hetero sei, dass keine Verwechslung möglich ist. Dann klappt das schon irgendwie – die Herausforderung besteht darin, auf die Ängste des Gegenübers einzugehen, seine Vorurteile mitzudenken. Es klappt leider nicht immer – noch immer werden Schwule beschimpft, verhöhnt und oft genug auch körperlich attackiert. Umgekehrt klappt es jedoch auch immer öfter mit den Nachbarn, ist die „Mehrheit“ der Heterosexuellen manchmal weiter als sich die „Minderheit“ der Homosexuellen nur zu denken traut: Das gesellschaftliche Klima hat sich in den letzten Jahren enorm gewandelt. Will sagen: Es ist genau so wahr, dass Deutschland mindestens zwei schwule Regierungschefs hat, wie es wahr ist, dass die Gewalt besonders gegenüber schwulen Jugendlichen zugenommen hat. Es mag paradox klingen: Aber diese Zunahme von Gewalt hängt auch mit der emanzipationsbedingten stärkeren Sicht- und Wahrnehmbarkeit der Schwulen zusammen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Nicht jeder Heterosexuelle weiß, was Homophobie ist. Gerade deshalb gehört sie noch immer zum Alltag. Homophobe Menschen wissen oft gar nicht, dass sie zu den Betroffenen zählen, sie haben keinen Leidensdruck, haben vordergründig „kein Problem“ mit Homosexuellen. Im Ergebnis verursachen sie jedoch Probleme, mit denen Homosexuelle leben müssen. Homophobie steht als Phänomen in einer Reihe mit Xenophobie, Rassismus oder Sexismsus – es handelt sich um so genannte „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, die man mittlerweile, nach jahrelangem Campaigning auf politischer Ebene, versucht, mit Antidiskriminierungsgesetzen einzudämmen. Für die Opfer von Homophobie ist es sehr hilfreich, dass sie im Zweifelsfall durch das Gesetz geschützt werden. Antidiskriminierungsgesetze sind auch ein wichtiges Hilfsmittel im Kampf gegen institutionalisier- Ho | mo | pho | bie, die <o. Pl.>: Homophobie bezeichnet einerseits eine irrationale Angst vor Homosexualität, und andererseits den Hass, Ekel und die Vorurteile, welche wiederum Angst und infolgedessen Aggression und Gewalt produzieren (Hassgewalt, engl. Hatecrime). Homophobie bezeichnet eine soziale, gegen Lesben und Schwule gerichtete homophobische Aversion bzw. Feindseligkeit. Beleidigungen wie „schwule Sau“ (laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW auf Platz 1 der meistgebrauchten Schimpfwörter an deutschen Schulen) drücken Herabwürdigung, Verachtung und Entwertung aus. ho | mo | phob <Adj.> [zu griech. phobeïn = fürchten] (bildungsspr.): eine starke [krankhafte] Abneigung gegen Homosexualität und Homosexuelle habend. (MANEO 2007, nach: duden.de, wikipedia.de) te Homophobie, etwa am Arbeitsplatz. Die durchschnittliche, alltägliche Homophobie ist jedoch meistens nicht justiziabel, da sie sich zunächst in den Köpfen einzelner Persönlichkeiten abspielt. Angst vor sich selbst So verweist der Begriff Homophobie (von griechisch phóbos: Angst) auf die psychologischen Ursachen der Homophobie: eben einer diffusen, meist unbewussten Angst vor gleichgeschlechtlich Liebenden. Wobei sich diese Angst nicht auf die konkrete Person bezieht, sondern auf eigene, unterdrückte Persönlichkeitsanteile. Dieses Erklärungsmodell beruht zwar zum einen auf Sigmund Freud, zum anderen jedoch auch auf den empirischen Befunden der Kinsey-Studie1, die glaubhaft macht, dass nahezu jeder Mensch bisexuell ist, wenn auch in graduelle unterschiedlichem Maß: Ein bisschen bi schadet nie, sagt der Volksmund, doch für nicht wenige Menschen bedeutet eine Auseinandersetzung mit diesen verwirrenden Begehrlichkeiten eine Bedrohung der eigenen Identität. Wenn schon erwachsene Männer unter der Angst leiden, von ihren Geschlechtsgenossen nicht für ausreichend männlich gehalten zu werden, so gilt dies erst recht für heranwachsende, junge Männer. Sie sind besonders anfällig, weil ihre Männlichkeit noch auf schwachen Füßen steht, erst noch erarbeitet werden muss. Männlichkeit an sich muss, egal ob von jung oder alt, jeden Tag neu bewiesen werden, handelt es sich schließlich um einen Status, den man verlieren kann: Mann oder Memme? Während nun Männlichkeit in Abgrenzung zu Weiblichkeit definiert wird – im Falle junger Männer vor allem in Ablösung von der Mutter – werden homosexuelle Männer in dieser Sichtweise als weiblich begriffen. Und zwar vordergründig im abwertenden Sinne, also als verweichlicht, schwach und passiv. Hintergründig jedoch vor allem als rezeptiv – was einer rigiden Auffassung von Männlichkeit zentral widerspricht. Der Schlüssel für die Ursache individueller Homophobie liegt also zunächst in der jeweiligen Psyche der Betroffenen, in ih- impuls - 2008 13 >> Homophobie und Männlichkeit rem Selbstwertgefühl – je fragiler die Geschlechtsidentität, desto höher die Anfälligkeit für Homophobie. Hegemoniale Männlichkeit Um das Phänomen Homophobie in seiner komplexen Gesamtheit zu erfassen, reicht solch eine individualpsychologische Erklärung allerdings nicht aus. Oberhalb dieser Ebene ist zum Beispiel die gesellschaftlich verhandelte Definition hegemonialer Männlichkeit zu beachten, die den einzelnen Akteur prägt und formt. Je rigider die durch Schule, Medien und Eltern vermittelten Auffassungen von Geschlechterrollen sind, desto größer werden die Schwierigkeiten für jene, die aus dem Rollenmuster fallen. Das fängt bei dem Indianer an, der keinen Schmerz kennt und hört bei dem Mädchen auf, das nicht ungezogen vorlaut sein darf. Dies lässt sich konkretisieren in der Formel: je patriarchaler eine Gesellschaft, desto homophober. Denn in einer patriarchalen Werteordnung gilt der Mann als das Maß aller Dinge, und diese Maßeinheit muss dementsprechend klar definiert und unerschütterlich sein, um weiterhin ihre normative Wirkung entfalten zu können. Unter solchen Bedingungen funktioniert der Umgang mit Homosexuellen als Kehrseite der Medaille „Rolle der Frau“ – der jeweilige Stand weiblicher Emanzipation verweist zugleich auf den Stand homosexueller Emanzipation: vom herrschenden Männlichkeitsbild. Brunnenvergifter und Fußabtreter Abseits der Problematik konstruierter Geschlechterrollen dräut eine weitere gesellschaftliche Dimension, die Homphobie begünstigen kann. Der in einer modernen Gesellschaft herrschende Kampf um sozialen Auf- und gegen sozialen Abstieg führt insbesondere in Krisensituationen, aber Homophobie und Männlichkeit auch unter vergleichsweise „normal“ gewordenen Konkurrenzbedingungen im Spätkapitalismus, mitunter dazu, dass ganze gesellschaftliche Gruppen abgewertet werden – motiviert von der Absicht, den eigenen, als bedroht empfundenen Status zu verteidigen und aufzuwerten. Solcherart motivierte Homophobie ist vergleichbar mit dem modernen Antisemitismus und jener spezifischen Xenophobie, die in westlichen Einwanderungsländern anzutreffen ist. Der Homosexuelle wird zum einen zu einer Art Brunnenvergifter, für schuldig befunden, die Fundamente der Gesellschaft zu beschädigen. Zum anderen wird er zum Fußabtreter für all jene, die sich marginalisiert fühlen und Trost in der Empfindung finden, es gäbe immer noch jemanden, der noch weniger wert sei als sie. Ein Arbeitsloser ohne Perspektive zieht sich mitunter auf seinen „Stolz, ein Deutscher zu sein“ zurück – seine Nationalität kann ihm schließlich keiner wegnehmen. Niemand ist zwar bislang auf die Idee gekommen, eine Homo-Bar mit dem Schlachtruf „Ich bin stolz, ein Hetero zu sein“ zu überfallen – doch auch ohne dieses Bekenntnis erfolgt oft genug der Griff zum Baseballschlager oder zur Fahrradkette, mit der auf vermeintlich Minderwertige eingeprügelt wird. Manchmal bleibt es auch „nur“ bei einem gezischten „Schwule Sau!“. Affront gegen die Ehe Bliebe noch die kollektive, mehrheitsgesellschaftliche Homophobie zu nennen, die von den Institutionen Staat und Kirche zum einen bekämpft, zum anderen gefördert wird. Genau in diesem Spannungsfeld spielten und spielen sich die Auseinandersetzungen um die so genannte „Homo-Ehe“ ab. Auf deutsche Verhältnisse bezogen sind es die christlichen Parteien, die eine wahrhaftige Gleichstellung der Gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft mit der Ehe hartnä- ckig verhindern. Zum einen bedienen die „C“-Parteien damit ihre zum Teil tatsächlich christlich geprägte Klientel, indem sie zumindest auf symbolischer Ebene versuchen, den Anordnungen des Vatikans Folge zu leisten. Der Widerstand gegen die HomoEhe wird so zu einer Art Marketing-Kniff: Mit „weichen“ Themen ist es vergleichsweise leicht, Profil zu zeigen. Zum anderen jedoch holen die Konservativen mit der Aufrechterhaltung solcher Grenzen ihre Wähler dort ab, wo Sie auch stehen: Homosexuelle Lebensweisen werden von manchen als Angriff auf das, was ihnen heilig ist, begriffen – als Affront gegen die Familie, als Affront gegen die Ehe. Homosexualität wird in dieser Lesart vor allem begriffen als ein Lifestyle der Verantwortungslosigkeit, als Verweigerung gegenüber all jenen Pflichten, denen man sich selbst unter Inkaufnahme von allerlei Verzicht unterzieht: von der ehelichen Treue bis zur zeit- und geldintensiven Aufzucht einer mittleren Kinderschar. Ein solches Ressentiment greift das in den Medien allzeit verstärkte Stereotyp des hedonistischen Party-Schwulen gerne auf – unterfüttert von stillen Momenten des Neids. Und ignoriert, dass sich das Leben der meisten Homosexuellen keineswegs zentral in NightClubs und Bars abspielt, sondern in ganz normalen, alltäglichen Zusammenhängen. Homophobie dieser Kategorie, gewaltfrei im Prinzip, findet sich auch in gebildeten, mittelständischen Milieus: etwa ein gewisses Unbehagen, wenn das dritte Homo-Pärchen im Haus einzieht. Inklusive anschließendem Umzug wegen Milieu-Überfremdung. Für den Schutz Homosexueller vor Homophobie ist dementsprechend eine konsequente Trennung von Kirche und Staat überlebenswichtig – die Einführung des muslimischen Rechtssystems der Scharia könnte tödlich sein, wie die entsprechenden Beispiele von Yemen bis Iran zeigen. Auf staatlicher Ebene ist, nach Abschaffung der jeweiligen „Homoparagraphen“ in allen westlichen Industrieländern, nach wie vor eine völlige rechtliche Gleichstellung das Ziel – welches in Deutschland noch nicht erreicht ist. Die Eindämmung der individuellen Homophobie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der zunächst jeder einzelne gefordert ist. Auch die Schule müsste ihre Verantwortung wahrnehmen und entsprechende Aufklärung betreiben, was trotz Bereitstellung diverser Lehr- und Informationsmaterialien noch immer kaum erfolgt. Wer das Problem Homophobie nachhaltig angehen möchte, wird auch kaum darum herum kommen, sich einer gesellschaft- Die unermüdlichsten, offen bekennenden Homophobiker findet man jedoch weder in gutbürgerlichen Vororten noch in den Reihen rechtsradikaler Parteien. Es sind die fundamentalistischen Vertreter der Religion, die Interview: Jan Feddersen WWWSCHWUSOSBERLINDE impuls - 2008 Aufklärung tut Not Der Schwule als Feindbild LiSSTKEINEN0LATZF~R(OMOPHOBIE 14 repressiv-christlichen Sexualmoral eine unreife Sexualität entwickelt haben und daher mit Unreifen verkehren. Religiöser Terror &2%)(%)4 maneo-anzeige.indd 1 die Fahne der Homosexuellenfeindlichkeit am höchsten halten. Insbesondere die monotheistischen Religionen wetteifern diesbezüglich um die ersten Ränge, wenn es um die Abwehr gleichgeschlechtlicher Lebensweisen geht. Diese Position steht in engem Zusammenhang mit den Kernkompetenzen der jeweiligen Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften: Allen einig ist die Rolle als Verwalter der Ehe zwischen Mann und Frau – und fast alle Religionen predigen eine Sexualmoral, die im Wesentlichen auf Reproduktion abzielt. Mögen auch die jeweiligen theologischen Begründungen für die Ablehnung der Homosexualität differieren – diesbezüglich eindeutig aussagekräftige Passagen finden sich in den überlieferten religiösen Schriften zumeist nicht –, so ist sie doch in der derzeitigen religiösen Praxis von zentraler Bedeutung. Die evangelikalen Kirchen in Nordamerika haben die Schwulen zum Feindbild Nr. 1 erhoben und auch der Vatikan tut sich immer wieder mit entsprechenden Verlautbarungen hervor. Wobei Letzterer mit dieser Politik alles daran setzt, der eigenen Organisation Probleme zu bereiten: Zum einen ist der Anteil homosexueller katholischer Priester sehr hoch, was bei „Aufdeckung“ immer wieder für Skandale sorgt. Imageabträglicher sind nur noch die stetig wiederkehrenden Pädophilieskandale: Priester, die wahrscheinlich aufgrund einer internalisierten Joachim Kersten, Professor an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, über geschlechtliche Identitätsfindung und die Wahrnehmung von Homosexuellen in maskulinitätsbetonten Kulturen. impuls: Herr Prof. Dr. Kersten, wie äußert sich Homophobie bei Jugendlichen: Dass sie ab einem bestimmten Alter beginnen, gleichgeschlechtlicher körperlicher, womöglich sexueller Nähe mit einer tiefen Aversion zu begegnen? Prof. Dr. Kersten: Aversion scheint mir das richtige Wort. Vorurteil, Abneigung und Hass sind auf emotionaler Ebene tätig. Daher ist es wenig erfolgreich, auf rationaler Ebene zu argumentieren. Das Gefühl, ein Mitglied des gleichen Geschlechts zu mö- gen, gerät mit Beginn der Pubertät unter den Verdacht, man könnte schwul sein. Viele Jungen, die solche Gefühle erleben, haben Angst davor und reden nicht darüber – nicht zuletzt, weil sie in männlichen Pädagogen oder Lehrern, im Vater oder im älteren Bruder keinen wertfreien Ansprechpartner vermuten. Schließlich wird „schwul“ bereits im Kindergarten als ein abwertender Ausdruck gebraucht, so wie „Mamasöhnchen“ oder „Feigling“ ... ... oder „Weichei“, „Warmduscher“. Solch eine Phase der geschlechtlichen Identitätsfindung erleben viele Männer als Achterbahnfahrt. Sobald der Junge die erste Freundin hat, kann er sich leisten über einen Freund zu sagen: den find ich in Ordnung, lichen Problemgruppe zuzuwenden, der in den letzten, post-emanzipativen Jahren zu wenig Aufmerksamkeit und Förderung zuteil wurde: jungen, heterosexuellen Männern, die zunehmend von Verunsicherung geprägt sind. Nur so wird es möglich sein, dass die Begegnung mit Homophobie nicht mehr zum Alltag der Homosexuellen gehört, sondern zu einer schrillen Ausnahmeerscheinung wird. Kinsey-Studie: Der US-amerikanische Zoologe und Sexualforscher Dr. Alfred Charles Kinsey erregte öffentliches Aufsehen, als er 1948 und 1953 zwei kontrovers diskutierte Studien veröffentlichte, wonach 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung zu einem gewissen Grad bisexuell seien („Sexual Behavior in the Human Male“, 1948; „Sexual Behavior in the Human Female“, 1953). Kritiker bemängelten die Repräsentativität der Stichprobe Kinseys, weshalb dessen Nachfolger am Kinsey Institute for Sex Research, Paul Gebhard, die Daten empirisch bereinigte – und Kinseys frühere Schlussfolgerungen im Wesentlichen bestätigte („The Kinsey Data: Marginal Tabulations of the 1938-1963 Interviews conducted by the Institute for Sex Research“, 1979). 1 das ist mein Kumpel – denn im Alter von 16, 17 Jahren gibt es ja durchaus auch homoerotische Kontakte. Das ist der Verlauf beim heterosexuellen, christlich-westlichen Mitteleuropäer. In anderen Kulturkreisen kommt zu diesem Gefühlsmäßigen, zu dieser Aversion, noch ein Moment von Reinheit, von Hygiene hinzu – gerade, weil andere Kulturen oft viel stärkere homoerotische Komponenten haben: dass Männer sich ganz natürlich in den Arm nehmen oder Hand in Hand auf der Straße gehen. Dies jedoch mit Homosexualität in Verbindung zu bringen, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Die Kante zwischen Kameraderie unter Männern und dem, was anders ist und daher nicht sein darf, wird hart gezogen. Aus dieser Reibung entsteht die Bereitschaft zur Gewalt. 06.04.2008 17:23:22 Uhr impuls - 2008 15 >> Homophobie und Männlichkeit Warum äußert sich diese Irritation, geltend für alle Kulturkreise, nicht anders als in Gewalt? Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Der eine ist, dass in einer Stadt wie Berlin Homosexuelle überdurchschnittlich präsent sind ... ... man reibt sich also auch an deren Selbstbewusstsein? Ja, natürlich. In Berlin gibt es einerseits die vergleichsweise große Repräsentanz von homosexueller Kultur und andererseits viele Migranten einer bestimmten kulturellen Herkunft. Deshalb ist auch die Häufigkeit größer, denn die Gelegenheitsstruktur ist vorhanden. Aber, wie gesagt, dies ist nur ein Faktor. Ein weiterer ist, dass das Auftreten der Kids – diese Mischung aus Martialischem und Weichheit – auf einen homosexuellen Mann durchaus eine homoerotische Faszination ausüben kann. Der Erhalt der Identität der Männlichkeitskultur, zum Beispiel der islamischen, bedingt jedoch die betont scharfe Abgrenzung vom Homosexuellen. Eigentlich sollte diese zwanghafte, normengeregelte Grenze durchlässiger sein; ein wechselseitiger Austausch könnte in der Tat fruchtbar sein. Er wird jedoch nicht zugelassen, von beiden Seiten. Weshalb sind die Normen des Heterosexuellen so streng? Aus Angst. Was wir als Angstphase während der ohnehin unangenehmen Pubertät erleben, wird bei den Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren, die längst aus dieser Latenzphase heraus sind, Teil ihrer Alltagswahrnehmung: Der Schwule wird zum Konsens für jedes Feindbild. Man weiß, wo er ist, man weiß, wo man ihn finden kann, man weiß, wo er angreifbar ist. Wenn nun eine Verabredung, um sich gegenseitig die Fresse einzuhauen, ins Wasser fällt – also der Spaß, den solche Gewalt macht, ausbleibt –, dann weicht man eben aus auf den Stadtpark, in dem Schwule zum Cruisen unterwegs sind. Diesen Eindruck haben mir Präventionsbeamte bestätigt. Gewalt kann also Spaß machen? Der Pädagogentraum, wonach Gewalt etwas Böses, etwas ganz Schlimmes sei, ist realitätsfern. Gewalt macht Spaß, gibt einen Kick. Nach diesem Prinzip funktioniert beispielsweise auch das „Bullenjogging“ bei Hooligans gegenüber der Polizei: Man tut so, als würde man sich schlagen; die Polizisten müssen anfangen zu rennen, man rennt vor denen weg und verarscht sie ein bisschen. So hat man abends in der Kneipe etwas zu erzählen. Ich denke, viele Angriffe 16 impuls - 2008 Homophobie und Männlichkeit auf Schwule resultieren aus diesem Gangverhalten – „Schwule klatschen“, weil einem nichts Besseres einfällt. Das war auch bei den Rockern so. Angriffe auf Schwule sind in maskulinitätsbetonten Jugendkulturen Usus. ren lässt. Als Nicht-Gewaltgeübter hat man gegenüber einem Gewaltgeübten extrem schlechte Karten. Sich nun die Gewaltübung selbst anzueignen funktioniert zwar, stößt aber an Grenzen: Von Fäusten lässt sich ein Messestecher kaum beeindrucken. Es scheint, als würde sich dahinter zwar keine unterdrückte Homosexualität, aber eine Angst vor dem Weiblichen, dem Weichen, verbergen. Diese Angst ist angelegt. Ich denke, es gibt eine fließende Grenze zwischen Faszination, Aversion, Gewaltbereitschaft und dem Umschlag von Gewaltbereitschaft in tätige Gewalthandlung. Gewaltbereitschaft, die auch gemessen wird in Studien, und der Umschlag in faktische Gewalttätigkeit sind zwei verschiedene Sachen. Tief im Innern werden jene Jugendlichen wahrscheinlich eine individuelle Faszination der Schwulenkultur erleben, aber gleichzeitig auch die Angst, bereits dadurch selbst schwul sein zu können. Dann entsteht eine Aversion, die sich auch daraus speist, dass das Feindbild „die Schwulen“ gemeinsam geteilt wird. Ist eine Investition in Selbstverteidigung der Königsweg? Zwar bietet die Polizei Nachhilfe in Selbstverteidigung an, aber ich fände es ebenso sinnvoll, wenn die Polizei verstärkt an die Jugendlichen, an die potentiellen Täter, herantreten würde und sie über die Rechtsfolgen aufklärte. Viele Kids denken ja, es sei okay, Schwule anzugreifen, da sie die Botschaft verinnerlicht haben, Schwule seien Menschen zweiter Klasse. Sie denken eben, dass die Gesellschaft so denken würde – und damit haben sie ja auch nicht ganz Unrecht. Herr Prof. Dr. Kersten, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Was also tun als schwuler Mann, dem plötzlich eine Gruppe Gewaltbereiter gegenübersteht? Zurückschlagen? Oder 110 wählen? Der Polizeinotruf ist natürlich die bessere Wahl. Allerdings besagt auch das Strafrecht, dass ich mich oder Mitmenschen bei unmittelbarer Bedrohung verteidigen darf. Schwäche zu zeigen – das weiß man nun aus allen Untersuchungen! – ist das Schlimmste, was man tun kann. Sobald sich das Opfer in den Augen der Angreifer symbolisch „verweiblicht“, wird es praktisch als ein legitimes Angriffsopfer wahrgenommen. Daher die Brachialgewalt, mit der auf bereits am Boden Liegende eingetreten wird. Wie würde die homophobe Gang reagieren, stünde ihr plötzlich ein schwuler Mob anstelle eines einzelnen, vermeintlich Wehrlosen gegenüber? Es würde sich vielleicht herumsprechen, sowohl bei den Opfern als auch bei den Angreifern. Aus Erfahrung weiß man, dass ein sich wehrendes, vor allem ein sich gemeinsam wehrendes Opfer die Kräfteverhältnisse verschieben kann. Plötzlich hätte man also Respekt? Respekt ist in maskulinitätsbetonten Kreisen eine sehr hoch gehandelte Aktie, ein zentraler Wertmaßstab von Ich-Stärke und Akzeptanz. Aus diesem Kontext heraus ist „Opfer“ ein Schimpfwort geworden. Die Frage ist nun, wie sich Stärke demonstrie- Prof. Dr. Joachim Kersten. Bis September 2007 lehrte der studierte Sozialwissenschaftler mit Lehrbefugnis für Allgemeine Soziologie als Professor in der Fachgruppe Psychologie/Soziologie an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg. Seit Oktober 2007 ist er Universitätsprofessor an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. impuls - 2008 17 Homophobie und Popkultur Suck my Gun! Von Martin Reichert Homo-Bashing gehört in der aktuellen Popkultur zum guten Ton – bloß eine Attitüde? „Dissen“ – dieses Wort kommt von „disrespect“ und bezeichnet eine Technik der Hip-Hop-Kultur: Die Protagonisten machen einander auf der Bühne verbal so lange fertig, bis einer der Kontrahenten ausflippt, die Beleidigung ernst nimmt und nicht mehr als Teil eines Spiels behandelt. Den Respekt verweigern: Frauen sind Schlampen, und Männer sind Schwule und Stricher. Ohne die Beschimpfungsformel „Schwuchtel“, im englischen „Faggot“ oder „Fag“, ist die HipHop- und Rap-Szene gar nicht denkbar. In den USA sowieso nicht, und in Deutschland nicht mehr seit dem bahnbrechenden Erfolg des Labels Aggro Berlin: Unter dem Dach der Berliner Plattenfirma reimen nun die Vertreter der multiethnischen Unterschicht; vorbei die Zeiten, in denen die netten Mittelschicht-Jungs aus den westdeutschen, gutbürgerlichen Wohnvierteln den deutschen Hip-Hop dominierten: Die Fantastischen Vier, Freundeskreis oder Fettes Brot wären nicht auf die Idee gekommen, gegen die „politisch korrekte“ Erziehung ihrer Eltern oder Lehrer zu verstoßen – man dichtete stattdessen netten Mädels namens Anna hinterher oder träumte von einem Tag am Meer. Das waren die Neunziger, damals, als schwul sich noch auf cool reimte. Ganz anders die Masche der harten Ghetto-Jungs aus Berlin, die mit ihrer Bad-BoyAttitüe besonders bei braven Jugendlichen gut ankommen: Bushido – mittlerweile sogar bei Universal unter Vertrag – zieht gerne über „Homo-Opfer“ her und träumte auch schon mal davon, „Tunten zu vergasen“. Rap-Kollege FLER „disste“ einen Konkur- renten als „schwulen Zigeuner“. Sido, der Mann mit der Maske, dessen Künstlername für „Superintelligentes Drogenopfer“ steht, hatte großen Erfolg mit seinem „Arschficksong“ – und hat für alles, was man früher mit dem Ausdruck „Scheiße“ bezeichnet hätte, nur noch ein Wort: Voll schwul, Altah. Das ist das neue Jahrtausend, in dem schwul mit cool nicht mehr im Einklang steht. Der Mehrheitsgesellschaft den Mittelfinger zeigen „Leute, wir sind die Gesellschaft“, lautet die Botschaft. Jungmänner, die entgegen aller Verbote ihr Ding durchziehen, darunter liegend die selbstmitleidige Attitüde: Wenn Ihr, die Mehrheitsgesellschaft, uns nicht mitmachen last, zeigen wir Euch den Mittelfinger – leider auch auf Kosten einer anderen Minderheit, die sie für noch schwächer als sich selbst halten: Schwule. So mancher Musikkritiker zeigte sich über derlei „authentische“ Auswüchse höchst erfreut – sei doch nun der tatsächliche HipHop, eine afroamerikanisch dominierte Ghettokultur, im verschlafenen Deutschland angekommen. Angekommen ist allerdings auch die folgende Botschaft für deutsche Kids: Wenn Du Gewalt ausübst, bist Du cool. Uncool hingegen sind die Schwulen, Synonym für als Weiche, Schlechte, Nichtmännliche. Eigentlich für Dreck. Die Haltung der deutschen Aggro-Rapper entspricht dem US-amerikanischen Vorbild – und hier wie dort ist die ehemalige Subkultur längst in den popkulturellen Mainstream eingespeist, hier wie dort wird eine Menge Geld verdient. Der tatsächliche Ursprung der Hip-Hop-Kultur lag dort, wo man auch schon mal bereit ist zur Waffe zu greifen, wenn es ums Geld verdienen geht: In den Ghettos amerikanischer Großstädte und den dazugehörigen Knästen, in denen Afroamerikaner nach wie vor überrepräsentiert sind. Wer in diesen Knästen Zweifel an seiner Männlichkeit aufkommen lässt, läuft Gefahr von seinen Mitinsassen sexuell missbraucht zu werden und fortan als „Schwuchtel“ zu gelten. Im Knast wie außerhalb leben diese „schweren Jungs“ in homosozialen Beziehungen. Straßengangs, in deren Lebenswelt offen gelebte Homosexualität keinen Platz hat und im Gegenteil ängstlich vermieden werden muss, wie in fast allen Männergesellschaften. Insbesondere der afroamerikanische Bevölkerungsanteil der USA ist zudem besonders empfindlich in Bezug auf das Thema Homosexualität. Das hat zum einen mit strenger Religiosität und einer strengen Auslegung des Alten Testaments zu tun, zum anderen mit der Auffassung, dass es sich bei der Homosexualität um eine Erfindung der weißen Mehrheitsgesellschaft handele, unter anderem dazu gedacht, den „schwarzen Mann“ zu kastrieren. Kein Wunder also, wenn OberRapper 50Cent im Playboy über uncoole Schwule herzieht – nur die Spitze des Eisbergs, denn Homo-Bashing ist geradezu ein integraler Bestandteil der Hip-Hop-Kultur. Restauration von Männlichkeit Der Kulturkritiker Houston Baker vermutet gar, dass es sich bei Hip-Hop um den Versuch einer Restauration schwarzer Männlichkeit handele, die sich durch die schwarze Disco- und Popkultur bedroht fühle: Machismo, dicke Macker-Goldketten, schwel- impuls - 2008 19 >> Homophobie und Popkultur lende Muskeln und Genitalprotzerei als Antwort auf Michael Jackson und Prince. Die Rechnung für die aufwändige Wiederherstellung männlichen Selbstbewusstseins zahlen die Schwulen: Jede öffentliche Propagierung von Gewalt gegenüber Homosexuellen öffnet Tür und Tor für verbale Injurien und Übergriffe – dies zu verhindern müsste eigentlich ein Anliegen der Mehrheitsgesellschaft sein, stattdessen stellt sie sich die provokanten Hass-Produkte gern ins CD-Regal. Auch das Beispiel Eminem zeigt, dass Homophobie keineswegs nur ein Problem der afroamerikanischen Minderheit ist. Der erfolgreichste weiße Rapper erging sich in seinem Song „Criminal“ in orgiastischen Gewaltfantasien gegen „Faggots“. Nicht nur dort, und alles mit millionenfachem Erfolg. Feier des männlichen Genitals „Guns & Girls“, das sind die Themen von Beenie Man und Buju Banton, dem zum Beispiel die Songzeile „Schieß der Schwuchtel in den Kopf“ zu verdanken ist. Die so genannten „Batty Men“ gelten in Jamaika als das Allerletzte, was wiederum mit gestreng religiösen Auffassungen und der Überzeugung, dass es sich bei Homosexualität um ein kolonialistisches Repressionsinstrument handeln würde, zu tun hat. De facto wurde der Gründer der ersten jamaikanischen Homo-Organisation mit unzähligen Messerstichen abgeschlachtet – und Kreuzfahrtschiffe mit schwulen Urlaubern müssen in Jamaika damit rechnen, nicht im Hafen anlegen zu dürfen. Die Dancehall-Platten verkaufen sich trotzdem gut – die Konsumenten scheinen die jamaikanische Homophobie für eine Art Rasta-Folklore zu halten. Und vergessen darüber nur allzu gerne, dass die Menschenrechte universell sind und dementsprechend auch für Homosexuelle gelten, in Europa wie in Jamaika. Ein öffentlicher Mordaufruf bildet einen deutlichen Verstoß dagegen. 