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EIN SMARTPHONE
in einer zierlichen Hand. Auf dem Display eine Nachricht
von einer "Caro": “Geht's oder soll ich Dich rausholen?”
EVA (O.S.)
Nervtötend, diese Dinger - alle fünf
Minuten piepst es. Sorry.
Wir sehen nun, dass die Hand EVA, 31, gehört. Sie ist blond,
schlank, hübsch, recht klein. Trägt eine schwarze Bluse und
Jeans, immer top gekleidet. Hat eine freche, schnelle Art.
Sie sitzt an einem kleinen Tisch in einem:
INNEN - CAFE - TAG
Auf dem Tisch zwei Espresso und ihr gegenüber CARSTEN, 35,
Hemd, Stoffhose, etwas zu geschniegelt. Er deutet auf das
Display seines Smartphones:
CARSTEN
Deshalb bin ich Flugzeug.
Eva lächelt, tippt auf ihrem Smartphone eine Antwort: “Nein,
brauchst nicht, läuft gut. :-) LG Eva”
Gute Idee.
EVA
Sie stellt den Ton des Smartphones aus, lässt die TelefonFunktion jedoch an. Steckt es dann in ihre Handtasche.
CARSTEN
Wo war ich? Ach ja, genau: Ich
hatte also diese Frau mit ihrer
Mutter verwechselt -EVA
Hey, kann passieren!
EVA
Sollte es nicht, aber --
CARSTEN
Aber sollte es nicht, ja.
Eva greift zu ihrer Tasse, nippt daran...
CARSTEN
Und ich bin schon am Bahnhof - als
ich merke, dass ich meinen Rucksack
bei ihr vergessen hab.
... und verschluckt sich fast, prustet. Sie stellt die Tasse
ab, berührt kurz Carstens Hand, die auf dem Tisch liegt.
EVA
Oh, Gott, Du Ärmster!
CARSTEN
Ich meine, es war kein teurer Rucksack,
aber es hingen echt Erinnerungen dran.
2.
EVA
Klar, wenn's meine Tasche wäre -CARSTEN
Ich hatte ihn seit meiner Kindheit,
er hat mich nach Japan begleitet so einen guten, alten Kumpel lässt
man doch nicht einfach zurück!
EVA
Du bist extra für ihn noch einmal zu
ihr gegangen? Du Held!
CARSTEN
Ich kam mir nicht wie ein Held vor,
soviel steht fest. Ich hab bei ihr
geklingelt, sie macht mir auf - und
ich seh den Rucksack sofort. In der
Küche. Im Bio-Müll. Hab ihn unter
Gezeter und Geschrei da rausgezogen.
Eva blickt Carsten ungläubig an, der greift unter den Tisch
und zieht einen alten, flecklig-gammeligen Rucksack hervor.
EVA
Du hast ihn trotzdem behalten?
nenne ich Treue!
Das
CARSTEN
Hey, nur weil er ein paar Macken hat
und etwas riecht -Er reicht Eva den Rucksack, die schnuppert, rümpft die Nase.
CARSTEN
Okay, zugegeben: Er stinkt widerlich.
Carsten nimmt den Rucksack wieder an sich, legt ihn zurück.
CARSTEN
Das war mein peinlichstes Date bisher.
EVA
Hast Du noch was von ihr gehört?
CARSTEN
Oh, ja, sie hat mir 'ne nette Mail
geschrieben. Ich hab sie gelöscht nachdem ich sie drei Mal gelesen und
mein Kopf mehrfach Bekanntschaft mit
der Schreibtischplatte gemacht hatte.
Eva nippt erneut an ihrem Kaffee, vorsichtig, sie mustert
Carsten dabei einen Tick zu intensiv, zu forschend.
EVA
Sitzt Du auch so viel am Rechner?
CARSTEN
Im weitesten Sinne...
3.
Eva schaut ihn neugierig-fragend an.
Er zögert kurz, dann:
CARSTEN
Naja, ich, uhm, ich arbeite für's
Fernsehen. Will nicht angeben...
Und plötzlich ändert sich Evas Ton und Blick, sie wirkt kühl.
Wow.
Cool.
EVA
Kenn ich die Sendung?
CARSTEN
Ach, ich mach verschiedene - hinter
den Kulissen. Strippenzieher.
Eva stellt die Tasse klimpernd ab, wobei sie "aus Versehen"
umkippt. Der Kaffee ergießt sich über den Tisch und tropft
auf den Rucksack. Eva springt auf, nimmt ihre Handtasche...
EVA
Oh, Mann, so ein Mist! Warte, ich
hol schnell was zum Aufwischen.
Sie eilt in Richtung WC, Carsten hebt seinen Rucksack auf,
wischt über ihn. Wir folgen Eva, die um eine Ecke geht...
und am WC vorbei auf den Ausgang zusteuert. Sie verlässt
das Café, ohne sich noch einmal umzublicken.
INNEN - EVAS HAUS - TREPPENHAUS - TAG
Eva geht eine Treppe hinauf, kommt an STEFFEN, 28, vorbei,
der einen Kapuzenpulli trägt, mit übergezogener Kapuze am
Fenster steht und rausblickt.
Eva mustert ihn argwöhnisch, murmelt etwas, aber er zeigt
keine Reaktion. Sie schiebt sich an ihm vorbei.
INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT
Ein modern, aber gemütlich eingerichteter Raum, recht viel
Technik. Durch das Fenster sehen wir die Lichter der Stadt.
Eva sitzt auf einem Sofa, in der Hand ein Glas Weißwein, vor
ihr auf dem Couchtisch steht ein Laptop. Auf dem Bildschirm
läuft ein Videochat-Programm, in dem wir CARO, 33, sehen.
Sie hat etwas zuviel auf den Hüften, wäre aber attraktiv wenn sie nicht gerade Leggins und ein ausgewaschenes Shirt
tragen würde. Sie lacht amüsiert.
CARO
Das ist typisch Du, einfach abhauen!
EVA
Du hast Recht; eigentlich hätte ich
ihm erst eine scheuern sollen. Wenn
er schon bei seinem Beruf nicht die
Wahrheit sagt... “Ich arbeite für's
Fernsehen.” Ja, Du machst Catering!
(MEHR)
4.
EVA (WEITER)
Mann-oh-Mann! Als wäre das ein Job,
für den man sich schämen muss.
Wir sehen Caro aufstehen, den Laptop vor sich hertragen, in
einen anderen Raum gehen...
CARO
So findest Du nie jemanden, Eva, Du
musst -- Sekunde mal eben!
... und sich auf eine Toilette setzen.
EVA
Besser keinen als 'nen Lügner...
Eva greift zum Weinglas, prostet dem Laptop zu und trinkt bis es zu plätschern beginnt. Sie blickt den Weißwein an,
stellt das Glas beiseite. Caro reißt Toilettenpapier ab.
CARO
Wo war ich? Achja, Kopf hoch, Süße,
man kann auch ohne Mann leben!
EVA
Sag ich mir auch seit sechs Jahren,
nur meine Hormone glauben's nicht.
Eine Katze hüpft Eva auf den Schoß, sie streichelt sie.
Caro steht auf und betätigt die Spülung.
CARO
Och, wer ist denn das? Hast Du auf
einmal Zeit für ein Haustier?
EVA
Sie saß vorgestern auf meinem Balkon
und wollte unbedingt rein.
(zur Katze)
Ich nehm mir die Zeit für Dich, hmm?
Kann Dich doch nicht alleine lassen.
Wir suchen morgen mal dein Frauchen!
Caro verlässt das WC ohne Händewaschen, geht zurück.
Evas Smartphone auf dem Couchtisch vibriert lautstark, sie
holt es sich, guckt auf's Display: Carsten. Eva schneidet
eine Grimasse, zögert, öffnet die Nachricht dann aber doch:
"Warum bist du einfach weg? :-(".
CARO
Oh, ich war übrigens in dem neuen
Buchladen bei mir um die Ecke.
Hübsch gemacht und oben drin gibt es
ein Café. Nicht, dass ich Papier
lesen würde, aber für 'nen Latte
werd ich mal hingehen!
Eva nickt knapp und tippt auf "Löschen". Eine Nachricht von
einem Kevin erscheint: "PM ready? reply, ASAPST!!!"
5.
CARO
Aber es wird noch besser! Ich hab
mir aus Langeweile ein paar Bücher
angeguckt und einem echt süßen Kerl
eins vor der Nase weggeschnappt. Er
will sich morgen mit mir treffen!
EVA
Schön, dass es wenigstens bei einem
von uns gut läuft...
Nicht wahr?!
CARO
INNEN - EVAS WOHNUNG - SCHLAFZIMMER - NACHT
Eva wälzt sich im Bett hin und her, kann nicht schlafen.
Sie schaltet eine Nachttischlampe an, guckt auf ihr Handy,
das auf dem Nachttisch liegt: 3:27 Uhr.
Ächzend schaltet Eva die Lampe wieder aus, doch im Schein
des Handys sehen wir, wie sie zu einem riesigen Stoffbären
neben sich greift und sich an ihn kuschelt.
INNEN - BUS - MORGEN [FAHREND]
Eva im Bus auf dem Weg zur Arbeit. Ein JUNGER MANN lächelt
sie an... doch sie bekommt nichts davon mit. Wie fast alle
anderen auch hat sie Knöpfe in den Ohren, hört Musik, spielt
gleichzeitig mit ihrem Smartphone herum.
Er tippt ihr auf die Schulter, woraufhin Eva aufsteht, und
ihm ihren Platz überlässt. Weiter nur Augen für ihr Phone.
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Wir sehen eine Website, "Connect", die an Facebook erinnert.
Drei Profile junger Männer tauchen nacheinander auf. Leise:
EVA (O.S.)
Eintausendzweihundert Freunde? Na,
wählerisch bist Du ja nicht gerade.
"Frauen sind zum Kochen da?" ...und
dein Profil zum Wegklicken!
Ein Profil ist übrig: Auf dem Foto strahlt uns SASCHA, 35,
gutaussehend, gebräunt, an. Im Hintergrund eine Stadt in
Südamerika, die Kenner als Buenos Aires identifizieren.
EVA (O.S.)
Hallo, Sascha!
Wir sehen nun Eva, die in einem mittelgroßen, sehr offenen
Büro vor ihrem Computer hockt. Ein paar KOLLEGEN sitzen an
weiteren Schreibtischen, die meisten tragen Headsets, alle
starren wie Zombies auf ihre Bildschirme. Das Summen der
Lüfter erfüllt den Raum.
Eva blickt sich kurz um, als wolle sie sicher gehen, dass sie
niemand beobachtet.
6.
Dann öffnet sie mit ein paar Klicks ein an MS-DOS-Zeiten
erinnerndes Fenster und gibt etwas ein.
Sie wechselt zurück zur Website - und scheint plötzlich
mehr Funktionen zu haben als der typische User: Sie kann
alle Fotos sehen und sogar private Nachrichten lesen...
EVA
Single, sehr schön - und komische
Freunde hast Du auch nicht. Wohnst
bloß ein bisschen weit weg, huh?
Ein Chat-Fenster poppt auf dem Bildschirm auf: “Brauche die
Zahlen von letzter Woche. Bis um 11!”
Eva guckt sich um und wir erkennen mehrfach den "Connect"Schriftzug im Büro. Ihr Arbeitgeber. Dann fällt ihr Blick
auf eine Kollegin am Schreibtisch direkt gegenüber, die sie
fragend anschaut.
Eva tippt ein: “Bin dabei.” Die Antwort ist ein “:-)”. Sie
guckt zur Kollegin - die den Blick ausdruckslos erwidert, von
einem Lächeln keine Spur.
Eva wechselt zu einer Nachrichten-Website, klickt darauf rum,
schlüpft nebenbei aus ihren Schuhen. Wechselt zu ihrem MailProgramm, überfliegt etwas. Wieder zurück zum Browser.
KEVIN (O.S.)
Da ist Ihr Platz, Login schicken die
Nerds. Telefon läuft auch über's Netz,
also no surprise, wenn's mal abfuckt.
Eva klickt schnell das Fenster zu und eine Liste mit Zahlen
erscheint auf dem Bildschirm. Sie dreht sich zur Seite:
KEVIN, 22, schlacksig, zurückgegeltes Haar, im Anzug, führt
NILS, 34, attraktiv, dunkle Hose, legeres Hemd, gewinnendes
Lächeln, etwas zu perfekt, zum Schreibtisch neben Eva.
KEVIN
Nils, darf ich vorstellen: Eva,
unsere PR-Managerin. Eva: Nils.
Seine Speciality ist Creativity.
NILS
Eva - schön, Sie zu treffen!
Nils geht auf Eva zu, strahlt sie an, streckt ihr die Hand
hin. Eva steht lächelnd auf, reicht ihm ihre.
EVA
Sag noch einmal Sie zu mir und es
bleibt unser einziges!
KEVIN
Haha, da verstehen sich zwei! Das
war ein Scherz, Nils! Oder, Eva?!
7.
NILS
Natürlich; eine Frau mit nackten
Füßen würde ich nie ernst nehmen.
Eva folgt seinem Blick nach unten, zu ihren nackten Füßen.
Touché.
EVA
Sie grinsen sich an. Kevin schaut von einem zum anderen,
zieht sich dann rückwärtsgehend zurück.
KEVIN
Oh, Scheiße, Ihr zwei, get a room!
Oder von mir aus das Klo, aber sagt
Bescheid, damit ich zugucken kann!
(zu Eva, ernst)
Ich warte auf die Userpolls.
EVA
Stecke mitten in der Auswertung!
Kevin zeigt auf Eva, schnippst mit dem Finger, zwinkert ihr
zu und verschwindet in sein Büro.
EVA
Sympathischer Vogel, huh?
NILS
Wenn man auf Aasgeier steht, die
mit zwanzig alles erreicht haben.
Ein Lächeln huscht Eva über das Gesicht.
ihren Schreibtisch, Nils sich an seinen.
Sie setzt sich an
Sie tauschen einen Blick aus, dann wendet sich Eva wieder
ihrem Monitor zu. Guckt kurz die Liste an, wechselt dann
jedoch wieder zum Browser und klickt Saschas Profil an.
INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - AUTOBAHN - TAG
Eva fährt in einem roten, sportlichen Kleinwagen über die
Autobahn. Ihr Smartphone steckt am Armaturenbrett, dient
als Navi. Ziel: der Allwetterzoo in Münster.
AUSSEN - ZOO - TAG
SASCHA, in Jeans und Poloshirt, und Eva gehen an den AffenGehegen vorbei, beide ein Eis in der Hand, Eva tippt zudem
auf ihrem Smartphone herum: Eine Mail an Kevin.
SASCHA
Das heißt, Du schaltest Anzeigen und
sowas? Werbekampagnen?
EVA
Autsch - den Fehler machen viele.
Du verwechselst das mit den Freaks
vom Marketing. Ganz böser Irrtum!
(MEHR)
8.
EVA (WEITER)
PR bedeutet vor allem viele Mails
und Telefonate, gute Kontakte, hier
und da 'ne Promo-Aktion...
Sie steckt das Smartphone wieder ein, leckt an ihrem Eis,
hält es Sascha hin. Der nimmt es an, leckt ebenso daran.
Vor einem Affen-Gehege bleiben sie stehen und gucken dem
Rumgetobe einen Moment lang zu, dann lacht Eva:
EVA
Affen sind so niedlich.
SASCHA
Gehören zu meinen Lieblingstieren.
EVA
Ja? Huh, da hätte ich Dich aber
individueller eingeschätzt!
Die Aussage klingt wie ein Test. Sascha blickt sie einen
Augenblick lang irritiert an, lacht dann aber. Noch.
SASCHA
Mein Gesicht ist wie ein offenes
Buch, huh? Okay, stimmt, es gibt
da noch ein anderes Tier, das mich
fasziniert. Ich erzähle das sonst
eigentlich niemanden, aber -- Nicht
lachen, okay? -- Ich hab zwei süße
Vogelspinnen zu Hause.
Eva macht den Mund auf, als sei sie erstaunt - was sie aber
nicht ist. Es fühlt sich nicht richtig an...
Boah.
EVA
Gibt's ja nicht.
Sie holt verstohlen ihr Smartphone hervor, schaut auf das
Display. Antwort von Kevin: “brauch die data tonite!!”
Eva tippt eine weitere Antwort, während Sascha sie von der
Seite mustert - ihm gefällt was er sieht. Er zieht seinen
Bauch ein, streckt die Brust raus, setzt ein Lächeln auf.
SASCHA
Nie Ruhe vor'm Job, was? -- Verreist
Du gerne? Ich war letzten Sommer in
Südamerika - und jetzt rate mal, wo!
Argentinien?
EVA
SASCHA
Äh -- Wow! Richtig! Wie hast Du das -Sonst denkt jeder bei Südamerika erst
an Brasilien. Schon komisch, oder?
Irre.
EVA
Was hat Dich dahin verschlagen?
9.
SASCHA
Meine Schwester hat da einen Mann
kennengelernt, lange Geschichte.
EVA
Ich bin leider Einzelkind. Hätte
mir in meiner Kindheit auch oft
eine ältere Schwester gewünscht.
Oder einen Bruder, im Grunde -SASCHA
Woher weißt Du, dass sie älter ist?
Eva bemerkt erschrocken ihren Fehler und beißt sich auf die
Lippe. Sie blickt zu den Schimpansen, als könnten die ihr
in der Situation helfen - doch die starren sie nur an.
EVA
Naja, wenn Sie einen Mann hat, uh-SASCHA
Hast Du mir nachspioniert?!
EVA
Komm, als hättest Du Dir nicht mein
Connect-Profil angeguckt - das macht
doch heutzutage jeder.
SASCHA
Uhn-uhn! Von Argentinien kannst Du
da gelesen haben, aber meine Spinnen
und das Alter meiner Schwester?
Woher hast Du das?! Wer bist Du?
Hat Dich einer meiner Freunde -- Ist
das nur 'ne dämliche Verarsche?
EVA
Nein, Sascha, bitte -Doch Sascha ist zu sauer, um zuzuhören. Er schleudert das
Eis auf den Boden, dreht sich um und stampft davon. Eva
blickt zu den Schimpasen - und die lachen sie aus.
INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - AUTOBAHN - TAG
Der Himmel ist dunkel, die Bäume wiegen sich im starken Wind
hin und her. Es sieht aus, als könne es jeden Augenblick zu
schütten beginnen. Das Radio spielt Musik im Hintergrund.
Eva fährt im Schritttempo über die Autobahn: Stau.
Macht hin!
EVA
Ich will nach Hause!
Doch die Autos vor ihr tun genau das Gegenteil und bleiben
nun sogar stehen. Eva tritt auf die Bremse, ächzt und guckt
sich um: Rechts vor ihr eine Ausfahrt.
Sie zieht ihr Smartphone aus der Tasche, öffnet die KartenAnwendung, um eine Umleitung zu finden, doch die meldet ihr
nach einem Moment: Kein Netz.
10.
Genervt wirft Eva das Smartphone auf den Beifahrersitz und
tippelt auf dem Lenkrad herum. Sie setzt sich auf, um mehr
zu sehen, doch ein Ende des Staus ist nicht absehbar. Sie
guckt zur Ausfahrt. Zum Smartphone. Zum Stau.
RADIOSPRECHER
Und eine Meldung vom Verkehr: Auf der
A43, Münster Richtung Recklinghausen,
ein Unfall: zehn Kilometer Stau.
Eva ächzt, schmeißt den Blinker an und schiebt sich nach
rechts. Autos hinter ihr hupen, sie winkt ihnen freundlichentschuldigend zu und bahnt sich einen Weg zur Ausfahrt.
Kaum hat sie die erreicht, blitzt es bedrohlich.
INNEN - SCHULE - KLASSENRAUM - TAG
Wir sehen SOPHIE, 11, helles lockiges Haar, fröhlich und
lebendig, an einem Tisch sitzen, eine Matheaufgabe lösen.
Um sie herum weitere SCHÜLER.
Plötzlich landet ein Wassertropfen auf Sophies Matheheft.
Dann noch einer. Und noch einer. Sie blickt zur Decke und sieht einen großen Wasserfleck, die Decke ist undicht.
SOPHIE
Schon wieder?
INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - ABZWEIGUNG - TAG [REGEN]
Es gießt in Strömen und es ist so dunkel, als wäre es später
Abend. Äste liegen auf der Straße; kein gemütliches Wetter.
Eva steuert auf eine Abzweigung zu, die Straße geht nur nach
links und rechts weiter. Sie guckt sich um, aber kein Schild
zu sehen. Blick auf's Smartphone: Immer noch kein Netz.
EVA
Links oder rechts? Links oder
rechts? Ich brauch ein Zeichen!
Rechts von ihr blitzt es grell am Himmel.
EVA
Heißt das “hier” oder “hier nicht”?
Sie zögert kurz und biegt dann nach rechts ab.
INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - DORF - TAG [REGEN]
Eva fährt an brachliegenden Feldern und Wiesen vorbei, ein
paar Häuser und eine Kirche sind in der Ferne auszumachen.
Sie passiert eine schwarze Limousine, in der wir einen MANN
IN SCHWARZ erkennen, der eine Karte studiert.
Eva fährt weiter, blickt sich hilflos um.
Tempo, guckt erneut auf ihr Smartphone...
Verlangsamt ihr
11.
RADIOSPRECHER
Gute Nachrichten vom Verkehr: Der
Stau auf der A43 hat sich aufgelöst.
... und bemerkt nicht, dass sie auf ein Schlagloch zusteuert.
RADIOSPRECHER
Wir wünschen weiterhin gute Fahrt!
Bumms! Eva fährt direkt in das Schlagloch, der Wagen macht
einen Satz zur Seite und steuert auf einen Graben zu.
Sie reißt das Lenkrad rum, doch das Auto reagiert nicht und mit geringem Tempo - landet sie im Graben. Schlägt mit dem
Kopf leicht gegen das Lenkrad, stöhnt auf. Autsch!
Der Motor geht aus. Eva reibt sich über die Stirn, beguckt
sich im Spiegel: Eine kleine Schramme. Greift instinktiv
zum Handy, um Hilfe zu rufen. Kein Netz. Argh!
Sie blickt nach hinten, sieht die schwarze Limousine... die
an ihr vorbei brettert, ohne Eva zu beachten.
AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG [REGEN]
Im strömenden Regen geht Eva die Landstraße entlang, auf
das Dorf zu. Sie hält ihr Smartphone in der Hand, hofft
auf Netz, doch das bleibt weiterhin aus.
MARK (O.S.)
Die Dinger funktionieren hier nicht!
Sie blickt zur Seite und sieht MARK, 32, sportlich, dunkles
Haar, recht groß, Dreitagebart, auf einem Trecker, der auf
einem matschigen Feldweg steht, im Trockenen sitzen.
EVA
Achso! Und ich hab mich schon die
ganze Zeit gefragt, was es bloß mit
“kein Netz” meint! Im Regen auf dem
Feld zu arbeiten, ist übrigens auch
nicht so clever.
MARK
Oh, ich arbeite nicht, die Kleine
hier ist mein Auto.
EVA
Ihr zwei seid das perfekte Paar!
MARK
Und im Gegensatz zu Dir fahren wir.
Eva verdreht die Augen, geht weiter, hält das Smartphone
nach Empfang suchend wieder hoch.
MARK
Du könntest genauso gut einen Finger in
die Luft halten und auf Empfang hoffen.
12.
EVA
Um vom Blitz getroffen zu werden?
Nee, danke!
Mark schüttelt den Kopf, gibt Gas und tuckert neben ihr her.
Eva lässt sich nicht beirren, versucht es weiter.
MARK
Komm schon, Du holst Dir noch 'ne
Erkältung, wenn Du so weitermachst!
Du kannst bei mir jemanden anrufen.
Er deutet auf einen alten Bauernhof unweit der Straße.
guckt ihn sich an, zögert aber.
Eva
MARK
Hallo?! Ich biete Dir Hilfe an! -Zuviele Horrorstreifen gesehen?
EVA
Du meinst Nachrichten?
MARK
Gibt's da 'nen Unterschied?
Eva muss trotz allem grinsen, bleibt stehen, mustert Mark,
der stehenbleibt. Unattraktiv ist er nicht. Männlich auf
die alte Art, bevor attraktive Männer wie Frauen aussahen.
MARK
Mein Hof ist nicht mal groß genug,
um Leichen zu verscharren!
Eva lacht, er hält ihr die Hand hin. Sie überlegt kurz und
greift sie dann, lässt sich von ihm hochziehen.
AUSSEN - MARKS HOF - TAG [REGEN]
Sie fahren auf einen alten Bauernhof, heruntergekommen, die
Geräte sind nicht die neuesten. Ein kleiner Hofladen sieht
aus, als habe er nur sehr wenige Besucher - es gibt an der
Straße nicht einmal ein Schild, das auf ihn hinweist.
INNEN - MARKS HOF - STALL - TAG
Zwei dutzend Schweine stehen und liegen in großen Ställen
herum. Die Mauern bröckeln, das Dach wirkt leicht morsch.
Mark tritt ein, Eva bleibt an der Tür stehen.
EVA
Hier wohnst Du also? Hatten Die
Ärzte mit ihrem Lied doch Recht!
Mark greift zu einem Eimer, öffnet eine Kiste und holt mit
dem Eimer Futter heraus. Gibt es den Schweinen in den Trog.
MARK
Es ist Fütterungszeit. Wenn Du mir
hilfst, geht's schneller.
13.
Eva blickt die Schweine an, rümpft die Nase und rührt sich
nicht vom Fleck.
MARK
Isst Du Fleisch? -- Du kannst sie
fressen, aber nicht füttern?
EVA
Ist das nicht pervers, sie erst zu
füttern und dann zu essen?
Eva geht nun doch ein paar Schritte hinein, guckt sich um,
bemerkt die großen Ställe, alles wirkt äußerst ordentlich
und sauber - wenn man mal von der Bausubstanz absieht.
EVA
Du hast 'nen Bio-Hof?
MARK
Ich halte Tiere wie man Tiere halten
sollte und pflanze Gemüse so wie man
Gemüse pflanzen sollte - wenn Du das
meinst.
EVA
Reich wird man davon aber nicht, huh?
(re: Blick)
Wunder Punkt, verstehe. Hmmmm. Was
meine Panne angeht -INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG
Mark und Eva treten ein. Ein typischer alter Bauernhof,
viel Holz, recht dunkel, aber nicht ungemütlich. Gemälde
und Geweihe an den Wänden. Der Holzboden knarzt.
