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EIN SMARTPHONE in einer zierlichen Hand. Auf dem Display eine Nachricht von einer "Caro": “Geht's oder soll ich Dich rausholen?” EVA (O.S.) Nervtötend, diese Dinger - alle fünf Minuten piepst es. Sorry. Wir sehen nun, dass die Hand EVA, 31, gehört. Sie ist blond, schlank, hübsch, recht klein. Trägt eine schwarze Bluse und Jeans, immer top gekleidet. Hat eine freche, schnelle Art. Sie sitzt an einem kleinen Tisch in einem: INNEN - CAFE - TAG Auf dem Tisch zwei Espresso und ihr gegenüber CARSTEN, 35, Hemd, Stoffhose, etwas zu geschniegelt. Er deutet auf das Display seines Smartphones: CARSTEN Deshalb bin ich Flugzeug. Eva lächelt, tippt auf ihrem Smartphone eine Antwort: “Nein, brauchst nicht, läuft gut. :-) LG Eva” Gute Idee. EVA Sie stellt den Ton des Smartphones aus, lässt die TelefonFunktion jedoch an. Steckt es dann in ihre Handtasche. CARSTEN Wo war ich? Ach ja, genau: Ich hatte also diese Frau mit ihrer Mutter verwechselt -EVA Hey, kann passieren! EVA Sollte es nicht, aber -- CARSTEN Aber sollte es nicht, ja. Eva greift zu ihrer Tasse, nippt daran... CARSTEN Und ich bin schon am Bahnhof - als ich merke, dass ich meinen Rucksack bei ihr vergessen hab. ... und verschluckt sich fast, prustet. Sie stellt die Tasse ab, berührt kurz Carstens Hand, die auf dem Tisch liegt. EVA Oh, Gott, Du Ärmster! CARSTEN Ich meine, es war kein teurer Rucksack, aber es hingen echt Erinnerungen dran. 2. EVA Klar, wenn's meine Tasche wäre -CARSTEN Ich hatte ihn seit meiner Kindheit, er hat mich nach Japan begleitet so einen guten, alten Kumpel lässt man doch nicht einfach zurück! EVA Du bist extra für ihn noch einmal zu ihr gegangen? Du Held! CARSTEN Ich kam mir nicht wie ein Held vor, soviel steht fest. Ich hab bei ihr geklingelt, sie macht mir auf - und ich seh den Rucksack sofort. In der Küche. Im Bio-Müll. Hab ihn unter Gezeter und Geschrei da rausgezogen. Eva blickt Carsten ungläubig an, der greift unter den Tisch und zieht einen alten, flecklig-gammeligen Rucksack hervor. EVA Du hast ihn trotzdem behalten? nenne ich Treue! Das CARSTEN Hey, nur weil er ein paar Macken hat und etwas riecht -Er reicht Eva den Rucksack, die schnuppert, rümpft die Nase. CARSTEN Okay, zugegeben: Er stinkt widerlich. Carsten nimmt den Rucksack wieder an sich, legt ihn zurück. CARSTEN Das war mein peinlichstes Date bisher. EVA Hast Du noch was von ihr gehört? CARSTEN Oh, ja, sie hat mir 'ne nette Mail geschrieben. Ich hab sie gelöscht nachdem ich sie drei Mal gelesen und mein Kopf mehrfach Bekanntschaft mit der Schreibtischplatte gemacht hatte. Eva nippt erneut an ihrem Kaffee, vorsichtig, sie mustert Carsten dabei einen Tick zu intensiv, zu forschend. EVA Sitzt Du auch so viel am Rechner? CARSTEN Im weitesten Sinne... 3. Eva schaut ihn neugierig-fragend an. Er zögert kurz, dann: CARSTEN Naja, ich, uhm, ich arbeite für's Fernsehen. Will nicht angeben... Und plötzlich ändert sich Evas Ton und Blick, sie wirkt kühl. Wow. Cool. EVA Kenn ich die Sendung? CARSTEN Ach, ich mach verschiedene - hinter den Kulissen. Strippenzieher. Eva stellt die Tasse klimpernd ab, wobei sie "aus Versehen" umkippt. Der Kaffee ergießt sich über den Tisch und tropft auf den Rucksack. Eva springt auf, nimmt ihre Handtasche... EVA Oh, Mann, so ein Mist! Warte, ich hol schnell was zum Aufwischen. Sie eilt in Richtung WC, Carsten hebt seinen Rucksack auf, wischt über ihn. Wir folgen Eva, die um eine Ecke geht... und am WC vorbei auf den Ausgang zusteuert. Sie verlässt das Café, ohne sich noch einmal umzublicken. INNEN - EVAS HAUS - TREPPENHAUS - TAG Eva geht eine Treppe hinauf, kommt an STEFFEN, 28, vorbei, der einen Kapuzenpulli trägt, mit übergezogener Kapuze am Fenster steht und rausblickt. Eva mustert ihn argwöhnisch, murmelt etwas, aber er zeigt keine Reaktion. Sie schiebt sich an ihm vorbei. INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT Ein modern, aber gemütlich eingerichteter Raum, recht viel Technik. Durch das Fenster sehen wir die Lichter der Stadt. Eva sitzt auf einem Sofa, in der Hand ein Glas Weißwein, vor ihr auf dem Couchtisch steht ein Laptop. Auf dem Bildschirm läuft ein Videochat-Programm, in dem wir CARO, 33, sehen. Sie hat etwas zuviel auf den Hüften, wäre aber attraktiv wenn sie nicht gerade Leggins und ein ausgewaschenes Shirt tragen würde. Sie lacht amüsiert. CARO Das ist typisch Du, einfach abhauen! EVA Du hast Recht; eigentlich hätte ich ihm erst eine scheuern sollen. Wenn er schon bei seinem Beruf nicht die Wahrheit sagt... “Ich arbeite für's Fernsehen.” Ja, Du machst Catering! (MEHR) 4. EVA (WEITER) Mann-oh-Mann! Als wäre das ein Job, für den man sich schämen muss. Wir sehen Caro aufstehen, den Laptop vor sich hertragen, in einen anderen Raum gehen... CARO So findest Du nie jemanden, Eva, Du musst -- Sekunde mal eben! ... und sich auf eine Toilette setzen. EVA Besser keinen als 'nen Lügner... Eva greift zum Weinglas, prostet dem Laptop zu und trinkt bis es zu plätschern beginnt. Sie blickt den Weißwein an, stellt das Glas beiseite. Caro reißt Toilettenpapier ab. CARO Wo war ich? Achja, Kopf hoch, Süße, man kann auch ohne Mann leben! EVA Sag ich mir auch seit sechs Jahren, nur meine Hormone glauben's nicht. Eine Katze hüpft Eva auf den Schoß, sie streichelt sie. Caro steht auf und betätigt die Spülung. CARO Och, wer ist denn das? Hast Du auf einmal Zeit für ein Haustier? EVA Sie saß vorgestern auf meinem Balkon und wollte unbedingt rein. (zur Katze) Ich nehm mir die Zeit für Dich, hmm? Kann Dich doch nicht alleine lassen. Wir suchen morgen mal dein Frauchen! Caro verlässt das WC ohne Händewaschen, geht zurück. Evas Smartphone auf dem Couchtisch vibriert lautstark, sie holt es sich, guckt auf's Display: Carsten. Eva schneidet eine Grimasse, zögert, öffnet die Nachricht dann aber doch: "Warum bist du einfach weg? :-(". CARO Oh, ich war übrigens in dem neuen Buchladen bei mir um die Ecke. Hübsch gemacht und oben drin gibt es ein Café. Nicht, dass ich Papier lesen würde, aber für 'nen Latte werd ich mal hingehen! Eva nickt knapp und tippt auf "Löschen". Eine Nachricht von einem Kevin erscheint: "PM ready? reply, ASAPST!!!" 5. CARO Aber es wird noch besser! Ich hab mir aus Langeweile ein paar Bücher angeguckt und einem echt süßen Kerl eins vor der Nase weggeschnappt. Er will sich morgen mit mir treffen! EVA Schön, dass es wenigstens bei einem von uns gut läuft... Nicht wahr?! CARO INNEN - EVAS WOHNUNG - SCHLAFZIMMER - NACHT Eva wälzt sich im Bett hin und her, kann nicht schlafen. Sie schaltet eine Nachttischlampe an, guckt auf ihr Handy, das auf dem Nachttisch liegt: 3:27 Uhr. Ächzend schaltet Eva die Lampe wieder aus, doch im Schein des Handys sehen wir, wie sie zu einem riesigen Stoffbären neben sich greift und sich an ihn kuschelt. INNEN - BUS - MORGEN [FAHREND] Eva im Bus auf dem Weg zur Arbeit. Ein JUNGER MANN lächelt sie an... doch sie bekommt nichts davon mit. Wie fast alle anderen auch hat sie Knöpfe in den Ohren, hört Musik, spielt gleichzeitig mit ihrem Smartphone herum. Er tippt ihr auf die Schulter, woraufhin Eva aufsteht, und ihm ihren Platz überlässt. Weiter nur Augen für ihr Phone. INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Wir sehen eine Website, "Connect", die an Facebook erinnert. Drei Profile junger Männer tauchen nacheinander auf. Leise: EVA (O.S.) Eintausendzweihundert Freunde? Na, wählerisch bist Du ja nicht gerade. "Frauen sind zum Kochen da?" ...und dein Profil zum Wegklicken! Ein Profil ist übrig: Auf dem Foto strahlt uns SASCHA, 35, gutaussehend, gebräunt, an. Im Hintergrund eine Stadt in Südamerika, die Kenner als Buenos Aires identifizieren. EVA (O.S.) Hallo, Sascha! Wir sehen nun Eva, die in einem mittelgroßen, sehr offenen Büro vor ihrem Computer hockt. Ein paar KOLLEGEN sitzen an weiteren Schreibtischen, die meisten tragen Headsets, alle starren wie Zombies auf ihre Bildschirme. Das Summen der Lüfter erfüllt den Raum. Eva blickt sich kurz um, als wolle sie sicher gehen, dass sie niemand beobachtet. 6. Dann öffnet sie mit ein paar Klicks ein an MS-DOS-Zeiten erinnerndes Fenster und gibt etwas ein. Sie wechselt zurück zur Website - und scheint plötzlich mehr Funktionen zu haben als der typische User: Sie kann alle Fotos sehen und sogar private Nachrichten lesen... EVA Single, sehr schön - und komische Freunde hast Du auch nicht. Wohnst bloß ein bisschen weit weg, huh? Ein Chat-Fenster poppt auf dem Bildschirm auf: “Brauche die Zahlen von letzter Woche. Bis um 11!” Eva guckt sich um und wir erkennen mehrfach den "Connect"Schriftzug im Büro. Ihr Arbeitgeber. Dann fällt ihr Blick auf eine Kollegin am Schreibtisch direkt gegenüber, die sie fragend anschaut. Eva tippt ein: “Bin dabei.” Die Antwort ist ein “:-)”. Sie guckt zur Kollegin - die den Blick ausdruckslos erwidert, von einem Lächeln keine Spur. Eva wechselt zu einer Nachrichten-Website, klickt darauf rum, schlüpft nebenbei aus ihren Schuhen. Wechselt zu ihrem MailProgramm, überfliegt etwas. Wieder zurück zum Browser. KEVIN (O.S.) Da ist Ihr Platz, Login schicken die Nerds. Telefon läuft auch über's Netz, also no surprise, wenn's mal abfuckt. Eva klickt schnell das Fenster zu und eine Liste mit Zahlen erscheint auf dem Bildschirm. Sie dreht sich zur Seite: KEVIN, 22, schlacksig, zurückgegeltes Haar, im Anzug, führt NILS, 34, attraktiv, dunkle Hose, legeres Hemd, gewinnendes Lächeln, etwas zu perfekt, zum Schreibtisch neben Eva. KEVIN Nils, darf ich vorstellen: Eva, unsere PR-Managerin. Eva: Nils. Seine Speciality ist Creativity. NILS Eva - schön, Sie zu treffen! Nils geht auf Eva zu, strahlt sie an, streckt ihr die Hand hin. Eva steht lächelnd auf, reicht ihm ihre. EVA Sag noch einmal Sie zu mir und es bleibt unser einziges! KEVIN Haha, da verstehen sich zwei! Das war ein Scherz, Nils! Oder, Eva?! 7. NILS Natürlich; eine Frau mit nackten Füßen würde ich nie ernst nehmen. Eva folgt seinem Blick nach unten, zu ihren nackten Füßen. Touché. EVA Sie grinsen sich an. Kevin schaut von einem zum anderen, zieht sich dann rückwärtsgehend zurück. KEVIN Oh, Scheiße, Ihr zwei, get a room! Oder von mir aus das Klo, aber sagt Bescheid, damit ich zugucken kann! (zu Eva, ernst) Ich warte auf die Userpolls. EVA Stecke mitten in der Auswertung! Kevin zeigt auf Eva, schnippst mit dem Finger, zwinkert ihr zu und verschwindet in sein Büro. EVA Sympathischer Vogel, huh? NILS Wenn man auf Aasgeier steht, die mit zwanzig alles erreicht haben. Ein Lächeln huscht Eva über das Gesicht. ihren Schreibtisch, Nils sich an seinen. Sie setzt sich an Sie tauschen einen Blick aus, dann wendet sich Eva wieder ihrem Monitor zu. Guckt kurz die Liste an, wechselt dann jedoch wieder zum Browser und klickt Saschas Profil an. INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - AUTOBAHN - TAG Eva fährt in einem roten, sportlichen Kleinwagen über die Autobahn. Ihr Smartphone steckt am Armaturenbrett, dient als Navi. Ziel: der Allwetterzoo in Münster. AUSSEN - ZOO - TAG SASCHA, in Jeans und Poloshirt, und Eva gehen an den AffenGehegen vorbei, beide ein Eis in der Hand, Eva tippt zudem auf ihrem Smartphone herum: Eine Mail an Kevin. SASCHA Das heißt, Du schaltest Anzeigen und sowas? Werbekampagnen? EVA Autsch - den Fehler machen viele. Du verwechselst das mit den Freaks vom Marketing. Ganz böser Irrtum! (MEHR) 8. EVA (WEITER) PR bedeutet vor allem viele Mails und Telefonate, gute Kontakte, hier und da 'ne Promo-Aktion... Sie steckt das Smartphone wieder ein, leckt an ihrem Eis, hält es Sascha hin. Der nimmt es an, leckt ebenso daran. Vor einem Affen-Gehege bleiben sie stehen und gucken dem Rumgetobe einen Moment lang zu, dann lacht Eva: EVA Affen sind so niedlich. SASCHA Gehören zu meinen Lieblingstieren. EVA Ja? Huh, da hätte ich Dich aber individueller eingeschätzt! Die Aussage klingt wie ein Test. Sascha blickt sie einen Augenblick lang irritiert an, lacht dann aber. Noch. SASCHA Mein Gesicht ist wie ein offenes Buch, huh? Okay, stimmt, es gibt da noch ein anderes Tier, das mich fasziniert. Ich erzähle das sonst eigentlich niemanden, aber -- Nicht lachen, okay? -- Ich hab zwei süße Vogelspinnen zu Hause. Eva macht den Mund auf, als sei sie erstaunt - was sie aber nicht ist. Es fühlt sich nicht richtig an... Boah. EVA Gibt's ja nicht. Sie holt verstohlen ihr Smartphone hervor, schaut auf das Display. Antwort von Kevin: “brauch die data tonite!!” Eva tippt eine weitere Antwort, während Sascha sie von der Seite mustert - ihm gefällt was er sieht. Er zieht seinen Bauch ein, streckt die Brust raus, setzt ein Lächeln auf. SASCHA Nie Ruhe vor'm Job, was? -- Verreist Du gerne? Ich war letzten Sommer in Südamerika - und jetzt rate mal, wo! Argentinien? EVA SASCHA Äh -- Wow! Richtig! Wie hast Du das -Sonst denkt jeder bei Südamerika erst an Brasilien. Schon komisch, oder? Irre. EVA Was hat Dich dahin verschlagen? 9. SASCHA Meine Schwester hat da einen Mann kennengelernt, lange Geschichte. EVA Ich bin leider Einzelkind. Hätte mir in meiner Kindheit auch oft eine ältere Schwester gewünscht. Oder einen Bruder, im Grunde -SASCHA Woher weißt Du, dass sie älter ist? Eva bemerkt erschrocken ihren Fehler und beißt sich auf die Lippe. Sie blickt zu den Schimpansen, als könnten die ihr in der Situation helfen - doch die starren sie nur an. EVA Naja, wenn Sie einen Mann hat, uh-SASCHA Hast Du mir nachspioniert?! EVA Komm, als hättest Du Dir nicht mein Connect-Profil angeguckt - das macht doch heutzutage jeder. SASCHA Uhn-uhn! Von Argentinien kannst Du da gelesen haben, aber meine Spinnen und das Alter meiner Schwester? Woher hast Du das?! Wer bist Du? Hat Dich einer meiner Freunde -- Ist das nur 'ne dämliche Verarsche? EVA Nein, Sascha, bitte -Doch Sascha ist zu sauer, um zuzuhören. Er schleudert das Eis auf den Boden, dreht sich um und stampft davon. Eva blickt zu den Schimpasen - und die lachen sie aus. INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - AUTOBAHN - TAG Der Himmel ist dunkel, die Bäume wiegen sich im starken Wind hin und her. Es sieht aus, als könne es jeden Augenblick zu schütten beginnen. Das Radio spielt Musik im Hintergrund. Eva fährt im Schritttempo über die Autobahn: Stau. Macht hin! EVA Ich will nach Hause! Doch die Autos vor ihr tun genau das Gegenteil und bleiben nun sogar stehen. Eva tritt auf die Bremse, ächzt und guckt sich um: Rechts vor ihr eine Ausfahrt. Sie zieht ihr Smartphone aus der Tasche, öffnet die KartenAnwendung, um eine Umleitung zu finden, doch die meldet ihr nach einem Moment: Kein Netz. 10. Genervt wirft Eva das Smartphone auf den Beifahrersitz und tippelt auf dem Lenkrad herum. Sie setzt sich auf, um mehr zu sehen, doch ein Ende des Staus ist nicht absehbar. Sie guckt zur Ausfahrt. Zum Smartphone. Zum Stau. RADIOSPRECHER Und eine Meldung vom Verkehr: Auf der A43, Münster Richtung Recklinghausen, ein Unfall: zehn Kilometer Stau. Eva ächzt, schmeißt den Blinker an und schiebt sich nach rechts. Autos hinter ihr hupen, sie winkt ihnen freundlichentschuldigend zu und bahnt sich einen Weg zur Ausfahrt. Kaum hat sie die erreicht, blitzt es bedrohlich. INNEN - SCHULE - KLASSENRAUM - TAG Wir sehen SOPHIE, 11, helles lockiges Haar, fröhlich und lebendig, an einem Tisch sitzen, eine Matheaufgabe lösen. Um sie herum weitere SCHÜLER. Plötzlich landet ein Wassertropfen auf Sophies Matheheft. Dann noch einer. Und noch einer. Sie blickt zur Decke und sieht einen großen Wasserfleck, die Decke ist undicht. SOPHIE Schon wieder? INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - ABZWEIGUNG - TAG [REGEN] Es gießt in Strömen und es ist so dunkel, als wäre es später Abend. Äste liegen auf der Straße; kein gemütliches Wetter. Eva steuert auf eine Abzweigung zu, die Straße geht nur nach links und rechts weiter. Sie guckt sich um, aber kein Schild zu sehen. Blick auf's Smartphone: Immer noch kein Netz. EVA Links oder rechts? Links oder rechts? Ich brauch ein Zeichen! Rechts von ihr blitzt es grell am Himmel. EVA Heißt das “hier” oder “hier nicht”? Sie zögert kurz und biegt dann nach rechts ab. INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - DORF - TAG [REGEN] Eva fährt an brachliegenden Feldern und Wiesen vorbei, ein paar Häuser und eine Kirche sind in der Ferne auszumachen. Sie passiert eine schwarze Limousine, in der wir einen MANN IN SCHWARZ erkennen, der eine Karte studiert. Eva fährt weiter, blickt sich hilflos um. Tempo, guckt erneut auf ihr Smartphone... Verlangsamt ihr 11. RADIOSPRECHER Gute Nachrichten vom Verkehr: Der Stau auf der A43 hat sich aufgelöst. ... und bemerkt nicht, dass sie auf ein Schlagloch zusteuert. RADIOSPRECHER Wir wünschen weiterhin gute Fahrt! Bumms! Eva fährt direkt in das Schlagloch, der Wagen macht einen Satz zur Seite und steuert auf einen Graben zu. Sie reißt das Lenkrad rum, doch das Auto reagiert nicht und mit geringem Tempo - landet sie im Graben. Schlägt mit dem Kopf leicht gegen das Lenkrad, stöhnt auf. Autsch! Der Motor geht aus. Eva reibt sich über die Stirn, beguckt sich im Spiegel: Eine kleine Schramme. Greift instinktiv zum Handy, um Hilfe zu rufen. Kein Netz. Argh! Sie blickt nach hinten, sieht die schwarze Limousine... die an ihr vorbei brettert, ohne Eva zu beachten. AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG [REGEN] Im strömenden Regen geht Eva die Landstraße entlang, auf das Dorf zu. Sie hält ihr Smartphone in der Hand, hofft auf Netz, doch das bleibt weiterhin aus. MARK (O.S.) Die Dinger funktionieren hier nicht! Sie blickt zur Seite und sieht MARK, 32, sportlich, dunkles Haar, recht groß, Dreitagebart, auf einem Trecker, der auf einem matschigen Feldweg steht, im Trockenen sitzen. EVA Achso! Und ich hab mich schon die ganze Zeit gefragt, was es bloß mit “kein Netz” meint! Im Regen auf dem Feld zu arbeiten, ist übrigens auch nicht so clever. MARK Oh, ich arbeite nicht, die Kleine hier ist mein Auto. EVA Ihr zwei seid das perfekte Paar! MARK Und im Gegensatz zu Dir fahren wir. Eva verdreht die Augen, geht weiter, hält das Smartphone nach Empfang suchend wieder hoch. MARK Du könntest genauso gut einen Finger in die Luft halten und auf Empfang hoffen. 12. EVA Um vom Blitz getroffen zu werden? Nee, danke! Mark schüttelt den Kopf, gibt Gas und tuckert neben ihr her. Eva lässt sich nicht beirren, versucht es weiter. MARK Komm schon, Du holst Dir noch 'ne Erkältung, wenn Du so weitermachst! Du kannst bei mir jemanden anrufen. Er deutet auf einen alten Bauernhof unweit der Straße. guckt ihn sich an, zögert aber. Eva MARK Hallo?! Ich biete Dir Hilfe an! -Zuviele Horrorstreifen gesehen? EVA Du meinst Nachrichten? MARK Gibt's da 'nen Unterschied? Eva muss trotz allem grinsen, bleibt stehen, mustert Mark, der stehenbleibt. Unattraktiv ist er nicht. Männlich auf die alte Art, bevor attraktive Männer wie Frauen aussahen. MARK Mein Hof ist nicht mal groß genug, um Leichen zu verscharren! Eva lacht, er hält ihr die Hand hin. Sie überlegt kurz und greift sie dann, lässt sich von ihm hochziehen. AUSSEN - MARKS HOF - TAG [REGEN] Sie fahren auf einen alten Bauernhof, heruntergekommen, die Geräte sind nicht die neuesten. Ein kleiner Hofladen sieht aus, als habe er nur sehr wenige Besucher - es gibt an der Straße nicht einmal ein Schild, das auf ihn hinweist. INNEN - MARKS HOF - STALL - TAG Zwei dutzend Schweine stehen und liegen in großen Ställen herum. Die Mauern bröckeln, das Dach wirkt leicht morsch. Mark tritt ein, Eva bleibt an der Tür stehen. EVA Hier wohnst Du also? Hatten Die Ärzte mit ihrem Lied doch Recht! Mark greift zu einem Eimer, öffnet eine Kiste und holt mit dem Eimer Futter heraus. Gibt es den Schweinen in den Trog. MARK Es ist Fütterungszeit. Wenn Du mir hilfst, geht's schneller. 