Die Bürokratie ist der größte Feind der Freiheit
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Die Bürokratie ist der größte Feind der Freiheit
© (14) Kornelia Danetzki politik Christian Lindner Kerstin Blaschke Flottenarzt Dr. Helfried Bieber Festakt zum 60-jährigen Bestehen des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte „Die Bürokratie ist der größte Feind der Freiheit“ Freiheit, Eigenverantwortung und Freiberuflichkeit – das waren die großen Begriffe, die den Festakt zum 60-jährigen Bestehen des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) prägten. Bei den rund 250 Gästen in Bonn rannte Festredner Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, mit seinen gleichermaßen launigen wie ernsthaften Einlassungen offene Türen ein. Lindner bekannte sich in seiner Rede deutlich zur Freiberuflichkeit im Gesundheitssystem. Zahlreiche Ehrengäste überbrachten Glückwünsche und Grußworte an den FVDZ. Dabei war der Blick eher nach vorn als auf die zurückliegenden 60 Jahre des Verbandes gerichtet. „Der Staat greift immer mehr ein: in die Freiberuflichkeit, in die Eigenständigkeit, in die Mündigkeit des Einzelnen“, hob Lindner in seiner Rede hervor. In Zeiten, in denen die individuellen Freiheitsspielräume immer größer würden, sei diese „Schablone des Geehrt für großes Engagement Viele Jahre haben sie sich verdient gemacht und für die Interessen der Zahnärzteschaft engagiert. Beim Festakt zum 60-jährigen Bestehen des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) hat die bisherige Bundesvorsitzende Kerstin Blaschke (2. v. l.) die langjährigen Mitglieder Dr. Rolf Schulz (LV Mecklenburg-Vorpommern, 1. v. l.), Dr. Marianne Biermeyer (LV Rheinland-Pfalz), Dr. Wilhelm Osing (LV Nordrhein, 5. v. l.) sowie Dr. ErnstJürgen Otterbach (LV Hessen, 4. v. l.) mit dem Goldenen Ehrenzeichen ausgezeichnet. Otterbach wurde zudem für seine engagierte Arbeit auf internationalem Parkett die Ehrenmitgliedschaft des Verbandes verliehen. Er vertritt den FVDZ in der European Regional Organisation of the Fédération Dentaire International (ERO of FDI) sowie in der Regionalorganisation des Weltzahnärzteverbands FDI. 14 DFZ 11 ∙ 2015 Wohlfahrtsstaates“, wie er es nannte, überflüssig. Sowohl Über die Hauptversammlung berichten: das Rentensystem als auch Melanie Fügner und Sabine Schmitt das Gesundheitssystem, das immer mehr am staatlichen Einfluss kranke, stamme aus einer anderen Zeit. Staatliche Bevormundung sei in einer hoch individualisierten Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß. Es gebe kein anderes westliches Land, in dem staatliche Verbote auch noch bejubelt würden. „Kämpfen Sie gegen dieses Misstrauensvotum der Regierung gegenüber seinem Souverän“, forderte Lindner die Festgesellschaft auf. Der Erfolg des deutschen Gesundheitssystems habe sich aus der freien Wahlmöglichkeit von Ärzten und Patienten ergeben. „Lassen Sie es nicht zu, dass dem Patienten die freie Wahl des Arztes und der Therapie genommen wird“, betonte der FDP-Bundesvorsitzende. „Wer dies zulässt und das Gesundheitssystem preisgibt, wird in einem anderen Gesundheitssystem aufwachen.“ Lindner kritisierte die neuen Gesetze der Bundesregierung mit „staatsmedizinischer Tendenz“ und die wachsende Bürokratie in Deutschland: „Im Jahr 2015 ist nicht der Polizeistaat die größte Bedrohung, sondern die Bürokratie ist die größte Gefahr der Freiheit.“ Dem FVDZ bescheinigte Lindner: „Sie sind berüchtigt für Ihre Wehrhaftigkeit.“ Das könne man nach 60 Jahren ruhig einmal so feststellen, und mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: „Für diese Form der staatlichen Bevormundung ist ziviler Ungehorsam angezeigt.