KUNStstoff 08
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KUNStstoff 08
08 Das Bayer Kultur-Magazin Silke Leopold | Mythos Oper Uraufführung | Die weiße Fürstin Boulevard & Broadway | Zweifacher Orpheus MUSIK | Rainer Koch verabschiedet sich stART | Ein Zwischenbericht SCHAUSPIEL | Rainer Hunold im Kulturhaus TANZ | La La La Human Steps wird 30 Editorial Schnabel hat die Musik dafür dem Signum Quartett quasi „auf den Leib geschneidert“. Das zweite stART-Projekt dieser Periode wurde von Bayer Kultur initiiert: In der neuen Abo-Reihe Boulevard & Broadway halten auch wieder die schon oft totgesagte Operette (allerdings in sehr zeitgemäßer Form) und das Musical Einzug in unseren Spielplan. Der neue Titel trägt dem Rechnung. Auch hier verbinden wir den programmatisch-konzeptionellen Ansatz mit der Förderidee von stART, denn wir bringen Jacques Offenbachs Orpheus in der Unterwelt als Koproduktion mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln auf die Bühne unseres Kulturhauses. Außerdem entsteht auch eine Kinderfassung dieses Operettenklassikers, was uns im Januar gleich noch eine zweite Uraufführung beschert. Liebe Freunde von Bayer Kultur! Nach der umjubelten Leverkusener Premiere von Troilus und Cressida – unserer zweiten Koproduktion mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin – fand wenige Tage später auch die erste Aufführung in Berlin statt. Hierzu erreichte uns aus der Hauptstadt folgendes Schreiben von Philipp Ruch: „Großartiges konnte man gestern Abend im Berliner bat-Theater bestaunen… Glückwünsche an das gesamte Team…und auch an diejenigen, die ein derartiges Werk möglich gemacht haben.“ Diese Reaktion zeigt sehr eindrucksvoll, welch wichtigen Stellenwert die Eigenproduktionen mit jungen Künstlern bei Bayer Kultur mittlerweile einnehmen. In dieser KUNSTstoff-Ausgabe stellen wir Ihnen daher die nächsten stART-Projekte ausführlich vor. Wir berichten u.a. über die Uraufführung von Rainer Maria Rilkes Weißer Fürstin als spartenübergreifendes Theaterprojekt. Jörg 2 Neben dem Deutschen Sinfonieorchester Berlin, der WDR Big Band, Edouard Lock mit seiner brandneuen Choreographie und Rainer Hunold in Verwandte sind auch nur Menschen dürfen Sie sich auch auf weitere Highlights mit unseren stART-Künstlern freuen: Das Benjamin Schaefer Trio stellt in erweiterter Besetzung in der at midnight-Reihe seine neue CD vor, das Signum Quartett gestaltet gemeinsam mit Alfred Brendel einen Abend mit Lyrik und Musik und Hardy Rittner findet sich zum ersten Mal mit unserem orchestra in residence l’arte del mondo zusammen, um das monumentale erste Klavierkonzert von Johannes Brahms zu interpretieren. Auch dies insofern eine echte Weltpremiere, als im Anschluss daran, die erste CD-Einspielung auf historischen Instrumenten entsteht. Wie immer wünsche ich Ihnen viel Spaß bei der Lektüre. Ihr Dr. Volker Mattern Leiter Bayer Kultur 08 Januar/Februar 11 Orpheus als Wegbereiter der Oper Silke Leopold über die Bedeutung von Mythen bei der Entstehung der ersten Opern Seite 4 SCHAUSPIEL Auf Initiative des Signum Quartetts wird aus einem dramatischen Gedicht ein musikalisches Bühnenwerk. Seite 8 Boulevard & Broadway Doppelte Rückkehr der Operette – Orpheus in der Unterwelt einmal für Erwachsene, einmal für Kinder Seite 10 Musik Ein Lebenswerk: Nach über 38 Jahren am Pult der Bayer Philharmoniker verabschiedet sich Rainer Koch. Seite 12 stART Gut gestartet – eine Zwischenbilanz des einzigartigen Förderprojekts von Bayer Kultur nach anderthalb Jahren Seite 14 SCHAUSPIEL Fernseh-Star Rainer Hunold auf den Brettern, die die Welt bedeuten: Verwandte sind auch nur Menschen Seite 16 Literatur Auf dem Weg nach oben – der vielfältige Nachwuchs-Autor Thorsten Nesch liest in der Literatur-Kulisse. Seite 17 TANZ 30 Jahre „La La La Human Steps“ – Das Jubiläum wird mit einer außergewöhnlichen Choreographie gefeiert. Seite 18 Das Bayer Kultur-Magazin 3 Silke Leopold, 1948 in Hamburg geboren, studierte Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft, Romanistik und Literaturwissenschaft in Hamburg und Rom, wo sie nach der Promotion drei Jahre als Forschungsstipendiatin des Deutschen Historischen Instituts verbrachte. Als Assistentin von Carl Dahlhaus lehrte sie seit 1980 an der TU Berlin, außerdem von 1985-86 an der Harvard University und 1988 an der Universität Regensburg. 1987 habilitierte sie sich an der TU Berlin. Von 1991 bis 1996 war sie Ordinaria für Musikwissenschaft an der Universität/Gesamthochschule Paderborn und der Musikhochschule Detmold, seit 1996 ist sie Ordinaria und Direktorin des Musikwissenschaftlichen Seminars in Heidelberg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Geschichte der Oper, Italienische Musik des 16. bis 18. Jahrhunderts und Claudio Monteverdi. 4 Von den zwei Kulturen des Gesangs: Wie Orpheus zum Wegbereiter der Oper wurde Text: Silke Leopold Mythos und Oper – das ist eine ebenso fruchtbare wie spannungsreiche Beziehung, seit es Oper gibt. Zwei Jahrhunderte lang, vom Anbeginn der Operngeschichte um 1600 an, stand dabei die Mythologie der Griechen und Römer im Zentrum des Interesses von Librettisten und Komponisten. Seit dem 19. Jahrhundert kamen dann andere Mythen dazu – die germanischen, die indischen, die afrikanischen. Doch die Sagen des klassischen Altertums (wie Gustav Schwab sie einst nannte) waren mehr als fesselnde Geschichten. Ohne Protagonisten wie Orpheus und Apollo, wie Ariadne und Andromeda, hätte sich das musikalische Drama mit seinen gesungenen Dialogen wohl kaum überhaupt entwickeln können. Ohne die Verwandlung tragisch gescheiterter Helden zu Sternbildern oder Naturphänomenen wäre die Oper als Modellfall höfischer Repräsentation ungeeignet gewesen. Und ohne die Vertrautheit des Publikums mit den alten Geschichten hätte sich das Neue der jeweiligen musikalischen Erzählweise kaum so sinnfällig mitteilen können. Doch der Reihe nach. Die Geschichte der Oper beginnt in Florenz im Oktober 1600: Da wird Maria de’ Medici, jüngste Tochter des 1587 verstorbenen toskanischen Großherzogs Francesco I., mit dem französischen König Heinrich IV. verheiratet. Es ist alles andere als eine Liebesheirat; der Bräutigam lässt sich auf der Hochzeit sogar durch den Onkel der Braut, den regierenden Großherzog, vertreten. Es ist, wie bei politischen Heiraten üblich, viel eher ein Zweckbündnis – Heinrich IV. braucht Geld, das die Medici, ursprünglich eine Bankiersfamilie, im Überfluss besitzen. Die Medici ihrerseits sind an gesellschaftlichem Aufstieg interessiert und zahlen hohe Mitgiftsummen, um ihre Töchter in die alten Herrscherfamilien einheiraten zu lassen. Um den Erfolg einer solchen Strategie zu feiern, ist dem Florentiner Hof jede Kampagne recht – auch die Umdeutung eines altbekannten antiken Mythos. Die Geschichte von Orpheus, der seine Braut durch einen Schlangenbiss verlor und sie so sehr liebte, dass er in die Unterwelt ging, um