Mark hängt seine Jacke an eine Garderobe, will Eva dann
ihre abnehmen, doch:
EVA
Ich hab nicht vor, lange zu bleiben.
MARK
Hasst Du deine Arbeit so sehr, dass
Du in den nassen Klamotten wirklich
krank werden willst?
EVA
Wenn das ein Trick sein soll, um
mich auszuziehen: Sorry, so naiv
bin ich nicht - ich komme aus der
Stadt. Also gut, wo kann ich die
Nummer vom Pannendienst googeln?
MARK
Mangels Internet: gar nicht.
EVA
Du hast 'ne Störung?
Wie lange schon?
Albtraum!
14.
MARK
Zweiunddreißig Jahre.
Die Störung?
EVA
MARK
Kein Internet.
Eva blickt auch in den letzten angrenzenden Raum und findet
keinen Computer. Ihr Blick fällt auf ein Telefon, sie guckt
sich die Kabel an: Keine DSL-Box, kein Router in Sicht.
EVA
Du hast kein DSL?!
MARK
Du verstehst schnell.
Warum?
EVA
MARK
Weil ich das schon vor einer Minute
gesagt hab.
EVA
Warum Du kein DSL hast.
MARK
Gibt's bei uns im Dorf nicht.
EVA
Hier hat niemand Internet?!
MARK
Doch, ein paar haben dieses Bzzzbrrrrrrr-zzzzzzzkk-rading-radingrading...
EVA
Och, nöööö, jetzt verstehe ich, was
passiert ist! Das ist wie in dieser
Serie - der Unfall war härter und ich
bin in die Vergangenheit gereist.
MARK
Life on Mars?
EVA
Die kannst Du noch nicht kennen!
Eva guckt sich weiter um: Das Telefon ist schnurgebunden,
im Wohnzimmer ein Röhrenfernseher, ein VHS-Rekorder, ein
Panini-Fußball-Sammelalbum auf einer Kommode.
EVA
Oh, Mann, Du lebst hier echt wie
vor zwanzig Jahren, oder?!
15.
MARK
Und ich bin stolz drauf.
Eve röchelt verächtlich. Mark greift zum Telefon, gibt ihr
den Hörer. Sie blickt ihn verständnislos an.
EVA
Wie soll ich den Pannendienst rufen,
wenn ich die Nummer nicht hab?
Mark verdreht die Augen und holt ein schweres Telefonbuch aus
einer Schublade, drückt es Eva in die Hand. Die sackt runter
und starrt es an, als sähe sie sowas zum ersten Mal.
INNEN - MARKS HOF - KÜCHE - TAG
Die Einrichtung der Küche stammt mindestens aus den 70ern,
ein uralter Herd, der Kühlschrank rattert - aber die Möbel
haben Stil, das Porzellangeschirr wirkt teuer. Nur wenig
Plastik ist zu sehen, selbst Wasserflaschen sind aus Glas.
Mark steht am Herd, kocht in einem Topf Kakao, Eva sitzt am
Küchentisch, hat die nasse Jacke doch abgelegt. Sie blickt
aus dem Fenster: Es hat aufgehört zu regnen.
MARK
Hast Du's noch weit von hier?
EVA
Hängt davon ab, wo “hier” ist.
MARK
Im schlimmsten Fall kannst Du im
Dorf übernachten. Oder bei mir.
EVA
Das wäre der schlimmste Fall, ja.
Mark reicht ihr eine Tasse Kakao, setzt sich zu ihr. Eva
trinkt einen Schluck, sieht ihre Reflexion in einem Spiegel,
ihren bösen Blick - und muss über sich selbst grinsen.
EVA
Ich bin unmöglich.
Wirklich?
MARK
Jetzt wo Du's sagst...
Beide blicken sich einen Moment lang in die Augen, lächeln.
MARK
Jeder hat mal 'nen schlechten Tag.
Was hast Du in Münster angestellt?
EVA
Mich bei einem Date zum Affen gemacht.
MARK
Eine Frau wie Du fährt zu 'nem Date?
Du musst viele schlechte Tage haben.
16.
Eva lächelt zu schmal und Mark merkt, dass er das Thema
besser ruhen lassen sollte. Sie betrachtet die Tasse.
EVA
So ein Geschirr hatte meine Oma auch.
Wir waren jeden Sonntag bei ihr und es
gab immer zuckersüßen Schokokuchen...
Mark steht auf, geht zu einer Arbeitsplatte, nimmt einen
Deckel von einer Platte... und darunter ein Schokokuchen.
Eva zieht die Augenbrauen hoch.
MARK
Lass mich raten: Ihrer hatte Streusel?
EVA
Du kannst backen?
Eva mustert Mark leicht bewundernd, blickt zur Uhr: 18:30.
EVA
Zeig mir mal so ein Zimmer - für den
schlimmsten Fall!
INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG
Mark und Eva gehen auf die Treppe zu, als sich die Haustür
öffnet und JENNIFER, 27, mit Sophie an ihrer Hand eintritt.
Jennifer hat langes braunes Haar und trägt dunkle Kleidung,
blickt oft ein bisschen grimmig drein.
Hi.
JENNIFER
Huhu.
SOPHIE
MARK
Hey, Ihr zwei! Wir haben Besuch.
Jennifer schließt die Tür, geht auf Mark zu und küsst ihn
auf die Wange, Mark wuschelt Sophie durch's Haar. Eva
beobachtet das irritiert, Jennifer und Sophie gehen an ihr
vorbei in die Küche. Eva schaut Mark fragend an.
MARK
Eva, das sind Sophie und Jennifer -JENNIFER (O.S.)
Jemand hatte Kaffee und Kuchen.
Cooool!
SOPHIE (O.S.)
Darf ich auch?
MARK
Kakao. Kein Kuchen.
Streusel fehlten.
Die bunten
Jennifer taucht an der Tür wieder auf, ein Stück Kuchen in
der Hand, beißt davon ab. Mustert Eva nun doch.
JENNIFER
Sie ist nass.
17.
EVA
Ja, es... hat geregnet?
JENNIFER
Wir waren draußen und sind nicht nass.
(Pause, belustigt)
Hey, Mark: So'n Vollidiot ist vorne in
den Graben gefahren.
EVA
Der Vollidiot war meine Wenigkeit.
JENNIFER
(schulterzuckend)
Sorry. Vollidiotin. Pannendienst
steht nebendran.
EVA
Oh, dann sollte ich wohl -Mark will ihr die Jacke holen, doch Eva macht das selbst.
EVA
Also, uhm -- Danke!
Mark nickt knapp, öffnet die Tür und Eva eilt nach draußen.
Er blickt ihr nach. Lange.
INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT
“Keine Ergebnisse” verkündet eine Suchmaschine zum Begriff
“Mark Schmiedebach”. Wir sehen, wie nun Connect aufgerufen
wird, “Mark Schmiedebach” wird auch hier in das Suchfenster
eingegeben. Und wieder: "Keine Ergebnisse".
Unglaublich.
EVA (O.S.)
Er hat nicht gelogen.
Wir erkennen nun, dass Eva auf dem Sofa sitzt, ihren Laptop
auf dem Schoß. Neben ihr liegt ihr Smartphone, auf dem ein
Foto von einem Briefkastenschild: Schmiedebach.
Sie schließt den Browser und Caro kommt zum Vorschein, die
sich die Nägel lackiert.
EVA
Und ich weiß, was er beruflich macht.
"Studierter Landwirt". Hm.
CARO (V.O.)
Ist der Beruf ein Geheimnis?
EVA
Nach meinen letzten Erlebnissen?
Caro hat keine Ahnung, wovon Eva redet, aber sie hakt nicht
nach, pustet ihre Nägel ab. Evas Handy vibriert, eine Mail
von Kevin: “tomorrow um 7 im büro!” Die Katze springt auf
das Handy, Eva zieht es unter ihr weg.
18.
CARO (V.O.)
Naja, ein Bauer, warum nicht? Hast
Du Dich von ihm melken lassen?
EVA
Äh, wie kommst Du darauf, dass ich
Interesse an ihm hab?
CARO (V.O.)
Warum stalkst Du ihn sonst?
EVA
Er hat Frau und Tochter. Glaube
ich zumindest. Genau genommen weiß
ich rein gar nichts über ihn.
CARO (V.O.)
Und macht Dir das mehr Angst oder
macht es Dich nicht eher an? Was
Geheimnisvolles kann geil sein!
Eine mysteriöse Affäre, wuuuhh...
Sie pinselt weiter, aber Eva ist mit den Gedanken woanders.
Sie ruft die Telefonbuch-Website auf, gibt auch hier “Mark
Schmiedebach” ein und bewegt den Mauszeiger auf "Suchen" lässt es dann aber und schließt die Seite wieder.
EVA
Ich brauch keinen zweiten Daniel.
CARO (V.O.)
Kann ich verstehen, Süße. Kann ich
echt verstehen. Was ich aber nicht
verstehe, ist: Warum hast Du dann
seinen Namen gespeichert?
Eva beißt sich auf die Lippe: Gute Frage.
AUSSEN - GASTHOF KLEWE - NACHT
Ein alter Gasthof in der Fußgängerzones des Dorfes. Die
Straße ist stockdunkel, aber im Inneren brennt Licht.
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - NACHT
Urig. Einige STAMMGÄSTE, die meisten zwischen 30 und 60
Jahren alt, männlich, sitzen an Tischen, unterhalten sich,
trinken Bier und Schnaps.
Alleine an einem Tisch sitzt der Mann in Schwarz von zuvor.
Perfekt gekleidet, blondiertes Haar, trainiert. Immer ein
Lächeln auf den Lippen. Aalglatt. Vielleicht 35 oder 40,
sein Alter ist schwer einzuschätzen.
Er schneidet mit einem scharfen Messer in ein extrablutiges
Steak. Betrachtet das Stück zufrieden, schiebt es sich in
den Mund und schließt die Augen genussvoll: Ahhh!
Drumherum sind viele Gespräche im Gange; hier unterhalten
sich die Leute noch miteinander. Besonders laut hören wir:
19.
ROLLE (O.S.)
Ich hab 'nen großen Fisch an der
Angel, Männer! So 'nen Ömmel!
Wir sehen ROLLE, 58, der die Arme weit ausbreitet. Er ist
rundlich, hat etwas langes Haar, eine gewisse Ausstrahlung,
kann gut reden. Eigentlich heißt er Wolfgang Weber - warum
jeder ihn Rolle nennt, weiß keiner mehr. Die vier Gäste am
Tisch lauschen amüsiert bis spöttisch.
KARL-HEINZ
Wo hast'n den her? Aus'em Bach?
ERIKA
In unser'm Bach schwimmt was außer
ollen Büchsen? Silberfische?
Gelächter, Rolle lässt sich aber nicht beirren, grinst.
Größer!
ROLLE
Wie ein Pangasius.
ERIKA
Hui-ui-ui, was Du für Wörter kennst!
Da hat einer auf die FischstäbchenPackung geschielt!
Mehr Gelächter, doch Rolle grinst weiter siegessicher.
ERIKA
Kümmer Dich ma' lieber drum, dass die
Laternen nachts brennen, das ist doch
so kein Zustand, hör mal!
Wir werden uns der Theke zu, an der Mark, verschwitzt in
einem Fußballtrikot, sitzt - im Gespräch mit HENDRIK, 33,
dem Wirt. Vollbart, etwas rundlich, ebenfalls im Trikot.
Vor ihnen auf der Theke zwei Bundesliga-Sammelalben, sie
tauschen Fotos aus, kleben sie ein.
MARK
Was hat er schon wieder?
HENDRIK
Rolle? Wahrscheinlich 'nen Blöden
gefunden, der uns'n Satz neue Hosen
spendiert. Kümmer Dich ma' lieber
um die Schule, Rolle, wie sollen
die Kinder denn so was lernen?
Rolle "überhört" das.
Fotos von Mark.
Hendrik begutachtet mehrere Fußballer-
HENDRIK
Kannst Du mir'n Gefallen tun?
MARK
Vergiss es, Götze kriegst Du nicht!
Den ollen Höwedes kannste haben.
20.
HENDRIK
Den will ich nich'. Im Ernst, Du
musst morgen den Laden schmeißen
und auf Sophie aufpassen, okay?!
Hab 'ne Mission in der Stadt.
SOPHIE (O.S.)
Auf mich muss niemand aufpassen,
ich komm alleine klar.
Mark blickt über die Theke zu Sophie, die es sich in einer
Kissenecke gemütlich gemacht hat, hier Matheaufgaben löst.
MARK
Und die Theke machst Du auch alleine,
huh? Glaub ich Dir sofort.
Sophie nickt grinsend.
Mark schielt zum Fernseher über
der Theke: ein kurzer Bericht über das Unwetter.
MARK
Ich hab heute 'ne Frau gerettet. Mehr
oder weniger. Sah gut aus. 'ne große
Klappe, aber auch was dahinter. -- Hab
blöderweise weder Namen noch Nummer...
HENDRIK
Gäbe es doch nur eine Möglichkeit,
sowas zu suchen.
Mark nippt an seinem Bier, beäugt Hendrik misstrauisch.
Der greift scheinbar unauffällig nach dem Mario-GötzeAufkleber... doch Mark schlägt ihm auf die Hand. Au!
INNEN - CONNECT - HERREN-WC - TAG
Nils steht vor einem der Pissoires, mehrere Mappen in der
freien Hand, blättert sie durch.
Wir werfen einen näheren Blick darauf und erkennen: Es sind
Personalakten. Die von Eva hat es ihm besonders angetan.
Nach einem Moment klappt er die Mappe zu, schließt die Hose,
richtet sein Haar im Spiegel und verlässt das WC.
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Eva sitzt an ihrem Schreibtisch, klickt an ihrem Computer
herum. Auf ihrem Bildschirm die Profile mehrerer Männer,
sie liest wieder fremde Nachrichten.
Nils kommt aus dem WC, geht auf sie zu.
Eva alles.
Sofort schließt
NILS
Es gibt nicht zufällig etwas, das
Du mir verheimlichst, schöne Frau?
Eva blickt ihn fragend an: Hat er was gesehen?
Sie zögert.
21.
NILS
Ich war gerade für kleine Jungs und
da haben sich zwei andere Jungs über
“ganz große Scheiße” unterhalten. -Im übertragenden Sinne.
EVA
Klingt privat.
NILS
Nein, hatte mit der Firma zu tun.
Stichwort: Datenveruntreuung? -- Du
weißt nichts darüber? Ich meine, ich
kann nur meine Arbeit machen, wenn
ich eine Idee hab, wovon ich rede...
Eva blickt sich irritiert um; ungewöhnliche Stille im Büro.
Kein Telefon klingelt, keiner spricht, niemand haut in die
Tasten seiner Tastatur. Gespenstisch, scheint es.
Sie schluckt, schielt zu ihrem Bildschirm - ist ihr jemand
auf die Schliche gekommen? Hat Sascha sich beschwert?
INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG
Eva steht Kevin gegenüber, der macht große Augen, knallt
die Tür dann schnell hinter ihr zu.
KEVIN
Ist da was dran? Glauben Sie, die
Loser ziehen sich solche Gerüchte
aus dem Arsch?! Ich wünschte mir,
hier wäre einer so kreativ!
Wütend öffnet Kevin eine Schreibtischschublade, zieht einen
Stapel Papier hervor und drückt ihn Eva in die Hand. Die
blättert durch die als vertraulich deklarierten Unterlagen:
Namen, Adressen, sogar Bankverbindungen von Connect-Usern.
EVA
Das sind unsere Daten?!
KEVIN
Wollen Sie sich für den fucking
Darwin-Award bewerben oder was?
Natürlich sind das unsere Daten!
EVA
Ich verstehe nicht -- Die Daten
wurden uns gestohlen? Alle?
Kevin klatscht künstlich langsam in die Hände.
EVA
Das ist eine Katastrophe!
KEVIN
Nein, wirklich, Eva? Ist das eine
Katastrophe? Darauf wäre ich ja
verfickt nochmal nie gekommen!
22.
Er reißt ihr den Stapel aus der Hand und schleudert ihn in
den Raum hinein, die Papiere fliegen durch die Luft.
EVA
Wie lange wissen wir das schon? Wir
müssen das publik machen, wir müssen
die User warnen. Sofort! Ich muss -KEVIN
Haben Sie sich den Verstand aus dem Leib
gevögelt? Shit werden wir tun!
Kevin setzt sich an seinen Schreibtisch, öffnet eine kleine
Schachtel, in der sich ein weißes Pulver befindet, greift zu
einer Visitenkarte und formt eine Linie. Eva beobachtet das
mit zunehmendem Unbehagen, schielt zur Tür.
EVA
Irgendwann muss es rauskommen.
KEVIN
Ja: Wenn wir es wollen. Sobald wir
wissen, wie wir damit umgehen. Wenn
wir wissen, wie und warum es passiert
ist. Sobald Sie wissen, wie wir heil
aus diesem Fuckup rauskommen.
(re: Blick)
Ja, gucken Sie nicht so, Sie sind
für unsere kack Außendarstellung
verantwortlich, Eva - also reißen
Sie sich Ihren geilen Arsch auf!
Er zieht sich die Linie in die Nase, stöhnt wohlig auf.
KEVIN
YES!
(plötzlich freundlich)
Auch eine?
POW!
AUSSEN - SCHULE - TAG
Rolle, Mark, Hendrik und ein HANDWERKER gehen auf die Schule
zu. Ein altes Gebäude, könnte dringend einen neuen Anstrich
vertragen. Und noch so vieles mehr.
AUSSEN - SCHULE - DACH - TAG
Der Handwerker schiebt Kies beiseite, worunter ein mehr als
marodes Flachdach zum Vorschein kommt. Er schaut zu Rolle,
Mark und Hendrik, die skeptisch daneben stehen.
HANDWERKER
Puh, also da müssen wir bei Adam
und Eva anfangen...
ROLLE
Nenn mir einfach 'ne Zahl, okay?
Der Blick des Handwerkers spricht Bände.
23.
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Eva liest an ihrem Computer mehrere Artikel über diverse
Datendiebstähle, unter anderem bei einer Firma "Zyrotek",
und die folgenden Reaktionen darauf. Nach einem Moment
lehnt sie sich zurück, amtet hörbar aus. Gestresst.
Nils stellt eine Tasse Espresso vor ihr ab, auf der sich
ein Comic-Schwein befindet. Eva schaut verwundert auf.
NILS
Du siehst aus, als könntest Du einen
gebrauchen. Du magst doch Espresso?
Nein.
EVA
Ich bin süchtig danach!
Er wirft ihr sein charmantes Lächeln zu und setzt sich an
seinen Schreibtisch. Eva nippt an der Tasse und nickt dann
zufrieden. Sie schaut zu Nils hinüber, zögert kurz, bevor:
EVA
Hey, Mr. Creativity!
Hast Du Fantasie?
NILS
Fantasie ist mein Vorname.
EVA
Fantasie Creativity?
NILS
Hatte es in der Schule nicht leicht.
EVA
Klingt wie 'ne Stripperin.
(leiser, beugt sich vor)
Stell Dir vor, Du hast den größten
Datenskandal in der Geschichte des
Netzes an der Backe! Was tust Du?
NILS
Um meinen Lieblingsfilm zu zitieren:
Ich schieße auf die Geisel!
EVA
Und die Geisel sind in dem Fall die
User oder die Daten? -- Aber ich weiß,
was Du meinst: Ablenkung.
Eva ruft eine Suchmaschine auf, tippt etwas ein. Weitere
Artikel erscheinen: "Zyrotek sponsort Fußball-Junioren”.
“Zyrotek unterstützt Behinderten-Verbände”.
EVA
Danach war der Skandal nur noch
eine Randnotiz...
Eva überlegt, guckt sich im Raum um - und ihr Blick fällt
auf das Comic-Schwein auf der Tasse. Sie lächelt.
24.
AUSSEN - BÜRODACH - TAG [REGEN]
Ein Flachdach, zwanzig Stockwerke über der Straße. Aus den
Abluftgittern der Klimaanlage ein gleichmäßiges Summen.
Am Rand des Daches steht Kevin, wippelt auf und ab, schaut
hinunter. Eva tritt aus dem Treppenhaus, geht auf ihn zu,
unschlüssig. Kevin dreht sich um, lacht.
KEVIN
Keine Angst, ich jump nicht!
EVA
Oh, Angst hatte ich nicht...
Kevin lacht noch lauter, als gefiele ihm die Antwort.
winkt Eva zu sich, die kommt nur zögerlich näher.
KEVIN
Schauen Sie runter!
Er
Come on!
Eva bleibt zwei Meter vor der Kante stehen, schielt runter:
Netter Blick auf die Stadt, unten die Straße, Fußgänger.
KEVIN
Ist das ein geiler Ausblick?! Von
hier oben sehen die Menschen aus wie
Ameisen. Einer von denen hat unsere
Daten geklaut. Ein Tritt und nur ein
Fleck bleibt von ihm übrig... -- Aber
Sie sind nicht hier, um mit mir 'nen
tiefgründigen Talk zu führen.
Eva schaut nach oben, der Regen hat ihre Haare durchnässt.
EVA
Was macht ein Kind, das etwas Böses
angestellt hat?
KEVIN
Es schiebt die Schuld auf die Nanny.
EVA
Es tut so, als sei nichts passiert und
schleimt bei seinen Eltern. Und genau
so machen wir es auch - indem wir ein
Dorf an Handy und Web bringen!
Kevin lacht laut auf, doch Evas Blick verrät ihm:
KEVIN
Shit, Eva, Sie meinen das ernst?
Sie hatten eine Stunde Zeit für ein
Top-Konzept, verdammt!
EVA
Es gibt da draußen tatsächlich noch
Dörfer, die haben weder Handyempfang
noch Breitband, so irre das klingt.
(MEHR)
25.
EVA (WEITER)
Um die kümmert sich keine Sau - bis
wir sie zurück ins Leben bringen. Für
die wären wir der Erlöser!
Kevin blickt sie skeptisch an, doch Eva, total durchnässt,
verschränkt die Arme und hält seinem Blick stand:
EVA
“Connect klaut unsere Daten” oder
“Connect schließt ein Dorf an die
Zivilisation an”? Ihre Entscheidung!
AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG
Rolle steht nachdenklich an der Landstraße, betrachtet ein
brachliegendes Feld. Hinter ihm erblicken wir den Mann in
Schwarz, der nicht das Feld sondern Rolle betrachtet.
MANN IN SCHWARZ
Rolle -- Darf ich Sie Rolle nennen?
Ich nenne Sie Rolle. Lieber Rolle,
ich sag's Ihnen nicht gerne, aber Sie
brauchen Geld. Ich biete Ihnen Geld.
Mehr als sie brauchen. Ist das kein
fairer Deal? Sagen Sie nicht nein!
ROLLE
Das Angebot ist großzügig, aber wenn
ich gewusst hätte, dass Sie -MANN IN SCHWARZ
Äußerst großzügig.
Wie so vieles sagt er das mit einem breiten Lächeln, aber
es schwingt etwas Bedrohliches darin mit. Ein Unterton.
ROLLE
Sehr großzügig. Zweifellos. Nur,
ich muss an meine Bürger denken, an
meine Wiederwahl...
Der Mann in Schwarz kommt näher, legt eine Hand auf Rolles
Schulter, beugt sich zu ihm vor.
MANN IN SCHWARZ
Rolle, ein Mann wie Sie, der macht
sich doch keine Sorgen um seine
Zukunft. Wenn Sie mein Angebot
annehmen, sind Sie die Zukunft.
ROLLE
Und wenn nicht?
MANN IN SCHWARZ
Nun, ich denke nicht negativ. Aber
ich würde annehmen, Sie hätten keine
große Zukunft, hm?
Er klopft Rolle jovial auf die Schulter, wendet sich ab.
26.
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Eva sitzt an ihrem Schreibtisch, die Schuhe wieder unter
den Stuhl geschoben. Sie trägt ein Headset auf dem Kopf,
auf dem Bildschirm ein Telefonie-Programm, nebenbei surft
sie auf Connect herum, nie voll konzentriert. Am anderen
Ende der Leitung hören wir JÜRGEN:
JÜRGEN
Wieselbach... Wieselbach... Ah, da
hinten. Ja, das ist auf unserer
DSL-Landkarte ein weißer Fleck.
EVA
Und ich dachte, weiße Flecke gäbe
es seit Neunzehnhundert nicht mehr.
Vom anderen Ende der Leitung hören wir Papierrascheln. Eva
streift unterbewusst wieder ihre Schuhe ab, tippelt unruhig
mit den Fingernägeln auf die Tischplatte.
JÜRGEN
Haben Sie sich das mal angesehen? Die
Leitungen, die wir da legen müssten...
EVA
Die armen Leute.
JÜRGEN
Können ja in die Stadt ziehen. -Hören Sie, es gibt vielleicht drei
dutzend Käffer von der Art - haben
kein DSL, werden nie DSL kriegen.
Schicksal. So ist das Leben.
Eva zieht ein zerknirschtes Gesicht und blickt zu Nils.
hält ihr einen Zettel hin: “Preiserhöhung!”
Der
EVA
Große Sprüche für jemanden, der
durch die letzte Preiserhöhung
tausende Kunden verloren hat.
JÜRGEN
Wir geben nur unsere gestiegenen
Kosten an die Kunden weiter...
EVA
Die sehen das anders. Und Connect
überlegt sich auch, ob es mit einer
Firma, die ständig schlechter Presse
ausgesetzt ist, noch weiter zusammen
arbeiten kann... Oder ob wir unsere
Server nicht einem etwas beliebteren
Anbieter überlassen. Sie verstehen?
INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - DORF - TAG
Ein schöner Tag. Eva fährt mit ihrem Auto durch das Dorf,
vorbei an einer Gärtnerei, in der Erika arbeitet.
27.
Bei dem guten Wetter wirkt das Dorf einladend, aber das
Altmodische, Heruntergekommene fällt umso mehr auf.
Sie kommt an einer Gruppe PULLITRÄGER vorbei, die in einem
Kreis stehen, sich an den Händen halten. Huh?
AUSSEN - METZGEREI - TAG
Eva parkt ihr Auto vor einer kleinen Metzgerei, steigt aus
und geht auf den Eingang zu. Als sie die Tür öffnen will,
kommt ihr der Mann in Schwarz entgegen.