“ Auch die bisherige FVDZ-Bundesvorsitzende Kerstin Blaschke hielt sich bei der 60-Jahr-Feier nicht lange mit Rückblicken auf, sondern visierte die Zukunft des Verbandes an. Sie identifizierte ebenso wie Festredner Lindner die staatliche Überregu- politik Dr. Daniel von Lennep Herbert Pfennig lierung in der Gesundheitspolitik als Bedrohung für die Zahnärzteschaft. „Wer damit einverstanden ist, verspielt die Freiberuflichkeit“, betonte sie. „Wir Zahnärzte müssen die Antworten liefern – und nicht der Staat.“ Sie wies darauf hin, dass Gesundheitspolitik längst nicht mehr nur eine nationalstaatliche Angelegenheit sei, sondern auch durch die europäische Politik beeinflusst werde. Als große Aufgabe für die Zahnärzteschaft in Deutschland sieht Blaschke die Demografie: „Wir haben eine Chance für eine neue Generation von Zahnärzten, für neue Formen von Freiberuflichkeit“, sagte Blaschke. „Dem strukturellen Wandel müssen wir uns stellen.“ Der Grußwortredner des Zahnärztlichen Interessenverbandes Österreichs (ZIV), MR Dr. Thomas Horejs, Generalsekretär des ZIV, stellte ebenfalls die europäischen Herausforderungen in den Mittelpunkt seiner Rede. In lustiger Manier, aber mit durchaus ernstem Hintergrund, betrachtete er die Einflussnahme aus Brüssel auf die nationale Gesundheitspolitik. Er lobte die Zusammenarbeit und den engen Kontakt mit dem FVDZ auf europäischer Ebene, um mehr Schlagkraft gegen immer neue Richtlinien und Verordnungen zu erlangen. Horejs betonte: „Die Vernetzung der MR Dr. Thomas Horejs Zahnärzteschaft ist wichtig und erfolgversprechend.“ Die Vernetzung und der Kontakt zum FVDZ seien auch für die Zahnärzte der Bundeswehr wichtig, betonte Flottenarzt Dr. Helfried Bieder in seiner Ansprache. Zum einen nehme auch dort der Frauenanteil zu, zum anderen, und dies betonte er: „Auch Zahnärzte in Uniform sind freiberuflich tätig. Auf die große Aufgabe, die mit der neuen Generation von Zahnärzten auf den Berufsstand zukommt, hob der Sprecher des Vorstands der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, Herbert Pfennig, in seinem Grußwort ab. Die jungen Kollegen hätten Vorbehalte bei der Existenzgründung, dies hätten Studien gezeigt. „Der FVDZ hat hier einen richtigen Weg eingeschlagen“, betonte Pfennig. „Die Stärkung der Einzelund Gemeinschaftspraxen ist unser gemeinsames Ziel.“ Auch Dr. Daniel von Lennep, Vorstandsvorsitzender und Zahnärztlicher Vorstand der Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft (ZA) lobte die enge Zusammenarbeit mit dem FVDZ und hob die gemeinsamen Ziele von Verband und ZA hervor: „Beide tun alles dafür, dass die Zahnarztpraxis wirtschaftlich gut aufgestellt ist und profitabel bleibt“, sagte von Lennep. „Wir werden den intensiven Rat und die politische Unterstützung des FVDZ brauchen.“ 11 ∙ 2015 DFZ 15 politik Hauptversammlung in Bonn wählt FVDZ-Spitze Harald Schrader ist neuer Bundesvorsitzender Eine Hauptversammlung (HV) des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) birgt immer viel Zündstoff für fachliche und persönliche Auseinandersetzungen. Bei der diesjährigen HV in Bonn kam auch wieder eine äußerst spannende Vorstandswahl dazu. Für das Amt des Bundesvorsitzenden bewarben sich gleich drei Kandidaten. Die Mehrheit der Delegierten hat für Harald Schrader gestimmt. Der ehemalige Versammlungsleiter arbeitet nun mit einem ebenfalls neu gewählten Vorstandsteam, in dem unterschiedliche Lager vertreten sind. Die diesjährige HV Mitte Oktober war deshalb so spannend, weil die 155 Delegierten erst eineinhalb Tage konstruktiv über Politik und