13. Eva blickt die Schweine an, rümpft die Nase und rührt sich nicht vom Fleck. MARK Isst Du Fleisch? -- Du kannst sie fressen, aber nicht füttern? EVA Ist das nicht pervers, sie erst zu füttern und dann zu essen? Eva geht nun doch ein paar Schritte hinein, guckt sich um, bemerkt die großen Ställe, alles wirkt äußerst ordentlich und sauber - wenn man mal von der Bausubstanz absieht. EVA Du hast 'nen Bio-Hof? MARK Ich halte Tiere wie man Tiere halten sollte und pflanze Gemüse so wie man Gemüse pflanzen sollte - wenn Du das meinst. EVA Reich wird man davon aber nicht, huh? (re: Blick) Wunder Punkt, verstehe. Hmmmm. Was meine Panne angeht -INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG Mark und Eva treten ein. Ein typischer alter Bauernhof, viel Holz, recht dunkel, aber nicht ungemütlich. Gemälde und Geweihe an den Wänden. Der Holzboden knarzt. Mark hängt seine Jacke an eine Garderobe, will Eva dann ihre abnehmen, doch: EVA Ich hab nicht vor, lange zu bleiben. MARK Hasst Du deine Arbeit so sehr, dass Du in den nassen Klamotten wirklich krank werden willst? EVA Wenn das ein Trick sein soll, um mich auszuziehen: Sorry, so naiv bin ich nicht - ich komme aus der Stadt. Also gut, wo kann ich die Nummer vom Pannendienst googeln? MARK Mangels Internet: gar nicht. EVA Du hast 'ne Störung? Wie lange schon? Albtraum! 14. MARK Zweiunddreißig Jahre. Die Störung? EVA MARK Kein Internet. Eva blickt auch in den letzten angrenzenden Raum und findet keinen Computer. Ihr Blick fällt auf ein Telefon, sie guckt sich die Kabel an: Keine DSL-Box, kein Router in Sicht. EVA Du hast kein DSL?! MARK Du verstehst schnell. Warum? EVA MARK Weil ich das schon vor einer Minute gesagt hab. EVA Warum Du kein DSL hast. MARK Gibt's bei uns im Dorf nicht. EVA Hier hat niemand Internet?! MARK Doch, ein paar haben dieses Bzzzbrrrrrrr-zzzzzzzkk-rading-radingrading... EVA Och, nöööö, jetzt verstehe ich, was passiert ist! Das ist wie in dieser Serie - der Unfall war härter und ich bin in die Vergangenheit gereist. MARK Life on Mars? EVA Die kannst Du noch nicht kennen! Eva guckt sich weiter um: Das Telefon ist schnurgebunden, im Wohnzimmer ein Röhrenfernseher, ein VHS-Rekorder, ein Panini-Fußball-Sammelalbum auf einer Kommode. EVA Oh, Mann, Du lebst hier echt wie vor zwanzig Jahren, oder?! 15. MARK Und ich bin stolz drauf. Eve röchelt verächtlich. Mark greift zum Telefon, gibt ihr den Hörer. Sie blickt ihn verständnislos an. EVA Wie soll ich den Pannendienst rufen, wenn ich die Nummer nicht hab? Mark verdreht die Augen und holt ein schweres Telefonbuch aus einer Schublade, drückt es Eva in die Hand. Die sackt runter und starrt es an, als sähe sie sowas zum ersten Mal. INNEN - MARKS HOF - KÜCHE - TAG Die Einrichtung der Küche stammt mindestens aus den 70ern, ein uralter Herd, der Kühlschrank rattert - aber die Möbel haben Stil, das Porzellangeschirr wirkt teuer. Nur wenig Plastik ist zu sehen, selbst Wasserflaschen sind aus Glas. Mark steht am Herd, kocht in einem Topf Kakao, Eva sitzt am Küchentisch, hat die nasse Jacke doch abgelegt. Sie blickt aus dem Fenster: Es hat aufgehört zu regnen. MARK Hast Du's noch weit von hier? EVA Hängt davon ab, wo “hier” ist. MARK Im schlimmsten Fall kannst Du im Dorf übernachten. Oder bei mir. EVA Das wäre der schlimmste Fall, ja. Mark reicht ihr eine Tasse Kakao, setzt sich zu ihr. Eva trinkt einen Schluck, sieht ihre Reflexion in einem Spiegel, ihren bösen Blick - und muss über sich selbst grinsen. EVA Ich bin unmöglich. Wirklich? MARK Jetzt wo Du's sagst... Beide blicken sich einen Moment lang in die Augen, lächeln. MARK Jeder hat mal 'nen schlechten Tag. Was hast Du in Münster angestellt? EVA Mich bei einem Date zum Affen gemacht. MARK Eine Frau wie Du fährt zu 'nem Date? Du musst viele schlechte Tage haben. 16. Eva lächelt zu schmal und Mark merkt, dass er das Thema besser ruhen lassen sollte. Sie betrachtet die Tasse. EVA So ein Geschirr hatte meine Oma auch. Wir waren jeden Sonntag bei ihr und es gab immer zuckersüßen Schokokuchen... Mark steht auf, geht zu einer Arbeitsplatte, nimmt einen Deckel von einer Platte... und darunter ein Schokokuchen. Eva zieht die Augenbrauen hoch. MARK Lass mich raten: Ihrer hatte Streusel? EVA Du kannst backen? Eva mustert Mark leicht bewundernd, blickt zur Uhr: 18:30. EVA Zeig mir mal so ein Zimmer - für den schlimmsten Fall! INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG Mark und Eva gehen auf die Treppe zu, als sich die Haustür öffnet und JENNIFER, 27, mit Sophie an ihrer Hand eintritt. Jennifer hat langes braunes Haar und trägt dunkle Kleidung, blickt oft ein bisschen grimmig drein. Hi. JENNIFER Huhu. SOPHIE MARK Hey, Ihr zwei! Wir haben Besuch. Jennifer schließt die Tür, geht auf Mark zu und küsst ihn auf die Wange, Mark wuschelt Sophie durch's Haar. Eva beobachtet das irritiert, Jennifer und Sophie gehen an ihr vorbei in die Küche. Eva schaut Mark fragend an. MARK Eva, das sind Sophie und Jennifer -JENNIFER (O.S.) Jemand hatte Kaffee und Kuchen. Cooool! SOPHIE (O.S.) Darf ich auch? MARK Kakao. Kein Kuchen. Streusel fehlten. Die bunten Jennifer taucht an der Tür wieder auf, ein Stück Kuchen in der Hand, beißt davon ab. Mustert Eva nun doch. JENNIFER Sie ist nass. 17. EVA Ja, es... hat geregnet? JENNIFER Wir waren draußen und sind nicht nass. (Pause, belustigt) Hey, Mark: So'n Vollidiot ist vorne in den Graben gefahren. EVA Der Vollidiot war meine Wenigkeit. JENNIFER (schulterzuckend) Sorry. Vollidiotin. Pannendienst steht nebendran. EVA Oh, dann sollte ich wohl -Mark will ihr die Jacke holen, doch Eva macht das selbst. EVA Also, uhm -- Danke! Mark nickt knapp, öffnet die Tür und Eva eilt nach draußen. Er blickt ihr nach. Lange. INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT “Keine Ergebnisse” verkündet eine Suchmaschine zum Begriff “Mark Schmiedebach”. Wir sehen, wie nun Connect aufgerufen wird, “Mark Schmiedebach” wird auch hier in das Suchfenster eingegeben. Und wieder: "Keine Ergebnisse". Unglaublich. EVA (O.S.) Er hat nicht gelogen. Wir erkennen nun, dass Eva auf dem Sofa sitzt, ihren Laptop auf dem Schoß. Neben ihr liegt ihr Smartphone, auf dem ein Foto von einem Briefkastenschild: Schmiedebach. Sie schließt den Browser und Caro kommt zum Vorschein, die sich die Nägel lackiert. EVA Und ich weiß, was er beruflich macht. "Studierter Landwirt". Hm. CARO (V.O.) Ist der Beruf ein Geheimnis? EVA Nach meinen letzten Erlebnissen? Caro hat keine Ahnung, wovon Eva redet, aber sie hakt nicht nach, pustet ihre Nägel ab. Evas Handy vibriert, eine Mail von Kevin: “tomorrow um 7 im büro!” Die Katze springt auf das Handy, Eva zieht es unter ihr weg. 18. CARO (V.O.) Naja, ein Bauer, warum nicht? Hast Du Dich von ihm melken lassen? EVA Äh, wie kommst Du darauf, dass ich Interesse an ihm hab? CARO (V.O.) Warum stalkst Du ihn sonst? EVA Er hat Frau und Tochter. Glaube ich zumindest. Genau genommen weiß ich rein gar nichts über ihn. CARO (V.O.) Und macht Dir das mehr Angst oder macht es Dich nicht eher an? Was Geheimnisvolles kann geil sein! Eine mysteriöse Affäre, wuuuhh... Sie pinselt weiter, aber Eva ist mit den Gedanken woanders. Sie ruft die Telefonbuch-Website auf, gibt auch hier “Mark Schmiedebach” ein und bewegt den Mauszeiger auf "Suchen" lässt es dann aber und schließt die Seite wieder. EVA Ich brauch keinen zweiten Daniel. CARO (V.O.) Kann ich verstehen, Süße. Kann ich echt verstehen. Was ich aber nicht verstehe, ist: Warum hast Du dann seinen Namen gespeichert? Eva beißt sich auf die Lippe: Gute Frage. AUSSEN - GASTHOF KLEWE - NACHT Ein alter Gasthof in der Fußgängerzones des Dorfes. Die Straße ist stockdunkel, aber im Inneren brennt Licht. INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - NACHT Urig. Einige STAMMGÄSTE, die meisten zwischen 30 und 60 Jahren alt, männlich, sitzen an Tischen, unterhalten sich, trinken Bier und Schnaps. Alleine an einem Tisch sitzt der Mann in Schwarz von zuvor. Perfekt gekleidet, blondiertes Haar, trainiert. Immer ein Lächeln auf den Lippen. Aalglatt. Vielleicht 35 oder 40, sein Alter ist schwer einzuschätzen. Er schneidet mit einem scharfen Messer in ein extrablutiges Steak. Betrachtet das Stück zufrieden, schiebt es sich in den Mund und schließt die Augen genussvoll: Ahhh! Drumherum sind viele Gespräche im Gange; hier unterhalten sich die Leute noch miteinander. Besonders laut hören wir: 19. ROLLE (O.S.) Ich hab 'nen großen Fisch an der Angel, Männer! So 'nen Ömmel! Wir sehen ROLLE, 58, der die Arme weit ausbreitet. Er ist rundlich, hat etwas langes Haar, eine gewisse Ausstrahlung, kann gut reden. Eigentlich heißt er Wolfgang Weber - warum jeder ihn Rolle nennt, weiß keiner mehr. Die vier Gäste am Tisch lauschen amüsiert bis spöttisch. KARL-HEINZ Wo hast'n den her? Aus'em Bach? ERIKA In unser'm Bach schwimmt was außer ollen Büchsen? Silberfische? Gelächter, Rolle lässt sich aber nicht beirren, grinst. Größer! ROLLE Wie ein Pangasius. ERIKA Hui-ui-ui, was Du für Wörter kennst! Da hat einer auf die FischstäbchenPackung geschielt! Mehr Gelächter, doch Rolle grinst weiter siegessicher. ERIKA Kümmer Dich ma' lieber drum, dass die Laternen nachts brennen, das ist doch so kein Zustand, hör mal! Wir werden uns der Theke zu, an der Mark, verschwitzt in einem Fußballtrikot, sitzt - im Gespräch mit HENDRIK, 33, dem Wirt. Vollbart, etwas rundlich, ebenfalls im Trikot. Vor ihnen auf der Theke zwei Bundesliga-Sammelalben, sie tauschen Fotos aus, kleben sie ein. MARK Was hat er schon wieder? HENDRIK Rolle? Wahrscheinlich 'nen Blöden gefunden, der uns'n Satz neue Hosen spendiert. Kümmer Dich ma' lieber um die Schule, Rolle, wie sollen die Kinder denn so was lernen? Rolle "überhört" das. Fotos von Mark. Hendrik begutachtet mehrere Fußballer- HENDRIK Kannst Du mir'n Gefallen tun? MARK Vergiss es, Götze kriegst Du nicht! Den ollen Höwedes kannste haben. 20. HENDRIK Den will ich nich'. Im Ernst, Du musst morgen den Laden schmeißen und auf Sophie aufpassen, okay?! Hab 'ne Mission in der Stadt. SOPHIE (O.S.) Auf mich muss niemand aufpassen, ich komm alleine klar. Mark blickt über die Theke zu Sophie, die es sich in einer Kissenecke gemütlich gemacht hat, hier Matheaufgaben löst. MARK Und die Theke machst Du auch alleine, huh? Glaub ich Dir sofort. Sophie nickt grinsend. Mark schielt zum Fernseher über der Theke: ein kurzer Bericht über das Unwetter. MARK Ich hab heute 'ne Frau gerettet. Mehr oder weniger. Sah gut aus. 'ne große Klappe, aber auch was dahinter. -- Hab blöderweise weder Namen noch Nummer... HENDRIK Gäbe es doch nur eine Möglichkeit, sowas zu suchen. Mark nippt an seinem Bier, beäugt Hendrik misstrauisch. Der greift scheinbar unauffällig nach dem Mario-GötzeAufkleber... doch Mark schlägt ihm auf die Hand. Au! INNEN - CONNECT - HERREN-WC - TAG Nils steht vor einem der Pissoires, mehrere Mappen in der freien Hand, blättert sie durch. Wir werfen einen näheren Blick darauf und erkennen: Es sind Personalakten. Die von Eva hat es ihm besonders angetan. Nach einem Moment klappt er die Mappe zu, schließt die Hose, richtet sein Haar im Spiegel und verlässt das WC. INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Eva sitzt an ihrem Schreibtisch, klickt an ihrem Computer herum. Auf ihrem Bildschirm die Profile mehrerer Männer, sie liest wieder fremde Nachrichten. Nils kommt aus dem WC, geht auf sie zu. Eva alles. Sofort schließt NILS Es gibt nicht zufällig etwas, das Du mir verheimlichst, schöne Frau? Eva blickt ihn fragend an: Hat er was gesehen? Sie zögert. 21. NILS Ich war gerade für kleine Jungs und da haben sich zwei andere Jungs über “ganz große Scheiße” unterhalten. -Im übertragenden Sinne. EVA Klingt privat. NILS Nein, hatte mit der Firma zu tun. Stichwort: Datenveruntreuung? -- Du weißt nichts darüber? Ich meine, ich kann nur meine Arbeit machen, wenn ich eine Idee hab, wovon ich rede... Eva blickt sich irritiert um; ungewöhnliche Stille im Büro. Kein Telefon klingelt, keiner spricht, niemand haut in die Tasten seiner Tastatur. Gespenstisch, scheint es. Sie schluckt, schielt zu ihrem Bildschirm - ist ihr jemand auf die Schliche gekommen? Hat Sascha sich beschwert? INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG Eva steht Kevin gegenüber, der macht große Augen, knallt die Tür dann schnell hinter ihr zu. KEVIN Ist da was dran? Glauben Sie, die Loser ziehen sich solche Gerüchte aus dem Arsch?! Ich wünschte mir, hier wäre einer so kreativ! Wütend öffnet Kevin eine Schreibtischschublade, zieht einen Stapel Papier hervor und drückt ihn Eva in die Hand. Die blättert durch die als vertraulich deklarierten Unterlagen: Namen, Adressen, sogar Bankverbindungen von Connect-Usern. EVA Das sind unsere Daten?! KEVIN Wollen Sie sich für den fucking Darwin-Award bewerben oder was? Natürlich sind das unsere Daten! EVA Ich verstehe nicht -- Die Daten wurden uns gestohlen? Alle? Kevin klatscht künstlich langsam in die Hände. EVA Das ist eine Katastrophe! KEVIN Nein, wirklich, Eva? Ist das eine Katastrophe? Darauf wäre ich ja verfickt nochmal nie gekommen! 22. Er reißt ihr den Stapel aus der Hand und schleudert ihn in den Raum hinein, die Papiere fliegen durch die Luft. EVA Wie lange wissen wir das schon? Wir müssen das publik machen, wir müssen die User warnen. Sofort! Ich muss -KEVIN Haben Sie sich den Verstand aus dem Leib gevögelt? Shit werden wir tun! Kevin setzt sich an seinen Schreibtisch, öffnet eine kleine Schachtel, in der sich ein weißes Pulver befindet, greift zu einer Visitenkarte und formt eine Linie. Eva beobachtet das mit zunehmendem Unbehagen, schielt zur Tür. EVA Irgendwann muss es rauskommen. KEVIN Ja: Wenn wir es wollen. Sobald wir wissen, wie wir damit umgehen. Wenn wir wissen, wie und warum es passiert ist. Sobald Sie wissen, wie wir heil aus diesem Fuckup rauskommen. (re: Blick) Ja, gucken Sie nicht so, Sie sind für unsere kack Außendarstellung verantwortlich, Eva - also reißen Sie sich Ihren geilen Arsch auf! Er zieht sich die Linie in die Nase, stöhnt wohlig auf. KEVIN YES! (plötzlich freundlich) Auch eine? POW! AUSSEN - SCHULE - TAG Rolle, Mark, Hendrik und ein HANDWERKER gehen auf die Schule zu. Ein altes Gebäude, könnte dringend einen neuen Anstrich vertragen. Und noch so vieles mehr. AUSSEN - SCHULE - DACH - TAG Der Handwerker schiebt Kies beiseite, worunter ein mehr als marodes Flachdach zum Vorschein kommt. Er schaut zu Rolle, Mark und Hendrik, die skeptisch daneben stehen. HANDWERKER Puh, also da müssen wir bei Adam und Eva anfangen... ROLLE Nenn mir einfach 'ne Zahl, okay? Der Blick des Handwerkers spricht Bände. 23. INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Eva liest an ihrem Computer mehrere Artikel über diverse Datendiebstähle, unter anderem bei einer Firma "Zyrotek", und die folgenden Reaktionen darauf. Nach einem Moment lehnt sie sich zurück, amtet hörbar aus. Gestresst. Nils stellt eine Tasse Espresso vor ihr ab, auf der sich ein Comic-Schwein befindet. Eva schaut verwundert auf. NILS Du siehst aus, als könntest Du einen gebrauchen. Du magst doch Espresso? Nein. EVA Ich bin süchtig danach! Er wirft ihr sein charmantes Lächeln zu und setzt sich an seinen Schreibtisch. Eva nippt an der Tasse und nickt dann zufrieden. Sie schaut zu Nils hinüber, zögert kurz, bevor: EVA Hey, Mr. Creativity! Hast Du Fantasie? NILS Fantasie ist mein Vorname. EVA Fantasie Creativity? NILS Hatte es in der Schule nicht leicht. EVA Klingt wie 'ne Stripperin. (leiser, beugt sich vor) Stell Dir vor, Du hast den größten Datenskandal in der Geschichte des Netzes an der Backe! Was tust Du? NILS Um meinen Lieblingsfilm zu zitieren: Ich schieße auf die Geisel! EVA Und die Geisel sind in dem Fall die User oder die Daten? -- Aber ich weiß, was Du meinst: Ablenkung. Eva ruft eine Suchmaschine auf, tippt etwas ein. Weitere Artikel erscheinen: "Zyrotek sponsort Fußball-Junioren”. “Zyrotek unterstützt Behinderten-Verbände”. EVA Danach war der Skandal nur noch eine Randnotiz... Eva überlegt, guckt sich im Raum um - und ihr Blick fällt auf das Comic-Schwein auf der Tasse. Sie lächelt. 24. AUSSEN - BÜRODACH - TAG [REGEN] Ein Flachdach, zwanzig Stockwerke über der Straße. Aus den Abluftgittern der Klimaanlage ein gleichmäßiges Summen. Am Rand des Daches steht Kevin, wippelt auf und ab, schaut hinunter. Eva tritt aus dem Treppenhaus, geht auf ihn zu, unschlüssig. Kevin dreht sich um, lacht. KEVIN Keine Angst, ich jump nicht! EVA Oh, Angst hatte ich nicht... Kevin lacht noch lauter, als gefiele ihm die Antwort. winkt Eva zu sich, die kommt nur zögerlich näher. KEVIN Schauen Sie runter! Er Come on! Eva bleibt zwei Meter vor der Kante stehen, schielt runter: Netter Blick auf die Stadt, unten die Straße, Fußgänger. KEVIN Ist das ein geiler Ausblick?! Von hier oben sehen die Menschen aus wie Ameisen. Einer von denen hat unsere Daten geklaut. Ein Tritt und nur ein Fleck bleibt von ihm übrig... -- Aber Sie sind nicht hier, um mit mir 'nen tiefgründigen Talk zu führen. Eva schaut nach oben, der Regen hat ihre Haare durchnässt. EVA Was macht ein Kind, das etwas Böses angestellt hat? KEVIN Es schiebt die Schuld auf die Nanny. EVA Es tut so, als sei nichts passiert und schleimt bei seinen Eltern. Und genau so machen wir es auch - indem wir ein Dorf an Handy und Web bringen! Kevin lacht laut auf, doch Evas Blick verrät ihm: KEVIN Shit, Eva, Sie meinen das ernst? Sie hatten eine Stunde Zeit für ein Top-Konzept, verdammt! EVA Es gibt da draußen tatsächlich noch Dörfer, die haben weder Handyempfang noch Breitband, so irre das klingt. (MEHR) 25. EVA (WEITER) Um die kümmert sich keine Sau - bis wir sie zurück ins Leben bringen. Für die wären wir der Erlöser! Kevin blickt sie skeptisch an, doch Eva, total durchnässt, verschränkt die Arme und hält seinem Blick stand: EVA “Connect klaut unsere Daten” oder “Connect schließt ein Dorf an die Zivilisation an”? Ihre Entscheidung! AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG Rolle steht nachdenklich an der Landstraße, betrachtet ein brachliegendes Feld. Hinter ihm erblicken wir den Mann in Schwarz, der nicht das Feld sondern Rolle betrachtet. MANN IN SCHWARZ Rolle -- Darf ich Sie Rolle nennen? Ich nenne Sie Rolle. Lieber Rolle, ich sag's Ihnen nicht gerne, aber Sie brauchen Geld. Ich biete Ihnen Geld. Mehr als sie brauchen. Ist das kein fairer Deal? Sagen Sie nicht nein! ROLLE Das Angebot ist großzügig, aber wenn ich gewusst hätte, dass Sie -MANN IN SCHWARZ Äußerst großzügig. Wie so vieles sagt er das mit einem breiten Lächeln, aber es schwingt etwas Bedrohliches darin mit. Ein Unterton. ROLLE Sehr großzügig. Zweifellos. Nur, ich muss an meine Bürger denken, an meine Wiederwahl... Der Mann in Schwarz kommt näher, legt eine Hand auf Rolles Schulter, beugt sich zu ihm vor. MANN IN SCHWARZ Rolle, ein Mann wie Sie, der macht sich doch keine Sorgen um seine Zukunft. Wenn Sie mein Angebot annehmen, sind Sie die Zukunft. ROLLE Und wenn nicht? MANN IN SCHWARZ Nun, ich denke nicht negativ. Aber ich würde annehmen, Sie hätten keine große Zukunft, hm? Er klopft Rolle jovial auf die Schulter, wendet sich ab. 26. INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Eva sitzt an ihrem Schreibtisch, die Schuhe wieder unter den Stuhl geschoben. Sie trägt ein Headset auf dem Kopf, auf dem Bildschirm ein Telefonie-Programm, nebenbei surft sie auf Connect herum, nie voll konzentriert. Am anderen Ende der Leitung hören wir JÜRGEN: JÜRGEN Wieselbach... Wieselbach... Ah, da hinten. Ja, das ist auf unserer DSL-Landkarte ein weißer Fleck. EVA Und ich dachte, weiße Flecke gäbe es seit Neunzehnhundert nicht mehr. Vom anderen Ende der Leitung hören wir Papierrascheln. Eva streift unterbewusst wieder ihre Schuhe ab, tippelt unruhig mit den Fingernägeln auf die Tischplatte. JÜRGEN Haben Sie sich das mal angesehen? Die Leitungen, die wir da legen müssten... EVA Die armen Leute. JÜRGEN Können ja in die Stadt ziehen. -Hören Sie, es gibt vielleicht drei dutzend Käffer von der Art - haben kein DSL, werden nie DSL kriegen. Schicksal. So ist das Leben. Eva zieht ein zerknirschtes Gesicht und blickt zu Nils. hält ihr einen Zettel hin: “Preiserhöhung!” Der EVA Große Sprüche für jemanden, der durch die letzte Preiserhöhung tausende Kunden verloren hat. JÜRGEN Wir geben nur unsere gestiegenen Kosten an die Kunden weiter... EVA Die sehen das anders. Und Connect überlegt sich auch, ob es mit einer Firma, die ständig schlechter Presse ausgesetzt ist, noch weiter zusammen arbeiten kann... Oder ob wir unsere Server nicht einem etwas beliebteren Anbieter überlassen. Sie verstehen? INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - DORF - TAG Ein schöner Tag. Eva fährt mit ihrem Auto durch das Dorf, vorbei an einer Gärtnerei, in der Erika arbeitet. 