20 impuls - 2008 Mit „Homo-Hop“ gegen Homophobie Muss das eigentlich wirklich sein? Müssen Homosexuelle einsehen – wie von vielen Fans gefordert – dass sie im Hip-Hop nichts verloren haben? Es geht darum, Differenz herzustellen: Wir sind so und Ihr seid so, bleibt gefälligst in Eurem Ghetto. Im wirklichen Leben sind die Schwulen schon längst mitten im Revier. Bereits 1986 schrieb Man Parish den Genre-Klassiker „Hip Hop Be Boop Don’t Stop“ – ein Song, der allerdings nie den Sprung in den Mainstream der längst zu Million-Dollar-Boys mutierten „Gangsta“ geschafft hat. Der offen schwule HipHopper Deadlee lässt sich denn auch von niemandem die Tür vor der Nase zuschlagen bzw. in die schrille Disco-Ecke abdrängen. Er bezeichnet seine Musik als „Homo Hop“ oder „Gayngsta Rap“ – und reimt nicht über große Brüste, sondern über die Schönheit des Oralverkehrs. Seine Texte handeln zudem von der Unterdrückung, die Schwule in den USA Tag für Tag am eigenen Leib erfahren müssen, von homophober Gewalt und Suizidgedanken schwuler Jugendlicher. Eigentlich ist Deadlee damit sogar viel näher am Ursprungsgedanken des Hip-Hop: den Unterdrückten eine Stimme verleihen. Gewalt in Buchstaben Interview: Martin Reichert Thees Uhlmann, Sänger der Hamburger Indie-Band Tomte, lehnt verbale Gewalt gegen Schwule ab – und wundert sich, dass Homosexualität wieder ein Thema ist. impuls: Thees, in deinem Büro hängt ein Plakat von Eminem. Der träumte schon mal öffentlich davon, Homos totzuschlagen ... Thees Uhlmann: Ich weiß. Ich kann mich auch noch daran erinnern, als Sammy de Luxe und Ferris MC damit anfingen: Dies ist schwul, das ist schwul. Da fing das so an in der Hamburger Szene, das Dinge, die vorher politisch korrekt eingehalten wurden, mit einem Mal aufbrachen. Die Leute hielten sich plötzlich für besonders klug, wenn sie ein angebliches, politisch korrektes Zwangskorsett sprengten. Wie war eure Haltung dazu? Wir haben dann auf unsere Platte als letzten Track „Adam & Steve“ aufgenommen, ein Liebeslied, das von zwei Männern handelt. Als Statement. Aber „voll schwul“ hat sich als Gewalt in Buchstaben mittlerweile komplett durchgesetzt. Dabei ist es ja schrecklich, wenn ein Junge plötzlich feststellt, dass er seinen Freund Boris eben knackiger findet als Mädchen – und das für die anderen das Schlimmste, absolut das Schlimmste ist! Politisch korrekt heißt doch in diesem Fall nur, dass man seine Worte so wählt, dass man andere Menschen so wenig wie möglich verletzt. „Schwul“ wurde am Anfang hauptsächlich von bildungsfernen Schichten als Schimpfwort benutzt, und jetzt ist es Mainstream. Die Beschimpfungsformel „schwul“ ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, ist Alltag? Ich weiß nicht, wie das bei 22-Jährigen ist. Aber nach dem Konzert kommen dann schon mal Leute und sagen: “Die neue Kettcar ist echt voll schwul.“ Oder Kumpels sagen: „Die Party neulich war echt voll schwul.“ In diesem Umfeld kann man das einschätzen, wie das gemeint ist. Ich würde das aber nie gegenüber jemandem sagen, der selbst schwul ist. Das Eminem-Plakat hängt hier, weil ich Eminem gut finde, er ist sozusagen der Elvis des Hip-Hop. Der homophobe Kram gehört eben leider zur Hip-Hop-Kultur. Seit wann hat sich dieser „Style“ in Deutschland etabliert? © Ingo Pertramer, www.pertramer.at Von diesen Größenordnungen können Jamaikas Dancehall-Stars nur träumen, dennoch ist ihre Musik ein Dauerbrenner bei der Jugend der Welt. Dancehall, eine Abart des Reggae und eine Art kleiner Bruder des HipHop, kommt aus der Karibik. In den Tonstudios von Kingston wird fast wie am Fließband produziert, inhaltlich bewegt man sich stets im thematischen Dreieck von Homophobie, Frauenverachtung und Feier des männlichen Genitals. Homophobie und Popkultur So lässt er es sich denn auch nicht nehmen, homophobe Kollegen zu dissen: „Die ölglänzenden Oberkörper von 50Cent und seiner Crew, das sieht doch aus wie in einem Homo-Magazin.“ Deadlee steht nicht alleine auf weiter Flur. Johnny Dangerous, Bigg Nugg und wie sie alle heißen: In Oakland gibt es schon seit Jahren ein Festival des schwulen Hip-Hop, und im Jahr 2007 startete die erste LGBT-Hip-Hop-Tour durch die USA. Mit Deadlee als Headliner. Gut, wenn sich mutige schwule Protagonisten nicht ausgrenzen lassen und sich auf eigene Faust einen Raum im großen HipHop-Haus kapern. Noch besser, wenn heterosexuelle Rapper Türen öffnen, so wie der anerkannte Rap-Star Kanye West, der öffentlich ein Ende der Homophobie im HipHop gefordert hat. Das Coming-out seines Cousins hatte ihm die Augen geöffnet und ihn zugleich ermutigt, über die Wurzeln seines eigenen Schwulenhasses nachzudenken: Als Kind war er immer als Muttersöhnchen gehänselt worden. Der Berliner Rapper Bushido wohnt übrigens immer noch unter einem Dach mit seiner Mutter. Thees Uhlmann: „Wäre schon toll, wenn es einen richtig populären Hip-Hop-Song gäbe, der sagt: Hey, Schwule sind okay!“ impuls - 2008 21 >> Homophobie und Popkultur Ungefähr ab 2000 ging das los. Zwei, drei Leute haben das in der deutschen Szene eingeführt; es geht ja beim Dissen auch darum, sich zu übertrumpfen: Sagt der eine, du bist eine Nutte, sagt der andere, du bist eine schwule Nutte. Was meinen die wirklich? Die meinen damit Schwäche, klar. Und es gibt viel bildungsferne Menschen in Deutschland, die sich von Homosexualität bedroht fühlt. Die Jugend von heute funktioniert so, wie die Jugend von gestern: über Provokation. Ist es da überhaupt sinnvoll, einzuschreiten? Die Bundesprüfstelle auf den Plan zu rufen? Ich glaube es ist gut, wenn man ein Auge darauf hat, was die so treiben. Es ist gut, wenn ihnen jemand sagt: Das ist nicht okay. Die Hip-Hopper wollen sich ja auch irgendwann mal verändern, weiterentwickeln. Da muss man Anreize schaffen. Eminem ist ja irgendwann auch mit Elton John aufgetreten. Kein Mensch kann eben ein ganzes Leben darüber rappen, 20 Autos zu haben und die Bitches zu hauen. Jugendkultur hat ja auch immer etwas mit „dazugehören“ zu tun, eine Szene zu bilden, Teil einer Peergroup zu sein. Sollen sich Schwule ihre eigene Ecke suchen bzw. darin bleiben – das ist zumindest die Ansage der Hip-Hop-Szene: Ihr habt eure eigenen Läden, wir sind so, ihr seid so. Mir ist aufgefallen, dass es neuerdings wieder nötig ist, darüber zu reden, dass man schwul ist. Vor zehn Jahren war das irgendwie „egaler“ als jetzt. Das ist vergleichbar mit den Juden: Vor zehn Jahren war das kein Thema mehr, es war irgendwie egal. Inzwischen hat man das wieder auf dem Zettel, Juden in Deutschland müssen nun wieder überlegen, ob sie öffentlich eine Kippa tragen oder nicht. Das sind Rückschritte; sowohl für Juden als auch für Schwule ist es wieder härter geworden. Man muss sich 22 impuls - 2008 plötzlich mit Dingen beschäftigen, die man für überwunden gehalten hatte. Das würde bedeuten, dass ein Coming-out heute schwerer ist als vor zehn Jahren? Das glaube ich schon. Diese latent aggressive Art, wie damit umgegangen wird! Die Macht der Masse ist das. Wenn Leute in den Charts sind, die 100.000-mal gekauft werden und öffentlich über „scheiß Schwule“ herziehen, dann sind das Tropfen, die stetig den Stein höhlen. Früher rappten die Fantastischen Vier oder Freundeskreis – hat die weiße Mittelklasse die Diskurshoheit im Popgeschäft verloren? Die veranstalten ja keinen Diskurs. Ich mag ja auch einige Songs von Bushido. Aber im Interview sagt er dann Sachen wie: „Schwul sein ist für mich wie Golfer sein – beides finde ich Scheiße.“ Wie will man da eigentlich noch diskutieren? Das sind doch keine Argumente! Soll man dem mit Adorno kommen, oder wie? Das bringt doch gar nichts. Hat denn Musik tatsächlich konkrete Auswirkungen, sind solche Songs eine Einladung, Schwulen auf die Fresse zu hauen? Da denke ich gleich an die Bösen Onkelz, die alles tun, um von ihrem rechten Image wegzukommen. Und dennoch ziehen sich das Rechte rein, heizen sich mit der Musik auf und schlagen dann Leute zusammen. Kommt auf die Anwendung an, auf die Kids. Der Rock‘n’Roll, um mal auf dein Genre zu kommen, gilt auch nicht gerade als Heimstatt der Homosexuellen. Was hat Rock mit Männlichkeit zu tun, und was mit Sex? Rock‘n’Roll ..., dieses stilisierte „Ich bin hier oben, ihr da unten“. Und ich singe euch Sachen vor von einer Welt, die werdet ihr niemals sehen – so war das in den 1980er-Jahren. Das ist der Reiz des Affenfelsens: Oben sitzt der Silberstreifen-Pavian und man holt sich eine Medaille ab, wenn man dem einen bläst. Das ist die Natur der Dinge. Bei dir auch? Wenn ich Noel Gallagher kennenlernen würde und dem dann erzähle: Hey, ich bin auch in einer Band. Dann ist das auch Affenfelsen: Guck mal, ich bin auch wer. Oder ich möchte mit Amy Winehouse bumsen, weil die so toll aussieht und genauso viel säuft. Vielleicht kriegt man im Rock‘n’Roll einfach mehr sexuelle Angebote als in der Bildenden Kunst. Das ist der Rhythmus, das Ausgehen, das Trinken. Singst du auch über Sex? Ich singe auch über Sex, aber das kriegt nie jemand mit. Ich kann ja der Welt schlecht offiziell mitteilen: Kann mir mal jemand einen runterholen? Ich singe lieber über Dinge, die mich bewegen. Aber generell stimmt schon, dass es bei Heavy Metall und Punk weniger schwule Menschen gibt, bei den richtig heftigen Bands. Aber in der Gesamtbreite des Rock‘n’Roll, von den Arctic Monkeys über Tomte bis zu den Strokes, ist Homosexualität kein Problem – und wenn, dann höchstens ein ganz kleines. Antischwule Hetze in Songs nicht verharmlosen! Kommentar von Kai Gehring MdB, jugendpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion Als sich in den 1980er-Jahren der Sänger von Judas Priest als schwul geoutet hat, war das ein Schock. Ja, aber das war in den 80er-Jahren. Wenn man heute in die Fan-Blogs schaut, sieht man ja die Reaktionen auf schwule Musiker: „Mann, ist mir doch egal, ob der schwul ist, Hauptsache die Soli sind geil.“ Andererseits gibt es da ein Identifikationsproblem: Die Jungs wollen sich mit dem Sänger oder Drummer identifizieren, wollen sein wie er. Aber wenn der dann schwul ist? Mag sein, aber wenn der Sänger schwul ist, dann wollen die Mädels hin, weil da endlich mal jemand singt, der nicht so ein Testosteronarsch ist. Und die Jungs müssen dann mit – eben weil die Mädchen da sind. Als damals, Anfang der 90er-Jahre, Guns N‘ Roses „Niggers and Faggots, get out of my Way“ sangen, waren die „Goldenen Zitronen“ die ersten, die darauf kritisch reagiert haben. Das war aber auch das letzte Mal, dass eine Weltrockband wegen Homophobie in die Schlagzeilen gekommen ist. Damals haben zum Beispiel Faith no More eine gemeinsame Tour mit Guns N‘ Roses abgesagt, weil die ständig Witze über Schwule gerissen haben. Das ist doch mal ein Statement! Wäre schon toll, wenn es einen richtig populären Hip-Hop-Song gäbe, der sagt: Hey, Schwule sind okay! Vielleicht wäre es auch mal gut, wenn eine Riesentruppe Lederschwuler auf ein Bushido-Konzert ginge. Dein Büro ist in Neukölln. Als schwules Paar, ob in Leder oder nicht, sollte man hier jedenfalls nicht unbedingt Hand in Hand gehen ... Liegt das am Hip-Hop? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Die Beschimpfung „voll schwul“ ist jetzt seit 2000 hip, wie Vulgarität ja im Moment überhaupt angesagt ist. Solche Modeerscheinungen dauern in der Regel sieben Jahre an – und jetzt haben wir ja schon 2008. Thees, wir danken dir für dieses Gespräch. © guidorottmann.de Und warum stimmen dann Akademiker und Abiturienten mit in den Gesang ein? Das ist so wie mit dem Proll-Kult in der Indie-Szene: Dosenbier und so. Sich was rausnehmen. Wenn ich auf dem Tomte-Konzert ein Lied ankündige und sage: „Tut mir leid, der nächste Song ist echt unser schwulster Song“, dann lachen die Leute, weil sie verstehen, dass diese Ansage zweimal ironisch gebrochen ist. Die wissen dann, dass ich mich selbst über mich lustig mache, aber das hängt eben auch vom Publikum ab. Ich glaube einfach, dass 22jährige Assi-Hip-Hoper das geil finden, wenn sich auch nur zwei Leute über sie aufregen. Homophobie und Popkultur Ob Hip-Hop, Rap oder Reggae, englischoder deutschsprachig: Durch einzelne Musiker und ihre Labels wird immer wieder Schwulenfeindlichkeit geschürt und zu Gewalt gegenüber Minderheiten aufgerufen. Diese Entwicklung ist bedenklich: Mögliche Auswirkungen von Hass-Musik auf Jugendliche dürfen nicht verharmlost werden. Die künstlerische Freiheit ist zweifellos ein hohes Gut, sie rechtfertigt aber keine diskriminierenden Songtexte. Die Musikindustrie muss umdenken: Antischwule Hetze und Aufrufe zu Gewalt in Songs sind weder Bagatelle noch akzeptabler Teil von Jugendmusikkultur. Der Umgang mit Gangsta-Rap ist dabei nicht einfach, weil diese Musikszene und ihre PR-Strategien auf Provokation und Tabubruch angelegt sind. Ein eindeutig rassistisches, homophobes oder sexistisches Vokabular ist aber nicht länger hinnehmbar. Genauso wie rassistische und antisemitische Songs inakzeptabel sind, müssen schwulenfeindliche geächtet werden - alles andere wäre perfide Doppelmoral. Was ist also zu tun? Wir brauchen einen breiten Diskurs und Konsens über klare Grenzen gegenüber minderheitenfeindlichen Songtexten. Von der Hip-Hop-Community können wir erwarten, dass sie für Respekt und gegen alle Formen von Rassismus und Homophobie eintritt. Ihre Selbstreinigungskräfte können wirken (wie z.B. die Initiative von „Brothers Keepers“) und sind daher zu unterstützen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist aufgefordert, mögliche Hass-Songs intensiv zu prüfen und sie gegebenenfalls zu indizieren. Jugendmusikkultur braucht Mindeststandards für Minderheitenschutz. Eine wirksame Selbstverpflichtung der Musikindustrie wäre ein wichtiger Schritt. TV- und Radiosender, Jugendmagazine und Konzertveranstalter müssen selbstkritisch reflektieren, ob sie Teil der PR-Strategien von Hass-Musikern sein wollen oder stärker gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Nur wenn die Zivilgesellschaft Hetze entgegentritt, Staatsanwaltschaften Gewaltaufrufe verfolgen und durch Indizierung Hass-Songs unterbunden werden, können wir auch gegen alltägliche antischwule Gewalt und Diskriminierung wirkungsvoll vorgehen. Verkaufsschläger Kolumne von Paul Schulz, Musikjournalist Unterstützen Musikindustrie und Musikjournalismus Gewalt gegen Schwule und Lesben? Oder wird nur verkauft, was gefällt? Es wäre so schön, wenn es so einfach wäre: Auf der einen Seite die böse Musikindustrie, die Homos hassende Unterschichtler aus niederen, monetären Beweggründen dazu aufstachelt, sich in Machoposen zu werfen und per Sprechgesang Gewalt zu propagieren, um mehr Tonträger zu verkaufen – und dabei noch von der Musikpresse beklatscht wird. Auf der anderen Seite, sozusagen am anderen Ufer, ein Häuflein aufrecht protestierender Schwulenbewegter aus der in- tellektuellen Mittelschicht, die nicht mehr bedroht werden wollen von den proletarischen Schergen des Ghettorap. Die Schuldigen sind gefunden, man erweitert ein paar Gesetze über Volksverhetzung, verbietet ein paar Alben, rüffelt ein paar Journalisten, Ende Gelände. Und, ist es denn nicht so einfach? Nein, Kinder, ist es nicht. Das Problem ist weit komplexer. Nach einem Jahrzehnt als schwuler Musikjournalist mache ich mir keinerlei Illusionen mehr: Die Musikindustrie verkauft – wie jeder andere Industriezweig, der in der Marktwirtschaft Erfolg haben will – was nachgefragt wird. Kommentarund wahllos. Daran, dass Musiker wie FLER oder Bushido sexistische und homophobe Raps zu Top-Ten-Hits machen können, ist nicht die Industrie schuld, sondern der gemeine, meist jugendliche männliche Musikkonsument in Deutschland, der seine Musik genauso selbstbewusst einkauft wie seine Markenturnschuhe und seine Bio-Milch. Er macht diese Acts groß und hat damit angefangen, lange bevor Bushido auf seinem ersten BRAVO-Cover böse guckte. Wer glaubt, dass die Industrie in der Lage wäre, den „armen Kids“ per Dauerbeschuss durch die Teeniepresse Gewalt verherrlichende RapMusik quasi im Handstreich unterzujubeln, ist naiv. Warum? Nun: Die Zeiten, in denen Angestellte von Universal Music, Warner Music, Emi oder Sony BMG auf Festivals impuls - 2008 23 >> Homophobie und Popkultur Homophobie und Popkultur © Universal Music Hall Berlin Universal Music Group Berlin – „Ab 30.000 verkauften Einheiten nehmen wir alles unter Vertrag, egal was.“ oder in Clubs Bands „entdeckten“, um diese dann über Jahre zu formen und zu einem Hit aufzubauen, sind seit mehr als 15 Jahren vorbei. Solch aufwändige Prozeduren kann sich in Zeiten jährlich zweistellig schrumpfender CD-Verkäufe niemand mehr leisten. Lange schon wird von den vier verbliebenen großen Plattenfirmen und ihren Sublabels in Deutschland nur eingekauft, was ohnehin schon Erfolg hat. Das gilt für Rosenstolz genauso wie für Bushido, für Obermacho 50Cent und die quietschig queeren Scissor Sisters, für den dienstältesten Homo des Pop, Elton John, wie für Eminem. Sie alle waren internationale Erfolgsgaranten oder hatten sich auf endlosen Touren oder im Internet eine stabile Fanbase erarbeitet, lange bevor ein deutsches Major-Label sie unter Vertrag nahm. Will ich heute Interviews mit einem dieser Künstler anfragen, muss ich nur eine Nummer wählen, denn sie sind alle bei derselben Plattenfirma unter Vertrag: Universal Music. In deren damals funkelnd neuem Gebäude an der Spree begriff ich vor ein paar Jahren endgültig, wie’s läuft: „Es ist ganz einfach: Ab 30.000 verkauften Einheiten nehmen wir alles unter Vertrag, egal was“, lautete die Antwort eines Firmenmitarbeiters auf meine Frage nach ihrer Künstlerauswahl. Heißt in der Praxis: Erst als sich Bushido und Aggro Berlin unabhängig auf Independent-Labels blendend verkauft hatten, war 24 impuls - 2008 auch Universal interessiert, auf das Erfolgsmodel „deutscher Gangsta-Rap“ zu setzen. Genauso war es Rosenstolz zehn Jahre früher ergangen. Und so funktioniert es, das große Musikgeschäft 2008: Verspricht es Geld, verkauft man alles, egal ob Hetero„Arschficksong“ oder schwulen „Sex im Hotel“. Zynisch? Klar. Nur: Kann man der Musikindustrie ihre völlig wertfreie Einstellung zur Dividende nach Noten verübeln? Natürlich kann man das, wahrscheinlich hat man sogar Recht. Aber man muss sich dann auch fragen lassen: Gilt der Protest nur Behilfs-GangstaRappern wie Bushido, oder auch Songs, in denen die nicht minder erfolgreichen Toten Hosen oder die Ärzte dazu auffordern, Rechte zu vermöbeln, Frauen doch ein bisschen zu verhauen, oder Alex mordend durch die Stadt ziehen zu lassen? Ist man also generell gegen Gewalt im Pop, oder nur gegen Gewalt, wo sie einem selbst gefährlich wird? Die Antwort auf diese Frage muss jeder für sich selbst finden. Die Teeniepresse wird dabei nicht helfen. Aber schaden kann sie auch nicht. Fakt ist: Die BRAVO macht heute genauso wenig Stars wie Deutschlands zweitälteste Frauenzeitschrift Emma dafür sorgen kann, dass Pornos verboten werden. Die Auflagen der Jugendpresse schrumpfen – ebenso wie die der Emma – kontinuierlich. Was nicht nur daran liegt, dass es immer weniger Jugendliche gibt, die gleichzeitig aus immer mehr Kulturkreisen kommen, sondern vor allem daran, dass auch das Internet so etwas wie ein Zentralorgan für Jugendkultur, das die BRAVO noch in den 1990er-Jahren war, längst unmöglich gemacht hat. Im Netz ist jeder sein eigener Star und findet die, die er für Stars hält, viel schneller als einmal wöchentlich am Kiosk. Deswegen bildet die BRAVO Erfolg heute nur noch ab, im großen Maßstab hervorrufen kann sie ihn nicht mehr – da geht’s dem Musikmedium wie der Musikindustrie. Egal ob LaFee ihrem Ex einen „Virus“ wünscht, FLER sich „fremd im eigenen Land“ fühlt oder Bushido „Musik für den Hof im Knast“ macht, sie sind erst danach auf dem BRAVO-Cover, nicht davor. Sollte man trotzdem protestieren – dagegen etwa, dass die BRAVO bei einem „Konzert gegen Gewalt“ Verkaufsschläger Bushido auf die Bühne lässt, um sich anschließend über die einhergehenden Proteste auszuschweigen? Ja, sollte man, weil das ein schwerer medialer Fehler war und die gesamte Veranstaltung entwertete. Man sollte jedoch nicht reflexartig so tun, als stünde der Untergang des Abendlandes bevor. Denn die Entmachtung klassischer Medien und der großen Plattenfirmen, die es Verbalrandalierern wie FLER leicht macht, hat auch viele Vorteile für Fans queerer Künstler. Noch nie in der Geschichte der Popmusik waren so viele von ihnen so erfolgreich wie im neuen Jahrtausend, noch nie waren sie über das Internet und alternative Medien so sichtbar wie heute. Gut so. Den Bock zum Gärtner gemacht – Proteste gegen Berliner R apper Bushido Das im August 2007 von der Jugendzeitschrift BRAVO und dem Musik-TV-Sender VIVA initiierte Anti-Gewalt-Event „Schau nicht weg!