sie von den Göttern zurückzufordern, war die Geschichte einer unendlichen, über den Tod hinausreichenden Liebe und damit überaus geeignet, eine Hochzeit künstlerisch zu überhöhen, bei der diese Liebe fehlte. Leider aber hatte die Geschichte ein tragisches Ende: Denn Orpheus, so die Überlieferung aus der Antike, hielt sich nicht an das Gelübde, Eurydike bei der Rückkehr zu den Lebenden nicht anzuschauen und verlor sie für immer. Ottavio Rinuccini aber, der Librettist der ersten Oper L’Euridice, nahm die Gelegenheit wahr, den alten Mythos aus aktuellem Anlass umzuschreiben; Orpheus erhält Eurydike ohne Bedingungen zurück und darf mit ihr in seine Heimat zurückkehren. Das letzte Bild der Oper zeigt das selige Brautpaar inmitten der Hirten und Nymphen Arkadiens. Rinuccinis Botschaft war eindeutig: So wie Orpheus und Eurydike bis ans Ende ihrer Tage glücklich leben durften, würden auch Maria de’ Medici und Heinrich IV. von Frankreich ein Leben lang auf Rosen gebettet sein: Die Geburt der Oper aus dem Geist der Propaganda. Warum aber eignete sich der Orpheus-Mythos, neben dieser neuen Deutung, so gut für eine musikalische Verarbeitung? Um dies zu verstehen, ist ein Blick in die Theaterästhetik der Zeit notwendig, die sich seit der Zeit der Renaissance an der Aristotelischen Poetik orientierte. Oberstes Gebot für eine Bühnenhandlung war demnach die „verosimiglianza“, die Wahrscheinlichkeit dessen, was auf der Bühne geschah. Die Oper aber, diese neue Art des musikalischen Dramas, das sich von allen anderen Musiktheaterformen zuvor dadurch unterschied, dass der Dialog der handelnden Personen gesungen wurde, hatte mit der Wahrscheinlichkeit ein Problem – Menschen singen nun einmal nicht, wenn sie sich unterhalten. Orpheus aber, so das Kalkül der Librettisten und der Komponisten der frühen Oper, der göttliche Sänger, der mit seiner Musik die wilden Tiere besänftigte und die Unterwelt bezwang, büßte nicht an Glaubwürdigkeit ein, wenn aus seinem Mund Gesang anstelle von Sprache erklang. Dasselbe galt für seinen Vater Apollo, den Gott der Musik, und all jene Hirten und Nymphen des Goldenen Zeitalters, von denen der Das Bayer Kultur-Magazin 5 Dichter Giovanni Battista Guarini kurz vor der Erfindung der Oper geschrieben hatte, ihre Sprache sei Poesie und ihr Sprechen fast schon Gesang. Niemand hätte das Gegenteil beweisen können – die mythische Vorzeit entzog sich der empirischen Überprüfung. Mit seiner Entscheidung, dem Orpheus-Mythos ein neues Happy Ending zu verleihen, setzte Rinuccini nicht nur ein politisches, sondern auch ein dramaturgische Zeichen, das für die Oper konstitutiv werden sollte. Er und alle weiteren Librettisten der frühen Oper griffen auf einen Dichter zurück, der die griechische Mythologie poetisch ausgeschmückt hatte. In seinen Metamorphosen hatte Ovid die alten Mythen nach dem immer gleichen Muster erzählt; da verwandelten sich Sterbliche am Ende verhängnisvoller Geschehnisse in Blumen (Adonis), Bäume (Dafne) oder Bäche (Akis), oder sie wurden von den Göttern als Sternbild in den Himmel geholt (Andromeda). Schreckliche Geschichten verwandelten sich so in tröstliche Geschichten. Ein solcherart glückliches Ende aber war für die Oper als ein Vehikel fürstlicher Selbstrepräsentation unabdingbar. Wie hätte sich ein König wie Ludwig XIV. zum Apollo seines Zeitalters stilisieren lassen können, wenn dieser Gott nicht in der Lage gewesen wäre, alles zum Guten zu wenden? Der Sonnengott brachte den Menschen das Licht, die Wärme, die Kunst; von dem Sonnenkönig durfte man dasselbe erwarten. Es ist kein Zufall, dass Ludwig XIV. seinen Beinamen in Zusammenhang mit seiner Bühnenrolle als Apollo in dem Ballett de la Nuict erhielt, in dem er 1653 als Fünfzehnjähriger tanzte. Nur durch die Möglichkeit des „lieto fine“, des Happy Ending, die Ovids Metamorphosen eröffneten, taugten die antiken Mythen zur Darstellung auf der Opernbühne. Denn die Oper war in der Zeit ihrer Entstehung und lange darüber hinaus eine durch und durch höfische Angelegenheit. Und da der Vergleich eines Herrschers mit einem christlichen Helden als Blasphemie undenkbar gewesen wäre, boten sich Analogien zwischen antiken, heidnischen Göttern und tatsächlich lebenden Fürsten eher an. Wie aber fügt sich dieser Befund in die gängige Überzeugung, die Oper sei aus dem Bemühen um Wiederbelebung der antiken Tragödie heraus entstanden? Diese These hat im Laufe der Jahrhunderte selbst die Qualität eine Mythos angenommen, und Librettisten wie Komponisten sind da- ran nicht unbeteiligt gewesen. Um den gesungenen Dialog zu rechtfertigen, beriefen sich die Schöpfer der Oper auf klassische Vorbilder – ein übliches Verfahren in den Kunstdiskussionen der Zeit. Keiner von ihnen ging freilich so weit wie die spätere Musikgeschichtsschreibung, die die Oper als Remake der antiken Tragödie sehen wollte. Und um Wiederbelebung einer verklungenen Theaterform ging es schon gar nicht. Jacopo Peri, der Komponist von Rinuccinis L’Euridice, bezeichnete die Art der Deklamation in der antiken Tragödie als ein „Mittelding zwischen Singen und Sprechen“ und beschrieb seine Musik als einen Versuch, ein modernes Äquivalent davon für die Zukunft des musikalischen Theaters zu entwickeln. Das Besondere war dabei nicht einmal die Deklamation selbst – diese dürfte sich gar nicht so weit von dem üblichen Singsang theatralischen Sprechens unterschieden haben. Das bahnbrechend Neue war vielmehr die Kombination dieser Deklamation mit einem akkordischen Instrumentalbass, der es erlaubte, gleichsam einen affektiven Kommentar zum Text abzugeben. Die Möglichkeit, eine Spannung zwischen konsonanten und dissonanten Klängen zu erzeugen, ohne den Regeln des Kontrapunktes unterworfen zu sein, eine überraschende, unvorbereitete Dissonanz als Ausdruck des Schmerzes, einen abrupten DurMoll-Wechsel zur Aufhellung oder Eintrübung der Stimmung zu verwenden, eröffnete ungeahnte Möglichkeiten musikalischer Menschendarstellung, lieferte gleichsam eine musikalische Inszenierung des Dramentextes. Dass es der Orpheus-Mythos war, der den Experimentierraum für diese neuen musikalischen Ideen eröffnete, ist wiederum kein Zufall – denn dem Sohn des Apollo und der Muse Kalliope stand nicht nur der Gesang zu Gebote, sondern auch sein Leierspiel, und die Macht seiner Musik resultierte aus der Kombination von beidem. „Al modo d’Orfeo“ (nach Art des Orpheus) – so lautete schon im 16. Jahrhundert die Beschreibung des akkordbegleiteten Sologesangs. Über Generationen hinweg blieb Orpheus der Opernheld, an dem sich neue Konzepte des Theatergesangs erproben ließen. Peri hatte ihm den Sprechgesang übertragen, ihn als Meister der musikalischen Reduktion und der affektiven Deklamation dargestellt. Wem es gelang, allein mit den Mitteln des akkordbegleiteten Rezitativs die Unter- „Über Generationen hinweg blieb Orpheus der Opernheld, an dem sich neue Konzepte des Theatergesangs erproben ließen.