27. Bei dem guten Wetter wirkt das Dorf einladend, aber das Altmodische, Heruntergekommene fällt umso mehr auf. Sie kommt an einer Gruppe PULLITRÄGER vorbei, die in einem Kreis stehen, sich an den Händen halten. Huh? AUSSEN - METZGEREI - TAG Eva parkt ihr Auto vor einer kleinen Metzgerei, steigt aus und geht auf den Eingang zu. Als sie die Tür öffnen will, kommt ihr der Mann in Schwarz entgegen. Er strahlt und hält Eva galant die Tür auf. dankbar zu und schlüpft hinein. Die nickt ihm INNEN - METZGEREI - VERKAUFSRAUM - TAG Ein typische Metzgerei, gut aussehende Fleisch- und Wurstwaren liegen in der Verkaufstheke, daneben Salate und... Fahrräder. Hinter der Theke eine VERKÄUFERIN. Eva tritt ein, bleibt stehen. Guckt sich um: Uhm... INNEN - METZGEREI - ARBEITSRAUM - TAG Ein Messer schlägt auf ein Stück Fleisch ein. Die Klinge durchdringt das Gewebe, knallt auf einen Knochen. Ein zweiter Schlag und auch der Knochen ist durchtrennt. Rolle, der das Fleischermesser schwingt, reibt eine Hand an seiner blutverschmierten Schürze ab, wirkt verärgert. Wir hören ein Räuspern, Rolle dreht sich zur Seite... und sieht Eva an der Tür stehen, die von dem Anblick gar nicht angetan ist. Das Messer ruht drohend in Rolles Hand. SPÄTER Rolle, nun ohne Messer, und Eva sitzen an einem kleinen Tisch in der Ecke des Raumes, Eva guckt sich unruhig um. ROLLE Tut mir leid wegen der Unordnung, aber es ist besser, wenn wir nicht gesehen werden. EVA Haben wir etwas zu verheimlichen? ROLLE Natürlich nicht - aber das weiß ja meine Hilde nicht! Mein armer Rücken will nicht wieder im Keller ratzen. Eva blickt erneut hin und her. Scheint sich nicht mehr sicher zu sein, ob es eine gute Idee war, herzukommen. ROLLE Und ich bin ein viel beschäftigter Mann, müssen Sie wissen -- 28. EVA Klar, als Politiker, Fleischer und Fahrradverkäufer... ROLLE Ich bin Bürgermeister, Metzger und Unternehmer. EVA Besteht da ein Unterschied? ROLLE Sie sind die PR-Managerin. Eva greift in ihre Tasche, holt ihr Smartphone heraus, will es auf den Tisch legen, hält es dann aber lieber in der Hand. Sie zeigt Rolle die zwischengespeicherte Connect-Website. EVA Wissen Sie was das ist? ROLLE Ich bin ein Mann von Welt! EVA Nun, die örtliche Infrastruktur ist es nicht - und genau das wollen wir ändern. Rolle steht auf, wischt eine blutige Arbeitsplatte ab. beobachtet ihn mit zunehmendem Unwohlsein. Eva ROLLE Mm-hm, mm-hm. Und was, werte Frau Fuchs, würden wir dafür kriegen? EVA Ihnen fehlt eben jene Infrastruktur, also... würden Sie die bekommen?! ROLLE Ich rede von dem hier -(reibt die Finger: Geld) Nun gucken Sie nicht so, nur weil ich weiß, wie der Hase läuft! Hab Ihnen gesagt, ich bin ein Mann von Welt! Hab ich oder hab ich nicht? Eva saugt pfeifend Luft ein, schüttelt dann den Kopf, steht auf und geht zum Ausgang, als: ROLLE In Ordnung! Warten Sie! Sie wissen auch, wie man das Spiel spielt, was? Ich respektiere einen guten Spieler. Doko, Kegeln, Liebe, Politik, Fußball. Moderner Fünfkampf. EVA Haben Sie Interesse? Ja oder nein? 29. INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG Mark und Jennifer stehen hinter der Theke, spülen Gläser, Sophie geht herum und wischt Tische ab. Sie blickt dabei immer wieder zu Mark, etwas brennt ihr auf den Lippen. Mark selbst räumt eine aufgeschlagene Zeitung beiseite und entdeckt darin markierte Texte. Wohnungsanzeigen... JENNIFER Sie hat irgendwas. MARK Ich hab's Dir schon mal gesagt: Man spricht nicht in der dritten Person, wenn derjenige im Raum ist. JENNIFER Ist “man” nicht auch dritte Person? SOPHIE Wir sind doch drei?! Jennifer blickt sie schräg an, Sophie wendet sich ab. Mark geht auf sie zu, kniet sich zu ihr, blickt sie fragend an Sophie zögert, dann: SOPHIE Hmm... Papa hat gesagt, ich muss Dich fragen. Weil er mir das nicht erklären kann. Aber, uhm -MARK Oh, äh, vielleicht wäre Jenny die richtige Ansprechpartnerin... SOPHIE Ich will einen Laptop. (re: fragender Blick) Einen Laptop. So einen kleinen wie man im Fernsehen sieht. In pink. Mark schielt aus den Augenwinkeln zu Jennifer, die das Gespräch aber nicht zu hören scheINNEN - Trotzdem leiser: MARK Hendrik ist dein Vater, er muss solche Entscheidungen treffen. SOPHIE Er hat gesagt, Du bist dagegen. JENNIFER Was lügt ihr? Wer flüstert, lügt! Zweite Person. Mark schüttelt den Kopf, sein Blick schweift zum Fenster ab und er sieht Eva aus der Metzgerei kommen. 30. Was zum -- MARK Er eilt hinter der Theke hervor, läuft zum Fenster, guckt raus... aber von Eva ist nichts mehr zu sehen. MARK Seh ich Gespenster oder was? Sophie blickt ihn fragend an, Mark läuft nach draußen. JENNIFER Ich bin die einzig Normale hier. AUSSEN - GASTHOF - TAG Mark tritt aus dem Gasthof und sieht Eva gerade noch hinter einer Ecke verschwinden. Er geht ihr zunächst nach, sieht dann jedoch Rolle aus der Metzgerei kommen und in einen vor dem Eingang parkenden, alten Mercedes steigen. Mark steuert auf ihn zu... INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Eva füllt die Betreffzeile einer E-Mail aus: "Zur sofortigen Veröffentlichung: Connect bringt 7192 Menschen ans Netz!”. Dann klickt sie auf "Abschicken", dreht sich um und sieht Kevin aus seinem Büro kommen. Im Anzug, mit verwuscheltem Haar, roten Augen, Ringen unter den Augen, roter Nase. Yo! KEVIN Ich bin pünktlich! Eva mustert ihn abschätzig. Spiegelbild in der Glastür. Alamiert betrachtet Kevin sein KEVIN Scheiße, hab ich 'nen Fleck? Den Anzug hab ich gestern erst waschen lassen. Muss ich meiner süßsauren Vietnamesin den Hintern versohlen?! (re: Blicke) Chillt, Leute - sie steht darauf! Eva steht auf, nimmt ihre Jacke vom Stuhl, zieht sie über. EVA Ich hab gerade die Pressemitteilung rausgeschickt, das Fernsehen kommt das wird großartig! Ihr Blick fällt erneut auf Kevin, sie bemerkt etwas: EVA Sie haben da was Weißes... Fuck! KEVIN Machen Sie's weg! 31. EVA Uhm -- Über der Lippe. KEVIN Machen Sie schon! Das mit meiner Vietnamesin war nur so dahin gesagt. Die wird nicht eifersüchtig. Eva presst die Lippen zusammen, wischt Kevin dann mit der Rückseite eines Fingers das Pulver weg und wischt die Hand danach wenig unauffällig an ihrer Hose ab. KEVIN Zahle ich Ihnen zuviel? Das hätte sich noch einer reinziehen können! INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG Coldplay dröhnt durch das Wageninnere. Wir sehen Eva am Steuer, die Augen stur auf die Straße gerichtet, auf der Rückbank hinter ihr Nils und die Katze. Zu Nils: EVA Tut mir leid, dass sie einfach ins Auto gehüpft ist, sie verfolgt mich. KEVIN Bullshit, Nils liebt Pussys. Hm, Nils?! Du kleiner Stecher, Du! Neben Eva auf dem Beifahrersitz wackelt Kevin zum Beat mit dem Kopf, er hält ein iPhone in der Hand, das an das AutoRadio angeschlossen ist. KEVIN Was für ein Road Trip! Das sollten wir öfter machen! Betriebsausflug, Baby! Wooooo! Huh, Eva? Er klatscht ihr auf den Oberschenkel, lässt seine Hand einen Moment darauf liegen. Eva wirft ihm einen bösen Blick zu und schiebt die Hand unsanft beiseite. Kevin faucht wie eine Katze, macht eine Kralle nach. Vor ihnen taucht das Dorf auf. KEVIN Holy Shit, was für ein Kaff! Hier könnte man jemanden verschleppen und keine Sau würd's merken, was?! Eva tritt fester auf's Gaspedal. AUSSEN - MARKTPLATZ - TAG Der typische Marktplatz eines Dorfes: Viele alte Gebäude, ein Brunnen, Café, Rathaus und Kirche direkt daneben. Vor einer kleinen Bühne stehen Tische, auf denen Broschüren und Werbeprospekte ausliegen. Jürgen, 49, ein Vertretertyp, im Anzug, steht wartend hinter den Tischen. 32. Die etwa 50 BÜRGER sind jedoch mehr am Büffet interessiert: Schinkenschnittchen und Mettbrötchen stehen bereit, von der Metzgerei Weber zubereitet, wie uns ein Schild verrät. Eva steht am Rand und beobachtet eine Gruppe JOURNALISTEN, die unruhig auf ihre Handys und Uhren gucken. MARK (O.S.) Also diese Mettbrötchen sind köstlich, die musst Du probieren! Sowas kennt Ihr in der Stadt mit Eurem Toastbrot gar nicht mehr. Eva dreht sich um, sieht Mark, mit einem Mettbrötchen in der Hand, und Jennifer hinter sich. EVA Ich hatte ein ausgewogenes Büffet bestellt... JENNIFER Deshalb die Schinkenschnittchen! MARK Wir haben uns schon gewundert. Du arbeitest also für diese Klitsche? EVA Äh -- Das größte deutsche soziale Netzwerk. Ja. Könnt Ihr mal -Eva winkt die Fotografen zu sich. Sie postiert Mark und Jennifer die kaum wissen, wie ihnen geschieht. Eva greift Marks Arm, legt ihn um Jennifer. Die verzieht das Gesicht. Die Fotografen beginnen, Fotos zu schießen. EVA Okay, Ihr seid jetzt total glücklich, dass Ihr endlich Internet bekommt! Los! Mark... JENNIFER EVA Glücklicher gucken! Vielleicht -Haben wir ein DSL-Modem irgendwo? Dann können wir das so machen wie mit den Bananen nach dem Mauerfall! Sie blickt zu Jürgen, der schüttelt jedoch den Kopf. EVA Gut, aber ein bisschen mehr happy! Könnt Ihr knutschen oder so? Mark und Jennifer lösen sich geradezu blitzartig voneinander und starren Eva entgeistert an. Die Fotografen stoppen. JENNIFER Sie ist pervers!! 33. EVA Ist Knutschen in der Öffentlichkeit hier verboten? MARK Das ist es in ganz Deutschland zwischen Bruder und Schwester. Eva lacht auf, doch die Blicke von Mark und Jennifer verraten ihr, dass sie die Wahrheit sagen. EVA Ihr seid -- Ich dachte -- Warte, das heißt, Du bist Single? Jennifer rümpft die Nase und Mark starrt Eva verärgert an. Die beißt sich auf die Lippe: Unangehm. Sie blickt sich um und sieht, dass sich die Menschentraube um die Büffettische herum langsam auflöst... ... doch statt jetzt an die Infostände zu gehen, bewegen sich die meisten vom Markplatz weg. Nur Hendrik schielt mal unauffällig auf eine der Broschüren. Eva! KEVIN Die Bitches verpissen sich! EVA (eilt zu der Gruppe) Hey, Leute, nicht gehen! Wir haben doch noch gar nicht angefangen. Kevin entdeckt Rolle, der sich ein Mettbrötchen quer in den Mund schieben will. Er eilt zu ihm, reißt es ihm weg. ROLLE Herr Dings! Ich wollte mich nur von der Qualität meiner Ware überzeugen. Er will sich das Brötchen zurückholen, doch Kevin schiebt es sich quer rein. Mit vollem Mund, halb spuckend: KEVIN Erst die Fotos! ROLLE Achja, öh, das tut mir wirklich leid, aber... es wird keine Fotos geben. -- Naja, das Ganze ist doch nichts für unsere Gemeinde. Große Konzerne, die kommen und gehen - wir brauchen Konstanz in diesen schweren Zeiten. (in die Runde) Mmm, das leckere Büffet hat mir Hunger auf ein Schnitzel gemacht. Noch jemand zu Klewe, Männer? Ein paar murmeln zustimmend. Kevin packt ihn am Arm und zieht ihn ein paar Schritte zur Seite, wütend: 34. KEVIN Wir hatten einen Deal! ROLLE Ich habe Ihrer Kollegin gesagt, man kann über alles reden. Ich bin ein Mann von -KEVIN Bullshit sind Sie! ROLLE Tzk, tzk, tzk. Wir haben einfach kein Geld für sowas, Herr Dings, das ist doch bestimmt mit laufenden Kosten verbunden. Und dann hört man ständig davon, dass persönliche Daten veröffentlicht werden, neenee, das brauchen wir nicht. Die Privatsphäre, die ist meiner Hilde heilig - die zerstampft mich sonst! Eva kommt hinzu, schiebt Kevin beruhigend zur Seite. EVA Das Internet ist eine Investition in die Zukunft! Es -- Himmel, ich kann nicht glauben, dass ich sowas in Zwanzigzwölf noch sagen muss. Sie machen Wieselbach bekannt, Sie locken Touristen und Unternehmer hierher... Rolle schaut sie skeptisch von der Seite an. EVA ... sie digitalisieren die Verwaltung, alles läuft viel effizienter ab. Wie kann man dazu nein sagen? ROLLE Gucken Sie sich um: Niemand von uns hat Interesse an ihrem Internetz! EVA Vor ein paar Tagen klang das anders! ROLLE Da hatte ich auch noch nicht mit meinen Wählern gesprochen. Besonders Mark hat mich bestens aufgeklärt. Eva starrt Rolle an, doch der geht davon. Sie schaut sich suchend nach einer Lösung um; viele Bewohner sind gegangen, auch Mark und Jennifer. Die Journalisten notieren eifrig das Desaster. Eva hält ein paar Nachzügler an: EVA Wissen Sie überhaupt, was Ihnen ohne Internet entgeht? 35. KARL-HEINZ Wir kamen bis jetzt gut ohne aus. Wenn wir uns was zu sagen haben, dann bei 'nem Bier! ERIKA Ich muss in die Gärtnerei. Heute Abend Doko, meine Herren? Nicht, dass Sie sich drücken, wo ich meine Glückssträhne hab! Sie gehen weiter, Eva beobachtet das ungläubig vom Rand aus: Was ist nur los mit diesem Ort? Sie geht auf Kevin zu, der in einer Ecke steht, die Wand anstarrt... EVA Ja, es war mein Fehler und ich denke mir was Neues aus. Hauen wir ab! -Kevin? ... doch Kevin heult. Eva reibt sich die Augen. KEVIN Warum mag mich keiner, Eva? Ich dachte, wenn ich Geld habe, werde ich happy. Ich dachte, dann kriege ich Freunde und alle lieben mich. Aber niemand liebt mich... EVA Kevin, Sie haben Freunde. Irgendwo. KEVIN Sind Sie denn meine Freundin, Eva? Nein, sind Sie nicht. Sie finden mich auch doof, geben Sie's zu! Eva beißt sich auf die Lippe. Kevin reibt sich die Tränen aus dem Gesicht, seine Stimmung schwingt wieder um, wütend: KEVIN Ich will Ihnen mal was erzählen, Eva: Vor sechs Jahren, als ich ein kleiner Junge war, da hatte ich einen besten Freund. David - wie der Fußballer mit der dünnen Ische. David und ich haben alles zusammen gemacht: Wir waren im gleichen Golf-Club, wir haben zusammen gesoffen, wir hatten unser erstes Mal miteinander. Und eine Frau war auch dabei. Tanja. Unsere Bio-Lehrerin. Und sie hat uns Bio beigebracht - oh, ja, Baby! Doch eines Tages hat David vor mir eingelocht - und ich habe nie wieder ein Wort mit ihm gesprochen. Checken Sie, worauf ich hinaus will? EVA Ich hoffe, nur darauf, dass Sie ein schlechte Golfer sind... 36. KEVIN Nein: Ich dulde keine Niederlagen, Eva. Nicht damals und nicht today. Überzeugen Sie dieses Kaff - oder suchen Sie sich einen neuen Job! MONTAGE --Eva zeigt einem ANGESTELLTEN in einer Post-Agentur ihr EMail-Programm am Laptop. Der Angestellte runzelt die Stirn. --Eva zeigt Erika in ihrer Gärtnerei einen Online-Shops wie Fleurop. Erika runzelt die Stirn. --Eva zeigt einer ALTEN DAME auf einer Parkbank ihren Laptop. Die guckt wie ein Hund hinter den Bildschirm, bewegt ihn vor und zurück. Runzelt die Stirn. --Eva führt einem JUNGEN ihr Handy vor. Im ersten Moment wirkt er interessiert, doch dann blickt er auf und rennt zu seinen FREUNDEN, die Fußball spielen. Eva dreht sich um und erblickt erneut die Wollpulliträger. Sie runzelt die Stirn, dreht sich um und sieht Kevin. Der schüttelt den Kopf, steigt in sein Auto, fährt ohne Eva ab. INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG Hendrik sitzt hinter der Theke auf einem Hocker, spielt mit einem alten Game Boy Advance herum. Abgesehen vom Gepiepse des Handhelds ist es still, bis sich ihm gegenüber jemand räuspert. Ohne aufzublicken: HENDRIK Klo is' offen. Die Person räuspert sich erneut, Hendrik blickt auf - und sieht zu seiner Überraschung Eva vor sich stehen. Trägt eine große Tasche bei sich, die Katze auf dem Arm. INNEN - GASTHOF KLEWE - ZIMMER - TAG Ein Schlüssel dreht sich im Schloss, die Tür öffnet sich laut knarzend, Hendrik und Eva treten ein. Eva setzt die Katze ab und guckt sich um: Altes Holzbett, ein Röhrenfernseher, VHSRecorder darunter, weiße Bettwäsche, weiße Gardinen... Hendrik wischt unauffällig über einen kleinen Schreibtisch, pustet dann - weniger unauffällig - den Nachttisch ab. Eva blickt ihm mit hochgezogenen Augenbrauen an. HENDRIK Hätt' ich damit gerechnet, dass einer kommt -- Ich kann schnell 'nen Wischlappen holen -EVA Mach's morgen! Ist ja nicht so als wäre der Staub antiklimatisch... 37. HENDRIK Du willst hier wirklich bleiben?! EVA Wollen ist ein starkes Wort. AUSSEN - MARKS HOF - FELD - TAG Ein Spaten wird wuchtvoll in braune Erde gestochen. Ein Fuß tritt auf den Spaten, bohrt ihn fester hinein. Eine Hand umschließt den Spatenschaft und hebt ihn hinaus. MARK (O.S.) Wir leben hier ein bisschen anders, Eva - und es gefällt uns! Eva steht auf einem Weg, zwanzig Meter entfernt von Mark und Jennifer, die auf dem Feld arbeiten. Eva bemüht sich, ihre Stiefel nicht schmutzig zu machen. EVA Ich fühle mich hier echt verarscht, Mark, ich wollte Euch etwas Gutes tun und dann erfahre ich, dass Du dagegen warst, ich meine -MARK Ich hab nie gesagt, dass uns etwas fehlt. Es ist unsere Lebensweise. EVA Und ich möchte mehr darüber erfahren, über Eure Lebensweise. -- Komm schon, ich will Euch doch bloß helfen! Zeig mir dein Dorf! Anders wirst Du mich nicht los. -- Okay. Ich hab Zeit. (lange Pause) Menno, jetzt komm! AUSSEN - DORF - FUSSGÄNGERZONE - TAG Mark und Eva gehen an den Geschäften und einem Café vorbei, sie guckt sich um: Was soll hier so toll sein? Ihr Blick fällt auf eine Telefonzelle, eine Litfaßsäule. Brrr. Einige der Dorfbewohner gucken Eva neugierig an, was die irritiert. Mark steuert auf einen Schreibwardenladen zu. MARK Ich brauch neue Stifte. schon: zum Schreiben? Du weißt INNEN - SCHREIBWARENLADEN - TAG Mark sucht nach Stiften, Eva stellt sich währenddessen vor ein Zeitschriftenregal, überfliegt ein paar Titel - und wird prompt von der LADENBESITZERIN, 45, angesprochen: LADENBESITZERIN Kann ich Ihnen helfen? 38. EVA Keine Sorge, ich kaufe erst und lese anschließend. (re: Blick) Oh, sie wollen mir wirklich -- Ich suche was, um hier abends nicht vor Langeweile zu sterben, aber ich hab seit Jahren kein Papier mehr gekauft. Im Hintergrund sehen wir Mark, der zu Bleistiften und einem Block greift, das Gespräch beobachtet, die Augen verdreht. LADENBESITZERIN Was lesen sie denn gerne? EVA Das Übliche halt: Spiegel Online, Wired, Engadget, Lifehacker... Sie blicken einander an, ein langer unangenehmer Moment. Und Sie? EVA LADENBESITZERIN Brigitte, Landlust... Super! EVA Nehm ich! Die Ladenbesitzerin holt die beiden Zeitschriften aus dem Regal und geht damit zur Kasse. Eva bemerkt Marks Grinsen. EVA Das Netz - wieso habt Ihr kein Bock darauf? Du bist doch jung... MARK Ich arbeite von sechs bis sechs auf meinem Hof. Abends treffe ich mich mit Freunden, spiele Fußball, ab und zu sitze ich mal vor dem Fernseher. Selbst wenn ich wollte, hätte ich keine Zeit für so 'nen Quatsch. EVA Wenn Du Internet hättest, müsstest Du Dich nicht mit Freunden treffen. Ich meine, Du kannst schon, aber es gibt Mails und Videochats - man kann in Kontakt bleiben, ohne sich ständig treffen zu müssen. Das spart Zeit. Mark schüttelt genervt den Kopf, will zur Kasse gehen, doch Eva hält ihn an der Schulter fest: EVA Okay, okay! Aber was ist, wenn Du was nachschlagen willst? Internet heißt Fortschritt. Das nützt allen! 