Er strahlt und hält Eva galant die Tür auf.
dankbar zu und schlüpft hinein.
Die nickt ihm
INNEN - METZGEREI - VERKAUFSRAUM - TAG
Ein typische Metzgerei, gut aussehende Fleisch- und
Wurstwaren liegen in der Verkaufstheke, daneben Salate
und... Fahrräder. Hinter der Theke eine VERKÄUFERIN.
Eva tritt ein, bleibt stehen.
Guckt sich um: Uhm...
INNEN - METZGEREI - ARBEITSRAUM - TAG
Ein Messer schlägt auf ein Stück Fleisch ein. Die Klinge
durchdringt das Gewebe, knallt auf einen Knochen. Ein
zweiter Schlag und auch der Knochen ist durchtrennt.
Rolle, der das Fleischermesser schwingt, reibt eine Hand an
seiner blutverschmierten Schürze ab, wirkt verärgert.
Wir hören ein Räuspern, Rolle dreht sich zur Seite... und
sieht Eva an der Tür stehen, die von dem Anblick gar nicht
angetan ist. Das Messer ruht drohend in Rolles Hand.
SPÄTER
Rolle, nun ohne Messer, und Eva sitzen an einem kleinen
Tisch in der Ecke des Raumes, Eva guckt sich unruhig um.
ROLLE
Tut mir leid wegen der Unordnung,
aber es ist besser, wenn wir nicht
gesehen werden.
EVA
Haben wir etwas zu verheimlichen?
ROLLE
Natürlich nicht - aber das weiß ja
meine Hilde nicht! Mein armer Rücken
will nicht wieder im Keller ratzen.
Eva blickt erneut hin und her. Scheint sich nicht mehr
sicher zu sein, ob es eine gute Idee war, herzukommen.
ROLLE
Und ich bin ein viel beschäftigter
Mann, müssen Sie wissen --
28.
EVA
Klar, als Politiker, Fleischer und
Fahrradverkäufer...
ROLLE
Ich bin Bürgermeister, Metzger und
Unternehmer.
EVA
Besteht da ein Unterschied?
ROLLE
Sie sind die PR-Managerin.
Eva greift in ihre Tasche, holt ihr Smartphone heraus, will
es auf den Tisch legen, hält es dann aber lieber in der Hand.
Sie zeigt Rolle die zwischengespeicherte Connect-Website.
EVA
Wissen Sie was das ist?
ROLLE
Ich bin ein Mann von Welt!
EVA
Nun, die örtliche Infrastruktur ist es
nicht - und genau das wollen wir ändern.
Rolle steht auf, wischt eine blutige Arbeitsplatte ab.
beobachtet ihn mit zunehmendem Unwohlsein.
Eva
ROLLE
Mm-hm, mm-hm. Und was, werte Frau
Fuchs, würden wir dafür kriegen?
EVA
Ihnen fehlt eben jene Infrastruktur,
also... würden Sie die bekommen?!
ROLLE
Ich rede von dem hier -(reibt die Finger: Geld)
Nun gucken Sie nicht so, nur weil
ich weiß, wie der Hase läuft! Hab
Ihnen gesagt, ich bin ein Mann von
Welt! Hab ich oder hab ich nicht?
Eva saugt pfeifend Luft ein, schüttelt dann den Kopf, steht
auf und geht zum Ausgang, als:
ROLLE
In Ordnung! Warten Sie! Sie wissen
auch, wie man das Spiel spielt, was?
Ich respektiere einen guten Spieler.
Doko, Kegeln, Liebe, Politik, Fußball.
Moderner Fünfkampf.
EVA
Haben Sie Interesse?
Ja oder nein?
29.
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG
Mark und Jennifer stehen hinter der Theke, spülen Gläser,
Sophie geht herum und wischt Tische ab. Sie blickt dabei
immer wieder zu Mark, etwas brennt ihr auf den Lippen.
Mark selbst räumt eine aufgeschlagene Zeitung beiseite und entdeckt darin markierte Texte. Wohnungsanzeigen...
JENNIFER
Sie hat irgendwas.
MARK
Ich hab's Dir schon mal gesagt: Man
spricht nicht in der dritten Person,
wenn derjenige im Raum ist.
JENNIFER
Ist “man” nicht auch dritte Person?
SOPHIE
Wir sind doch drei?!
Jennifer blickt sie schräg an, Sophie wendet sich ab. Mark
geht auf sie zu, kniet sich zu ihr, blickt sie fragend an Sophie zögert, dann:
SOPHIE
Hmm... Papa hat gesagt, ich muss
Dich fragen. Weil er mir das nicht
erklären kann. Aber, uhm -MARK
Oh, äh, vielleicht wäre Jenny die
richtige Ansprechpartnerin...
SOPHIE
Ich will einen Laptop.
(re: fragender Blick)
Einen Laptop. So einen kleinen wie
man im Fernsehen sieht. In pink.
Mark schielt aus den Augenwinkeln zu Jennifer, die das
Gespräch aber nicht zu hören scheINNEN - Trotzdem leiser:
MARK
Hendrik ist dein Vater, er muss
solche Entscheidungen treffen.
SOPHIE
Er hat gesagt, Du bist dagegen.
JENNIFER
Was lügt ihr? Wer flüstert, lügt!
Zweite Person.
Mark schüttelt den Kopf, sein Blick schweift zum Fenster ab und er sieht Eva aus der Metzgerei kommen.
30.
Was zum --
MARK
Er eilt hinter der Theke hervor, läuft zum Fenster, guckt
raus... aber von Eva ist nichts mehr zu sehen.
MARK
Seh ich Gespenster oder was?
Sophie blickt ihn fragend an, Mark läuft nach draußen.
JENNIFER
Ich bin die einzig Normale hier.
AUSSEN - GASTHOF - TAG
Mark tritt aus dem Gasthof und sieht Eva gerade noch hinter
einer Ecke verschwinden. Er geht ihr zunächst nach, sieht
dann jedoch Rolle aus der Metzgerei kommen und in einen vor
dem Eingang parkenden, alten Mercedes steigen.
Mark steuert auf ihn zu...
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Eva füllt die Betreffzeile einer E-Mail aus: "Zur sofortigen
Veröffentlichung: Connect bringt 7192 Menschen ans Netz!”.
Dann klickt sie auf "Abschicken", dreht sich um und sieht
Kevin aus seinem Büro kommen. Im Anzug, mit verwuscheltem
Haar, roten Augen, Ringen unter den Augen, roter Nase.
Yo!
KEVIN
Ich bin pünktlich!
Eva mustert ihn abschätzig.
Spiegelbild in der Glastür.
Alamiert betrachtet Kevin sein
KEVIN
Scheiße, hab ich 'nen Fleck? Den
Anzug hab ich gestern erst waschen
lassen. Muss ich meiner süßsauren
Vietnamesin den Hintern versohlen?!
(re: Blicke)
Chillt, Leute - sie steht darauf!
Eva steht auf, nimmt ihre Jacke vom Stuhl, zieht sie über.
EVA
Ich hab gerade die Pressemitteilung
rausgeschickt, das Fernsehen kommt das wird großartig!
Ihr Blick fällt erneut auf Kevin, sie bemerkt etwas:
EVA
Sie haben da was Weißes...
Fuck!
KEVIN
Machen Sie's weg!
31.
EVA
Uhm -- Über der Lippe.
KEVIN
Machen Sie schon! Das mit meiner
Vietnamesin war nur so dahin gesagt.
Die wird nicht eifersüchtig.
Eva presst die Lippen zusammen, wischt Kevin dann mit der
Rückseite eines Fingers das Pulver weg und wischt die Hand
danach wenig unauffällig an ihrer Hose ab.
KEVIN
Zahle ich Ihnen zuviel? Das hätte
sich noch einer reinziehen können!
INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG
Coldplay dröhnt durch das Wageninnere. Wir sehen Eva am
Steuer, die Augen stur auf die Straße gerichtet, auf der
Rückbank hinter ihr Nils und die Katze. Zu Nils:
EVA
Tut mir leid, dass sie einfach ins
Auto gehüpft ist, sie verfolgt mich.
KEVIN
Bullshit, Nils liebt Pussys. Hm,
Nils?! Du kleiner Stecher, Du!
Neben Eva auf dem Beifahrersitz wackelt Kevin zum Beat mit
dem Kopf, er hält ein iPhone in der Hand, das an das AutoRadio angeschlossen ist.
KEVIN
Was für ein Road Trip! Das sollten
wir öfter machen! Betriebsausflug,
Baby! Wooooo! Huh, Eva?
Er klatscht ihr auf den Oberschenkel, lässt seine Hand
einen Moment darauf liegen. Eva wirft ihm einen bösen
Blick zu und schiebt die Hand unsanft beiseite. Kevin
faucht wie eine Katze, macht eine Kralle nach.
Vor ihnen taucht das Dorf auf.
KEVIN
Holy Shit, was für ein Kaff! Hier
könnte man jemanden verschleppen und
keine Sau würd's merken, was?!
Eva tritt fester auf's Gaspedal.
AUSSEN - MARKTPLATZ - TAG
Der typische Marktplatz eines Dorfes: Viele alte Gebäude,
ein Brunnen, Café, Rathaus und Kirche direkt daneben. Vor
einer kleinen Bühne stehen Tische, auf denen Broschüren und
Werbeprospekte ausliegen. Jürgen, 49, ein Vertretertyp, im
Anzug, steht wartend hinter den Tischen.
32.
Die etwa 50 BÜRGER sind jedoch mehr am Büffet interessiert:
Schinkenschnittchen und Mettbrötchen stehen bereit, von der
Metzgerei Weber zubereitet, wie uns ein Schild verrät.
Eva steht am Rand und beobachtet eine Gruppe JOURNALISTEN,
die unruhig auf ihre Handys und Uhren gucken.
MARK (O.S.)
Also diese Mettbrötchen sind
köstlich, die musst Du probieren!
Sowas kennt Ihr in der Stadt mit
Eurem Toastbrot gar nicht mehr.
Eva dreht sich um, sieht Mark, mit einem Mettbrötchen in
der Hand, und Jennifer hinter sich.
EVA
Ich hatte ein ausgewogenes Büffet
bestellt...
JENNIFER
Deshalb die Schinkenschnittchen!
MARK
Wir haben uns schon gewundert. Du
arbeitest also für diese Klitsche?
EVA
Äh -- Das größte deutsche soziale
Netzwerk. Ja. Könnt Ihr mal -Eva winkt die Fotografen zu sich. Sie postiert Mark und
Jennifer die kaum wissen, wie ihnen geschieht. Eva greift
Marks Arm, legt ihn um Jennifer. Die verzieht das Gesicht.
Die Fotografen beginnen, Fotos zu schießen.
EVA
Okay, Ihr seid jetzt total glücklich,
dass Ihr endlich Internet bekommt! Los!
Mark...
JENNIFER
EVA
Glücklicher gucken! Vielleicht -Haben wir ein DSL-Modem irgendwo?
Dann können wir das so machen wie
mit den Bananen nach dem Mauerfall!
Sie blickt zu Jürgen, der schüttelt jedoch den Kopf.
EVA
Gut, aber ein bisschen mehr happy!
Könnt Ihr knutschen oder so?
Mark und Jennifer lösen sich geradezu blitzartig voneinander
und starren Eva entgeistert an. Die Fotografen stoppen.
JENNIFER
Sie ist pervers!!
33.
EVA
Ist Knutschen in der Öffentlichkeit
hier verboten?
MARK
Das ist es in ganz Deutschland zwischen Bruder und Schwester.
Eva lacht auf, doch die Blicke von Mark und Jennifer verraten
ihr, dass sie die Wahrheit sagen.
EVA
Ihr seid -- Ich dachte -- Warte,
das heißt, Du bist Single?
Jennifer rümpft die Nase und Mark starrt Eva verärgert an.
Die beißt sich auf die Lippe: Unangehm. Sie blickt sich um
und sieht, dass sich die Menschentraube um die Büffettische
herum langsam auflöst...
... doch statt jetzt an die Infostände zu gehen, bewegen
sich die meisten vom Markplatz weg. Nur Hendrik schielt
mal unauffällig auf eine der Broschüren.
Eva!
KEVIN
Die Bitches verpissen sich!
EVA
(eilt zu der Gruppe)
Hey, Leute, nicht gehen! Wir haben
doch noch gar nicht angefangen.
Kevin entdeckt Rolle, der sich ein Mettbrötchen quer in den
Mund schieben will. Er eilt zu ihm, reißt es ihm weg.
ROLLE
Herr Dings! Ich wollte mich nur von
der Qualität meiner Ware überzeugen.
Er will sich das Brötchen zurückholen, doch Kevin schiebt es
sich quer rein. Mit vollem Mund, halb spuckend:
KEVIN
Erst die Fotos!
ROLLE
Achja, öh, das tut mir wirklich
leid, aber... es wird keine Fotos
geben. -- Naja, das Ganze ist doch
nichts für unsere Gemeinde. Große
Konzerne, die kommen und gehen - wir
brauchen Konstanz in diesen schweren
Zeiten.
(in die Runde)
Mmm, das leckere Büffet hat mir
Hunger auf ein Schnitzel gemacht.
Noch jemand zu Klewe, Männer?
Ein paar murmeln zustimmend. Kevin packt ihn am Arm und
zieht ihn ein paar Schritte zur Seite, wütend:
34.
KEVIN
Wir hatten einen Deal!
ROLLE
Ich habe Ihrer Kollegin gesagt, man
kann über alles reden. Ich bin ein
Mann von -KEVIN
Bullshit sind Sie!
ROLLE
Tzk, tzk, tzk. Wir haben einfach
kein Geld für sowas, Herr Dings,
das ist doch bestimmt mit laufenden
Kosten verbunden. Und dann hört
man ständig davon, dass persönliche
Daten veröffentlicht werden, neenee, das brauchen wir nicht. Die
Privatsphäre, die ist meiner Hilde
heilig - die zerstampft mich sonst!
Eva kommt hinzu, schiebt Kevin beruhigend zur Seite.
EVA
Das Internet ist eine Investition in
die Zukunft! Es -- Himmel, ich kann
nicht glauben, dass ich sowas in
Zwanzigzwölf noch sagen muss. Sie
machen Wieselbach bekannt, Sie locken
Touristen und Unternehmer hierher...
Rolle schaut sie skeptisch von der Seite an.
EVA
... sie digitalisieren die Verwaltung,
alles läuft viel effizienter ab. Wie
kann man dazu nein sagen?
ROLLE
Gucken Sie sich um: Niemand von uns
hat Interesse an ihrem Internetz!
EVA
Vor ein paar Tagen klang das anders!
ROLLE
Da hatte ich auch noch nicht mit
meinen Wählern gesprochen. Besonders
Mark hat mich bestens aufgeklärt.
Eva starrt Rolle an, doch der geht davon. Sie schaut sich
suchend nach einer Lösung um; viele Bewohner sind gegangen,
auch Mark und Jennifer. Die Journalisten notieren eifrig
das Desaster. Eva hält ein paar Nachzügler an:
EVA
Wissen Sie überhaupt, was Ihnen ohne
Internet entgeht?
35.
KARL-HEINZ
Wir kamen bis jetzt gut ohne aus.
Wenn wir uns was zu sagen haben,
dann bei 'nem Bier!
ERIKA
Ich muss in die Gärtnerei. Heute
Abend Doko, meine Herren? Nicht,
dass Sie sich drücken, wo ich meine
Glückssträhne hab!
Sie gehen weiter, Eva beobachtet das ungläubig vom Rand aus:
Was ist nur los mit diesem Ort? Sie geht auf Kevin zu, der
in einer Ecke steht, die Wand anstarrt...
EVA
Ja, es war mein Fehler und ich denke
mir was Neues aus. Hauen wir ab! -Kevin?
... doch Kevin heult.
Eva reibt sich die Augen.
KEVIN
Warum mag mich keiner, Eva? Ich
dachte, wenn ich Geld habe, werde
ich happy. Ich dachte, dann kriege
ich Freunde und alle lieben mich.
Aber niemand liebt mich...
EVA
Kevin, Sie haben Freunde.
Irgendwo.
KEVIN
Sind Sie denn meine Freundin, Eva?
Nein, sind Sie nicht. Sie finden
mich auch doof, geben Sie's zu!
Eva beißt sich auf die Lippe. Kevin reibt sich die Tränen
aus dem Gesicht, seine Stimmung schwingt wieder um, wütend:
KEVIN
Ich will Ihnen mal was erzählen, Eva:
Vor sechs Jahren, als ich ein kleiner
Junge war, da hatte ich einen besten
Freund. David - wie der Fußballer mit
der dünnen Ische. David und ich haben
alles zusammen gemacht: Wir waren im
gleichen Golf-Club, wir haben zusammen
gesoffen, wir hatten unser erstes Mal
miteinander. Und eine Frau war auch
dabei. Tanja. Unsere Bio-Lehrerin.
Und sie hat uns Bio beigebracht - oh,
ja, Baby! Doch eines Tages hat David
vor mir eingelocht - und ich habe nie
wieder ein Wort mit ihm gesprochen.
Checken Sie, worauf ich hinaus will?
EVA
Ich hoffe, nur darauf, dass Sie ein
schlechte Golfer sind...
36.
KEVIN
Nein: Ich dulde keine Niederlagen,
Eva. Nicht damals und nicht today.
Überzeugen Sie dieses Kaff - oder
suchen Sie sich einen neuen Job!
MONTAGE
--Eva zeigt einem ANGESTELLTEN in einer Post-Agentur ihr EMail-Programm am Laptop. Der Angestellte runzelt die Stirn.
--Eva zeigt Erika in ihrer Gärtnerei einen Online-Shops wie
Fleurop. Erika runzelt die Stirn.
--Eva zeigt einer ALTEN DAME auf einer Parkbank ihren Laptop.
Die guckt wie ein Hund hinter den Bildschirm, bewegt ihn vor
und zurück. Runzelt die Stirn.
--Eva führt einem JUNGEN ihr Handy vor. Im ersten Moment
wirkt er interessiert, doch dann blickt er auf und rennt zu
seinen FREUNDEN, die Fußball spielen. Eva dreht sich um und
erblickt erneut die Wollpulliträger.
Sie runzelt die Stirn, dreht sich um und sieht Kevin. Der
schüttelt den Kopf, steigt in sein Auto, fährt ohne Eva ab.
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG
Hendrik sitzt hinter der Theke auf einem Hocker, spielt mit
einem alten Game Boy Advance herum. Abgesehen vom Gepiepse
des Handhelds ist es still, bis sich ihm gegenüber jemand
räuspert. Ohne aufzublicken:
HENDRIK
Klo is' offen.
Die Person räuspert sich erneut, Hendrik blickt auf - und
sieht zu seiner Überraschung Eva vor sich stehen. Trägt
eine große Tasche bei sich, die Katze auf dem Arm.
INNEN - GASTHOF KLEWE - ZIMMER - TAG
Ein Schlüssel dreht sich im Schloss, die Tür öffnet sich laut
knarzend, Hendrik und Eva treten ein. Eva setzt die Katze ab
und guckt sich um: Altes Holzbett, ein Röhrenfernseher, VHSRecorder darunter, weiße Bettwäsche, weiße Gardinen...
Hendrik wischt unauffällig über einen kleinen Schreibtisch,
pustet dann - weniger unauffällig - den Nachttisch ab. Eva
blickt ihm mit hochgezogenen Augenbrauen an.
HENDRIK
Hätt' ich damit gerechnet, dass
einer kommt -- Ich kann schnell
'nen Wischlappen holen -EVA
Mach's morgen! Ist ja nicht so als
wäre der Staub antiklimatisch...
37.
HENDRIK
Du willst hier wirklich bleiben?!
EVA
Wollen ist ein starkes Wort.
AUSSEN - MARKS HOF - FELD - TAG
Ein Spaten wird wuchtvoll in braune Erde gestochen. Ein
Fuß tritt auf den Spaten, bohrt ihn fester hinein. Eine
Hand umschließt den Spatenschaft und hebt ihn hinaus.
MARK (O.S.)
Wir leben hier ein bisschen anders,
Eva - und es gefällt uns!
Eva steht auf einem Weg, zwanzig Meter entfernt von Mark und
Jennifer, die auf dem Feld arbeiten. Eva bemüht sich, ihre
Stiefel nicht schmutzig zu machen.
EVA
Ich fühle mich hier echt verarscht,
Mark, ich wollte Euch etwas Gutes
tun und dann erfahre ich, dass Du
dagegen warst, ich meine -MARK
Ich hab nie gesagt, dass uns etwas
fehlt. Es ist unsere Lebensweise.
EVA
Und ich möchte mehr darüber erfahren,
über Eure Lebensweise. -- Komm schon,
ich will Euch doch bloß helfen! Zeig
mir dein Dorf! Anders wirst Du mich
nicht los. -- Okay. Ich hab Zeit.
(lange Pause)
Menno, jetzt komm!
AUSSEN - DORF - FUSSGÄNGERZONE - TAG
Mark und Eva gehen an den Geschäften und einem Café vorbei,
sie guckt sich um: Was soll hier so toll sein? Ihr Blick
fällt auf eine Telefonzelle, eine Litfaßsäule. Brrr.
Einige der Dorfbewohner gucken Eva neugierig an, was die
irritiert. Mark steuert auf einen Schreibwardenladen zu.
MARK
Ich brauch neue Stifte.
schon: zum Schreiben?
Du weißt
INNEN - SCHREIBWARENLADEN - TAG
Mark sucht nach Stiften, Eva stellt sich währenddessen vor
ein Zeitschriftenregal, überfliegt ein paar Titel - und wird
prompt von der LADENBESITZERIN, 45, angesprochen:
LADENBESITZERIN
Kann ich Ihnen helfen?
38.
EVA
Keine Sorge, ich kaufe erst und lese
anschließend.
(re: Blick)
Oh, sie wollen mir wirklich -- Ich
suche was, um hier abends nicht vor
Langeweile zu sterben, aber ich hab
seit Jahren kein Papier mehr gekauft.
Im Hintergrund sehen wir Mark, der zu Bleistiften und einem
Block greift, das Gespräch beobachtet, die Augen verdreht.
LADENBESITZERIN
Was lesen sie denn gerne?
EVA
Das Übliche halt: Spiegel Online,
Wired, Engadget, Lifehacker...
Sie blicken einander an, ein langer unangenehmer Moment.
Und Sie?
EVA
LADENBESITZERIN
Brigitte, Landlust...
Super!
EVA
Nehm ich!
Die Ladenbesitzerin holt die beiden Zeitschriften aus dem
Regal und geht damit zur Kasse. Eva bemerkt Marks Grinsen.
EVA
Das Netz - wieso habt Ihr kein Bock
darauf? Du bist doch jung...
MARK
Ich arbeite von sechs bis sechs auf
meinem Hof. Abends treffe ich mich
mit Freunden, spiele Fußball, ab und
zu sitze ich mal vor dem Fernseher.
Selbst wenn ich wollte, hätte ich
keine Zeit für so 'nen Quatsch.
EVA
Wenn Du Internet hättest, müsstest Du
Dich nicht mit Freunden treffen. Ich
meine, Du kannst schon, aber es gibt
Mails und Videochats - man kann in
Kontakt bleiben, ohne sich ständig
treffen zu müssen. Das spart Zeit.
Mark schüttelt genervt den Kopf, will zur Kasse gehen, doch
Eva hält ihn an der Schulter fest:
EVA
Okay, okay! Aber was ist, wenn Du
was nachschlagen willst? Internet
heißt Fortschritt. Das nützt allen!
39.
MARK
Wie? Ist auch nur ein Mensch dank
des Internet glücklicher als zuvor?
Oder ist es nicht eher so, dass das
Netz Euer Leben völlig einnimmt?
(re: Zögern)
Hast Du auch nur ein Hobby, bei dem
Du Ruhe vor PC, Internet und Job
hast? Lass mich raten: Du bist so
eine, die selbst abends noch vor dem
Rechner sitzt, oder? Mit dem Laptop
auf dem Schoß auf dem Sofa - ich
kann's mir geradezu vorstellen.
EVA
Oder dein Hof -- Weißt Du, wieviel Kohle
Du mit deinem Bio-Hof machen könntest?
MARK
Es ist kein Bio-Hof.
EVA
Es ist ein Bio-Hof, Du weißt es nur
noch nicht. Du könntest mehr Tiere
halten, Dich vergrößern, neue Geräte
kaufen. Oder hast Du genug Geld?
MARK
Niemand hier will Internet, Eva.
Akzeptier das und fahr nach Hause!
Mark geht zur Kasse, doch Eva drängelt sich an ihm vorbei.
Dann, zur Ladenbesitzerin:
EVA
Hören Sie mal, Sie sind doch eine
aufgeschlossene und belesene Frau:
Internet, wäre das nichts für Sie?
LADENBESITZERIN
Puh -- Was hätte ich schon davon?
EVA
Sie... könnten Ihre Magazine zum
Beispiel online lesen und müssten
keinen Cent mehr dafür ausgeben!
Hinter ihr hören wir Mark lauthals lachen.
AUSSEN - DORF - FUSSGÄNGERZONE - TAG
Mark geht die Fußgängerzone entlang, Eva ein paar Schritte
hinter ihm, als wolle er sie abschütteln. Einige Bewohner
kommen vorbei, jeder grüßt Mark - und Mark grüßt zurück.
EVA
Du musst zugeben, das ist ziemlich
nervtötend, oder? Dieses ständige
Hallo und guten Tag?
(MEHR)
40.
EVA (WEITER)
Bestimmt kennen Sie sogar alle
deinen Namen. Ich find's peinlich
genug, wenn die Kassiererin im
Supermarkt meinen von der EC-Karte
abliest. “Hier unterschreiben,
Frau Fuchs!” Wuah!
MARK
Du magst deinen Namen nicht?
über eine Ehe nachgedacht?
Mal
EVA
Nicht jeder muss wissen, wer ich bin
und was ich kaufe.
MARK
Dann zahl nicht mit EC-Karte, bei
der die Bank -- Ach, vergiss es!
(kommt nicht drüber hinweg)
Nein, vergiss es nicht! Du stellst
all deine Daten und dein Privatleben
ins Internet - aber welche Müslisorte
Du isst, das dürfen die Leute, die
hinter Dir in der Schlange stehen -Ich kapier's nicht. Vergiss es!