“ 6 welt zu bezwingen, – so Peris Botschaft – der bewies, dass diese neue Art des Singens kunstvoll und lebensfähig war. Um der musikalischen Deklamation willen verzichtete Peri gänzlich auf den melismatischen Ziergesang, für den er selbst als Sänger so berühmt war. Nur wenige Jahre später ging Claudio Monteverdi einen anderen Weg. Sein Orpheus war beides, Sänger und Rezitator; Virtuosität und Überzeugungskraft hielten sich im 1607 in Mantua aufgeführten L’Orfeo die Waage. Monteverdis Orpheus schenkte der Operngeschichte die Idee von den zwei Kulturen des Gesangs – von dem offenen rezitativischen Dialog auf der einen und den in sich geschlossenen, für sich stehenden Arien auf der anderen Seite. Und er enthielt sich nachdrücklich eines Urteils, welcher dieser beiden Kulturen er den Vorzug gab. Zwar bezeichnete er die hochvirtuose Strophenarie, mit der Orpheus den Unterweltfährmann Charon bezwingen will, in einem Brief als „Herzstück der Oper“; aber er machte auch deutlich, dass der Ziergesang allein nichts vermag: Denn erst als Orpheus alle Kunst vergisst, weil Charon sich nicht rühren lässt, und mit brennendem Herzen und scheinbar ohne Kontrolle seiner Verzweiflung im Rezitativ Ausdruck verleiht, weicht Charon der Macht der Musik und schläft ein. Mit wachsender Gewöhnung des Publikums an das vollständig in Musik gesetzte Drama schwand die Notwendigkeit, mythologische Gestalten als Helden auf die Bühne zu stellen, deren Nähe zur Musik den gesungenen Dialog rechtfertigte. Ovids Metamorphosen folgten Homers Ilias und Odyssee sowie Vergils Aeneis als Stoffquelle. Uneindeutige Charaktere wie die Zauberin Kirke oder der listenreiche Odysseus lösten die göttlichen Helden in der Gunst des Publikums ab. Dennoch blieb die antike Mythologie für lange Zeit die bevorzugte Stoffquelle, selbst als histo- rische Sujets, Geschichten über römische Kaiser und mittelalterliche Ritter die Opernbühnen zu erobern begannen. Als in Zeiten beginnender Aufklärung die Staatskunst an die Stelle des Gottesgnadentums trat, wurde dies auch in der Oper reflektiert: Kaiser Karl VI. etwa, Maria Theresias Vater, ließ sich lieber als neuer Titus feiern denn als neuer Apollo. Lediglich in Frankreich blieb die Bindung der Oper an mythologische Stoffe zumindest in der traditionellen Tragédie en musique unangetastet. Niemals aber wurden die mythologischen Geschichten in den Opern um ihrer selbst willen erzählt. Sie waren Mittel zum Zweck, metaphorische Bekundungen über etwas, das dem Publikum gleichsam als Moral, als Quintessenz vermittelt werden sollte. Monteverdi gestaltete die Geschichte von der Heimkehr des Odysseus in seiner späten, 1641 aufgeführten Oper Il ritorno d’Ulisse in patria als eine Parabel über höfisches Verhalten und die Diskrepanz von angemaßtem und von Herzensadel. Henry Purcells 1689 für eine Mädchenschule konzipierte Oper Dido and Aeneas war eine Warnung an die adligen Fräulein, sich bei der Entscheidung zwischen Pflicht und Liebe doch unbedingt gegen die todbringende Neigung zu entscheiden. Und noch mehr als ein halbes Jahrhundert später thematisierte JeanPhilippe Rameaus Pigmalion (1748) die höfische Erziehung als einen notwendigen Schritt auf dem Weg zur Menschwerdung, wenn die Musen der fleischgewordenen Statue des Bildhauers das Sarabandetanzen beibringen. Wer in den Opern des 17. und 18. Jahrhunderts auf eine Nacherzählung antiker Mythen hofft, wird mit Sicherheit enttäuscht. Der Oper dient auch die Mythologie immer dazu, die jeweils eigene Zeit mit den Mitteln der Musik zu erklären. Das Bayer Kultur-Magazin 7 Hanfried Schüttler Marie Simone Steinbauer-Bascoul Auf der Bühne – ein Gedicht! Die weiße Fürstin von Rainer Maria Rilke kommt in ungewöhnlicher Version zu seiner Bühnenpremiere: Die Idee des Signum Quartetts wird gemeinsam mit Regisseur Hanfried Schüttler und Komponist Jörg Schnabel realisiert. Text: Reiner Ernst Ohle · Fotos: Hanne Engwald „In Würzburg hätte ich mich nicht trauen können, ein solches Stück auf den Spielplan zu setzen!“ Hanfried Schüttler schätzt die Freiheit, in Verbindung mit einem privaten Kulturförderer mit dieser Uraufführung künstlerisches Neuland zu betreten, „Stadttheater unterliegen häufig grausamen Rechtfertigungs-, Geld- und Gefallenszwängen, die es der Kunst nicht leicht machen. Für mich ist es der reine Luxus, ein solches Stück an so einem tollen Theater zu erarbeiten und sich dabei allein auf die künstlerischen Fragen konzentrieren zu können.“ Neugierig sei man gewesen, als das Signum Quartett von Kontakten zu Bayer Kultur erzählt und 8 vom Interesse der Macher dort berichtet habe, künstlerisch reizvolle kleine Projekte selbst zu produzieren. „Auch für uns sind diese Projekte Neuland – zumal von Anfang an klar war, dass wir hier kein Konzert erarbeiten sondern als Musiker auch kleine schauspielerische Aufgaben übernehmen werden“, gesteht der Cellist Thomas Schmitz vom Signum Quartett, das seit der Spielzeit 2009/10 im Rahmen des stART-Programms von Bayer Kultur gefördert wird. „Mit jungen Musikern zu neuen Ufern aufzubrechen, ist eine große Freude“ bekennt Dr. Volker Mattern, Leiter von Bayer Kultur. Er liebt es, die Entstehung eines Stückes aktiv zu be- Steinbauer-Bascoul und Schüttler bei einer Probe im Kulturhaus Hanfried Schüttler Hanfried Schüttler wurde nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Pädagogik und Soziologie in Köln an der Westfälischen Schauspielschule in Bochum ausgebildet. Er war Intendant des Landestheaters Burghofbühne Dinslaken im Kreis Wesel und Schauspieldirektor am MainfrankenTheater Würzburg. Er spielte in Essen, Münster, Stuttgart, Oberhausen und am Volkstheater Millowitsch in Köln. Er tourte durch Polen mit George Taboris Mein Kampf. Regie führte er in Wilhelmshaven, Stuttgart, Wuppertal, Coburg und bei der Konzertdirektion Landgraf. Hanfried Schüttler war in den Spielzeiten 2006/07 bis 2008/09 Direktor des Theater der Keller und der angeschlossenen Schule des Theaters in Köln und arbeitet gegenwärtig als Coach für Film und Fernsehen in Köln, der Schauspieler kurzfristig am Filmset auf ihre Rolle vorbereitet. Vom 17. bis 22. Januar 2011 entsteht unter seiner Regie die Uraufführung Die weiße Fürstin von Rainer Maria Rilke im Bayer Kulturhaus. Bühne und Kostüme kommen von Annette Wolters, Marie Simone Steinbauer-Bascoul ist als Fürstin, Fiona Metscher als Mona Lara und Christa Strobel als Amadeo zu sehen. Die Rolle des Boten war bei Redaktionsschluss noch nicht besetzt. Die weiße Fürstin Uraufführung SA 23.01 | 20:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen gleiten und es ist ihm ernst, wenn er ankündigt, dass er keine Probe verpassen wird, wenn das 10-köpfige Ensemble um Regisseur Hanfried Schüttler im Januar 2011 in einer Woche hoch konzentrierter Endproben den alterehrwürdigen Kulturbahnhof in eine veritable Theaterwerkstatt verwandeln wird. Das Rilke-Stück Die weiße Fürstin selbst haben