Fachthemen diskutierten, bevor sie an die Wahlurnen traten. Bis dahin war nur sehr schwer auszumachen, welcher Kandidat für das Amt des Bundesvorsitzes das Rennen machen würde. Zur Wahl standen neben Harald Schrader die damalige Bundesvorsitzende Kerstin Blaschke und ihr Stellvertreter Michael Betz. An die Spitze des FVDZ gewählt wurde schließlich Harald Schrader. Der Zahnarzt aus Schwarzenbek FVDZ-Resolution an die Bundesregierung Die Hauptversammlung des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) spricht sich für eine flächendeckende, wohnortnahe ambulante zahnärztliche Versorgung durch unabhängige und freiberuflich tätige Zahnärzte aus. Bei der ambulanten zahnärztlichen Versorgung sind folgende Punkte unabdingbar: ▶▶ Die freiberuflichen Praxen müssen unabhängig und frei in ihrer Praxisführung sein. Sie dürfen keinem verzerrten Wettbewerb mit stationären Einrichtungen oder kommunal getragenen Versorgungszentren ausgesetzt werden. ▶▶ Eine Patientensteuerung lehnt der FVDZ in jeder Form ab. Durch Terminvergabestellen, Selektivverträge und Versorgungszentren dürfen den ambulanten Praxen weder Patienten noch finanzielle Mittel entzogen werden. Die freie Arztwahl darf nicht ausgehebelt werden. ▶▶ Die freiberuflichen Praxen sind für ihre Praxisführung selbst verantwortlich und gewährleisten bereits jetzt einen hohen Standard an Patientenschutz. Maßstäbe, die bei stationären Einrichtungen, Kliniken und großen Versorgungszentren angewendet werden, sind im zahnärztlichen Bereich weder umsetzbar noch im Interesse des Patientenschutzes sinnvoll. ▶▶ Der freiberuflich tätige Zahnarzt muss wirtschaftlich unabhängig tätig sein. Pauschale Honorarkürzungen, wie sie beispielsweise bei der Fortbildungspflicht oder im E-Health Gesetz formuliert sind, widersprechen einer eigenverantwortlichen, unternehmerischen und freiberuflichen Praxisführung. Der FVDZ fordert den Gesetzgeber auf, die Gesetze, Richtlinien und Verordnungen entsprechend zu ändern. Er ist zur fachlichen und sachlichen Zusammenarbeit bereit. 16 DFZ 11 ∙ 2015 (Schleswig-Holstein) erhielt im zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Er übernimmt damit das Amt von Blaschke, die den Verband in der vergangenen Amtsperiode führte. Im ersten Wahlgang erhielt Schrader zwar die meisten Stimmen, erreichte aber nicht die erforderliche absolute Mehrheit. Blaschke gab daraufhin bekannt, nicht erneut zur Wahl anzutreten, und empfahl den Delegierten, die Wahl ihres bisherigen Stellvertreters und Herausforderers Betz. Harald Schrader setzte sich dann im mit Spannung erwarteten zweiten Wahlgang mit 80 zu 71 Stimmen gegen Betz durch. Gemeinsam mit den neu gewählten Stellvertretern Peter Bührens aus Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) und Gudrun Kaps-Richter aus Heilbronn (Baden-Württemberg) wird der 59-jährige Bundesvorsitzende Schrader den Verband in den nächsten zwei Jahren leiten. Meinungspluralität im Bundesvorstand Weiterhin in den Bundesvorstand gewählt wurden Bertram Steiner (Berlin), Christian Öttl (München, Bayern), Hubertus van Rijt (Bielefeld, Westfalen-Lippe), Dirk Ruffing (Bexbach, Saarland), Eckhard Jung (Bad Fallingbostel, Niedersachsen), Reiner Zajitschek (Döhlau, Bayern), Thomas Wolf (Mainz, Rheinland-Pfalz) und Matthias Tamm (Dessau, Sachsen-Anhalt). Mit Öttl, Ruffing, van Rijt und Wolf sitzen auch vier ehemalige Bundesvorstandsmitglieder im neuen Team. Schrader betonte vor der Wahl, dass er die unterschiedlichen Kräfte und Kompetenzen im Verband bündeln möchte. „Was unseren Verband auszeichnet, ist die Meinungsvielfalt seiner Mitglieder“, sagte er. Nur im