“ geriet zur Farce, nachdem die Veranstalter trotz breiten Protestes aus Politik und Interessenverbänden am Auftritt des umstrittenen Krawall-Rappers Bushido festhielten. Mit der Argumentation, keiner seiner für den Live-Act am Brandenburger Tor geplanten Songs wäre als jugendgefährdend eingestuft, verweigerten die Veranstalter bereits im Vorfeld jegliche Diskussion; die Eignung Bushidos als Anti-Gewalt-Botschafter stünde außer Zweifel. Jedoch kamen weder der Berliner Rapper noch die Veranstalter der wiederholten Aufforderung von MANEO nach, sich unmissverständlich auch von antischwuler Gewalt zu distanzieren. Stattdessen verteidigten sie Bushidos Texte wie „Berlin wird wieder hart, denn wir verkloppen jede Schwuchtel“ als einer legitimen Jugendsprache entlehnt und gar nicht ernst gemeint. MANEO kritisierte diese offensichtliche Ignoranz auf Schärfste und unterstütze nach mehreren gescheiterten Gesprächsangeboten eine parallel zum Konzert stattfindende Protestkundgebung. Deren rund 50 Teilnehmer, darunter Vertreter u.a. der Schwulen Lehrer der GEW-Berlin, des Vereins ABqueer, der Schwullesbischen Gruppe von Ver.di Berlin-Brandenburg, der Vereinigung lesbisch-schwuler Polizeibediensteter VelsPol Berlin-Brandenburg, des LSVD-Landesverbands Berlin-Brandenburg sowie von Mann-O-Meter und MANEO, griff Bushido dann während seines Auftritts frontal an. Unter zustimmenden Buh-Rufen des Publikums lästerte er: „Es geht heute Abend nicht um die Schwulen, die da gegen mich demonstriert haben. Ich würde nie gegen Homosexuelle demonstrieren. Aber ich hoffe, die hatten ihren Spaß dabei.“ An die Adresse der Homosexuellen zeigte er dann den ausgestreckten Mittelfinger in die TV-Kameras: „Die Wichser können demonstrieren, sich aufhängen – ich scheiß’ drauf!“ MANEO- Projektleiter Bastian Finke erklärte dazu: „Es ist ein handfester Skandal, dass BRAVO und VIVA solchen Parolen ein Forum bieten. Die Veranstalter haben sich mit dem Auftritt Bushidos selbst disqualifiziert. Das Konzert, mit dem vollmundig behauptet wurde, Gewalt an Schulen bekämpfen zu wollen, war eine einzige Alibi-Veranstaltung. Mit ernsthafter Anti-Gewalt-Arbeit hat das nicht das Geringste zu tun, im Gegenteil: Das Event konterkariert sämtliche Bemühungen auf diesem Gebiet.“ (red) Hass-Videos im Internet Die Stärke des sogenannten Web 2.0 ist zugleich seine Schwäche: Wo jeder mit wenig Aufwand und geringem technischen Know-how selbst erstellte Inhalte jedermann zugänglich machen kann, ist das Risiko groß, dass auch Inhalte Verbreitung finden, die dazu geeignet sind, die Entwicklung einer toleranten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit nachhaltig zu stören. Im Sommer 2007 erhielt MANEO verstärkt Hinweise, wonach insbesondere in Online-Videoportalen homophobe und Gewalt gegen Schwule verherrlichende Inhalte kursierten. MANEO-Projektleiter Bastian Finke erklärte dazu: „Wir nehmen diese Hinweise ernst und gehen ihnen nach. Jedoch können wir nicht selbst jeden Tag das Internet auf homophobe und strafrechtlich relevante Inhalte durchforsten. Daher sind wir auf die Mithilfe der Internetnutzer angewiesen und bitten sie, uns ihre Beobachtungen mitzuteilen.“ Obschon es ein ständiger Kampf gegen Windmühlen ist, zeitigten die Bemühungen von MANEO bereits Erfolge. Webvideo „Suppeinapuppe – Nachdem MANEO Anfang Juli 2007 bekannt wurde, Keine Toleranz auf dem CSD“: dass über die Plattform YouTube.com Videoclips VerZwei lesbischen Frauen wird breitung fanden, die unverhohlen zu homophober Gezugerufen: „Die Untermenschen walt aufriefen, erstattete MANEO umgehend Strafkommen vom Fest.“ anzeige gegen unbekannt. Die Clips wurden noch am selben Tag vom System gelöscht. Finke: „Uns ist wohl bewusst, dass dies nur ein Etappensieg war. Aber das Internet ist, wenn auch ein schwer überschaubarer, so doch kein rechtsfreier Raum. Eine Duldung dort verbreiteter antischwuler Parolen käme einer Aufgabe des Terrains gleich. Das kann nicht im Interesse einer Gesellschaft sein, die in stetig steigendem Maße dieses Kommunikationsmittel nutzt!“ Der Berliner Senat begrüßte daher ausdrücklich das Vorgehen von MANEO: „Zu den Aufgaben von MANEO gehört es, Gewaltopfern beizustehen und ihnen Hilfe zu leisten. Der Senat begrüßt es, wenn sich Betroffenen bzw. deren Organisationen gegen diskriminierende Darstellungen gegenüber Lesben und Schwulen in Videoclips wehren“, so der Senat auf eine Kleine Anfrage des CDUAbgeordneten Sascha Steuer vom 16. August 2007 zum Thema Musikszene ohne Jugendschutz?. (red) Über die beiden oben beschriebenen Vorfälle informierte MANEO seinerzeit aktuell mit seinem MANEO-Newsletter (s. S. 34). impuls - 2008 25 Homophobie und Fußball Platzverweis hintenrum Von Oliver Lück und Rainer Schäfer Die beiden Sportjournalisten Oliver Lück und Rainer Schäfer sind dafür bekannt, den Ball nicht flach zu halten, wenn es um Homophobie in Deutschlands populärster Sportart geht. Für impuls haben sie mit zahlreichen Fußball-Insidern gesprochen, von denen jedoch nur wenige bereit waren, sich dem Thema offensiv zu stellen. Die Stimme des Mannes zittert, überschlägt sich. Fast schreit er in den Telefonhörer. „Bei uns gibt es keine Homosexualität in der Mannschaft!“ Das Gespräch sei hiermit beendet, erklärt er außer Atem. Nur eines noch: „Bei uns ist alles in Ordnung! Wir haben auch kein Problem mit Schwulenfeindlichkeit!“ Der Pressesprecher hatte die Fassung verloren. Dabei handelte es sich lediglich um eine Umfrage unter den 36 Profiklubs der ersten und zweiten Bundesliga, ob man sich gegen das homophobe Klima in den deutschen Fußballstadien engagieren wolle. Das ernüchternde Resultat: Nur acht Vereine reagierten überhaupt auf die Anfrage. Fußball - schwulenfreie Männerzone? Fußball und Homosexualität gelten noch immer als unvereinbare Gegensätze. Im Profifußball darf es offiziell keine Schwulen geben. Kein deutscher Profi hat sich bislang als homosexuell zu erkennen gegeben, obwohl, statistisch gesehen, drei schwule Teams in den Bundesligen spielen müssten. Auch in den Vorstandsetagen der Liga-Klubs sitzen homosexuelle Funktionäre, aber nur Corny Littmann, Präsident des FC St. Pauli, kokettiert offen mit seinem Schwulsein. Unter der Hand werden immer wieder einige Namen gehandelt, aber offen möchte keiner damit umgehen. Stattdessen wird weiter Verstecken gespielt und viel Energie darauf verwandt, Fußball als angeblich schwulenfreie Männerzone zu präsentieren und zu erhalten. Dabei musste in 45 Jahren Bundesliga keiner der heterosexuellen Kollegen „mit dem Arsch zur Wand“ duschen, aus Angst, dass er ungewollt penetriert würde, wie eines der beliebtesten Klischees im Fußball besagt. „Da werden alle Ängste vor Schwulen mobilisiert, die man sich vorstellen kann“, sagt die Kulturwissenschaftlerin Tatjana Egge- le Fußballer im Geheimen. „Ich fühle mich beschissen. Auch meine Frau weiß nichts davon“, offenbarte ein verzweifelter Zweitligaprofi seine absurden Lebensverhältnisse gegenüber dem Fußballmagazin RUND. Offiziell ist er verheiratet, lebt aber schon seit seiner Jugend in einer festen Beziehung mit einem Schulfreund zusammen. „Aber was soll ich machen? Ein Outing wäre das Ende meiner Karriere, mein Tod.“ MANEO-Plakat zur Fußball WM 2006. Prominente Sportler und Künstler sowie der Reg. Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, zeigen die Rote Karte: „Homophobie und Hassgewalt haben keinen Platz in unserer Mitte!“ Im Uzs.: Klaus Wowereit, Reg. Bürgermeister; Marc Hartensuer, Füchse Berlin; Désirée Nick, Schauspielerin; Christian Beeck, 1. FC Union Berlin; Georg Uecker, Schauspieler; Oliver Flemming, Berlin Thunder. ling, „und die verbieten es, sich dem Thema zu stellen.“ Das Bild des sexuell gierenden Schwulen, immer bereit, einen der Kollegen in den weiträumigen Funktionsräumen der Stadien „zu vernaschen“, ist eine bittere Parodie auf die wirklichen Lebensumstände. Die sind oft von Angst und Verzweiflung geprägt. Versteckspiel zugunsten der Karriere Während ein Coming-out in anderen Gesellschaftskreisen zumeist nur noch nebensächlich zur Kenntnis genommen wird und schwule Politiker oder Fernsehstars mit ihren Lebenspartnern ganz selbstverständlich auf Empfängen erscheinen, leben schwu- Auch der Erstligaprofi, der ebenso eine langjährige homosexuelle Partnerschaft führt, ist es leid, dass ihn eine eingeweihte Freundin zu den Mannschaftsabenden und Weihnachtsfeiern begleitet, um den Eindruck zu erwecken, „normal“ zu sein. „Die Notlügen und die Heimlichtuerei sind unglaublich belastend.“ Scheinehen, zu denen auch Kinder gehören können, dienen dazu, das Leitbild des potenten und heterosexuellen Fußballprofis aufrecht zu erhalten. Dass ein Spieler unter diesen Bedingungen selten seine bestmögliche Leistung erbringen kann, liege auf der Hand, weiß der Sportpsychologe Dr. Martin Schweer, der seit Jahren schwule Fußballprofis betreut (s. S. 30): „Es ist eine kontinuierliche Problemlage; es geht nur darum, halbwegs zurechtzukommen.“ Gefangen in einer Schweigespirale Es ist ein Funktionieren unter unwürdigen Lebensumständen, ein erfülltes Leben ist nicht möglich. „Je bekannter die Profis sind, desto schwieriger wird es, die Fassaden eines solchen Doppellebens aufrechtzuerhalten“, glaubt Tatjana Eggeling. „Sport ist einer der konservativsten Bereiche unserer Gesellschaft. Der Arbeitersport wurde jahrzehntelang nur von Männern und deren Sichtweise dominiert“, erklärt die Kulturwissenschaftlerin. Andere Lebensweisen finden da keinen Platz. „Das Fremde löst besonders viel Angst aus, auch weil Sport ganz nah an der Körperlichkeit dran ist. Dem wird besonders aggressiv und intolerant begegnet.“ Selbst ausgewiesen soziale und liberal denkende Spieler wie die Nationalspieler Christoph Metzelder von Real Madrid („Ein zu heißes Eisen, zu dem ich mich auf keinen Fall äußern möchte“) und Sebastian Kehl von Borussia Dortmund („Kein Kommentar“) schweigen lieber zum Thema, weil impuls - 2008 27 >> Homophobie und Fußball sie fürchten, in ein falsches Licht zu geraten und in einem auf Kraft und Härte verpflichteten Männerkosmos gedemütigt zu werden, in dem Homosexualität als Schwäche gilt. „Dabei wäre es wichtig, dass heterosexuelle Spieler sagen würden, dass Schwule kein Problem für sie sind“, glaubt Tanja Walther von der European Gay & Lesbian Sport Federation (EGLSF), „das Fehlen eines solchen Statements belegt, dass das Klima nicht stimmt.“ Die Diskriminierung von Homosexuellen wird noch auf lange Sicht ein Bestandteil des Fußballs bleiben, solange Homophobie totgeschwiegen wird, in den Verbänden, in den Klubs und von den Sportlern. Fortschritte vollziehen sich nur sehr schleppend. Nur wenige Profis lassen sich in diesem Kontext zitieren, wie kürzlich Nationalspieler Philip Lahm im Magazin Front: „Wenn ein Spieler schwul ist, ist er trotzdem mein Mannschaftskollege, und für mich würde sich im Umgang mit ihm nichts ändern.“ Unterstützung erhält Lahm von Michael Preetz, dem früheren Nationalspieler und jetzigen Leiter der Lizenzspielerabteilung des Bundesligisten Hertha BSC Berlin: „Homosexuelle gibt es in allen Gesellschaftsschichten, auch im Sport und auch im Fußball. Ich bin gegen jegliche Form der Diskriminierung, auch gegen Homophobie.“ Eine Aussage, die selbstverständlich sein sollte, im Fußball aber viel zu selten zu hören ist. Den ersten beißen die Hunde Immerhin wird die Existenz homosexueller Kollegen nicht mehr kategorisch abgestritten, wie es über Jahrzehnte der Fall gewesen ist. „Ich glaube schon, dass es auch schwule Fußballprofis gibt“, sagt etwa Ivan Klasnic, Stürmer des SV Werder Bremen, „auch wenn ich es selber noch nicht gesehen habe, dass sich zwei Spieler wild geknutscht hätten. Ich habe nichts gegen Schwule. Wenn sie ihre Sachen machen wollen, sollen sie das. Jeder wie er will.“ Auch der deutsche Ex-Nationalspieler Robert Huth vom FC Middlesbrough sagt, er habe mit Homosexualität „kein Problem“: „Jeder soll so leben, wie er will.“ Er gibt aber zu bedenken, dass sich ein Spieler mit einem Coming-out „gewiss keinen Gefallen tun“ würde. „Dieser hätte im Stadion sicher nicht das schönste Leben.“ Eine starke Persönlichkeit wäre vonnöten, um die Konsequenzen eines Coming-outs auszuhalten. „Der erste Profi, der das auf sich nimmt, kommt nicht mehr zum Schlafen, zum Essen und zum Trainieren“, mutmaßt Tatjana Eggeling. Jens Todt, Fußball-Europameister von 1996 und heute Journalist, pflichtet bei: „Der wird sicher ein 28 impuls - 2008 Homophobie und Fußball Jahr lang niedergemacht, zu Hause und auswärts.“ Sicher auch ein Grund dafür, warum die Klubs fast panisch reagieren, wenn Homosexualität thematisiert werden soll. Und so kommt es, dass selbst ein aufgeschlossener und aufmerksamer Profi wie Jens Todt in 13 Jahren nicht mitbekommen hat, „dass einer schwul ist. Klar kann man sich Gedanken machen, wenn einer nie eine Frau oder Freundin zu Feiern mitbringt. Aber zu den meisten Spielern hat man keinen engen privaten Kontakt.“ Auch Henning Bürger, ExProfi des FC St. Pauli und des FC Schalke 04 und heute Trainer des Zweitligisten FC Carl Zeiss Jena, hat bislang keinen homosexuellen Profi kennen gelernt, glaubt aber auch, dass sich so schnell keiner outen werde: „Dann wäre der Rummel riesig. Gerade bei Auswärtsspielen müsste ein bekennender Homosexueller einen riesigen Druck aushalten. Irgendwann passiert es sicher, noch ist die Angst aber viel zu groß.“ Mangelnde Sensibilität Seitens der Vereine und Verbände wird noch wenig unternommen, um schwulen Fußballern die Angst vor Repressionen zu nehmen. Die meisten deutschen Profiklubs haben den Anti-Rassismus-Paragraphen in ihre Satzung aufgenommen, den gegen sexuelle Diskriminierung findet man bei den wenigsten. Und auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) stehen Maßnahmen gegen Homophobie nicht auf der Prioritätenliste. Sechs Jahre hat es gedauert, bis der DFB den 1994 vom Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF) vorgeschlagenen Anti-Rassismus-Paragraphen umsetzte, auf den 2002 empfohlenen Homophobie-Katalog ist der Verband noch nicht weiter eingegangen. „Beim Thema Rassismus kann der DFB es sich nicht mehr leisten zu schweigen, auch aus Imagegründen“, meint Gerd Dembowski, Fanaktivist und Fußballautor, „Homophobie aber kann man noch verdrängen. In der Hierarchie der Diskriminierungen steht sie ganz weit hinten, hinter Rassismus, Frauen und Behinderten.“ Dabei ist die Situation in den deutschen Stadien alarmierend, wie BAFF-Sprecher Martin Endemann aus wöchentlichem Anschauungsunterricht weiß: „Bei Homophobie ist gar kein Bewusstsein da. Sehr viele Choreographien beschäftigen sich damit, dass der Gegner schwul ist. Ganze Kurven verbreiten homophobe Inhalte – wären es rassistische Inhalte, gäbe es einen Riesenaufruhr. Nähme der DFB Homophobie in seinen Strafenkatalog auf, müsste er fast jedes Bundesligastadion dicht machen und jedes zweite Bundesliga-Spiel abbrechen.“ Vorsichtiger Optimismus bei Aktivisten Ein Novum erlebten die Besucher des ersten Aktionsabends gegen Homophobie im deutschen Fußball, zu dem die EGLSF, BAFF und das Magazin RUND im Oktober letzten Jahres nach Berlin eingeladen hatten. Denn erstmals beteiligte sich der DFB in Person von Helmut Spahn, dem Sicherheitsbeauftragten und Leiter der Task Force, öffentlich an einer Podiumsdiskussion zum Thema. Spahns Aussagen lassen hoffen, dass der DFB gegen das schwulenfeindliche Klima in den Stadien und auf den Fußballplätzen aktiv vorgehen wird: „Gerade was sich Woche für Woche in dieser Hinsicht in den unteren Ligen abspielt, ist nach wie vor erschütternd. Wir haben das Problem erkannt und werden es angehen“, versprach Helmut Spahn und ging sogar noch einen Schritt weiter: „Wenn sich ein prominentes Mitglied des Frauen- oder des Männer-Nationalteams als homosexuell outet, wäre der DFB der Letzte, der damit ein Problem hätte. Wir würden ihn in jeder Hinsicht unterstützen.“ Ein großes Versprechen, das Erstaunen, aber auch Erwartungen auslöst. verbal beleidigt. Asamoah bezichtigte Weidenfeller, ihn ,,schwarzes Schwein‘‘ genannt zu haben. Vom Vorwurf des Rassismus’ wurde Weidenfeller allerdings frei gesprochen. „Schwules Schwein“ hätte er gerufen, gab er vor dem Sportgericht zu, und wurde wegen ,,einer herabwürdigenden und verunglimpfenden Äußerung‘‘ zu einer Geldbuße von 10.000 Euro und einer Sperre von drei Spielen verurteilt. Im Falle einer rassistischen Äußerung hätten Weidenfeller sechs Spiele Sperre gedroht. 2. Aktionsabend gegen Homophobie im FuSSball Nachdem zahlreiche Vereine und Organisationen, darunter auch MANEO, am 12. Oktober 2007 die „Erklärung gegen Homophobie im Fußball“ unterzeichneten, lädt die EGLSF am 23. Mai 2008 zum zweiten Aktionsabend nach Köln, zu dem auch DFB-Präsident Theo Zwanziger erwartet wird. War Organisatorin Tanja Walther im Vorjahr noch „vorsichtig optimistisch“, sei sie nun „vorsichtig und ein bisschen mehr optimistisch“, weitere Vereine zur Unterzeichnung der Erklärung bewegen zu können. (red) www.eglsf.info Alle Vereine der ersten und zweiten Bundesliga sowie der Regionalligen waren zur Veranstaltung eingeladen. Dass nur wenige Klubs kamen, zeigte einmal mehr, dass der Fußball die Homophobie noch immer nicht erkannt hat oder nicht erkennen will. Aus den Bundesligen unterzeichneten einzig Werder Bremen, Energie Cottbus, Carl-Zeiss Jena, der Hamburger SV und Gastgeber Hertha BSC Berlin die „Erklärung gegen Diskriminierung im Fußball“. „Ein Anfang“, blieb Mitorganisatorin Tanja Walther von der EGLSF vorsichtig optimistisch. In diesem Jahr soll ein zweiter Aktionsabend in Köln folgen. Immerhin hat der DFB seine Unterstützung für die Ausrichtung eines Spieles vor einer Bundesligapartie zwischen einem schwulen Männerteam und einer Prominentenauswahl zugesagt. Tanja Walther: „Das könnte helfen, das Thema weiter in die Öffentlichkeit zu bringen. Nur so wird sich das homophobe Klima nach und nach verändern.“ Messen mit zweierlei Maß beim DFB sendet falsches Signal Dass der DFB und seine Sportgerichtsbarkeit „Rassismus“ und „Homophobie“ nach wie vor unterschiedlich schwer gewichtet, zeigt ein Vorfall im Bundesligaderby zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund vergangenes Jahr. Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller hatte den dunkelhäutigen Stürmer Gerald Asamoah nach einem Zweikampf MANEO-Plakat zur Fußball WM 2006. Die Kampagne wurde unterstützt vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, sowie vom Polizeipräsidenten von Berlin, Dieter Glietsch. Unter anderem als City-Light-Poster war das Motiv lange Zeit im Berliner Stadtbild präsent. impuls - 2008 29 Homophobie und Fußball Homophobie und Fußball Vom Platz auf die Couch „24 Stunden in Angst“ Von Rainer Schäfer Interview: Oliver Lück und Rainer Schäfer Dr. Martin Schweer, Direktor des Instituts für Soziale Arbeit, Angewandte Psychologie und Sportwissenschaft an der Hochschule Vechta, berät traumatisierte Spitzensportler – darunter auch Profifußballer, die ihre Homosexualität verheimlichen müssen. Deshalb tarnen sich die meisten schwulen Sportler. Sie schlüpfen in eine andere, oftmals verhasste Identität und versuchen mit den Widersprüchen ihrer schizoid zerfransten Existenz möglichst viele Jahre über die Runden zu kommen – einige davon mit Martin Schweers Hilfe. Auch wenn die mediale Präsenz und Penetranz inzwischen feste Konstanten in dessen Tagesablauf darstellen: Dr. Martin Schweer ist kein auf schwulen Sport spezialisierter PR-Manager, er ist Direktor des Instituts für Soziale Arbeit, Angewandte Psychologie und Sportwissenschaft an der Hochschule Vechta. Schweer engagiert sich auch an einem europäischen Forschungsprojekt zur Thematik „Sexuelle Orientierung und Hochleistungssport“, da bestätigt sich europaweit im Gro- 30 impuls - 2008 Martin Schweer ist viel unterwegs, seine Dienste sind gefragt. Spezialgebiet: traumatisierte Sportler. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit betreut er seit Jahren als Sportpsychologe schwule Spitzensportler, darunter auch Fußballprofis, die zu den besten in Deutschland zählen. So unterschiedlich sie in ihrer Persönlichkeit sind, eines verbindet sie alle: Sie können, wollen sie ihr Geld als Profi verdienen, ihre Homosexualität nicht ausleben. Eine Konstellation, die viele Probleme mit sich bringt und wenige Lösungsansätze zulässt – die Leistungssport erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. „Sie ist mit einem enormen Leidensdruck für die Sportler verbunden“, weiß Schweer. Vor allem schwule Fußballprofis kommen nicht mit ihren teilweise absurden Lebensverhältnissen zurecht. Mit den extremen emotionalen Schwankungen, die sie aushalten müssen: Nach außen sind sie gefeierte und beneidenswerte Stars in einem Sport, der sich hart und männlich gibt. Und privat Menschen, die an ihrer Rolle verzweifeln: Zutiefst verunsichert, weil sie einen elementaren Teil ihrer Identität nicht zeigen können und dürfen. „Ich weiß aus meiner Be- ratungsarbeit, dass diese Spieler für sich nur die Wahl sehen, ein Versteckspiel zu führen und ihre Homosexualität zu vertuschen. Vor dem Trainer, der Mannschaft und dem eigenen Management. Das stellt eine erhebliche psychosoziale Belastung dar.“ Der Hamburger Theaterintendant und Präsident des deutschen Zweitligaklubs FC St. Pauli, Corny Littmann, lässt sich nur selten den Mund verbieten. Der 54-Jährige über seine Arbeit als erster offen schwuler Vereinsboss. Trotz dieser belastenden Umstände schaffen es Fußballprofis, nach ganz oben zu kommen. Sie spielen in Spitzenklubs und in der Nationalmannschaft. Die meisten aber bleiben auf der Strecke. Sie entscheiden sich gegen ihr Talent und ihre Karriere und für ein Leben mit weniger Angst und Selbstverleumdung. Herr Littmann, wären Sie heute so bekannt, wenn Sie nicht schwul wären? Corny Littmann: (lacht) Über diese Frage könnte ich mich totlachen! Vielleicht wäre ich heute nicht so bekannt, wenn ich größer als 1,70 Meter wäre oder mehr Haare auf dem Kopf hätte. Die Zuversicht, dass gerade der Fußball sich von seinem homophoben Grundklima befreien kann, hat Martin Schweer in den Jahren seiner sportpsychologischen Beratung nach und nach zurückgefahren. Die tägliche Arbeit, die vielen bedrückenden Fakten und Gespräche legen es nahe. Seinen Sportlern rät er deshalb zur Zurückhaltung im öffentlichen Umgang mit ihrer Homosexualität: „Ich kann derzeit keinem raten, damit konfrontativ umzugehen. Ich halte es für die sinnvollere Alternative, an vielen Stellen ein Umfeld und Klima zu schaffen, das antidiskriminierend ist.“ Die großen Lösungen können Psychologen wie Martin Schweer nicht anbieten. Sie können homosexuellen Sportlern nur zeitweise Linderung verschaffen, Ruhephasen in einer anstrengenden Hetzjagd. Es ist noch ein langer Weg, bis Sportler unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung beurteilt werden. Auch wenn das Thema immer häufiger medial angegangen wird. Vielleicht auch gerade deswegen. Als heterosexueller Fußballpräsident wären Sie aber vermutlich weit weniger interessant für die Medien. Das ist doch aber nicht mein Problem, sondern das der Medien. Schon in jungen Jahren war ich Fußballfan, da hatte ich von Männern, Frauen oder Sex noch überhaupt keine Ahnung. Der Beginn meiner Fußballleidenschaft liegt lange vor meiner Geschlechtsreife. Ein homosexueller Profi müsste um seine Karriere bangen, sollte er sich outen. Wie erleben Sie die alltägliche Atmosphäre in den Stadien? Da die Besucher eines Fußballstadions recht gut den Durchschnitt der Bevölkerung repräsentieren, gibt es nach wie vor auch Homophobie beim Fußball. In ländlichen Gebieten ist das noch ausgeprägter als in Stadtgebieten. „Schwule Sau“ ist aber sicher überall noch immer ein Schimpfwort, auf und neben dem Fußballplatz. Und sicher gibt es auch versteckte Homophobien beim Fußball. Es ist aber auch eine Frage, wie man damit umgeht. In Deutschland gibt es mittlerweile einige schwul-lesbische Fangruppen, © FC St. Pauli Es vergeht kaum mehr ein Tag, an dem Martin Schweer keine dieser Anfragen erhält: Er solle doch, bitteschön, mal eben einen homosexuellen Sportler für ein Interview vermitteln. Es sind Ersuchen, die schnell im Papierkorb landen. Schweer lehnt sie grundsätzlich ab, auch um keinen der von ihm betreuten Sportler zu gefährden. Denn das Verlangen der Medien ist in den überwiegenden Fällen zu offensichtlich, zu leicht durchschaubar: Es ist ein voyeuristisches Interesse an den Sportlern und deren Leiden. Das darin begründet ist, dass sie homosexuell sind. Eine sexuelle Orientierung, die in mancher Profisportart immer noch einem Berufsverbot gleichkommt. ßen, was er hierzulande im Kleinen schon längst erfahren hat: Wie brisant dieses Thema immer noch ist. Dass sich ganz schnell Türen schließen, die sonst offen stehen. Bei Sportlern, Funktionären, Managern und Sponsoren. „Das Thema Homosexualität ist in keinster Weise selbstverständlich“, sagt Schweer. „Gerade in stark männlich konnotierten Sportarten, wie es der Fußball ist, stellt Homosexualität noch ein großes Problem dar.