39. MARK Wie? Ist auch nur ein Mensch dank des Internet glücklicher als zuvor? Oder ist es nicht eher so, dass das Netz Euer Leben völlig einnimmt? (re: Zögern) Hast Du auch nur ein Hobby, bei dem Du Ruhe vor PC, Internet und Job hast? Lass mich raten: Du bist so eine, die selbst abends noch vor dem Rechner sitzt, oder? Mit dem Laptop auf dem Schoß auf dem Sofa - ich kann's mir geradezu vorstellen. EVA Oder dein Hof -- Weißt Du, wieviel Kohle Du mit deinem Bio-Hof machen könntest? MARK Es ist kein Bio-Hof. EVA Es ist ein Bio-Hof, Du weißt es nur noch nicht. Du könntest mehr Tiere halten, Dich vergrößern, neue Geräte kaufen. Oder hast Du genug Geld? MARK Niemand hier will Internet, Eva. Akzeptier das und fahr nach Hause! Mark geht zur Kasse, doch Eva drängelt sich an ihm vorbei. Dann, zur Ladenbesitzerin: EVA Hören Sie mal, Sie sind doch eine aufgeschlossene und belesene Frau: Internet, wäre das nichts für Sie? LADENBESITZERIN Puh -- Was hätte ich schon davon? EVA Sie... könnten Ihre Magazine zum Beispiel online lesen und müssten keinen Cent mehr dafür ausgeben! Hinter ihr hören wir Mark lauthals lachen. AUSSEN - DORF - FUSSGÄNGERZONE - TAG Mark geht die Fußgängerzone entlang, Eva ein paar Schritte hinter ihm, als wolle er sie abschütteln. Einige Bewohner kommen vorbei, jeder grüßt Mark - und Mark grüßt zurück. EVA Du musst zugeben, das ist ziemlich nervtötend, oder? Dieses ständige Hallo und guten Tag? (MEHR) 40. EVA (WEITER) Bestimmt kennen Sie sogar alle deinen Namen. Ich find's peinlich genug, wenn die Kassiererin im Supermarkt meinen von der EC-Karte abliest. “Hier unterschreiben, Frau Fuchs!” Wuah! MARK Du magst deinen Namen nicht? über eine Ehe nachgedacht? Mal EVA Nicht jeder muss wissen, wer ich bin und was ich kaufe. MARK Dann zahl nicht mit EC-Karte, bei der die Bank -- Ach, vergiss es! (kommt nicht drüber hinweg) Nein, vergiss es nicht! Du stellst all deine Daten und dein Privatleben ins Internet - aber welche Müslisorte Du isst, das dürfen die Leute, die hinter Dir in der Schlange stehen -Ich kapier's nicht. Vergiss es! EVA Du bist süß, wenn Du Dich aufregst. MARK Nein, ich find's lustig: In der Stadt beklagt sich jeder, dass man nicht mal seinen eigenen Nachbarn mehr kennt, aber wollt Ihr überhaupt Eure Nachbarn kennen? Wenn Du Dich umguckst: Was siehst Du? Eva guckt sich um: Schreibwarenladen, Blumenladen, Kiosk, Getränkeladen, Schneiderei, Bäckerei, Wäscherei. EVA Uralte Läden? MARK Und ich sehe eine Gemeinschaft, in der ein Rädchen ins andere greift. In der jeder weiß, was für eine Funktion er hat. Die nur gemeinsam funktioniert. Und ich muss jetzt arbeiten, Nahrung erzeugen, also: Lern uns mal alleine weiter kennen! Wofür auch immer das gut sein mag. Damit lässt er Eva alleine zurück. Die blickt ihm nach. Wirkt hilflos. Sie sieht den Mann in Schwarz alleine auf einer Bank sitzen, sich etwas notieren. MONTAGE --Hendrik an der Rezeption, Eva tritt ein, geht auf ihn zu. 41. EVA Hey, ich muss kurz im Büro anrufen, hast Du ein Telefon hier? Hendrik greift hinter die Rezeption, holt ein uraltes Telefon mit Wählscheibe hervor. Eva starrt es an, sie nimmt den Hörer ab - und weiter? Tippt mit einem Finger auf eine Zahl, hat keine Ahnung, wie das funktioniert. --Eva im kleinen örtlichen "Supermarkt", steht vor einem Regal, in dem Seifen und Schampoos und ähnliches stehen, aber die Auswahl ist klein. Sie zögert ewig herum, Erika kommt von hinten auf sie. ERIKA Was suchen Sie, junge Frau? Deo. EVA Erika greift zu einem Deo, drückt es ihr in die Hand. EVA Das ist nicht meine Marke. ERIKA (versteht nicht) Es ist Deo. --Eva an der Supermarktkasse, die KASSIERERIN tippt alles per Hand ein, es gibt keinen Scanner. Schließlich zeigt die Kasse an: 9,12 Euro. Eva drückt der Kassiererin eine Kreditkarte in die Hand. Die blickt sie misstrauisch an. --Eva in ihrem Zimmer vor ihrem Laptop, öffnet iTunes und wählt einen Film aus einer Liste aus. Doch das Programm erwidert: Zugriff nur mit Internetverbindung möglich. Genervt klappt Eva den Laptop und entdeckt unter dem alten Fernseher einen Videorekorder. Darunter eine Schublade, Eva öffnet sie und entdeckt mehrere Filme auf VHS darin. Betrachtet sie zunächst kopfschüttelnd... INNEN - GASTHOF KLEWE - ZIMMER - TAG ... doch dann sitzt sie nur in Unterwäsche im Bett und guckt Pretty Woman, Tränen in den Augen. Die schlechte Bild- und Tonqualität könnte ihr nicht egaler sein. Plötzlich öffnet sich die Tür und Mark tritt ein. zieht schnell die Bettdecke über ihren Körper. Hey! EVA Was denkst Du Dir? MARK Nicht, dass ein erwachsener Mensch um elf Uhr morgens nackt in seinem Bett sitzt. -- Heulst Du? Eva 42. EVA (wischt über die Augen) Nein. Und ich bin halbnackt! MARK So genau hab ich nicht hingeguckt. Da Du anscheinend eh nichts zu tun hast, wie wär's mit was Sinnvollem? Eva schiebt die Bettdecke beiseite, springt auf, als habe sie "nicht hingeguckt" angestachelt. Mark versucht, sie nicht zu sehr anzustarren. Tut sich schwer. MARK Jemand muss Hendrik vertreten und ich hab selbst Arbeit, also -EVA Ich soll die Kneipe schmeißen? lange ich nicht kochen muss... Auch. So MARK AUSSEN - SCHULE - SCHULHOF - TAG Eva, in hellem Rock und Bluse, geht auf die Schule zu. INNEN - SCHULE - FLUR - TAG Eva geht einen Flur entlang, guckt sich um, sucht einen Raum. Sieht, wie furchtbar alles aussieht. Sie stoppt, knibbelt an einer Tapete - die ihr entgegen kommt. Hektisch versucht Eva, die Tapete wieder fest zu machen, doch es gelingt ihr nicht. Ein Räuspern. Eva dreht sich um und sieht Sophie kopfschüttelnd neben sich stehen. INNEN - SCHULE - SCHULHOF - TAG Eva und Sophie entfernen sich von der Schule. EVA Das ist ja eine Zumutung. Wände, die Teppiche... Die SOPHIE Du solltest mal die Klos sehen! EVA Lieber nicht. Warum ist das so? Sophie blickt sie vielsagend an: Was denkst Du wohl? INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG Eva steht an einem Tisch, nimmt die Bestellung von Rolle und seinem Anhang auf. Sophie puzzelt hinter der Theke. 43. EVA Zwei Pils, ein Alster, zwei Jubi und eine Fanta. Und das alles an einem Dienstag Mittag vor ein Uhr? Nicken. Eva eilt zurück hinter die Theke. ERIKA Was'n aus deinem Fisch an'ner Angel geworden? Der Pangakuss da? ROLLE Ich weiß nicht, wovon Du redest Erika. ERIKA Na, Du hast uns doch davon erzählt! ROLLE Ha-ha, Erika, ich erzähl viel, wenn der Tag lang ist! Dafür kassiert Rolle irritierte Blick, er weicht ihnen aus und guckt zur Theke... ... wo Eva zu zwei Gläsern greift, sie unter die Zapfanlage stellt und zu zapfen beginnt. Gleichzeitig nortiert sie die Bestellung auf einem Zettel, spült zwei Gläser im Becken... SOPHIE Du machst zuviel auf einmal. EVA Keine Sorge, wenn Du mal groß bist, kannst Du das auch. Sophie zieht die Augenbrauen hoch, kommentiert das nicht weiter und wendet sich wieder ihrem Puzzle zu. ROLLE Einen Wachholder noch, gute Frau! EVA Wachholder... Eva legt die Gläser am Rand des Spülbeckens ab, wendet sich einem Spirituosenregal zu, sucht Wachholder, eine Hand noch immer am Zapfhahn... ... bis die Gläser überfließen. Bier ergießt sich über Evas Hand, durchnässt den Bestellungsblock. Shit! EVA Hektisch dreht sich Eva wieder um, stößt dabei gegen eine Schranktür - autsch -, zieht den Block fahrig beiseite und die Gläser vom Zapfhahn weg... ... wobei sie gegen die gespülten Gläser stößt, die zu nah am Rand stehen und zu Boden fallen, zerspringen. 44. Verdammt! EVA Rolle und Gäste beobachten das amüsiert, während Sophie sich auf ihr Puzzle konzentriert. ROLLE Brauchen Sie Hilfe, junge Dame? EVA Ich schaff das schon! Eva bückt sich, beginnt die Scherben aufzusammeln... und schneidet sich prompt in den Finger. Das Blut tropft ihr auf den Rock. Neeeeein... EVA Jemand hält ihr ein Handtuch in. Eva blickt auf und sieht Sophie neben sich, nimmt ihr das Handtuch ab, wischt damit über ihren Finger. Sophie schnappt sich derweil Feger und Schaufel und räumt die Scherben. Zapft selbst zwei Bier. SOPHIE Zwei Pils und ein Alster? Eva starrt sie an... und nickt dann langsam. Dankbar. EVA Solltest Du schon Bier zapfen können? SOPHIE Solltest Du nicht danke sagen? Danke. EVA Arbeitest Du öfter hier? SOPHIE Manchmal. Früher hatte Papa Hilfe, die kann er sich nicht mehr leisten, aber das soll ich nicht wissen. EVA Ihr könnt Euch hier einiges nicht leisten, oder? -- Und deine Mama wo ist die? SOPHIE Papa sagt, Jenny und Mark sind meine Mama. Die helfen hier auch oft mit. Und Schnaps musst Du machen, den darf ich nicht. Eva lächelt, atmet durch und holt drei Schnapsgläser. INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - NACHT Eine zu abendlicher Stunde ruhige Raststätte. Essen wartet darauf, abgeholt zu werden. Vorgewärmtes 45. GÄSTE hocken auf Stühlen, KINDER spielen in einer Anlage. An der Decke ein Schild, das auf WLAN hinweist... ... und an einem Tisch sitzt Eva vor ihrem Laptop. Checkt ihre Mails - über 100 -, surft nebenbei im Internet herum. EVA Mark ist eigentlich okay, er kümmert sich echt lieb um andere, um seine behinderte Schwester. Aber sonst... CARO (V.O.) So schlimm kann's doch nicht sein! Eva wechselt das Programm und Caro erscheINNEN sich vor, spricht leiser: Sie beugt EVA Schlimm ist gar kein Ausdruck, ich verstehe sie einfach nicht. Ich weiß nur, dass ich Mark überzeugen muss... CARO Er ist ein Mann, irgendeine Schwäche wird er schon haben. Finde sie und nutz sie aus! Nachdenklich wechselt Eva zurück zum Browser, klickt herum und stolpert über die Werbeseite einer Firma. Lächelt. INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - NACHT Mark und Hendrik haben die Kneipe für sich, sitzen beide an der Theke, trinken Bier, nebenbei läuft der Fernseher, eine Werbung für ein Videospiel. MARK Sophie hat mich gefragt, ob sie einen Laptop haben darf. HENDRIK Jaja, Kinder ha'm wilde Ideen... MARK Glaubst Du, das ist gut für sie? Wir kriegen alles abgenommen: was merken? Wozu, kann man ja googeln. Auf eine Sache konzentrieren? Nee, Musik hören, surfen, Mails, gibt so viel zu sehen. Das ist doch keine Art zu leben. Setz Eva irgendwo aus und sie würde wahrscheinlich keine 24 Stunden durchhalten. INNEN - GASTHOF KLEWE - EINGANG - NACHT Eva tritt ein, die Tür fällt hinter ihr leise ins Schloss. Sie steuert auf die Treppe zu, als sie aus dem Kneipenraum die beiden Stimmen hört. 46. HENDRIK (O.S.) Sophie muss lernen, was das Internet is' und wie's funktioniert, wenn sie hier irgendwann ma' rauskommen will. MARK (O.S.) Und das lieber gestern als heute? Sie schleicht zur Tür, lukt rein, sieht Hendrik, der Marks Blick ausweicht. MARK Manchmal frag ich mich, auf welcher Seite Du stehst. HENDRIK Ich bin meine eigene arme Seite. Mark steht von seinem Stuhl auf, woraufhin Eva zurück zuckt und die Treppe hinaufgeht. Ein Lächeln auf den Lippen. INNEN - MARKS HOF - STALL - TAG Eva schlüpft in den scheinbar leeren Stall, schaut sich um. Mark? EVA Sie holt ihr Handy hervor und beginnt Fotos vom Stall zu schießen. Dann schaut sie sich nach weiteren Motiven um, steigt sogar vorsichtig in eine der Schweineboxen. Die Schweine kommen neugierig schnüffelnd näher, Eva weicht ihnen aus, aber nicht mehr ganz so abgeneigt wie zuvor. In einer Ecke entdeckt sie eine Sau mit kleinen Ferkeln. EVA Na, Ihr Süßen? Guckt zu Mama! Sie knippst mehrere Fotos, bis: JENNIFER (O.S.) Du bist 'ne Sau? Eva macht erschrocken einen Satz nach hinten, stolpert über ihre eigenen Füße und landet in einem Wassertrog. Jennifer taucht mit einem Besen neben ihr auf, blickt sie an. EVA Mann, hast Du mich erschreckt! Du mich nicht gehört? Hast Eva versucht, aufzustehen, hängt mit ihrem Gesäß aber im Trog fest. Versucht es erneut. Keine Chance. JENNIFER Du hast Mark gerufen. Jennifer hält ihr den Besen hin, Eva hält sich daran fest und zieht sich aus dem Trog. Ihr Hintern ist durchnässt. 47. JENNIFER Du bist nass. Schon wieder. Ach! EVA Jennifer ignoriert sie, kniet sich neben ein Ferkel und streichelt es. Das Ferkel quiekt freudig, was Eva dann doch ein Lächeln entlockt. JENNIFER Willst Du auch mal? Streicheln? EVA Mit der nassen Hose? Jennifer nimmt Evas Hand und legt sie auf das Ferkel. quiekt fast genauso auf: Eva EVA Haha, das kitzelt! Sie streichelt es einen Moment lang, lächelt erfreut... und besinnt sich dann dessen, was sie tut. Sie steht auf, reibt sich über die Hose. Jennifer zieht die Augenbrauen hoch. INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG Eva tritt ein, schießt auch hier ein, zwei Fotos. Mark? Dann: EVA Keine Antwort. Sie schaut in die Küche, das Wohnzimmer - er ist nicht zu sehen. Ihr Blick fällt auf ein dickes Buch über Theologie auf einer Kommode. Sie nimmt es in die Hand. Schritte sind zu hören, Mark kommt die Kellertreppe herauf. EVA Da bist Du! Schwere Lektüre. Uff, im doppelten Sinne. Sowas liest Du? MARK Ist Jennys. Von ihrem Studium. Und Du tropfst... aus der Hose? Eva legt das Buch ab, lacht auf. Wartet darauf, dass Mark mitlacht. Der jedoch guckt sie nur fragend an. EVA Verarsch mich nicht! Jennifer hat -Quatsch! Sie hat studiert? Jennifer? Warum wohnt sie dann bei Dir? MARK Die Geschichte ist leider so lang wie mein... Arm. EVA Wie gut, dass ich Zeit hab! 48. MARK Ich nicht, muss arbeiten. Mark geht zur Tür, bleibt stehen, dreht sich zu Eva um: MARK Was treibst Du hier überhaupt? EVA Lass Dich überraschen! INNEN - MARKS HOF - HOFLADEN - TAG Mark steht hinter einem abgenutzten Tisch, der als Theke dient, und reicht einer KUNDIN eine gefüllte Papiertasche. MARK Lassen Sie's sich schmecken! Die Kundin zieht glücklich mit der Tasche ab. Mark fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn und sein Blick schweift durch den kleinen Verkaufsraum: ZEHN KUNDEN stehen zwischen den Obst- und Gemüsepaletten - schon bimmelt es wieder und der nächste tritt ein. Moin-moin! KUNDE #1 Kartoffeln schon aus? Jennifer kommt aus einem Nebenraum, eine Palette Kartoffeln in der Hand. JENNIFER Letzte Kiste. MARK Was? Das kann doch nicht sein, die reichen sonst für 'ne Woche! Jennifer schneidet eine Grimasse, schiebt sich an den Kunden vorbei, bedacht, keinen zu berühren. Stellt die Palette auf einem Tisch an der Seite ab, eilt zurück, weicht den Kunden aus, die sie zu bedrängen scheinen. Sie schnappt nach Luft. JENNIFER Wo kommen die alle her, Mark?! wollen die hier? Was MARK So geht das, seit ich aufgesperrt hab. Kundin #2 tritt an Jennifer heran, an der Hand einen kleinen JUNGEN. Sie tippt Jennifer an, die weicht instinktiv zurück. KUNDIN #2 Entschuldigung, wo kann man sich denn die süßen Ferkel anschauen? JENNIFER Wir schlachten erst übermorgen!! 49. Der Junge guckt seine Mutter entsetzt an, die wirft Jennifer einen bösen Blick zu und zieht ihren Sohn mit nach draußen. MARK Aber keine Ferkel... JENNIFER Sie hat mich angefasst! Mark streichelt Jennifer beruhigend über den Rücken. Kunde #2 stellt zwei Schachteln Heidelbeeren auf den Tisch. KUNDE #2 Sind die auch wirklich aus rein biologischem Anbau? MARK Die sind ganz normal angebaut, warum sollten sie -Mark schaut den Kunden skeptisch an, blickt dann erneut durch den Laden. Hier stimmt was nicht. Zu Kunde #2: MARK Woher kennen Sie uns? INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG Eva sitzt an der Theke, vor ihr Brot, Ei und Kakao. EVA Durchgeschlafen, das ist mir seit der Schulzeit nicht passiert. Hendrik steht hinter der Theke, beobachtet Eva belustigt dabei, wie sie sich das Essen in den Mund schaufelt. EVA Muss die Totenstille hier sein. Kein Auto brettert vor'm Fenster vorbei, kein Handy klingelt. HENDRIK Manchmal wär so'n Handyklingeln vielleicht gar nicht verkehrt... Eva trinkt einen Schluck Kakao - mmm -, die Tür fliegt auf und Mark stampft auf sie zu: EVA Oh-ho, schönen guten Morgen! Oder Mittag?! Ich sollte wohl Mittag -MARK Bio-Hof? Süße Ferkel? Dir dabei gedacht? Was hast Du EVA Ach, es hat schon was gebracht?! 50. MARK Gebracht? Ich kann dafür in Teufels Küche kommen, wenn ich mich Bio-Hof nenne, obwohl ich's nicht bin! HENDRIK Ich mach ma' dein Zimmer... Sagt's und verschwindet, lässt die beiden alleine zurück. Eva leckt ihre Gabel ab, blickt Mark an: EVA Ich hab Dich so genannt, Mark, und nicht Du Dich. Du hast also drei, vier neue Kunden bekommen? MARK Eher dreißig, vierzig. EVA Du hattest gestern Abend auch schon achthundert Klicks auf deiner Seite. Sie schiebt sich eine Gabel voll Speck mit Ei in den Mund und grinst gewinnend. Mark grinst nicht. MARK Ich hab keine Seite, Eva! EVA Mark, die Leute lieben bio, das ist voll der Trend. Egal, ob das nur draufsteht oder nicht - Hauptsache, sie bilden sich ein, sie äßen was Gesundes! Ich schraub noch an den Formulierungen und Du freust Dich, dass Du so viele Kunden hast. Nein. MARK Nimm die Seite wieder raus! Eva schaut ihn entgeistert an, schiebt die Gabel ab ihrem Mund vorbei und das Ei landet auf ihrer Hose. Sie greift zu einer Serviette, wischt es ungeschickt auf. MARK Ich -- Ich will das einfach nicht, Eva. Nimm sie wieder raus, ja? EVA Mark, ich, ich versteh Dich nicht: Mehr Kunden, mehr Einnahmen, das ist eine simple Rechnung. Oder hast Du was gegen Geld? -- Gib Dir 'nen Ruck! AUSSEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG Eva trottet auf den Eingang zu, wenig motiviert. 51. INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG Eva sitzt vor ihrem Laptop, die Seite für Marks Hof vor ihr im Browser... und sie klickt auf “Seite löschen”. “Wirklich löschen?” fragt die Website. Zögerlich und schweren Herzens bewegt Eva den Mauszeiger auf “Ja”. Klickt. Sie will den Laptop wieder runterfahren, als eine Nachricht von Kevin aufpoppt: "menno, wo stecken sie, eva? hab ihnen seit heute morgen zwölf mails geschrieben! sie sollen drei mal pro tag bericht erstatten! fuck!" Schnell klappt Eva den Laptop zu. Sie blickt zur Seite und sieht den Mann in Schwarz, mit Handy am Ohr: MANN IN SCHWARZ Ich hab ihn im Sack. Wir beginnen im Herbst mit den Bauarbeiten. Ihre Blicke treffen sich und der Mann in Schwarz nickt Eva strahlend zu. Die runzelt die Stirn. INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG Kevin sitzt vor seinem Computer, sieht wie Evas Status ohne Antwort von online auf offline wechselt. Schlägt mit seiner Faust wütend auf die Tischplatte. INNEN - MARKS HOF - STALL - TAG Eva steht neben Mark, der den Boden fegt. EVA Komm schon, Mark, sei mir nicht böse! Lass es mich wieder gut machen! Sag mir, was ich tun soll und ich mach's! Mark greift zu einem Paar Handschuhe, die auf einem kleinen Tisch liegen, wirft sie Eva zu. Die fängt sie auf, blickt sie an - so hatte sie sich das nicht vorgestellt. AUSSEN - MARKS HOF - GEMÜSEGARTEN - TAG Mark, Jennifer und Eva hocken in einem kleinen Garten, in dem diverse Gemüsesorten angebaut werden, zupfen Unkraut. Während Mark und Jennifer entspannt wirken, tut sich Eva schwer, schwitzt, wischt sich mit dem Arm über die Stirn. EVA Wie schafft Ihr das? Stück zu arbeiten? So lange am JENNIFER Hat sie gerade gesagt, anderthalb Stunden sind lange? EVA Hey, ich arbeite bis zu zwölf Stunden am Tag - aber ich gönn mir Auszeiten. 52. MARK Um was zu tun? EVA News checken und so, das fehlt mir hier echt am meisten. Mann-oh-Mann, steckt das tief drin! Jennifer blickt zu Eva: Statt Unkraut rupft sie eine ganze Kartoffel aus der Erde, wirft sie achtlos weg. Steht auf, streckt sich, will instinktiv zu ihrem Handy greifen. Argh! EVA Wie haltet Ihr das nur aus? MARK Wir lesen morgens Zeitung und gucken abends TV. Manchmal hören wir sogar Radio. Was glaubst Du entgeht Dir? EVA Aber die ganze Zeit so konzentriert zu arbeiten - nervt das nicht? MARK Probier's mal aus! Ihr habt doch ständig so einen Zeitdruck in der Stadt. Müsstet gerade Ihr nicht konzentriert arbeiten? Wir hören ein Telefon klingeln. Mark steht auf und geht zum Haus, zieht seine Handschuhe aus. EVA Ha! Mit Handy bräuchtest Du jetzt nicht ins Haus zu rennen! Mark verschwindet ins Haus, Eva kniet sich wieder auf die Erde, arbeitet weiter. Jennifer beobachtet sie dabei. JENNIFER Wenn Du weiter unten anfasst, ist es einfacher. Eva blickt sie überrascht an, tut das dann aber - und, ja, entfernt das Unkraut einfacher. EVA Danke für den Tipp. als gedacht. Geht schneller JENNIFER Und jetzt stell Dir vor, Du würdest nicht "mithelfen"! EVA Ja, dann -- Ha-ha, witzig! -- Hey, ich hab gehört, Du hast studiert? 53. JENNIFER Warum fragst Du was, wovon Du die Antwort schon kennst? EVA Braucht Mark Dich so dringend auf dem Hof? Du könntest bestimmt was Besseres machen? Jennifer scheint kurz darüber nachzudenken, zuckt dann aber mit den Schultern, steht auf, geht zu einem Schuppen. Eva blickt ihr irritiert nach, arbeitet weiter. Einen Moment später kommt Mark aus dem Haus zurück, er geht auf Eva zu, blickt sich um: MARK Wo ist Jenny? Weiß nicht. EVA Im Schuppen? MARK Was hast Du zu ihr gesagt?! EVA Ich? Wieso -- Ich hab sie nach ihrem Studium gefragt, warum sie noch bei Dir abhängt... Mark gibt einen entnervten Laut von sich, wirkt aber mehr ängstlich als wütend, läuft auf den Schuppen zu. INNEN - MARKS HOF - SCHUPPEN - TAG Jennifer steht auf einem wackeligen Hocker und sucht etwas ganz oben auf einem Regal. Sie nimmt ein zusammengerolltes Seil heraus, um zu besser an die Harke dahinter zu kommen. Mark eilt auf Jennifer zu und zieht sie vom Hocker. Au! JENNIFER Was tust Du?! Er setzt Jennifer auf dem Boden ab, die blickt ihn irritiert an, löst sich von ihm. JENNIFER Ich brauch die Harke. Mark bemerkt die Harke in ihrer Hand, geht auf Abstand. MARK Eva hat Dich nicht -JENNIFER Hör auf damit, Mark! Echt! EVA (O.S.) Alles okay hier drinnen? 