kritischen Konsens ließen sich Lösungsmöglichkeiten erreichen. Deshalb brauche es einen Bundesvorstand, der die Meinungspluralität abbilde. „Mein Ziel ist es, diesen Verband wieder zur Geschlossenheit zu führen“, kündigte Schrader an. politik Zusammenarbeit mit den Körperschaften Was die politische Ausrichtung und die Ziele des FVDZ angeht, steht für Schrader die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage der freiberuflich-selbstständigen Zahnärzte im Fokus. Damit zusammen hängt seiner Meinung nach die flächendeckende wohnortnahe zahnärztliche Versorgung. Im Mittelpunkt stehen soll auch die Zusammenarbeit des neuen Bundesvorstandes mit den Körperschaften, um dem Honorarverfall und bürokratischer Regulierungswut schlagkräftig zu begegnen. „Die Geschlossenheit der Hauptversammlung ist für mich ein Signal für eine erfolgreiche politische Arbeit in den kommenden zwei Jahren“, sagte Schrader nach der Wahl. „Die gefassten Beschlüsse sind unser Gesprächsangebot an die aktuelle und die zukünftige Bundesregierung.“ Neue Versammlungsleitung Neben der Bundesvorstandswahl musste auch die HV-Versammlungsleitung neu formiert werden. Nachdem Schrader Verbandschef wurde, wählten die Delegierten Dr. Konrad Koch zum Versammlungsleiter. Er war zuvor Schraders Vize. Kochs Stellvertreter wurden Dr. Marius Radtke und Dr. Thomas Rainer Schlachta. Von der FVDZ-Hauptversammlung für zwei Jahre gewählt: der neue Bundesvorstand mit Harald Schrader, Dirk Rene Ruffing, Dr. Gudrun Kaps-Richter, Dr. Peter Bührens, Matthias Tamm (vorne von links nach rechts), Dr. Thomas Wolf, Hubertus van Rijt, Dr. Eckhard Jung (zweite Reihe von links nach rechts), Dr. Christian Öttl, Bertram Steiner, Dr. Reiner Zajitschek (hinten von links nach rechts). Drei Fragen an den Bundesvorsitzenden Wie geht’s weiter? DFZ: Herr Schrader, herzlichen Glückwunsch zur Wahl des FVDZBundesvorsitzenden! Konnten Sie die Hauptversammlung inzwischen mal in Ruhe Revue passieren lassen? Schrader: Natürlich ist diese Hauptversammlung eine große Herausforderung gewesen. Aber wir haben neben der spannenden Wahl sehr gute Beschlüsse gefasst, die den neuen Bundesvorstand bei der Hauptaufgabe, der Stärkung der freiberuflich Selbstständigen mit all ihren Angestellten, sehr gut unterstützen können. Ich nenne hier nur unsere einstimmig gefasste Resolution und die Kernpunkte der freiberuflichen Praxisführung. Die HV hat mir den Auftrag mitgegeben, die vorhandenen starken Kompetenzen im Verband wieder zusammenzuführen – zum Wohl der Zahnärzteschaft. Dieser Aufgabe werde ich mich mit meinem Vorstand stellen. DFZ: Mit welchen politischen Kernthemen werden Sie sich zusammen mit Ihrem Bundesvorstand als erstes beschäftigen? Schrader: Die Hauptaufgabe besteht darin, die Wettbewerbsverzerrungen, die die Berufsausübung in den freien niedergelassenen Praxen betreffen, zu beseitigen. Ob überbordende Bürokratie, wie vom Normenkontrollrat der Bundesregierung festgestellt, oder Restriktionen bei der Leistungserbringung durch überzogene Qualitätsanforderungen, hier gibt es weite Handlungsfelder, die dieser Bundesvorstand unverzüglich in Angriff nehmen wird. DFZ: Welche Veränderungen sind unter Ihrer Leitung im Verband vorgesehen? Schrader: Die wichtigste Veränderung wird die Wahrnehmung von Vorstand und Verband als geschlossene Mannschaft sein. Es gibt im Verband keine Regierung und Opposition, sondern nur den Meinungsstreit über den richtigen Weg zum Erreichen Vita von Harald Schrader Seit drei Jahrzehnten standespolitisch aktiv Harald Schrader ist seit 30 Jahren als Zahnarzt in einer Gemeinschaftspraxis in Schwarzenbek in