“ Ein offener Umgang mit ihr ist in den meisten Sportarten immer noch nicht möglich. die aktiv gegensteuern und auch mehr und mehr wahrgenommen werden. Die Schwulen sind nicht nur in der Opferrolle, sie wissen sich zu wehren und tun es auch. Sind schwul-lesbische Fanclubs ein Ausdruck von gewachsenem Selbstbewusstsein? Es ist zuallererst ein Ausdruck von großer Fußballleidenschaft. Wenn ich mir zum Beispiel im Internet die Spielberichte durchlese, die von den schwulen Anhängern geschrieben und veröffentlicht werden, dann ist das zunächst ein subjektiver und durch Sachverstand geprägter Bericht. Es tauchen aber natürlich auch Sichtweisen auf, die einem heterosexuellen Fußballfan völlig fremd sind – etwa, ob ein Spieler attraktiv ist. Grundsätzlich glaube ich aber, dass die Existenz schwul-lesbischer Fangruppen das Klima positiv beeinflusst. nes Verdachts aufkommen zu lassen, vielleicht als schwul gelten zu können. Das kostet unglaublich viel Energie und raubt dir alle Sinne. In jeder Sekunde musst du auf jedes deiner Worte, jede deiner Handbewegungen, jede Kleinigkeit achten. Lach an der richtigen Stelle über einen Witz, den deine heterosexuellen Kollegen lustig finden, du aber ganz und gar nicht. Lebe möglichst mit einer Frau zusammen, damit gar nicht erst Gerüchte entstehen. Diese Lebensumstände sind das eigentliche Drama schwuler Fußballer. Sie haben es als schwuler Präsident einfacher? Natürlich, ich muss mich nicht auf dem Platz beweisen und kann meine Homosexualität offen ausleben. Das ist wohl nur beim FC St. Pauli möglich. Woanders hätte man mich vermutlich gar nicht gewählt. Meine sexuellen Neigungen waren im Verein jedenfalls noch nie ein Thema. Herr Littmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Kennen Sie schwule Fußballprofis? Ja, ich würde die Namen aber nie öffentlich nennen. Viel wichtiger ist, dass sich auch Ihre Leser einmal bewusst machen, in welch verzweifelter Lage ein schwuler Profi ist. 24 Stunden am Tag muss er mit der Angst leben, entdeckt zu werden. Er muss immer alles dafür tun, bloß nicht den Hauch ei- impuls - 2008 31 Homophobie und Fußball Homophobie und Fußball Hort der Homophobie Von Dr. Tatjana Eggeling Die Welt des Fußballs empfängt Lesben und Schwule nicht mit offenen Armen, Homosexualität ist hier ein Tabu. Über sie wird selten gesprochen und die Verletzung des Tabus verspricht allerlei Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus dem Team. Es wird unhinterfragt davon ausgegangen, dass alle Aktiven – TrainerInnen, FunktionärInnen, AthletInnen usw. – heterosexuell sind, alles andere ist undenkbar. Dennoch befürchten viele – heterosexuelle – Beteiligte, im Sport auf Lesben und Schwule zu treffen. Sie versuchen mit homophoben Strategien, diese Begegnungen zu vermeiden, Homosexualität nicht denken, nicht erfahren, nicht sehen zu müssen, in keiner Weise mit ihr in Berührung zu kommen. Sie macht Angst, wird als ein gefährliches Anderes ausgegrenzt und als dem Ansehen des Fußballs schadend be-trachtet. Der Fußball, für viele „die schönste Nebensache der Welt“, hält besonders beharrlich an überkommenen Werten und Normen fest und weigert sich, gesellschaftliche Wandlungsprozesse anzuerkennen.Er stützt sich dabei auf folgende Denkmuster und Vorstellungen. Zum einen ist dies die Heteronormativität, die auf zwei Annahmen beruht: der von zwei distinkten Geschlechtern – dem männlichen und dem weiblichen – und der des grundsätzlichen heterosexuellen Begehrens. Zum zweiten sind dies patriarchale Vorstellungen von Wert und Eigenart der Geschlechter; das Männliche ist im Fußball wie in anderen Sportarten auch Richtschnur und Messlatte aller Dinge, dem das Weibliche hierarchisch untergeordnet ist. Beide gehen eine fatale produktive Allianz ein. Zudem ist im Sport der Körper zentrales Medium, während er in fast allen anderen gesellschaftlichen Bereichen (zumindest in spätindustrialisierten Gesellschaften) längst nicht mehr die Rolle spielt, die er einst für Arbeit und Überleben hatte. Er ist zugleich die Bühne für die Aufführung traditioneller Geschlechterrollen; auch Sexualität ist eine Sache des Körpereinsatzes. All dies bildet ein normatives Geflecht von Akzeptablem und Nichtakzeptablem, das Lesben und Schwule zu verletzen scheinen. Schwulen wird unterstellt, sie wollten ihren Mitspielern „an die Wäsche“. Kurzschlussartig werden gedanklich Freizeit- oder be- 32 impuls - 2008 rufliche Beschäftigung mit einem unaufhaltsamen Drang, das sexuelle Begehren auszuleben, in Eins gesetzt – ein unbegründeter Reflex, denn im Sport kommen sexuelle Übergriffe von heterosexuellen Männern auf von ihnen abhängige Mädchen oder junge Frauen weit häufiger vor als von Schwulen auf andere Männer. Schwule gelten nicht als „echte“ Männer, sondern als weich, schwach, empfindlich u.ä., Beschimpfungen wie „Weichei“, „Warmduscher“ oder „Memme“ sind sinnfälliger Ausdruck für die Gleichsetzung von „Schwulsein“ und Weiblichkeit. Schon im Jugendalter lernen Fußballer, dass Schwule minderwertig sind, und trainieren nicht nur den versierten Umgang mit dem Ball, sondern auch das Verstecken und Verleugnen all dessen, was als schwul wahrgenommen werden könnte. Schwule Fußballer sind deshalb zu einem psychisch und physisch sehr anstrengenden Spagat gezwungen; sie müssen sich möglichst heterosexuell geben. Die hierfür aufgewendete Energie steht für den Sport nicht mehr zur Verfügung. Schwule, die den Spagat nicht aushalten und auf eine Fußballkarriere verzichten, fällen eine nicht nur persönlich weitreichende sondern auch für ihren Sport bedeutsame Entscheidung. Der Fußball verliert Talente; die Homophobie im Fußball hat letztlich also auch negative ökonomische Folgen. Der Homophobie sind Lesben im Fußball ebenfalls ausgesetzt, sie bekommen sie nur in anderer Weise zu spüren. Zunächst finden sie als Frauen weniger Anerkennung als Männer, denn sie sind in eine Männerdomäne eingebrochen, die proletarisch-männliche Tugenden und Eigenschaften verlangt: Fußball gilt vielen, auch vielen Aktiven, geradezu als Kampfsport, der besonderen Körpereinsatz verlangt und Zimperlichkeit, Zurückhaltung, übermäßige Vorsicht und Sorge um die eigene körperliche Unversehrtheit im Spiel – also Verhaltensweisen, die traditionell als weiblich betrachtet werden – sofort ahndet. Es ist zwar weithin bekannt, dass im Frauenfußball (im Breiten- wie im Leistungssport) viele Lesben mitspielen, doch in den oberen Ligen unterliegen sie Stillhalteabkommen, die von ihnen verlangen, ihr Lesbischsein nicht in die Öffentlichkeit zu tragen. Die heterosexuelle Ordnung wird einer Doppel- moral folgend aufrechterhalten. Lesbischsein wird weniger ernst genommen und ist weniger angstbesetzt als Schwulsein, analog zur relativen Geringschätzung der weiblichen Sexualität gegenüber der männlichen. Ebenso wird Frauenfußball immer noch nicht überall als „echter“ Fußball ernst-, sondern als missglückte Imitation des Männerfußballs wahrgenommen. Und da der Fußball als kampfbetontes Spiel Fähigkeiten verlangt, die als „männlich“ gelten, werden Fußballerinnen immer noch von vielen nicht als „echte“ Frauen betrachtet, dazu sind sie ihnen zu kerlig, robust und unattraktiv – Attribute, die gemeinhin Lesben zugeschrieben werden –, und verstoßen gegen die Normen geschlechtskonformen Verhaltens. Denkmuster und Verhaltensweisen lassen sich nicht leicht ändern, doch ist ein nachhaltiger Wandel im Fußball möglich. Zunächst einmal muss die Homophobie als Problem benannt und anerkannt werden, um dieses Bewusstsein dann in konkrete Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen umzusetzen: in gezielte Ausbildungseinheiten für die Trainerausbildung, die explizite Aufnahme von Antidiskriminierungsparagraphen in Satzungen von Vereinen und Verbänden, in aktives Vorgehen gegen Diskriminierung von Lesben und Schwulen auf dem Platz und auf den Rängen usw. Dem Sport wird nicht grundlos ein integratives Potential und die Fähigkeit zur Sozialität zugeschrieben; der Fußball als kulturell und ökonomisch mächtige Institution könnte das eindrücklich belegen, indem er im aktiven Auftreten gegen Homophobie gesellschaftliche Verantwortung in einem demokratischen Gemeinwesen zeigt. ao\ZWZg V H c ^d ^i Y : g Z Y h j <jiZ;^abZV Z lll#hVao\ZWZg#Y impuls - 2008 33 Engagement Homophobie und Religion Danksagung Engagement Kolumnentitel MANEO bedankt sich bei seinen Sponsoren und Spendern für die Unterstützung in 2007. Sponsoren 2007 Spender 2007 RESTAURAN T-CLUB-LOUNG E Online-Befragungssoftware für Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Wall AG–international agierender Außenwerbespezialist. Vielfalt erzeugt neue Ideen. Leistung aus Leidenschaft. The Definiton of Nighlife. Exclusive Dining. Entertainment and Style. Glamour and Stars. Der europäische Circuit-Event in Berlin. Expressionismus, Adult Entertainment, Glamour. Größte deutsche Stiftung für die Emanzipation von Schwulen und Lesben. Taxiruf – die schnelle Nummer für Berlin. Kreative Projekte –von der Idee bis zur Umsetzung. Ihr Partner für Film- & TV-Produktionen, Management und PR. Die Berliner Kino-Gruppe mit 12 individuellen Filmtheatern in der Hauptstadt. Primärprävention und Spendensammlungen für Hilfsprojekte zu HIV und AIDS. Prävention. Information. Absulution. Missionsarbeit für die Freuden des Sicheren Geschlechtsverkehrs. Ältester filmtechnischer Dienstleister und Postproduzent in Deutschland. Enjoy Bed and Breakfast. Die Zimmervermittlung für Schwule, Lesben und Freunde. Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH. 34 impuls - 2008 Licht, Liebe, Lust und Latex – Schwesternschaft der Perpetuellen Indulgenz e.V impuls - 2008 35 Engagement © MANEO Stimmen zu Maneo „Seit vielen Jahren verfolge ich mit Respekt und Sympathie den professionellen Einsatz von MANEO zugunsten von Opfern von Gewalttaten sowie die gezielte Aufklärungsarbeit im Rahmen des Projektes.“ Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin MANEO am Nollendorfplatz in Berlin-Schöneberg Unterstützung für MANEO Seit 18 Jahren leistet MANEO erfolgreich Opferhilfe- und Gewaltpräventionsarbeit, erfasst gegen Schwule gerichtete Gewalttaten und mobilisiert bürgerschaftliches Engagement – die Schlagkraft des Projekts liegt nicht zuletzt in der Vernetzung dieser vier Kernbereiche begründet. Jedoch reicht die Förderung der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport schon seit langem nicht mehr aus, die vielfältige Arbeit von MANEO zu finanzieren. Aufgrund der schlechten Berliner Haushaltslage drohen zudem beständig weitere Kürzungen. Mittlerweile beläuft sich die Summe auf 10.000 Euro, die MANEO als Eigenmittel selbst erwirtschaften muss. Die hohe Qualität seiner Projektarbeit aufrechtzuerhalten gelingt MANEO vor allem, weil zahlreiche Ehrenamtliche und Helfer dem Projekt mit tatkräftiger Unterstützung zur Seite stehen. MANEO ist für jede helfende und jede gebende Hand dankbar. Spendenkonto: Mann-O-Meter e.V. Bank für Sozialwirtschaft BLZ 100 205 00 Konto-Nr. 312 60 00 Zweck: MANEO / Nicht-senatsfinanzierte Opferhilfearbeit Spenden sind steuerabzugsfähig. Für die Erstellung einer Spendenquittung bittet MANEO um eine Benachrichtigung. Telefon: 030-216 33 36, E-Mail: [email protected]. MANEO-Newsletter Mit seinem E-Mail-Newsletter informiert MANEO regelmäßig über aktuelle Vorkommnisse und Aktionen. Um in den Verteiler aufgenommen zu werden, genügt eine kurze Nachricht an [email protected]; eine Faxvorlage ist online unter www.maneo.de zum Ausdrucken bereitgestellt. 36 impuls - 2008 „MANEO, das schwule Überfalltelefon, hat eine Vorbildfunktion für ganz Deutschland. Seit vielen Jahren leistet es Unterstützung für Opfer von Gewalttaten, sowohl durch Nachsorge als auch durch die Organisation gewaltpräventiver Angebote. Auch dieses Projekt ist ein hervorragendes Beispiel für gut organisiertes und wirkungsvolles bürgerliches Engagement. Punktgenau setzt es dort an, wo es für die Betroffenen sinnvoll ist. Gerade im Bereich der sogenannten Hasskriminalität – also der Kriminalität, die sich gezielt gegen Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Gruppen richtet–, ist es für die Opfer von Straftaten wichtig zu wissen, dass sie nicht allein sind.“ Brigitte Zypries, Bundesjustizministerin, Berlin Bleibtreustr. 6 Fon 313 58 00 www.bleibtreu-augenoptik.de „MANEO betreibt in Berlin mit großem Erfolg politische Aufklärungsarbeit. Mit seinem Überfalltelefon ist der Verein eine wichtige Anlaufstelle für Opfer von Diskriminierung und Homophobie. Diesen Erfolg trägt MANEO durch seine Netzwerkarbeit in die europäischen Partnerstädte und stärkt dort kleinere Organisationen, damit diese genauso schlagkräftig werden." Elisabeth Schroedter MdEP, Grüne/EFA Fraktion im Europäischen Parlament „Das Schwule Überfalltelefon Berlin ist als Opferhilfe weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannt und hilfsbereit gewesen. Wer einmal Opfer antischwuler Gewalt war, weiß diese Arbeit hoch zu schätzen.“ Georg Uecker, Schauspieler Weitere Statements unter: www.maneo-toleranzkampagne.de www.regenbogenfonds.de impuls - 2008 37 Ausstellung Ausstellung MANEO Wanderausstellung „Zeugnisse schwulenfeindlicher Gewalt“ Als „abstoßend eindringlich und von zugleich nüchterner Sensibilität“ bezeichnete die Trierer Presse die MANEO-Wanderausstellung „Zeugnisse schwulenfeindlicher Gewalt“, als diese Ende 2007 in der Universitätsstadt gastierte. Mit der bundesweit einzigartigen Ausstellung zeigt MANEO eine nüchterne Dokumentation realer Auswirkungen schwulenfeindlicher Gewalt, ohne dabei die geschädigten Personen vorzuführen. Die Bilder von teils schwerwiegenden Körperverletzungen dokumentieren auf drastische Weise, dass antischwule Gewalt, die von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, keine Bagatelle ist. Die hier gezeigten Opfer stehen stellvertretend für viele, die, teilweise am helllichten Tag, angegriffen worden sind: in der U-Bahn, im Bus, auf offener Straße, am Badestrand. Bilder können aber nur schwer verdeutlichen, was Menschen durch einen solchen Überfall erleiden. Es sind nicht nur körperliche Verletzungen, die das Leben der Betroffenen über lange Zeit belasten, beeinträchtigen und auch verändern, sondern oft auch immer wiederkehrende oder andauernde Erfahrungen mit Beleidigung, Ausgrenzung, Abwertung und Erniedrigung. Berlin-Neukölln, 7. August 2006 Graffiti „No Gay Area !!! – tötet Schwule !!!“ auf einem Berliner U-Bahnhof. 38 impuls - 2008 MANEO stellt seine Wanderausstellung seit 2007 Projekten und Einrichtungen zur Verfügung, um Diskussionen über Homophobie und Hassgewalt anzuregen. Die Ausstellung, die aktuell zwölf Motive umfasst, wird kontinuierlich ergänzt. Eine identische zweite Ausstellung ist parallel zur Wanderausstellung an wechselnden Orten in Berlin zu sehen. (red) impuls - 2008 39 Ausstellung Ausstellung Berlin-Schöneberg, 9. September 2005 Im Bus beleidigt, bespuckt und getreten. Eine gebrochene Rippe durchstach die Lunge. Berlin-Köpenick, 3. Juli 2001 Beim Baden am Müggelsee als „schwule Sau“ beleidigt und getreten: fünffach gebrochener Kiefer. Berlin-Schöneberg, 23 . August 2005 Vor einem Lokal sitzend als „schwule Sau“ beleidigt und mit einem Bierglas beworfen, das im Gesicht zersprang. Berlin-Mitte · Prenzlauer Berg · Treptow im September 2001 Wahlkampfplakate der NPD titeln „Normal, nicht schwul“. 40 impuls - 2008 impuls - 2008 41 Homophobie und Migration Der Multikulti-Mythos Interview: Stefan Mey Die Rechtsanwältin und Autorin Seyran Ates und der Soziologe Michael Bochow im Gespräch. Frau Ates, Sie schlagen in Ihrem aktuellen Buch „Der Mutlikulti-Irrtum“ 1 das Wort „Deutschländer“ anstelle der umständlichen Bezeichnung „mit Migrationshintergrund“ vor. Was sind die Vorzüge dieses Wortes? Ates: Die Bezeichnung „mit Migrationshintergrund“ impliziert, dass diese Menschen, die irgendwann mit ihren Großeltern hergezogen sind, nicht hierher gehören würden. Die Menschen, die von der Türkei nach Deutschland gezogen sind, werden in der Türkei „Almancilar“, Deutschländer, genannt, weil sie jetzt in Deutschland ihre Heimat haben. Es bezeichnet einfach die Zugehörigkeit zu dem Land, in dem sie leben. Das ist doch toll. Viele Schwule nehmen junge Deutschländer als Bedrohung wahr. Sind Deutschländer durchschnittlich homophober? Ates: Die meisten Deutschländer leben in sehr konservativen Familien, in denen Homosexualität als abartig und krank angesehen wird. Wenn die Eltern das so vermitteln, ist es kein Wunder, dass die Kinder dieses Bild übernehmen. Wir haben in Europa schon viele Schritte in Richtung Gleichberechtigung der Geschlechter und Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen getan, was sich so im Vergleich in der orientalisch-muslimischen Welt nicht wiederfindet. Viele “Ur-Deutsche“, um ein anderes Wort von Frau Ates zu übernehmen, setzen Türkischstämmige mit Muslimen gleich. Es gibt aber eine große Zahl muslimischer QuasiAtheisten in Deutschland, Frau Ates nennt sie „Kultur-Muslime“, Herr Bochow „Quasi-Moslems“. Ist die patriarchalische Kultur entscheidender für Homophobie als der Islam? Bochow: In den letzten Jahren hab ich das mit der Bedeutung des Patriarchats einige Mal polemisch zugespitzt, weil ich manchmal den Eindruck hatte, der Islam solle für alle Übel dieser Welt herhalten. Den Islam gibt es gar nicht. Ates: Das hat viel mit Orthodoxie und Fun- damentalismus zu tun. Es gibt allerdings ganz klar Stellen im Koran, die gleichgeschlechtliche Sexualität verdammen und verteufeln. Unterm Strich kommt man aber zu dem Ergebnis, dass es sehr viel stärker patriarchale Strukturen sind, die zu dieser Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit führen. Was hat das Patriarchat mit Homophobie zu tun? Ates: Das Machtverhältnis des Patriarchats ist nur in heterosexuellen Beziehungen auslebbar. Die Gesellschaft basiert darauf, dass bestimmte Mitglieder ihrer Sexualität beraubt und Frauen unterdrückt werden. Bochow: Die schlimmste Bedrohung sind nicht unbedingt gleichgeschlechtliche Kontakte, sondern wenn ein Mann „wie eine Frau funktioniert“, das heißt, sich penetrieren lässt… Ates: …so dass Männer dem Patriarchat abhanden kommen. Bochow: Gerade westlich geprägte Schwule gerieren sich – als Emanzipationsstrategie! – tuntig und damit in den Augen junger Türken teilweise provozierend weiblich. Damit kratzen sie erheblich an der traditionellen Vorstellung von Geschlechterrollen und Machtverhältnissen. Welche Erfahrung machen Sie, wenn Sie die eine besondere Homophobie bei jungen Deutschländern thematisieren? Ates: Es wird ganz schnell der Vorwurf der Verallgemeinerung laut. Man sagt, junge Deutsche sind genauso schwulen- und lesbenfeindlich. Es wird so lange relativiert und ausdifferenziert, bis gar kein Problem mehr da ist. Und es kommt der Vorwurf des Rassismus. Sind Sie als Deutschländerin nicht vor dem Vorwurf gefeit, Rassistin zu sein? Ates: Nein, wieso denn? Ich habe das System sozusagen so sehr verinnerlicht, dass ich all das, was ich von meinem Unterdrücker erlebt habe, jetzt selbst weitergebe. Das ist das Bild vieler Menschen, die mich als Rassistin bezeichnen. Bochow: Das wäre die berühmte „Identifikation mit dem Aggressor“. Umgekehrt muss ich mir manchmal anhören, ich wäre so ein typischer verständnisvoller Multikulti, der sich mit dem anderen Aggressor identifiziert, den jungen Türken. Natürlich sind sie stark geprägt von der patriarchalischen Struktur. Aber es gibt doch noch andere Sachen, die man bedenken muss. Grade die türkisch-kurdische Population, die wir in Deutschland haben, kommt in der Regel nicht aus der Istanbuler Mittelschicht, sondern aus dem dörflich geprägten Anatolien. Somit hatten deren Familien mit der Auswanderung nach Deutschland einen KulturClash zu verarbeiten. Wie hat sich das ausgewirkt? Bochow: Solche Clashs führen oft dazu, dass Leute besonders traditionell werden. Es gibt zum Beispiel nichts Ekelhafteres als Deutsche, die vor drei Generationen ausgewandert sind und ein Deutschlandbild konservieren, über das sich Deutsche kaputtlachen würden. Ates: Außerdem sind die Großeltern der heutigen Deutschländer-Generation nur zu Arbeitszwecken hergekommen und wollten ursprünglich wieder zurückgehen. Man hat sich in diesen Familien niemals auch nur in Aussicht gestellt, Deutschland als Heimat zu begreifen. So entstand ein neues Phänomen in der Migrationsgeschichte: Menschen, die die Gesellschaft, in der sie leben, verachten, weil sie alles als sittlich und moralisch verfallen ansehen. Dieses Phänomen verstärkt die Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit und führt zu einer türkisch-nationalistischen Deutschenfeindlichkeit. Was ist schief gelaufen, dass die schöne Idee vom friedlichen „Multikulti“ nicht funktioniert? Bochow: Es gab auf vielen Ebenen zu wenig aktiven Willen, sich mit den Leuten, die eingewandert sind, auseinanderzusetzen. Wenn man sich als Einwanderungsland versteht, darf und muss man auch sagen: „Hört mal zu, Ihr seid hier eingewandert, und hier gelten diese Regeln“ – so wie es in Australien oder der USA selbstverständlich ist. Die deutschen Konservativen haben lange Zeit das Problem kleingeredet, indem sie lapidar gesagt haben, „Deutschland ist kein Einwanderungsland, die sind bald alle wieder weg.“ Ates: Genau. 16 Jahre hatten wir einen Kanzler, der gesagt hat, wir sind kein Einwanderungsland. Heute haben wir zwar de facto die Realitäten im Alltag, auch in Form impuls - 2008 43 >> Homophobie und Migration Frau Ates, was ist bei Ihnen eigentlich richtig gelaufen? Ates: Ich hatte als Kind das große Glück, mit 6 Jahren in eine Vorschule gekommen zu sein, in der alle nur Deutsch sprachen. Innerhalb eines Jahres habe ich akzentfrei Deutsch gesprochen. In der Grundschule waren wir zu zweit, und von der siebten Klasse bis zum Abitur war ich die einzige, deren Muttersprache Türkisch ist. Das heißt, ich habe in der Schule wirklich die deutsche Kultur kennen gelernt und erlebt. Wenn das die Minderheit war, wie lebt dann die Mehrheit der schwulen Deutschländer? Ates: Die leben verdeckt als Schranklesben und Schrankschwule, so wie die Ur-Deutschen das teilweise auch noch machen. Aber bei den Türken, Kurden und Muslimen ist es meiner Ansicht nach noch einmal potenziert, weil es in ihrer näheren Umgebung noch weniger offen lebende Schwule und Lesben gibt, an denen sie sich orientieren könnten. Werden türkisch - oder kurdischstämmige Schwule und Lesben von urdeutschen Homos angenommen? Bochow: Es gibt auch unglaublich spießige deutschstämmige Schwule. Für die heißt es nicht primär, „die sind ja auch schwul“, sondern viel eher, „das sind Türken, die wollen wir hier gar nicht, also der gewöhnliche deutsche Rassismus. Für andere deutschstämmige Schwule sind Türken ein begehrtes Sexobjekt, aber es fehlt die Bereitschaft, sich auf sie in ihrer Unterschiedlichkeit einzulassen. Anderen Schwulen und Lesben ist das alles herzlich egal, oder sie bemühen sich 44 impuls - 2008 die können nazistisch sein oder islamischfundamentalistisch oder ganz normal treudeutsch-doof, auch in Westdeutschland. Herr Bochow, welche Faktoren kommen aus sozialwissenschaftlicher Sicht noch als „Auslöser“ von Homophobie infrage? Bochow: Religion ist generell ein wichtiger Faktor. In einer Studie zu Schwulenfeindlichkeit, die ich kurz nach der Wende durchgeführt habe, habe ich auch gefragt, wie oft die Leute in die Kirche gehen. Je öfter die Befragten in die evangelische oder katholische Kirche gingen, desto schwulenfeindlicher waren sie. Das sag ich gern meinen Mit-Urdeutschen, die so eingeschränkt auf muslimische Menschen gucken. Nun gibt es auch Unterschiede in der Schwulenfeindlichkeit. Sie werden kaum über 30-jährige türkischoder kurdischstämmige Familienväter finden, die auf einmal Schwule vermöbeln gehen. Schwulenfeindlichkeit, zumindest die aktive, ist auch eine Altersfrage. Schwulenfeindlichkeit wird in Form körperlicher Gewalt vor allem von Jugendlichen und jungen Männern ausagiert, deutschstämmigen wie auch anderen. Schwulenfeindlichkeit bei über 30jährigen Männern führt seltener zu gewalttätigen Aggressionen, bei Frauen generell noch weniger, stockkonservative katholische Omis neigen nicht wirklich dazu, Schwule zu verprügeln. Kommt der Staat seinen Aufgaben von Prävention und Repression beim Thema homophobe Gewalt ausreichend nach? Ates: Nein. Die offene, direkte, und auch die subtile Gewalt, die Lesben und Schwule erfahren, ist noch nicht ausreichend als gesellschaftliches Problem anerkannt worden. Ist an der Behauptung, junge Deutschländer würden besonders zu Gewalt neigen etwas dran? Ates: In der türkisch-kurdisch-muslimischen Erziehung ist Gewalt nach wie vor als Erziehungsmittel sehr stark akzeptiert. Es gibt Sprüche wie „Wer seine Tochter nicht schlägt, der schlägt später sein Knie“. Auch die Gewaltneigung ist so ein Thema, bei dem einige Multikultis aufschreien und sagen „Nein, um Gottes Willen, junge Menschen sind grundsätzlich gewaltbereit, da gibt es überhaupt keinen Unterschied.