54. Eva steht irritiert am Eingang, blickt sie fragend an. MARK Wir... haben uns gerade darüber unterhalten, wie toll Du hilfst. Wenn Du so weitermachst, hast Du Dir eine Belohnung verdient. INNEN - GASTHOF KLEWE - ZIMMER - TAG Ein paar dreckige Wanderschuhe werden von zwei Händen mit viel Kraft über eine schwarze Nylon-Strumpfhose gezogen. Die Hände gehören Eva, die in einem Jeans-Rock und PartyTop auf ihrem Bett sitzt. Mark, Jennifer und Sophie an der Tür, haben ebenso Wanderschuhe an, er trägt einen Rucksack auf dem Rücken. Eva wackelt mit den Schuhen herum. EVA Naja, passen immerhin. JENNIFER Von der Größe her vielleicht. Tatsache: Die Kombination aus Rock, Top und Wanderschuhen sieht mehr als seltsam aus, aber hier ist es Eva egal. EVA Ihr wollt mir nicht verraten, was dieses “Juwel” ist? MARK Eigentlich nicht, nein. EVA Okay, warte, ich will Fotos machen! Vielleicht lohnt es sich ja - auf die eine oder die andere Weise. Sie guckt sich um, greift zu ihrem Handy, drückt eine Taste. SOPHIE Du machst damit Fotos? EVA Warum nicht? Für's Netz ist die Qualität gut genug. (re: Handy) Akku leer, Mist! Kommt davon, wenn man es kaum benutzt... MARK Du kannst meine Kamera nehmen. AUSSEN - WALD - TAG Eine Spiegelreflexkamera baumelt Eva um den Hals. Sie guckt die Kamera ungläubig an, während Mark, Jennifer und Sophie ihr auf dem matschigen Waldweg bereits ein Stück enteilt sind. 55. EVA Wirklich, Mark, ich kann ja viel verstehen, aber 'ne Digicam kostet fast nix. Und sag jetzt nicht -MARK Ich mag keine Digicams. EVA Das nehme ich Dir nicht ab! Die Qualität ist genauso gut, Du kannst die Fotos drucken lassen, wenn Du darauf stehst, Du musst nicht auf das bescheuerte Entwickeln warten... Mark bleibt stehen, dreht sich um, hält Jennifer und Sophie fest und dreht sie ebenfalls um. MARK Mach ein Foto von uns! Genervt tut Eva das, nimmt den Deckel vom Objektiv, stellt scharf und sucht die richtige Perspektive. Es dauert eine Weile. Mark und Sophie lächeln, Jennifer guckt grimmig wie eh und je. Schließlich schießt Eva das Foto. Klick! EVA So. Ich würde Euch ja gerne zeigen, ob's was geworden ist, aber... MARK Was hast Du gerade gemacht? Eva blickt Mark verständnislos an. JENNIFER Sie hat kein Gedächtnis. MARK Warum hat es so lange gedauert? EVA Bleib locker, wir haben doch Zeit! MARK Und wieviel Zeit hättest Du Dir mit deinem Handy genommen? EVA Keine Ahnung, ich hätte geknippst und wenn es nichts geworden wäre, hätte ich noch eins gemacht. Sie gehen weiter, Eva nun auf gleicher Höhe mit ihnen. MARK Mit anderen Worten: Du hast Dir so mehr Mühe gegeben, Du hast Dich auf das Motiv eingelassen. 56. EVA Mit meinem Handy hätte ich zehn Perspektiven ausprobieren können. MARK Und würdest Du daraus etwas lernen oder es nächstes Mal genauso machen? EVA Ich will ein paar Bilder knippsen, Mark, keine Fotografin werden. MARK Du willst Dir keine Gedanken darüber machen. Und Du glaubst nicht, dass man das den Fotos ansieht? EVA Im Gegenteil, bei einem Film hab ich doch nur Platz für - keine Ahnung dreißig Fotos? MARK Stimmt, Du musst selektiv sein, wieder: Dir Gedanken machen. Was ist es wert, fotografiert zu werden und was nicht? EVA Und nach vier Wochen sehe ich, dass die Hälfte der Fotos unscharf sind. MARK Aber ist Vorfreude nicht die schönste Freude? Mit deinem Handy kannst Du es Dir sofort angucken - und sofort wieder vergessen. Bei echten Fotos, darauf zu warten und dann die Packung zu öffnen - das ist wie Weihnachten. Geduld ist eine Tugend! EVA Ich krieg zu Weihnachten Geld. Mark verdreht die Augen, aber Eva wirkt nachdenklich - als erkenne sie, dass er nicht ganz Unrecht hat. AUSSEN - BURGRUINE - TAG Eine alte Burg steht auf einer kleinen Anhöhe. Nicht perfekt erhalten, aber das macht Teil ihres Charmes aus. Die Natur hat sich viel zurückgeholt, Moos breitet sich über den Steinen aus, Wurzeln durchdringen den Boden. Eva und Sophie steigen eine Treppe hinauf zur ehemaligen Befestigung und blickt von oben auf die Landschaft - nett. SOPHIE Schön, oder? Hier kann man super Verstecken spielen! 57. Eva dreht sich um, guckt runter in den Innenhof, in dem Mark und Jennifer eine Decke ausbreiten, diverse Getränke und Kuchen - mit Streuseln - aus seinem Rucksack holen. Eva deutet auf ein breites Steinpodest, das in der Mitte des Innenhofes steht. Sie ruft runter: EVA Was ist das? Wurden da Verbrecher erhängt? Kriminelle? MARK Kriminell schlechte Schauspieler höchstens. -- Hier war früher 'ne Freilichtbühne. JENNIFER Erhängen wäre aber auch eine Idee. MARK Lass das! (zu Eva & Sophie) Habt Ihr Hunger? JENNIFER Nach der Anstrengung... Moment! EVA Eva zögert, packt dann heimlich Marks Fotoapparat aus und guckt durch die Linse... auf der Suche nach einem guten Foto von dem Dorf. Sie lässt sich Zeit - als habe sie Spaß. Sophie bemerkt das grinsend, Eva sieht ihren Blick und hält einen Finger vor den Mund: Pssst! Mark schielt hoch, kann nicht genau sehen, was Eva treibt. Er zuckt mit den Schultern, reicht Jennifer Kuchen, die zu essen beginnt. Er packt vier Pappbecher aus und füllt sie mit Limonade. Schließlich kommen Eva und Sophie zurück. EVA Warum ist das hier so vergammelt? Jennifer öffnet den Mund, doch: EVA Sag jetzt nicht: “Weil es alt ist.” Jennifer schließt den Mund wieder. Mark muss grinsen. Eva wischt mit der Hand über die Decke, hockt sich dazu, nimmt einen Teller. Ihr Blick fällt auf den Kuchen: EVA Mit Streuseln? Du hast Dich daran erinnert? Wow. Und was ich sagen wollte, war: Das hier hat Flair. (MEHR) 58. EVA (WEITER) Das Grün raus, den Weg verbessern, ein Café rein, die Freilichtbühne wieder nutzen - und fertig ist die Touristen-Attraktion. MARK Ist nicht die schlechteste Idee, die ich von Dir gehört habe... A-ha! EVA MARK ... was nicht heißt, dass sie gut ist. Sowas kostet Geld, man muss die Leute darauf aufmerksam machen -EVA Zum Beispiel über's Internet! MARK Eva, gibst Du mal eine Minute Ruhe damit? Ich kann's nicht mehr hören! Verärgert packt er die Sachen wieder zusammen, steht auf. Eva springt auf, hält ihn fest. EVA Ich will Euch verstehen, Mark. MARK Für deinen Job, ich weiß. EVA Nein. Nicht nur. Ich will auch Dich verstehen. Persönlich. Und ich... ich glaube, es gelingt mir langsam. Wenn Du mich lässt. Sie deutet ihm an, sich wieder hinzusetzen. nach einem langen Moment zögerlich. Mark tut das INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG Kevin wählt Evas Nummer, läuft dann mit dem Handy am Ohr auf und ab, nach einem Moment hören wir die Standardantwort: FRAUENSTIMME Der gewünschte Gesprächsteilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar. Wütend brüllt Kevin auf, schmeißt das Handy gegen die Wand. Nach einem Moment hören wir ein Klopfen an der Tür und Nils streckt seinen Kopf herein. Alles okay? NILS 59. KEVIN Nichts ist okay, Nils! Die Bitch ignoriert mich. Und ich fucking hasse es, ignoriert zu werden! NILS Verschaffen Sie sich Gehör! Kevin denkt darüber nach: Keine schlechte Idee... AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG Der Mann in Schwarz beobachtet ZWEI BAUARBEITER, die auf dem Feld Vermessungen vornehmen. Reibt sich die Hände. AUSSEN - MARKS HOF - TAG Ein Küchenmesser reibt sich an einem Schleifstein. Wir sehen Jennifer, die auf einer Holzbank vor dem Wohnhaus sitzt, das Messer in der Hand hält. Sie befühlt vorsichtig die Klinge, legt es dann zufrieden zur Seite und greift zum nächsten: In einem Karton liegen mindestens ein dutzend weitere Messer bereit. KEVIN (O.S.) Hi! Jennifer blickt auf, sieht Kevin vor sich stehen. KEVIN Du schleifst Messer? Warum wirfst Du sie nicht weg und kaufst neue? JENNIFER Das wäre irrational. m'kay. KEVIN Ich suche Eva. JENNIFER Ich bin Jennifer. KEVIN No shit! Hätte Dich fast für Eva gehalten. JENNIFER Sie sieht ganz anders aus als ich. Kevin mustert Jennifer irritiert: Macht sie Witze? KEVIN Ein bisschen vielleicht. Nein. JENNIFER Ganz anders. Wie anders? KEVIN 60. Jennifer blickt Kevin verunsichert an und er erkennt, dass sie tatsächlich so ist; er die Oberhand hat. Grinst... AUSSEN - MARKS HOF - TAG - SPÄTER Mark steuert auf den Eingang des Wohnhauses zu, sieht den Karton mit den Messern auf der Holzbank stehen, blickt in ihn hinein. Runzelt die Stirn. INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG Mark tritt ein, hängt seine Jacke an die Gaderobe, zieht seine dreckigen Schuhe aus. MARK Hey! Ich bin zurück! Du warst auch schon mal fleißiger, huh? Nicht fertig geworden? Jenny? Er hält irritiert inne, lauscht... aus dem WC ist eine Art Wimmern zu hören. Mark erschrickt. INNEN - MARKS HOF - WC - TAG Jennifer sitzt auf dem Boden, den Kopf zwischen den Knien, das Messer von zuvor noch in der Hand. Mark tritt ein und sieht sie... er hält inne, kniet dann vorsichtig neben sie. Jenny... MARK Sprich mit mir... Jennifer schluchzt, ohne aufzublicken. Langsam legt Mark ihr einen Hand auf den Arm, lässt ihn herunterwandern, bis er ihr das Messer aus der Hand nehmen kann. Er legt es leise zur Seite, dann einen Arm um Jennifer. Die blickt nun auf, sieht verheult aus, mitgenommen. JENNIFER Nein... Es ist nichts... MARK Was ist los? Jemand hat etwas zu Dir gesagt? Was Böses? Jenny?! JENNIFER Er... er hat nach Eva gefragt... Eva... MARK Einer von ihrer Arbeit? Jennifer zuckt mit den Schultern, nickt dabei. grimmig drein, ballt die Faust. JENNIFER Ich wollte mit dem Messer nichts -Ich hatte es in der Hand, es war -Ich wollte nicht, wirklich -- Mark blickt 61. MARK Was hat er gesagt? Hat er sich über Dich lustig gemacht? Einen blöden Spruch gedrückt? JENNIFER Er hat... er hat gesagt... Ihre Stimme erstickt. Sie beugt sich zu ihm vor, haucht ihm etwas ins Ohr - und Marks Gesicht spricht Bände. INNEN - GASTHOF KLEWE - ZIMMER - TAG Evas Laptop steht angeschaltet auf einem Tisch, das E-MailProgramm läuft, alte Mails werden durchgegangen. Von wem, können wir nur erahnen. INNEN - GASTHOF KLEWE - EINGANG - TAG Ein altes Telefon klingelt schrill. Ja, ja, ja! Nochmal. Nochmal. HENDRIK (O.S.) Komm ja schon! Hendrik eilt auf das Telefon hinter der Rezeption zu und nimmt den Hörer ab. HENDRIK Gasthof Klewe, hallo! Sie wollten wahrscheinlich den Friseur-Salon erreichen, der hat 'ne Null statt 'ner Neun am -- Kevin wer? -- Eva? Ja, die -- Ganz ruhig! Was wollen 'se überhaupt von der -- Watt? AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG Evas Auto braust über die Landstraße, vom Dorf weg. INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - NACHT Ein ruhiger Abend in der Kneipe, Rolle mit seinen üblichen Zuhörern an einem Tisch, ansonsten kaum Gäste. ROLLE ... und Hilde sagt zu ihm: Lauf mir noch einmal über den Weg und Du lernst mein Fleischermesser kennen, ha-ha-ha! Hendrik steht an der Spüle und trocknet Gläser ab, den Blick auf den Fernseher gerichtet: Ein Fußballspiel. HENDRIK Wie viele Chancen willst Du noch? Mach ihn rein, verdammt! Maaaann! Er stellt aufgebracht das trockene Glas ab und holt sich das nächste zum Abtrocknen von der Ablage. 62. Mark sitzt ihm gegenüber an der Theke, verfolgt das Spiel nur mit halber Aufmerksamkeit. Sein Blick ruht auf dem fast leeren Bierglas vor ihm. Das Spiel im Fernsehen wird zur Halbzeit abgepfiffen, eine Nachrichtensendung folgt. HENDRIK Das wird nix mehr, könnte schon vier-null stehen! Noch'n Bier? Keine Antwort. Hendrik wirft Mark einen langen Blick zu. Dann beginnt er, die Gläser wegzuräumen. Mark greift zur Fernbedienung, dreht den Ton lauter. SPRECHERIN (V.O.) Wie unserem Sender heute anonym zugespielt wurde, ist das soziale Online-Netzwerk Connect Opfer eines Hackerangriffs geworden. Über zehn Millionen Kundendaten wurden dabei gestohlen, darunter Telefon- und Kreditkartennummern sowie E-Mailund persönliche Adressen. HENDRIK Oh, Mann, arme Eva! Kein Wunder, dass sie so plötzlich weg musste. Er guckt Mark an, der erwidert seinen Blick kurz, schaut dann aber sofort wieder weg. Wir sehen auf dem Fernseher den Eingang zum Connect-Gebäude. REPORTER drängeln sich mit Kameras und Mikrofonen davor und halten jeden für ein Statement an, der hinein will. Kevin kommt vorbei und drängt die Journalisten unsanft zur Seite. Kurz darauf sehen wir Eva, bemüht, die Fassung zu bewahren, während sie sich durch die Menge quetscht. JOURNALISTEN Was haben Sie Ihren Kunden zu sagen? Seit wann wussten sie davon? Warum ist es nur durch einen anomymen Tipp an die Öffentlichkeit gekommen? Eva blickt noch einmal gehetzt in die Kamera, dann erreicht sie die rettende Eingangstür und verschwindet. Mark rutscht unruhig auf seinem Hocker herum. Schließlich greift er selbst zur Fernbedienung, stellt den Ton leiser und wirft sie zurück auf die Theke. Hendrik mustert ihn. HENDRIK Du guckst wie damals, als Du die Lose von der Pfarrjugendkirmes gezockt hast, um den Walkman abzustauben! Mark weicht seinem Blick aus. 63. KEVIN (PRE-LAP) Das ist der Super-GAU! Hiroshima, Fukushima und Cosmashiva in einem! INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG Kevin und Eva stehen vor Kevins Laptop, in dem ebenfalls der TV-Bericht über den Diebstahl zu sehen ist. KEVIN Eva?! Haben Sie gehört, was ich gesagt habe? Wir haben hier einen fucking PR-Nightmare am Arsch! EVA Hätten wir es veröffentlicht -KEVIN Hätten, hätten, ist für -- Äh -- Ach, Fresse! Sie regeln das, Eva, now! EVA Sie haben mich ins Dorf geschickt! KEVIN Oh, ja! Und Nils macht seinen Job in Ihrer Abwesenheit sehr gut... INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Eva verlässt Kevins Büro, der knallt die Tür hinter ihr zu. Zögerlich geht sie zu ihrem Schreibtisch. Nils lächelt: NILS Zurück in der Zivilisation! EVA Hölle wäre wohl die passendere Umschreibung gerade. NILS Im Vergleich zum Dorf muss das hier doch selbst unter den Umständen das reinste Paradies sein! Espresso? EVA Kakao, bitte! Espresso macht mich so hibbelig. Nils schaut sie verwundert an, verschwindet in die Küche. Eva beginnt die Arbeit in ihrem Mailfach durchzugehen. Sie sitzt aufrecht auf ihrem Stuhl, zieht ihre Schuhe nicht aus, öffnet nicht den Browser, verschwendet keine Zeit. Nils kommt mit Kakao und Espresso zurück, betrachtet sie besorgt. NILS Du wirkst angespannt. Wo ist die Eva hin, die barfuß neue Kollegen begrüßt? Geht's Dir nicht gut? 64. Hm? EVA Hast Du was gesagt? Nils betrachtet sie eindringlich, zieht sich dann aber an seinen Schreibtisch zurück. Eva setzt ihr Headset auf und guckt eine Telefonnummer nach, wählt. EVA Eva Fuchs hier, hallo Frau Bach! -Mir geht es gut, danke, aber lassen Sie uns zur Sache kommen: Sie haben ja sicher schon davon gehört... MONTAGE Wir sehen mehrere Einstellungen von Eva bei der Arbeit: Sie erledigt ein Telefonat nach dem anderen, schreibt eine Mail nach der anderen. Hält zwischendurch nur kurz inne, um mal einen Schluck Kakao zu trinken. Es ist ein ganz anderes Bild als anfangs - was sowohl Nils als auch Kevin halb verwundert, halb mit Argwohn bemerken. INNEN - EVAS HAUS - TREPPENHAUS - TAG Eva steigt die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf, trägt eine Laptop-Tasche bei sich. Erneut steht Steffen am Fenster. Sie will sich zuerst an ihm vorbeischieben, hält dann inne, stellt die Tasche ab, tippt ihm auf die Schulter. Steffen zuckt zusammen, dreht sich um, nimmt die Kapuze ab und darunter kommen Ohrhörer eines iPods zum Vorschein. Er zieht sie aus den Ohren. Oh, hey! STEFFEN Hab Sie gar nicht gehört. EVA Sie standen ein bisschen im Weg. Er will das Fenster schließen, doch sie hält ihn am Arm fest - er blickt zu traurig drein. EVA Ich bin Ihre Nachbarin. Steffen. Eva. STEFFEN Und sag ruhig Du zu mir. EVA Du stehst hier oft, oder? So toll ist der Ausblick doch gar nicht?! Steffen zögert, als wisse er nicht genau, wieviel er ihr erzählen soll. EVA Hey, wir sind Nachbarn, sollten wir uns nicht... kennen... irgendwie? 65. STEFFEN Ich -- Ich warte auf Leonie... EVA Deine Freundin? Mutter? Schwester? STEFFEN Meine Katze. Sie kam jeden Tag um Punkt sechs nach Hause, ohne Scheiß, ich konnte die Uhr nach ihr stellen bis vor zwei Wochen. Wahrscheinlich ist es sinnlos, aber ich stehe seitdem jeden Tag um die Zeit hier und hoffe, dass sie kommt. Es ist -- Es war meine Schuld, ich musste einmal länger arbeiten und war um sechs nicht zu Hause, um sie reinzulassen... Eva räuspert sich unangenehm, weicht seinem Blick aus. STEFFEN Sorry, ich wollte Dich nicht mit meinen Problemen belästigen. Eva schüttelt den Kopf greift zu ihrer Tasche und deutet ihm an, mit ihr zu kommen. Steffen tut das irritiert. EVA Nicht böse sein, okay...? Sie stellt ihre Tasche vor der Tür ab, schließt auf... und die Katze kommt ihnen entgegen. Steffen hält die Hand vor den Mund, Tränen steigen ihm in die Augen und er nimmt sie auf, in den Arm, streichelt sie. EVA Es tut mir so leid... Ich wusste nicht, dass es deine ist... Steffen blickt Eva an, setzt die Katze ab und umarmt dann sie. Eva weiß kaum, wie ihr geschieht. Im ersten Moment scheint sie ihn abwehren zu wollen, dann lässt sie sich darauf ein, als täte ihr die Umarmung gut. STEFFEN Danke, danke, danke! Ich hätte nicht gedacht, dass es noch Leute gibt, die so lieb an andere denken! Eva nickt knapp - und ihr selbst steigen Tränen in die Augen. INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - TAG Hendrik blättert in einer Zeitung, weitere Wohnungsanzeigen. Bemerkt plötzlich Sophie neben sich, schlägt die Zeitung zu. Papa? SOPHIE Haben Mark und Eva Streit? 66. HENDRIK Fehlt sie Dir? Sie is' wegen ihrer Arbeit weg. SOPHIE Achso. Ich dachte nur, weil er so komisch geguckt hat. Also, als er aus Evas Zimmer kam. HENDRIK Mark war in Evas Zimmer? Wann? SOPHIE Gestern Nachmittag. Er ist in ihr Zimmer gegangen und wieder raus gekommen und hat komisch geguckt. Dabei dachte ich, Eva war draußen. Hendrik starrt Sophie an. In ihm rattert es. AUSSEN - FUSSBALLPLATZ - TAG Mark, Hendrik und ihr TEAM beim Training. Hendrik läuft mit dem Ball auf das gegnerische Tor zu, nur ein Spieler und Torwart noch im Weg. Mark neben ihm frei, hebt den Arm, Hendrik sieht ihn... ... passt aber nicht, schießt selbst. Hey! Weit am Tor vorbei. MARK Ich stand frei, Mann! Hendrik ignoriert ihn, läuft zurück. Mark folgt ihm. MARK Was ist dein Problem? HENDRIK Ich hab keins. MARK Dann gib mir die Pille! HENDRIK Hol sie Dir nächstes Mal halt selbst! Du machst ja eh, was Du willst, ohne Rücksicht auf Verluste! (re: Blick) Scheiße, ich weiß, was Du getan hast! Eva so zu hintergehen... Der Ball fliegt über ihre Köpfe hinweg, aber weder Mark noch Hendrik schenken ihm Beachtung. MARK Sagt ja der Richtige... HENDRIK Ich hintergeh niemanden. 67. MARK Sophie und ich sind niemand? Oder weiß sie, dass Du in der Stadt nach Wohnungen suchst? Boah, ey! HENDRIK Du spionierst mir nach?! Der Ball fliegt direkt auf Mark zu, der lässt ihn zum Unmut seiner Mitspieler nur abprallen, kickt ihn zur Seite. MARK Nicht nötig, Du bewahrst Geheimnisse so gut wie Du Fußball spielst. Aber uns für Dich arbeiten lassen... HENDRIK Ich hab mich umgeguckt, mehr nich', aber ich will meiner Tochter eine Perspektive bieten. MARK Und das kannst Du bei uns nicht? HENDRIK Mein Gasthof is' pleite, Mark, und wir leben in 'ner Glasglocke. Ich versuche, das Beste zu tun. Du -MARK Ja? Was mache ich, Hendrik? Eva kenne ich seit ein paar Tagen und wir sind nicht ja einmal ernsthaft befreundet. Das ist was anderes. Mark blickt sich suchend nach dem Ball um, will weiter spielen, doch Hendrik packt ihn am Trikot, hält ihn fest. HENDRIK Jau. Was Du machst ist hinterhältig, falsch und kann sie ihren Job kosten! MARK Oder eine Million Menschen vor einer Menge Probleme bewahren. HENDRIK Is' das deine Rechtfertigung? Soll ich Dir was sagen, Mark? Ich finde das Internet genial und ich wäre der erste, der sich DSL holt, wenn es zu uns käme! MARK Dann hilf ihr doch! Wenn Du damit alles kaputt machen willst. HENDRIK Scheiße, Mann, komm ma' runter, ich bin nicht deine Schwester! 