Schleswig-Holstein niedergelassen. Standespolitisch ist er fast ebenso lange auf Landesebene aktiv: als Bezirksgruppenvorsitzender und Mitglied des FVDZ-Landesvorstandes, als Delegierter der Kammerversammlung und der Delegiertenversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) sowie in verschiedenen Funktionen der zahnärztlichen Selbstverwaltung. Schrader wurde schon als Student Mitglied im FVDZ, ist seit 15 Jahren Versammlungsleiter der FVDZ-Landesversammlung in Schleswig-Holstein und in den vergangenen zehn Jahren Versammlungsleiter der FVDZ-Hauptversammlung, dem höchsten Entscheidungsgremium des größten deutschen Zahnärzteverbandes. der Ziele. Auf diesem Weg müssen alle mitgenommen werden. Wie ich schon auf der HV sagte, gilt der Wappenspruch der Hansestadt Lübeck auch für unseren Verband: Eintracht nährt, Zwietracht zehrt. Ein ausführliches Interview lesen Sie in einer der nächsten DFZAusgaben. 11 ∙ 2015 DFZ 17 politik Politische Diskussionen und Beschlüsse Der FVDZ will auch angestellte Zahnärzte vertreten Zwischen Festakt und Wahl haben die Delegierten der Hauptversammlung (HV) wie immer ausgiebig über aktuelle standespolitische Themen diskutiert und diverse Beschlüsse gefasst. Im Mittelpunkt stand traditionsgemäß die freie Berufsausübung. Zum ersten Mal herrschte große Einigkeit darin, dass der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) die Interessen der angestellten Zahnärzte genauso vertreten soll wie die der niedergelassenen Kollegen. Auch bei anderen Themen zeigte sich die HV geschlossen. An die Adresse der Bundesregierung gerichtet, verabschiedeten die Delegierten mit großer Mehrheit eine Resolution zur Stärkung der freiberuflichen Versorgung. Darin wird aufgelistet, was für eine ambulante zahnärztliche Versorgung unverzichtbar ist. Ganz wichtig: die Unabhängigkeit der Zahnärzte in ihrer Praxisführung. Kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) erteilt der Verband eine klare Absage. Auch eine Patientensteuerung lehnt der FVDZ in jeder Form ab. Durch Terminvergabestellen, Selektivverträge und MVZ dürften den ambulanten Praxen weder Patienten noch finanzielle Mittel entzogen werden. Die freie Arztwahl dürfe nicht ausgehebelt werden, heißt es in der Resolution. Der FVDZ setzt nach wie vor auf die eigenverantwortliche Praxisführung und einen hohen Patientenschutz, der in deutschen Zahnarztpraxen Standard ist. Maßnahmen, die in statio nären Einrichtungen, Kliniken und großen Versorgungszentren angewendet werden, sind in den Augen der Standespolitiker im zahnärztlichen Bereich weder umsetzbar noch im Interesse des Patientenschutzes sinnvoll. In einem weiteren Beschluss hat die HV Kernpunkte der freiberuflichen zahnärztlichen Praxisführung definiert. Diese Kernpunkte reichen von der Vertragssouveränität zwischen Zahnarzt und Patient über Datenschutz und Therapiefreiheit bis hin zur Kollegialität und dem Umgang mit Mitarbeitern. 18 DFZ 11 ∙ 2015 Neue Einigkeit in der Definition Obwohl sich der FVDZ schon immer für die freie Berufsausübung stark gemacht hat, gab es in Bonn eine neue Einigkeit darin, wo Freiberuflichkeit beginnt und wessen Interessen der Verband in Zukunft vertritt. Bereits vor einem Jahr hatte die HV darüber diskutiert, ob der bundesweit größte Interessenverband für Zahnärzte nicht nur die niedergelassenen, sondern auch die angestellten Kollegen vertreten soll. Damals war dieses liberale Ansinnen noch umstritten. Anders in diesem Herbst: Die Delegierten aller Landesverbände waren sich überwiegend einig, dass angestellte Zahnärzte genauso freiberuflich tätig sind wie niedergelassene. Freiberuflichkeit definiere sich an der Therapiefreiheit und Weisungsungebundenheit und nicht an der Niederlassung. Diese Überzeugung wurde in vielen Redebeiträgen deutlich. Der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer (LV Nordrhein) wies in diesem Zusammenhang vor allem auf die nächste Generation hin: „Es wächst eine Zahnärztegeneration heran, die sich nicht sofort niederlassen will. Was junge Zahnärzte wollen, ist ein Arbeitsplatz in einer gut funktionierenden hochqualitativ arbeitenden Zahnarztpraxis.