“ Aber diese Gleichmacherei bringt uns keinen Schritt weiter. Bochow: Es gibt allerdings bestimmte soziale Milieus, in denen man auch bei jungen Deutschstämmigen eine besondere Gewaltneigung findet. Erstmal ist es eine Geschlechterproblematik. Ates: Genau. Es sind Männer und Jungs einer bestimmten Altersklasse. Und da ist es wichtig zu schauen, in was für einem kulturellen, religiösen Kontext diese Kinder aufwachsen. Bochow: Das merken Sie in bestimmten Gegenden in Ostdeutschland und beim Fußball, bei den Hooligans. Es gibt unterschiedlich ideologisch drapierte männerdominierte Jugendkulturen, die sehr gewalttätig sind, Wie könnte der Staat intervenieren? Ates: Mittels Aufklärung und Bildung! Homogene Schulklassen mit fast nur Deutschländer-Kindern sind die schlimmsten Auswüchse der Parallelgesellschaft. Bochow: Im deutschen Bildungssystem könnte viel mehr gemacht werden, was sprachliche Kompetenz und Vermittlung kultureller Kompetenz anbelangt. Und man muss in die Zivilgesellschaft hinein: Mein Paradebeispiel sind die türkischen und kurdischen Fußballvereine. Die sind der Hort der jungen, heterosexuellen Männlichkeit und Schwulenfeindlichkeit. Das gilt übrigens für urdeutsche Fußballvereine auch. Es gibt in Berlin eine begrüßenswerte Initiative von LSVD und Türkiyemspor. Das sind schüchterne Anfänge, aber das ist die richtige Richtung. Mit der juristischen Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, so unvollständig diese auch noch ausgestaltet ist, haben der deutsche Staat und die deutsche Gesellschaft symbolisch einen wichtigen Schritt getan. Dies ist gleichermaßen wichtig für die konservativen Milieus unter Deutschstämmigen und Menschen, mit anderer Herkunft, die in Deutschland leben. Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft. Sind Sie in puncto Homophobie bei Deutschländern optimistisch? Ates: Die wichtigste Bedingung für einen Optimismus wäre, dass der Staat sich endlich ganz klar dazu bekennt, dass zu seinem Volk auch Schwule und Lesben gehören. Bochow: Ich nehme als Beispiel, dass ausgerechnet die CDU-dominierte Verwaltung in Baden-Württemberg Türken oder Kurden, die die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben wollen, gefragt hat, ob sie schwul oder lesbisch lebende Personen akzeptieren. Das ist einerseits der Gipfel der Heuchelei, aber andererseits bedeutet es kulturell etwas, nämlich dass das als Kriterium für die Akzeptanz universalistischer Normen genommen wird. Ates: Wenn wir Parallelgesellschaften, wie sie existieren, weiterhin zementieren, dann wird sich nichts ändern. Ich werde dann optimistisch, wenn wir insgesamt die Integra- tionsdebatte voranbringen und das konzeptionell umsetzen. Dann wird sich auch etwas an der Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit bei Deutschländern ändern. Frau Ates, Herr Bochow, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Seyran Ates: Der Multikulti-Irrtum. Ullstein 2007. 1 Michael Bochow: Homosexualität junger Muslime – Anmerkungen zu gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten unter Männern in Westeuropa. In: Hans-Jürgen von Wensierski und Claudia Lübcke (Hrsg.): Junge Muslime in Deutschland. Barbara Budrich 2007. Michael_Bochow © Jörn Hartmann Es gibt natürlich auch innerhalb der türkischen und kurdischen Community Schwule und Lesben. Wie leben diese? Bochow: Ich habe in einer Studie schwule Türken interviewt. Überraschend war die Ähnlichkeit mit den Geschichten aus deutschen Familien: Die Mütter sind die Chefdiplomatinnen der Familie, während die Väter sich besonders schwer tun mit der Homosexualität des Sohnes. Und dann gibt es die Kompromisslösung, man einigt sich auf Schweigen. Die türkischen Schwulen, die ich interviewt habe, sind aber eine Minderheit unter türkischen Männern, die Sex mit Männern haben. um politische Korrektheit. Verallgemeinern lassen sich die Reaktionen aber nicht so ohne weiteres. Ates, Seyran © Müjgan Arpat von transkulturellen Identitäten, wie ich sie trage, aber wir haben nicht die gesetzlichen Entsprechungen dazu. Das zeigt mir, dass Deutschland nach wie vor kein Einwanderungsland ist, im Bewusstsein und in Form von Gesetzen, die klassische Einwanderung ermöglichen würden. Homophobie und Migration Im Sommer 2006 wurden 922 Berliner Gymnasiasten und Gesamtschüler (14-20 Jahre) deutscher, russischer und türkischer Herkunft zu ihren Einstellungen gegenüber Schwulen und Lesben befragt. Die vergleichende Untersuchung von Prof. Bernd Simon (Christian-Albrechts-Universität Kiel) wurde im Rahmen des Projektes Migrationsfamilien des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) und mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums durchgeführt. Der Studie zufolge sind homosexuellenfeindliche Einstellungen unter Schülern mit Migrationshintergrund wesentlich stärker verbreitet als in der deutschen Vergleichsgruppe. Besonders stark ausgeprägt sind sie bei männlichen Jugendlichen türkischer Herkunft. In dieser Gruppe halten es 78,9 Prozent für „abstoßend“, wenn sich zwei Männer auf der Straße küssen; von Jungen deutscher Herkunft teilen 47,7 Prozent diese Ansicht. Während von Mädchen deutscher Herkunft nur 10,2 Prozent zustimmen, liegt die Zustimmung von Mädchen russischer Herkunft bei 63,5 Prozent, von Mädchen türkischer Herkunft bei 59,6 Prozent. Um etwas über mögliche Ursachen homosexuellenfeindlicher Einstellungen zu erfahren, wurden Korrelationen zu verschiedenen Faktoren untersucht, die hier Einfluss haben könnten. Am deutlichsten zeigten sich dabei Zusammenhänge mit Religiosität und mit der Akzeptanz traditioneller Männlichkeitsnormen. Religiosität: Der Zusammenhang von Religiosität und Homosexuellenfeindlichkeit ist bei türkischstämmigen Schülern am stärksten ausgeprägt. Je religiöser sie sind, desto homosexuellenfeindlicher sind sie. Auch bei den Russischstämmigen zeigen sich solche Zusammenhänge, wenn auch weniger stark. Bei den deutschen Schülern dagegen kaum. Akzeptanz traditioneller Männlichkeitsnormen: Die Akzeptanz traditioneller Männlichkeitsnormen ist bei allen Befragten mit Homosexuellenfeindlichkeit verbunden - bei Schülern ohne Migrationshintergrund sogar besonders deutlich. Je mehr traditionelle Männlichkeitsbilder akzeptiert werden, desto stärker ist die Ablehnung Homosexueller. Bildungsgrad des Elternhauses: Auch türkischstämmige und russischstämmige Schüler aus Akademikerhaushalten sind ho- Seyran Ates, geb. 1963 in Istanbul, kam im Alter von 6 Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie ist Rechtsanwältin und durch Publikationen in den wichtigsten Zeitungen aktive Stimme im MigrantenDiskurs. Zuletzt erschien ihr Buch „Der Multikulti-Irrtum“, in dem sie den „Multikulti-Fanatikern“ vorwirft, Menschenrechtsverletzungen in der türkisch-kurdischen Community kleinzureden. Mitte März 2005, nach dem Ehrenmord an Hatun S., war sie Podiumsgast einer MANEO-Matinée mit dem Titel „Multikulti ist (schwer) möglich“. Michael Bochow, geb. 1948, ist Soziologe. Neben Studien zu Schwulen in der Provinz, Schwule und Alter, gab der seit langem in Berlin tätige Forscher schwuler Lebenswelten u.a. den Sammelband „Islam und Homosexualität“ (Männerschwarm, 2003) heraus, in dem er sich mit der sozialen Konstruktion von Männlichkeit und Sexualität unter türkisch-, kurdisch- und arabischstämmigen Deutschen beschäftigte. Er forscht am Wissenschaftszentrum Berlin. Michael Bochow ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von MANEO. mosexuellenfeindlicher als solche ohne Migrationshintergrund. Integration und Diskriminierungswahrnehmungen: Bei türkeistämmigen Schülern ist das Gefühl der persönlichen Integration ein wichtiger Faktor: je integrierter sie sich fühlen, desto weniger homosexuellenfeindlich sind sie. Bei den russischstämmigen Schülern sind es dagegen Diskriminierungswahrnehmungen, die mit Homosexuellenfeindlichkeit korrespondieren: je mehr sie sich diskriminiert fühlen, desto homosexuellenfeindlicher sind sie. Kontakte zu Schwulen und Lesben: Kontakte zu Schwulen und Lesben scheinen einen Einfluss zu haben auf Homosexuellenfeindlichkeit: Je mehr Kontakte bestehen, desto weniger homosexuellenfeindlich sind die Schüler. Quelle: Simon 2007, „Einstellungen zur Homosexualität: Ausprägungen und sozialpsychologische Korrelate bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund“ impuls - 2008 45 Homophobie und Religion Keine zwei Meinungen Interview: Sirko Salka In ihrer Synodalerklärung vom 2. August 1991 stellte die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg nachdrücklich fest, Homosexualität sei „weder sündhaft noch krankhaft“ und appellierte an die Gesellschaft, „Toleranz zu üben“. Des weiteren forderte sie die „Verantwortlichen in der Gesellschaft“ auf, „Maßnahmen zum Schutz von Homosexuellen zu treffen und Gewaltakte gegen sie im Ansatz zu verhindern“. Anlass der deutlichen Worte war ein gewaltsamer Übergriff von Skinheads auf ein Frühlingsfest von Lesben und Schwulen im Mai desselben Jahres in Berlin. Heute, über 16 Jahre später, ist Homophobie nach wie vor verbreitet, mitunter sogar salonfähig, gegen Homosexuelle gerichtete Hassgewalt vielerorts keine Seltenheit. Allein in Berlin werden MANEO jährlich rund 200 Vorfälle mit antischwulem Hintergrund gemeldet. Laut MANEOStudie 2006/2007 („Gewalterfahrungen von schwulen und bisexuellen Jugendlichen und Männern“, s. S. 57), an der rund 24.000 Personen bundesweit teilnahmen, hatte mehr als jeder dritte Befragte in den vergangenen zwölf Monaten seelische und/oder körperliche Gewalt erfahren; in der Gruppe der Unter-18-Jährigen waren es sogar 63 Prozent. Zudem wurde ein Dunkelfeld von 90 Prozent polizeilich nicht angezeigter Straftaten offenbar. Antischwule Gewalt jeder Form wird zunehmend bagatellisiert – teilweise sogar von den Betroffenen selbst. Frau Bischöfin Jepsen, wie kann die evangelische Kirche Homophobie und Hassgewalt entgegenwirken? Worin liegt ihre besondere Verantwortung? Jepsen: Gewalt gegen Menschen ist grundsätzlich abzulehnen. Das gilt ja auch, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe Gewalterfahrungen machen müssen oder Kinder als die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft misshandelt werden. Wenn schwule Männer auf Grund ihrer sexuellen Orientierung Opfer von Gewalt werden, muss sich eine demokratische Gesellschaft dagegen stellen. Für uns als Kirche gibt es da keine zwei Meinungen. Diese Gewalt muss notfalls auch strafrechtlich verfolgt werden. Sie ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Homophobie, die allenfalls als innerer Motivationsfaktor der Gewalttäter verstanden werden kann. Hier ist dann Bildung und Erziehung gefragt, weil oft eine dumpfes Unverständnis gegenüber anders ausgelebter Sexualität oder eine innere ungeklärte sexuelle Identität der Betreffenden vorliegt. Dort, wo wir als Kirche Einfluss haben in diesem Bereich, sollten wir klar aufklärend Stellung beziehen und tun dies ja auch zum Beispiel im Unterricht für Konfirmandinnen und Konfirmanden. Welchen Stellenwert hat Toleranz gegenüber Homosexuellen in der evangelischen Kirche? Ich denke, es geht um mehr als nur Toleranz, nämlich um die vollständige, gleichberechtigte Anerkennung gleichgeschlechtlicher Sexualität – für uns als Kirche vor allem dann, wenn diese Sexualität von Liebe zweier Menschen zueinander getragen ist. Dass Männer Männer lieben, dass Frauen Frauen lieben, rein aus Liebe, mit Treue und Hingabe, das kann doch nicht gegen die christli- che Ethik sein. Verantwortlich gelebte Liebe kann nicht als böse und schlecht bezeichnet werden. Gegen Gesetze eines Staates und Ordnungen einer Gesellschaft, die nur Heterosexualität dulden, haben wir auch um Jesu willen zu protestieren und das Recht auf homosexuelle Liebe und Partnerschaft einzufordern. Das war nicht immer so ... Wir haben unsere eigene Vergangenheit in diesem Zusammenhang. Die Kirchen haben sich in der Geschichte zu oft nicht an Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit erinnern lassen, um menschenverachtende Parolen und Entwicklungen als solche zu entlarven. Homosexuelle Menschen hatten es in unserer abendländischen Geschichte niemals leicht. Sie wurden diskriminiert und gezwungen, ihre Homosexualität zu verbergen. Die schlimmste Verfolgung geschah ohne Zweifel im Deutschland des so genannten Dritten Reiches. Erst langsam, sehr langsam hat sich die Bevölkerung nach diesem unseligen Abschnitt der Geschichte von dem damals weit verbreitetem Ungeist gelöst – aber noch nicht genug: Es gibt zurzeit unter anderem in Osteuropa neue Entwicklungen, die sich gegen Homosexuelle richten – und die dortigen Kirchen stehen dahinter, auch die evangelisch-lutherischen. Ich hätte mir gewünscht, dass unsere Kirche viel früher – vor Jahrzehnten schon – mutig gegen die verschärften Gesetzgebungen aufbegehrt hätte, dass sie bedrohte Homosexuelle und Bisexuelle genauso wie Heterosexuelle und zölibatär lebende Männer und Frauen geachtet und geschützt hätte. Wie lautet also Ihre Empfehlung für die Gegenwart? Wir dürfen nicht nachlassen, Diskriminie- impuls - 2008 47 >> Homophobie und Religion HOMOSEXUALITÄT AM PR ANGER „Unsere Regierung spielt Gott, indem sie sagt, dass Menschen machen können, was sie wollen. Wir haben Probleme, weil jede Art von Lebensstil jetzt als legitim angesehen wird. Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem wir uns vor Gott verantworten müssen. Er wird uns zur Reue auffordern.“ Laut Bischof Graham Dow (Anglikaner) ist die freizügige Lebensführung Homosexueller Schuld an Umweltkatastrophen wie den jüngsten Überschwemmungen in England. / Quelle: Sunday Telegraph, Juli 2007 „Das Verhalten Homosexueller führt zum Ende der menschlichen Rasse. Deshalb darf die Parade [CSD in Moskau; Anm. d. Red.] unter keinen Umständen stattfinden. Wenn sie auf die Straßen gehen, sollten sie verprügelt werden. Alle normalen Menschen werden das tun, sowohl Orthodoxe als auch Muslime.“ Russischer Großmufti Talgat Tadschuddin, Februar 2006 „Unser geliebter vierter Khalifa, Hazrat Mirza Tahir Ahmad, äußerte in dem Zusammenhang, dass er den zunehmenden Hang zur Homosexualität mit dem Schweinefleischverzehr in unserer Gesellschaft in Verbindung setzt.“ Muslimische Ahmadiyya-Gemeinde in ihrer Publikation „Jugend Journal“, April 2007 „Wenn sie alle auf der Insel [einer unbewohnte Insel im Victoriasee; Anm. d. Red.] sterben, haben wir keine Homosexuellen mehr in unserem Land.“ Scheich Ramathan Shaban Mubajje, islamischer Rechtsgelehrter aus Uganda / Quelle: Zeitung „The Monitor“ „Die erste Form der Gemeinsamkeit zwischen Menschen ist die, welche aus der Liebe zwischen einem Mann und einer Frau hervorgeht. Alles, was dazu beiträgt, die auf die Ehe eines Mannes und einer Frau gegründete Familie zu schwächen [...] stellt ein objektives Hindernis auf dem Weg des Friedens dar.“ Papst Benedikt XVI. in seinem am 1. Januar 2008 veröffentlichten Wort zum Weltfriedenstag 48 impuls - 2008 Homophobie und Religion rungen anzuprangern. Und: Wir müssen in unseren eigenen Zusammenhängen zeigen, dass Homosexualität als eine mögliche Lebensäußerung anerkannt neben anderen Lebensäußerungen ihren Platz hat. Dem würden nicht alle zustimmen: In den USA propagieren religiöse Vereinigungen statt Akzeptanz die Heilung und Umpolung homosexueller Menschen. Angetrieben durch verschiedene fundamentalistische Gruppierungen, gewinnt diese Haltung auch in Deutschland an Anhängern. Jede Form des Fundamentalismus ist schwierig, da hier offene Kommunikation abgelehnt wird. Starke Ängste und Verunsicherung machen die Menschen oft immun gegen Aufklärung, Erklärungen und die Bereitschaft, anders lebende – glaubende – Menschen zu akzeptieren. Wir brauchen Begegnungsmöglichkeiten, damit Menschen sich selber erkennen, annehmen und die je eigene Bedürftigkeit und Würde verantwortlich zu leben versuchen. Inwieweit ist dies eine Frage der Generationen: Haben junge Christen heute weniger Vorbehalte gegenüber Schwulen und Lesben als ihre Eltern? Gesellschaftlich hat sich in den letzten Jahren nach meiner Beobachtung oberflächlich eine größere Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben entwickelt. Jedoch haben wir in der Bevölkerung dabei kein einheitliches Bild. Oft spielt die Kultur, aus der ein Mensch kommt, eine nicht zu unterschätzende Rolle für seine Einstellung auch gegenüber Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen. Das gilt übrigens ebenfalls für Menschen deutscher Herkunft, deren Milieu oft prägend wirkt. Eine ähnliche Pluralität findet sich genauso unter den Christen verschiedener Ausrichtung und vor allem unterschiedlicher kultureller Herkunft, wie im Übrigen auch in den Religionsgemeinschaften mit Migrationshintergrund. Ich denke, wir haben an mancher Stelle noch kräftig zu arbeiten. Wie also erklären Sie sich die verbreitete Wahrnehmung, die Kirche sei kein Ort für Homosexuelle? Das hängt einerseits mit der Vergangenheit der Kirche zusammen, und andererseits bedauerlicherweise damit, dass selbst heute in unserer Kirche nicht überall schwul lebende Männer wie auch lesbisch lebende Frauen oder transsexuelle Menschen willkommen sind. Wir sind noch nicht da ankommen, wo wir hinkommen müssen. Hinzu kommt, dass sich die Arbeit vieler Kirchengemeinden am Leben von Familien orientiert [gemeint ist das traditionelle Familienbild; Anm.d.Red.]. Homosexuelle, Singles und andere Menschen, die nicht in dieses Raster passen, finden häufig in den Gemeinden keine Angebote, die sie interessieren. Allerdings erlebe ich auch, dass Schwule sich in unserer Kirche sehr wohl geachtet, geschützt, normal anerkannt wissen. Berichten Sie uns aus Hamburg: Wie offen können sich Schwule und Lesben in Ihrer Gemeinde bewegen? Wie wird Homosexualität diskutiert oder ist sie eher Privatsache? Auch in Hamburg ist nicht alles erreicht. Dennoch haben wir in der nordelbischen Kirche mit der Einrichtung einer AIDSSeelsorge 1994 einen Ort geschaffen, an dem die Anerkennung homosexueller Liebe und Sexualität selbstverständlich ist. Das strahlt aus, auch in andere Gemeinden unserer Landeskirche. Wer an einem der regelmäßig stattfindenden AIDS- und Gemeindegottesdienste teilgenommen hat, weiß wovon ich rede. Dort wird nicht über Menschen und Probleme geredet, sondern die betroffenen Menschen kommen selbst zu Wort. Themen mit aktuellem Lebensbezug, auch gesellschaftlichpolitische Themen sowie Forderungen in Bezug auf Homosexualität kommen klar zur Sprache. Die Gottesdienste haben einen guten Zulauf; nicht selten finden auch Christen aus anderen Gemeinden den Weg in diese Gottesdienste und tragen den Geist dieser besonderen Feiern weiter. Nach und nach wird es selbstverständlicher, dass auch an anderen Orten unserer Kirche homosexuelles Leben und Lieben nicht mehr nur Privatsache bleibt. Wie reagierten Sie, wenn Ihnen Fälle von Diskriminierung und Intoleranz gegenüber Homosexuellen in Ihrer Kirche bekannt würden? Ich lade ein zum Gespräch und zu den Gottesdiensten der AIDS-Seelsorge. Erfreulicherweise werden homosexuelle Pastorinnen und Pastoren sowie andere kirchliche Mitarbeitende nicht diskriminiert. Mir ist – abgesehen von einer Mobbingmeldung, die aber nicht ganz deutlich wurde – kein Fall aus jüngster Zeit bekannt. Wenn Menschen verunglimpft werden, erhebe ich meine Stimme. Das ist nicht immer leicht. Viele Drohungen habe ich früher erhalten, in sehr schlimmer Weise. Doch Schweigen hilft selten weiter. Offene Worte mehr. Auch schwule Anti-Gewalt-Projekte wie MANEO erheben die Stimme gegen Ausgrenzung und Intoleranz. Wie kann die Kirche die Arbeit solcher Projekte unterstützen? In Hamburg arbeitet die kirchliche AIDSSeelsorge ganz selbstverständlich im Netzwerk der anderen AIDS-Hilfe-Einrichtungen mit und hat dort ihren eigenen, anerkannten Stellenwert – mit voller Rückendeckung aus der Landeskirche. Dazu gehört dann auch die Unterstützung und Beteiligung an den von Ihnen angesprochenen Projekten. Uns freut dabei, dass dieses Engagement der Kirche auch eine hohe Anerkennung durch die sonst oft eher kirchenferne Szene erfährt. Mit welchen Organisationen arbeiten Sie in Hamburg zusammen? Was tun Sie, wenn ein Opfer antischwuler Gewalt sich Hilfe suchend an Sie wendet? Wichtig ist in diesem Bereich eine sinnvolle Aufgabenteilung. Hein & Fiete, der schwule Infoladen in Hamburg, das Magnus-Hirschfeld-Zentrum als Beratungseinrichtung für Schwule und Lesben sowie die AIDS-Hilfe in Hamburg haben im vergangenen Jahr auch stellvertretend für die Landesarbeitsgemeinschaft AIDS, zu der die AIDS-Seelsorge gehört, ein Angebot geschaffen, um Opfern antischwuler Gewalt eine schnelle Anlaufmöglichkeit zu bieten. Wie auch sonst in der Beratungsarbeit in diesem Bereich vermitteln die einzelnen Stellen Rat- und Hilfesuchende auch an die jeweils anderen Einrichtungen, wenn der Eindruck entsteht, dass ihnen dort speziellere Hilfe angeboten werden kann. Frau Bischöfin, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Maria Jepsen, geboren 1945 in Bad Segeberg, wurde 1992 von der Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche zur Bischöfin von Hamburg gewählt. Damit war sie die erste lutherische Bischöfin der Welt. 2003 wurde Maria Jepsen Mitglied im Rat des Lutherischen Weltbundes. Für ihr großes Engagement für Minderheiten erhielt sie bereits den Zivilcouragepreis des Berliner CSD. Gottesdienst der AIDS-Seelsorge und der Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde an jedem letzten Sonntag im Monat, 18 Uhr in der St. Georgs Kirche am Hamburger Hauptbahnhof www.stgeorg-borgfelde.de hilfe in Hamburg – Von Florian Frei Anders als mit MANEO in Berlin gibt es in Hamburg keine zentrale Anlaufstelle für Opfer antischwuler Gewalt. Im Sommer 2007, nach Presseberichten über angebliche Übergriffe gegen Schwule in St. Georg und auch aufgrund der letzten MANEO-Studie, an der sich viele Hamburger beteiligt hatten, geriet das Thema wieder in den Blickpunkt: Die Aidshilfe, der schwule Infoladen Hein & Fiete, die Telefonberatung Schwub und das Magnus-Hirschfeld-Centrum produzierten initiativ einen Flyer zum Thema mit ihren Telefonnummern („Wir sind für dich da!“), der an den jeweiligen Anlaufstellen und in der Szene aushängt; zum CSD gab es außerdem einen Fragebogen. „Als Rücklauf auf diese Aktionen kamen in den vergangenen sechs Monaten um die 30 Meldungen,“ weiß Jörg Korell von der Hamburger Aidshilfe. „Akute Fälle, in denen jemand sofort Hilfe benötigte, waren jedoch nicht dabei.“ Zurzeit werden die Daten ausgewertet um zu erkennen, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht. Die Telefonberater der vier Einrichtungen sind entspchend sensibilisiert: „Was passiert, hängt von der Verfassung des Anrufers ab,“ sagt Steffen Indelkofer von Hein & Fiete. „Wir helfen bei einer etwaigen Anzeige oder können Ärzte, psychologische Betreuung und Kontakt zur Opferhilfe vermitteln.“ Der erste Anlaufpunkt bei der Polizei sind die acht „Beauftragten für Opfer antischwuler Gewalt“– unter anderem in den Wachen in St. Georg und in Stadtparknähe –, die sich regelmäßig mit den schwulen Einrichtungen austauschen. Kriminalhauptkommissar Eckhard Carrie ist seit zwölf Jahren einer von ihnen: „Niemand zweifelt daran, dass es in diesem Bereich eine hohe Dunkelziffer gibt. Aber angezeigt werden im Jahr nur drei bis vier Fälle.“ Mit dieser Begründung wurde 1998 auch das vom LSVD Hamburg betreute Schwule Überfalltelefon nach zwei Jahren wieder eingestellt. impuls - 2008 49 Homophobie und Religion Interviews: Sirko Salka Fotos: Ralf Rühmeier Gürkan (38) „An einer Internatsschule in der Türkei studierte ich vier Jahre den Islam. Damals lebte ich noch nicht offen schwul, was für mich kein Problem war, weil ich nie etwas über Homosexualität erzählt bekommen hatte. Wir waren fünf oder sechs Schwule im Internat, wussten alle voneinander Bescheid und hatten auch Sex untereinander. Aber niemand redete offen darüber. Laut Koran ist Sex vor der Ehe eine Sünde. Wie auch in anderen Religionen spielt die Doppelmoral im Islam eine große Rolle. Dabei verbietet der Koran Homosexualität nur oberflächlich betrachtet: Die Passage, die Homosexualität angeblich untersagt, bezieht sich auf die Gemeinde Lud, in der Männer andere Männer vergewaltigt haben sollen. Ich interpretiere das so, dass Vergewaltigung bestraft werden soll und nicht Homosexualität. Insofern kann man nicht ernsthaft behaupten, der Koran wäre schwulenfeindlich. Es kommt immer darauf an, wie man ihn auslegt. Eine zentrale Stelle im Koran sagt zum Beispiel, dass jedem seine Schulden berechnet werden und dritte Personen dazu nichts zu sagen haben. Das ist für mich eine gewisse Toleranz. Toleranz habe ich auch nach meinem Coming-out von meiner Mutter erfahren. Meine Familie war damals Mitglied einer islamischen Sekte. Eines Tages outete ich mich gegenüber einem sehr heiligen Mann, doch er erwiderte: „Herzlich willkommen, das interessiert mich nicht.