EVA
Du bist süß, wenn Du Dich aufregst.
MARK
Nein, ich find's lustig: In der Stadt
beklagt sich jeder, dass man nicht mal
seinen eigenen Nachbarn mehr kennt, aber
wollt Ihr überhaupt Eure Nachbarn kennen?
Wenn Du Dich umguckst: Was siehst Du?
Eva guckt sich um: Schreibwarenladen, Blumenladen, Kiosk,
Getränkeladen, Schneiderei, Bäckerei, Wäscherei.
EVA
Uralte Läden?
MARK
Und ich sehe eine Gemeinschaft, in
der ein Rädchen ins andere greift.
In der jeder weiß, was für eine
Funktion er hat. Die nur gemeinsam
funktioniert. Und ich muss jetzt
arbeiten, Nahrung erzeugen, also:
Lern uns mal alleine weiter kennen!
Wofür auch immer das gut sein mag.
Damit lässt er Eva alleine zurück. Die blickt ihm nach.
Wirkt hilflos. Sie sieht den Mann in Schwarz alleine auf
einer Bank sitzen, sich etwas notieren.
MONTAGE
--Hendrik an der Rezeption, Eva tritt ein, geht auf ihn zu.
41.
EVA
Hey, ich muss kurz im Büro anrufen,
hast Du ein Telefon hier?
Hendrik greift hinter die Rezeption, holt ein uraltes
Telefon mit Wählscheibe hervor. Eva starrt es an, sie
nimmt den Hörer ab - und weiter? Tippt mit einem Finger
auf eine Zahl, hat keine Ahnung, wie das funktioniert.
--Eva im kleinen örtlichen "Supermarkt", steht vor einem
Regal, in dem Seifen und Schampoos und ähnliches stehen,
aber die Auswahl ist klein. Sie zögert ewig herum, Erika
kommt von hinten auf sie.
ERIKA
Was suchen Sie, junge Frau?
Deo.
EVA
Erika greift zu einem Deo, drückt es ihr in die Hand.
EVA
Das ist nicht meine Marke.
ERIKA
(versteht nicht)
Es ist Deo.
--Eva an der Supermarktkasse, die KASSIERERIN tippt alles
per Hand ein, es gibt keinen Scanner. Schließlich zeigt
die Kasse an: 9,12 Euro. Eva drückt der Kassiererin eine
Kreditkarte in die Hand. Die blickt sie misstrauisch an.
--Eva in ihrem Zimmer vor ihrem Laptop, öffnet iTunes und
wählt einen Film aus einer Liste aus. Doch das Programm
erwidert: Zugriff nur mit Internetverbindung möglich.
Genervt klappt Eva den Laptop und entdeckt unter dem alten
Fernseher einen Videorekorder. Darunter eine Schublade,
Eva öffnet sie und entdeckt mehrere Filme auf VHS darin.
Betrachtet sie zunächst kopfschüttelnd...
INNEN - GASTHOF KLEWE - ZIMMER - TAG
... doch dann sitzt sie nur in Unterwäsche im Bett und
guckt Pretty Woman, Tränen in den Augen. Die schlechte
Bild- und Tonqualität könnte ihr nicht egaler sein.
Plötzlich öffnet sich die Tür und Mark tritt ein.
zieht schnell die Bettdecke über ihren Körper.
Hey!
EVA
Was denkst Du Dir?
MARK
Nicht, dass ein erwachsener Mensch
um elf Uhr morgens nackt in seinem
Bett sitzt. -- Heulst Du?
Eva
42.
EVA
(wischt über die Augen)
Nein. Und ich bin halbnackt!
MARK
So genau hab ich nicht hingeguckt.
Da Du anscheinend eh nichts zu tun
hast, wie wär's mit was Sinnvollem?
Eva schiebt die Bettdecke beiseite, springt auf, als habe
sie "nicht hingeguckt" angestachelt. Mark versucht, sie
nicht zu sehr anzustarren. Tut sich schwer.
MARK
Jemand muss Hendrik vertreten und
ich hab selbst Arbeit, also -EVA
Ich soll die Kneipe schmeißen?
lange ich nicht kochen muss...
Auch.
So
MARK
AUSSEN - SCHULE - SCHULHOF - TAG
Eva, in hellem Rock und Bluse, geht auf die Schule zu.
INNEN - SCHULE - FLUR - TAG
Eva geht einen Flur entlang, guckt sich um, sucht einen
Raum. Sieht, wie furchtbar alles aussieht. Sie stoppt,
knibbelt an einer Tapete - die ihr entgegen kommt.
Hektisch versucht Eva, die Tapete wieder fest zu machen,
doch es gelingt ihr nicht. Ein Räuspern. Eva dreht sich
um und sieht Sophie kopfschüttelnd neben sich stehen.
INNEN - SCHULE - SCHULHOF - TAG
Eva und Sophie entfernen sich von der Schule.
EVA
Das ist ja eine Zumutung.
Wände, die Teppiche...
Die
SOPHIE
Du solltest mal die Klos sehen!
EVA
Lieber nicht. Warum ist das so?
Sophie blickt sie vielsagend an: Was denkst Du wohl?
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG
Eva steht an einem Tisch, nimmt die Bestellung von Rolle
und seinem Anhang auf. Sophie puzzelt hinter der Theke.
43.
EVA
Zwei Pils, ein Alster, zwei Jubi
und eine Fanta. Und das alles an
einem Dienstag Mittag vor ein Uhr?
Nicken.
Eva eilt zurück hinter die Theke.
ERIKA
Was'n aus deinem Fisch an'ner Angel
geworden? Der Pangakuss da?
ROLLE
Ich weiß nicht, wovon Du redest Erika.
ERIKA
Na, Du hast uns doch davon erzählt!
ROLLE
Ha-ha, Erika, ich erzähl viel, wenn
der Tag lang ist!
Dafür kassiert Rolle irritierte Blick, er weicht ihnen aus
und guckt zur Theke...
... wo Eva zu zwei Gläsern greift, sie unter die Zapfanlage
stellt und zu zapfen beginnt. Gleichzeitig nortiert sie die
Bestellung auf einem Zettel, spült zwei Gläser im Becken...
SOPHIE
Du machst zuviel auf einmal.
EVA
Keine Sorge, wenn Du mal groß bist,
kannst Du das auch.
Sophie zieht die Augenbrauen hoch, kommentiert das nicht
weiter und wendet sich wieder ihrem Puzzle zu.
ROLLE
Einen Wachholder noch, gute Frau!
EVA
Wachholder...
Eva legt die Gläser am Rand des Spülbeckens ab, wendet sich
einem Spirituosenregal zu, sucht Wachholder, eine Hand noch
immer am Zapfhahn...
... bis die Gläser überfließen. Bier ergießt sich über Evas
Hand, durchnässt den Bestellungsblock.
Shit!
EVA
Hektisch dreht sich Eva wieder um, stößt dabei gegen eine
Schranktür - autsch -, zieht den Block fahrig beiseite und
die Gläser vom Zapfhahn weg...
... wobei sie gegen die gespülten Gläser stößt, die zu nah
am Rand stehen und zu Boden fallen, zerspringen.
44.
Verdammt!
EVA
Rolle und Gäste beobachten das amüsiert, während Sophie sich
auf ihr Puzzle konzentriert.
ROLLE
Brauchen Sie Hilfe, junge Dame?
EVA
Ich schaff das schon!
Eva bückt sich, beginnt die Scherben aufzusammeln... und
schneidet sich prompt in den Finger. Das Blut tropft ihr
auf den Rock.
Neeeeein...
EVA
Jemand hält ihr ein Handtuch in. Eva blickt auf und sieht
Sophie neben sich, nimmt ihr das Handtuch ab, wischt damit
über ihren Finger. Sophie schnappt sich derweil Feger und
Schaufel und räumt die Scherben. Zapft selbst zwei Bier.
SOPHIE
Zwei Pils und ein Alster?
Eva starrt sie an... und nickt dann langsam.
Dankbar.
EVA
Solltest Du schon Bier zapfen können?
SOPHIE
Solltest Du nicht danke sagen?
Danke.
EVA
Arbeitest Du öfter hier?
SOPHIE
Manchmal. Früher hatte Papa Hilfe,
die kann er sich nicht mehr leisten,
aber das soll ich nicht wissen.
EVA
Ihr könnt Euch hier einiges nicht
leisten, oder? -- Und deine Mama wo ist die?
SOPHIE
Papa sagt, Jenny und Mark sind meine
Mama. Die helfen hier auch oft mit.
Und Schnaps musst Du machen, den darf
ich nicht.
Eva lächelt, atmet durch und holt drei Schnapsgläser.
INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - NACHT
Eine zu abendlicher Stunde ruhige Raststätte.
Essen wartet darauf, abgeholt zu werden.
Vorgewärmtes
45.
GÄSTE hocken auf Stühlen, KINDER spielen in einer Anlage.
An der Decke ein Schild, das auf WLAN hinweist...
... und an einem Tisch sitzt Eva vor ihrem Laptop. Checkt
ihre Mails - über 100 -, surft nebenbei im Internet herum.
EVA
Mark ist eigentlich okay, er kümmert
sich echt lieb um andere, um seine
behinderte Schwester. Aber sonst...
CARO (V.O.)
So schlimm kann's doch nicht sein!
Eva wechselt das Programm und Caro erscheINNEN sich vor, spricht leiser:
Sie beugt
EVA
Schlimm ist gar kein Ausdruck, ich
verstehe sie einfach nicht. Ich weiß
nur, dass ich Mark überzeugen muss...
CARO
Er ist ein Mann, irgendeine Schwäche
wird er schon haben. Finde sie und
nutz sie aus!
Nachdenklich wechselt Eva zurück zum Browser, klickt herum
und stolpert über die Werbeseite einer Firma. Lächelt.
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - NACHT
Mark und Hendrik haben die Kneipe für sich, sitzen beide an
der Theke, trinken Bier, nebenbei läuft der Fernseher, eine
Werbung für ein Videospiel.
MARK
Sophie hat mich gefragt, ob sie
einen Laptop haben darf.
HENDRIK
Jaja, Kinder ha'm wilde Ideen...
MARK
Glaubst Du, das ist gut für sie?
Wir kriegen alles abgenommen: was
merken? Wozu, kann man ja googeln.
Auf eine Sache konzentrieren? Nee,
Musik hören, surfen, Mails, gibt so
viel zu sehen. Das ist doch keine
Art zu leben. Setz Eva irgendwo
aus und sie würde wahrscheinlich
keine 24 Stunden durchhalten.
INNEN - GASTHOF KLEWE - EINGANG - NACHT
Eva tritt ein, die Tür fällt hinter ihr leise ins Schloss.
Sie steuert auf die Treppe zu, als sie aus dem Kneipenraum
die beiden Stimmen hört.
46.
HENDRIK (O.S.)
Sophie muss lernen, was das Internet
is' und wie's funktioniert, wenn sie
hier irgendwann ma' rauskommen will.
MARK (O.S.)
Und das lieber gestern als heute?
Sie schleicht zur Tür, lukt rein, sieht Hendrik, der Marks
Blick ausweicht.
MARK
Manchmal frag ich mich, auf welcher
Seite Du stehst.
HENDRIK
Ich bin meine eigene arme Seite.
Mark steht von seinem Stuhl auf, woraufhin Eva zurück zuckt
und die Treppe hinaufgeht. Ein Lächeln auf den Lippen.
INNEN - MARKS HOF - STALL - TAG
Eva schlüpft in den scheinbar leeren Stall, schaut sich um.
Mark?
EVA
Sie holt ihr Handy hervor und beginnt Fotos vom Stall zu
schießen. Dann schaut sie sich nach weiteren Motiven um,
steigt sogar vorsichtig in eine der Schweineboxen.
Die Schweine kommen neugierig schnüffelnd näher, Eva weicht
ihnen aus, aber nicht mehr ganz so abgeneigt wie zuvor. In
einer Ecke entdeckt sie eine Sau mit kleinen Ferkeln.
EVA
Na, Ihr Süßen? Guckt zu Mama!
Sie knippst mehrere Fotos, bis:
JENNIFER (O.S.)
Du bist 'ne Sau?
Eva macht erschrocken einen Satz nach hinten, stolpert über
ihre eigenen Füße und landet in einem Wassertrog. Jennifer
taucht mit einem Besen neben ihr auf, blickt sie an.
EVA
Mann, hast Du mich erschreckt!
Du mich nicht gehört?
Hast
Eva versucht, aufzustehen, hängt mit ihrem Gesäß aber im
Trog fest. Versucht es erneut. Keine Chance.
JENNIFER
Du hast Mark gerufen.
Jennifer hält ihr den Besen hin, Eva hält sich daran fest
und zieht sich aus dem Trog. Ihr Hintern ist durchnässt.
47.
JENNIFER
Du bist nass. Schon wieder.
Ach!
EVA
Jennifer ignoriert sie, kniet sich neben ein Ferkel und
streichelt es. Das Ferkel quiekt freudig, was Eva dann
doch ein Lächeln entlockt.
JENNIFER
Willst Du auch mal?
Streicheln?
EVA
Mit der nassen Hose?
Jennifer nimmt Evas Hand und legt sie auf das Ferkel.
quiekt fast genauso auf:
Eva
EVA
Haha, das kitzelt!
Sie streichelt es einen Moment lang, lächelt erfreut... und
besinnt sich dann dessen, was sie tut. Sie steht auf, reibt
sich über die Hose. Jennifer zieht die Augenbrauen hoch.
INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG
Eva tritt ein, schießt auch hier ein, zwei Fotos.
Mark?
Dann:
EVA
Keine Antwort. Sie schaut in die Küche, das Wohnzimmer - er
ist nicht zu sehen. Ihr Blick fällt auf ein dickes Buch über
Theologie auf einer Kommode. Sie nimmt es in die Hand.
Schritte sind zu hören, Mark kommt die Kellertreppe herauf.
EVA
Da bist Du! Schwere Lektüre. Uff,
im doppelten Sinne. Sowas liest Du?
MARK
Ist Jennys. Von ihrem Studium.
Und Du tropfst... aus der Hose?
Eva legt das Buch ab, lacht auf. Wartet darauf, dass Mark
mitlacht. Der jedoch guckt sie nur fragend an.
EVA
Verarsch mich nicht! Jennifer hat -Quatsch! Sie hat studiert? Jennifer?
Warum wohnt sie dann bei Dir?
MARK
Die Geschichte ist leider so lang wie
mein... Arm.
EVA
Wie gut, dass ich Zeit hab!
48.
MARK
Ich nicht, muss arbeiten.
Mark geht zur Tür, bleibt stehen, dreht sich zu Eva um:
MARK
Was treibst Du hier überhaupt?
EVA
Lass Dich überraschen!
INNEN - MARKS HOF - HOFLADEN - TAG
Mark steht hinter einem abgenutzten Tisch, der als Theke
dient, und reicht einer KUNDIN eine gefüllte Papiertasche.
MARK
Lassen Sie's sich schmecken!
Die Kundin zieht glücklich mit der Tasche ab.
Mark fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn und sein
Blick schweift durch den kleinen Verkaufsraum: ZEHN KUNDEN
stehen zwischen den Obst- und Gemüsepaletten - schon bimmelt
es wieder und der nächste tritt ein.
Moin-moin!
KUNDE #1
Kartoffeln schon aus?
Jennifer kommt aus einem Nebenraum, eine Palette Kartoffeln
in der Hand.
JENNIFER
Letzte Kiste.
MARK
Was? Das kann doch nicht sein, die
reichen sonst für 'ne Woche!
Jennifer schneidet eine Grimasse, schiebt sich an den Kunden
vorbei, bedacht, keinen zu berühren. Stellt die Palette auf
einem Tisch an der Seite ab, eilt zurück, weicht den Kunden
aus, die sie zu bedrängen scheinen. Sie schnappt nach Luft.
JENNIFER
Wo kommen die alle her, Mark?!
wollen die hier?
Was
MARK
So geht das, seit ich aufgesperrt hab.
Kundin #2 tritt an Jennifer heran, an der Hand einen kleinen
JUNGEN. Sie tippt Jennifer an, die weicht instinktiv zurück.
KUNDIN #2
Entschuldigung, wo kann man sich
denn die süßen Ferkel anschauen?
JENNIFER
Wir schlachten erst übermorgen!!
49.
Der Junge guckt seine Mutter entsetzt an, die wirft Jennifer
einen bösen Blick zu und zieht ihren Sohn mit nach draußen.
MARK
Aber keine Ferkel...
JENNIFER
Sie hat mich angefasst!
Mark streichelt Jennifer beruhigend über den Rücken. Kunde
#2 stellt zwei Schachteln Heidelbeeren auf den Tisch.
KUNDE #2
Sind die auch wirklich aus rein
biologischem Anbau?
MARK
Die sind ganz normal angebaut,
warum sollten sie -Mark schaut den Kunden skeptisch an, blickt dann erneut
durch den Laden. Hier stimmt was nicht. Zu Kunde #2:
MARK
Woher kennen Sie uns?
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG
Eva sitzt an der Theke, vor ihr Brot, Ei und Kakao.
EVA
Durchgeschlafen, das ist mir seit
der Schulzeit nicht passiert.
Hendrik steht hinter der Theke, beobachtet Eva belustigt
dabei, wie sie sich das Essen in den Mund schaufelt.
EVA
Muss die Totenstille hier sein.
Kein Auto brettert vor'm Fenster
vorbei, kein Handy klingelt.
HENDRIK
Manchmal wär so'n Handyklingeln
vielleicht gar nicht verkehrt...
Eva trinkt einen Schluck Kakao - mmm -, die Tür fliegt auf
und Mark stampft auf sie zu:
EVA
Oh-ho, schönen guten Morgen! Oder
Mittag?! Ich sollte wohl Mittag -MARK
Bio-Hof? Süße Ferkel?
Dir dabei gedacht?
Was hast Du
EVA
Ach, es hat schon was gebracht?!
50.
MARK
Gebracht? Ich kann dafür in Teufels
Küche kommen, wenn ich mich Bio-Hof
nenne, obwohl ich's nicht bin!
HENDRIK
Ich mach ma' dein Zimmer...
Sagt's und verschwindet, lässt die beiden alleine zurück.
Eva leckt ihre Gabel ab, blickt Mark an:
EVA
Ich hab Dich so genannt, Mark, und
nicht Du Dich. Du hast also drei,
vier neue Kunden bekommen?
MARK
Eher dreißig, vierzig.
EVA
Du hattest gestern Abend auch schon
achthundert Klicks auf deiner Seite.
Sie schiebt sich eine Gabel voll Speck mit Ei in den Mund
und grinst gewinnend. Mark grinst nicht.
MARK
Ich hab keine Seite, Eva!
EVA
Mark, die Leute lieben bio, das ist
voll der Trend. Egal, ob das nur
draufsteht oder nicht - Hauptsache,
sie bilden sich ein, sie äßen was
Gesundes! Ich schraub noch an den
Formulierungen und Du freust Dich,
dass Du so viele Kunden hast.
Nein.
MARK
Nimm die Seite wieder raus!
Eva schaut ihn entgeistert an, schiebt die Gabel ab ihrem
Mund vorbei und das Ei landet auf ihrer Hose. Sie greift
zu einer Serviette, wischt es ungeschickt auf.
MARK
Ich -- Ich will das einfach nicht,
Eva. Nimm sie wieder raus, ja?
EVA
Mark, ich, ich versteh Dich nicht:
Mehr Kunden, mehr Einnahmen, das ist
eine simple Rechnung. Oder hast Du
was gegen Geld? -- Gib Dir 'nen Ruck!
AUSSEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG
Eva trottet auf den Eingang zu, wenig motiviert.
51.
INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG
Eva sitzt vor ihrem Laptop, die Seite für Marks Hof vor ihr
im Browser... und sie klickt auf “Seite löschen”. “Wirklich
löschen?” fragt die Website. Zögerlich und schweren Herzens
bewegt Eva den Mauszeiger auf “Ja”. Klickt.
Sie will den Laptop wieder runterfahren, als eine Nachricht
von Kevin aufpoppt: "menno, wo stecken sie, eva? hab ihnen
seit heute morgen zwölf mails geschrieben! sie sollen drei
mal pro tag bericht erstatten! fuck!"
Schnell klappt Eva den Laptop zu. Sie blickt zur Seite und sieht den Mann in Schwarz, mit Handy am Ohr:
MANN IN SCHWARZ
Ich hab ihn im Sack. Wir beginnen
im Herbst mit den Bauarbeiten.
Ihre Blicke treffen sich und der Mann in Schwarz nickt Eva
strahlend zu. Die runzelt die Stirn.
INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG
Kevin sitzt vor seinem Computer, sieht wie Evas Status ohne
Antwort von online auf offline wechselt. Schlägt mit seiner
Faust wütend auf die Tischplatte.
INNEN - MARKS HOF - STALL - TAG
Eva steht neben Mark, der den Boden fegt.
EVA
Komm schon, Mark, sei mir nicht böse!
Lass es mich wieder gut machen! Sag
mir, was ich tun soll und ich mach's!
Mark greift zu einem Paar Handschuhe, die auf einem kleinen
Tisch liegen, wirft sie Eva zu. Die fängt sie auf, blickt
sie an - so hatte sie sich das nicht vorgestellt.
AUSSEN - MARKS HOF - GEMÜSEGARTEN - TAG
Mark, Jennifer und Eva hocken in einem kleinen Garten, in
dem diverse Gemüsesorten angebaut werden, zupfen Unkraut.
Während Mark und Jennifer entspannt wirken, tut sich Eva
schwer, schwitzt, wischt sich mit dem Arm über die Stirn.
EVA
Wie schafft Ihr das?
Stück zu arbeiten?
So lange am
JENNIFER
Hat sie gerade gesagt, anderthalb
Stunden sind lange?
EVA
Hey, ich arbeite bis zu zwölf Stunden
am Tag - aber ich gönn mir Auszeiten.
52.
MARK
Um was zu tun?
EVA
News checken und so, das fehlt mir
hier echt am meisten. Mann-oh-Mann,
steckt das tief drin!
Jennifer blickt zu Eva: Statt Unkraut rupft sie eine ganze
Kartoffel aus der Erde, wirft sie achtlos weg. Steht auf,
streckt sich, will instinktiv zu ihrem Handy greifen.
Argh!
EVA
Wie haltet Ihr das nur aus?
MARK
Wir lesen morgens Zeitung und gucken
abends TV. Manchmal hören wir sogar
Radio. Was glaubst Du entgeht Dir?
EVA
Aber die ganze Zeit so konzentriert
zu arbeiten - nervt das nicht?
MARK
Probier's mal aus! Ihr habt doch
ständig so einen Zeitdruck in der
Stadt. Müsstet gerade Ihr nicht
konzentriert arbeiten?
Wir hören ein Telefon klingeln. Mark steht auf und geht zum
Haus, zieht seine Handschuhe aus.
EVA
Ha! Mit Handy bräuchtest Du jetzt
nicht ins Haus zu rennen!
Mark verschwindet ins Haus, Eva kniet sich wieder auf die
Erde, arbeitet weiter. Jennifer beobachtet sie dabei.
JENNIFER
Wenn Du weiter unten anfasst, ist
es einfacher.
Eva blickt sie überrascht an, tut das dann aber - und, ja,
entfernt das Unkraut einfacher.
EVA
Danke für den Tipp.
als gedacht.
Geht schneller
JENNIFER
Und jetzt stell Dir vor, Du würdest
nicht "mithelfen"!
EVA
Ja, dann -- Ha-ha, witzig! -- Hey,
ich hab gehört, Du hast studiert?
53.
JENNIFER
Warum fragst Du was, wovon Du die
Antwort schon kennst?
EVA
Braucht Mark Dich so dringend auf
dem Hof? Du könntest bestimmt was
Besseres machen?
Jennifer scheint kurz darüber nachzudenken, zuckt dann aber
mit den Schultern, steht auf, geht zu einem Schuppen. Eva
blickt ihr irritiert nach, arbeitet weiter.
Einen Moment später kommt Mark aus dem Haus zurück, er geht
auf Eva zu, blickt sich um:
MARK
Wo ist Jenny?
Weiß nicht.
EVA
Im Schuppen?
MARK
Was hast Du zu ihr gesagt?!
EVA
Ich? Wieso -- Ich hab sie nach
ihrem Studium gefragt, warum sie
noch bei Dir abhängt...
Mark gibt einen entnervten Laut von sich, wirkt aber mehr
ängstlich als wütend, läuft auf den Schuppen zu.
INNEN - MARKS HOF - SCHUPPEN - TAG
Jennifer steht auf einem wackeligen Hocker und sucht etwas
ganz oben auf einem Regal. Sie nimmt ein zusammengerolltes
Seil heraus, um zu besser an die Harke dahinter zu kommen.
Mark eilt auf Jennifer zu und zieht sie vom Hocker.
Au!
JENNIFER
Was tust Du?!
Er setzt Jennifer auf dem Boden ab, die blickt ihn irritiert
an, löst sich von ihm.
JENNIFER
Ich brauch die Harke.
Mark bemerkt die Harke in ihrer Hand, geht auf Abstand.
MARK
Eva hat Dich nicht -JENNIFER
Hör auf damit, Mark! Echt!
EVA (O.S.)
Alles okay hier drinnen?
54.
Eva steht irritiert am Eingang, blickt sie fragend an.
MARK
Wir... haben uns gerade darüber
unterhalten, wie toll Du hilfst.
Wenn Du so weitermachst, hast Du
Dir eine Belohnung verdient.
INNEN - GASTHOF KLEWE - ZIMMER - TAG
Ein paar dreckige Wanderschuhe werden von zwei Händen mit
viel Kraft über eine schwarze Nylon-Strumpfhose gezogen.
Die Hände gehören Eva, die in einem Jeans-Rock und PartyTop auf ihrem Bett sitzt. Mark, Jennifer und Sophie an der
Tür, haben ebenso Wanderschuhe an, er trägt einen Rucksack
auf dem Rücken. Eva wackelt mit den Schuhen herum.
EVA
Naja, passen immerhin.
JENNIFER
Von der Größe her vielleicht.
Tatsache: Die Kombination aus Rock, Top und Wanderschuhen
sieht mehr als seltsam aus, aber hier ist es Eva egal.
EVA
Ihr wollt mir nicht verraten, was
dieses “Juwel” ist?
MARK
Eigentlich nicht, nein.