alle mit großem Vergnügen mehr als einmal gelesen. Die Protagonistin in diesem dramatischen Gedicht in Versform ist eine Frau, die vor dem Hintergrund einer schrecklichen Realität und angesichts des Elends einer seuchenund hungergeplagten Bevölkerung auf die Erfüllung ihrer Sehnsucht wartet: die Ankunft des Geliebten. „Am Anfang waren wir irritiert, verblüfft, aber auch irgendwo begeistert von dieser Sprache, die sehr poetisch ist und auf vielfältige Weise Einblicke auch in unsere Gegenwart gewährt“, bekennt die Geigerin Kerstin Dill. Das ganze Ensemble weiß, dass Rainer Maria Rilke längst nicht mehr in aller Munde ist. Die Zeiten, in denen das gebildete Lesepublikum in Rilke – neben Stefan George und Hoffmannsthal – den Typus des „Dichters“ schlechthin sah und Mann und Werk als ideale Verkörperung und Offenbarung des empfindsamen, weltabgekehrten, einsamen und melancholischen Künstlers galten, sind ebenso vorbei wie die Ära, in der Rilke als der bürgerliche Dichter der Entfremdung wahrgenommen wurde, der in kritischer Distanz zu den Neuerungen des Industriezeitalters lebt. Hanfried Schüttler hat die Fürstin mit seinen Mitstreitern auf der Basis des Textes von 1912 intensiv diskutiert. Immer klarer sei ihm dabei geworden, dass diese Frau mittleren Alters der Prototyp einer modernen klugen Frau ist, die – nach einer Zwangsverheiratung als unschuldige Kindfrau im Leben einem jähzornigen Tyrannen ver- bunden – ihre Liebe aufbewahrt und diese unter widrigen Umständen behauptet und lebt. „Im Grunde ist sie sogar eine aristokratische Revolutionärin, die ihr kurzes Glück behauptet, die mit Konventionen bricht und ihren Besitz verteilt. Sie ist kein Opfer, sie reagiert nicht nur, sie agiert selbständig und selbstbewusst. Äußerst modern sind aber auch die Zweifel von Mona Lara, ihrer Schwester, die genau weiß, dass die Sprache nicht ausreicht, die Wirklichkeit abzubilden.“ Hanfried Schüttler verlangt von den Schauspielern, dass sie ihren Text mit großer Selbstverständlichkeit, nüchtern-normal, fernab von jedem hohen Ton sprechen. „Die schönen Bilder, die durch knappe Sentenzen evoziert werden, sind nur am Anfang schwierig und unzugänglich. Wer sich ganz auf den Text einlässt, stößt auf eine Sprache, die voller Poesie und feiner Beobachtungen steckt. Ein Satz wie ‚Jugend ist nur Erinnerung an einen, der noch nicht kam‘ kann lange aufhalten.“ Die Inszenierung von Hanfried Schüttler zielt darauf ab, den Rilke-Text zu erden und ihm seinen rätselhaften und poetischen Zug zu lassen. Zu dieser Emanzipationsgeschichte in Zeiten des Elends interpretiert das Signum Quartett die Musik von Jörg Schnabel, die er quasi als „Filmmusik“ angelegt hat. „Musik übernimmt die Emotion und ist ein eigener Darsteller“ bemerkt Schüttler zu seinem Ansatz, „sie wird handlungsbezogen eingesetzt, ist kein bloßer Stimmungsaufheller.“ Seine Arbeit sieht vor, dass erst während der Proben das Stück seine endgültige musikalische Form findet. „Mit Jörg Schnabel ist abgesprochen, dass er doppelt soviel abliefert, wie tatsächlich gebraucht wird – das Wesentliche einer Inszenierung sind die Proben und da müssen wir spielen und verwerfen können“. Das Bayer Kultur-Magazin 9 Orpheus-Mythos mal zwei Im Januar kommt die Operette Orpheus in der Unterwelt in einer Neuinszenierung für Erwachsene von Igor Folwill auf die Bühne des Bayer Kulturhauses – und Kay Link hat aus dem Stoff eine eigene Kinderfassung entwickelt, die hier ihre Uraufführung erleben wird. Text: Volker Mattern · Fotos und technische Zeichnung: Manfred Kaderk Das Bühnenbildmodell Im Libretto der beiden genialen Textdichter Hector Crémieux und Ludovic Halévy heißt es bezüglich von Ort und Zeit der Handlung von Orpheus in der Unterwelt: „In der Umgebung von Theben, im Olymp und in der Unterwelt, irgendwann“… und letzteres ist Programm, könnte man in schlechtem Operettendeutsch hinzureimen. Denn wie bei Offenbach in vielen seiner Erfolgsopern – die originale Gattungsbezeichnung ist opéra bouffe, also komische Oper, die Bezeichnung „Operette“ wurde erst viel später gebräuchlich –, ist der Ausgangspunkt seiner heiter-satirischen Stoffe die Gegenwart, also das zweite Kaiserreich unter Napoléon III. Doch zurück zu den Anfängen: 1819 in Köln geboren, fand sich Jacques Offenbach schon als Vierzehnjähriger in Paris wieder, um am dortigen Conservatoire Cello zu studieren. Als Orchestermusiker verdiente er zunächst an der opéra comique mühsam sein Brot und sammelte – nach einem Köln-Intermezzo als Flüchtling in den Wirren der 1848er Revolution – am Théâtre Français als Kapellmeister erste Erfahrungen im Bühnenmetier. Erfolg hatte er zunächst kaum. Erst die Weltausstellung im Jahre 1855 brachte den Umschwung: Er pachtete eine Bretterbude, die als „Bouffes Parisiens“ Musikgeschichte schreiben sollte. 10 Hier schlug die Geburtsstunde dessen, was heute „Offenbachiade“ genannt wird. Die grotesken Persiflagen in den dort gezeigten, meist einaktigen „musiquettes“ begeisterten nicht nur das Publikum der Weltausstellung, sondern zunehmend auch die vergnügungssüchtige Gesellschaft der französischen Metropole. Internationalen Ruhm – sowie großen finanziellen Erfolg – bescherte dem knapp Vierzigjährigen jedoch erst Orphée aux enfers, sein erstes abendfüllendes Werk aus dem Jahre 1858. Ein neues Genre war geboren: die tolldreiste Mythentravestie, die gegenwärtige Verhältnisse reizvoll verkleidet, um sie, mit motorischem Überschuss, zum Vorschein zu singen und zu tanzen. Erst der Zusammenbruch des Kaiserreichs nach dem deutschfranzösischen Krieg machte diesem rasanten Siegeszug ein Ende. Der Titel des „Erfinders der Operette“ war Jacques Offenbach da aber schon nicht mehr zu nehmen. Dass die Zeitangabe „irgendwann“ bei Offenbach nichts anderes heißen kann, als „in der – jeweiligen – Gegenwart spielend“, macht sich selbstredend auch das Inszenierungsteam unserer ersten Koproduktion mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln zueigen. Igor Folwill (Regie), Manfred Kaderk (Bühne) und Angela C. Schuett (Kostüme) siedeln das Stück in einem Konzertsaal (statt in Theben), im himmlischen Bundestag (statt im Olymp) und in der „Theaterhölle“ mit Gott Pluto als Intendanten (statt in der mythologischen Unterwelt) an. Die Verkehrung der heroischen Antike in eine heiter-bedenkliche Gegenwart hat die kaum zu bremsende Lust auf unnütze Energieentladungen im Lieben, Trinken und Tanzen zur Folge. Ausgelöst werden sie meist durch Konkurrenzkämpfe, in erster Linie um Euridike, der Gattin des beamteten – somit langweiligen – Geigenprofessors Orpheus. Mit ihm konkurriert u.a. der als Schäfer Aristeus maskierte Pluto, der sich fast am Ziel seiner Wünsche wähnt, würde sich da nicht die „öffentliche Meinung“ einmischen, die den gesellschaftlichen Wert des möglichst makellosen Familienlebens mit aller Macht verteidigt: „Für die Mythologie brauchen wir das Beispiel wenigstens eines Gatten, der seine Frau zurückhaben will“. Letztendlich ist ihr aber kein Mann weit und breit gewachsen, sei er sterblich oder unsterblich… Igor Folwill formuliert es so: „Wenn diese Inszenierung Fragen stellen soll im Sinne der Gesellschaftskritik Offenbachs, dann vielleicht die Frage nach mehr Schein als Sein, macht Macht sexy? und der Frage nach der verlogenen Doppelmoral im Beruflichen wie im Privaten. In dem gesetzten Rahmen will sie diese Botschaft aber dem Zuschauer nicht um die Ohren schlagen, sondern den feinen Esprit Offenbachs mit theatralischen Mitteln entfalten und sich das Publikum seinen Teil denken lassen.