“ Darum glaube ich, dass Homophobie weniger mit Religion oder Tradition zu tun hat, als vielmehr mit mangelnder Bildung. Zuhause und in den Schulen wird nicht über das Thema gesprochen. Und wenn zum Beispiel jugendliche Muslime in Deutschland keinen Schwulen in ihrem Umfeld kennen und auch sonst keinen Zugang zur Weiterbildung haben, bekommen wir ein Problem. Deshalb muss man 50 impuls - 2008 Homophobie und Religion ihnen noch andere Werte vermitteln als nur die Fixierung auf Religion, Männlichkeit oder einen großen Penis. Haben sie keine anderen Werte, verteidigen sie natürlich ihre Männlichkeit. Und reagieren dann womöglich allergisch auf Homosexuelle, weil sie das nicht verstehen. Dabei ist dem Islam zufolge Gewalt verboten. Alkohol auch. Und man muss fünfmal am Tag beten. Ich bin mir sicher, dass sich muslimische Jugendliche nicht immer daran halten. Fest steht, dass der Islam bis heute kein vernünftiges Konzept von Homosexualität hat. Schwule werden als „getürkte Frauen“ wahrgenommen. Würde ich einem muslimischen Mann sagen, dass ich mich in ihn verliebt habe, antwortet der: „Aber du fickst mich nicht.“ Das ist seine größte Sorge. Im islamischen Verständnis gehört der Körper nicht uns, sondern Gott hat ihn uns geliehen, wir müssen ihn gut aufbewahren. Wenn du etwas ausleihst, passt du auf, dass du es nicht falsch gebrauchst. Sonst verwirkst du möglicherweise dein Rückgaberecht. Und deshalb darf sich ein islamischer Mann auch nicht penetrieren lassen. Aber er darf durchaus Männer lieben, solange er keinen Sex mit ihnen hat: Dschalal ad-Din Muhammad Rumi ist ein bekannter islamischer Mystiker, der früher oft mit jungen Männern gesehen worden ist. Er hat immer nur von Liebe geredet, und das haben ihm die Leute abgenommen. Sie interpretierten es als eine Liebe zu Gott, die man nur über einen männlichen Körper ausleben kann. Bald störte sich keiner daran, wenn er in der Moschee mit seinen Jungen eng betete.“ Dr. Michael Brinkschröder (40) Kath. Theologe und Religionssoziologe, arbeitet am Institut für Religionswissenschaft an der LMU München und ist Herausgeber der Zeitschrift „Werkstatt schwule Theologie“. „In meiner Kindheit und Jugend in Niedersachsen gehörte die katholische Kirche ganz selbstverständlich zum Leben dazu. Ich besuchte eine katholische Klosterschule und bin mit einer totalen Tabuisierung der Homosexualität aufgewachsen. Da fehlte jegliches Vokabular. Im Religionsunterricht wurde mir beigebracht, dass schwule Beziehungen Sünde sind. Das habe ich erst viel später hinterfragt. Bei meinem Studium der Theologie stand ich dann vor dem Problem: Will ich künftig offen schwul leben oder bei der katholischen Kirche arbeiten? Beides zusammen, das geht nicht. Ich habe mich für die Offenheit und gegen das Versteckspiel entschieden. Priester wollte ich nicht werden, weil ich die Standesunterschiede zwischen Priestern und Laien in der Kirche ungerecht fand. Das Lehramt der katholischen Kirche sagt, dass es eine klare Schöpfungsordnung gibt, einen Plan Gottes, der von der Geschlechterdifferenz ausgeht. Deshalb achtet die katholische Kirche nicht darauf, ob es in der Bibel homoerotische Szenen gibt, sondern schaut allein auf die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Handlungen. Aber die katholische Kirche steckt voller Widersprüche. Innerhalb des Klerus ist das schwule Leben eine Art Spiel: Man muss die Regeln kennen und beherrschen. Solange es keinen Skandal gibt, kann man praktisch eine Menge machen. Über Jahrhunderte waren der Klerus und Klöster die attraktivsten Lebensräume für Personen, die gleichgeschlechtlich empfunden haben. Dadurch hat sich so etwas wie eine heimliche Kultur entwickelt, die im Widerspruch zur offiziellen Lehre steht. Durch den gesellschaftlichen Wandel der letzten 40 Jahre ist Homosexualität heute lebbar. Der Klerus ist deshalb auf neue Weise unter Druck, weil es jetzt nicht mehr nötig ist, sich als Schwuler ins Priestertum zu flüchten. Unter anderem deswegen gibt es meines Erachtens auch immer weniger Priester. Viele der schwulen Priester sind sehr reflektiert und würden niemals antihomosexuelle Predigten halten, sondern äußern sich integrierend. Aber es gibt auch Priester, die gegen Schwule wettern, obwohl sie es selber heimlich praktizieren. Die ist für mich der Inbegriff der Heuchelei. Und es gibt einen Graben zwischen den Bischöfen und den katholischen Laien. So wurde in den letzten Jahren auf verschiedenen Synoden mit über 95 Prozent der Stimmen beschlossen, dass es runde Tische zum Thema Homosexualität geben solle. Dahinter steckt der Wunsch der kirchlichen Basis, dass Homosexualität nicht mehr als unmoralisch verdammt, sondern eine andere Einordnung gefunden werden soll. Aber diese Beschlüsse werden von den Bischöfen nicht umgesetzt, denn sollte so ein runder Tisch Positionen entwickeln, die der Position aus Rom nicht entsprechen, hätten die Bischöfe einen Konflikt mit Rom am Hals – und dafür haben sie nicht genug Mut. Meine Berufung sehe ich darin, die katholische Kirche zu Veränderungen in ihrer Einstellung zur Homosexualität zu bewegen. Das sind Grund und Motivation für mich, in der Kirche zu bleiben. Dazu wünsche ich mir von den Priestern etwas mehr Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit und von den Laien, dass sie sich stärker für ihre Positionen einsetzen.“ da es eine gleichberechtigte Form der Liebe ist. Mein Kollege in der Kölner Südstadt hatte damals als erster die Segnung eines schwulen Paares vollzogen – und dafür eine Rüge vom Landeskirchenamt erhalten, weil die Synode zu diesem Zeitpunkt noch keinen offiziellen Beschluss gefasst hatte. Erst mit der Entscheidung der Synode hielt die liberale Auffassung allmählich Einzug in die Gemeindepraxis, obschon leider auch heute noch längst nicht in allen evangelischen Gemeinden Homosexualität thematisiert wird. Was unserer Kirche sicherlich noch fehlt, ist eine vernünftige Debatte über Sexualität. Ich glaube, das wird noch zwei, drei Generationen dauern. In meinen Predigten spreche ich Dinge wie eine gesunde Sexualität, nämlich eine ohne Schuldgefühle, ganz selbstverständlich an. Denn zum „Vater unser, gib uns heute...“ gehören eben nicht nur das Essen, die Liebe, sondern auch: Gib uns Sex – oder gesunde Luft – einfach das volle Programm.“ Dr. Bertold Höcker (49) Evangelisch-lutherischer Stadtpfarrer von Köln, AntoniterCityKirche „Als Stadtpfarrer von Köln ist es meine Aufgabe, das evangelische Profil der Stadt zu prägen. Dazu machen wir profilierte Angebote wie Gottesdienste für Frauen oder mit dem „Saturday Night Fever“ regelmäßig Gottesdienste für Schwule und Lesben. Die Gesellschaft ist heute viel ausdifferenzierter; den einen Gottesdienst für alle gibt es so nicht mehr. Mittlerweile hat der schwullesbische Gottesdienst in Köln eine gewisse Tradition. Als ich vor drei Jahren ins Pfarramt gewählt wurde, war das eine ganz entscheidende Frage: Ob ich mir solche Gottesdienste vorstellen könne? Mein Vorgänger war ja heterosexuell, und von mir wussten das Presbyterium nicht, dass ich schwul bin. Also nutzte ich die Gelegenheit, mich zu outen. Probleme gab es keine. Nicht zuletzt deshalb bin ich überzeugt, dass die evangelische Kirche Schwule und Lesben nicht diskriminiert. Homophobie ist in unserer Kirche weitgehend abgebaut – seit nun schon zehn oder fünfzehn Jahren. Auslöser war Ende der 1980er-Jahre ein theologisches Papier, das festgestellt hatte, Homosexualität sei nicht sündhaft. Aus diesem Grund war es bald nicht mehr haltbar, sie als eine defizitäre Form der Sexualität zu bewerten. Das heißt: Theologisch konnte man nun nichts mehr gegen Homosexualität sagen, Fred Fischer (42) Vorstandsmitglied der Beth Shalom Gemeinde München; ehem. Vorstandsmitglied Yachad und World Congress of Gay, Lesbian, Bisexual and Transgender Jews „In der Tora, der heiligen Schritt des Judentums gibt es zwei Stellen, die sich möglicherweise auf die männliche Homosexualität beziehen: „Mit einem Manne sollst Du nicht liegen, wie man bei einem Weibe liegt – dies ist ein Gräuel“ (Lev. 18,22). Diese Verurteilung wird an einer anderen Stelle noch schärfer formuliert: „Und jemand, der einem Manne beiliegt, wie man einem Weibe beiliegt – Gräuel haben sie beide begangen. Getötet sollen sie werden, ihr Blut über sie.“ (Lev. 20,13) Der Talmud, das zweite Hauptwerkt des Judentums, bekräftigt diese Einstellung an einer Stelle sogar noch (Sanhedrin, 54a). Heute gehen die vier religiösen Richtungen im Judentum unterschiedlich mit Homosexualität um. Lesbische Jüdinnen und schwule Juden in orthodoxen Gemeinden haben sicherlich keinen leichten Stand und leiden unter dem traditionellen Druck der Homophobie. Sich zu outen wird dort niemand wagen; der Ausschluss käme unweigerlich. Ich kenne Homosexuelle in orthodoxen Gemeinden, die sogar geheiratet haben, um den Schein zu wahren. Das Ausmaß der Ängste und Selbstzweifel von jüdischen Lesben und Schwulen, die ihre Heimat trotzdem in einer orthodoxen Gemeinde suchen, kann man nur ahnen! In einer zweiten Strömung, dem konservativen Judentum, urteilt man milder über homosexuelle Gemeindemitglieder. Allerdings nur in Worten, nicht in der Sache: Man empfiehlt ihnen den „Verzicht“ auf ihre sexuelle Orientierung als einzig legitime Lösung. In der dritten und größten Ausrichtung, dem liberalen Judentum, das übrigens vor 200 Jahren in Deutschland gegründet wurde, hat man keine Vorbehalte gegenüber homosexuellen Gemeindemitgliedern. Dort werden Schwule und Lesben genauso als Teil der Schöpfung betrachtet wie Heterosexuelle. Vor allem in Übersee gibt es viele schwule Rabbiner innerhalb der Reformbewegung, die in der Gemeinde als gleichwertige Instanz akzeptiert werden. Und als vierte religiöse Richtung haben wir den Rekonstruktionismus, die kleinste der Bewegungen, die in einigen Bereichen Pionierarbeit leistete: Zum Beispiel, indem sie die „gender inclusive liturgies“ entwarf, die ein nicht allein männliches Gottesbild transportieren. Ich selbst komme aus einer liberalen Familie. Mit meinem Coming-out hatte ich aber trotzdem zu kämpfen – weil ich dachte, meine Homosexualität würde den überlieferten Werten und Traditionen widersprechen. So kam es, dass ich mein Judentum lange Zeit „auf Eis gelegt“ habe. Das Stigma, das Homosexualität in der jüdischen Tradition anhängt, ist leider noch immer stark im Bewusstsein verhaftet. Das kann dazu führen, dass sich Lesben und Schwule dem Gemeindeleben entziehen, weil sie Ablehnung und Ausgrenzung befürchten. Erst mein Beitritt zum Verein Yachad Deutschland, der 1995 in Köln gegründeten Gruppe jüdischer Lesben und Schwulen, hat mich zurück zu den Wurzeln gebracht. Auf einmal konnte ich Judeund Schwulsein prima miteinander vereinen. Seit dem Wiedererwachen der liberalen jüdischen Gemeinden in Deutschland vor gut zehn Jahren bin ich Mitglied der Gemeinde Beth Shalom in München. In dieser Gemeinde bin ich offen schwul und noch nie auf Ablehnung gestoßen. Und wenn, dann würde ich es mir auch nicht gefallen lassen.“ impuls - 2008 51 Homophobie und Polizei Im Notfall: Kommunikationsstörungen auf breiter Front Von Frank Störbrauck Schwule Überfalltelefone suchen den Draht in die Behörden: Die Zusammenarbeit zwischen den schwulen Szenen und der Polizei ist in vielen deutschen Großstädten verbesserungsbedürftig. Zahlreiche Opfer homophober Gewalt scheuen weiterhin den Gang zu den Ermittlungsbehörden. MANEO will sich des Problems annehmen und ein Kompetenzzentrum in Berlin einrichten – in Kooperation mit dem BKA, den Landespolizeien und wissenschaftlich begleitenden Hochschuleinrichtungen. Als MANEO im Mai vergangenen Jahres die Ergebnisse seiner Umfrage unter rund 24.000 schwulen Männern zum Thema antischwule Gewalt (s. S. 57) veröffentlichte, war das Entsetzen groß: Mehr als jeder dritte Befragte (35 Prozent) gab an, in den letzten zwölf Monaten Gewalterfahrung gemacht zu haben. Die Täter, meist in der Gruppe auftretende jugendliche Halbstarke, fühlen sich anscheinend zunehmend provoziert vom selbstbewussten Auftreten schwuler Männer in der Öffentlichkeit. Ein Unrechtsbewusstsein haben die Täter meist nicht, stellte jüngst Prof. Dr. Joachim Kersten, Soziologe an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, fest: „Die denken ja, das sei okay, was sie da machen, denn sie haben die Botschaft empfangen, dass Schwule Menschen zweiter Klasse seien und dass man das dürfe, dass es kein Problem sei.“ Doch nur eine verschwindend geringe Zahl der Schläger konnte ausfindig gemacht, geschweige denn vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist aber meist nicht der Spitzfindigkeit der Täter oder gar der mangelnden Ermittlungsbereitschaft der Polizei geschuldet. Nein, häufig schon hapert es an der Anzeigebereitschaft der Opfer. Nur 10 Prozent der Befragten, die bereits antischwule Gewalterfahrungen machten, gaben an, anschließend Anzeige bei der Polizei erstattet zu haben. „Aus Scham, die Niederlage einzugestehen, aus Angst, damit das herrschende Klischee der fehlenden Männlichkeit einzugestehen, scheuen immer noch viele den Weg zur Polizeiwache“, resümiert Dr. Bodo Lippl vom Institut für Sozialwissenschaft an der Humboldt-Universität. Die restlichen 90 Prozent, so MANEO-Projektleiter Bastian Finke, verharmlose die Taten mit Antworten wie: „Ich hatte zwar ein blaues Auge, aber es war Gott sei Dank nicht so schlimm.“ Doch ist es bei den Opfern nicht nur die Scham, die sie von einer Anzeige abhält. Bei den Betroffenen herrscht offenbar die Vermutung, dass die Polizei diese Fälle bagatellisieren würde. Im Endeffekt führt das schlechte Image der Beamten bei den Betroffenen dazu, dass die Polizei kaum Kenntnis von homophoben Gewalttaten nimmt, so Finke. Dunkelfeld im Fokus Dabei ist eine Anzeige nicht nur die Voraussetzung für die Klärung der einzelnen Straftat. Von der Entwicklung polizeilicher Konzepte bis hin zu konkreten Maßnahmen in der Schul- und Jugendpolitik hängt vieles von dem festgestellten Straftatenaufkommen ab. Liegen beispielsweise für ein Cruisinggebiet [Ort, an dem regelmäßig schwule Männer auf der Suche nach einem spontanen Sexualpartner verkehren; Anm. d. Red.] keine Anzeigen vor, geht die Polizei davon aus, dass es dort friedlich ist – und trifft keine besonderen Maßnahmen zum Schutz der Cruiser. Die besten Chancen zur Ermittlung der Täter bei gewaltsamen Übergriffen haben die Ermittler, wenn die Polizei sofort während oder nach der Tat über den Notruf 110 verständigt wird. Die Täter können erfahrungsgemäß oft in der Nähe des Tatortes festgenommen werden. Die hohe Dunkelziffer ist auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bekannt. Anfang Februar dieses Jahres nahm er zu der Problematik aufgrund einer parlamentarischen Anfrage Stellung. Berlinweit wurden 2006 27 Fälle erfasst, 2005 waren es noch 14. Für das vergangene Jahr liegen noch keine abschließenden Daten vor. Aber auch diese Zahlen sind in Sachen Aussagekraft stark begrenzt. In der jährlichen polizeilichen Kriminalitätsstatistik werden nach Körtings Angaben Straftaten gegen Schwule und Lesben nicht gesondert erfasst. Nur in der Statistik über politisch motivierte Kriminalität gebe es das Feld Hasskriminalität, innerhalb dessen mehrere Bereiche wie „antisemitisch“, „Rassismus“ und eben auch „sexuelle Orientierung“ unterschieden werden. Brückenköpfe bauen Dabei gilt die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den schwulen Szenen in der Hauptstadt als bundesweit vorbildlich. Seit 1992 gibt es die hauptamtliche Stelle des Ansprechpartners der Polizei für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und seit 2006 zusätzlich die Stelle einer Ansprechpartnerin. „Das heutige Niveau der Zusammenarbeit ist uns dabei aber nicht zugeflogen. Über die Jahre musste das Vertrauensverhältnis und das Verständnis zwischen der Polizei und den lesbischen/schwulen Projekten erarbeitet werden“, so Uwe Löher, Ansprechpartner der Polizei für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, rückblickend. Heute tritt impuls - 2008 53 >> Homophobie und Polizei Homophobie und Polizei er – zumeist gemeinsam mit seinem weiblichen Pendant – mit Informationsständen in den verschiedenen Szenen und bei Unterrichten in der polizeiinternen Aus- und Fortbildung auf, kooperiert bei Präventionskampagnen und sitzt nach Beschwerdefällen oder zur Problemlösung am Runden Tisch. „Ergebnis ist ein hoher praktischer Nutzen für beide Seiten. Wichtig dabei ist, die Rolle des anderen zu kennen und zu respektieren und auch mal mit unterschiedlichen Sichtweisen leben zu können“, so Löher. MANEO hatte seinerzeit vom Senat die Einrichtung einer Stelle eines Ansprechpartners für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Berliner Polizei gefordert, um somit einen kompetenten Brückenkopf zu haben, der nicht zuletzt auch in die Behörde hinein wirken soll. Bislang ist Berlin das einzige Bundesland, das für derlei Aufgaben eine hauptamtliche Stelle vorsieht. Allerdings: Berlin hat aufgrund seiner Bevölkerungszahl einen Sonderstatus; in der Millionenmetropole leben schätzungsweise 250.000 bis 350.000 Lesben und Schwule. Konzepte, die sich dort bewährt haben, sind deshalb nicht unbedingt eins-zu-eins auf kleinere Städte oder Flächenländer übertragbar. Doch die Berliner wollen bundesweit Impulse setzen. So denkt man gerade über die Planung eines bundesweiten Arbeitstreffens der polizeilichen Ansprechpartner für Lesben und Schwule nach. Sensibilisierung auf breiter Front notwendig Für Bastian Finke und seine Mitstreiter ist ebenfalls klar: Die Zusammenarbeit zwischen den schwulen Ansprechpartnern bei der Polizei, den Anti-Gewalt-Projekten und den schwulen Szenen muss grundlegend verbessert werden – zum einen, damit durch erhöhtes Anzeigeverhalten mehr Täter zur Rechenschaft gezogen werden können, zum anderen, damit die Öffentlichkeit stärker für das Thema sensibilisiert wird. Doch das ist in der Theorie leichter gesagt als in der Praxis umgesetzt. Horst Heinemann, Kriminalhauptkommissar bei der Frankfurter Polizei und dort Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, sieht seine Behörde in einem Zwiespalt, wenn es darum geht, homophobe Delikte zu erfassen. Häufig passiere das nicht, weil es konkret bedeuten würde, bei der Anzeigenaufnahme explizit nach der sexuellen Orientierung des Geschädigten fragen zu müssen, um einen homophoben Hintergrund erfassen zu können. „Ich denke, dass sich viele Homosexuelle dies auch aufgrund 54 impuls - 2008 der eben bestehenden Vorbehalte gegenüber der Polizei verbitten würden. Das wäre für eine Vertrauensbasis eher kontraproduktiv. Da hilft wirklich nur, dass die Betroffenen dies von sich aus angeben, wenn sie wollen, dass die Tat entsprechend eingeordnet wird“, resümiert Heinemann. Häufig habe er aber das Problem, dass viele Schwule dies bewusst verschweigen oder gar den tatsächlichen Tatort „verlegen“: Um sich nicht als schwul zu outen, würde statt „Cruisinggebiet“ beispielsweise „am Bahnhof“ angegeben. Der Kriminalkommissar sieht daher auch die Betroffenen in der Pflicht: „Sonst geht das so weiter, dass in der Szene immer über permanente Übergriffe räsoniert wird, aber bei der Polizei nichts ankommt.“ Die Scheu, die Polizei als Freund und Helfer anzusehen, kommt jedoch nicht von ungefähr. „Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, die Polizei wolle eine latente Mitschuld der Opfer ermitteln!“ Bastian Finke fordert daher gleichsam die Polizeien auf, in die eigenen Reihen hinein zu vermitteln, „dass sich durchaus Täter auf Schwule als Opfer spezialisiert haben. Es gilt also, die Beamten entsprechend zu sensibilisieren, geht es doch bei homophoben Übergriffen in erster Linie um die Einstellung der Täter.“ Für Prof. Claudius Ohder von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Berlin (FHRV) hat die Aufhellung des Dunkelfeldes drei Voraussetzungen: Erstens eine höhere Anzeigebereitschaft der Opfer, zweitens die Bereitschaft der Geschädigten, den antischwulen Hintergrund der Tat zu benennen und drittens die Erfassung eines solchen Hintergrundes durch die Polizei. Das aber ist für Ohder nicht unproblematisch: „Denn zum einen wäre zu klären, was die Kriterien für einen homophoben Hintergrund sein sollen – rein subjektives Ermessen dürfte nicht ausreichen. Und zum anderen würde dieses eine Erfassung der sexuellen Präferenz des Geschädigten mit sich bringen - wogegen es nachvollziehbar Widerstand gibt“. Ohders Fazit: „Die Verkleinerung des Dunkelfeldes kann kein absolutes Ziel sein, dem sich alles andere unterordnet.“ Problem benannt – und nun? Um die Anzeigebereitschaft zu erhöhen, engagiert sich auch der hessische Landesverband der lesbischen und schwulen Polizeibeschäftigten (VelsPol). Peter Jüngling, Sprecher des Verbandes: „Wir in Hessen beteiligen uns beispielsweise im Juli mit einem Infostand am Frankfurter CSD und – wenn es uns möglich ist – auch mit einem Wagen am dortigen Umzug. Freilich sind unsere Kapazitäten bei gerade einmal einem guten Dutzend Mitglieder recht eingeschränkt; man muss sich nach dem personell Machbaren richten.“ Er ist stolz darauf, dass es in Hessen – mit einer Ausnahme – inzwischen in jedem Polizeipräsidium mindestens einen Ansprechpartner für schwule Belange gibt, wtritt und gewisse interne Einwirkungsmöglichkeiten in die Behörde hat. Allerdings, so Jüngling: „Soweit ich das überblicke, haben diesbezüglich viele andere Bundesländer noch einen großen Nachholbedarf.“ Ein bundesweites Konzept gegen antischwule Gewalt existiert aber nicht; das Thema wird vielerorts totgeschwiegen und ausgesessen. Da Polizeiangelegenheiten grundsätzlich Ländersache sind, kann eine entsprechende Regelung nur in den einzelnen Bundesländern getroffen werden und ist somit abhängig von der jeweiligen politischen Gewichtung des Problems. Und hier schließt sich der Teufelskreislauf wieder: Da die Polizei den Innenministern keine verlässlichen Daten liefern kann, interessiert sich kaum jemand in der Politik für das Problem. Um nun aber mehr Licht in das Dunkel zu bringen, will Bastian Finke die Stellung der Schwulen Überfalltelefone ausbauen. Diese sollen nicht nur als Opferberatungsstellen fungieren. Vielmehr sollen sie auch ihre Kompetenz als Erfassungs- und Präventionsstelle unter Beweis stellen. Hier will MANEO in Zukunft ansetzen: Die Beratungsstelle will sich als professionelles Projekt empfehlen und in Berlin ein Kompetenzzentrum einrichten – in Kooperation mit dem Bundeskriminalamt, den Landespolizeien und wissenschaftlich begleitenden Hochschuleinrichtungen. Die Polizei – dein Freund und Helfer? Interviews: Frank Störbrauck Zwei Geschädigte berichten von ihren Erfahrungen mit den Ermittlungsbehörden. Tobias*, 34, Köln Matthias*, 50, Berlin „Wir feierten Silvester 2006 eine große Party bei mir. Nach Mitternacht wollten wir in der Kölner City in einem Club weiterfeiern. Mit rund zehn Leuten benutzten wir die UBahn. Dort wurden wir von zwei Typen und deren Freundinnen mit antischwulen Sprüchen blöd angemacht, weil einer von uns auf dem Schoß des anderen saß. Wir ließen uns von denen aber nichts gefallen und keiften zurück. Irgendwann eskalierte die Situation und einer der beiden Typen schmiss eine leere Bierflache in unsere Richtung. Anschließend schlugen sie auf uns ein. Es entwickelte sich eine wilde Schlägerei. Mit ein paar blauen Flecken und ein paar Beulen sind wir noch einigermaßen glimpflich davon gekommen. Wir haben sofort die Polizei gerufen und noch in der U-Bahn-Station konnten die Täter gestoppt werden. Dreisterweise behaupteten sie, wir hätten mit den Pöbeleien und der Schlägerei begonnen. Die Polizei vor Ort konnte oder wollte nicht so recht feststellen, wer die Wahrheit sagte. Ein paar Tage später suchte mich jemand von der Kölner Polizei auf. Allerdings nicht im Sinne einer Opfer-, sondern einer Täterbetreuung wegen. Nach dem Motto: „Man schlägt sich nicht!