EVA
Okay, warte, ich will Fotos machen!
Vielleicht lohnt es sich ja - auf die
eine oder die andere Weise.
Sie guckt sich um, greift zu ihrem Handy, drückt eine Taste.
SOPHIE
Du machst damit Fotos?
EVA
Warum nicht? Für's Netz ist die
Qualität gut genug.
(re: Handy)
Akku leer, Mist! Kommt davon, wenn
man es kaum benutzt...
MARK
Du kannst meine Kamera nehmen.
AUSSEN - WALD - TAG
Eine Spiegelreflexkamera baumelt Eva um den Hals. Sie guckt
die Kamera ungläubig an, während Mark, Jennifer und Sophie ihr
auf dem matschigen Waldweg bereits ein Stück enteilt sind.
55.
EVA
Wirklich, Mark, ich kann ja viel
verstehen, aber 'ne Digicam kostet
fast nix. Und sag jetzt nicht -MARK
Ich mag keine Digicams.
EVA
Das nehme ich Dir nicht ab! Die
Qualität ist genauso gut, Du kannst
die Fotos drucken lassen, wenn Du
darauf stehst, Du musst nicht auf
das bescheuerte Entwickeln warten...
Mark bleibt stehen, dreht sich um, hält Jennifer und Sophie
fest und dreht sie ebenfalls um.
MARK
Mach ein Foto von uns!
Genervt tut Eva das, nimmt den Deckel vom Objektiv, stellt
scharf und sucht die richtige Perspektive. Es dauert eine
Weile. Mark und Sophie lächeln, Jennifer guckt grimmig wie
eh und je. Schließlich schießt Eva das Foto. Klick!
EVA
So. Ich würde Euch ja gerne zeigen,
ob's was geworden ist, aber...
MARK
Was hast Du gerade gemacht?
Eva blickt Mark verständnislos an.
JENNIFER
Sie hat kein Gedächtnis.
MARK
Warum hat es so lange gedauert?
EVA
Bleib locker, wir haben doch Zeit!
MARK
Und wieviel Zeit hättest Du Dir mit
deinem Handy genommen?
EVA
Keine Ahnung, ich hätte geknippst
und wenn es nichts geworden wäre,
hätte ich noch eins gemacht.
Sie gehen weiter, Eva nun auf gleicher Höhe mit ihnen.
MARK
Mit anderen Worten: Du hast Dir so
mehr Mühe gegeben, Du hast Dich auf
das Motiv eingelassen.
56.
EVA
Mit meinem Handy hätte ich zehn
Perspektiven ausprobieren können.
MARK
Und würdest Du daraus etwas lernen
oder es nächstes Mal genauso machen?
EVA
Ich will ein paar Bilder knippsen,
Mark, keine Fotografin werden.
MARK
Du willst Dir keine Gedanken darüber
machen. Und Du glaubst nicht, dass
man das den Fotos ansieht?
EVA
Im Gegenteil, bei einem Film hab ich
doch nur Platz für - keine Ahnung dreißig Fotos?
MARK
Stimmt, Du musst selektiv sein, wieder:
Dir Gedanken machen. Was ist es wert,
fotografiert zu werden und was nicht?
EVA
Und nach vier Wochen sehe ich, dass
die Hälfte der Fotos unscharf sind.
MARK
Aber ist Vorfreude nicht die schönste
Freude? Mit deinem Handy kannst Du
es Dir sofort angucken - und sofort
wieder vergessen. Bei echten Fotos,
darauf zu warten und dann die Packung
zu öffnen - das ist wie Weihnachten.
Geduld ist eine Tugend!
EVA
Ich krieg zu Weihnachten Geld.
Mark verdreht die Augen, aber Eva wirkt nachdenklich - als
erkenne sie, dass er nicht ganz Unrecht hat.
AUSSEN - BURGRUINE - TAG
Eine alte Burg steht auf einer kleinen Anhöhe. Nicht
perfekt erhalten, aber das macht Teil ihres Charmes aus.
Die Natur hat sich viel zurückgeholt, Moos breitet sich
über den Steinen aus, Wurzeln durchdringen den Boden.
Eva und Sophie steigen eine Treppe hinauf zur ehemaligen
Befestigung und blickt von oben auf die Landschaft - nett.
SOPHIE
Schön, oder? Hier kann man super
Verstecken spielen!
57.
Eva dreht sich um, guckt runter in den Innenhof, in dem
Mark und Jennifer eine Decke ausbreiten, diverse Getränke
und Kuchen - mit Streuseln - aus seinem Rucksack holen.
Eva deutet auf ein breites Steinpodest, das in der Mitte
des Innenhofes steht. Sie ruft runter:
EVA
Was ist das? Wurden da Verbrecher
erhängt? Kriminelle?
MARK
Kriminell schlechte Schauspieler
höchstens. -- Hier war früher 'ne
Freilichtbühne.
JENNIFER
Erhängen wäre aber auch eine Idee.
MARK
Lass das!
(zu Eva & Sophie)
Habt Ihr Hunger?
JENNIFER
Nach der Anstrengung...
Moment!
EVA
Eva zögert, packt dann heimlich Marks Fotoapparat aus und
guckt durch die Linse... auf der Suche nach einem guten Foto
von dem Dorf. Sie lässt sich Zeit - als habe sie Spaß.
Sophie bemerkt das grinsend, Eva sieht ihren Blick und hält
einen Finger vor den Mund: Pssst!
Mark schielt hoch, kann nicht genau sehen, was Eva treibt.
Er zuckt mit den Schultern, reicht Jennifer Kuchen, die zu
essen beginnt. Er packt vier Pappbecher aus und füllt sie
mit Limonade. Schließlich kommen Eva und Sophie zurück.
EVA
Warum ist das hier so vergammelt?
Jennifer öffnet den Mund, doch:
EVA
Sag jetzt nicht: “Weil es alt ist.”
Jennifer schließt den Mund wieder. Mark muss grinsen. Eva
wischt mit der Hand über die Decke, hockt sich dazu, nimmt
einen Teller. Ihr Blick fällt auf den Kuchen:
EVA
Mit Streuseln? Du hast Dich daran
erinnert? Wow. Und was ich sagen
wollte, war: Das hier hat Flair.
(MEHR)
58.
EVA (WEITER)
Das Grün raus, den Weg verbessern,
ein Café rein, die Freilichtbühne
wieder nutzen - und fertig ist die
Touristen-Attraktion.
MARK
Ist nicht die schlechteste Idee,
die ich von Dir gehört habe...
A-ha!
EVA
MARK
... was nicht heißt, dass sie gut
ist. Sowas kostet Geld, man muss
die Leute darauf aufmerksam machen -EVA
Zum Beispiel über's Internet!
MARK
Eva, gibst Du mal eine Minute Ruhe
damit? Ich kann's nicht mehr hören!
Verärgert packt er die Sachen wieder zusammen, steht auf.
Eva springt auf, hält ihn fest.
EVA
Ich will Euch verstehen, Mark.
MARK
Für deinen Job, ich weiß.
EVA
Nein. Nicht nur. Ich will auch
Dich verstehen. Persönlich. Und
ich... ich glaube, es gelingt mir
langsam. Wenn Du mich lässt.
Sie deutet ihm an, sich wieder hinzusetzen.
nach einem langen Moment zögerlich.
Mark tut das
INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG
Kevin wählt Evas Nummer, läuft dann mit dem Handy am Ohr auf
und ab, nach einem Moment hören wir die Standardantwort:
FRAUENSTIMME
Der gewünschte Gesprächsteilnehmer
ist zur Zeit nicht erreichbar.
Wütend brüllt Kevin auf, schmeißt das Handy gegen die Wand.
Nach einem Moment hören wir ein Klopfen an der Tür und Nils
streckt seinen Kopf herein.
Alles okay?
NILS
59.
KEVIN
Nichts ist okay, Nils! Die Bitch
ignoriert mich. Und ich fucking
hasse es, ignoriert zu werden!
NILS
Verschaffen Sie sich Gehör!
Kevin denkt darüber nach: Keine schlechte Idee...
AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG
Der Mann in Schwarz beobachtet ZWEI BAUARBEITER, die auf
dem Feld Vermessungen vornehmen. Reibt sich die Hände.
AUSSEN - MARKS HOF - TAG
Ein Küchenmesser reibt sich an einem Schleifstein. Wir
sehen Jennifer, die auf einer Holzbank vor dem Wohnhaus
sitzt, das Messer in der Hand hält.
Sie befühlt vorsichtig die Klinge, legt es dann zufrieden
zur Seite und greift zum nächsten: In einem Karton liegen
mindestens ein dutzend weitere Messer bereit.
KEVIN (O.S.)
Hi!
Jennifer blickt auf, sieht Kevin vor sich stehen.
KEVIN
Du schleifst Messer? Warum wirfst
Du sie nicht weg und kaufst neue?
JENNIFER
Das wäre irrational.
m'kay.
KEVIN
Ich suche Eva.
JENNIFER
Ich bin Jennifer.
KEVIN
No shit! Hätte Dich fast für Eva
gehalten.
JENNIFER
Sie sieht ganz anders aus als ich.
Kevin mustert Jennifer irritiert: Macht sie Witze?
KEVIN
Ein bisschen vielleicht.
Nein.
JENNIFER
Ganz anders.
Wie anders?
KEVIN
60.
Jennifer blickt Kevin verunsichert an und er erkennt, dass
sie tatsächlich so ist; er die Oberhand hat. Grinst...
AUSSEN - MARKS HOF - TAG - SPÄTER
Mark steuert auf den Eingang des Wohnhauses zu, sieht den
Karton mit den Messern auf der Holzbank stehen, blickt in
ihn hinein. Runzelt die Stirn.
INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG
Mark tritt ein, hängt seine Jacke an die Gaderobe, zieht
seine dreckigen Schuhe aus.
MARK
Hey! Ich bin zurück! Du warst
auch schon mal fleißiger, huh?
Nicht fertig geworden? Jenny?
Er hält irritiert inne, lauscht... aus dem WC ist eine Art
Wimmern zu hören. Mark erschrickt.
INNEN - MARKS HOF - WC - TAG
Jennifer sitzt auf dem Boden, den Kopf zwischen den Knien,
das Messer von zuvor noch in der Hand. Mark tritt ein und
sieht sie... er hält inne, kniet dann vorsichtig neben sie.
Jenny...
MARK
Sprich mit mir...
Jennifer schluchzt, ohne aufzublicken. Langsam legt Mark
ihr einen Hand auf den Arm, lässt ihn herunterwandern, bis
er ihr das Messer aus der Hand nehmen kann.
Er legt es leise zur Seite, dann einen Arm um Jennifer.
Die blickt nun auf, sieht verheult aus, mitgenommen.
JENNIFER
Nein... Es ist nichts...
MARK
Was ist los? Jemand hat etwas zu
Dir gesagt? Was Böses? Jenny?!
JENNIFER
Er... er hat nach Eva gefragt...
Eva...
MARK
Einer von ihrer Arbeit?
Jennifer zuckt mit den Schultern, nickt dabei.
grimmig drein, ballt die Faust.
JENNIFER
Ich wollte mit dem Messer nichts -Ich hatte es in der Hand, es war -Ich wollte nicht, wirklich --
Mark blickt
61.
MARK
Was hat er gesagt? Hat er sich
über Dich lustig gemacht? Einen
blöden Spruch gedrückt?
JENNIFER
Er hat... er hat gesagt...
Ihre Stimme erstickt. Sie beugt sich zu ihm vor, haucht
ihm etwas ins Ohr - und Marks Gesicht spricht Bände.
INNEN - GASTHOF KLEWE - ZIMMER - TAG
Evas Laptop steht angeschaltet auf einem Tisch, das E-MailProgramm läuft, alte Mails werden durchgegangen. Von wem,
können wir nur erahnen.
INNEN - GASTHOF KLEWE - EINGANG - TAG
Ein altes Telefon klingelt schrill.
Ja, ja, ja!
Nochmal.
Nochmal.
HENDRIK (O.S.)
Komm ja schon!
Hendrik eilt auf das Telefon hinter der Rezeption zu und
nimmt den Hörer ab.
HENDRIK
Gasthof Klewe, hallo! Sie wollten
wahrscheinlich den Friseur-Salon
erreichen, der hat 'ne Null statt
'ner Neun am -- Kevin wer? -- Eva?
Ja, die -- Ganz ruhig! Was wollen
'se überhaupt von der -- Watt?
AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG
Evas Auto braust über die Landstraße, vom Dorf weg.
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - NACHT
Ein ruhiger Abend in der Kneipe, Rolle mit seinen üblichen
Zuhörern an einem Tisch, ansonsten kaum Gäste.
ROLLE
... und Hilde sagt zu ihm: Lauf mir
noch einmal über den Weg und Du lernst
mein Fleischermesser kennen, ha-ha-ha!
Hendrik steht an der Spüle und trocknet Gläser ab, den Blick
auf den Fernseher gerichtet: Ein Fußballspiel.
HENDRIK
Wie viele Chancen willst Du noch?
Mach ihn rein, verdammt! Maaaann!
Er stellt aufgebracht das trockene Glas ab und holt sich
das nächste zum Abtrocknen von der Ablage.
62.
Mark sitzt ihm gegenüber an der Theke, verfolgt das Spiel
nur mit halber Aufmerksamkeit. Sein Blick ruht auf dem
fast leeren Bierglas vor ihm.
Das Spiel im Fernsehen wird zur Halbzeit abgepfiffen, eine
Nachrichtensendung folgt.
HENDRIK
Das wird nix mehr, könnte schon
vier-null stehen! Noch'n Bier?
Keine Antwort. Hendrik wirft Mark einen langen Blick zu.
Dann beginnt er, die Gläser wegzuräumen. Mark greift zur
Fernbedienung, dreht den Ton lauter.
SPRECHERIN (V.O.)
Wie unserem Sender heute anonym
zugespielt wurde, ist das soziale
Online-Netzwerk Connect Opfer eines
Hackerangriffs geworden. Über zehn
Millionen Kundendaten wurden dabei
gestohlen, darunter Telefon- und
Kreditkartennummern sowie E-Mailund persönliche Adressen.
HENDRIK
Oh, Mann, arme Eva! Kein Wunder, dass
sie so plötzlich weg musste.
Er guckt Mark an, der erwidert seinen Blick kurz, schaut
dann aber sofort wieder weg.
Wir sehen auf dem Fernseher den Eingang zum Connect-Gebäude.
REPORTER drängeln sich mit Kameras und Mikrofonen davor und
halten jeden für ein Statement an, der hinein will.
Kevin kommt vorbei und drängt die Journalisten unsanft zur
Seite. Kurz darauf sehen wir Eva, bemüht, die Fassung zu
bewahren, während sie sich durch die Menge quetscht.
JOURNALISTEN
Was haben Sie Ihren Kunden zu sagen?
Seit wann wussten sie davon? Warum
ist es nur durch einen anomymen Tipp
an die Öffentlichkeit gekommen?
Eva blickt noch einmal gehetzt in die Kamera, dann erreicht
sie die rettende Eingangstür und verschwindet.
Mark rutscht unruhig auf seinem Hocker herum. Schließlich
greift er selbst zur Fernbedienung, stellt den Ton leiser
und wirft sie zurück auf die Theke. Hendrik mustert ihn.
HENDRIK
Du guckst wie damals, als Du die Lose
von der Pfarrjugendkirmes gezockt hast,
um den Walkman abzustauben!
Mark weicht seinem Blick aus.
63.
KEVIN (PRE-LAP)
Das ist der Super-GAU! Hiroshima,
Fukushima und Cosmashiva in einem!
INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG
Kevin und Eva stehen vor Kevins Laptop, in dem ebenfalls
der TV-Bericht über den Diebstahl zu sehen ist.
KEVIN
Eva?! Haben Sie gehört, was ich
gesagt habe? Wir haben hier einen
fucking PR-Nightmare am Arsch!
EVA
Hätten wir es veröffentlicht -KEVIN
Hätten, hätten, ist für -- Äh -- Ach,
Fresse! Sie regeln das, Eva, now!
EVA
Sie haben mich ins Dorf geschickt!
KEVIN
Oh, ja! Und Nils macht seinen Job
in Ihrer Abwesenheit sehr gut...
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Eva verlässt Kevins Büro, der knallt die Tür hinter ihr zu.
Zögerlich geht sie zu ihrem Schreibtisch. Nils lächelt:
NILS
Zurück in der Zivilisation!
EVA
Hölle wäre wohl die passendere
Umschreibung gerade.
NILS
Im Vergleich zum Dorf muss das hier
doch selbst unter den Umständen das
reinste Paradies sein! Espresso?
EVA
Kakao, bitte! Espresso macht mich
so hibbelig.
Nils schaut sie verwundert an, verschwindet in die Küche.
Eva beginnt die Arbeit in ihrem Mailfach durchzugehen. Sie
sitzt aufrecht auf ihrem Stuhl, zieht ihre Schuhe nicht aus,
öffnet nicht den Browser, verschwendet keine Zeit. Nils
kommt mit Kakao und Espresso zurück, betrachtet sie besorgt.
NILS
Du wirkst angespannt. Wo ist die
Eva hin, die barfuß neue Kollegen
begrüßt? Geht's Dir nicht gut?
64.
Hm?
EVA
Hast Du was gesagt?
Nils betrachtet sie eindringlich, zieht sich dann aber an
seinen Schreibtisch zurück. Eva setzt ihr Headset auf und
guckt eine Telefonnummer nach, wählt.
EVA
Eva Fuchs hier, hallo Frau Bach! -Mir geht es gut, danke, aber lassen
Sie uns zur Sache kommen: Sie haben
ja sicher schon davon gehört...
MONTAGE
Wir sehen mehrere Einstellungen von Eva bei der Arbeit: Sie
erledigt ein Telefonat nach dem anderen, schreibt eine Mail
nach der anderen. Hält zwischendurch nur kurz inne, um mal
einen Schluck Kakao zu trinken.
Es ist ein ganz anderes Bild als anfangs - was sowohl Nils
als auch Kevin halb verwundert, halb mit Argwohn bemerken.
INNEN - EVAS HAUS - TREPPENHAUS - TAG
Eva steigt die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf, trägt eine
Laptop-Tasche bei sich. Erneut steht Steffen am Fenster.
Sie will sich zuerst an ihm vorbeischieben, hält dann inne,
stellt die Tasche ab, tippt ihm auf die Schulter.
Steffen zuckt zusammen, dreht sich um, nimmt die Kapuze ab
und darunter kommen Ohrhörer eines iPods zum Vorschein. Er
zieht sie aus den Ohren.
Oh, hey!
STEFFEN
Hab Sie gar nicht gehört.
EVA
Sie standen ein bisschen im Weg.
Er will das Fenster schließen, doch sie hält ihn am Arm
fest - er blickt zu traurig drein.
EVA
Ich bin Ihre Nachbarin.
Steffen.
Eva.
STEFFEN
Und sag ruhig Du zu mir.
EVA
Du stehst hier oft, oder? So toll
ist der Ausblick doch gar nicht?!
Steffen zögert, als wisse er nicht genau, wieviel er ihr
erzählen soll.
EVA
Hey, wir sind Nachbarn, sollten wir
uns nicht... kennen... irgendwie?
65.
STEFFEN
Ich -- Ich warte auf Leonie...
EVA
Deine Freundin? Mutter?
Schwester?
STEFFEN
Meine Katze. Sie kam jeden Tag um
Punkt sechs nach Hause, ohne Scheiß,
ich konnte die Uhr nach ihr stellen bis vor zwei Wochen. Wahrscheinlich
ist es sinnlos, aber ich stehe seitdem
jeden Tag um die Zeit hier und hoffe,
dass sie kommt. Es ist -- Es war
meine Schuld, ich musste einmal länger
arbeiten und war um sechs nicht zu
Hause, um sie reinzulassen...
Eva räuspert sich unangenehm, weicht seinem Blick aus.
STEFFEN
Sorry, ich wollte Dich nicht mit
meinen Problemen belästigen.
Eva schüttelt den Kopf greift zu ihrer Tasche und deutet
ihm an, mit ihr zu kommen. Steffen tut das irritiert.
EVA
Nicht böse sein, okay...?
Sie stellt ihre Tasche vor der Tür ab, schließt auf... und
die Katze kommt ihnen entgegen. Steffen hält die Hand vor
den Mund, Tränen steigen ihm in die Augen und er nimmt sie
auf, in den Arm, streichelt sie.
EVA
Es tut mir so leid... Ich wusste
nicht, dass es deine ist...
Steffen blickt Eva an, setzt die Katze ab und umarmt dann
sie. Eva weiß kaum, wie ihr geschieht. Im ersten Moment
scheint sie ihn abwehren zu wollen, dann lässt sie sich
darauf ein, als täte ihr die Umarmung gut.
STEFFEN
Danke, danke, danke! Ich hätte nicht
gedacht, dass es noch Leute gibt, die
so lieb an andere denken!
Eva nickt knapp - und ihr selbst steigen Tränen in die Augen.
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG
Hendrik blättert in einer Zeitung, weitere Wohnungsanzeigen.
Bemerkt plötzlich Sophie neben sich, schlägt die Zeitung zu.
Papa?
SOPHIE
Haben Mark und Eva Streit?
66.
HENDRIK
Fehlt sie Dir? Sie is' wegen ihrer
Arbeit weg.
SOPHIE
Achso. Ich dachte nur, weil er so
komisch geguckt hat. Also, als er
aus Evas Zimmer kam.
HENDRIK
Mark war in Evas Zimmer?
Wann?
SOPHIE
Gestern Nachmittag. Er ist in ihr
Zimmer gegangen und wieder raus
gekommen und hat komisch geguckt.
Dabei dachte ich, Eva war draußen.
Hendrik starrt Sophie an.
In ihm rattert es.
AUSSEN - FUSSBALLPLATZ - TAG
Mark, Hendrik und ihr TEAM beim Training. Hendrik läuft
mit dem Ball auf das gegnerische Tor zu, nur ein Spieler
und Torwart noch im Weg. Mark neben ihm frei, hebt den
Arm, Hendrik sieht ihn...
... passt aber nicht, schießt selbst.
Hey!
Weit am Tor vorbei.
MARK
Ich stand frei, Mann!
Hendrik ignoriert ihn, läuft zurück.
Mark folgt ihm.
MARK
Was ist dein Problem?
HENDRIK
Ich hab keins.
MARK
Dann gib mir die Pille!
HENDRIK
Hol sie Dir nächstes Mal halt selbst!
Du machst ja eh, was Du willst, ohne
Rücksicht auf Verluste!
(re: Blick)
Scheiße, ich weiß, was Du getan hast!
Eva so zu hintergehen...
Der Ball fliegt über ihre Köpfe hinweg, aber weder Mark noch
Hendrik schenken ihm Beachtung.
MARK
Sagt ja der Richtige...
HENDRIK
Ich hintergeh niemanden.
67.
MARK
Sophie und ich sind niemand? Oder
weiß sie, dass Du in der Stadt nach
Wohnungen suchst?
Boah, ey!
HENDRIK
Du spionierst mir nach?!
Der Ball fliegt direkt auf Mark zu, der lässt ihn zum Unmut
seiner Mitspieler nur abprallen, kickt ihn zur Seite.
MARK
Nicht nötig, Du bewahrst Geheimnisse
so gut wie Du Fußball spielst. Aber
uns für Dich arbeiten lassen...
HENDRIK
Ich hab mich umgeguckt, mehr nich',
aber ich will meiner Tochter eine
Perspektive bieten.
MARK
Und das kannst Du bei uns nicht?
HENDRIK
Mein Gasthof is' pleite, Mark, und
wir leben in 'ner Glasglocke. Ich
versuche, das Beste zu tun. Du -MARK
Ja? Was mache ich, Hendrik? Eva
kenne ich seit ein paar Tagen und
wir sind nicht ja einmal ernsthaft
befreundet. Das ist was anderes.
Mark blickt sich suchend nach dem Ball um, will weiter
spielen, doch Hendrik packt ihn am Trikot, hält ihn fest.
HENDRIK
Jau. Was Du machst ist hinterhältig,
falsch und kann sie ihren Job kosten!
MARK
Oder eine Million Menschen vor einer
Menge Probleme bewahren.
HENDRIK
Is' das deine Rechtfertigung? Soll
ich Dir was sagen, Mark? Ich finde
das Internet genial und ich wäre der
erste, der sich DSL holt, wenn es zu
uns käme!
MARK
Dann hilf ihr doch! Wenn Du damit
alles kaputt machen willst.
HENDRIK
Scheiße, Mann, komm ma' runter, ich
bin nicht deine Schwester!
68.
Mark starrt ihn entsetzt und wütend an. Dann dreht er sich
ohne ein weiteres Wort herum und verlässt den Platz.
INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG
Eva steht Kevin gegenüber, erstattet Bericht:
EVA
Mitteilung raus und User informiert,
Presse aufgeklärt, um keine Gerüchte
aufkommen zu lassen. Schulterklopfen
können wir natürlich nicht erwarten,
aber die Panik dürfte vorbei sein.
KEVIN
Ich sag sowas nicht gerne, aber: Das
war good work, Eva. Jetzt weiter so:
Überzeugen Sie diese Dorf-Fucker!
EVA
Ist das wirklich noch nötig?
KEVIN
Ich hatte einen Freund, David -EVA
Ich weiß, der Golfer.
KEVIN
Dann kennen Sie meine Antwort: Ich
lasse mich nicht in den Arsch ficken,
erst recht nicht von gottverdammten
Dorfis! Sie haben fünf Tage.
INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - GASTHOF KLEWE - TAG
Eva fährt durch das Dorf und sieht Hendrik mit einem "Pro
DSL"-Shirt vor dem Gasthof stehen. Um ihn ein paar Bürger,
mit denen er diskutiert. Eva runzelt die Stirn.
Eine Internet-Broschüre wechselt den Besitzer; eine Hand
reicht sie an die nächste weiter. Die Broschüre wird nun
aufgeschlagen, Infos über DSL, Geschwindigkeiten, WLAN...
HENDRIK
Wenn sich nichts ändert, bin ich bald
pleite. Sollten wir keinen Schritt
nach vorne wagen, wenn es uns nicht
voranbringt, auf der Stelle zu treten?
ERIKA
Und was hält Mark davon?
HENDRIK
Mark, Mark, Mark! Wir sind das
Dorf, wir entscheiden!