“ Und der Delegierte Dr. Thomas Rainer Schlachta (LV Baden-Württemberg) sagte in Richtung Verbandsspitze: „Holen Sie die Angestellten mit ins Boot. Wir müssen die Kollegen abholen und unterstützen.“ In dasselbe Horn blies Dr. Michael Sereny (LV Niedersachsen), in- politik dem er die Kollegenschaft aufforderte, sie solle den Anspruch nicht aufgeben, alle Zahnärzte in Deutschland zu vertreten. Gegen Sanktionen im E-Health-Gesetz Als großer Diskussionspunkt der HV erwies sich das Thema Datenschutz und damit verbunden das von der Bundesregierung geplante E-Health-Gesetz. Fast einhellig sprachen sich die Delegierten gegen die im E-Health-Gesetz vorgesehene Verpflichtung zur Nutzung der Telematikinfrastruktur aus und forderten in einem Beschluss, die im Gesetz verankerten Sanktionsmechanismen zu streichen. Den allgemeinen Tenor brachte Dr. Christian Öttl (LV Bayern) auf den Punkt: „Wir sollen für den Erfolg eines Gerätes garantieren, auf dessen Erfolg wir keinen Einfluss haben.“ Darüber hinaus entbrannte im Plenum eine Diskussion zur Nutzung von Patientendaten. Wer eine generelle Datennutzung und -weitergabe ablehne, manövriere sich damit aufs Abstellgleis, weil die Argumentation nicht mehr zeitgemäß sei. „Wir leben in einer digitalisierten Welt – und natürlich haben wir Sorge, wo die Daten landen“, sagte beispielsweise Dr. Gordan Sistig (LV Westfalen-Lippe). „Der Zug ist abgefahren, wir diskutieren hier über Dinge, die schon lange auf einem anderen Gleis stattfinden.“ Wenn die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen selbst Daten erheben und auswerten könnten, dann stünden eigene Berichte zur Verfügung und der Vorsprung der Kassen, die mit verschiedenen Reports immer wieder für Schlagzeilen sorgen könnten, wäre aufgehoben und die Zusammenarbeit könnte kooperativer werden. „Man muss sich damit beschäftigen, wer die Daten sammelt und nutzt, dass es geschieht, ist unzweifelhaft: Seit Januar liefern die KZVen Klardaten an die Kassen“, betonte Martin Hendges (LV Nordrhein). Zwar gab es keine Abstimmung zum Datenschutz bei der HV, allerdings war eine Aufweichung der harten Front zur Ablehnung der elektronischen Gesundheitskarte deutlich spürbar. „Gegen etwas zu sein, ist das eine“, sagte Bertram Steiner (LV Berlin). „Die Realität anzuerkennen, das andere.“ Distanzierung von Korruption Fast geschlossen lehnten die Delegierten der HV auch Teile der geplanten Erweiterungen des Antikorruptionsgesetzes ab. Diese Erweiterungen führten dazu, dass die Ärzte- und Zahnärzteschaft zukünftig unter einen Generalverdacht der Korruption gestellt würden. Seit Jahren sei das Thema Korruption und Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen in Politik und Gesellschaft präsent. Die anhaltende Diskussion schädige die Reputation und Integrität der Ärzte- und Zahnärzteschaft, heißt es in der Begründung des Beschlusses, der vom Bundesvorstand im Einvernehmen mit dem Erweiterten Bundesvorstand in die HV eingebracht worden war. Die Beteiligung der Staatsanwaltschaften am Erfahrungsaustausch der „Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ der K(Z)Ven und der Kassen führe zu einer weiteren Intensivierung des Generalverdachts gegen die Heilberufe. Der FVDZ distanzierte sich mit seinem Beschluss von jeglicher Form der Korruption und Wirtschaftskriminalität. Bei den Delegierten fand der Antrag aus BV und EV eine breite Mehrheit. Erhöhung des GOZ-Punktwertes gefordert Mehr Diskussionsbedarf bestand dafür bei den eingebrachten Anträgen zur Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Während die große Mehrheit der HV-Delegierten sich schnell dem Antrag für eine längst überfällige Erhöhung des Punktwertes in der GOZ auf elf Cent anschloss, sorgten weitere Anträge aus den Reihen der Delegierten für Gesprächsbedarf. „Die GOZ 2012 war eine fachliche Notoperation“, betonte Dr. K.Ulrich Rubehn (LV Schleswig-Holstein). Seiner Meinung nach müsse in Sachen GOZ auch mal ein bisschen ziviler Ungehorsam geleistet werden. „Das sind wir der Kollegenschaft schuldig“, sagte Rubehn. Dem Antrag jedoch, die Begründungspflicht für einen höheren Steigerungsfaktor bei allen Privatbehandlungen grundsätzlich zu streichen, folgten die Delegierten nicht. Drs. (NL) Hub. van Rijt (LV Westfalen-Lippe) empfahl, für die bevorstehende weitere Evaluierung der GOZ, die von der Bundesregierung für 2017 anvisiert ist, genauere Daten und Fakten zu sammeln, um „Belege zu sammeln, dass wir eine Punktwerterhöhung brauchen.“ Sicherheit bei Versorgung von Flüchtlingen Für einigen Zündstoff sorgte bei den Delegierten auch das Flüchtlingsthema. Deshalb forderte die HV die Bundesregierung und die Verantwortlichen in den Ländern auf, schnellstens für Sicherheit und Transparenz bei der zahnärztlichen Versorgung von Asylbewerbern, Migranten und Flüchtlingen zu sorgen. Die derzeitige Situation sei unübersichtlich und biete für die Zahnärzte keine Rechtssicherheit in der Behandlung. Die Delegierten forderten einen verbindlich definierten Leistungsumfang bei der Behandlung, eine gesicherte Finanzierung sowie eine klare Regelung zum Umgang mit Sprachbarrieren. „Zahnärzte engagieren sich vielfältig ehrenamtlich – auch in der Versorgung Hilfsbedürftiger“, heißt es in dem Gemeinschaftsantrag einiger Landesverbände. „Die Übernahme staatlicher Aufgaben kann nur mit gesicherten Rahmenbedingungen erfolgen.“ Im Vorfeld der HV hatte der bisherige FVDZBundesvorstand bereits die Finanzierung eine DolmetscherHotline für arabischsprachige Flüchtlinge angekündigt, um die Situation in den Zahnarztpraxen hinsichtlich der Sprachbarrie re zu entlasten. Diese Hotline soll im November starten. Weitere Beschlüsse der Hauptversammlung Kooperation: Die HV fordert den Bundesvorstand auf, die Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedern in den Organen der Selbstverwaltungen zu intensivieren. Mit den Organen der Körperschaften soll im kritisch konstruktiven Dialog zusammengearbeitet werden. Praxisbegehungen: Die HV fordert die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern auf, Praxisbegehungen nicht pauschal durchzuführen, sondern ausschließlich anlassbezogen. Studienplatzvergabe: Die HV fordert die Politik auf, das aktuelle Verfahren zur Vergabe von Zahnmedizin–Studienplätzen umgehend zu reformieren. Der FVDZ fordert eine Modifikation der Auswahlverfahren ohne Schwerpunkte auf Abiturbestenquote oder mit der Abiturnote korrelierender Studierfähigkeitstests. Prämienmodell: Die HV fordert den Bundesvorstand dazu auf, das „Prämienmodell Zahnmedizin“ weiter zu entwickeln und es in die gesundheitspolitische Debatte einzubringen. Alle weiteren Beschlüsse der FVDZ-Hauptversammlung in Bonn sind unter www.fvdz.de zu finden. 11 ∙ 2015 DFZ 19