“ Da hatte ich einen ziemlichen Hals! Es dauerte dann Monate bis ich von der Polizei schließlich zur Aussage gebeten wurde. Zwar sagte mir der zuständige Beamte, man glaube mittlerweile, dass wir die Opfer seien. Dennoch wurde das Verfahren gegen alle Beteiligten am Ende eingestellt. Ich habe im nachhinein so meine Zweifel, ob die Polizei den Vorfall überhaupt als antischwule Tat eingeordnet hat. Für sie war das wohl eher so ’ne typische Silvesterschlägerei.“ „Es war an einem Sonntagnachmittag, gegen 15 Uhr etwa, als ich mit meinem Freund von einem Spaziergang heimkehrte. Schon von weitem sah ich eine vierköpfige Jungenclique auf uns zukommen, bei der ich gleich ein ungutes Gefühl hatte. Als wir an ihnen vorbeigingen, haben sie uns absichtlich angerempelt. Es war ganz offensichtlich, dass sie Streit suchten. Sie beschimpften uns als Schwuchteln. Wir gingen aber rasch weiter. Als ich vor unserer Haustür stand, verspürte ich plötzlich einen Schlag. Ich ging zu Boden. Als ich mich wieder aufrichtete, wollte ich rasch mein Pfefferspray zur Verteidigung einsetzen, doch das Spray funktionierte nicht. Damit hatte ich die Täter noch mehr gereizt, sie schlugen alle heftig auf mich ein. Sie brachen mir sieben Rippen, zwei davon doppelt. Mein Freund hatte in der Zwischenzeit die Polizei gerufen, die Beamten waren sehr schnell vor Ort. Aufgrund der Personenbeschreibung haben sie sich sofort auf die Suche nach den Tätern gemacht, leider bis heute vergeblich. Die Betreuung durch die Polizei war rückblickend sehr gut. Sie kümmerten sich auch anschließend um mich, waren im Krankenhaus und auch ein paar Wochen später bei mir zu Hause. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Berliner Polizei antischwule Straftaten schon ernst nimmt und sich sowohl um die Opfer kümmert als auch darum, die Täter zu fassen.“ *Namen von der Redaktion geändert impuls - 2008 55 Homophobie und Polizei Studie Viktimisierung von Menschen mit homosexueller Identität Hasskriminalität gegenüber bi- und homosexuellen Männern in Deutschland Von Dr. Christian Messer Von Dr. Bodo Lippl Der Begriff der Viktimisierung ist in den Sozialwissenschaften nicht unkontrovers diskutiert. Pragmatisch wird er in Verbindung mit Zuschreibung oder Erleben einer Opferposition konnotiert und verwendet. Die Bedeutung für den Einzelnen erschließt sich aus der jeweiligen Integration und Verarbeitung des Opfererlebens im individuellen psychodynamischen Kontext. Was bedeutet das für die Entwicklung eines Menschen mit homosexueller Identität? Worin besteht die Täterschaft, die für eine Viktimisierung unabdingbar ist? Hier gilt, wie in der Psychogenese ganz allgemein: Wiederkehrende und atmosphärisch konstante und so prägende Mikrotraumatisierung, also Haltungen (etwa der Elternpersonen oder Repräsentanten ihrer Sozialisation) über einen längeren Zeitraum während der psychischen Entwicklung und Reifung eines Individuums, sind erheblich prägender – und im ungünstigen Fall dann auch schädlicher – als einmalige, als Traumata sehr viel leichter erkennbare Ereignisse. Problematische Haltungen der Beziehungsumgebung in sensiblen Entwicklungsphasen bereiten den Boden für eine spätere Verletzungsbereitschaft durch wiederkehrende (Mikro-)Traumata. In aller Regel drängt sich eine homosexuelle Identität mit Beginn der Pubertät im 13. bis 15. Lebensjahr ins Bewusstsein, bei einigen setzt dieser Prozess bereits in der sogenannten Latenzphase ein, also etwa mit Beginn der Schulzeit. Individuen, die in einer explizit homophoben Umgebung aufwachsen, in der etwa „beiläufig“ entsprechende abwertende Äußerungen (meist in Form von Witzen oder Erzählungen) wiederkeh- 56 impuls - 2008 ren, entwickeln eine hohe Verletzbarkeit des Selbstwerterlebens. Es keimt die Vermutung auf, prinzipiell oder partiell „falsch“ zu sein. Es bedarf in der Folge eines hohen Ich-Aufwandes, die konflikthafte Comingout-Situation zu bestehen. Diese gelingt dann meist nach erheblichen innerpsychischen Konfliktaustragungen und nur in der dadurch gefestigten inneren Überzeugung, doch im Grunde in Ordnung zu sein. Soweit ist dies ein Prozess, der bei anderen Menschen in anderen Identitätsbereichen ähnlich ausgetragen wird. Eine wirkliche Viktimisierung entsteht durch Remobilisierung der ursprünglichen Befürchtung, in aller Regel ausgelöst durch abfällige Bemerkungen auf der Straße, am Arbeitsplatz oder in einem anderen alltäglichen Kontext. Dabei setzt die Viktimisierung oft bereits im Stadium vor dem Coming-out ein. „Schwul“ ist ein beliebtes und gängiges Schimpfwort unter Schülern, und oft genug trifft die hochsensible Angriffslust pubertierender Horden den „Richtigen“. Weiter geht die offene Diskriminierung danach auf der Straße mit Abwertungen, Beschimpfungen und – nicht zuletzt – mit tätlichen Angriffen weiter. Diese Remobilisierung zuvor gehegter Identitätsängste hat – so lassen Ergebnisse neuester Befragungen vermuten – bei Schwulen ganz besondere Relevanz: Ein Drittel der Befragten (MANEO-Umfrage, s. S. 57) bestätigt derartige Konfrontationen pro Kalenderjahr, was auf eine relevante Wiederholungswahrscheinlichkeit schließen lässt. Dieser wiederkehrenden traumatischen Verunsicherung müssen eine sehr gefestigte Identität und Ich-Stärke gegenüberstehen, damit eine Beeinträchtigung der Persön- lichkeitsentwicklung im Weiteren erfolgreich abgewehrt werden kann. Selbstredend können Gewalterfahrungen – genau wie andere Extremtraumata – je nach psychodynamischer Entwicklung des Betroffenen alle Formen der posttraumatischen Belastungs- oder Persönlichkeitsstörung auslösen. Die klinische Erfahrung in der psychosomatisch-psychotherapeutischen Behandlung homosexueller Patienten bestätigt die im Vergleich zu heterosexuellen Patienten ungleich höhere Exposition von Viktimisierung eben aufgrund der sexuellen Identität. In diesem Zusammenhang ist die von Zizek (vgl. Zizek, Slavoj, „Liebe Dein Symptom wie Dich selbst“, Frankfurt/M. 1991) aufgestellter Hypothese, dass das postmoderne Subjekt zu einem narzisstischen Selbstverhältnis neigt, bei dem es sich gern in seiner selbstgewählten Opferrolle darstellt, stark zu problematisieren, auch wenn aktuelle mediale Diskussionen immer wieder einen derartigen Kontext bei der homosexuellen Viktimisierung zu suggerieren suchen. Dr. Christian Messer, Studium der Medizin in Ulm, Berlin (FU) und Zürich (Psychiatrische Universitätsklinik Burghölzli), Studium der Musiktherapie an der Hochschule der Künste Berlin. 1990 bis 1993 klinische Tätigkeit in der Med. Abt. der Allgemeinen Krankenhauses Ochsenzoll in Hamburg, ab 1993 in der Abt. für Innere Medizin und Psychosomatik der Kliniken im Theodor Wenzel Werk und der dortigen psychiatrischen Abt.. Promotion über „Musiktherapie und Schizophrenie“ an der FU. Seit Januar 2005 in eigener Praxis tätig. Wissenschaftliches Beiratsmitglied bei MANEO. Das Ausmaß an Gewalttaten in Deutschland, die Täter aufgrund der sexuellen Orientierung ihrer Opfer begehen, ist weitgehend unbekannt. Sie werden in den offiziellen Statistiken staatlicher Behörden meist nicht berichtet oder dort als solche nicht eigenständig und differenziert genug erhoben. Zahlen, die bislang Auskunft über das Ausmaß dieser vorurteilsmotivierten Hassgewalt zu geben vermochten, beschränkten sich im wesentlichen auf die von szenenahen Einrichtungen (Überfalltelefone, Beratungsstellen etc.) gemeldeten Fälle. Von daher kann angenommen werden, dass das Dunkelfeld homophober Gewalt noch weitaus größer ist als bisher bekannt. Da ein geeigneter Umgang mit diesem gesamtgesellschaftlich schädlichen Problem nur gefunden werden kann, wenn derartige Hasskriminalität sichtbar gemacht und in ihren Ursachen und Wirkungen erforscht wird, hat MANEO, das schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin von Dezember 2006 bis Januar 2007 eine breit über schwule Printmedien und Internetportale beworbene Umfrage unter schwulen, bi- und transsexuellen Jugendlichen und Männern über ihre erlebten Gewalterfahrungen durchgeführt. 1 Eine für diese Gruppe repräsentative Erhebung kann wegen unlösbarer methodischer Probleme nicht realisiert werden; es muss deshalb eine Strategie verfolgt werden, möglichst Körperverletzung 4,5 % Eigentumsdelikt 4,2 % Kein Vorfall 64,5 % Abb. 1: Verteilung des schwerwiegendsten Gewaltvorfalls Bedrohung 26,9 % breitgestreut über verschiedene Kontaktwege möglichst viele Befragungsteilnehmer zu erreichen und zur Teilnahme zu motivieren. Auf diese Weise sind in der MANEOUmfrage 2006/07 fast 24.000 auswertbare Fälle zustande gekommen. Die rekordverdächtige Teilnahmezahl allein zeigt bereits, dass das Thema homophobe Gewalt innerhalb der Szene eine große Bedeutung hat, weil damit offenbar ein Problembereich angesprochen wird, der vielen homosexuellen Männern aufgrund ihrer Lebenserfahrungen vertraut ist. So geben mehr als ein Drittel aller Befragten für den Zeitraum der letzten 12 Monate an, Opfer mindestens einer Gewalttat geworden zu sein (35,5 Prozent). 64,5 Prozent nennen keinen Vorfall im selben Zeitraum (vgl. Abb. 1). Falls mehrere Vorfälle stattgefunden haben, was den Angaben zufolge bei über einem Fünftel aller Befragten der Fall ist (22,4 Prozent), sollten die Befragten ihre Angaben auf den Vorfall beziehen, der sie am stärksten betroffen hat. Die Verteilung dieser ggf. schwerwiegendsten Gewaltakte auf verschiedene Formen zeigt, dass 75,7 Prozent der genannten Vorfälle auf Beleidigungen und Bedrohungen im weitesten Sinne entfallen (26,9 Prozent aller Befragten), 11,8 Prozent auf Gewalttaten in Zusammenhang mit Eigentumsdelikten (4,2 Prozent aller Befragten) und 12,5 Prozent auf Körperverletzungen (4,5 Prozent aller Befragten). Damit beschränkt sich zwar der überwiegende Teil aller Vorfälle auf Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien. Körperverletzungen fallen jedoch dann stark ins Gewicht, wenn zudem bedacht wird, dass 4,5 Prozent aller Befragungsteilnehmer (also jeder 18. Be- impuls - 2008 57 >> Studie Studie Fast zwei Drittel der Gewalttaten werden von mehreren Tätern begangen (40,7 Prozent der Vorfälle von einem Täter). In 5,3 Prozent aller Vorfälle sind Waffen im Einsatz gewesen. In den meisten Fällen sind die Täter für die Opfer unbekannte Personen (70,7 Prozent), in 15,1 Prozent der Fälle kennen die Opfer sie flüchtig und in 14,2 Prozent der Fälle sogar persönlich. Die Befragten nehmen ihre Täter, wenn sie unbekannt sind, überwiegend als nicht weiter auffällige Personen wahr (48,6 Prozent). Entgegen der weit verbreiteten Vermutung, dass homophobe Gewaltvorfälle größtenteils von Rechtsradikalen begangen werden, ist der Anteil derartig wahrgenommener Vorfälle vergleichsweise eher gering (6,7 Prozent). Auch wenn nicht explizit danach gefragt wurde, gaben die Befragten jedoch in ihren offenen Antworten zum Umfeld der Täter von sich aus nicht selten an, dass die Täter nichtdeutscher Herkunft waren (15,9 Prozent). fragte) eine derartige Gewaltform als schwerwiegendsten Fall angibt. Eine schwere Körperverletzung geben immerhin noch 0,5 Prozent aller Befragten an, auch wenn hier berücksichtigt werden muss, dass die Teilnahmemotivation an der Umfrage für diese Betroffenen besonders hoch sein dürfte. Hochgerechnet ist dies ungefähr jeder 200. Befragungsteilnehmer, der den eigenen Angaben zufolge in den letzten 12 Monaten körperlich schwer verletzt wurde. Unabhängig davon, welche Gewaltform als schwerwiegendste vorliegt, kann das Risiko, von homophober Gewalt überhaupt betroffen zu sein, für verschiedene Gruppen ganz unterschiedlich sein. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Größe des Wohnorts der Befragten offenbar keine große Rolle spielt. Homophober Hassgewalt ausgesetzt zu sein ist demnach keine Frage der Einwohnerzahl des Wohnortes. Sie tritt in Großstädten genauso häufig auf als auf dem Land oder in der Kleinstadt. Allerdings hängt die Betroffenheit von homophober Gewalt vom Alter der Opfer ab. Sie nimmt mit zunehmendem Alter ab. Umgekehrt können insbesondere die ganz jungen bisexuellen und schwulen Befragten als diejenige Gruppe ausgemacht werden, bei denen das Gewaltrisiko am höchsten ist. 63,9 Prozent der Bis-18-Jährigen, 46,0 Prozent der 19-25-Jährigen und bei den 26-30-Jährigen noch immerhin 34,7 Prozent, geben einen Vorfall an. Damit lässt sich insbesondere die Gruppe der Schüler als eine Hochrisikogruppe bezüglich homophober Gewalt bezeichnen, die mehrheitlich (56,4 Prozent) einen derartigen Vorfall angeben. Entgegen oft geäußerter Vermutungen ereignen sich derartige Gewalttaten nicht an unbekannten Orten, sondern an Orten, die das Opfer gut kennt. Fast 85 Prozent der Opfer ist der Ort des Vorfalls gut bzw. sehr gut bekannt. Die meisten Vorfälle finden den Angaben zufolge auf der Straße (44,8 Prozent), in öffentlichen Verkehrsmitteln (14,7 Prozent) in der Schule, dem Ausbildungs- oder am Arbeitsplatz (14,9 Prozent) statt. Da die sexuelle Orientierung als Hassmotiv im Hintergrund der berichteten Gewalttaten angezweifelt werden kann, ist die Frage der Erkennbarkeit der sexuellen Orientierung des Opfers für die Täter von zentraler Bedeutung. Sie ist den Angaben der Befrag- Die Täter werden aus Sicht der Opfer folgendermaßen charakterisiert: Sie sind meist männlich (86,8 Prozent) und jung. Nur 12,4 Prozent der Täter werden über 35 Jahre eingeschätzt. 44,8 Öffentliches Straßenland 14,7 Öffentliche Verkehrmittel 5,2 Park / Waldgebiet 1,8 Umfeld öffentlicher Toiletten In meiner Wohnung 3,6 Vor Wohnungstür / Hauseingangtür 3,6 6,6 Unmittelbare Nachbarschaft 10,3 In einem Lokal 3,7 Vor einem Lokal 8,9 Umfeld schwuler Lokale / Treffpunkte 14,9 Schule / Ausbildungs- / Arbeitsplatz 2,0 Bei s chwullesbischer Veranstaltung 4,2 Internet / E-Mail 1,1 Briefpost / Anrufe 5,2 Woanders 0 10 20 30 Genannter Vorfallort – Prozent Abb. 2: Orte des Vorfalls 58 impuls - 2008 40 50 Bedrohung 95,9 Eigentumsdelikt 61,9 Körperverletzung 71,0 0 20 4,1 38,1 29,0 40 60 Polizei verständigt bzw. Anzeige erstattet? – Prozent 80 nein 100 ja Abb. 3: Verständigung der Polizei nach Vorfallformen ten nach in den meisten Fällen und zudem unter Angabe von Indikatoren gegeben und kann nur in 17,4 Prozent der Vorfälle möglicherweise ausgeschlossen werden. Gerade für die öffentliche Sichtbarkeit des Ausmaßes homophober Gewalt ist die Anzeige bei der Polizei als staatlicher Behörde von besonderer Bedeutung. Allerdings wurden den Angaben der Opfer zufolge nur 11,9 Prozent aller Vorfälle polizeilich zur Anzeige gebracht. Betrachtet man das Anzeigeverhalten in Zusammenhang mit der Verletzung der Opfer, zeigt sich zwar, dass der Anteil einer polizeilichen Meldung im Falle einer Verletzung deutlich höher liegt. Mehr als die Hälfte der Vorfälle mit einer Verletzung (54,6 Prozent) werden jedoch auch in diesem Fall nicht angezeigt oder polizeilich gemeldet. Wird das Anzeigeverhalten nach verschiedenen Gewaltformen unterschieden, überrascht es nicht, dass das Einbeziehen der Polizei deliktspezifisch ist, d.h. bei Bedrohungen deutlich niedriger (4,1 Prozent), hingegen bei Eigentumsdelikten (38,1 Prozent) und Körperverletzungen (29,0 Prozent) deutlich höher ausfällt. Allerdings wird selbst im Falle einer schweren Körperverletzung in nur 69,2 Prozent dieser Vorfälle die Polizei eingeschaltet. Damit wird fast ein Drittel selbst dieser als besonders schwerwiegend geltenden Gewaltkriminalität von bisexuellen und schwulen Männern nicht angezeigt. Dass sich eine Anzeige lohnt, zeigt die erhobene Aufklärungsquote. In immerhin 43,0 Prozent der Vorfälle, die zur Anzeige gebracht wurden, konnten die Täter durch die Polizei ermittelt werden (52,9 Prozent der gemeldeten Bedrohungen, 27,2 Prozent der Eigentumsdelikte und 54,0 Prozent der angezeigten Körperverletzungen). Insgesamt zeigen die Ergebnisse in der Zusammenschau dreierlei Problemkomplexe: 1. Vor allem die jüngeren homosexuellen Männer sind gerade in der Lebensphase viel stärker von Gewalt betroffen, in der sie auch eine besondere Vulnerabilität aufgrund der Widrigkeiten im Rahmen des eigenen Coming out sowie der sexuellen Entwicklung aufweisen. Die Umstände derartiger Gewalt müssen daher weiter untersucht werden. 2. Ferner erfordert das geringe Anzeigeverhalten besondere Aufmerksamkeit. Die Opfer schalten die Polizei zu selten ein. Ob dies stärker am mangelnden Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Opfern aufgrund der sexuellen Orientierung liegt oder von der Bagatellisierung der erfahrenen Gewalt auf Seiten der Opfer abhängt, ist wissenschaftlich noch ungeklärt. Die Ergebnisse der Analysen sprechen dafür, dass beides eine Rolle spielt. 3. Opferbefragungen in einer gesellschaftlichen Gruppierung allein sind in ihrer Aussagekraft zur Gesamtlage des Ausmaßes an antischwuler Gewalt zwar beschränkt, aber sie sind eine sinnvolle Ergänzung insbesondere zur Aufhellung des Dunkelfeldes in diesem Bereich. Sie sind jedoch kein Ersatz für eine politisch gewollte staatliche Registrierung derartiger Vorfälle. Zur Sicherung der Transparenz und zur Betonung des Wertes des demokratischen Schutzes von Minderheiten, ist der eigenständige Ausweis von Hassgewalt aufgrund der sexuellen Orientierung in der polizeilichen Kriminalstatistik unabdingbar. Fehlentwicklungen und ungerechte Zustände können nur bekämpft und vermieden werden, wenn sie sichtbar für alle gemacht werden. Ebenso nötig ist dazu aber auch die Fortführung und Vertiefung der wissenschaftlichen Forschung zu den Ursachen und Motiven vorurteilsmotivierter Hassgewalt. Dr. Bodo Lippl, geb. am 30.04.1970. Studium der Kath. Theologie und Soziologie in München, Wiss. Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von MANEO. Zum wissenschaftlichen Beirat von MANEO, der die MANEO-Studie begleitet, gehören des weiteren Dr. Michael Bochow, (Soziologe), bekannt durch Untersuchungen zu Einstellungen von schwulen Männern zu HIV und AIDS im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), Dr. Martina Stallmann (Soziologin), Dozentin für Methodenlehre an der Evangelischen Fachhochschule Berlin, sowie Bastian Finke (Soziologe), MANEO-Projektleiter. Danksagung: Die Bewerbung der ambitionierten Studie wurde unterstützt u.a. von den Onlineportalen gayromeo.com, queer.de, gay.de, gayforum.de, gay-web.de, gaychat.de, gayroyal.com, homo.net, queerwelt.de, eurogay.de und dbna.de, die ihre User zur Teilnahme aufriefen. Der umfassende Bericht zu dieser Studie kann im Internet herunter geladen werden unter: www.maneo-toleranzkampagne.de 1 impuls - 2008 59 Konferenz Konferenz Gemeinsam gegen Homophobie und Hassgewalt Mit seiner deutsch-französisch-polnischen Konferenz bietet MANEO der länderübergreifenden Vernetzung und dem Dialog zwischen Projekten, Polizeien und Politik ein etabliertes Forum. Im Mai 2007 thematisierte die einmal jährlich im Rahmen des Internationalen Tages gegen Homophobie stattfindende MANEO-Werkstatt das Dunkelfeld bei antischwulen Delikten und formulierte Gegenstrategien. Eine Bilanz. Anknüpfend an den Erfolg der ersten Konferenz in 2006 lud MANEO vom 11. bis 12. Mai 2007 zur Fortsetzung des Dialogs erneut nach Berlin ein. MANEO begrüßte 120 Tagungsgäste aus Deutschland, Frankreich und Polen zur zweiten MANEO-Werkstatt im Rathaus Schöneberg. Der länderübergreifende Austausch wurde von zahlreichen Vertretern aus Polizeien, Politik und Organisationen interessiert angenommen und als Basis für neue Impulse für die zukünftige Projektarbeit in den Ländern begriffen. Breite politische Unterstützung für die MANEO-Werkstatt Nicht nur das Interesse des Fachpublikums war groß, auch die hiesige Politik würdigte die zweite MANEO-Werkstatt, die in ihrer thematischen Ausrichtung als bundesweit beispiellos gelten kann, mit breiter Unterstützung: Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, der die Schirmherrschaft über den Internationalen Tag gegen Homophobie 2007 innehatte, zählt MANEO aufgrund seiner Erfahrung „zu den Vorreitern der gesellschaftlichen Öffnung“ hin zu mehr Toleranz und Akzeptanz gegenüber unterschiedlichen Lebensformen im Land und lobte es in seinem Grußwort als „das erfahrenste schwule Anti-Gewalt-Projekt in Deutschland“. Auch Berlins Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Heidi Knake-Werner, betonte in ihrer Rede vor dem Auditorium im Willy-Brandt-Saal die immense Bedeutung der Opferhilfe- und Präventionsarbeit von MANEO und sicherte abermals ihre volle Unterstützung zu. Dunkelziffer weit höher als bislang angenommen Dass hierbei Handlungsbedarf besteht, zeigten neueste Zahlen, die MANEO auf der Konferenz präsentierte: Laut MANEOStudie 2006/2007, an der rund 24.000 Personen deutschlandweit teilgenommen hatten (s. S. 57), liegt die Dunkelziffer nicht-angezeigter Straftaten zum Nachteil schwuler und bisexueller Jugendlicher und erwachsener Männer mit 90 Prozent in Deutschland weit höher als bislang angenommen. Dem Ziel, das Dunkelfeld zu reduzieren, pflichteten Berlins Innensenator Dr. Ehrhart Körting und Polizeipräsident Dieter Glietsch bei. „MANEO verfolgt auch für die Dunkelfeldforschung wertvolle und damit präventive Ansätze“, so Körting in Bezug auf die erfolgreiche MANEO-Studie. Es gälte „der vorurteilsmotivierten Gewalt zu begegnen und das entsprechende Dunkelfeld zu erhellen“, so Glietsch, weswegen die Ber- impuls - 2008 Dr. Louis-Georges Tin, Begründer des Internationalen Tages gegen Homophobie: „Das europäische Netzwerk unterstützen!“ Bagatellisierung und Berührungsängste mit der Polizei prägen das Meldeverhalten der Opfer © MANEO 60 Mit vereinten Kräften: Stärkung des deutsch-französisch-polnischen Netzwerks liner Polizei die MANEO-Toleranzkampagne, deren Bestandteil die MANEO-Werkstatt ist, nach Kräften unterstützen würde. Fehlende öffentliche Aufmerksamkeit erschwert die Situation für Betroffene wie für Initiativen Zweifelsohne, Engagement tut weiterhin Not. Denn: Schwulenfeindliche Gewalt findet auch heute noch überall statt – ob in Metropolen wie Berlin, Paris und Warschau, in Kleinstädten oder ländlichen Regionen. Doch sorgen selbst tätliche Übergriffe auf Homosexuelle selten für Schlagzeilen; insbesondere Deutschland fiel in diesem Zusammenhang während der Werkstatt gegenüber dem vergleichsweise offenen Frankreich überraschend negativ auf: Trotz einer großen Mediendichte, auch und vor allem im Bereich der schwullesbischen Medien, finden Homophobie und Hassgewalt seitens der Presse kaum Beachtung. „Dass sich gerade in den schwulen Szenen das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit angesichts der Vielzahl von konkreten Gewalterfahrungen breit macht, liegt auch an der Tatenlosigkeit der Presse“, konstatierte deshalb MANEO. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen wies in ihrem Grußwort hier auf einen wichtigen Zusammenhang hin. Gerade die „öffentliche Aufmerksamkeit“ sei wichtig für Menschen, die von Gewalt betroffen waren, denn: „Wer Opfer von Gewalt wird, darf durch Wegschauen und mangelnden Beistand nicht ein zweites Mal zum strafrechtliche Verfolgung müsse „rasch und konsequent“ erfolgen. Dies wird jedoch erst möglich, wenn die zuständigen Behörden von den Taten wissen. „Dazu müssen wir Berührungsängste bei den Opfern abbauen und sie zur Anzeigeerstattung ermutigen,“ so Zypries. Nur, die bereits wiederholt in der Öffentlichkeit geäußerten Erfahrungen von MANEO wurden einmal mehr auch auf der Werkstatt bestätigt: Die Betroffenen verschweigen oft den Hintergrund – oder dieser wird im Zuge der polizeilichen Ermittlungsarbeiten dann „entwertet“ oder nicht ernst genommen. Kein Wunder also, dass infolgedessen Bedrohung, Beleidigung oder Körpergewalt von den Betroffenen nicht selten als ein „normales“ und zu erduldendes Übel angenommen wird, dessen strafrechtliche Verfolgung sich nicht lohnen würde – getreu der Devise, „das hätte auch jedem anderen passieren können“. Deshalb gilt es, verstärkt auf die Sensibilisierung aller Betroffenen hinzuwirken. © Burghard Mannhöfer Unter der Überschrift „Homophobie und schwulenfeindliche Gewalt im öffentlichen Raum: Meldung – Bewertung – Prävention“ standen angesichts des Dunkelfeldes nichtgemeldeter Straftaten zum Nachteil schwuler Männer zahlreiche Fragen auf der Agenda. Hierzu gehörten Fragen nach den möglichen Ursachen für das zurückhaltende Anzeigeverhalten unter Schwulen ebenso wie Fragen nach möglichen Gründen für die Unsicherheiten seitens der Polizei bei der Identifizierung homophober Gewaltdelikte als „vorurteilsmotivierte Straftaten“, und schließlich Fragen nach geeigneten Präventionskonzepten. Regen Zuspruch fanden sowohl die Workshops als auch die öffentlichen Podiumsdiskussionen, in denen die Teilnehmenden im Anschluss an die Impulsreferate unter jeweils akzentuierter Fragestellung am Thema arbeiteten. Opfer gemacht werden“. Insbesondere Opfer homophober Gewalt haben mit diesem Problem zu kämpfen. Polizeivertreter aus zahlreichen Bundesländern waren von ihren Behörden offiziell zur Tagung nach Berlin entsandt worden. Ein Problemkreislauf wird offenbar und problematisiert: Einerseits ist zu beklagen, dass antischwule Gewalt in all ihren Facetten in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, oft sogar bagatellisiert wird. Andererseits werden homophobe Übergriffe kaum gemeldet oder bekannt, geschweige denn bei der Polizei als Straftat angezeigt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die die Arbeit von MANEO bereits seit längerem aufmerksam verfolgt, ließ in ihrem Grußwort die Forderung verlautbaren, gegen Hasskriminalität „entschlossen“ vorzugehen – „mit Mitteln der Prävention aber auch mit repressiven Maßnahmen.