“ Der junge Regisseur und Bühnenautor Kay Link hat im Auftrag von Bayer Kultur eine Kinderfassung dieses Operetten-Klassikers geschrieben. Beim soeben skizzierten Inhalt ist dies auf den ersten Blick vielleicht verwunderlich. Bei genauerem Hinsehen allerdings, lässt sich aus diesem Offenbachschen Meisterwerk jedoch auch ein lustig-gegenwärtiger Spaß für Kinder machen. Eine erste Uraufführung im Rahmen des Angebots -8+x. Hierzu lädt Bayer Kultur alle Kinder mit Eltern und Verwandten natürlich besonders herzlich ein! Orpheus in der Unterwelt Premiere FR 14.01 | 20:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen SA 15.01 | 20:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen Orpheus in der Unterwelt – Kinderfassung Uraufführung SA 30.01 | 14:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen Das Bayer Kultur-Magazin 11 Lust und Disziplin Mit dem Silvester- und Neujahrskonzert nimmt Rainer Koch Abschied von den Bayer Philharmonikern. Eine Würdigung. Text: Christoph Vratz · Fotos: Hanne Engwald In ruckeliger Regelmäßigkeit dreht sich das Karussell um sich selbst, und die Welt schaut gern gebannt hin, weil die Leute auf den Pferdchen häufiger wechseln. So dreht sich das internationale Dirigenten-Karussell fort und fort. Eine Position jedoch scheint beinahe auf Lebenszeit besetzt, wie einst zu Karajans Zeiten in Berlin: die des Chef-Dirigenten der Bayer Philharmoniker. Rainer Koch ist seinem Orchester über fast vier Jahrzehnte treu geblieben. Gegenseitige Wertschätzung war das Siegel für diese Beständigkeit. Als er 1972 erstmals vor das Orchester trat, warteten Beethoven, Wagner, Berlioz. Drei dicke Klötze, die im Probedirigat modelliert werden wollten. Koch ließ sich nicht beirren. Er ließ probieren und nochmals probieren. Das Orchester verstand: Dieser Mann fordert Qualität, aber er bringt auch die nötige Geduld mit. „Proben müssen Spaß machen“, behauptet Koch. Er sagt dies völlig allürenfrei, denn er mimt weder den Klassenclown noch den Spielverderber. Als Dirigent ist er in erster Linie Mensch, und als Musiker ist er kein Verfechter einer interpretatorischen Dialektik, sondern Freund alles Natürlichen, Inwendigen. „Freude stellt sich am ehesten ein, wenn man richtig musiziert.“ Rainer Koch hat schnell gemerkt, dass bei einem Orchester aus lauter passionierten Laien die Führungs-Kunst darin besteht, eine „Balance zwischen Lust und Disziplin“ zu finden. Aber wie geht das? „Indem ich versuche, nicht zu lange am Detail hängen zu bleiben.“ Weniger kann mehr sein. Niemand weiß das besser als Koch. Wer zu dogmatisch pocht, erntet Verkrampfung, und dies ist das Letzte, was er für sein Orchester gebrauchen kann. Ein anderer Spagat wartete stets bei der Repertoire-Auswahl. Koch hat sich auf romantischem Terrain immer wohl gefühlt, bei Schumann, Dvo ák, Brahms & Co. Gelegentliche Abstecher ins 20. Jahrhundert, Seitenpfade bei Oper und Operette hat er behutsam in seine Exkursionen eingebunden. Wer Koch erlebt, wie er sich am Pult bewegt, merkt schnell: Dieser Mann geriert sich nicht als allumarmender, ewig flirtender Emphatiker im Sinne eines Lenny Bernstein und nicht als dauerzuckender Technokrat à la Georg Solti. Koch organisiert und lenkt unauffällig, seine Einsätze erfolgen punktgenau, jeder Musiker darf sich an seinem Taktstock geborgen wissen. Er weiß, wie viel Rücksicht nötig ist, wenn sich sein Orchester zweimal wöchentlich abends zur Rainer Koch bei einer Probe für seine letzten Konzerte auf der Bühne des Kulturhauses 12 Rainer Koch Probe einfindet, nach einem für jeden fordernden BerufsAlltag. Dennoch darf er nichts schleifen lassen. Zu namhaft sind dafür die Solisten, die regelmäßig eingeladen werden, zu weit die Reisen, die Bayers Philharmoniker unternommen haben, zu gut der Ruf, den das Orchester inzwischen auch bei den internationalen Gast-Stars genießt. „Das Schöne für mich in all den Jahren war, immer wieder zu sehen, wie viel Enthusiasmus jeder Einzelne mitgebracht hat“, gesteht Koch, der aus seiner Arbeit mit zahllosen Berufsorchestern um die Schwierigkeiten einer erfolgreichen Dirigent-Musiker-Beziehung weiß. „Routine oder eingefleischte Rollen, wie es sie etwa an Theatern zwangsläufig gibt, fallen bei uns glücklicherweise weg.“ Harmonie strahlt er aus, wenn er in einem ruhigen ‚Moderato cantabile‘-Ton und mit immer noch leicht bayerisch-gefärbten, kräftigen „r“-Lauten erzählt; Harmonie hat Rainer Koch auch seinen Musikern vom Pult aus stets vorgelebt. Er ist mit niemandem per Du. Das habe er „bewusst so gehalten“, zumal er in dieser Beziehung „furchtbar altmodisch“ sei. Um zu erkennen, dass er mit brennendem Herzen Musik macht, braucht es kein „Du“. Hierarchie spielt für ihn keine Rolle. Vorschläge aus dem Orchester nimmt er gerne auf, auch heute noch. Koch, der stille Vater der Kompanie. Sukzessiv hat er, dank seiner genauen Arbeitsweise, die eigenen Ansprüche ans Bayer-Orchester nach oben schrauben können, so dass ihm letztlich auch vor den ganz dicken Brocken nicht bange war. So auch, als er im vergangenen Jahr Giuseppe Verdis Messa da Requiem aufführen konnte, mit Chören aus Wuppertal und Düsseldorf. Dieses Werk, eine Mischung aus überrumpelnder Lust am Klang und nüchterner Ingenieurskunst, erfordert Atem, Puls, Evolution, Spannung, Linie. Lauter Ideale, die Koch wichtig sind. Dirigieren ist für ihn kein entrückter Vorgang, sondern das Scharnier zwischen Komponist und Musikern. Was aber macht Rainer Koch, wenn er nicht dirigiert? „Na ja.“ Er zögert. „Ich bin schon sehr auf die Musik fixiert“. Dann fällt ihm doch noch etwas ein. „Wenn Zeit ist, fahre ich gern mit meiner Frau in Museen oder Ausstellungen – ein wunderbares Feld.