Erika betrachtet die Broschüre, nickt zögerlich. Weitere
Bewohner kommen vorbei, Hendrik läuft auf sie zu und hält
ihnen die Broschüren hin. Und ein, zwei nehmen an...
69.
AUSSEN - MARKS HOF - TAG
Eva fährt auf den Hof zu... und sieht die Wollpulliträger
vor der Einfahrt stehen, Fotos knippsen, sich unterhalten.
Als sie Eva bemerken, huschen sie davon.
Eva stellt ihr Auto ab, steigt aus, blickt den Wollpullis
nach. Mark kommt auf dem Stall, sieht sie verwundert und
geht auf sie zu.
EVA
Du guckste! So leicht wirst Du mich
nicht los. -- Findest Du das schade?
MARK
Mir wäre es lieber, Du wärst aus
anderen Gründen hier.
EVA
Zum Beispiel?
MARK
Jeder andere Grunde wäre mir lieber.
Sie blicken sich in die Augen, lächeln, dann deutet Eva mit
einer Kopfbewegung auf die Wollpullis.
EVA
Schon das dritte Mal, dass ich die
sehe. Kennst Du die?
(re: Kopfschütteln)
Lust auf'n Spiel?
AUSSEN - DORF - TAG
Die Pulliträger gehen durch das Dorf und gucken sich um.
Mark und Eva folgen ihnen in sicherem Abstand, huschen von
Ecke zu Ecke, verstecken sich mal hinter Litfaßsäulen, mal
in Hauseingängen.
MARK
Vielleicht sind es nur Touristen.
EVA
Die sich hier zu Euch verirrt haben?
Fünfzig Mal falsch abgebogen oder wie?
Die Pulliträger verschwinden hinter einer Ecke, Mark und Eva
laufen ihnen nach und stehen auf dem:
MARKTPLATZ
Die Pulliträger gehen vor ihnen, gucken sich um... und Mark
und Eva gehen die Versteckmöglichkeiten aus.
Mist.
MARK
Ich war nie gut im Verstecken.
Sie blicken sich um, Eva packt Mark an der Hand und zieht
ihn mit sich in eine Telefonzelle.
70.
Sie quetschen sich rein und schließen die Tür hinter sich,
stehen dicht an dicht...
... und die Pulliträger gehen weiter, haben sie zum Glück
nicht bemerkt. Mark und Eva blicken sich in die Augen, sie
können den Atem des anderen spüren... und müssen lachen.
MARK
Was tun wir hier?
EVA
Ich weiß auch nicht.
mir Spaß... mit Dir.
Aber es macht
Mark blickt ihr in die Augen, erkennt, dass sie es meINNEN Sie sehen die Pulliträger die Kirche betreten.
EVA
Hast Du was zu beichten?
INNEN - KIRCHE - TAG
Die Pulliträger begutachten den Altar, deuten auf diverse
Gemälde, schauen sich aufmerksam um. Mark und Eva betreten
die Kirche leise, steuern auf sie zu... und sofort verstummt
das Gemurmel.
MARK
Du hast Recht, die verhalten sich
mehr als merkwürdig. Wir müssten
sie irgendwie abhören können...
Eva überlegt einen Augenblick - und strahlt dann. Sie geht
in die vorderste Bankreihe, greift in ihre Tasche, fummelt
an etwas herum und kehrt dann zu Mark zurück.
Und nun?
MARK
Sie hakt ihn bei sich unter, führt ihn zur Tür.
EVA
Geduld ist eine Tugend!
AUSSEN - KIRCHE - TAG
Mark und Eva stehen vor dem Eingang, warten.
MARK
Viel Stress wegen der Datensache?
EVA
Ich kann mich wehren, Mark, ich bin
ein großes Mädchen und es ist nicht
meine Schuld, dass es rausgekommen
ist. Ihr seid das echte Problem!
Mark nickt knapp und die Pulliträger kommen wieder aus der
Kirche. Kaum sind sie weg, huschen Mark und Eva hinein.
71.
INNEN - KIRCHE - TAG
Eva steuert auf die erste Sitzreihe zu und holt ihr Handy
unter der Bank hervor. Sie zeigt es Mark und grinst breit:
Die Aufnahme-Funktion ist aktiviert.
EVA
Und da sag noch einer, die Dinger
seien nicht nützlich!
MARK
Stimmt, Privatdetektive dürften
inzwischen alle arbeitslos sein.
EVA
Dass Du immer das Negative siehst!
Eva drückt auf Abspielen, sie warten... und hören Stimmen:
PULLITRÄGER #1 (V.O.)
Die fette Maschine ist gelockt.
Das Fleisch wird es uns danken.
PULLITRÄGER #2 (V.O.)
Können die Totenköpfe sie umpolen?
PULLITRÄGER #1 (V.O.)
Ihre Absicht ist eindeutig. Das
Land wird uns gehören.
Eva muss lachen: Was ist das für ein Quatsch?
Gesicht ist ernst.
Doch Marks
INNEN - MARKS HOF - KÜCHE - TAG
Wir hören erneut die Stimmen aus dem Handy, doch darüber:
JENNIFER (O.S.)
Du hast Recht, das ist die Sprache
einer Sekte.
Wir sehen nun, Jennifer, Eva und Mark, die bei Kakao um den
Tisch herum sitzen. Jennifer gibt Eva das Handy zurück.
EVA
Solche Klamotten kann man auch nur
tragen, wenn man nicht mehr ganz in
dieser Welt ist. Was bedeutet das?
Die fette Maschine...
JENNIFER
Eine Maschine ist ein Unerleuchteter.
Also ein dicker Mann. Rolle?
EVA
Und "Das Land wird uns gehören?"
Für was kann das Code sein?
JENNIFER
Allmachtsphantasien.
72.
Mark brummt, Eva und Jennifer blicken Mark fragend an.
MARK
Vielleicht ist es gar kein Code.
Wir müssen mehr über diese Sekte
herausfinden.
INNEN - MARKS HOF - KELLER - TAG
Zeitschriften über Zeitschriften. Ganze Kartons voll. Um
Mark, Eva und Jennifer herum liegen drei dutzend geöffnete
und durchgeblätterte Magazine, sie alle sitzen auf jeweils
einem Karton und überfliegen das Inhaltsverzeichnis.
Nach einem Moment wirft Mark seine Zeitschrift weg, will
zur nächsten greifen, hält jedoch inne. Blickt Eva an.
MARK
Das dauert zu lange.
Sie erwidert seinen Blick fragend.
AUSSEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG
Mark und Eva steigen aus ihrem Auto aus, Eva ihren Laptop
unter dem Arm, sie gehen auf die Raststätte zu. Eva kann
sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen.
INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG
Mark und Eva sitzen an einem Tisch, vor ihnen ihr Laptop.
Darauf ist die Website der Sekte zu sehen, psychedelische
Musik schallt aus den Lautsprechern.
EVA
Mann, sind das Spinner. Die Welt
wird bald enden und wiedergeboren,
alle Regierungen haben sich gegen
die Menschheit verschworen, Chemie
wird von Flugzeugen versprüht, um
unsere Gedanken zu steuern...
MARK
Sie planen den Bau eines neuen
Erleuchtungszentrums und suchen
einen Standort dafür. Kannst Du
das mal googlen?
Eva betrachtet Mark leicht irritiert von der Seite, tut das
aber. Mehrere Zeitungsberichte erscheinen.
EVA
Sie hatten mehrere Städte im Auge,
aber die haben abgelehnt...
Eva klickt einen der Artikel an... und ein Foto des Mann in
Schwarz erscheINNEN - Eva und Mark reißen die Augen auf.
EVA
Das ist doch...
73.
MARK
... Robert Lack. Hier steht, er
ist sowas wie ihr Guru.
Eva und Mark blicken sich an - und verstehen.
AUSSEN - SCHULE - SCHULHOF - TAG
Sophie geht mit ihrem Tornister auf dem Rücken über den
Schulhof in Richtung Dorf, hüpft, als:
MANN IN SCHWARZ (O.S.)
Hallo, meine Kleine!
Sophie blickt zur Seite und sieht den Mann in Schwarz auf
sie zukommen. Er kniet sich vor sie.
MANN IN SCHWARZ
Wie heißt Du?
(re: Schweigen)
Das ist klug. Du bist clever. Nie
mit Fremden reden. Das hast Du gut
gelernt. Aber wir werden uns bald
öfter sehen. Ist das schön?
SOPHIE
Du ziehst hierher?
MANN IN SCHWARZ
Oh, man könnte sagen, es zieht mich
hierher. Im weitesten Sinn.
SOPHIE
Du bist komisch.
Sophie mustert ihn stirnrunzelnd, geht weiter.
Schwarz lacht, steht auf und folgt ihr.
Der Mann in
MANN IN SCHWARZ
Magst Du Religionsunterricht? Blöde
Frage, ich hab den auch gehasst. Aber
was, wenn es etwas Besseres gäbe?
SOPHIE
So wie Kunst?
MANN IN SCHWARZ
Genau, so wie Kunst. Lass mich Dir
etwas mitgeben, zum Lesen. Du kannst
doch lesen, oder? Natürlich kannst
Du das!
Er zückt einen Stapel Pamphlete, drückt ihr eins in die
Hand. Überlegt dann und gibt ihr alle.
MANN IN SCHWARZ
Weißt Du was? Ein so kluges Mädchen
wie Du hat bestimmt viele Freunde.
(MEHR)
74.
MANN IN SCHWARZ (WEITER)
Verteil sie mal an sie - und ihre
Eltern, hm? Das würde mich sehr,
sehr glücklich machen.
Er lächelt sie an, streichelt ihr über den Kopf und geht
davon. Sophie blickt ihm nach, beäugt misstrauisch die
Zettel in ihrer Hand.
MARK (PRE-LAP)
Das darf nicht wahr sein!
ROLLE (PRE-LAP)
Es darf nicht, aber es muss.
AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG
Mark und Rolle stehen neben Limousine und Trekker, vor ihnen
das brachliegende Feld, ernste Mienen. Rolle drückt Mark eine
Mappe in die Hand, der schlägt sie auf: Rote Zahlenkolonnen.
MARK
Ach, komm, pleite ist doch jeder!
ROLLE
Mark, wir können es uns nicht einmal
leisten, die Laternen nachts brennen
zu lassen. Und das mit einem TopUnternehmer wie mir an der Spitze das sollte Dir zu denken geben. Ich
hab jeden Trick, jede Verbindung
ausgeschöpft. Keine Chance.
Mark wirft die Mappe verärgert in Rolles Limousine zurück.
MARK
Zehntausend Euro mehr oder weniger
helfen uns dann auch nicht weiter.
ROLLE
Häng zwei Nullen an und Du bist
näher dran!
(re: Staunen)
Hab Euch gesagt, ich hab einen ganz
großen Fisch an der Angel. Aber da
wusste ich noch nicht, mit wem ich
es zu tun habe, sonst hätte ich nie
mit denen gesprochen.
Mark muss sich setzen, lässt sich das durch den Kopf gehen.
MARK
Ist Dir klar, was man unter einem
"Erleuchtungszentrum" versteht?
ROLLE
Mark, ich versuche seit Jahren für
uns Investoren zu finden, aber kein
Schwein hat Interesse daran.
75.
MARK
Jetzt hast Du Schweine gefunden.
ROLLE
Wir werden sie schon irgendwie aus
unserem Dorf raushalten.
MARK
Dieser Guru war in der Schule, Rolle!
Er hat Sophie angequatscht!
ROLLE
Mark, dieses Feld liegt seit Jahren
brach. Entweder ich verkaufe es an
die Heckenpenner und unsere Zukunft
ist auf Jahre hinweg gesichert, oder
wir können einpacken. Ich wünschte,
ich hätte eine Wahl, aber ich hab
sie einfach nicht.
(Pause)
Am Wochenende unterzeichnen wir die
Verträge. Dir bleiben drei Tage, um
deine Ersparnisse vom Konto zu holen
und das Land selbst zu kaufen.
INNEN - MARKS HOF - WOHNZIMMER - NACHT
Mark und Eva sitzen am lodernden Kamin. Er starrt ins
Feuer, sie blickt ihn nachdenklich von der Seite an.
EVA
Kopf hoch, wir haben noch Zeit!
MARK
Eva, meine Ersparnisse belaufen sich
auf, lass mich nachdenken, 900 Euro?!
Eva liegt was auf den Lippen, aber sie zögert, es zu sagen.
Ihr Blick fällt auf den alten Filmprojektor im Schrank.
EVA
Kennst Du diese alten Filme, die
sie früher in der Schule gezeigt
haben, in Bio und Erdkunde? Von
wann waren die wohl? 70er-Jahre?
MARK
Jaja, so sieht's heute bei uns auch
noch aus, blah-blah!
EVA
Nein, ich fand die toll. Echt! Das
Grobkörnige, diese Flackern und die
gebleichten Farben. Damals hab ich
mir gewünscht, ich wäre zwanzig Jahre
früher geboren... und erst als ich
erwachsen war, ist mir klar geworden,
dass die Welt damals überhaupt nicht
anders aussah. Es war nur der Film,
der sie so hat wirken lassen...
76.
MARK
Ich weiß, wie das Internet ist, Eva,
ich hab nicht nur ein diffuses Bild
vor Augen. Ich weiß, wovon ich rede.
EVA
Aber woher, Mark?
Woher?
MARK
Musst Du nicht noch wohin?
"Zivilisation"?
Nicht mehr.
In die
EVA
Mark nimmt das auf, positiv überrascht, ringt mit sich.
MARK
Du willst online nach einem Käufer
für das Land suchen?
EVA
Es wäre eine Möglichkeit, die Rolle
noch nicht ausgeschöpft hat. Sieh's
so, Mark, was kann schon passieren?
Entweder wir finden jemanden - oder
es tanzen bei Euch demnächst die
Gehirnwäscher auf den Tischen.
Mark nickt, steht auf und verschwindet in die Küche. Eva
steht auf, guckt sich um, ihr Blick fällt auf die Schränke.
Sie entdeckt mehrere alte Fotos von Feiern, der Schule, als
sie noch besser aussah. Kinder, die Brettspiele spielen,
Fußball, miteinander basteln.
Mark kommt mit zwei Bierflaschen zurück, Eva nimmt ihm eine
ab. Sie setzen sich wieder auf's Sofa, trinken, dann:
MARK
Warum bist Du hierher gekommen?
EVA
Uh, wenn Du mich loswerden willst,
ich kann auch -MARK
Ins Dorf. Ich weiß, Ihr brauchtet
Presse. Aber warum wir?
EVA
Vielleicht wollte ich Euch wirklich
etwas Gutes tun? -- Okay, vielleicht
wollte ich Dir auch nur beweisen, dass
Ihr nicht wisst, was Ihr verpasst. Mir
hat immer etwas Angst gemacht, was ich
nicht verstanden hab.
Das Wohnzimmer wird von einem Blitz erhellt, Eva und Mark
blicken aus dem Fenster... und es beginnt zu schütten.
77.
EVA
Na, super, und ich bin zu Fuß hier.
INNEN - MARKS HOF - GÄSTEZIMMER - NACHT
Mark und Eva treten ein, er schaltet das Licht an - und der
Raum sieht fast genauso aus wie Evas Zimmer im Gasthof. Sie
wischt über den Nachttisch: Kein Staub.
EVA
Man könnte meinen, Du wärst darauf
vorbereitet gewesen.
MARK
Könnte man - wenn man nicht wüsste,
dass Jennifer einen Putzfimmel hat.
EVA
Richtig. Zahnbürste und sowas hab
ich jetzt natürlich auch nicht...
MARK
Wenn Du ein Shirt brauchst, Jennifer
hat reichlich.
EVA
Nicht nötig, in der Stadt schlafen
wir Frauen alle nackt.
Mark zieht die Augenbrauen hoch, was Eva zum Grinsen bringt.
Sie geht auf Mark zu, gibt ihm einen Kuss auf die Wange.
EVA
Schöne Träume!
INNEN - MARKS HOF - SCHLAFZIMMER - MORGEN
Der Wecker klingelt. Mark liegt in seinem Bett, dreht sich
zur Seite, schlägt auf den Wecker: 5:00 Uhr. Müde steigt er
aus dem Bett.
INNEN - MARKS HOF - FLUR - MORGEN
Angezogen geht Mark die Treppe runter, leise, versucht nicht
auf die knarrenden Stufen zu treten.
AUSSEN - MARKS HOF - MORGEN
Mark steuert zu auf den:
SCHWEINESTALL
Und sieht zu seiner Überraschung Jennifer, die schon die
Schweine füttert, ...
JENNIFER
Warum bist Du so spät?
... und Eva, die einen Stall ausmistet, dieses Mal richtig
mit anpackt. Mark blinzelt: Bin ich wach oder träume ich?
78.
EVA
Du kannst uns schon mal ein schönes
Frühstück machen, wenn Du willst!
Mark schaut sie an, verwundert, aber es liegt etwas mehr in
seinem Blick: Schuld. Als Eva zu ihm schaut, wendet er sich
ab und verschwindet kopfschüttelnd wieder.
JENNIFER
Wir hätten ein Foto von seinem
Gesicht machen sollen.
EVA
(lacht, dann:)
Du hast meine Frage nie beantwortet.
Warum wohnst Du bei deinem Bruder?
JENNIFER
Magst Du ihn? Mark?
EVA
Ich -- Äh -- Schon. Denke ich.
Wenn ich ihn besser kennen würde.
JENNIFER
Er hat mir das Leben gerettet.
Was?
EVA
Das höre ich zum ersten Mal.
JENNIFER
Ich weiß nicht, ob er es weiß...
Mark ist lieb. Du brauchst keine
Angst vor ihm zu haben. Wirklich.
Eva betrachtet Jennifer nachdenklich und nickt dann.
INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG
Eva sitzt gelangweilt vor ihrem Laptop, liest eine Mail von
Kevin: "Sie haben noch 48 Stunden!"
Sie schließt die Mail, hat null Bock, hier zu sein, bis sie
den Betreff einer neuen Mail liest: "Investment".
Eva macht große Augen und klickt die Mail freudig an.
INNEN - MARKS HOF - WOHNZIMMER - NACHT
Mark, Eva und Hendrik stoßen mit Sekt an, Mark und Hendrik
gehen sich allerdings aus dem Weg. Jennifer hält ein Glas
Wasser in der Hand, Sophie O-Saft.
MARK
Großartig! Wirklich. Damit hätte
ich nicht gerechnet. So schnell...
HENDRIK
Und wem haben wir das zu verdanken?
79.
Eva!
SOPHIE
HENDRIK
Und wem noch?
Evas Idee...
MARK
HENDRIK
... mit dem Internet.
Rolle schon davon?
Genau!
Weiß
EVA
Morgen, ich wollte es erst Euch sagen!
HENDRIK
Was haben diese Investoren vor?
EVA
Sie wollen das Land wirtschaftlich
nutzen, vielleicht entstehen dabei
sogar neue Arbeitsplätze.
Klingt gut!
MARK
Sie prosten sich erneut zu, trinken.
der lächelt zurück.
Eva lächelt Mark an,
SPÄTER
Die Stimmung ist ausgelassen, Mark und Eva sind angetrunken.
EVA
Mit dem Geld könntet Ihr sogar die
Ruine herrichten.
MARK
Und wieder eine Bühne daraus machen.
Ich war als Kind einmal da - und ich
fand's toll!
JENNIFER
So toll, dass Du einen Monat lang
Balletttänzer werden wolltest.
Mark wirft Jennifer einen bösen Blick zu.
auf, geht dann auf Mark zu. Leise:
Eva lacht laut
EVA
Weißt Du, worauf ich Lust hätte? -Deine kleinen Ferkel zu sehen - die
waren so süß!
INNEN - MARKS HOF - SCHWEINESTALL - NACHT
Eva kniet neben den Ferkeln im Halbdunkeln, streichelt sie.
Mark beobachtet sie, muss leise lachen.
80.
MARK
Vor zwei Wochen wolltest Du sie noch
nicht einmal füttern.
EVA
Vor zwei Wochen hatte ich nicht alle
Tassen im Schrank.
(Pause)
Es ist komisch, ich hab mich immer
für einen aufgeschlossenen Menschen
gehalten. Ich dachte, das Internet
würde offen und tolerant machen...
Das Ferkel nuckelt an ihrem Finger, Eva muss kichern.
EVA
Aber ich hab das Gefühl, man wird
eher engstirniger. Je mehr Infos
wir kriegen, desto mehr packen wir
sie in Schubladen, um sie überhaupt
verarbeiten zu können.
Sie steht auf, tritt aus der Box, zu Mark.
EVA
Ich hab hier echt viel gelernt.
Euch. Von Dir.
Von
Mark nickt knapp, wirkt ausweichend, doch Eva tut genau das
Gegenteil. Sie kommt auf Mark zu - und küsst ihn auf den
Mund. Er zögert einen Augenblick und erwidert ihren Kuss.
MARK
Vielleicht sollten wir reingehen.
EVA
Du willst Zuschauer?
Du kleine Sau!
Sie zieht sein Hemd aus der Hose, er knöpft ihre Bluse auf,
sie schiebt ihn in eine leere Schweinebox. Alles, was wir
noch hören, ist ein Quieken.
SPÄTER
Mark und Eva liegen nackt unter einer Decke im Stroh, um sie
herum die Schweine, vereinzelt hören wir ein Grunzen. Eva
blickt ihm in die Augen, streichelt ihm durch's Haar... und
muss lachen. Mark fährt sich irritiert durch's Gesicht.
EVA
Nein, Du hast da nichts, es ist
bloß -- Ich hätte nie gedacht, dass
ich hier jemanden finden würde, in
den ich mich -- Mit dem ich -MARK
Du wolltest keinen Dorftrottel.
Sie haut ihm spaßig auf die Brust.
81.
EVA
Ich hab mir immer wahnsinnig viele
Gedanken gemacht. Wen ich will, was
er für einen Job haben darf, was er
für Hobbys haben soll. Und ich hab
mich im Internet immer im Voraus
informiert und, naja, aussortiert.
MARK
Wer weiß, wie viele gute Du dadurch
verpasst hast!
EVA
Ja, ich muss jetzt alle nochmal von
vorne durchgehen.
MARK
Wie kommt man auf sowas? Jemanden
nicht im Gespräch kennenlernen zu
wollen, sondern aufgrund von...
irgendwelchen Steckbriefangaben?
Eva weicht seinem Blick aus, ringt mit sich. Es fällt ihr
schwer, sich zu öffnen. Mark dreht ihr Gesicht sanft wieder
zu sich - und sie hat feuchte Augen.
EVA
Ich -- Ich war zwei Jahre lang mit
einem Mann zusammen. Daniel. Wir
hatten uns in einem Club getroffen,
ich wusste nichts über ihn - aber
wir haben uns von Anfang an perfekt
verstanden. Es war wie ein Traum;
nach drei Monaten hätte ich ihn am
liebsten geheiratet. Er war immer
recht verschlossen, aber nicht auf
eine unangenehme Art - mysteriös.
Ich fand das aufregend...
Ihre Stimme versagt, sie schluckt und presst die Lippen
zusammen. Mark greift nach ihrer Hand, streichelt sie.
MARK
Er hat Dich betrogen.
EVA
Wenn's nur das wäre. Eines Tages -Ich hab mir sein Handy geschnappt,
um etwas im Internet nachzugucken.
Das rede ich mir zumindest ein. -Eine SMS poppte auf dem Bildschirm
auf... von seiner Ehefrau.
MARK
Und Du hast nichts gemerkt?!
EVA
Mark, ich bin nicht -- Er hat es
perfekt gemacht.
(MEHR)
82.
EVA (WEITER)
Pendelte zwischen zwei Städten, er
hatte eine zweite Wohnung, nur für
uns, er hat sein Umfeld getrennt.
Ich hatte immer meine Arbeit im
Kopf. Vielleicht wollte ich es
nicht merken.
Er wischt ihr die Tränen weg, sie lächelt ihn an.
EVA
Ich weiß, ich bin übervorsichtig,
aber wenn mir das nochmal passieren
würde -- Ich will einfach -- Ich
will nie wieder angelogen werden.
Von einem Mann. Von niemandem.
Marks Blick ist starr, Eva blickt ihn fragend an.
Brr!
MARK
Wir sollten reingehen.
Eva lächelt, setzt sich auf ihn.
EVA
Ich krieg Dich auch so warm!
AUSSEN - MARKS HOF - SCHWEINESTALL - MORGEN
Eva liegt schlafend im Stroh... bis sie von lautem Geklapper
geweckt wird. Sie öffnet die Augen, setzt sich auf und sieht
Mark - in Arbeitsklamotten - die Schweine füttern.
EVA
Soll ich Dir helfen?
Er deutet fragend auf ihren nackten Körper.
EVA
Eine nackte Sau mehr oder weniger...
AUSSEN - MARKS HOF - MORGEN
Eva - in Slip, T-Shirt und Schuhen, die Hose über den Arm
gelegt - eilt auf's Haus zu. Jennifer kommt ihr entgegen,
mustert sie... und geht wortlos an ihr vorbei.
EVA
Kein Spruch zu meiner Hose?
JENNIFER
Du hast keine an.
Sagt's und geht in den Schweinestall weiter.
Eva lächelt.
INNEN - MARKS HOF - BAD - TAG
Eva steht unter der Dusche, dreht dann das Wasser ab und
tritt heraus. Greift zu einem Handtuch, trocknet sich ab.
Blickt sich um, sucht nach einem Fön. Nicht zu sehen.
83.
Sie öffnet eine Schublade im einzigen Schrank des Bads:
Rasierer, Deo, Duschgel, aber kein Fön.
Eva geht zur Tür, öffnet sie.
Mark?!
EVA
Hast Du einen Fön?!
INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG
Eva - angezogen, aber mit nassen Haaren - geht durch die
Diele, guckt sich suchend um. Jennifer kommt zur Tür rein.
Hey.
EVA
Habt Ihr einen Fön?
JENNIFER
In meinem Bad ist einer.
EVA
Darf ich den haben?
JENNIFER
Nein.
EVA
Benutzen?
Von mir aus.
JENNIFER
EVA
Danke. -- Und wo ist dein Bad?
INNEN - MARKS HOF - JENNIFERS BAD - TAG
Eva steht vor in dem kleinen Bad vor einem Spiegel, fönt
sich ihr Haar. Die Tür zum Flur steht offen...