68. Mark starrt ihn entsetzt und wütend an. Dann dreht er sich ohne ein weiteres Wort herum und verlässt den Platz. INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG Eva steht Kevin gegenüber, erstattet Bericht: EVA Mitteilung raus und User informiert, Presse aufgeklärt, um keine Gerüchte aufkommen zu lassen. Schulterklopfen können wir natürlich nicht erwarten, aber die Panik dürfte vorbei sein. KEVIN Ich sag sowas nicht gerne, aber: Das war good work, Eva. Jetzt weiter so: Überzeugen Sie diese Dorf-Fucker! EVA Ist das wirklich noch nötig? KEVIN Ich hatte einen Freund, David -EVA Ich weiß, der Golfer. KEVIN Dann kennen Sie meine Antwort: Ich lasse mich nicht in den Arsch ficken, erst recht nicht von gottverdammten Dorfis! Sie haben fünf Tage. INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - GASTHOF KLEWE - TAG Eva fährt durch das Dorf und sieht Hendrik mit einem "Pro DSL"-Shirt vor dem Gasthof stehen. Um ihn ein paar Bürger, mit denen er diskutiert. Eva runzelt die Stirn. Eine Internet-Broschüre wechselt den Besitzer; eine Hand reicht sie an die nächste weiter. Die Broschüre wird nun aufgeschlagen, Infos über DSL, Geschwindigkeiten, WLAN... HENDRIK Wenn sich nichts ändert, bin ich bald pleite. Sollten wir keinen Schritt nach vorne wagen, wenn es uns nicht voranbringt, auf der Stelle zu treten? ERIKA Und was hält Mark davon? HENDRIK Mark, Mark, Mark! Wir sind das Dorf, wir entscheiden! Erika betrachtet die Broschüre, nickt zögerlich. Weitere Bewohner kommen vorbei, Hendrik läuft auf sie zu und hält ihnen die Broschüren hin. Und ein, zwei nehmen an... 69. AUSSEN - MARKS HOF - TAG Eva fährt auf den Hof zu... und sieht die Wollpulliträger vor der Einfahrt stehen, Fotos knippsen, sich unterhalten. Als sie Eva bemerken, huschen sie davon. Eva stellt ihr Auto ab, steigt aus, blickt den Wollpullis nach. Mark kommt auf dem Stall, sieht sie verwundert und geht auf sie zu. EVA Du guckste! So leicht wirst Du mich nicht los. -- Findest Du das schade? MARK Mir wäre es lieber, Du wärst aus anderen Gründen hier. EVA Zum Beispiel? MARK Jeder andere Grunde wäre mir lieber. Sie blicken sich in die Augen, lächeln, dann deutet Eva mit einer Kopfbewegung auf die Wollpullis. EVA Schon das dritte Mal, dass ich die sehe. Kennst Du die? (re: Kopfschütteln) Lust auf'n Spiel? AUSSEN - DORF - TAG Die Pulliträger gehen durch das Dorf und gucken sich um. Mark und Eva folgen ihnen in sicherem Abstand, huschen von Ecke zu Ecke, verstecken sich mal hinter Litfaßsäulen, mal in Hauseingängen. MARK Vielleicht sind es nur Touristen. EVA Die sich hier zu Euch verirrt haben? Fünfzig Mal falsch abgebogen oder wie? Die Pulliträger verschwinden hinter einer Ecke, Mark und Eva laufen ihnen nach und stehen auf dem: MARKTPLATZ Die Pulliträger gehen vor ihnen, gucken sich um... und Mark und Eva gehen die Versteckmöglichkeiten aus. Mist. MARK Ich war nie gut im Verstecken. Sie blicken sich um, Eva packt Mark an der Hand und zieht ihn mit sich in eine Telefonzelle. 70. Sie quetschen sich rein und schließen die Tür hinter sich, stehen dicht an dicht... ... und die Pulliträger gehen weiter, haben sie zum Glück nicht bemerkt. Mark und Eva blicken sich in die Augen, sie können den Atem des anderen spüren... und müssen lachen. MARK Was tun wir hier? EVA Ich weiß auch nicht. mir Spaß... mit Dir. Aber es macht Mark blickt ihr in die Augen, erkennt, dass sie es meINNEN Sie sehen die Pulliträger die Kirche betreten. EVA Hast Du was zu beichten? INNEN - KIRCHE - TAG Die Pulliträger begutachten den Altar, deuten auf diverse Gemälde, schauen sich aufmerksam um. Mark und Eva betreten die Kirche leise, steuern auf sie zu... und sofort verstummt das Gemurmel. MARK Du hast Recht, die verhalten sich mehr als merkwürdig. Wir müssten sie irgendwie abhören können... Eva überlegt einen Augenblick - und strahlt dann. Sie geht in die vorderste Bankreihe, greift in ihre Tasche, fummelt an etwas herum und kehrt dann zu Mark zurück. Und nun? MARK Sie hakt ihn bei sich unter, führt ihn zur Tür. EVA Geduld ist eine Tugend! AUSSEN - KIRCHE - TAG Mark und Eva stehen vor dem Eingang, warten. MARK Viel Stress wegen der Datensache? EVA Ich kann mich wehren, Mark, ich bin ein großes Mädchen und es ist nicht meine Schuld, dass es rausgekommen ist. Ihr seid das echte Problem! Mark nickt knapp und die Pulliträger kommen wieder aus der Kirche. Kaum sind sie weg, huschen Mark und Eva hinein. 71. INNEN - KIRCHE - TAG Eva steuert auf die erste Sitzreihe zu und holt ihr Handy unter der Bank hervor. Sie zeigt es Mark und grinst breit: Die Aufnahme-Funktion ist aktiviert. EVA Und da sag noch einer, die Dinger seien nicht nützlich! MARK Stimmt, Privatdetektive dürften inzwischen alle arbeitslos sein. EVA Dass Du immer das Negative siehst! Eva drückt auf Abspielen, sie warten... und hören Stimmen: PULLITRÄGER #1 (V.O.) Die fette Maschine ist gelockt. Das Fleisch wird es uns danken. PULLITRÄGER #2 (V.O.) Können die Totenköpfe sie umpolen? PULLITRÄGER #1 (V.O.) Ihre Absicht ist eindeutig. Das Land wird uns gehören. Eva muss lachen: Was ist das für ein Quatsch? Gesicht ist ernst. Doch Marks INNEN - MARKS HOF - KÜCHE - TAG Wir hören erneut die Stimmen aus dem Handy, doch darüber: JENNIFER (O.S.) Du hast Recht, das ist die Sprache einer Sekte. Wir sehen nun, Jennifer, Eva und Mark, die bei Kakao um den Tisch herum sitzen. Jennifer gibt Eva das Handy zurück. EVA Solche Klamotten kann man auch nur tragen, wenn man nicht mehr ganz in dieser Welt ist. Was bedeutet das? Die fette Maschine... JENNIFER Eine Maschine ist ein Unerleuchteter. Also ein dicker Mann. Rolle? EVA Und "Das Land wird uns gehören?" Für was kann das Code sein? JENNIFER Allmachtsphantasien. 72. Mark brummt, Eva und Jennifer blicken Mark fragend an. MARK Vielleicht ist es gar kein Code. Wir müssen mehr über diese Sekte herausfinden. INNEN - MARKS HOF - KELLER - TAG Zeitschriften über Zeitschriften. Ganze Kartons voll. Um Mark, Eva und Jennifer herum liegen drei dutzend geöffnete und durchgeblätterte Magazine, sie alle sitzen auf jeweils einem Karton und überfliegen das Inhaltsverzeichnis. Nach einem Moment wirft Mark seine Zeitschrift weg, will zur nächsten greifen, hält jedoch inne. Blickt Eva an. MARK Das dauert zu lange. Sie erwidert seinen Blick fragend. AUSSEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG Mark und Eva steigen aus ihrem Auto aus, Eva ihren Laptop unter dem Arm, sie gehen auf die Raststätte zu. Eva kann sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen. INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG Mark und Eva sitzen an einem Tisch, vor ihnen ihr Laptop. Darauf ist die Website der Sekte zu sehen, psychedelische Musik schallt aus den Lautsprechern. EVA Mann, sind das Spinner. Die Welt wird bald enden und wiedergeboren, alle Regierungen haben sich gegen die Menschheit verschworen, Chemie wird von Flugzeugen versprüht, um unsere Gedanken zu steuern... MARK Sie planen den Bau eines neuen Erleuchtungszentrums und suchen einen Standort dafür. Kannst Du das mal googlen? Eva betrachtet Mark leicht irritiert von der Seite, tut das aber. Mehrere Zeitungsberichte erscheinen. EVA Sie hatten mehrere Städte im Auge, aber die haben abgelehnt... Eva klickt einen der Artikel an... und ein Foto des Mann in Schwarz erscheINNEN - Eva und Mark reißen die Augen auf. EVA Das ist doch... 73. MARK ... Robert Lack. Hier steht, er ist sowas wie ihr Guru. Eva und Mark blicken sich an - und verstehen. AUSSEN - SCHULE - SCHULHOF - TAG Sophie geht mit ihrem Tornister auf dem Rücken über den Schulhof in Richtung Dorf, hüpft, als: MANN IN SCHWARZ (O.S.) Hallo, meine Kleine! Sophie blickt zur Seite und sieht den Mann in Schwarz auf sie zukommen. Er kniet sich vor sie. MANN IN SCHWARZ Wie heißt Du? (re: Schweigen) Das ist klug. Du bist clever. Nie mit Fremden reden. Das hast Du gut gelernt. Aber wir werden uns bald öfter sehen. Ist das schön? SOPHIE Du ziehst hierher? MANN IN SCHWARZ Oh, man könnte sagen, es zieht mich hierher. Im weitesten Sinn. SOPHIE Du bist komisch. Sophie mustert ihn stirnrunzelnd, geht weiter. Schwarz lacht, steht auf und folgt ihr. Der Mann in MANN IN SCHWARZ Magst Du Religionsunterricht? Blöde Frage, ich hab den auch gehasst. Aber was, wenn es etwas Besseres gäbe? SOPHIE So wie Kunst? MANN IN SCHWARZ Genau, so wie Kunst. Lass mich Dir etwas mitgeben, zum Lesen. Du kannst doch lesen, oder? Natürlich kannst Du das! Er zückt einen Stapel Pamphlete, drückt ihr eins in die Hand. Überlegt dann und gibt ihr alle. MANN IN SCHWARZ Weißt Du was? Ein so kluges Mädchen wie Du hat bestimmt viele Freunde. (MEHR) 74. MANN IN SCHWARZ (WEITER) Verteil sie mal an sie - und ihre Eltern, hm? Das würde mich sehr, sehr glücklich machen. Er lächelt sie an, streichelt ihr über den Kopf und geht davon. Sophie blickt ihm nach, beäugt misstrauisch die Zettel in ihrer Hand. MARK (PRE-LAP) Das darf nicht wahr sein! ROLLE (PRE-LAP) Es darf nicht, aber es muss. AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG Mark und Rolle stehen neben Limousine und Trekker, vor ihnen das brachliegende Feld, ernste Mienen. Rolle drückt Mark eine Mappe in die Hand, der schlägt sie auf: Rote Zahlenkolonnen. MARK Ach, komm, pleite ist doch jeder! ROLLE Mark, wir können es uns nicht einmal leisten, die Laternen nachts brennen zu lassen. Und das mit einem TopUnternehmer wie mir an der Spitze das sollte Dir zu denken geben. Ich hab jeden Trick, jede Verbindung ausgeschöpft. Keine Chance. Mark wirft die Mappe verärgert in Rolles Limousine zurück. MARK Zehntausend Euro mehr oder weniger helfen uns dann auch nicht weiter. ROLLE Häng zwei Nullen an und Du bist näher dran! (re: Staunen) Hab Euch gesagt, ich hab einen ganz großen Fisch an der Angel. Aber da wusste ich noch nicht, mit wem ich es zu tun habe, sonst hätte ich nie mit denen gesprochen. Mark muss sich setzen, lässt sich das durch den Kopf gehen. MARK Ist Dir klar, was man unter einem "Erleuchtungszentrum" versteht? ROLLE Mark, ich versuche seit Jahren für uns Investoren zu finden, aber kein Schwein hat Interesse daran. 75. MARK Jetzt hast Du Schweine gefunden. ROLLE Wir werden sie schon irgendwie aus unserem Dorf raushalten. MARK Dieser Guru war in der Schule, Rolle! Er hat Sophie angequatscht! ROLLE Mark, dieses Feld liegt seit Jahren brach. Entweder ich verkaufe es an die Heckenpenner und unsere Zukunft ist auf Jahre hinweg gesichert, oder wir können einpacken. Ich wünschte, ich hätte eine Wahl, aber ich hab sie einfach nicht. (Pause) Am Wochenende unterzeichnen wir die Verträge. Dir bleiben drei Tage, um deine Ersparnisse vom Konto zu holen und das Land selbst zu kaufen. INNEN - MARKS HOF - WOHNZIMMER - NACHT Mark und Eva sitzen am lodernden Kamin. Er starrt ins Feuer, sie blickt ihn nachdenklich von der Seite an. EVA Kopf hoch, wir haben noch Zeit! MARK Eva, meine Ersparnisse belaufen sich auf, lass mich nachdenken, 900 Euro?! Eva liegt was auf den Lippen, aber sie zögert, es zu sagen. Ihr Blick fällt auf den alten Filmprojektor im Schrank. EVA Kennst Du diese alten Filme, die sie früher in der Schule gezeigt haben, in Bio und Erdkunde? Von wann waren die wohl? 70er-Jahre? MARK Jaja, so sieht's heute bei uns auch noch aus, blah-blah! EVA Nein, ich fand die toll. Echt! Das Grobkörnige, diese Flackern und die gebleichten Farben. Damals hab ich mir gewünscht, ich wäre zwanzig Jahre früher geboren... und erst als ich erwachsen war, ist mir klar geworden, dass die Welt damals überhaupt nicht anders aussah. Es war nur der Film, der sie so hat wirken lassen... 76. MARK Ich weiß, wie das Internet ist, Eva, ich hab nicht nur ein diffuses Bild vor Augen. Ich weiß, wovon ich rede. EVA Aber woher, Mark? Woher? MARK Musst Du nicht noch wohin? "Zivilisation"? Nicht mehr. In die EVA Mark nimmt das auf, positiv überrascht, ringt mit sich. MARK Du willst online nach einem Käufer für das Land suchen? EVA Es wäre eine Möglichkeit, die Rolle noch nicht ausgeschöpft hat. Sieh's so, Mark, was kann schon passieren? Entweder wir finden jemanden - oder es tanzen bei Euch demnächst die Gehirnwäscher auf den Tischen. Mark nickt, steht auf und verschwindet in die Küche. Eva steht auf, guckt sich um, ihr Blick fällt auf die Schränke. Sie entdeckt mehrere alte Fotos von Feiern, der Schule, als sie noch besser aussah. Kinder, die Brettspiele spielen, Fußball, miteinander basteln. Mark kommt mit zwei Bierflaschen zurück, Eva nimmt ihm eine ab. Sie setzen sich wieder auf's Sofa, trinken, dann: MARK Warum bist Du hierher gekommen? EVA Uh, wenn Du mich loswerden willst, ich kann auch -MARK Ins Dorf. Ich weiß, Ihr brauchtet Presse. Aber warum wir? EVA Vielleicht wollte ich Euch wirklich etwas Gutes tun? -- Okay, vielleicht wollte ich Dir auch nur beweisen, dass Ihr nicht wisst, was Ihr verpasst. Mir hat immer etwas Angst gemacht, was ich nicht verstanden hab. Das Wohnzimmer wird von einem Blitz erhellt, Eva und Mark blicken aus dem Fenster... und es beginnt zu schütten. 77. EVA Na, super, und ich bin zu Fuß hier. INNEN - MARKS HOF - GÄSTEZIMMER - NACHT Mark und Eva treten ein, er schaltet das Licht an - und der Raum sieht fast genauso aus wie Evas Zimmer im Gasthof. Sie wischt über den Nachttisch: Kein Staub. EVA Man könnte meinen, Du wärst darauf vorbereitet gewesen. MARK Könnte man - wenn man nicht wüsste, dass Jennifer einen Putzfimmel hat. EVA Richtig. Zahnbürste und sowas hab ich jetzt natürlich auch nicht... MARK Wenn Du ein Shirt brauchst, Jennifer hat reichlich. EVA Nicht nötig, in der Stadt schlafen wir Frauen alle nackt. Mark zieht die Augenbrauen hoch, was Eva zum Grinsen bringt. Sie geht auf Mark zu, gibt ihm einen Kuss auf die Wange. EVA Schöne Träume! INNEN - MARKS HOF - SCHLAFZIMMER - MORGEN Der Wecker klingelt. Mark liegt in seinem Bett, dreht sich zur Seite, schlägt auf den Wecker: 5:00 Uhr. Müde steigt er aus dem Bett. INNEN - MARKS HOF - FLUR - MORGEN Angezogen geht Mark die Treppe runter, leise, versucht nicht auf die knarrenden Stufen zu treten. AUSSEN - MARKS HOF - MORGEN Mark steuert zu auf den: SCHWEINESTALL Und sieht zu seiner Überraschung Jennifer, die schon die Schweine füttert, ... JENNIFER Warum bist Du so spät? ... und Eva, die einen Stall ausmistet, dieses Mal richtig mit anpackt. Mark blinzelt: Bin ich wach oder träume ich? 78. EVA Du kannst uns schon mal ein schönes Frühstück machen, wenn Du willst! Mark schaut sie an, verwundert, aber es liegt etwas mehr in seinem Blick: Schuld. Als Eva zu ihm schaut, wendet er sich ab und verschwindet kopfschüttelnd wieder. JENNIFER Wir hätten ein Foto von seinem Gesicht machen sollen. EVA (lacht, dann:) Du hast meine Frage nie beantwortet. Warum wohnst Du bei deinem Bruder? JENNIFER Magst Du ihn? Mark? EVA Ich -- Äh -- Schon. Denke ich. Wenn ich ihn besser kennen würde. JENNIFER Er hat mir das Leben gerettet. Was? EVA Das höre ich zum ersten Mal. JENNIFER Ich weiß nicht, ob er es weiß... Mark ist lieb. Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. Wirklich. Eva betrachtet Jennifer nachdenklich und nickt dann. INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG Eva sitzt gelangweilt vor ihrem Laptop, liest eine Mail von Kevin: "Sie haben noch 48 Stunden!" Sie schließt die Mail, hat null Bock, hier zu sein, bis sie den Betreff einer neuen Mail liest: "Investment". Eva macht große Augen und klickt die Mail freudig an. INNEN - MARKS HOF - WOHNZIMMER - NACHT Mark, Eva und Hendrik stoßen mit Sekt an, Mark und Hendrik gehen sich allerdings aus dem Weg. Jennifer hält ein Glas Wasser in der Hand, Sophie O-Saft. MARK Großartig! Wirklich. Damit hätte ich nicht gerechnet. So schnell... HENDRIK Und wem haben wir das zu verdanken? 79. Eva! SOPHIE HENDRIK Und wem noch? Evas Idee... MARK HENDRIK ... mit dem Internet. Rolle schon davon? Genau! Weiß EVA Morgen, ich wollte es erst Euch sagen! HENDRIK Was haben diese Investoren vor? EVA Sie wollen das Land wirtschaftlich nutzen, vielleicht entstehen dabei sogar neue Arbeitsplätze. Klingt gut! MARK Sie prosten sich erneut zu, trinken. der lächelt zurück. Eva lächelt Mark an, SPÄTER Die Stimmung ist ausgelassen, Mark und Eva sind angetrunken. EVA Mit dem Geld könntet Ihr sogar die Ruine herrichten. MARK Und wieder eine Bühne daraus machen. Ich war als Kind einmal da - und ich fand's toll! JENNIFER So toll, dass Du einen Monat lang Balletttänzer werden wolltest. Mark wirft Jennifer einen bösen Blick zu. auf, geht dann auf Mark zu. Leise: Eva lacht laut EVA Weißt Du, worauf ich Lust hätte? -Deine kleinen Ferkel zu sehen - die waren so süß! INNEN - MARKS HOF - SCHWEINESTALL - NACHT Eva kniet neben den Ferkeln im Halbdunkeln, streichelt sie. Mark beobachtet sie, muss leise lachen. 80. MARK Vor zwei Wochen wolltest Du sie noch nicht einmal füttern. EVA Vor zwei Wochen hatte ich nicht alle Tassen im Schrank. (Pause) Es ist komisch, ich hab mich immer für einen aufgeschlossenen Menschen gehalten. Ich dachte, das Internet würde offen und tolerant machen... Das Ferkel nuckelt an ihrem Finger, Eva muss kichern. EVA Aber ich hab das Gefühl, man wird eher engstirniger. Je mehr Infos wir kriegen, desto mehr packen wir sie in Schubladen, um sie überhaupt verarbeiten zu können. Sie steht auf, tritt aus der Box, zu Mark. EVA Ich hab hier echt viel gelernt. Euch. Von Dir. Von Mark nickt knapp, wirkt ausweichend, doch Eva tut genau das Gegenteil. Sie kommt auf Mark zu - und küsst ihn auf den Mund. Er zögert einen Augenblick und erwidert ihren Kuss. MARK Vielleicht sollten wir reingehen. EVA Du willst Zuschauer? Du kleine Sau! Sie zieht sein Hemd aus der Hose, er knöpft ihre Bluse auf, sie schiebt ihn in eine leere Schweinebox. Alles, was wir noch hören, ist ein Quieken. SPÄTER Mark und Eva liegen nackt unter einer Decke im Stroh, um sie herum die Schweine, vereinzelt hören wir ein Grunzen. Eva blickt ihm in die Augen, streichelt ihm durch's Haar... und muss lachen. Mark fährt sich irritiert durch's Gesicht. EVA Nein, Du hast da nichts, es ist bloß -- Ich hätte nie gedacht, dass ich hier jemanden finden würde, in den ich mich -- Mit dem ich -MARK Du wolltest keinen Dorftrottel. Sie haut ihm spaßig auf die Brust. 81. EVA Ich hab mir immer wahnsinnig viele Gedanken gemacht. Wen ich will, was er für einen Job haben darf, was er für Hobbys haben soll. Und ich hab mich im Internet immer im Voraus informiert und, naja, aussortiert. MARK Wer weiß, wie viele gute Du dadurch verpasst hast! EVA Ja, ich muss jetzt alle nochmal von vorne durchgehen. MARK Wie kommt man auf sowas? Jemanden nicht im Gespräch kennenlernen zu wollen, sondern aufgrund von... irgendwelchen Steckbriefangaben? Eva weicht seinem Blick aus, ringt mit sich. Es fällt ihr schwer, sich zu öffnen. Mark dreht ihr Gesicht sanft wieder zu sich - und sie hat feuchte Augen. EVA Ich -- Ich war zwei Jahre lang mit einem Mann zusammen. Daniel. Wir hatten uns in einem Club getroffen, ich wusste nichts über ihn - aber wir haben uns von Anfang an perfekt verstanden. Es war wie ein Traum; nach drei Monaten hätte ich ihn am liebsten geheiratet. Er war immer recht verschlossen, aber nicht auf eine unangenehme Art - mysteriös. Ich fand das aufregend... Ihre Stimme versagt, sie schluckt und presst die Lippen zusammen. Mark greift nach ihrer Hand, streichelt sie. MARK Er hat Dich betrogen. EVA Wenn's nur das wäre. Eines Tages -Ich hab mir sein Handy geschnappt, um etwas im Internet nachzugucken. Das rede ich mir zumindest ein. -Eine SMS poppte auf dem Bildschirm auf... von seiner Ehefrau. MARK Und Du hast nichts gemerkt?! EVA Mark, ich bin nicht -- Er hat es perfekt gemacht. (MEHR) 82. EVA (WEITER) Pendelte zwischen zwei Städten, er hatte eine zweite Wohnung, nur für uns, er hat sein Umfeld getrennt. Ich hatte immer meine Arbeit im Kopf. Vielleicht wollte ich es nicht merken. Er wischt ihr die Tränen weg, sie lächelt ihn an. EVA Ich weiß, ich bin übervorsichtig, aber wenn mir das nochmal passieren würde -- Ich will einfach -- Ich will nie wieder angelogen werden. Von einem Mann. Von niemandem. Marks Blick ist starr, Eva blickt ihn fragend an. Brr! MARK Wir sollten reingehen. Eva lächelt, setzt sich auf ihn. EVA Ich krieg Dich auch so warm! AUSSEN - MARKS HOF - SCHWEINESTALL - MORGEN Eva liegt schlafend im Stroh... bis sie von lautem Geklapper geweckt wird. Sie öffnet die Augen, setzt sich auf und sieht Mark - in Arbeitsklamotten - die Schweine füttern. EVA Soll ich Dir helfen? Er deutet fragend auf ihren nackten Körper. EVA Eine nackte Sau mehr oder weniger... AUSSEN - MARKS HOF - MORGEN Eva - in Slip, T-Shirt und Schuhen, die Hose über den Arm gelegt - eilt auf's Haus zu. Jennifer kommt ihr entgegen, mustert sie... und geht wortlos an ihr vorbei. EVA Kein Spruch zu meiner Hose? JENNIFER Du hast keine an. Sagt's und geht in den Schweinestall weiter. Eva lächelt. INNEN - MARKS HOF - BAD - TAG Eva steht unter der Dusche, dreht dann das Wasser ab und tritt heraus. Greift zu einem Handtuch, trocknet sich ab. Blickt sich um, sucht nach einem Fön. Nicht zu sehen. 