“ Das Dirigenten-Karussell dreht sich zuverlässig weiter. Rainer Koch hat seinen Platz aus tiefster innerer Überzeugung ausgefüllt. Wenn er das Karussell nun verlässt, weiß er um seine Bedeutung für die Geschichtsbücher des Orchesters. Daran erfreuen wird er sich vermutlich im Stillen. Rainer Koch, geborener Münchner, studierte in seiner Heimatstadt, bevor er als Repetitor ans Opernhaus Essen, dann als Dirigent zum Niedersächsischen Sinfonie-Orchester nach Hannover kam. Neben seinen Stationen an der Kölner Oper (bis 1980) und als Generalmusikdirektor in Bielefeld (bis 1998) leitet er seit 1972 die Bayer Philharmoniker. Seit 1998 nimmt er einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Detmold war. Das Bayer Kultur-Magazin 13 Gut gestARTet Seit eineinhalb Jahren werden vielversprechende Nachwuchskünstler mit einem einzigartigen Förderprogramm von Bayer Kultur untertützt. Ein musikalischer Zwischenbericht. Text: Volker Mattern · Fotos: Lutz Voigtländer, Sibylle Fendt, Tomasz Trzebiatowski In Sachen stART gibt es viel Positives zu berichten: neben der Ausstellungsreihe Kunsthochschulen zu Gast, der zweiten Koproduktion mit der Busch-Hochschule Berlin (Troilus und Cressida wurde in Leverkusen und Berlin stürmisch gefeiert!), dem vielbeachteten Gastspiel des jungen Choreographen und Tänzers Shang-Chi Sun und den Auftritten junger Nachwuchsautoren in der Literatur-Kulisse, insbesondere in der Sparte MUSIK. Fangen wir mit dem Jazz an. Neben sehr erfolgreichen Konzerten beim Elbjazz-Festival in Hamburg und im Jazzgarten Frankfurt, hat das Benjamin Schaefer Trio kürzlich seine neueste CD vorgestellt. Der Titel: Beneath the surface. Die Fachzeitschrift Jazz-Thing berichtet darüber in seiner Oktober-Ausgabe wie folgt: „Benjamin Schaefer ist mit seinem Piano-Trio mit Robert Landfermann (Bass) und Marcus Rieck (Drums) längst in der Bundesliga angekommen. Das Faszinierende an dem Trio-Jazz des jungen Kölner Pianisten ist, dass er sich nicht den Verlockungen des breiten Publikumsgeschmacks hingibt (…). Ganz im Gegenteil: Zwar sind die Originals (sieben von Schaefer, zwei von Rieck) bestimmt durch eine melodische Farbigkeit, durch eine impressionistische Harmonik und Rückgriffe in die Geschichte dieser so traditionsreichen Gattung. Doch das voraushörende Zusammenspiel der drei und ihr für überraschende Momente sorgendes Interagieren geben der Improvisationsmusik dieses Trios neue Impulse 14 und verorten sie ganz im Hier und Heute. Tatsächlich unter die Oberfläche geht der gerade mal 29-jährige Schaefer dann, wenn er in fünf Stücken sein Trio mit dem Violinisten Christoph König, dem Cellisten Stephan Braun und den beiden Klarinettisten Holger Werner und Niels Klein zum Septett erweitert. Dass die Holzbläser und Streicher aber weniger als Solisten eingebunden werden, sondern Schaefer mehr mit den verschiedenen Klangfarben der Instrumente ‚komponiert’, unterstreicht noch stärker als im Trio seinen kammermusikalischen Forschergeist.” Und die Musik dieser – auch an anderer Stelle hoch gelobten – CD wird Benjamin Schaefer im nächsten Konzert der at midnight-Reihe am 15. Januar 2011 im Studio des Bayer Kulturhauses vorstellen. „Kammermusikalischer Forschergeist“ beflügelt auch immer wieder das Signum Quartett. Sie beweisen dies mittlerweile auch auf wichtigen internationalen Konzertpodien. Ob – mit keinem geringeren Klavierpartner als Leon Fleisher – beim renommierten Aldeburgh Festival, im Kammermusiksaal des Bonner Beethoven-Hauses („Die vier Musiker spielten mit einer atemberaubenden, vor Intensität schier zu berstenden Spannung“, hieß es im Bonner Generalanzeiger), in Santander, Amsterdam oder im Berliner Schloss Charlottenburg: Aktuell manifestiert sich dieser Forschergeist auch in der ersten CD-Einspielung dieses jungen Streichquartetts. Ermöglicht durch Bayer Kultur haben Kerstin Dill (Violine), Anette Walther (Violine), Xandi van Dijk (Viola) und Thomas Schmitz (Violoncello) zwei Streichquartette von Ludwig Thuille (1861-1907) für das Label Capriccio eingespielt. Zweifellos handelt es sich hierbei um eine wichtige Wiederentdeckung, denn Thuille war zu Lebzeiten durchaus kein Unbekannter: Er übernahm 1890 in München die Kompositions-Professur von Joseph Rheinberger und schrieb in erster Linie Lieder und Kammermusik. Sein frühes A-Dur Quartett widmete Thuille übrigens seinem Freund Richard den begehrten ECHO-Klassik zu gewinnen. Nach seiner Auszeichnung als bester Nachwuchsinterpret 2009, wurde er nun in der Kategorie „Solistische Einspielung des Jahres – 20./21. Jahrhundert – Klavier“ ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch! Dass sein Name im Konzertbetrieb mittlerweile etwas zählt, belegen seine sehr erfolgreichen Debüts mit Tschaikowskys b-Moll-Konzert und dem aMoll-Konzert von Robert Schumann sowie eine Einladung nach Madrid. Gemeinsam mit l’arte del mondo unter der Leitung von Werner Ehrhardt kommt nun ein weiterer Repertoire-Klassiker hinzu, und zwar das monumentale erste Strauss, der postwendend zurück schrieb „...exquisit, melodienreich, sehr schön gesetzt, brillant gemacht, voll Steigerung, herrliche Form“. Also eine zweite CD-Empfehlung! Über eine weitere innovative Idee des Signum Quartetts, nämlich das spartenübergreifende bzw. interdisziplinäre Rilke-Projekt Die weiße Fürstin, wird auf den Seiten 8 und 9 dieses Magazins berichtet. Ungewöhnlich ist auch das Programm, das „die Signums“ für den gemeinsamen Abend mit Alfred Brendel am 5. Februar 2011 konzipiert haben. Während der Grandseigneur des Klaviers aus seinem zwischenzeitlich umfänglichen lyrischen Œuvre liest, kontrapunktiert das Signum Quartett seine Texte dramaturgisch klug, korrespondierend bzw. kommentierend, mit Hugo Wolfs Italienischer Serenade in G-Dur, Charles Ives’ Scherzo for String Quartet, Carl Orffs Quartettsatz für 2 Violinen, Viola und Violoncello und Erwin Schulhoffs Fünf Stücken für Streichquartett – mit letzteren haben diese vier exzellenten jungen Musiker im altehrwürdigen Amsterdamer Concertgebouw kürzlich das Publikum zu Ovationen hingerissen. Und das will in einem der berühmtesten Konzerthäuser der Welt schon etwas heißen! Klavierkonzert d-Moll von Johannes Brahms. Das Besondere dieses Projekts liegt darin, dass die beiden Konzerte im Bayer Kulturhaus mit sogenannten „alten Instrumenten“ realisiert werden; beim renommierten Label MDG entsteht – als Weltpremiere auf historischem Instrumentarium – eine CD-Produktion „live aus dem Bayer Kulturhaus Leverkusen“. Es spricht alles dafür, dass auch diese CD eine Empfehlung verdienen wird. Mit der von Bayer Kultur ermöglichten Gesamteinspielung der Kompositionen Arnold Schönbergs für Klavier solo schaffte es Hardy Rittner zum zweiten Mal in Folge, Jazz at midnight – Benjamin Schaefer Trio +4 SA 15.01 | ca. 22:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen Die weiße Fürstin Uraufführung SA 23.01 | 20:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen Alfred Brendel | Signum Quartett SA 05.02 | 20:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen l’arte del mondo | Hardy Rittner DO 10.02 | 20:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen FR 11.02 | 20:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen Das Bayer Kultur-Magazin 15 Rainer Hunold Ein Fall für Einen Im Februar 2011 steht ein selten gespieltes Stück des Theaterautors Kästner auf dem Spielplan von Bayer Kultur – in der Hauptrolle: Rainer Hunold. Ein Porträt. Text: Reiner Ernst Ohle · Fotos: Jens Kalaene/Picture Alliance, ARD/Gottfried Weimann, Rainer