... und wir hören das Telefon klingeln. Eva schaltet den
Fön aus, blickt raus in die Diele, sieht das Telefon auf
einer Kommode stehen.
Jennifer?
Keine Antwort.
EVA
Mark?
Eva zögert, geht dann aber in die...
DIELE
... guckt sich um und nimmt den Hörer ab.
Hallo?
EVA
KEVIN (V.O.)
Wer spricht da?
EVA
... wer spricht da?
84.
KEVIN (V.O.)
Derjenige, den Sie verraten haben! -Ja, da staunen Sie, hä, wie dämlich
muss man sein, von zu Hause bei der
Presse anzurufen?! Anonym my ass!
Und jetzt hören Sie mir mal zu, Sie
fucking Cunt, ich weiß noch nicht,
wer Sie sind, aber ich und Connect
werden es checken und dann -Schnell legt Eva den Hörer auf. Starrt das Telefon an.
Huh? Ihr Blick fällt auf die Kommode: Darauf ein Zettel
mit einer Telefonnummer. Eva guckt sie an. Erkennt sie.
Und ihre Gesichtszüge entgleisen ihr.
INNEN - MARKS HOF - KÜCHE - TAG
Jennifer deckt den Tisch für drei Personen, Mark schneidet
frisches Brot. Im Hintergrund läuft ein Radio.
JENNIFER
Wir müssen reden, Mark.
MARK
Tun wir das nicht?
JENNIFER
Ich meine richtig, wir -Eva steckt ihren Kopf zur Tür herein, Jacke an.
EVA
Hey, hab gerade 'nen Anruf bekommen,
ich muss los. Wir sehen uns, ja?!
Und bevor Mark oder Jennifer etwas sagen können, geht sie
nach draußen. Durch ein Fenster sehen wir Eva in ihren
Wagen einsteigen und abfahren.
JENNIFER
Mark? Wie genau hat sie hier einen
Anruf bekommen?
AUSSEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG
Eva steigt aus ihrem Auto aus, das Handy schon am Ohr, den
Laptop in der Hand, steuert auf den Eingang zu.
EVA
Jürgen, Sie sollen nur nachgucken,
ob er beim Fernsehen angerufen hat
und wann, verdammte Scheiße!
Sie wartet, hört zu... und ihr Gesicht sagt alles.
INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG
Eva sitzt an ihrem üblichen Platz, den Laptop vor der Nase,
Caro auf dem Bildschirm, die sich die Nägel feilt - heute
noch desinteressierter wirkt als sonst.
85.
EVA
Mark hat mich von vorne bis hinten
belogen. Er hat heimlich meine EMails gelesen und alles der Presse
verraten! So ein Arschloch!
Sie greift zu einer Tasse Espresso, die neben ihr steht und
trinkt ihn in einem Zug aus. Atmet tief durch.
CARO
Was lässt Du deinen Laptop auch
ohne Passwort offen rumstehen?
EVA
Das ist doch scheißegal, ich hätte
nie -- Worauf hab ich mich da bloß
eingelassen? Wie konnte ich denken,
einer wie er, von dem ich nicht das
Geringste weiß -- Scheiße! Ich war
immer so vorsichtig.
Sie blickt Caro an, erwartet eine Antwort, doch die feilt
weiter an ihren Nägeln herum.
Hallo?
EVA
Hörst Du mich?!
CARO
Heute schon.
(re: Blick)
Du hast Dich seit Tagen nicht bei
mir gemeldet, Eva, sonst quatschen
oder schreiben wir jeden Tag -EVA
Caro, Du weißt doch, was passiert
ist, ich musste arbeiten.
CARO
Wenn Beinebreitmachen jetzt schon
deine Arbeit ist...
Ein paar ELTERN und KINDER, die in der Nähe sitzen, drehen
sich zu Eva um, mustern sie missbilligend / neugierig.
EVA
Geht's noch?! Wir kennen uns seit dem
Studium und jetzt kommst Du mir so?!
Caro wirft wütend die Feile weg.
CARO
Ich hatte hier echt Probleme, Eva,
ich hätte deinen Rat gebrauchen, aber
Du, Du warst zu beschäftigt.
EVA
Was für Probleme? Sag schon, Caro,
ich wusste doch nicht, dass es was
Ernstes ist. Los, erzähl! Bitte!
86.
CARO
Der Kerl ist nicht gekommen. Aus
dem Buchladen? Wir haben nach dem
Date gevögelt, aber er ist nicht
gekommen. Ich hab alles versucht!
Eva blinzelt: Meint sie das ernst?
CARO
Na, super, Du erinnerst Dich nicht
mal mehr an ihn, oder? Du bist echt
'ne tolle Freundin, Eva...
Ungläubig klappt Eva ihren Laptop zu.
Ihr Handy klingelt. Sie geht ran.
Was?!
Atmet tief durch.
EVA
KEVIN (V.O.)
Eva? Hier ist Kevin. Sie wissen
schon, Ihr Boss? -- Haben Sie ein
Resultat für mich oder bin ich die
längste Zeit Ihr Boss gewesen?
INNEN - METZGEREI - VERKAUFSRAUM - TAG
Die Türglocke schellt, Eva tritt ein. Rolle steht selbst
hinter der Theke und sortiert seine Auslage neu.
ROLLE
Sie schon wieder. Beinahe könnte
man annehmen, es gefällt Ihnen in
unserem schönen Wieselbach.
EVA
Ich bin rein geschäftlich hier.
Wie schön!
ROLLE
Was darf's also sein?
Eva spielt mit, lässt ihren Blick schweifen:
EVA
Brötchen mit Leberwurst.
ROLLE
Meine Hilde hat vorhin geschmiert die Wurst tut mir jetzt noch leid!
Er verschwindet im Hinterzimmer. Eva betrachtet unruhig die
Fahrräder. Rolle kommt mit einer Platte Brötchen zurück.
EVA
Ich bin immer mit dem Rad zur Schule
gefahren. Besonders im Winter war
das toll, bei Eis und Schnee. Hab
mir den Arm gebrochen. Das letzte
Mal, als ich sechzehn war. Also
gefahren, nicht den Arm gebrochen.
87.
ROLLE
Und gerade wollte ich sagen: "Das
ist wie mit Radfahren, das verlernt
man nicht!" Hahahaha!
Köstlich.
EVA
ROLLE
Wie meine Brötchen.
Zwei?
Eva zuckt mit den Schultern, Rolle packt zwei Brötchen ein.
EVA
Ich glaube nicht, dass Sie wirklich
gegen die DSL-Leitung sind. Sie sind
Geschäftsmann, Herr Weber, Sie wissen
was Sie hieraus machen könnten, wenn
Sie mehr Ressourcen hätten.
Sie beobachtet Rolles Reaktion. Hat sie bei ihm eine
Chance? Rolle schaut sich in seinem Laden um, scheint
nicht ganz zu wissen was sie meint, überspielt es aber.
ROLLE
Natürlich! Aber die Probleme mit
der Sicherheit und die Kosten...
EVA
Es gibt Sicherheitsprogramme und die
Kosten übernimmt meine Firma. Das
ist eine Win-Win-Situation für Sie.
Herr Weber, Sie als Mann von Welt,
Sie erkennen eine Gelegenheit, wenn
Sie vor Ihnen liegt!
Rolle lächelt geschmeichelt, scheint leicht zu erröten.
ROLLE
In der Tat! Meine Hilde hat einen
Bruder in Dänemark, er schickt uns
manchmal Fotos. Ich kenn die Welt.
EVA
Stellen Sie sich vor, sie könnten
per Videochat miteinander reden,
sich dabei sogar sehen. Das würde
Ihrer Hilde doch bestimmt gefallen!
ROLLE
Sie wissen, was Frauen wollen!
EVA
Schön, dann habe ich ein Angebot für
Sie: Sie genehmigen uns Handy-Antennen
und DSL-Leitung und ich gebe Ihnen im
Gegenzug einen Käufer, der nichts mit
Sekten am Hut hat. Sie könnten Ihre
Schule sanieren - und mehr.
88.
Eva legt das Geld für das Brötchen demonstrativ auf die
Theke. Rolle nimmt es an sich, hält es gegen's Licht.
ROLLE
Klingt nicht schlecht, was Sie sagen.
Sie vergessen nur eins: Das Dorf ist
mein Leben. Ich liebe es und jeden
einzelnen Bewohner, und ich würde den
Teufel tun und ihnen schaden!
EVA
So wie mit der Sekte?
ROLLE
Frau Fuchs, stecken Sie sich Ihr PRGeschwafel dahin, wo die Sonne nicht
scheint und versuchen Sie ihre Tricks
bei jemand anderem - aber nicht bei
einem Mann von Welt. Guten Tag!
Das hat gesessen.
Eva dreht sich um und geht zur Tür.
Junge Frau?
ROLLE
Eva stoppt, dreht sich zu Rolle um. Der hält die Tüte in
der Hand. Eva blickt ihn böse an und stürmt nach draußen.
Rolle zuckt mit den Schultern, öffnet die Tüte und schiebt
sich ein halbes Brötchen in den Mund.
AUSSEN - METZGEREI - TAG
Eva tritt aus der Metzgerei, stampft auf ihr Auto zu.
fängt sie ab.
MARK
Eva! -- Hallo? Was ist los?
hast Du bei Rolle gemacht?
Mark
Was
Eva geht an ihm vorbei, weicht seinem Blick aus, will nicht
mit ihm reden - aber Mark folgt ihr.
Eva?!
MARK
EVA
Lass mich in Ruhe, Mark!
Spaß mit den Pullijungs!
Und viel
MARK
Aber der Investor -(re: Lachen)
Also war das alles nur Show? Und ich
dachte, Du hättest Dich geändert.
EVA
War das bevor oder nachdem Du Dich
dazu entschieden hast, mich von
vorne bis hinten zu verarschen?
89.
Mark blickt sie irritiert-forschend an: Was weiß sie?
EVA
Oh, bitte, Mark! Was bist Du nur
für ein -- Ich hab Dir mein Herz
ausgeschüttet, ich habe Dir gesagt,
wenn ich eins bei einem Kerl nicht
haben kann, dann belogen zu werden.
Und was tust Du? Du kostest mich
fast meinen Job!
Mark presst die Lippen zusammen, bleibt stehen - nun ist
Eva doch auf Krawall gebürstet, bleibt ebenso stehen.
EVA
Und danach schläfst Du noch mit
mir, Du bist echt -- Das ist das
Verlogenste, was ich je erlebt hab,
da kommt nicht mal Daniel ran.
Tränen steigen ihr in die Augen, doch sie versucht, tapfer
zu bleiben:
EVA
Ich hätte es wissen müssen, ich
hätte nie einem Kerl vertrauen
dürfen, den ich nicht kenne...
MARK
Den Du nicht von oben bis unten
durchleuchtet hast, meinst Du.
Sie geht weiter, auf ihr Auto zu, Mark folgt ihr.
MARK
Und weißt Du, was Du herausgefunden
hättest, Eva? Dass es einen Grund gibt,
warum ich kein DSL will. Warum ich
Angst davor habe, dass es zu uns kommt.
EVA
Lass mich raten: Böse Leute wie ich!
MARK
Nein. Ich habe Angst davor, dass
Jennifer noch einmal versucht, sich
das Leben zu nehmen, und ich wieder
nichts getan habe, es zu verhindern.
Eva hält inne, blickt ihn irritiert an.
EVA
Was ist das wieder für eine Story?
Nein, ich will's gar nicht -MARK
Als ich zum Studieren in die Stadt
gegangen bin, hab ich das Internet
für mich entdeckt.
(MEHR)
90.
MARK (WEITER)
Chats, Foren, Online-Rollenspiele.
Das Übliche. Und ich habe es Jenny
gezeigt, die genauso begeistert
war. Der Unterschied ist: Ich
konnte damit umgehen. Sie nicht.
Sie war schon immer ein bisschen
anders, aber das hat sie gefesselt,
sie hat sich in ihre eigene Welt
zurückgezogen, sie hat sich nicht
mehr mit Freunden getroffen, sie
hat ihr Studium, für das sie sechs
Semester geschuftet hatte, sausen
lassen. Sie ist nicht mehr
arbeiten gegangen. Sie konnte
keine Rechnungen mehr bezahlen.
Und als sie es gemerkt hat, war es
zu spät, sie kam nicht mehr raus
und sie hat versucht, sich sich das
Leben zu nehmen.
EVA
Warum hast Du mir das nicht gesagt?
MARK
Weil man kein Recht hat, alles über
jemanden zu wissen.
(Pause)
Ich hab sie dazu gebracht und ich
habe nicht davon gemerkt. Ich bin
Schuld daran, was mit ihrem Leben
geschehen ist. Und ich kann nicht
zusehen, wie es ihr ein zweites Mal
geschieht. Deshalb will ich kein
Internet bei uns, Eva. Alles, was
ich Dir über mich und über das Netz
erzählt habe, was ich davon halte,
alles davon ist wahr. Ich wollte
Dich nicht belügen, ich wollte Dich
nicht hintergehen - aber ich wusste
nicht, ob ich Dir vertrauen kann.
Eva blickt ihn einen langen Moment lang schweigend an, weiß
nicht, was sie dazu sagen soll. Endlich:
EVA
Komisch. Wo Du doch genau das mir
vorwirfst.
Sie dreht sich um, steigt in ihr Auto und braust davon.
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Eva betritt das Büro. Die Blicke ihrer Kollegen richten
sich auf sie. Sie schluckt, es wirkt wie eine fremde Welt
und sie hat keine Ahnung, wie sie sich verhalten soll.
Doch sie beißt die Zähne zusammen, geht zu ihrem Platz...
und alle wenden sich wieder ihrer Arbeit zu, als sei sie
nie weg gewesen. Sie übersehen sie geradezu.
91.
Kevin tritt aus seinem Büro und winkt Eva zu sich.
INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG
Eva sitzt auf einem Stuhl, Kevin steht ihr gegenüber, sucht
künstlich seinen Schreibtisch ab. Weinerlich:
KEVIN
Wo sind die results, Eva? Der Mob
will Köpfe rollen sehen - meinen Kopf!
EVA
Machen Sie sich keine Sorgen - als
würde Ihre eckige Birne rollen!
KEVIN
Finden Sie das lustig?! Das ist
Ihre fucking Schuld! Wenn Sie nicht
so heiß wären, hätte ich Sie schon
längst gefeuert.
Eva steht auf, geht zum Schreibtisch, beugt zu Kevin vor.
EVA
Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie
Arschloch: Der Datenklau war nicht
mein Fehler und ich hab mein Bestes
gegeben, um die Situation in den
Griff zu kriegen und sie dabei gut
aussehen zu lassen - was schwierig
genug ist. Hätten Sie eine bessere
Idee gehabt, hätte ich die sofort
genommen - hatten Sie aber nicht.
Also wenn Sie nach einem Schuldigen
suchen, gucken Sie in den Spiegel!
Kevin macht große Augen. Erst sieht es so aus, als wolle
er ihr eine scheuern, doch dann fließen erneut die Tränen.
KEVIN
Ich bin so unhappy, Eva!
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Eva setzt sich an ihren Computer, öffnet das Mail-Programm:
723 neue Nachrichten. Eva ächzt und klickt die erste an.
Vom Nebentisch dreht sich Nils zu ihr.
NILS
Das Büro wirkt plötzlich so viel
heller und freundlicher...
EVA
Erzähl mir nicht, Du hättest Dich
ohne mich gelangweilt!
NILS
Oh, in Gegenteil: Kevin hat mich
äußerst an seinem Leben teilhaben
lassen. Du bist dauerhaft zurück?
92.
EVA
Das musst Du Kevin fragen.
NILS
Auch, ob ich Dich auf einen Drink
einladen darf?
EVA
Du denkst, ich würde annehmen?
NILS
Ich denke nicht, ich weiß.
AUSSEN - MARKS HOF - TAG
Mark steht mit einem Wasserschlauch neben dem Trecker und
spritzt Geräte ab, befreit sie von Erde und Dreck.
Von der Landstraße ist ein Motorengeräusch zu hören. Mark
schaut auf, halb hoffnungsvoll, halb ärgerlich, als erwarte
er noch einmal Eva...
... doch in der Einfahrt hält Hendriks Auto und Jennifer
steigt aus. Sie schiebt sich einen Rucksack auf den Rücken,
winkt Hendrik im Auto zum Abschied zu und macht sich auf den
restlichen Weg zum Hof. Das Auto dreht um und fährt weiter.
MARK
Hab mich schon gewundert, wo Du bist.
Mark stoppt das Wasser, rollt den Schlauch zusammen und
hängt ihn an einen Haken neben der Scheune.
JENNIFER
Bei Erika, in der Gärtnerei.
hab was mitgebracht.
Ich
Sie greift in ihre Tasche, zückt einen 50-Euro-Schein.
MARK
Den bringst Du sofort zurück!
JENNIFER
Bist Du doof?
MARK
Du kannst doch nicht klauen!
JENNIFER
Mark, ich klau doch nicht!
arbeite jetzt da.
Ich
Jennifer setzt sich auf eine Holzbank. Mark blickt sie an,
versteht kein Wort. Sie deutet ihm an, sich dazu zu setzen.
JENNIFER
Du hast mich genug beschützt, Mark.
Es ist zwei Jahre her. Mir geht es
wieder besser. Viel besser.
93.
MARK
Jenny, Du musst nicht denken -- Du
bist mir keine Last! Es ist wegen
Eva, oder?! Diese Frau...
JENNIFER
Nein, ist es nicht! Und irgendwann
werde ich auch ausziehen. Hendrik
hat genug staubige Zimmer frei, die
geputzt werden müssen.
Mark stößt Luft aus, lässt sich auch auf die Bank fallen.
JENNIFER
Mark, ich bin Dir unendlich dankbar
für alles - ohne Dich wäre ich jetzt
nicht mehr hier. Weißt Du das?
MARK
Ohne mich wäre es gar nicht erst so
weit gekommen.
JENNIFER
Ich war fertig, Mark, das Internet war
nicht der Auslöser. Nur ein Symptom.
Und Du hast mich hier draußen vor
Rückfällen bewahrt, mir eine Aufgabe
gegeben. Aber ich bin jetzt soweit.
Wir können nicht ewig zusammen wohnen.
Sie schaut ihren Bruder an und lächelt erstmals sogar.
MARK
Bist Du Dir sicher?
Jennifer nickt. Mark schaut über die Wiese vor ihnen, hinter
der langsam die Sonne untergeht.
MARK
Gärtnerei, huh? Ist ja nicht so
viel anders als ein Bauernhof.
JENNIFER
Sie haben viele schöne bunte Blumen
dort. Vielleicht bringe ich mal
einen Strauß für die Küche mit.
Mark schaut sie von der Seite an. Sie sieht glücklich aus.
Er lächelt, strecke die Arme aus und sie umarmen sich.
MARK
Das ist eine liebe Idee.
Jennifer löst sich wieder von ihm und schaut ihn ernst an.
JENNIFER
Mark? Ich mag Eva. Sie war nett zu
mir. Und Du warst nicht nett zu ihr.
(MEHR)
94.
JENNIFER (WEITER)
Die Idee mit der Internetwerbung war
gut. Wir hatten viele Kunden. Ist
Dir die Sekte lieber?
MARK
Ich will nicht, dass alles vom Netz
davon abhängt. Wir haben hier etwas
Besonderes, wir reden miteinander, das
dürfen wir nicht einfach weg geben.
JENNIFER
Ich mag Eva trotzdem.
sie auch.
Sie steht auf und geht ins Haus.
Und Du magst
Mark blickt ihr nach.
INNEN - NILS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT
Eva sitzt auf einem Sofa, lässt ihren Blick schweifen:
Modern, stilvoll, ein bisschen kühl, aber sehr stylisch.
EVA
Die Wohnung passt perfekt zu Dir.
NILS
Ich nehm das mal als Kompliment.
Eva lacht, Nils kommt mit zwei Drinks auf sie zu, reicht
ihr einen. Sie stoßen an. Er mustert sie neugierig.
NILS
Auf der Arbeit letztens hatte ich
den Eindruck, das Dorf fehlt Dir.
EVA
Mir? Sehe ich nicht aus wie eine
Frau, die ständig Action braucht?!
NILS
Hey, jeder braucht Ruhe, selbst ich.
Okay, ich nur selten, weil ich schon
ziemlich perfekt bin.
EVA
Achja, Mr. Perfect?
mir mehr von Dir!
Schön, erzähl
NILS
Oh, der beliebteste Moment in einem
Date: "Erzähl mir was von mir!"
EVA
Das hier ist ein Date?
NILS
Ich überhöre das mal.
(MEHR)
95.
NILS (WEITER)
Also gut: Ich bin Nils, auch wenn
manche mich Mr Creativity oder Mr
Perfect nennen, ich arbeite derzeit
als Assistent PR Manager bei Connect.
Ich sehe toll aus, bin schlagfertig,
habe einen unvergleichlichen Charme -EVA
Noch dazu bist Du sehr bescheiden.
NILS
So bescheiden, dass ich das nicht
extra erwähnen wollte.
Eva steht lächelnd auf, guckt sich im Wohnzimmer um.
EVA
Und im Ernst?
NILS
Du lässt nicht locker, huh? Also
gut: Ich bin Einzelkind, auch wenn
ich mir immer einen großen Bruder
gewünscht hätte. Ich fahre gerne in
Urlaub, am liebsten nach Italien,
ich verehre Schokoladenkuchen...
EVA
Reden wir noch über Dich?
NILS
... und mein erstes Mal hatte ich
auf 'nem Wickeltisch im Sekretariat
unserer Schule.
EVA
Wir reden noch über Dich.
Eva dreht sich um und Nils steht direkt vor ihr. Blickt ihr
in die Augen, bei ihr ist ein Hauch Faszination zu erkennen.
Er beugt sich zu ihr vor, will sie küssen... sie nähert sich
ihm ebenfalls... hält dann das Glas zwischen ihre Gesichter:
EVA
Mein Drink ist leer.
NILS
Nochmal das Gleiche?
Eva nickt, Nils nimmt ihr das Glas ab und verschwindet
hinter die Theke. Eva blickt sich weiter um, guckt das
Bücherregal an, zieht eines der Bücher aus dem Schrank...
... beziehungsweise versucht es. Attrappe. Sie runzelt die
Stirn, blickt zu Nils, der das jedoch nicht bemerkt hat.
EVA
Wie lange wohnst Du schon hier?
96.
NILS
Ein halbes Jahr.
EVA
Wo hast Du davor gearbeitet?
NILS
Du hast meinen CV doch gelesen?
Eva stellt sich vor's Fenster, zückt ihr Smartphone, googelt
seinen Namen. Findet diverse Einträge, alle neueren Datums.
Absolut nichtssagend. Kaum Freunde. Kaum Infos. Fake.
EVA
Hast Du Connect eigentlich genutzt,
bevor Du zu uns gekommen bist?
NILS
Extra für mein Vorstellungsgespräch
hab ich mir einen Account angelegt.
Jetzt ist echt Fragestunde, huh?
Nils kommt mit dem Drink in der Hand zu Eva, gibt ihn ihr.
NILS
Wo waren wir stehen geblieben?
EVA
Wir waren da stehen geblieben, dass
Du mich verarschst. Du weißt genau,
was ich mag, was Du sagen musst. Du
bist genauso Fake wie deine Bücher!
NILS
Und, kommt Dir das bekannt vor?
Eva hält inne, blickt Nils irritiert an.
EVA
Wer bist Du? Hast Du -- Wie kommst
Du dazu, mir nachzuschnüffeln? Du
hast kein Recht dazu!
NILS
Doch, Eva, das ist mein Job.
Gegensatz zu deinem.
Im
EVA
Wir haben den gleichen Job: PR!
NILS
Glaubst Du das wirklich? Erinner
Dich, wann ich angestellt wurde!
Eva blickt ihn an, sieht, dass es es ernst meint, versteht:
EVA
Einen Tag, bevor -- Du solltest
herausfinden, wie es zu unserem
Datenverlust gekommen ist?!
97.
NILS
Das ist mein Job. Und weil immer
der Verdacht besteht, dass ein
Angestellter die Daten veruntreut
hat, arbeite ich eben undercover.
Was mich zu Dir führt.
EVA
Ich hatte damit nichts zu tun!
NILS
Und doch hab ich in deinen Logs
seltsame Aufrufe entdeckt. Aber
als ich den Datenklau erwähnt hab,
bist sofort Du zu Kevin gerannt.
EVA
Du hast mich getestet?
NILS
Danach dachte ich erst, Du hättest
lediglich falsche Profile geprüft.
Aber dann habe ich erkannt, dass es
sich immer um gut aussehende Männer in
deinem Alter handelte. Und stell Dir
vor, was ich noch entdeckt habe: Ein
paar von denen habe sich sogar mit
einer “PR-Tuse” getroffen und waren
ganz und gar nicht begeistert...
EVA
Und da dachtest Du, Du hältst mir
den Spiegel vor? Schön, hast Du
hiermit geschafft, Glückwunsch! Ich
werd's nie wieder machen. Hab von
Männern eh die Schnauze voll.
Sie will sich umdrehen, gehen, doch Nils hält sie fest.
NILS
So einfach ist das nicht. Ich
müsste den Vorfall melden...
EVA
Es sei denn -- Was?
mit Dir?
Ich schlafe
Nils lächelt sie breit an. Eva holt aus... und schlägt ihn
ins Gesicht. Nils zuckt zurück, reibt sich die Wange. Eva
schiebt sich an ihm vorbei und stampft aus der Wohnung.
EVA
Wenn Du was melden willst, melde das!
INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - NACHT
Sophie sitzt in ihrer Ecke, löst ein Puzzle. Mark kommt mit einem Karton in der Hand auf sie zu. Setzt sich neben
sie. Sophie blickt überrascht auf.
98.
SOPHIE
Was hast Du da?
Mark gibt den Karton an Sophie weiter... sie öffnet ihn und
ein pinkes Netbook kommt zum Vorschein. Macht große Augen.
SOPHIE
Ist das für mich?!
MARK
Meine Farbe ist es nicht.
Sophie strahlt, fällt Mark um den Hals. Der streichelt ihr
über den Kopf, dreht sich um und sieht Hendrik hinter sich
stehen, der ihm dankbar zunickt.
SPÄTER
Mark, Hendrik und Rolle sitzen bei einem Bier zusammen.
ROLLE
Ich soll das Angebot also annehmen?