“ Die Bekämpfung schwulenfeindlicher Gewalt dürfe sich daher „nicht auf die Prävention beschränken“, Diesen Zielen wollen die drei Projekte MANEO, SOS-Homophobie aus Frankreich und Lambda Warschau näher kommen. Durch regelmäßige Treffen der drei Projekte, so der einstimmige Beschluss derer Projektleiter Bastian Finke, Jacques Lizé und Krzysztof Kliszczynski, soll der Austausch der Erfahrungen aus der Anti-Gewalt-Arbeit der Partnerländer des „schwulen Weimarer Dreiecks“ hinsichtlich Effizienz und „best practice“ sowie das Networking gefördert werden. Erklärtes Ziel ist auch der Austausch von Erfahrungen und die Verbesserung gewaltpräventiver Ansätze mit den Polizeien, deren Arbeit die Projekte mit ihrem Know-how als Thinktank unterstützen können. Wiederholung der MANEO-Umfrage 2008 Um das wissenschaftliche Fundament dieser Arbeit zu stärken, wurde die MANEO-Umfrage zum Jahreswechsel 2007/2008 wiederholt*. Ziel ist es, die empirische Untersuchung zu Gewalterfahrungen von schwulen und bisexuellen Jugendlichen und Männern mittelfristig in einen europäischen Kontext einbetten zu können. Dagmar Roth-Behrendt, Vizepräsidentin des Europaparlaments, begrüßte in ihren Grußwort das Vorhaben des länderübergreifenden Erhellens des Dunkelfeldes und versicherte den Tagungsteilnehmenden: „Sie können sicher sein: Das Europäische Parlament wird mit Ihnen gemeinsam für eine Europäische Union ohne Homophobie kämpfen.“ Länderarbeit im Blick der EU Auch wenn in Frankreich und Deutschland bereits Hürden genommen wurden –innerhalb Europas ist das Gefälle nach wie vor groß, wie auch das Beispiel Polen zeigte: Die zum damaligen Zeitpunkt restriktive Haltung der polnischen Behörden erschwerte es vielen Interessierten, insbesondere Vertretern der polnischen Polizei, an der MANEO-Werkstatt teilzunehmen; einigen machte sie es gar gänzlich unmöglich. Lambda-Warschau wurde daher angeboten, eine Einladung an Vertreter von Polizeien aus Deutschland und Frankreich nach Polen zu unterstützen, um dort die Kooperationsmöglichkeiten zu thematisieren und zu verbessern. Dass ein solches Vorhaben auch Unterstützung auf europäischer Ebene finden würde, belegten deutliche Worte, die Roth-Behrendt an die Adresse der damaligen polnischen Regierung richtete. Sie kritisierte harsch deren gegen die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien verstoßenden Gesetzesvorhaben und wies darauf hin, „dass Polens Beitritt zur Europäischen Union nicht möglich gewesen wäre, wenn es vor der letzten Erweiterung der Union im Jahr 2004 zu diesen nicht hinnehmbaren Ereignissen gekommen wäre.“ Die „Äußerungen einiger polnischer Regierungsvertreter“ hätten „gegen die demokratischen Grundsätze der Europäischen Union verstoßen“, so Roth-Behrendt weiter. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, die ebenfalls die Haltung der damaligen polnischen Regierung kritisierte, sekundierte in ihrem Grußwort: „Wer sich mit Worten einübt in Ausgrenzung und Diskriminierung, für den rücken auch gewaltsame Taten in den Blick.“ impuls - 2008 61 >> Konferenz Publikationen TolerantiaPreis Antidiskriminierungsarbeit und Gewaltprävention nur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe umsetzbar „Worten müssen Taten folgen“ – MANEO fordert Konsequenzen ein MANEO appellierte an diese breite politische Unterstützung und fordert Konsequenzen ein: Der Kampf gegen Homophobie und Hassgewalt könne nicht nur von einzelnen, überwiegend ehrenamtlich organisierten Initiativen ausgefochten werden, sondern müsse auf sämtlichen Ebenen der Gesellschaft stattfinden. MANEO appellierte mit Nachdruck an die Politik der Bundesländer, sich der Verantwortung zu stellen. „Worten müssen nun Taten folgen“, so Bastian Finke gegenüber der Presse. Dass dies möglich ist, beweist die gute Zusammenarbeit zwischen MANEO und der Polizei in Berlin, die einen offiziellen Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen in ihrer Behörde eingerichtet hat. Anders als in Berlin sind in keinem anderen Bundesland Ansprech- 62 impuls - 2008 © MANEO Effektive Antidiskriminierungsarbeit wie auch Gewaltprävention stellen eine „gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, der sich zu stellen ausnahmslos alle Verantwortlichen aufgefordert sind“, betonte Bastian Finke auf der MANEO-Werkstatt: „Hassgewalt bedroht den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft.“ Eine Viktimisierungsrate von 35 Prozent in den vorangegangenen 12 Monaten, außerdem 90 Prozent nicht-angezeigte, das heißt nicht geahndete Taten offenbaren nicht nur ein Gefahrenpotential für den sozialen Frieden innerhalb der Gesellschaft, sondern vermitteln auch einen Eindruck von den immensen Kosten für die Allgemeinheit, die aufgrund vielfach notwendig werdender medizinischer oder psychosozialer Nachsorge für die Betroffenen entstehen. Die Bemühungen von MANEO, vor allem Betroffene in ihrem Schicksal nicht alleine zu lassen, sich ebenso für effektive Gewaltprävention und den Abbau von Vorurteilen einzusetzen, stießen auf klare Worte der Unterstützung durch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU): „Bitte lassen Sie in Ihrem Engagement nicht nach!“ Aus dem Auswärtigen Amt kamen ähnlich deutliche Worte: „Die Bundesregierung schätzt diese wertvolle Arbeit“, so Günter Nooke, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, gegenüber MANEO; „der Einsatz gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung ist ein wichtiger Punkt der deutschen und EU-Menschenrechtspolitik.“ Die Vorsitzenden bekräftigen ihr Bündnis (v.l.n.r.): Jacques Lizé (SOS-Homophobie, Frankreich), Krzysztof Kliszczynski (Lambda-Warschau, Polen), Bastian Finke (MANEO, Deutschland). partner von den zuständigen Polizeipräsidien mit festen Stellen eingerichtet worden. „Das Bewusstsein ist dort noch gar nicht richtig angekommen, dass mit einer solchen Stelle viel harte Arbeit bevorsteht. In einigen Präsidien ist man tatsächlich der Meinung, man könne einen solchen Job nebenbei machen. Es reicht jedoch nicht aus, eine Telefonnummer einzurichten und dann abzuwarten, dass jemand anruft. Die Polizei ist hier aufgefordert, auf den Bürger zuzugehen und Vertrauen herzustellen“, so Bastian Finke (s. S. 53). MANEO forderte daher, dass zum einen in jedem Bundesland die zuständigen Polizeipräsidien offizielle Ansprechpartner benennen, und zum anderen die zuständigen Sozial- und Innenministerien Anti-Gewalt-Projekte angemessen fördern, um einen Brückenschlag zu ermöglichen. Mit dieser Basis würde Vertrauen geschaffen – eine Arbeit, die nur langfristig ausgerichtet Erfolge in der Präventionsarbeit verspricht. Erstrebenswert, so die MANEO-Werkstatt diesbezüglich im Ergebnis, sei außerdem ein nachhaltig über die einzelnen Bundesländer hinaus etabliertes Netzwerk von Landesbeauftragten der Polizeien und Anti-Gewalt-Projekten, die sich austauschen und ihre Aufklärungs- und Präventionsarbeit intensivieren könnten. Anerkennend würdigte Finke die zahlreichen anwesenden Polizeivertreter, die vielfach bemüht sind, nebenbei oder ehrenamtlich eine solche Funktion in ihrer Behörde auszuüben – oft auch ohne Rückhalt. Das Fehlen des Top-down-Prinzips sei, so Finke, exemplarisch für die Aufklärungsarbeit insgesamt. Es mache darüber hinaus ein strukturelles Problem deutlich: „Wie soll das große Misstrauen, das seitens vieler von homophober Gewalt Betroffener gegenüber der Polizei offenkundig besteht, angegangen werden, wenn nicht auch die Polizei sich von institutioneller Seite her bewegt?“ Handlungsbedarf erkannt, breite Zustimmung für Fortsetzung des Dialogs Die Teilnehmenden der zweiten MANEO-Werkstatt signalisierten ihre Bereitschaft, die offenkundig gewordenen Probleme anzugehen und den Gesprächsfaden bis zur nächsten MANEO-Werkstatt im Mai 2008 (s. S. 64) nicht abreißen zu lassen. Bastian Finke: „Wir freuen uns, mit der MANEO-Werkstatt ein Forum geschaffen zu haben, das sich als konstruktives Instrument im länderübergreifenden Austausch bewährt hat.“ (red) * MANEO-Umfrage 2: Die Ergebnisse der zum Jahreswechsel 2007/2008 durchgeführten Wiederholungsstudie werden auf der MANEO-Werkstatt 3 am 17. Mai 2008 präsentiert. Mit dem „Schwulen Weimarer Dreieck“ begründeten im November 2005 MANEO, der französische Verein SOS-Homophobie und die polnischen Organisationen Lambda, KPH und Stiftung für Gleichberechtigung ein grenzüberschreitendes Netzwerk, mit dem Ziel, künftig in der Anti-Gewalt-Arbeit enger zusammenzuarbeiten. Die Jahresberichte der Projekte sollen zudem regelmäßig der EU vorgelegt werden. Symbolträchtiger Ausdruck dieser beispiellosen Zusammenarbeit ist der TolerantiaPreis. Ausgezeichnet wurden im Mai 2006 auf einer Benefizveranstaltung in Berlin – im Beisein des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit – die GrünenPolitiker Volker Beck und Günther Dworek (Deutschland), der Begründer des Internationalen Tages gegen Homophobie Dr. Louis-Georges Tin (Frankreich) und der Senator Kazimierz Kutz (Polen). 2007 fand die Preisverleihung im Pariser Louvre statt; die Preisträger waren das Jugendtheater-Projekt „Place de Mythos / Delusion Square“ (Frankreich), die Gruppe „Menschenrechte und sexuelle Identität (MERSI)“ bei amnesty international (Deutschland), und der polnische Bürgerrechtler und stellvertretende Chefredakteur der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, Piotr Pacewicz (Polen). (red) Tolerantia-Erklärung: „Wir einen unsere Kräfte zum Aufbau einer Bürgergesellschaft in Europa, in der wir gemeinsam und frei von Diskriminierung leben können. Wir bekunden gegenseitigen Beistand, um dieses Ziel zu erreichen. Im Geiste der Europäischen Menschenrechtskonvention stellen wir uns gegen Hass und Gewalt sowie gegen Diskriminierung von gesellschaftlichen Minderheiten. Wir solidarisieren uns mit Menschen, die für Bürgerrechte, Gleichberechtigung, Schutz von Minderheiten und für die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Europa eintreten. Wir wollen Diskriminierung und Ausgrenzung von homosexuellen Menschen in einem vereinten Europa entgegentreten. Wir wollen dafür eintreten, dass die Grund- und Menschenrechte von Lesben und Schwulen respektiert werden.“ Informationsmaterialien MANEO publiziert, neben zahlreichen aktionsbegleitenden Medienprodukten, verschiedene Informationsmaterialien, die im Rahmen der Aufklärungs-, Präventions-, und Opferhilfearbeit eingesetzt werden. Interessierte können die Materialien zur Unterstützung eigener Projekte, wie zum Beispiel Fortbildungen, bei MANEO anfragen: www.maneo.de. Gewalt gegen Schwule – das ist nicht gut so! Mit der viersprachigen Hochglanzbroschüre informiert MANEO auf 50 Seiten umfassend über seine Arbeit, die Situation in Berlin und gibt Tipps zum Umgang mit schwulenfeindlicher Gewalt. Die in Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch verfasste Publikation richtet sich vor allem an NeuBerliner und Touristen. Opferhilfe – Meldestelle – Prävention – Engagement Mit dem achtseitigen Faltblatt informiert MANEO über die vier Kernbereiche seiner Arbeit und bietet einen kompakten Überblick über das Dank der Synergieeffekte vielfältige Angebot des Projekts – von Opferhilfe über Erfassung von homophoben Gewalttaten bis hin zu Aufklärungs- und Präventionsarbeit, sowie ehrenamtlichem Engagement und Unterstützung. Love hurts und Überwachungskamera Auf der Berlinale 2007 präsentierte MANEO die beiden Social-Spots, die Dank tatkräftiger Unterstützung der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) und der Miami Ad School entstanden sind, erstmalig der Öffentlichkeit. Beide Spots transportieren in jeweils individueller Dramaturgie, dass Homophobie und Hassgewalt nicht hinzunehmen seien, vielmehr proaktiv dagegen vorgegangen werden müsse. Von der Festivaljury des Queer Film Awards als „herausragend“ gewürdigt, entwickelten sich die 60 und 45 Sekunden langen Spots zu einem Exportschlager für Kino und TV bis weit über die Grenzen Berlins hinaus. Streaming auf www.maneo-toleranzkampagne.de. „MANEO informiert“ Mit der Faltblattserie informiert MANEO zu spezifischen Themen wie zum Beispiel K.O.-Tropfen, Blind Dates oder sogenannten „täuschenden Flirts“, und gibt Tipps zum Schutz vor sowie zum Umgang mit Gefahrensituationen. Die Serie wird ständig aktualisiert und erweitert. Berlin/ Warschau/ Paris, im November 2005 impuls - 2008 63 i Inte - In pho Tag i o r a i e m l a M o a M 17. nH tion e 17.Homophobie a g e und Religion n i e r e b g i e o b oph - Int r Tag i e m l a o a n M H 17. atio gen n e r e g i e t g b n a o i-I er T l a a n M o . i 17 rnat e t n I hobie . Mai 7 1 ie phob Aktion MANEO–Aktionstage 2008 anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie 17. Mai Am 17. Mai 1990 beschloss die Generalversammlung der WHO längst Überfälliges: Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen. Weltweit machen seither zahlreiche Organisationen und Vereine mit Aktionen und Veranstaltungen auf Homophobie, Diskriminierung und Gewalt aufmerksam - MANEO mobilisiert mit. Die MANEO-Aktionstage 17. Mai, die unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, stehen, sind Bestandteil der MANEO-ToleranzKampagne. www.tag-gegen-homophobie.de 16. - 17. Mai 2008 17. Mai 2008 18. Mai 2008 25. Mai 2008 MANEO-Werkstatt 3 Homophobie und schwulenfeindliche Gewalt im öffentlichen Raum 2. MANEO-Kussmarathon Protect Every Kiss MANEO Benefiz-Event 2008 MANEO-Kreativpeis „Hands of Courage“ Im Rahmen der MANEO-Spendenwoche vom 10. bis 18. Mai lädt MANEO zu seinem Benefiz-Event in die exklusive Berliner Location Bangaluu. Da die finanziellen Zuwendungen der Berliner Senatsverwaltung nicht ausreichen, die Arbeit von MANEO in vollem Umfang zu sichern, ist MANEO zusätzlich auf Spenden angewiesen. Um Homophobie und Hassgewalt unter Jugendlichen zu begegnen, verleiht MANEO im Rahmen eines Ideenwettbewerbs für Teens und Twens erstmalig den MANEO-Kreativpreis 2008 „Hands of Courage“. Schirmherr des Wettbewerbs ist Bezirksstadtrat für Jugend, Familie, Schule und Sport, Reinhard Naumann. Unterstützt wird der Wettbewerb u.a. von den Initiativen „Schule ohne Rassismus“, „Gesicht zeigen“ und ChanceUnit e.V., sowie der Hannchen-MehrzweckStiftung und der Vaganten-Bühne. Seit MANEO 2006 die erste Werkstatt initiierte, finden sich jährlich namhafte Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Polizeien und Organisationen zum länderübergreifenden Austausch in Berlin zusammen. Nach den beiden erfolgreichen Werkstätten in 2006 und 2007 (s. S. 60) setzt MANEO nun vom 16. bis 17. Mai 2008 mit der dritten MANEO-Werkstatt den konstruktiven Dialog fort. Die diesjährige Fachtagung mit dem Titel „Wie kommt Licht ins Dunkelfeld können Schwule vor Übergriffen besser geschützt werden?“ lädt ein zum Diskurs über die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen schwulen Anti-Gewalt-Projekten und der Polizei mit dem Ziel, Hürden für eine bessere Gewaltprävention abzubauen. Freitag, 16. Mai 2008, 9:00 bis 18:00 Uhr Fachtag: Impulsreferate und Workshops (verbindliche Anmeldung bis 30.04.08 erforderlich) Samstag, 17. Mai 2008, 9:00 bis 13:00 Uhr Publikumstag: Podiumsdiskussionen und Pressegespräch (Teilnahmeregistrierung vor Ort) Ausführliches Programm, Informationen zu den Workshops und Anmeldeformular unter www.tag-gegen-homophobie.de Mit seinem Kussmarathon quer durch das Berliner Stadtgebiet bemüht sich MANEO die Selbstverständlichkeit schwulen und lesbischen Lebens stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Handlungsbedarf besteht, da gerade einander auf offener Straße küssende Schwule und Lesben immer wieder schief angeguckt oder beschimpft, bedroht und nicht selten sogar Opfer von körperlicher Gewalt werden. Das Motto der viel gerühmten Aktion hatte MANEO einem seiner auf der Berlinale 2007 vorgestellten Social-Spots entlehnt: Protect Every Kiss - jeder Kuss zählt, jeder Kuss ist schützenswert. Anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie sind wieder schwule, lesbische und auch heterosexuelle Paare sowie deren Freunde und Bekannte eingeladen, an Orten, die als kein leichtes Pflaster für Homosexuelle bekannt sind, für mehr Toleranz zu werben - mit einem demonstrativen Kuss. Samstag, 17. Mai 2008, ab 15:00 Uhr Die Stationen des 2. MANEO-Kussmarathons werden Anfang Mai 2008 offiziell unter www.tag-gegen-homophobie.de bekannt gegeben. MANEO Charity-Dinner 2008 Sonntag, 18. Mai 2008 im Bangaluu-Dinnerclub. Am exklusiven MANEO CharityDinner werden der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit und weitere Prominenz aus Politik, Sport, Wirtschaft und Show teilnehmen. Eine Teilnahme ist nur mit gültiger Einladung möglich. MANEO Benefiz-Party 2008 Sonntag, 18. Mai 2008, ab 22:00 Uhr, im Bangaluu Club. Die MANEO Benefiz-Party im Souterrain des Bangaluu steht allen Interessierten offen. Tickets sind an der Abendkasse erhältlich. Sämtliche Erlöse aus dem Charity-Dinner und der Benefiz-Party kommen unmittelbar der Gewaltpräventionsarbeit von MANEO zugute. Schüler und Jugendliche im Alter von etwa 14 bis 25 Jahre sind aufgerufen, sich kreativ mit dem Thema „Homophobie, Männlichkeit und Gewalt“ auseinanderzusetzen und hierzu eigene Ideen zu entwickeln, umgesetzt z.B. in Kurzfilmen, Fotografien, Kurzgeschichten, Tanz- oder Musikvideos. Der Ideenwettbewerb versteht sich als Berlin-open, so dass auch Beiträge aus ganz Deutschland berücksichtigt werden. Eine unabhängige Jury sichtet alle Beiträge und benennt die PreisträgerInnen der vier Wettbewerbskategorien („Theater & Film“, „Musik & Tanz“, „Kurzgeschichten“, „Fotos“); der MANEO-Kreativpreis ist mit einem Preisgeld dotiert. Sonntag, 25. Mai 2008 Preisverleihung und Party im Berlin-Charlottenburger Haus der Jugend Ausführliche Informationen unter www.tag-gegen-homophobie.de 21. - 22. Juni 2008 16. LesBiSchwules Stadtfest Berlin 1993 ins Leben gerufen, ist das LesBiSchwule Stadtfest mittlerweile eines der größten Open-Air-Events im Veranstaltungskalender der Hauptstadt. Rund 200.000 Besucher jährlich feiern den Auftakt zur Berliner Pride Week, deren Höhepunkt die CSD-Parade am darauffolgenden Wochenende ist, mit einer bunten Mischung aus Entertainment und Information über die Gay Community. MANEO-Projektleiter Bastian Finke hatte das Fest seinerzeit als Antwort auf wiederholte homophobe Vorfälle rund um den Kiez am Nollendorfplatz initiiert. Die offensive Demonstration schwuler und lesbischer Selbstverständlichkeit zeigt bis heute Wirkung. MANEO wird Samstag, 21. Juni und Sonntag, 22. Juni ganztägig am Stand von Mann-O-Meter e.V. vertreten sein und über seine Arbeit informieren sowie für aktuelle Projekte werben. 28. Juni 2008 30. Christopher-Street-Day (CSD) Berlin Die Parade durch die Berliner Innenstadt erinnert an die Aufstände Homosexueller gegen homophobe Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street im Jahr 1969. MANEO wird am 28. Juni 2008 am Demonstrationszug teilnehmen und um Unterstützung seiner Arbeit werben. Weitere MANEO-Veranstaltungen und Aktionen in 2008 immer aktuell unter: www.maneo-toleranzkampagne.de 64 impuls - 2008 impuls - 2008 65 MANEO Homophobie und Religion Das Projekt Seit 1990 besteht das Berliner Anti-GewaltProjekt MANEO als eigenständiges Projekt von Mann-O-Meter e.V.. MANEO ist das erfahrenste und bekannteste schwule AntiGewalt-Projekt in Deutschland. Die Mitarbeiter beraten jährlich über 300 Betroffene von Gewalt, erfassen gegen Schwule gerichtete Gewalttaten und leisten gewaltpräventive Öffentlichkeitsarbeit. Das Angebot richtet sich an schwule und bisexuelle Jugendliche und Erwachsene in Berlin, unabhängig davon, ob sie sich gerade in Berlin aufhalten oder in Berlin wohnen. MANEO hat seit seiner Gründung zahlreiche bundesweit einzigartige Initiativen und Projekte ins Leben gerufen, wofür das Projekt bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Die Arbeit umfasst vier Kernbereiche, deren Synergieeffekte von hohem Wert für die Projektarbeit insgesamt sind. Opferhilfe MANEO hilft ... schwulen und bisexuellen Männern, die von Gewalt und schwulenfeindlicher Diskriminierung betroffen sind – egal ob als unmittelbar Betroffene, Tatzeugen oder Lebenspartner der Betroffenen. Betroffene fühlen sich häufig schutzlos und den Interessen anderer ausgeliefert, z.B. der Polizei, Justiz, Versicherungen oder Medien. MANEO nimmt die Ängste und Sorgen von Gewaltopfern und Zeugen ernst. MANEO berät und begleitet in schwierigen Situationen. MANEO unternimmt nichts, was der Betroffene nicht möchte. MANEO berät über Möglichkeiten einer Anzeigenerstattung, über das Strafverfahren, überlegt aber auch mögliche Alternativen dazu. MANEO vermittelt Kontakt zu erfahrenen Rechtsanwälten, zu Ärzten und weiterhelfenden Einrichtungen. MANEO begleitet zur Polizei und zu Gerichtsverhandlungen. Meldestelle MANEO erfasst ... gegen Schwule gerichtete Gewalttaten. Hierzu zählen Fälle von Körpergewalt, Raub und Erpressung ebenso wie sexuelle Übergriffe, Bedrohung, Beleidigung, Diskriminierung und Mobbing. Betroffene oder Zeugen können Vorfälle und Beobachtungen dem MANEOÜberfalltelefon (030 – 216 33 36) oder per EMail melden ([email protected]), auch anonym. Einmal im Jahr wertet MANEO alle bekannt gewordenen Vorfälle aus. Zu diesem Zweck werden sämtliche Informationen anonymisiert und anschließend in einem Bericht zusammengefasst, der öffentlich zugänglich gemacht wird. Die Dokumentation dient der Verdeutlichung der Dimensionen schwulenfeindlicher Gewalt und leistet einen Beitrag zur Erhellung des Dunkelfeldes. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen MANEO, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Gewaltschutzes zu veranlassen. Prävention MANEO klärt auf ... über antischwule Gewalt und ihre Folgen. MANEO weist auf Fälle von Diskriminierung und Gewalttaten hin und richtet sich damit gegen eine Bagatellisierung von Homophobie und schwulenfeindlicher Ge- walt. MANEO macht deutlich, dass es nach wie vor eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, emanzipatorische Aufklärungsarbeit zu leisten, ob in den Schulen oder in der allgemeinen Öffentlichkeit. Mit Vor-Ort-Aktionen in den schwulen Szenen wie auch mit Anti-Gewalt-Trainings an Bildungseinrichtungen und der Veröffentlichung von Informationsmaterialien, leistet MANEO gewaltpräventive Öffentlichkeitsund Aufklärungsarbeit, und steht durch die Zusammenarbeit mit dem Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Berliner Polizei in Kontakt mit den Ermittlungsbehörden. Engagement MANEO wird unterstützt ... von zahlreichen Helfern und eigens geschulten ehrenamtlichen Mitarbeitern, die wesentlich zum Erfolg der Projektarbeit beitragen. Darüber hinaus gelingt es MANEO immer wieder, bürgerschaftliches Engagement zu mobilisieren, um für die Verteidigung der Rechte von Homosexuellen einzustehen. Angesichts der unzureichenden Finanzierung durch den Berliner Senat ist MANEO beständig auf die Unterstützung durch Sponsoren und Spender angewiesen, ohne die viele der erfolgreichen Projekte kaum umsetzbar wären. Einmal jährlich lädt MANEO alle Unterstützern und Helfern zu einer großen Würdigungsfeier ein, um sich für deren Engagement zu bedanken. Besuchen Sie uns im Internet unter www.maneo.de. (red) Philosophie Professionalität und unbürokratische Hilfe Mit unserer Erfahrung und fachlichen Arbeit bieten wir Hilfe und Unterstützung an. Diese Hilfe erfolgt schnell und unbürokratisch. Jedes Anliegen nehmen wir ernst. Mit jedem, der sich an uns wendet, erarbeiten wir individuelle Lösungswege. Alle Informationen behandeln wir selbstverständlich vertraulich. Schwule für Schwule Bei uns muss niemand mit Vorwürfen oder Vorhaltungen rechnen. Unser Beratungsteam besteht aus erfahrenen schwulen und bisexuellen Männern. Es liegt uns am Herzen, Menschen nach einer Gewalttat oder Diskriminierung zu helfen, zu unterstützen und in ihrer sexuellen Selbstbestimmung zu stärken. 66 impuls - 2008 impuls - 2008 67 Homophobie und Religion 68 impuls - 2008