83. Sie öffnet eine Schublade im einzigen Schrank des Bads: Rasierer, Deo, Duschgel, aber kein Fön. Eva geht zur Tür, öffnet sie. Mark?! EVA Hast Du einen Fön?! INNEN - MARKS HOF - DIELE - TAG Eva - angezogen, aber mit nassen Haaren - geht durch die Diele, guckt sich suchend um. Jennifer kommt zur Tür rein. Hey. EVA Habt Ihr einen Fön? JENNIFER In meinem Bad ist einer. EVA Darf ich den haben? JENNIFER Nein. EVA Benutzen? Von mir aus. JENNIFER EVA Danke. -- Und wo ist dein Bad? INNEN - MARKS HOF - JENNIFERS BAD - TAG Eva steht vor in dem kleinen Bad vor einem Spiegel, fönt sich ihr Haar. Die Tür zum Flur steht offen... ... und wir hören das Telefon klingeln. Eva schaltet den Fön aus, blickt raus in die Diele, sieht das Telefon auf einer Kommode stehen. Jennifer? Keine Antwort. EVA Mark? Eva zögert, geht dann aber in die... DIELE ... guckt sich um und nimmt den Hörer ab. Hallo? EVA KEVIN (V.O.) Wer spricht da? EVA ... wer spricht da? 84. KEVIN (V.O.) Derjenige, den Sie verraten haben! -Ja, da staunen Sie, hä, wie dämlich muss man sein, von zu Hause bei der Presse anzurufen?! Anonym my ass! Und jetzt hören Sie mir mal zu, Sie fucking Cunt, ich weiß noch nicht, wer Sie sind, aber ich und Connect werden es checken und dann -Schnell legt Eva den Hörer auf. Starrt das Telefon an. Huh? Ihr Blick fällt auf die Kommode: Darauf ein Zettel mit einer Telefonnummer. Eva guckt sie an. Erkennt sie. Und ihre Gesichtszüge entgleisen ihr. INNEN - MARKS HOF - KÜCHE - TAG Jennifer deckt den Tisch für drei Personen, Mark schneidet frisches Brot. Im Hintergrund läuft ein Radio. JENNIFER Wir müssen reden, Mark. MARK Tun wir das nicht? JENNIFER Ich meine richtig, wir -Eva steckt ihren Kopf zur Tür herein, Jacke an. EVA Hey, hab gerade 'nen Anruf bekommen, ich muss los. Wir sehen uns, ja?! Und bevor Mark oder Jennifer etwas sagen können, geht sie nach draußen. Durch ein Fenster sehen wir Eva in ihren Wagen einsteigen und abfahren. JENNIFER Mark? Wie genau hat sie hier einen Anruf bekommen? AUSSEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG Eva steigt aus ihrem Auto aus, das Handy schon am Ohr, den Laptop in der Hand, steuert auf den Eingang zu. EVA Jürgen, Sie sollen nur nachgucken, ob er beim Fernsehen angerufen hat und wann, verdammte Scheiße! Sie wartet, hört zu... und ihr Gesicht sagt alles. INNEN - AUTOBAHNRASTSTÄTTE - TAG Eva sitzt an ihrem üblichen Platz, den Laptop vor der Nase, Caro auf dem Bildschirm, die sich die Nägel feilt - heute noch desinteressierter wirkt als sonst. 85. EVA Mark hat mich von vorne bis hinten belogen. Er hat heimlich meine EMails gelesen und alles der Presse verraten! So ein Arschloch! Sie greift zu einer Tasse Espresso, die neben ihr steht und trinkt ihn in einem Zug aus. Atmet tief durch. CARO Was lässt Du deinen Laptop auch ohne Passwort offen rumstehen? EVA Das ist doch scheißegal, ich hätte nie -- Worauf hab ich mich da bloß eingelassen? Wie konnte ich denken, einer wie er, von dem ich nicht das Geringste weiß -- Scheiße! Ich war immer so vorsichtig. Sie blickt Caro an, erwartet eine Antwort, doch die feilt weiter an ihren Nägeln herum. Hallo? EVA Hörst Du mich?! CARO Heute schon. (re: Blick) Du hast Dich seit Tagen nicht bei mir gemeldet, Eva, sonst quatschen oder schreiben wir jeden Tag -EVA Caro, Du weißt doch, was passiert ist, ich musste arbeiten. CARO Wenn Beinebreitmachen jetzt schon deine Arbeit ist... Ein paar ELTERN und KINDER, die in der Nähe sitzen, drehen sich zu Eva um, mustern sie missbilligend / neugierig. EVA Geht's noch?! Wir kennen uns seit dem Studium und jetzt kommst Du mir so?! Caro wirft wütend die Feile weg. CARO Ich hatte hier echt Probleme, Eva, ich hätte deinen Rat gebrauchen, aber Du, Du warst zu beschäftigt. EVA Was für Probleme? Sag schon, Caro, ich wusste doch nicht, dass es was Ernstes ist. Los, erzähl! Bitte! 86. CARO Der Kerl ist nicht gekommen. Aus dem Buchladen? Wir haben nach dem Date gevögelt, aber er ist nicht gekommen. Ich hab alles versucht! Eva blinzelt: Meint sie das ernst? CARO Na, super, Du erinnerst Dich nicht mal mehr an ihn, oder? Du bist echt 'ne tolle Freundin, Eva... Ungläubig klappt Eva ihren Laptop zu. Ihr Handy klingelt. Sie geht ran. Was?! Atmet tief durch. EVA KEVIN (V.O.) Eva? Hier ist Kevin. Sie wissen schon, Ihr Boss? -- Haben Sie ein Resultat für mich oder bin ich die längste Zeit Ihr Boss gewesen? INNEN - METZGEREI - VERKAUFSRAUM - TAG Die Türglocke schellt, Eva tritt ein. Rolle steht selbst hinter der Theke und sortiert seine Auslage neu. ROLLE Sie schon wieder. Beinahe könnte man annehmen, es gefällt Ihnen in unserem schönen Wieselbach. EVA Ich bin rein geschäftlich hier. Wie schön! ROLLE Was darf's also sein? Eva spielt mit, lässt ihren Blick schweifen: EVA Brötchen mit Leberwurst. ROLLE Meine Hilde hat vorhin geschmiert die Wurst tut mir jetzt noch leid! Er verschwindet im Hinterzimmer. Eva betrachtet unruhig die Fahrräder. Rolle kommt mit einer Platte Brötchen zurück. EVA Ich bin immer mit dem Rad zur Schule gefahren. Besonders im Winter war das toll, bei Eis und Schnee. Hab mir den Arm gebrochen. Das letzte Mal, als ich sechzehn war. Also gefahren, nicht den Arm gebrochen. 87. ROLLE Und gerade wollte ich sagen: "Das ist wie mit Radfahren, das verlernt man nicht!" Hahahaha! Köstlich. EVA ROLLE Wie meine Brötchen. Zwei? Eva zuckt mit den Schultern, Rolle packt zwei Brötchen ein. EVA Ich glaube nicht, dass Sie wirklich gegen die DSL-Leitung sind. Sie sind Geschäftsmann, Herr Weber, Sie wissen was Sie hieraus machen könnten, wenn Sie mehr Ressourcen hätten. Sie beobachtet Rolles Reaktion. Hat sie bei ihm eine Chance? Rolle schaut sich in seinem Laden um, scheint nicht ganz zu wissen was sie meint, überspielt es aber. ROLLE Natürlich! Aber die Probleme mit der Sicherheit und die Kosten... EVA Es gibt Sicherheitsprogramme und die Kosten übernimmt meine Firma. Das ist eine Win-Win-Situation für Sie. Herr Weber, Sie als Mann von Welt, Sie erkennen eine Gelegenheit, wenn Sie vor Ihnen liegt! Rolle lächelt geschmeichelt, scheint leicht zu erröten. ROLLE In der Tat! Meine Hilde hat einen Bruder in Dänemark, er schickt uns manchmal Fotos. Ich kenn die Welt. EVA Stellen Sie sich vor, sie könnten per Videochat miteinander reden, sich dabei sogar sehen. Das würde Ihrer Hilde doch bestimmt gefallen! ROLLE Sie wissen, was Frauen wollen! EVA Schön, dann habe ich ein Angebot für Sie: Sie genehmigen uns Handy-Antennen und DSL-Leitung und ich gebe Ihnen im Gegenzug einen Käufer, der nichts mit Sekten am Hut hat. Sie könnten Ihre Schule sanieren - und mehr. 88. Eva legt das Geld für das Brötchen demonstrativ auf die Theke. Rolle nimmt es an sich, hält es gegen's Licht. ROLLE Klingt nicht schlecht, was Sie sagen. Sie vergessen nur eins: Das Dorf ist mein Leben. Ich liebe es und jeden einzelnen Bewohner, und ich würde den Teufel tun und ihnen schaden! EVA So wie mit der Sekte? ROLLE Frau Fuchs, stecken Sie sich Ihr PRGeschwafel dahin, wo die Sonne nicht scheint und versuchen Sie ihre Tricks bei jemand anderem - aber nicht bei einem Mann von Welt. Guten Tag! Das hat gesessen. Eva dreht sich um und geht zur Tür. Junge Frau? ROLLE Eva stoppt, dreht sich zu Rolle um. Der hält die Tüte in der Hand. Eva blickt ihn böse an und stürmt nach draußen. Rolle zuckt mit den Schultern, öffnet die Tüte und schiebt sich ein halbes Brötchen in den Mund. AUSSEN - METZGEREI - TAG Eva tritt aus der Metzgerei, stampft auf ihr Auto zu. fängt sie ab. MARK Eva! -- Hallo? Was ist los? hast Du bei Rolle gemacht? Mark Was Eva geht an ihm vorbei, weicht seinem Blick aus, will nicht mit ihm reden - aber Mark folgt ihr. Eva?! MARK EVA Lass mich in Ruhe, Mark! Spaß mit den Pullijungs! Und viel MARK Aber der Investor -(re: Lachen) Also war das alles nur Show? Und ich dachte, Du hättest Dich geändert. EVA War das bevor oder nachdem Du Dich dazu entschieden hast, mich von vorne bis hinten zu verarschen? 89. Mark blickt sie irritiert-forschend an: Was weiß sie? EVA Oh, bitte, Mark! Was bist Du nur für ein -- Ich hab Dir mein Herz ausgeschüttet, ich habe Dir gesagt, wenn ich eins bei einem Kerl nicht haben kann, dann belogen zu werden. Und was tust Du? Du kostest mich fast meinen Job! Mark presst die Lippen zusammen, bleibt stehen - nun ist Eva doch auf Krawall gebürstet, bleibt ebenso stehen. EVA Und danach schläfst Du noch mit mir, Du bist echt -- Das ist das Verlogenste, was ich je erlebt hab, da kommt nicht mal Daniel ran. Tränen steigen ihr in die Augen, doch sie versucht, tapfer zu bleiben: EVA Ich hätte es wissen müssen, ich hätte nie einem Kerl vertrauen dürfen, den ich nicht kenne... MARK Den Du nicht von oben bis unten durchleuchtet hast, meinst Du. Sie geht weiter, auf ihr Auto zu, Mark folgt ihr. MARK Und weißt Du, was Du herausgefunden hättest, Eva? Dass es einen Grund gibt, warum ich kein DSL will. Warum ich Angst davor habe, dass es zu uns kommt. EVA Lass mich raten: Böse Leute wie ich! MARK Nein. Ich habe Angst davor, dass Jennifer noch einmal versucht, sich das Leben zu nehmen, und ich wieder nichts getan habe, es zu verhindern. Eva hält inne, blickt ihn irritiert an. EVA Was ist das wieder für eine Story? Nein, ich will's gar nicht -MARK Als ich zum Studieren in die Stadt gegangen bin, hab ich das Internet für mich entdeckt. (MEHR) 90. MARK (WEITER) Chats, Foren, Online-Rollenspiele. Das Übliche. Und ich habe es Jenny gezeigt, die genauso begeistert war. Der Unterschied ist: Ich konnte damit umgehen. Sie nicht. Sie war schon immer ein bisschen anders, aber das hat sie gefesselt, sie hat sich in ihre eigene Welt zurückgezogen, sie hat sich nicht mehr mit Freunden getroffen, sie hat ihr Studium, für das sie sechs Semester geschuftet hatte, sausen lassen. Sie ist nicht mehr arbeiten gegangen. Sie konnte keine Rechnungen mehr bezahlen. Und als sie es gemerkt hat, war es zu spät, sie kam nicht mehr raus und sie hat versucht, sich sich das Leben zu nehmen. EVA Warum hast Du mir das nicht gesagt? MARK Weil man kein Recht hat, alles über jemanden zu wissen. (Pause) Ich hab sie dazu gebracht und ich habe nicht davon gemerkt. Ich bin Schuld daran, was mit ihrem Leben geschehen ist. Und ich kann nicht zusehen, wie es ihr ein zweites Mal geschieht. Deshalb will ich kein Internet bei uns, Eva. Alles, was ich Dir über mich und über das Netz erzählt habe, was ich davon halte, alles davon ist wahr. Ich wollte Dich nicht belügen, ich wollte Dich nicht hintergehen - aber ich wusste nicht, ob ich Dir vertrauen kann. Eva blickt ihn einen langen Moment lang schweigend an, weiß nicht, was sie dazu sagen soll. Endlich: EVA Komisch. Wo Du doch genau das mir vorwirfst. Sie dreht sich um, steigt in ihr Auto und braust davon. INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Eva betritt das Büro. Die Blicke ihrer Kollegen richten sich auf sie. Sie schluckt, es wirkt wie eine fremde Welt und sie hat keine Ahnung, wie sie sich verhalten soll. Doch sie beißt die Zähne zusammen, geht zu ihrem Platz... und alle wenden sich wieder ihrer Arbeit zu, als sei sie nie weg gewesen. Sie übersehen sie geradezu. 91. Kevin tritt aus seinem Büro und winkt Eva zu sich. INNEN - CONNECT - KEVINS BÜRO - TAG Eva sitzt auf einem Stuhl, Kevin steht ihr gegenüber, sucht künstlich seinen Schreibtisch ab. Weinerlich: KEVIN Wo sind die results, Eva? Der Mob will Köpfe rollen sehen - meinen Kopf! EVA Machen Sie sich keine Sorgen - als würde Ihre eckige Birne rollen! KEVIN Finden Sie das lustig?! Das ist Ihre fucking Schuld! Wenn Sie nicht so heiß wären, hätte ich Sie schon längst gefeuert. Eva steht auf, geht zum Schreibtisch, beugt zu Kevin vor. EVA Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie Arschloch: Der Datenklau war nicht mein Fehler und ich hab mein Bestes gegeben, um die Situation in den Griff zu kriegen und sie dabei gut aussehen zu lassen - was schwierig genug ist. Hätten Sie eine bessere Idee gehabt, hätte ich die sofort genommen - hatten Sie aber nicht. Also wenn Sie nach einem Schuldigen suchen, gucken Sie in den Spiegel! Kevin macht große Augen. Erst sieht es so aus, als wolle er ihr eine scheuern, doch dann fließen erneut die Tränen. KEVIN Ich bin so unhappy, Eva! INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Eva setzt sich an ihren Computer, öffnet das Mail-Programm: 723 neue Nachrichten. Eva ächzt und klickt die erste an. Vom Nebentisch dreht sich Nils zu ihr. NILS Das Büro wirkt plötzlich so viel heller und freundlicher... EVA Erzähl mir nicht, Du hättest Dich ohne mich gelangweilt! NILS Oh, in Gegenteil: Kevin hat mich äußerst an seinem Leben teilhaben lassen. Du bist dauerhaft zurück? 92. EVA Das musst Du Kevin fragen. NILS Auch, ob ich Dich auf einen Drink einladen darf? EVA Du denkst, ich würde annehmen? NILS Ich denke nicht, ich weiß. AUSSEN - MARKS HOF - TAG Mark steht mit einem Wasserschlauch neben dem Trecker und spritzt Geräte ab, befreit sie von Erde und Dreck. Von der Landstraße ist ein Motorengeräusch zu hören. Mark schaut auf, halb hoffnungsvoll, halb ärgerlich, als erwarte er noch einmal Eva... ... doch in der Einfahrt hält Hendriks Auto und Jennifer steigt aus. Sie schiebt sich einen Rucksack auf den Rücken, winkt Hendrik im Auto zum Abschied zu und macht sich auf den restlichen Weg zum Hof. Das Auto dreht um und fährt weiter. MARK Hab mich schon gewundert, wo Du bist. Mark stoppt das Wasser, rollt den Schlauch zusammen und hängt ihn an einen Haken neben der Scheune. JENNIFER Bei Erika, in der Gärtnerei. hab was mitgebracht. Ich Sie greift in ihre Tasche, zückt einen 50-Euro-Schein. MARK Den bringst Du sofort zurück! JENNIFER Bist Du doof? MARK Du kannst doch nicht klauen! JENNIFER Mark, ich klau doch nicht! arbeite jetzt da. Ich Jennifer setzt sich auf eine Holzbank. Mark blickt sie an, versteht kein Wort. Sie deutet ihm an, sich dazu zu setzen. JENNIFER Du hast mich genug beschützt, Mark. Es ist zwei Jahre her. Mir geht es wieder besser. Viel besser. 93. MARK Jenny, Du musst nicht denken -- Du bist mir keine Last! Es ist wegen Eva, oder?! Diese Frau... JENNIFER Nein, ist es nicht! Und irgendwann werde ich auch ausziehen. Hendrik hat genug staubige Zimmer frei, die geputzt werden müssen. Mark stößt Luft aus, lässt sich auch auf die Bank fallen. JENNIFER Mark, ich bin Dir unendlich dankbar für alles - ohne Dich wäre ich jetzt nicht mehr hier. Weißt Du das? MARK Ohne mich wäre es gar nicht erst so weit gekommen. JENNIFER Ich war fertig, Mark, das Internet war nicht der Auslöser. Nur ein Symptom. Und Du hast mich hier draußen vor Rückfällen bewahrt, mir eine Aufgabe gegeben. Aber ich bin jetzt soweit. Wir können nicht ewig zusammen wohnen. Sie schaut ihren Bruder an und lächelt erstmals sogar. MARK Bist Du Dir sicher? Jennifer nickt. Mark schaut über die Wiese vor ihnen, hinter der langsam die Sonne untergeht. MARK Gärtnerei, huh? Ist ja nicht so viel anders als ein Bauernhof. JENNIFER Sie haben viele schöne bunte Blumen dort. Vielleicht bringe ich mal einen Strauß für die Küche mit. Mark schaut sie von der Seite an. Sie sieht glücklich aus. Er lächelt, strecke die Arme aus und sie umarmen sich. MARK Das ist eine liebe Idee. Jennifer löst sich wieder von ihm und schaut ihn ernst an. JENNIFER Mark? Ich mag Eva. Sie war nett zu mir. Und Du warst nicht nett zu ihr. (MEHR) 94. JENNIFER (WEITER) Die Idee mit der Internetwerbung war gut. Wir hatten viele Kunden. Ist Dir die Sekte lieber? MARK Ich will nicht, dass alles vom Netz davon abhängt. Wir haben hier etwas Besonderes, wir reden miteinander, das dürfen wir nicht einfach weg geben. JENNIFER Ich mag Eva trotzdem. sie auch. Sie steht auf und geht ins Haus. Und Du magst Mark blickt ihr nach. INNEN - NILS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT Eva sitzt auf einem Sofa, lässt ihren Blick schweifen: Modern, stilvoll, ein bisschen kühl, aber sehr stylisch. EVA Die Wohnung passt perfekt zu Dir. NILS Ich nehm das mal als Kompliment. Eva lacht, Nils kommt mit zwei Drinks auf sie zu, reicht ihr einen. Sie stoßen an. Er mustert sie neugierig. NILS Auf der Arbeit letztens hatte ich den Eindruck, das Dorf fehlt Dir. EVA Mir? Sehe ich nicht aus wie eine Frau, die ständig Action braucht?! NILS Hey, jeder braucht Ruhe, selbst ich. Okay, ich nur selten, weil ich schon ziemlich perfekt bin. EVA Achja, Mr. Perfect? mir mehr von Dir! Schön, erzähl NILS Oh, der beliebteste Moment in einem Date: "Erzähl mir was von mir!" EVA Das hier ist ein Date? NILS Ich überhöre das mal. (MEHR) 95. NILS (WEITER) Also gut: Ich bin Nils, auch wenn manche mich Mr Creativity oder Mr Perfect nennen, ich arbeite derzeit als Assistent PR Manager bei Connect. Ich sehe toll aus, bin schlagfertig, habe einen unvergleichlichen Charme -EVA Noch dazu bist Du sehr bescheiden. NILS So bescheiden, dass ich das nicht extra erwähnen wollte. Eva steht lächelnd auf, guckt sich im Wohnzimmer um. EVA Und im Ernst? NILS Du lässt nicht locker, huh? Also gut: Ich bin Einzelkind, auch wenn ich mir immer einen großen Bruder gewünscht hätte. Ich fahre gerne in Urlaub, am liebsten nach Italien, ich verehre Schokoladenkuchen... EVA Reden wir noch über Dich? NILS ... und mein erstes Mal hatte ich auf 'nem Wickeltisch im Sekretariat unserer Schule. EVA Wir reden noch über Dich. Eva dreht sich um und Nils steht direkt vor ihr. Blickt ihr in die Augen, bei ihr ist ein Hauch Faszination zu erkennen. Er beugt sich zu ihr vor, will sie küssen... sie nähert sich ihm ebenfalls... hält dann das Glas zwischen ihre Gesichter: EVA Mein Drink ist leer. NILS Nochmal das Gleiche? Eva nickt, Nils nimmt ihr das Glas ab und verschwindet hinter die Theke. Eva blickt sich weiter um, guckt das Bücherregal an, zieht eines der Bücher aus dem Schrank... ... beziehungsweise versucht es. Attrappe. Sie runzelt die Stirn, blickt zu Nils, der das jedoch nicht bemerkt hat. EVA Wie lange wohnst Du schon hier? 96. NILS Ein halbes Jahr. EVA Wo hast Du davor gearbeitet? NILS Du hast meinen CV doch gelesen? Eva stellt sich vor's Fenster, zückt ihr Smartphone, googelt seinen Namen. Findet diverse Einträge, alle neueren Datums. Absolut nichtssagend. Kaum Freunde. Kaum Infos. Fake. EVA Hast Du Connect eigentlich genutzt, bevor Du zu uns gekommen bist? NILS Extra für mein Vorstellungsgespräch hab ich mir einen Account angelegt. Jetzt ist echt Fragestunde, huh? Nils kommt mit dem Drink in der Hand zu Eva, gibt ihn ihr. NILS Wo waren wir stehen geblieben? EVA Wir waren da stehen geblieben, dass Du mich verarschst. Du weißt genau, was ich mag, was Du sagen musst. Du bist genauso Fake wie deine Bücher! NILS Und, kommt Dir das bekannt vor? Eva hält inne, blickt Nils irritiert an. EVA Wer bist Du? Hast Du -- Wie kommst Du dazu, mir nachzuschnüffeln? Du hast kein Recht dazu! NILS Doch, Eva, das ist mein Job. Gegensatz zu deinem. Im EVA Wir haben den gleichen Job: PR! NILS Glaubst Du das wirklich? Erinner Dich, wann ich angestellt wurde! Eva blickt ihn an, sieht, dass es es ernst meint, versteht: EVA Einen Tag, bevor -- Du solltest herausfinden, wie es zu unserem Datenverlust gekommen ist?! 97. NILS Das ist mein Job. Und weil immer der Verdacht besteht, dass ein Angestellter die Daten veruntreut hat, arbeite ich eben undercover. Was mich zu Dir führt. EVA Ich hatte damit nichts zu tun! NILS Und doch hab ich in deinen Logs seltsame Aufrufe entdeckt. Aber als ich den Datenklau erwähnt hab, bist sofort Du zu Kevin gerannt. EVA Du hast mich getestet? NILS Danach dachte ich erst, Du hättest lediglich falsche Profile geprüft. Aber dann habe ich erkannt, dass es sich immer um gut aussehende Männer in deinem Alter handelte. Und stell Dir vor, was ich noch entdeckt habe: Ein paar von denen habe sich sogar mit einer “PR-Tuse” getroffen und waren ganz und gar nicht begeistert... EVA Und da dachtest Du, Du hältst mir den Spiegel vor? Schön, hast Du hiermit geschafft, Glückwunsch! Ich werd's nie wieder machen. Hab von Männern eh die Schnauze voll. Sie will sich umdrehen, gehen, doch Nils hält sie fest. NILS So einfach ist das nicht. Ich müsste den Vorfall melden... EVA Es sei denn -- Was? mit Dir? Ich schlafe Nils lächelt sie breit an. Eva holt aus... und schlägt ihn ins Gesicht. Nils zuckt zurück, reibt sich die Wange. Eva schiebt sich an ihm vorbei und stampft aus der Wohnung. EVA Wenn Du was melden willst, melde das! INNEN - GASTHOF KLEWE - KNEIPE - NACHT Sophie sitzt in ihrer Ecke, löst ein Puzzle. Mark kommt mit einem Karton in der Hand auf sie zu. Setzt sich neben sie. Sophie blickt überrascht auf. 98. SOPHIE Was hast Du da? Mark gibt den Karton an Sophie weiter... sie öffnet ihn und ein pinkes Netbook kommt zum Vorschein. Macht große Augen. SOPHIE Ist das für mich?! MARK Meine Farbe ist es nicht. Sophie strahlt, fällt Mark um den Hals. Der streichelt ihr über den Kopf, dreht sich um und sieht Hendrik hinter sich stehen, der ihm dankbar zunickt. SPÄTER Mark, Hendrik und Rolle sitzen bei einem Bier zusammen. ROLLE Ich soll das Angebot also annehmen? MARK Vielleicht hat Eva Recht und es tut dem Dorf nur gut. Wahrscheinlich sind längst nicht so viele dagegen, wie ich gehofft hatte. Mit etwas Überzeugungsarbeit... die Hendrik schon geleistet hat... (blickt Hendrik an) Es tut mir leid, Henni! Wirklich. Ich hab mir solche Sorgen gemacht, dass ich die Perspektiven verloren hab. Ich hab einen... zwei Fehler gemacht und ich versuche, sie wieder rückgängig zu machen. Bei Dir kann ich nur auf dein Verständnis hoffen. Hendrik mustert Mark lange... HENDRIK Krieg ich als Entschuldigung den Götze? Vergiss es! MARK Maximal 'nen Bayer! ... und breitet dann seine Arme aus, drückt Mark an sich. HENDRIK Och, Du bist und bleibst doch mein bester Freund, Mann! Sie lassen einander wieder los, alle drei nippen schweigend an ihrem Bier. Schließlich: MARK Lieber Internet als Sekten. 99. INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT Eva sitzt vor ihrem Laptop darauf eine Nachricht von Kevin: "Der Bürgermeister ist weich geworden, gute Arbeit! Morgen wird der ersten Spatenstich gesetzt - seien Sie pünktlich!" Eva schüttelt den Kopf, nicht glücklich damit. Es klingelt an der Tür. INNEN - EVAS WOHNUNG - FLUR - NACHT Eva kommt aus dem Wohnzimmer, geht auf die Wohnungstür zu, öffnet sie... und steht Steffen mit Katze gegenüber. STEFFEN Ich glaube, Leonie vermisst Dich. -Alles in Ordnung? INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT Eva sitzt auf dem Sofa, die Katze auf dem Schoß, streichelt sie. Steffen ihr gegenüber. EVA Er hat mich belogen, ich hab mich benutzt gefühlt... und jetzt habe ich das Gefühl, ich hab ihnen ihre Unschuld genommen. Nur weil ich meine Ziele durchsetzen musste. Wenn ich auf sie gehört hätte -STEFFEN Die haben weder Handy noch Internet?? EVA (muss lachen) Und sie kommen damit klar, nein, sie mögen es sogar. Die meisten. Aber es gibt kein Zurück. Wenn ich was dagegen tue, verliere ich meinen Job. STEFFEN Nach dem, was Du mir erzählt hast: Verlierst Du den nicht sowieso? -Sorry, so meinte ich das nicht. EVA Du hast doch Recht. Ich weiß nur nicht -- Was soll ich sonst machen? Ich hab nichts und niemanden. Ich wünschte, alles wäre nie passiert. STEFFEN Und Du hättest das Dorf und ihre Lebensart nie kennengelernt. EVA Ich wollte den Datenklau sofort publik machen, aber mein Boss... 100. STEFFEN Vielleicht ist das die Lösung. Du hast ein Druckmittel, wenn er schon lange davon wusste, aber die User nicht informiert hat. EVA Zumindest um meinen Job zu behalten. Aber das Dorf -- Auf der einen Seite kann es das Netz gut gebrauchen. Den Leuten geht es finanziell nicht besonders - aber der Charakter geht völlig verloren. STEFFEN Was will diese Sekte ausgerechnet da? EVA Abgeschottet sein. Das Dorf ist eine wundervolle Ruheoase in der lauten Kommunikationswüste. Der perfekte Rückzugsort für... für jemanden wie mich. Warte mal... Eine Ruheoase... Die Ruheoase... Eva hält inne, denkt nach, springt dann auf. EVA Kannst Du mir einen Gefallen tun? STEFFEN Nachdem Du mir Leonie zurückgebracht hast? Jeden! INNEN - EVAS WOHNUNG - WOHNZIMMER - NACHT Der Raum wird nur von dem bläulichen Schimmern des Laptops erhellt. Eva sitzt am Tisch, über den Bildschirm gebeugt, bastelt konzentriert an etwas herum. Wir erahnen, dass es sich um einen Flyer handelt, erkennen aber keine Details. INNEN - CONNECT - BÜRO - TAG Kevin kommt aus seinem Büro, zieht seinen Kragen zurecht. Nils eilt hinzu, wischt ihm von sich aus über den Mund, wo Pulverreste zu sehen waren. Von Eva keine Spur. KEVIN Wo ist Eva? Will Sie den Erfolg nicht sehen? NILS Vielleicht ist ihr der Druck über den Kopf gewachsen... KEVIN Women. Wozu brauchen wir überhaupt PR, wenn doch nur alles im Desaster endet. Sie und ich, Nils, wir sollten das Ruder hier in die Hand nehmen. 101. NILS Hey, Sie sind der Boss, Boss! KEVIN Achja. Richtig. Aber mit Ihnen an meiner Seite - das könnte fucking huge sein. Wenn Eva sich nicht blicken lässt -- Überlegen Sie es sich! Er klopft Nils auf die Wange - und der strahlt. AUSSEN - EVAS WOHNHAUS - TAG Eva schleppt einen Karton von ihrem Haus zu ihrem Auto, das an der Straße parkt, stellt ihn im Kofferraum ab und blickt sich suchend um. Schielt auf ihr Handy, wippelt auf und ab. Schließlich kommt Steffen mit einer großen, an eine Art Teppich erinnernden Rolle unter dem Arm auf sie zu. STEFFEN Sorry, ging nicht schneller, ich hab mein Bestes gegeben. Schaffen wir's noch? EVA In einer Stunde werden die Verträge unterzeichnet. Lass uns Gas geben! AUSSEN - MARKS HOF - TAG Mark sitzt auf seinem Trecker, der im Feld steht, aber er ist nicht bei der Sache. Arbeitet nicht, starrt geradeaus. Von der Straße her dringt ihm ein Motorgeräusch ins Ohr. Es dauert einen Moment, bis er reagiert, er blickt sich um und sieht einen Bagger und einen Telekom-Wagen vorbeifahren. INNEN - EVAS AUTO / AUSSEN - LANDSTRASSE - TAG Eva fährt ebenfalls auf das Dorf zu, schon in Sichtweite. Steffen hockt auf dem Beifahrersitz, die Rolle quer durch den Wagen gelegt... ... als plötzlich ein Knall zu hören ist. Der Wagen kommt ins Schlingern, Eva tritt in die Bremsen und kann ihn kurz vor dem Graben am Fahrbahnrand zum Stehen bringen. Shit! EVA Sie springt raus, guckt sich den Schaden an... und sieht, dass der linke Vorderreifen geplatzt ist. EVA Ich wusste, ich hätte ihn damals wechseln lassen sollen! Steffen steigt ebenfalls aus, öffnet den Kofferraum, zieht einen Ersatzreifen und einen Wagenheber heraus. 102. STEFFEN Geh vor! Ich komme so schnell nach wie ich kann. AUSSEN - RATHAUS - TAG MEHRERE BAUARBEITER stehen neben Baggern vor dem Rathaus, Jürgen und Rolle warten neben ihnen, auch die Journalisten sind wieder vor Ort. Dazu sämtliche Bewohner, die wir kennengelernt haben, ihre Stimmung gespalten: Teils freundlich, zum Teil ablehnend. Auch der Mann in Schwarz und die Pulliträger sind da. KARL-HEINZ Wir wollen kein Internet hier... SOPHIE Neues ist was Gutes. VERKÄUFERIN Ihr macht uns mein Geschäft kaputt! HENDRIK Und meins kann ohne Internet nicht überleben. ROLLE Wir alle werden überleben, Leute! Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Eine Limousine rollt heran, ein paar Bewohner klatschen, ein paar murmeln ablehnend vor sich hin. Der Wagen kommt direkt vor dem Rathaus zu stehen, Kevin und Nils steigen aus, beide strahlend. Kevin und Nils winken den Bürgern - oder besser: den Kameras zu, gehen zu Rolle und Jürgen, schütteln Hände. MARK Eva traut sich nicht einmal, sich blicken zu lassen?! JENNIFER Vielleicht hat sie ein schlechtes Gewissen. Mark blickt Jennifer schief von der Seite an. Rolle tritt vor, stellt sich an ein kleines Podest, an dem sich ein Mikrofon befindet. Kevin daneben, es wird ruhiger, die Kameras und Blicken richten sich auf sie. ROLLE Meine Damen und Herren, Freunde und Freundinnen, wir sind heute zusammen gekommen, um die Zukunft unserer Gemeinde in die Wege zu leiten. (MEHR) 103. ROLLE (WEITER) Ich weiß, es gibt Pro und Kontra, ich habe mir diese Entscheidung nicht einfach gemacht, aber letzten Endes überwiegen die Vorteile. Und deshalb wird Connect unser schönes Wieselbach online bringen. Kevin nickt zufrieden, lässt sich von Jürgen einen Vertrag reichen und legt ihn demonstrativ vor Rolle auf dem Podest ab. Gestenreich zückt er einen Füller, unterschreibt den Vertrag und drückt den Füller dann Rolle in die Hand. KEVIN Sie sind an der Reihe, dude! Rolle nickt, lässt seinen Blick über die Bürger schweifen, zögert, atmet tief durch, setzt zur Unterschrift an, als: Halt! Stop! EVA (O.S.) Alle drehen sich um und sehen Eva auf sie zugerannt kommen. Knallrotes Gesicht, schwitzt, hat ihre Schuhe ausgezogen, sieht alles andere als perfekt aus - aber es ist ihr egal. EVA Nicht unterschreiben! Irritiertes Gemurmel, Jennifer blickt Mark vielsagend an. Eva bahnt sich einen Weg durch die Menge, zum Podest hin. KEVIN Was soll das?! Halten Sie sie auf, wir leben hier doch nicht in einer Demokratie! Keuchend, außer Atem, erreicht Eva das Podest, schiebt sich an Kevin und Nils vorbei, kassiert böse Blicke. Eva atmet tief durch, beginnt langsam: EVA Hallo zusammen! -- Ähm. Ich muss etwas loswerden: Als ich zum ersten Mal dieses Dorf betrat, dachte ich, ich wäre in die tiefe Vergangenheit abgebogen: Kein Handy-Empfang, kein Internet, komplett von der Welt abgeschnitten - so fühlte es sich für mich an. Kann es etwas Schlimmeres geben? Und als sich die Gelegenheit ergab, da wollte ich Wieselbach etwas Gutes tun: Es ans Netz anbinden. Ihm die Welt zeigen, wenn man so will. (Pause) Nun, das Problem ist: Wieselbach hat mir die Welt gezeigt. Seine Welt. Jennifer stupst Mark mit dem Ellenbogen an, sie strahlt zum ersten Mal. Mark aber wirkt noch skeptisch. 104. KEVIN (zu Rolle) Drehen Sie ihr den Ton ab! ROLLE Machen Sie's doch selbst! KEVIN Ich hab keine Ahnung von Technik. EVA Und das letzte, was ich tun will, ist diese heile Welt zu zerstören. HENDRIK Aber unsere Wirtschaft braucht Internet und Handy-Empfang! EVA Ist das so? Mit Internet und Handy ist Wieselbach ein Ort wie jeder andere. Ein Fleck, der auf der Landkarte aber auch im Netz übersehen wird. Aber ohne? Ohne hat Wieselbach eine Chance, etwas Größeres zu sein, etwas Besseres. Im Hintergrund sehen wir Evas Auto auf den Markplatz fahren, von den Bewohner unbemerkt. Das Auto parkt in der Nähe von einem Nebeneingang des Rathauses und Steffen steigt aus. Er blickt zu Eva und tippt auf seine Armbanduhr. Eva sieht das und nickt bestätigend. Doch auch Kevin bemerkt ihn und gibt Nils ein Zeichen, ihm zu folgen. Der tut das. Auch Mark nimmt die Bewegungen aus den Augenwinkeln wahr... EVA Bevor ich Euch besuchte, wusste ich nicht, was mir fehlte. Ich war mit meinem Leben unzufrieden, ich war gestresst, ich war genervt - und ich musste erst über dieses Dorf stolpern, um Ruhe zu finden. Was glaubt Ihr, wie vielen Leuten es so geht wie mir? Wie viele sich nur eine Auszeit vom Alltag wünschen, eine Auszeit, ohne ständig erreichbar zu sein. (Pause) Das ist Eure Chance. Wenn Ihr es richtig anstellt, ist Wieselbach nicht “das Dorf ohne Internet”, sondern die Ruheoase Wieselbach. Dein Gasthof, Hendrik, kann ein Rückzugsort für gestresste Städter sein. Sie können abschalten von der ständigen Erreichbarkeit, den Computern, den Handys. Sie können Urlaub in der Vergangenheit machen. (MEHR) 105. EVA (WEITER) (Pause) Es kommt nicht darauf an, was Ihr seid - es kommt darauf an, wie Ihr Euch vermarktet! KEVIN Schön, hier ist auch ein Slogan für Sie, Eva: Sie sind gefeuert! EVA Sie können mich nicht feuern, Kevin, denn ich habe gekündigt. Checken Sie Ihre Mails - wenn Sie zu Hause sind. INNEN - RATHAUS - TREPPENHAUS - TAG Steffen schleppt die Rolle und den Karton die Treppe rauf, tut sich schwer. Nils folgt ihm wenige Sekunden später. AUSSEN - RATHAUS - TAG Kevin drängt sich zu Eva vor, hält eine Hand auf das Mikro. KEVIN Denken Sie, Sie finden woanders noch einen Job? Nach dem, was Sie sich geleistet haben? Eva zieht seine Hand wieder vom Mikro, beugt sich vor: EVA Ich würde gerne Wieselbach meine Dienste anbieten. Helfen, das Dorf zu dem zu machen, was es sein kann. AUSSEN - RATHAUS - DACH - TAG Steffen schleppt die Rolle zum Rand des Daches, blickt kurz runter: Der Marktplatz unter ihm. Er befestigt die Rolle mit zwei schweren Steinen und will sie ausrollen... ... als er von hinten gepackt und zurückgezogen wird. Nils. NILS Tsk, tsk, tsk. Das lass mal schön sein, Freundchen! Steffen rappelt sich auf, steht Nils gegenüber, der aber nur milde grinst. Sie umkreisen sich wie zwei Boxer, Steffen atmet schwer und scheint unterlegen... ... sieht dann aber etwas hinter Nils und grinst ebenfalls. Irritiert dreht Nils sich um... ... und sieht gerade noch Mark auf sich zustürmen. Mark wirft Nils zu Boden, der schlägt um sich, doch gemeinsam mit Steffen gelingt es Mark, ihn zu überwältigen. Steffen und Mark blicken sich an. 106. Hi. STEFFEN Ich bin Steffen. Evas Nachbar. Beim Wort "Nachbar" macht Mark große Augen, sie schütteln sich kurz die Hand, dann geht Steffen zur Rolle. STEFFEN Packst Du mit an? AUSSEN - RATHAUS - TAG Wieder unten stehen sich Eva und Kevin am Podest gegenüber, Rolle unschlüssig daneben. KEVIN Unterschreiben Sie, Rolle! Jetzt! Rolle blickt zu den Bürgern, die noch unschlüssig wirken, auch Hendrik ist nicht ganz überzeugt. Rolle blickt Eva fragend an, die erwidert seinen Blick flehend... ... als ein klatschendes Geräusch zu hören ist. der Zuschauer gehen irritiert nach oben. Die Blicke Von dem Dach des Rathauses wird ein großes Plastikbanner heruntergelassen, das Wieselbach stilisiert aus der Luft zeigt - mit Ruine - und mit dem Schriftzug: “Wieselbach: Oase der Ruhe”. Es sieht gut aus. Applaus ist zu vernehmen... und kurz darauf fliegen auch noch die Flyer, die Eva gebastelt hat, vom Dach. Die Bewohner schnappen sich sie, auch Hendrik greift einen, schlägt ihn auf: Das ganze Konzept der Ruheoase wird darin vorgestellt und Wieselbach in schönsten, ruhigen Bilder gezeigt. Positives Gemurmel, alle scheinen begeistert. HENDRIK Boah, das ist ja hammer! Die Journalisten schießen Fotos, Rolle nickt zufrieden und gibt Kevin demonstrativ den Füller zurück. Der drängt sich mit wutverzerrtem Blick ans Mikrofon: KEVIN Also wollt Ihr die Sekte? EVA Die brauchen wir nicht mehr; ich hab den Investor! Ja, Eva? KEVIN Wo ist er? EVA Die Verträge sind unterschrieben, Kevin, Sie können nicht weismachen, Sie hätten ihn... 107. KEVIN ... erfunden? Nein. Kevin zieht grinsend einen Vertrag aus einem Anzug und hält ihn in die Luft. KEVIN Der Investor bin ich - und ich kann mit der Land machen, was ich will! Ich kann es an die Sekte vershoppen, ich kann einen großen Haufen darauf setzen oder ich kann tausend HandyAntennen aufstellen. Also fickt Euch, Ihr Wichser! Fuck you all! Die Journalisten fotografieren und notieren wie wild. KEVIN Ab jetzt ist es persönlich und ich scheiße auf gute PR! Sie sind mein neuer David, Eva! EVA Aber scheißen Sie auch auf das, was ich weiß, Kevin? Ich meine, es gibt da sicher das ein oder andere, das nicht unbedingt an die Öffentlichkeit kommen soll - zum Beispiel, was den Datenskandal angeht. Kevin presst wütend die Zähne zusammen. ihm vor, flüstert ihm ins Ohr: Eva beugt sich zu EVA Oder gewisse Laster... KEVIN Sie Bitch, das würden Sie nicht -EVA Ich hab nichts mehr zu verlieren. Wie sieht's bei Ihnen aus? INNEN - METZGEREI - ARBEITSRAUM - TAG Mark, Eva, Rolle, Jürgen und Kevin sitzen beisammen. MARK Okay, halten wir fest: Keine HandyAntennen. Sie sanieren nur unsere Schule, bringen sie ans Netz und schlachten das PR-technisch aus. KEVIN Von mir aus... Großartig! ROLLE Rolle schiebt Kevin und Jürgen einen Vertrag zu, als: 108. So, so, so! MANN IN SCHWARZ (O.S.) Alle drehen sich zur Tür und sehen den Mann in Schwarz. Er zeigt mit dem Finger auf Rolle: Herkommen! Fragende Blicke. INNEN - METZGEREI - VERKAUFSRAUM - TAG Mark, Eva und Rolle stehen dem Mann in Schwarz gegenüber. Vor dem Fenster draußen sehen wir Jennifer, Hendrik und Sophie, die das Ganze beobachten. MARK Sie können sich verpissen, wir wollen Sie nicht und Rolle würde den Teufel tun und unser Land mit diesem Wissen an Sie zu verkaufen. MANN IN SCHWARZ Oh. Das ist tragisch. Sehr, sehr tragisch. Nicht für mich natürlich. Für Sie, Rolle. Diese Zwickmühle. Das Gewissen gegen den Wortbruch. Mark blickt Rolle fragend an, der lässt seinen Kopf sinken. MARK Rolle, Du hast nicht... MANN IN SCHWARZ Sagen Sie's ihm, Rolle! Auch ein mündlicher Vertrag ist ein Vertrag. EVA Leugnen Sie es! MANN IN SCHWARZ Mmm! Tsk, tsk, tsk. Haben wir von solchen Leuten nicht schon genug in der Politik, Rolle? Die sich nicht an ihr Wort halten? Wieviele haben es im Nachhinein bereut, hm? Sind Sie ein Mann, der zu seinem Wort steht, Rolle? Ja oder nein? Rolle ringt mit sich... also zückt der Mann in Schwarz ein Diktiergerät aus seiner Tasche. Drückt auf Abspielen: MANN IN SCHWARZ (V.O.) Also haben wir einen Deal, Rolle? Sie verkaufen das Land an uns? ROLLE (V.O.) Hab ich eine Wahl? MANN IN SCHWARZ (V.O.) Darf ich das als Ja werten? ROLLE (O.S.) ... von mir aus. 109. Mark starrt erst Rolle an, dann den Mann in Schwarz. Ein Klopfen an die Scheibe: Jennifer winkt Mark nach draußen. Er geht zur Tür, steckt seinen Kopf raus. JENNIFER Mark, was will der Sektenmann? MARK Das Land, Jenny, was sonst und wie es aussieht kriegt er es auch... JENNIFER Nein, was will er wirklich? MARK Was meinst Du? -- Sag Du's mir, Du kennst Dich mit Sekten aus! JENNIFER Mark, sei nicht so doof und denk nach! Was will er? Mark denkt nach, blickt zum Mann in Schwarz - und ihm geht ein Licht auf. Er lächelt. INNEN - METZGEREI - ARBEITSRAUM - TAG Kevin und Jürgen unterschreiben den Vertrag, Mark, Eva und Rolle blicken ihnen zufrieden über die Schulter. Kaum hat er unterschrieben, macht sich Jürgen aus dem Staub. ROLLE Ohne Euch hätten wir das nicht geschafft. Ohne Eva... MARK Rolle nickt beiden dankbar zu, dann ist ein Räuspern an der Tür zu hören: Der Mann in Schwarz. Rolle legt eine Hand auf Kevins Schulter... ROLLE Kommen Sie, Kevin, ich möchte Ihnen jemanden vorstellen! Sie verlassen den Raum ebenfalls. Mark und Eva bleiben sitzen, schauen sich an. Nach einem langen Moment: MARK Du willst wirklich hierherziehen? EVA Von der Stadt aus kann ich Euch schlecht vertreten. -- Ich hab viel von Dir gelernt. MARK Ich auch das ein oder andere von Dir. 110. Sie stehen auf, bleiben unschlüssig voreinander stehen. MARK Und ich hab nachgedacht: So ein BioHof wäre vielleicht doch nicht ganz verkehrt... EVA Ist nicht wahr! MARK Natürlich bräuchte ich dann jemanden, der mir bei der PR-Arbeit hilft... EVA Soll ich Dir Nils' Visitenkarte geben? MARK (lächelt) So leicht verzeihst Du mir nicht, huh? EVA Kommt auf deine Argumente an. MARK Ich würde Dich gerne küssen. EVA Warum tust Du's nicht? MARK Ist der Ort nicht unpassend? EVA Wenn mir eins in den letzten Wochen klar geworden ist, dann dass es keine unpassenden Orte gibt, sondern nur unpassende Menschen. Sie lächeln erneut, beugen sich vor... und küssen sich. Lange. Intensiv. AUSSEN - FUSSGÄNGERZONE - TAG Wir sehen den Mann in Schwarz, der einen Arm um Kevin gelegt hat, auf ihn einredet. Kevin hört aufmerksam zu, wirkt sehr interessiert. KEVIN Und wenn ich diese Summe bezahlen würde, dann wäre ich happy? MANN IN SCHWARZ Oh, davon bin ich von ganzem Herzen überzeugt, mein Freund. Wow. KEVIN Einmalig? 111. MANN IN SCHWARZ Oh, nein - Glück ist ein Weg, ein langer, monatlicher Weg... Kevin mustert ihn - und strahlt. MONTAGE: EIN PAAR MONATE SPÄTER --Kevin kniet in einer Gruppe Pulliträger vor dem Mann in Schwarz, der sich das breit grinsend anguckt. Geldscheine quellen ihm aus den Jackettaschen. --Nils wartet am Flughafen einen Flug nach San Francisco, eine BLONDINE fällt ihm ins Auge. Er lächelt sie an, doch sie ignoriert ihn. --Steffen wartet im Treppenhaus, blickt auf die Uhr... und um Punkt sechs springt Leonie zum Fenster herein. Er nimmt sie in dem Arm, streichelt sie. --Das Dorf wirkt lebendiger, viele Leute tummeln sich auf den Straßen und dem Marktplatz. --Hendriks Gasthof trägt einen neuen Namen: "Haus der Ruhe". --Drinnen stehen mehrere MANAGER vor der Rezeption, Hendrik kommt mit der der Arbeit kaum nach. --Jennifer arbeitet mit Erika in der Gärtnerei, schneidet Blumen und lächelt dabei. --Sophie steht in der Aula der Schule, die gerade saniert wird. Ein großes Portrait von Kevin hängt an der Wand Sophie klebt ein Kaugummi auf seine Nase. --Mehrere Dorfbewohner helfen, die Burg instand zu setzen, eine neue Bühne wird aufgebaut. Rolle steht daneben, hält zufrieden eine Visitenkarte in der Hand: Wolfgang "Rolle" Weber Bürgermeister, Metzger, Unternehmer, Intendant HILDE kommt auf ihn zu, optisch die liebreizenste Person, die man sich nur vorstellen kann. Sie drückt ihm zärtlich einen Kuss auf die Wange. Rolle strahlt. --An der Landstraße vor Marks Hof steht ein Schild: "Gut Schmiedebach: Einkaufen direkt beim Bio-Bauern!" --Eva hockt im Gemüsegarten, zupft Unkraut - so geschickt, wie es einst Jennifer getan hat. Mark taucht hinter ihr auf und beobacht sie zufrieden. --Mark, Eva, Hendrik, Jennifer und Sophie sitzen bei einem Brettspiel in Marks Wohnzimmer zusammen. Lachen. ENDE