MARK
Vielleicht hat Eva Recht und es tut
dem Dorf nur gut. Wahrscheinlich
sind längst nicht so viele dagegen,
wie ich gehofft hatte. Mit etwas
Überzeugungsarbeit... die Hendrik
schon geleistet hat...
(blickt Hendrik an)
Es tut mir leid, Henni! Wirklich.
Ich hab mir solche Sorgen gemacht,
dass ich die Perspektiven verloren
hab. Ich hab einen... zwei Fehler
gemacht und ich versuche, sie wieder
rückgängig zu machen. Bei Dir kann
ich nur auf dein Verständnis hoffen.
Hendrik mustert Mark lange...
HENDRIK
Krieg ich als Entschuldigung den Götze?
Vergiss es!
MARK
Maximal 'nen Bayer!
... und breitet dann seine Arme aus, drückt Mark an sich.
HENDRIK
Och, Du bist und bleibst doch mein
bester Freund, Mann!
Sie lassen einander wieder los, alle drei nippen schweigend
an ihrem Bier. Schließlich:
MARK
Lieber Internet als Sekten.
99.
INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT
Eva sitzt vor ihrem Laptop darauf eine Nachricht von Kevin:
"Der Bürgermeister ist weich geworden, gute Arbeit! Morgen
wird der ersten Spatenstich gesetzt - seien Sie pünktlich!"
Eva schüttelt den Kopf, nicht glücklich damit.
Es klingelt an der Tür.
INNEN - EVAS WOHNUNG - FLUR - NACHT
Eva kommt aus dem Wohnzimmer, geht auf die Wohnungstür zu,
öffnet sie... und steht Steffen mit Katze gegenüber.
STEFFEN
Ich glaube, Leonie vermisst Dich. -Alles in Ordnung?
INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT
Eva sitzt auf dem Sofa, die Katze auf dem Schoß, streichelt
sie. Steffen ihr gegenüber.
EVA
Er hat mich belogen, ich hab mich
benutzt gefühlt... und jetzt habe
ich das Gefühl, ich hab ihnen ihre
Unschuld genommen. Nur weil ich
meine Ziele durchsetzen musste.
Wenn ich auf sie gehört hätte -STEFFEN
Die haben weder Handy noch Internet??
EVA
(muss lachen)
Und sie kommen damit klar, nein, sie
mögen es sogar. Die meisten. Aber
es gibt kein Zurück. Wenn ich was
dagegen tue, verliere ich meinen Job.
STEFFEN
Nach dem, was Du mir erzählt hast:
Verlierst Du den nicht sowieso? -Sorry, so meinte ich das nicht.
EVA
Du hast doch Recht. Ich weiß nur
nicht -- Was soll ich sonst machen?
Ich hab nichts und niemanden. Ich
wünschte, alles wäre nie passiert.
STEFFEN
Und Du hättest das Dorf und ihre
Lebensart nie kennengelernt.
EVA
Ich wollte den Datenklau sofort
publik machen, aber mein Boss...
100.
STEFFEN
Vielleicht ist das die Lösung. Du
hast ein Druckmittel, wenn er schon
lange davon wusste, aber die User
nicht informiert hat.
EVA
Zumindest um meinen Job zu behalten.
Aber das Dorf -- Auf der einen Seite
kann es das Netz gut gebrauchen.
Den Leuten geht es finanziell nicht
besonders - aber der Charakter geht
völlig verloren.
STEFFEN
Was will diese Sekte ausgerechnet da?
EVA
Abgeschottet sein. Das Dorf ist
eine wundervolle Ruheoase in der
lauten Kommunikationswüste. Der
perfekte Rückzugsort für... für
jemanden wie mich. Warte mal...
Eine Ruheoase... Die Ruheoase...
Eva hält inne, denkt nach, springt dann auf.
EVA
Kannst Du mir einen Gefallen tun?
STEFFEN
Nachdem Du mir Leonie zurückgebracht
hast? Jeden!
INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT
Der Raum wird nur von dem bläulichen Schimmern des Laptops
erhellt. Eva sitzt am Tisch, über den Bildschirm gebeugt,
bastelt konzentriert an etwas herum. Wir erahnen, dass es
sich um einen Flyer handelt, erkennen aber keine Details.
INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG
Kevin kommt aus seinem Büro, zieht seinen Kragen zurecht.
Nils eilt hinzu, wischt ihm von sich aus über den Mund, wo
Pulverreste zu sehen waren. Von Eva keine Spur.
KEVIN
Wo ist Eva? Will Sie den Erfolg
nicht sehen?
NILS
Vielleicht ist ihr der Druck über
den Kopf gewachsen...
KEVIN
Women. Wozu brauchen wir überhaupt
PR, wenn doch nur alles im Desaster
endet. Sie und ich, Nils, wir sollten
das Ruder hier in die Hand nehmen.
101.
NILS
Hey, Sie sind der Boss, Boss!
KEVIN
Achja. Richtig. Aber mit Ihnen an
meiner Seite - das könnte fucking huge
sein. Wenn Eva sich nicht blicken
lässt -- Überlegen Sie es sich!
Er klopft Nils auf die Wange - und der strahlt.
AUSSEN - EVAS WOHNHAUS - TAG
Eva schleppt einen Karton von ihrem Haus zu ihrem Auto, das
an der Straße parkt, stellt ihn im Kofferraum ab und blickt
sich suchend um. Schielt auf ihr Handy, wippelt auf und ab.
Schließlich kommt Steffen mit einer großen, an eine Art
Teppich erinnernden Rolle unter dem Arm auf sie zu.
STEFFEN
Sorry, ging nicht schneller, ich
hab mein Bestes gegeben. Schaffen
wir's noch?
EVA
In einer Stunde werden die Verträge
unterzeichnet. Lass uns Gas geben!
AUSSEN - MARKS HOF - TAG
Mark sitzt auf seinem Trecker, der im Feld steht, aber er
ist nicht bei der Sache. Arbeitet nicht, starrt geradeaus.
Von der Straße her dringt ihm ein Motorgeräusch ins Ohr. Es
dauert einen Moment, bis er reagiert, er blickt sich um und
sieht einen Bagger und einen Telekom-Wagen vorbeifahren.
INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG
Eva fährt ebenfalls auf das Dorf zu, schon in Sichtweite.
Steffen hockt auf dem Beifahrersitz, die Rolle quer durch
den Wagen gelegt...
... als plötzlich ein Knall zu hören ist. Der Wagen kommt
ins Schlingern, Eva tritt in die Bremsen und kann ihn kurz
vor dem Graben am Fahrbahnrand zum Stehen bringen.
Shit!
EVA
Sie springt raus, guckt sich den Schaden an... und sieht,
dass der linke Vorderreifen geplatzt ist.
EVA
Ich wusste, ich hätte ihn damals
wechseln lassen sollen!
Steffen steigt ebenfalls aus, öffnet den Kofferraum, zieht
einen Ersatzreifen und einen Wagenheber heraus.
102.
STEFFEN
Geh vor! Ich komme so schnell nach
wie ich kann.
AUSSEN - RATHAUS - TAG
MEHRERE BAUARBEITER stehen neben Baggern vor dem Rathaus,
Jürgen und Rolle warten neben ihnen, auch die Journalisten
sind wieder vor Ort.
Dazu sämtliche Bewohner, die wir kennengelernt haben, ihre
Stimmung gespalten: Teils freundlich, zum Teil ablehnend.
Auch der Mann in Schwarz und die Pulliträger sind da.
KARL-HEINZ
Wir wollen kein Internet hier...
SOPHIE
Neues ist was Gutes.
VERKÄUFERIN
Ihr macht uns mein Geschäft kaputt!
HENDRIK
Und meins kann ohne Internet nicht
überleben.
ROLLE
Wir alle werden überleben, Leute!
Ihr könnt Euch auf mich verlassen.
Eine Limousine rollt heran, ein paar Bewohner klatschen, ein
paar murmeln ablehnend vor sich hin. Der Wagen kommt direkt
vor dem Rathaus zu stehen, Kevin und Nils steigen aus, beide
strahlend.
Kevin und Nils winken den Bürgern - oder besser: den Kameras zu, gehen zu Rolle und Jürgen, schütteln Hände.
MARK
Eva traut sich nicht einmal, sich
blicken zu lassen?!
JENNIFER
Vielleicht hat sie ein schlechtes
Gewissen.
Mark blickt Jennifer schief von der Seite an.
Rolle tritt vor, stellt sich an ein kleines Podest, an dem
sich ein Mikrofon befindet. Kevin daneben, es wird ruhiger,
die Kameras und Blicken richten sich auf sie.
ROLLE
Meine Damen und Herren, Freunde und
Freundinnen, wir sind heute zusammen
gekommen, um die Zukunft unserer
Gemeinde in die Wege zu leiten.
(MEHR)
103.
ROLLE (WEITER)
Ich weiß, es gibt Pro und Kontra,
ich habe mir diese Entscheidung
nicht einfach gemacht, aber letzten
Endes überwiegen die Vorteile. Und
deshalb wird Connect unser schönes
Wieselbach online bringen.
Kevin nickt zufrieden, lässt sich von Jürgen einen Vertrag
reichen und legt ihn demonstrativ vor Rolle auf dem Podest
ab. Gestenreich zückt er einen Füller, unterschreibt den
Vertrag und drückt den Füller dann Rolle in die Hand.
KEVIN
Sie sind an der Reihe, dude!
Rolle nickt, lässt seinen Blick über die Bürger schweifen,
zögert, atmet tief durch, setzt zur Unterschrift an, als:
Halt!
Stop!
EVA (O.S.)
Alle drehen sich um und sehen Eva auf sie zugerannt kommen.
Knallrotes Gesicht, schwitzt, hat ihre Schuhe ausgezogen,
sieht alles andere als perfekt aus - aber es ist ihr egal.
EVA
Nicht unterschreiben!
Irritiertes Gemurmel, Jennifer blickt Mark vielsagend an.
Eva bahnt sich einen Weg durch die Menge, zum Podest hin.
KEVIN
Was soll das?! Halten Sie sie auf,
wir leben hier doch nicht in einer
Demokratie!
Keuchend, außer Atem, erreicht Eva das Podest, schiebt sich
an Kevin und Nils vorbei, kassiert böse Blicke. Eva atmet
tief durch, beginnt langsam:
EVA
Hallo zusammen! -- Ähm. Ich muss
etwas loswerden: Als ich zum ersten
Mal dieses Dorf betrat, dachte ich,
ich wäre in die tiefe Vergangenheit
abgebogen: Kein Handy-Empfang, kein
Internet, komplett von der Welt
abgeschnitten - so fühlte es sich für
mich an. Kann es etwas Schlimmeres
geben? Und als sich die Gelegenheit
ergab, da wollte ich Wieselbach etwas
Gutes tun: Es ans Netz anbinden. Ihm
die Welt zeigen, wenn man so will.
(Pause)
Nun, das Problem ist: Wieselbach hat
mir die Welt gezeigt. Seine Welt.
Jennifer stupst Mark mit dem Ellenbogen an, sie strahlt zum
ersten Mal. Mark aber wirkt noch skeptisch.
104.
KEVIN
(zu Rolle)
Drehen Sie ihr den Ton ab!
ROLLE
Machen Sie's doch selbst!
KEVIN
Ich hab keine Ahnung von Technik.
EVA
Und das letzte, was ich tun will,
ist diese heile Welt zu zerstören.
HENDRIK
Aber unsere Wirtschaft braucht
Internet und Handy-Empfang!
EVA
Ist das so? Mit Internet und Handy
ist Wieselbach ein Ort wie jeder
andere. Ein Fleck, der auf der
Landkarte aber auch im Netz
übersehen wird. Aber ohne? Ohne
hat Wieselbach eine Chance, etwas
Größeres zu sein, etwas Besseres.
Im Hintergrund sehen wir Evas Auto auf den Markplatz fahren,
von den Bewohner unbemerkt. Das Auto parkt in der Nähe von
einem Nebeneingang des Rathauses und Steffen steigt aus.
Er blickt zu Eva und tippt auf seine Armbanduhr. Eva sieht
das und nickt bestätigend. Doch auch Kevin bemerkt ihn und
gibt Nils ein Zeichen, ihm zu folgen. Der tut das. Auch
Mark nimmt die Bewegungen aus den Augenwinkeln wahr...
EVA
Bevor ich Euch besuchte, wusste ich
nicht, was mir fehlte. Ich war mit
meinem Leben unzufrieden, ich war
gestresst, ich war genervt - und
ich musste erst über dieses Dorf
stolpern, um Ruhe zu finden. Was
glaubt Ihr, wie vielen Leuten es so
geht wie mir? Wie viele sich nur
eine Auszeit vom Alltag wünschen,
eine Auszeit, ohne ständig
erreichbar zu sein.
(Pause)
Das ist Eure Chance. Wenn Ihr es
richtig anstellt, ist Wieselbach
nicht “das Dorf ohne Internet”,
sondern die Ruheoase Wieselbach.
Dein Gasthof, Hendrik, kann ein
Rückzugsort für gestresste Städter
sein. Sie können abschalten von
der ständigen Erreichbarkeit, den
Computern, den Handys. Sie können
Urlaub in der Vergangenheit machen.
(MEHR)
105.
EVA (WEITER)
(Pause)
Es kommt nicht darauf an, was Ihr
seid - es kommt darauf an, wie Ihr
Euch vermarktet!
KEVIN
Schön, hier ist auch ein Slogan für
Sie, Eva: Sie sind gefeuert!
EVA
Sie können mich nicht feuern, Kevin,
denn ich habe gekündigt. Checken Sie
Ihre Mails - wenn Sie zu Hause sind.
INNEN - RATHAUS - TREPPENHAUS - TAG
Steffen schleppt die Rolle und den Karton die Treppe rauf,
tut sich schwer. Nils folgt ihm wenige Sekunden später.
AUSSEN - RATHAUS - TAG
Kevin drängt sich zu Eva vor, hält eine Hand auf das Mikro.
KEVIN
Denken Sie, Sie finden woanders noch
einen Job? Nach dem, was Sie sich
geleistet haben?
Eva zieht seine Hand wieder vom Mikro, beugt sich vor:
EVA
Ich würde gerne Wieselbach meine
Dienste anbieten. Helfen, das Dorf
zu dem zu machen, was es sein kann.
AUSSEN - RATHAUS - DACH - TAG
Steffen schleppt die Rolle zum Rand des Daches, blickt kurz
runter: Der Marktplatz unter ihm. Er befestigt die Rolle
mit zwei schweren Steinen und will sie ausrollen...
... als er von hinten gepackt und zurückgezogen wird.
Nils.
NILS
Tsk, tsk, tsk. Das lass mal schön
sein, Freundchen!
Steffen rappelt sich auf, steht Nils gegenüber, der aber
nur milde grinst. Sie umkreisen sich wie zwei Boxer,
Steffen atmet schwer und scheint unterlegen...
... sieht dann aber etwas hinter Nils und grinst ebenfalls.
Irritiert dreht Nils sich um...
... und sieht gerade noch Mark auf sich zustürmen. Mark
wirft Nils zu Boden, der schlägt um sich, doch gemeinsam
mit Steffen gelingt es Mark, ihn zu überwältigen. Steffen
und Mark blicken sich an.
106.
Hi.
STEFFEN
Ich bin Steffen.
Evas Nachbar.
Beim Wort "Nachbar" macht Mark große Augen, sie schütteln
sich kurz die Hand, dann geht Steffen zur Rolle.
STEFFEN
Packst Du mit an?
AUSSEN - RATHAUS - TAG
Wieder unten stehen sich Eva und Kevin am Podest gegenüber,
Rolle unschlüssig daneben.
KEVIN
Unterschreiben Sie, Rolle!
Jetzt!
Rolle blickt zu den Bürgern, die noch unschlüssig wirken,
auch Hendrik ist nicht ganz überzeugt. Rolle blickt Eva
fragend an, die erwidert seinen Blick flehend...
... als ein klatschendes Geräusch zu hören ist.
der Zuschauer gehen irritiert nach oben.
Die Blicke
Von dem Dach des Rathauses wird ein großes Plastikbanner
heruntergelassen, das Wieselbach stilisiert aus der Luft
zeigt - mit Ruine - und mit dem Schriftzug:
“Wieselbach: Oase der Ruhe”.
Es sieht gut aus. Applaus ist zu vernehmen... und kurz
darauf fliegen auch noch die Flyer, die Eva gebastelt hat,
vom Dach. Die Bewohner schnappen sich sie, auch Hendrik
greift einen, schlägt ihn auf:
Das ganze Konzept der Ruheoase wird darin vorgestellt und
Wieselbach in schönsten, ruhigen Bilder gezeigt. Positives
Gemurmel, alle scheinen begeistert.
HENDRIK
Boah, das ist ja hammer!
Die Journalisten schießen Fotos, Rolle nickt zufrieden und
gibt Kevin demonstrativ den Füller zurück. Der drängt sich
mit wutverzerrtem Blick ans Mikrofon:
KEVIN
Also wollt Ihr die Sekte?
EVA
Die brauchen wir nicht mehr; ich hab
den Investor!
Ja, Eva?
KEVIN
Wo ist er?
EVA
Die Verträge sind unterschrieben,
Kevin, Sie können nicht weismachen,
Sie hätten ihn...
107.
KEVIN
... erfunden? Nein.
Kevin zieht grinsend einen Vertrag aus einem Anzug und hält
ihn in die Luft.
KEVIN
Der Investor bin ich - und ich kann
mit der Land machen, was ich will!
Ich kann es an die Sekte vershoppen,
ich kann einen großen Haufen darauf
setzen oder ich kann tausend HandyAntennen aufstellen. Also fickt Euch,
Ihr Wichser! Fuck you all!
Die Journalisten fotografieren und notieren wie wild.
KEVIN
Ab jetzt ist es persönlich und ich
scheiße auf gute PR! Sie sind mein
neuer David, Eva!
EVA
Aber scheißen Sie auch auf das, was
ich weiß, Kevin? Ich meine, es gibt
da sicher das ein oder andere, das
nicht unbedingt an die Öffentlichkeit
kommen soll - zum Beispiel, was den
Datenskandal angeht.
Kevin presst wütend die Zähne zusammen.
ihm vor, flüstert ihm ins Ohr:
Eva beugt sich zu
EVA
Oder gewisse Laster...
KEVIN
Sie Bitch, das würden Sie nicht -EVA
Ich hab nichts mehr zu verlieren.
Wie sieht's bei Ihnen aus?
INNEN - METZGEREI - ARBEITSRAUM - TAG
Mark, Eva, Rolle, Jürgen und Kevin sitzen beisammen.
MARK
Okay, halten wir fest: Keine HandyAntennen. Sie sanieren nur unsere
Schule, bringen sie ans Netz und
schlachten das PR-technisch aus.
KEVIN
Von mir aus...
Großartig!
ROLLE
Rolle schiebt Kevin und Jürgen einen Vertrag zu, als:
108.
So, so, so!
MANN IN SCHWARZ (O.S.)
Alle drehen sich zur Tür und sehen den Mann in Schwarz. Er
zeigt mit dem Finger auf Rolle: Herkommen! Fragende Blicke.
INNEN - METZGEREI - VERKAUFSRAUM - TAG
Mark, Eva und Rolle stehen dem Mann in Schwarz gegenüber.
Vor dem Fenster draußen sehen wir Jennifer, Hendrik und
Sophie, die das Ganze beobachten.
MARK
Sie können sich verpissen, wir
wollen Sie nicht und Rolle würde
den Teufel tun und unser Land mit
diesem Wissen an Sie zu verkaufen.
MANN IN SCHWARZ
Oh. Das ist tragisch. Sehr, sehr
tragisch. Nicht für mich natürlich.
Für Sie, Rolle. Diese Zwickmühle.
Das Gewissen gegen den Wortbruch.
Mark blickt Rolle fragend an, der lässt seinen Kopf sinken.
MARK
Rolle, Du hast nicht...
MANN IN SCHWARZ
Sagen Sie's ihm, Rolle! Auch ein
mündlicher Vertrag ist ein Vertrag.
EVA
Leugnen Sie es!
MANN IN SCHWARZ
Mmm! Tsk, tsk, tsk. Haben wir von
solchen Leuten nicht schon genug in
der Politik, Rolle? Die sich nicht
an ihr Wort halten? Wieviele haben
es im Nachhinein bereut, hm? Sind
Sie ein Mann, der zu seinem Wort
steht, Rolle? Ja oder nein?
Rolle ringt mit sich... also zückt der Mann in Schwarz ein
Diktiergerät aus seiner Tasche. Drückt auf Abspielen:
MANN IN SCHWARZ (V.O.)
Also haben wir einen Deal, Rolle?
Sie verkaufen das Land an uns?
ROLLE (V.O.)
Hab ich eine Wahl?
MANN IN SCHWARZ (V.O.)
Darf ich das als Ja werten?
ROLLE (O.S.)
... von mir aus.
109.
Mark starrt erst Rolle an, dann den Mann in Schwarz. Ein
Klopfen an die Scheibe: Jennifer winkt Mark nach draußen.
Er geht zur Tür, steckt seinen Kopf raus.
JENNIFER
Mark, was will der Sektenmann?
MARK
Das Land, Jenny, was sonst und wie
es aussieht kriegt er es auch...
JENNIFER
Nein, was will er wirklich?
MARK
Was meinst Du? -- Sag Du's mir, Du
kennst Dich mit Sekten aus!
JENNIFER
Mark, sei nicht so doof und denk
nach! Was will er?
Mark denkt nach, blickt zum Mann in Schwarz - und ihm geht
ein Licht auf. Er lächelt.
INNEN - METZGEREI - ARBEITSRAUM - TAG
Kevin und Jürgen unterschreiben den Vertrag, Mark, Eva und
Rolle blicken ihnen zufrieden über die Schulter. Kaum hat
er unterschrieben, macht sich Jürgen aus dem Staub.
ROLLE
Ohne Euch hätten wir das nicht
geschafft.
Ohne Eva...
MARK
Rolle nickt beiden dankbar zu, dann ist ein Räuspern an der
Tür zu hören: Der Mann in Schwarz. Rolle legt eine Hand
auf Kevins Schulter...
ROLLE
Kommen Sie, Kevin, ich möchte Ihnen
jemanden vorstellen!
Sie verlassen den Raum ebenfalls. Mark und Eva bleiben
sitzen, schauen sich an. Nach einem langen Moment:
MARK
Du willst wirklich hierherziehen?
EVA
Von der Stadt aus kann ich Euch
schlecht vertreten. -- Ich hab viel
von Dir gelernt.
MARK
Ich auch das ein oder andere von Dir.
110.
Sie stehen auf, bleiben unschlüssig voreinander stehen.
MARK
Und ich hab nachgedacht: So ein BioHof wäre vielleicht doch nicht ganz
verkehrt...
EVA
Ist nicht wahr!
MARK
Natürlich bräuchte ich dann jemanden,
der mir bei der PR-Arbeit hilft...
EVA
Soll ich Dir Nils' Visitenkarte geben?
MARK
(lächelt)
So leicht verzeihst Du mir nicht, huh?
EVA
Kommt auf deine Argumente an.
MARK
Ich würde Dich gerne küssen.
EVA
Warum tust Du's nicht?
MARK
Ist der Ort nicht unpassend?
EVA
Wenn mir eins in den letzten Wochen
klar geworden ist, dann dass es keine
unpassenden Orte gibt, sondern nur
unpassende Menschen.
Sie lächeln erneut, beugen sich vor... und küssen sich.
Lange. Intensiv.
AUSSEN - FUSSGÄNGERZONE - TAG
Wir sehen den Mann in Schwarz, der einen Arm um Kevin
gelegt hat, auf ihn einredet. Kevin hört aufmerksam zu,
wirkt sehr interessiert.
KEVIN
Und wenn ich diese Summe bezahlen
würde, dann wäre ich happy?
MANN IN SCHWARZ
Oh, davon bin ich von ganzem Herzen
überzeugt, mein Freund.
Wow.
KEVIN
Einmalig?
111.
MANN IN SCHWARZ
Oh, nein - Glück ist ein Weg, ein
langer, monatlicher Weg...
Kevin mustert ihn - und strahlt.
MONTAGE: EIN PAAR MONATE SPÄTER
--Kevin kniet in einer Gruppe Pulliträger vor dem Mann in
Schwarz, der sich das breit grinsend anguckt. Geldscheine
quellen ihm aus den Jackettaschen.
--Nils wartet am Flughafen einen Flug nach San Francisco,
eine BLONDINE fällt ihm ins Auge. Er lächelt sie an, doch
sie ignoriert ihn.
--Steffen wartet im Treppenhaus, blickt auf die Uhr... und
um Punkt sechs springt Leonie zum Fenster herein. Er nimmt
sie in dem Arm, streichelt sie.
--Das Dorf wirkt lebendiger, viele Leute tummeln sich auf
den Straßen und dem Marktplatz.
--Hendriks Gasthof trägt einen neuen Namen: "Haus der Ruhe".
--Drinnen stehen mehrere MANAGER vor der Rezeption, Hendrik
kommt mit der der Arbeit kaum nach.
--Jennifer arbeitet mit Erika in der Gärtnerei, schneidet
Blumen und lächelt dabei.
--Sophie steht in der Aula der Schule, die gerade saniert
wird. Ein großes Portrait von Kevin hängt an der Wand Sophie klebt ein Kaugummi auf seine Nase.
--Mehrere Dorfbewohner helfen, die Burg instand zu setzen,
eine neue Bühne wird aufgebaut. Rolle steht daneben, hält
zufrieden eine Visitenkarte in der Hand:
Wolfgang "Rolle" Weber
Bürgermeister, Metzger, Unternehmer, Intendant
HILDE kommt auf ihn zu, optisch die liebreizenste Person,
die man sich nur vorstellen kann. Sie drückt ihm zärtlich
einen Kuss auf die Wange. Rolle strahlt.
--An der Landstraße vor Marks Hof steht ein Schild: "Gut
Schmiedebach: Einkaufen direkt beim Bio-Bauern!"
--Eva hockt im Gemüsegarten, zupft Unkraut - so geschickt,
wie es einst Jennifer getan hat. Mark taucht hinter ihr
auf und beobacht sie zufrieden.
--Mark, Eva, Hendrik, Jennifer und Sophie sitzen bei einem
Brettspiel in Marks Wohnzimmer zusammen. Lachen.
ENDE