Hunold Gemeinsam mit Eberhard Keinsdorff hat Erich Kästner als mit Berufsverbot belegter Autor 1937 unter dem Pseudonym Eberhard Foerster das Stück Verwandte sind auch nur Menschen verfasst – ein witziger, elegant gebauter, jeden Effekt sorgsam vorbereitender Text des Typs „reich gewordener Heimkehrer testet die Stätten seiner Jugend auf Moral und Erbschaftseignung“: ein sehr reicher Mann aus Amerika lässt sich totsagen, um, als Diener verkleidet, die weit verzweigte Sippe, die ihn nicht kennt, bei der Testamentseröffnung zu beobachten und zu ärgern. Die Rolle des Justizrates Ernst Klöckner, der im Stück zwischen dem rachsüchtigen Millionär und den im Grunde sympathischen Verwandten steht, hat in dieser aufwändigen Tourneeproduktion Rainer Hunold übernommen, einer der beliebtesten und bekanntesten Fernsehschauspieler Deutschlands. Er hat sechs Semester Kunstpädagogik und Germanistik studiert, bevor er den Beruf des Schauspielers an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin von der Pike auf erlernte. „An der Rolle reizte mich besonders das darstellerische Potenzial, das Gefälle dieser Figur zwischen den Fronten. Und natürlich die Arbeit mit einem wunderbaren Ensemble, in dem jeder seinen Beruf mit Herzblut ausübt.“ Nach eigenem Bekunden hat der Schauspieler drei Bereiche, in denen er sich wohlfühlt und in denen er gerne unterwegs ist: „Das ist das Spielen, das ist die Bildhauerei und das ist das Schreiben“, bekennt er offen im Gespräch. Seit Ende der 1970er-Jahre hat er sich durch Fernsehserien und Fernsehfilmen seine große Popularität erarbeitet: 1990 begann die Staffel der Fernsehserie Ein Fall für Zwei mit Rainer Hunold als Strafverteidiger Dr. Rainer Franck an der Seite 16 des Privatdetektivs Josef Matula alias Claus Theo Gärtner, ab 1997 war er der Arzt Dr. Peter Sommerfeld als Nachfolger von Dr. Peter Brockmann alias Günter Pfitzmann in der Praxis Bülowbogen. Der Schauspieler ist verheiratet, hat zwei Adoptivkinder und ist als Botschafter für die SOSKinderdörfer unterwegs. Er unterstützt darüber hinaus den Verein „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V.“, der sich bundesweit gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt einsetzt. In den Dienst seines Engagements als Botschafter der SOSKinderdörfer stellt er seine Passion für die Bildhauerei: entstanden sind Skulpturen aus Baumstämmen, die er mit Kupfernägeln beschlägt. „Bei mehreren Versteigerungen wurden bis zu 4.000 Euro für ein Objekt erzielt. Das hat mich motiviert, weiter zu machen.“ Im Juni 2009 hatte er mit diesen Arbeiten seine erste Einzelausstellung in der Galerie „Braubachfive“ in Frankfurt/Main. Der Grimme-Preisträger (für seine Darstellung des Managers Bernd Otto in einem halb-dokumentarischen Film über den Co-Op-Skandal) ist darüber hinaus auch als Drehbuch- und Buchautor aktiv. Sein Buch Ich bin nun mal dick: Ein Wohlfühlbuch ist ein großes Plädoyer für einen entspannten und souveränen Umgang mit dem eigenen Körper. Die Dreharbeiten zur fünften Staffel der ZDF-Krimireihe Der Staatsanwalt mit Rainer Hunold haben im August 2010 in Wiesbaden und Umgebung begonnen. Verwandte sind auch nur Menschen SO 06.02 | 18:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen | im Anschluss: Kulissen-Talk – Rainer Hunold im Gespräch mit Silke Schenk Moderner Geschichtenerzähler Der junge Leverkusener ist mehr als „nur“ ein Autor. Bei seinem Auftritt in der Literatur-Kulisse widmet er sich aber dem klassischsten seiner Arbeitsfelder: dem Buch. Text: Reiner Ernst Ohle · Foto: Thorsten Nesch Vier Mal pro Spielzeit verwandelt sich die Theatergaststätte „Kulisse“ in die Literatur-Kulisse. Auf Einladung von Bayer Kultur lesen Schriftsteller eine Stunde aus ihren Werken. Das Podium gehört dabei nicht nur renommierten Vertretern der Zunft wie Ingo Schulze, Christoph Ransmayr oder Péter Esterházy. So wie in den anderen Sparten Kunst, Theater, Musik und Tanz öffnet sich Bayer Kultur auch in der Literatur jüngeren Schriftstellern, die – wie der Leverkusener Autor Thorsten Nesch – dem großen Publikum noch weniger bekannt sind. Wer vom Schreiben leben will, kann sich als Autor heute nur selten exklusiv einem Medium widmen. Thorsten Nesch gehört zu einer Autorengeneration, die den Anforderungen unterschiedlicher Medien gerecht werden und gleichzeitig oder nacheinander mehrere Medien bedienen können. „Ob Tweet, Social Media, Blog, Artikel, Kolumne, Kurzgeschichte, Theater, Hörspiel, Roman, Drehbuch oder Computergame – bevor ich mich an die Arbeit mache, entscheide ich mich für das Medium, das die optimalsten Entwicklungsmöglichkeiten des Stoffes verspricht“. Als ein moderner Geschichtenerzähler ist er auf der Bühne ebenso zuhause wie im Hörfunk und im Film. „Unter Beachtung einiger universeller und medienspezifischen Grundregeln des Erzählens wird die Story immer konkreter und komplexer ausgearbeitet“, sagt er über seine Arbeitsweise. Handwerkliche Voraussetzungen wie Phantasie, Stil- und Sprachgefühl, Ausdauer und Disziplin sind jedoch nicht mehr die einzigen Fundamente für den Beruf des Schriftstellers. Thorsten Nesch, der 1968 in Solingen geboren wurde, ist auch ein begnadeter „Liveperformer“ und Kabarettist, was ihn beim „Lesart Literaturfestival“ in Schwabach mit Wladimir Kaminer, Alissa Walser, Moritz Rinke und Wolf Haas zusammenführte. Bei Festivals oder Splitabenden war er gemeinsam mit Heinrich Pachl, Jess Jochimsen, Wilfried Schmickler, Rosa K. Wirtz und Ars Vitalis auf der Bühne. Bekannt geworden ist der dreifache Familienvater mit seinem Roman Strandpiraten des Lebens, in dem die Hauptfigur als Rucksacktourist durch Kanada reist, wo er auf skurrile Zeitgenossen stößt. Für die Neue Rheinische Zeitung war Nesch daraufhin der „Rheinland-Kerouac“ – ein Qualitätsmerkmal seiner Arbeit: die Dialoge, authentisch und nahe am Alltag angesiedelt, haben einen großen Wiedererkennungswert, sind witzig, klug und unterhaltsam. Darüber hinaus hat er Schreibworkshops für Jugendliche organisiert mit Themen wie „Jugendromane schreiben – für Jugendliche!