DIABETES MELLITUS BE! HUND UND KATZE Dr. Angelika Hörauf

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DIABETES MELLITUS BE! HUND UND KATZE Dr. Angelika Hörauf
DIABETES MELLITUS BE! HUND UND KATZE
Dr. Angelika Hörauf,
Fachtierärztin für Innere Medizin, Diplomate ECVIM-CA
Der Begriff Diabetes mellitus (DM) bezeichnet eine Storung des Kohiehydrat-, Protein- und
Fettstoffwechsels infolge eines relativen oder absoluten Insulinmangels. Sowohi beim Hund
als auch bei der Katze steilt der DM eine der haufigsten endokrinen Erkrankungen dar. Beim
Hund tritt die Erkrankung meist im Alter zwischen 7 und 9 Jahren auf, wobei weibliche here
doppelt so haufig betroffen sind wie männliche Tiere. Bei der Katze haben kastrierte Kater
das höchste Risiko einen DM zu entwickeln. Weitere Risikofaktoren sind Ubergewicht, hohes
Alter (> 10 Jahre) und Kastration.
Atiologie und Pathogenese
In Anlehnung an die Hurnanmedizin unterscheidet man folgende Formen:
Typ- 1-Diabetes mellitus
Typ-1-DM ist gekennzeichnet durch eine Zerstorung der Betazellen, die einen absoluten
Insulinmangel hervorruft. Die Ursache ist wahrscheinlich eine Kombination aus
verschiedenen Faktoren: genetische Disposition, Infektionen, Antikörper gegen Inseizellen
des Pankreas. Bei den meisten Hunden liegt em Typ-1 DM vor. Bei der Katze ist die
H~iufigkeitnicht genau bekannt, die Angaben variieren zwischen 50 und 70%.
Typ-2-Diabetes mellitus
Der Typ-2-DM ist gekennzeichnet durch eine verminderte Insulinsekretion und eine
Insulinresistenz der Zielorgane. Beirn Hund tritt diese Form sehr selten auf, bei der Katze
dagegen ist sic nach einigen Studien die haufigste Form. Eine verminderte Insulinproduktion
beirn 1yp-2-DM wird hervorgerufen durch Arnyloidablagerungen in den Betazellen,
Glukosetoxizität und pathologische Vorgange am Pankreas. Die Insulinsensitivität eines
Organismus ist genetisch festgelegt. Sic kann negativ beeinflusst werden durch Geschlecht,
Hormone (Glukokortikoide, Progesteron), wenig Bewegung und Adipositas. So konnte bei
gesunden Katzen gezeigt werden, dass bei einer Gewichtszunahme urn 44% die
Insulinsensitivität urn 50% abnahrn.
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heidelberg 06.04.05
Sekundärer Diabetes mellitus
Em sekundärer DM entsteht infolge einer Grunderkrankung, die die Betazellen zerstört
(Pankreatitis, Pankreasturnor) und/oder eine Insulinresistenz hervorruft (Cushing-Syndrorn,
Hypothyreose, Laufigkeitsdiabetes durch Progesteron-vermittelten STH-UberschuB), sowie
durch die Verabreichung diabetogener Medikamente (z.B. Glukokortikoide, Progestagene).
Klinisches Bud
Das klinische Bud ist gekennzeichnet durch das Auftreten der vier ,,klassischen” DMSymptorne Polydipsie, Polyurie, Polyphagie und Gewichtsverlust. Bei Katzen ist zu beachten,
dass wesentlich rnehr diabetische Katzen Anorexie an Stelle von Polyphagie zeigen. Em
weiteres typisches klinisches Bild bei der Katze ist Schwäche in den HintergliedrnaBen
(plantigrader Gang). Einige diabetische Hunde werden wegen plötzlicher Erblindung infolge
eines diabetischen Katarakts vorgesteilt.
Diagnose
Nachweis einer persistierenden Nuchternhyperglykamie
Eine Nuchternhyperglykärnie beim Hund ist beweisend für einen DM. Bei der Katze kann
eine Hyperglykamie auch durch Stress ausgelost werden. Es konnte gezeigt werden, dass
allein durch Bewegungsstress der Blutzucker bei Katzen aufbis zu 285 mg/dl steigen kann
und diese Erhohung 90-120 Minuten anhält. Die Differenzierung einer Strel3hyperglykamie
von einer diabetischen Hyperglykarnie erfolgt durch die Bestimmung von Fruktosarnin.
Nachweis einer Glukosurie
Der alleinige Nachweis einer Glukosurie ist nicht beweisend für das Vorliegen eines DM,
da eine Glukosurie auch durch eine Nephropathie (durch einen proxirnalen bubulusschaden)
hervorgerufen werden kann. Bei einern DM ist das spezifische Uringewicht rneist hoch
(> 1,035-1,040), bei einerNephropathie liegt meist eine Isosthenurie vor.
Nachweis eines erhöhten Fruktosaminspiegels
Fruktosamin wird gebildet durch eine irreversible, insulin-unabhangige Bindung von Glukose
an Plasrnaproteine. Der Fruktosarninspiegel irn Blut ist sornit direkt abhangig von der
B lutzuckerkonzentration und reflektiert den Blutzuckerspiegel der letzten 2-3 Wochen.
Zusätzlich soliten Untersuchungen irn Hinblick aufDM-begleitende Erkrankungen gemacht
werden: Blutbild, Chernograrnm, Urinuntersuchung inki. bakteriologische Untersuchung
(hoher Prozentsatz an bakteriellen Zystitiden), Röntgen / Ultraschalluntersuchung.
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Therapie
Therapie bei Patienten, die mit diabetogenen Medikamenten behandelt wurden
Bei diesen Patienten soliten die diabetogenen Medikamente (z.B. Glukokortikoide,
Progestagene) wenn moglich abgesetzt werden
Therapie bei Hündinnen mit Progesteron-STH-abhängigem DM
Eine Einstellung dieser Patienten ist aufgrund der Insulinresistenz i.d.R. nicht moglich. Daher
solite so schnell wie rnoglich eine Ovariohysterektornie durchgefuhrt werden. Die initiale
Insulintherapie erfolgt wie bei den anderen Hunden. Am Tage der Operation sollte die halbe
Insulindosis verabreicht werden. Postoperativ muss darauf geachtet werden, dass durch den
Wegfall des Insulinantagonismus der DM innerhaib von 3 Tagen bis 4 Wochen reversibel scm
kann. Die Gefahr einer Hypoglykamie ist daher hoch. Die Tiere soilten engmaschig
kontrolliert werden (mindestens 2 x / Woche).
Diät
Die Ernpfehlungen für Hunde und Katzen sind verschieden:
Beim Hund kann durch die Verabreichung von rohfaserreichen Futtermitteln die Einstellungsqualitat verbessert werden (z.B. Waltham Canine High fiber diet, Hill’s Prescription diet w/d).
Wird das Futter selbst zubereitet, so soilte es aus 1/3 Fleisch, 1/3 Kohiehydrate und 1/3
Gernüse bestehen. Die Futterung sollte bei Verwendung von Intermediärinsulinen immer
direkt vor der Insulininjektion erfolgen.
Bei der Katze zeigte sich, dass eine proteinreiche, kohiehydratarme Diät eine bessere
Einstellung und eine niedrigere Insulingabe errnoglicht, als eine rohfaserreiche Diät
(Anderson, 2000). Aufder Basis dieser neuen Kenntnisse wurde eine neue Diabetesdiät für
die Katze entwickelt (rn/d-Diät von Hill’s). Weiterhin konnte gezeigt werden, dass bei der
Katze eine nur sehr geringe postprandiale Hyperglykamie auftritt (Martin und Rand, 1999).
Daher ist es nicht notwendig, dass die Katze zeitgleich mit der Insulininjektion frisst. Da
Katzen normalerweise über den bag und die Nacht verteilt 10-12 Mahizeiten zu sich nehmen,
können auch diabetisehe Katzen, die nicht ubergewichtig sind, ad libiturn
Katze
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wie eine gesunde
gefuttert werden.
Bei adiposen Hunde und Katzen sollte eine sanfte Gewichtsreduktion durchgefUhrt werden
(1-2% des Korpergewichts / Woche).
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Orale Antidiabetika
Orale Antidiabetika wirken je nach Wirkstoffgruppe durch Anregung der Insulinsekretion,
Erhohung der Insulinsensitiviät oder Verminderung der Glukoseresorption aus dem Darm.