“, „Multimedial Writing – Ideen umsetzen in verschiedenen Medien“ oder „VideoFilmMaking“. Dieser Zweig seiner schriftstellerischen Arbeit führte ihn im Oktober 2010 auf eine 10 tägige Mittelmeertour: auf einem Kreuzfahrtschiff der TUI hat er erstmals Lesungen und Literaturworkshops für Urlauber angeboten. Sein neues Buch Joyride Ost hat er in drei Lesungen auf der Leipziger Buchmesse im März 2010 vorgestellt. Erste Teile aus Joyride Ost sind von jugendlichen LeserInnen in Eigenregie verfilmt und auf Youtube gestellt worden. Das Buch – ein Roadmovie-Roman, der mühelos und kurzweilig Themen wie die erste Liebe oder den Generationenkonflikt aufgreift – erzählt von dem Moslem Tarik und der Russin Jana, die zufällig das Auto eines MafiaKillers klauen und in eine Situation geraten, die ihnen über den Kopf wächst. Im April 2010 erhielt Thorsten Nesch ein Literaturstipendium des Landes NRW zugesprochen und mit dem New Yorker Comic-Zeichner Thomas Baehr hat er kürzlich ein gemeinsames Frühwerk veröffentlicht. Water kann man sich bei ACT-I-VATE anschauen – dem führenden Webportal für Indi Comics in den USA. Thorsten Nesch DO 13.01 | 20:00 | Bayer Kulturhaus, Leverkusen Das Bayer Kultur-Magazin 17 Mythisches zum Jubiläum Zwei tragische Liebesgeschichten der Oper vereinen sich in der neuen Arbeit von Edouard Lock zu einem romantischen und technisch anspruchsvollen Ballettabend, um den 30. Geburtstag der kanadischen Kultcompagnie „La La La Human Steps“ besonders glanzvoll zu feiern. Text: Bettina Welzel · Foto: Edouard Lock La La La Human Steps Gegründet vor 30 Jahren, anlässlich eines kleinen Festivals in einem kleinen Theater in Montréal, trat die Truppe um ihren Choreographen Edouard Lock schon bald danach in The Kitchen in New York auf, zur damaligen Zeit ein Epizentrum für den zeitgenössischen Tanz. Seitdem haben Edouard Lock und seine Kompanie „La La La Human Steps“ einer ganzen Tanzgeneration den Weg gewiesen. Ihr akrobatischer Zugriff ließ dem Publikum immer wieder den Atem stocken und machte Louise Lecavallier, Locks Startänzerin in den 80er Jahren, legendär. Mit maximaler Energie und vollem Risiko tanzte sich „La La La Human Steps“ zu Weltruhm. Ihre Turnschuhe haben die kanadischen Tänzer längst gegen Spitzenschuhe getauscht, das Sportive hat präziser Körperkunst und von Filmprojektionen erhellten Szenarien Platz gemacht. Nicht umsonst nennt man Edouard Lock heute den Intellektuellen des Balletts. Er beweist, dass Tanz ganz zeitgemäß sein kann, selbst wenn er auf der Spitze getanzt wird. Die Ästhetik der Ballettromantik kontern die Kanadier mit virtuosem Hochgeschwindigkeitstanz. 18 Im neuen Jubiläumsstück zerlegt Lock zwei Opern mit Kultsymbolcharakter aus dem Barock: Dido und Aeneas von Henry Purcell und Glucks Orpheus und Eurydike. Der Abend wird mit Dido und Aeneas beginnen, und während Dido stirbt, führt der Tanz direkt zu Orpheus. Von Didos Tod direkt zu Eurydikes Isolation im Hades, wo sie auf Orpheus’ Erscheinen wartet. Daher wird Orpheus durch Dido und Aeneas beeinflusst werden. Ursprünglich stehen die beiden Opern in keinerlei Zusammenhang, doch hofft der Choreograph, dass durch die zeitliche Nähe, in der sie entstanden sind, sowie durch ihren Bekanntheitsgrad, das Publikum automatische Assoziationen zwischen beiden Werken herstellen wird, die unabhängig vom Bühnengeschehen in den Köpfen der Zuschauer eine eigene Geschichte entstehen lassen. „Meiner Meinung nach ist Zuschauen immer ein inklusiver Vorgang“, schreibt Edouard Lock in einem Arbeitspapier, entstanden zu Beginn der Probenarbeiten für das neue Werk. „Ein Publikum wird immer Dinge zusammenbringen ohne Rücksicht auf den tatsächlichen, objektiven Zusammenhang. Es scheint mir fast ein natürlicher Vorgang, ähnlich wie wir Sonne und Mond, Himmel und Erde, Bäume und Wind assoziieren. Sobald wir etwas sehen, verliert es seine subjektive Realität und wird zum Symbol. Symbole aber haben Eigenschaften und diese wiederum sind fließend. Daher können sie leicht verzerrt werden, um Teil unserer persönlichen Realität zu werden. Dies ist einer der Grundgedanken meiner Arbeit, auf den ich immer wieder zurückkomme. Ich bin davon überzeugt, dass auch unser kulturelles Gedächtnis auf diese Art und Weise funktioniert. Mit der Zeit verschieben sich Ereignisse, lösen sich aus ihrem ursprünglichen Kontext, eine neue Geschichte entsteht“. Zu der eigens für dieses Stück entstandenen Musik des englischen Komponisten Gavin Bryars, die live auf der Bühne gespielt wird, kombiniert Edouard Lock klassische Schrittfolgen mit atemberaubenden Beschleunigungen. Eine Herausforderung für die virtuosen Tänzerinnen und Tänzer, die in diesem neuen Werk mit größtem Ausdruck brillieren und Locks Sprache zu höchster Entfaltung bringen. New Work by Edouard Lock SA 29.01 | 20:00 | Forum Impressum 08 Januar/Februar 11 Kulturkalender Januar.11 SA 01.01 17:00Neujahrskonzert Mplus BK SO 09.01 18:00 DSO Berlin SK FO SO 09.01 18:00 Julius Cäsar, Cleopatra, Antonius SCHk BK MO 10.01 10:00 Workshop Schauspiel Mm! BK MO 10.01 20:00 Julius Cäsar, Cleopatra, Antonius SCHk/-16+x BK DO 13.01 20:00 Thorsten Nesch Lit Kul FR 14.01 20:00 Orpheus in der Unterwelt BB BK SA 15.01 20:00 Orpheus in der Unterwelt BB BK SA 15.01 22:00 Benjamin Schäfer Trio and Friends Jam BK MI 19.01 20:00 WDR Big Band – Very Personal Jazz BK SA 22.01 20:00 Die weiße Fürstin UA SCHh BK SO 23.01 18:00 Das Kleinmaleins vom Sein Studio BK DO 27.01 20:00 D. Grimal /G. Pludermacher KM BK DO 27.01 20:00 Der Zauberer von Oz FILM FO SO 29.01 20:00 Edouard Lock: New Work Tanz FO SO 30.01 11:00 Hölderlin Quartett KLM Mo SO 30.01 14:00 Orpheus in der Unterwelt UA -8+x BK MO 31.01 20:00 Igor Kamenz KL BK DI 01.02 20:00 Igor Kamenz KL Wu DO 03.02 20:00 Medea FILM FO SA 05.02 20:00 Alfred Brendel/Signum Quartett Pas BK SO 06.02 11:00 Stephan König Trio Jazz Kul Februar.11 Herausgeber: Bayer AG Communications | Bayer Kultur Verantwortlich: Dr. Volker Mattern Redaktion: Silke Schenk Texte: Silke Leopold Von den zwei Kulturen des Gesanges (Originalbeitrag); Christoph Vratz Lust und Disziplin (Originalbeitrag) Weitere Texte: Volker Mattern, Reiner Ernst Ohle, Bettina Welzel Redaktionelle Mitarbeit: Christa Doyuran, Carolin Sturm Designkonzept: Büro Kubitza, Leverkusen Layout und Realisation: wedeldesign.foto Titelbild: Bühnenbildskizzen von Manfred Kaderk, Collage von wedeldesign Bildnachweis S. 2: Mitja Arzensek Bildnachweis S. 4: Franz von Stuck, Orpheus; Foto: Gisela Peltz (TU Dresden) Bildnachweis S. 6: Orpheus und die wilden Tiere; Foto: Augusta Stylianou Druck: Heggendruck, Leverkusen Auflage: 3.000 © Bayer AG Communications | Bayer Kultur 2010 Redaktion KUNSTstoff c/o Bayer Kultur Kaiser-Wilhelm-Allee | Gebäude Q 26 | 51368 Leverkusen Telefon 0214.30-41277 | Telefax 0214.30-41282 SO 06.02 18:00 Verwandte sind auch nur MenschenSCHm BK SO 06.02 20:30 Rainer Hunold Talk Kul MI 09.02 16:00 Exkursion Kunstakademie D’dorf -16+x MI 09.02 20:00 Péter Esterházy Lit Kul MI 09.02 20:00 Les quatre cents coups… FILM FO DO 10.02 16:00 Exkursion Kunstakademie D’dorf -16+x DO 10.02 20:00 l’arte del mondo/Hardy Rittner SK BK FR 11.02 20:00 l’arte del mondo/Hardy Rittner SK BK DO 17.02 20:00 Alphaville FILM FO DO 24.02 20:00 Bonnie and Clyde FILM FO Bis SO 06.02 KUNST BK Ausstellung: Labor Berlin Änderungen vorbehalten! Karten Karten-/Abonnementbüro im Bayer Kulturhaus, Leverkusen Öffnungszeiten: MO-DO 9:00-16:00 | FR 9:00-13:00 Telefon 0214.30-41283/84 | Telefax 0214.30-41285 Kurzparkmöglichkeit (15 Min.) für Kunden des Kartenbüros vor der Kulisse. Abendkassen je 1 Std. vor Veranstaltungsbeginn Bayer Kulturhaus, Nobelstraße 37, 51373 Leverkusen | Telefon 0214.30-65973 Forum, Am Büchelter Hof, 51373 Leverkusen | Telefon 0214.406-4157 kultur.bayer.de