Ihre Wirksamkeit setzt immer eine Insulinsekretion (d.h. byp-2-DM) voraus. Da beim Hund
der Typ-2-DM sehr selten vorkommt, ist der Einsatz von oralen Antidiabetika nicht indiziert.
Bei der Katze besteht die Problematik, dass em Typ-2-DM zwar relativ haufig auftritt, er aber
vor bherapiebeginn nicht von einem byp-1 -DM differenziert werden kann. Die
bherapieerfolge mit oralen Antidiabetika (v.a. Sulfonylharnstoffen
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Glipizid) sind daher
nicht vorhersehbar und nicht konstant. In einer prospektiven Studie (Feldman et al. 1997)
zeigten nur 38% der 50 diabetischen Katzen eine Verbesserung des diabetischen Zustandes
durch Therapie mit Glipizid. Bei 14 % der Katzen traten Nebenwirkungen in Form von
Erbrechen und Ikterus auf. Daher kann eine Therapie mit oralen Antidiabetika
Katze
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auch bei der
nicht empfohlen werden.
Insulintherapie
Insuline der ersten Wahi sind Caninsulin®, sowie andere Interrnediärinsuline (z.B. DepotInsulin S~).Die initiale Insulindosierung betragt beim Ilund 0,5 IE/kg S.C. 2 x taglich, bei der
Katze 0,25 IE/kg s.c. 2 x taglich. Die Insulineinstellung eines unkomplizierten (nicht
ketoazidotischen) Diabetikers kann ambulant erfolgen. Es muss eine gründliche Einweisung
des Patientenbesitzers erfolgen. Er muss mit der Handhabung des Insulins, der bechnik des
Spritzens und den Kennzeichen einer Hypoglykamie vertraut gemacht werden. Eine erste
Kontrolluntersuchung sollte 3 —5 Tage nach bherapiebeginn erfolgen. Eine frUhere Kontrolle
ist nicht sinnvoll, da mehrere Tage vergehen bis em Gleichgewicht sich einpendelt. Folgende
Punkte mUssen bei jeder Kontrolluntersuchung vom Besitzer erfragt werden: brinkmenge,
Appetit, Aktivitätslevel und Gewicht. Weiter muss eine Blutzuckerkontrolle durchgefuhrt
werden. Die alleinige Messung der Nuchternglukose gibt keinen zuverlassigen Eindruck von
der Insulinwirkung. Es sollte em Blutzuckertagesprofil (Blutzuckermessung alle 2 Stunden)
angefertigt werden. Beurteilt werden die Wirksamkeit des Insulins, der Tiefpunkt der Kurve
(optimal beim Hund 80-130 mg/dl, bei der Katze 90-160 mg/dl) und die Dauer der
Insulinwirkung (optimal 10—14 Stunden). Zu Beginn der Therapie ist haufig eine
Dosiserhohung (10-25%) notwendig. Nach jeder Dosisanpassung soilte nach Ca. 1 Woche
eine Kontrolluntersuchung erfolgen bis eine optimale Insulineinstellung erreicht ist.
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Uberschreitet die Einzeldosis im Therapieverlauf 2 IE/kg, so sollte das Management des
Besitzers, die Moglichkeit einer Uberdosierung (,,Somogyi overswing”) und das Vorliegen
begleitender Erkrankungen (Hyperadrenokortizismus, Hypothyreose, Hyperthyreose,
Akromegalie, Zystitis, Pankreatitis u.a.) uberpruft werden.
Langzeituberwachung
Die LangzeitUberwachung erfolgt durch den Besitzer und den bierarzt. Der Besitzer solite das
Allgemeinbefinden, die brinkmenge und das Gewicht kontrollieren. Eine Untersuchung beim
Tierarzt soilte alle 3
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6 Monate erfolgen. Im optimalen Fall erfolgt die Durchführung eines
Blutzuckertagesprofils. Bei den Patienten mit stabiler Stoffwechsellage (gutes
Ailgemeinbefinden, normale Trinkmenge, stabiles Korpergewicht) kann in Einzelfiullen die
Bestimmung der Nuchternglukose in Verbindung mit der Bestimmung von Fruktosamin
genügen. Werte <400 umol/L reflektieren eine sehr gute, Werte zwischen 400-450 umol/L
eine gute und Werte > 450 umol/L eine maBige Stoffwechseleinstellung.
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