Magazine - Vanessa Püntener Fotografin

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Magazine - Vanessa Püntener Fotografin
GRUEN WEEKEND-TRIP
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1 Hofladen in einem alten
­Bauernhaus: Couleurs du
­Terroir verkauft Produkte der
Ferme Lafleur.
2 Der Blick vom Schloss auf
das Städtchen Porrentruy.
3 Der alte Zirkuswagen hat
im Garten von Elisabeth
Frischknecht eine feste Bleibe
gefunden und dient jetzt als
romantisches Ferienhäuschen.
EIN WOCHENENDE IN DER AJOIE
Schmuckstücke
für Entdecker
Wer stille Orte mag, fühlt sich in
der Ajoie richtig wohl. Die Region
im äussersten Zipfelchen der
Schweiz erwacht erst langsam aus
ihrem touristischen Tiefschlaf.
Text: Barbara Halter
Fotos: Vanessa Püntener
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Einmal klingeln wirkt wie das Zauberwort
«Sesam, öffne dich». Hinter der Fassade
des schmalen Hauses in der Altstadt von
Porrentruy erwartet uns der Orient. Es duftet nach Rosenwasser, gemus­terte Fliesen
säumen den schmalen Gang, die Wände
schimmern goldfarben. Karima Khaldoun
führt ihre Besucher einen Stock höher ins
Umkleidezimmer. Man legt die Kleider ab,
wickelt sich das gestreifte Pestemal um den
Körper und betritt dann das Dampfbad, den
Hammam. Das orientalische Baderitual in
den Jura gebracht haben Tanja Ursoleo und
Beat Brodbeck. Die beiden in Paris lebenden Berner – sie Modekorrespondentin, er
Architekt – eröffneten vor drei Jahren das
kleine Ajoiespa. Die Anlage ist ans Heizsystem Thermoréseau angeschlossen, das
mit Holz betrieben wird und so erneuer­bare Energie liefert. Im Spa wird mit
Die Experten für ein Weekend in der Ajoie www.juratourisme.ch Der Hauptort www.porrentruy.ch Musée de l’Hôtel-Dieu in Pruntrut
Der Zauber von damals
mit dem Komfort von
heute: in der Roulotte
des Bed and Breakfast
Charme de l’Allaine.
www.mhdp.ch Das kommende Wahrzeichen der Region: die Dinosaurier www.paleojura.ch www.prehisto.ch
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GRUEN WEEKEND-TRIP
der marokkanischen Linie Nectarome gearbeitet, die aus biologisch angebauten
Kräutern besteht. «Wir haben alles so eingerichtet, wie wir es selber gern mögen.
Das Ambiente soll sehr persönlich sein»,
sagt Tanja Ursoleo. Und so hat man den
Hammam ganz für sich allein, mit dem
Partner oder gemeinsam mit Freundinnen.
Karima heizt den gekachelten Raum ein.
Bald ist alles neblig verschwommen. Der
heisse Dampf und das Bad in der Wanne
machen einen ganz träge und schlaff. Kari­
ma bringt Rosenwasser als Erfrischung fürs
Gesicht, serviert heissen Minzentee (noch
mehr schwitzen!) und führt die Behandlung
durch. Auf Haut und Haar trägt sie Rhassoul auf, eine feine Paste aus mineralischer
Tonerde. Das anschliessende Peeling aus
Zucker macht die Haut so butterweich, dass
es fast unheimlich ist. «Du musst für heute
Abend noch ein Rendez-vous vereinbaren»,
sagt Karima und lacht.
Touristen kommen erst spärlich,
die Ajoie gewinnt gerade durch
diese Unberührtheit an Reiz
Nach den zwei Stunden im Hammam, die
mit einer Massage enden, ist man jedoch
so erledigt, dass man gleich einschlafen
könnte. Dafür gibt es im Ajoiespa zwei
­Suiten. Tanja Ursoleo und Beat Brodbeck
bieten ihren Gästen einen Rundumservice
an. Dazu gehören auch Mahlzeiten, die
­direkt ins Haus geliefert werden. Denn auf
Touristen ist man in Pruntrut noch eher
schlecht vorbereitet. Wer abends um neun
spontan noch gediegen etwas essen gehen
möchte, landet im schlimmsten Fall im
Dönerladen.
Auf der anderen Seite gewinnt die Ajoie
­gerade durch ihre Unberührtheit an Reiz.
Wie ein Zipfelchen ragt die Region aus der
Schweiz heraus. Man fühlt sich schon ein
klein wenig wie in Frankreich. Von Porren-
truy sind es knapp dreissig Minuten nach
Belfort, wo der TGV hält und einen in nur
zweieinhalb Stunden nach Paris bringt.
Ein Bummel durch Pruntrut beginnt am
besten auf der Aussichtsterrasse vor dem
Schloss. Die Stadt liegt in einer Mulde und
wird von grünen Kuhweiden umschlossen.
Wie an einer Perlenkette reihen sich die
­alten Bürgerhäuser aneinander. Viele haben
eine Mansarde, einige sind nur etwas breiter als ein Fenster. Das Jesuitenkollegium
in der Altstadt erinnert an die Blütezeit
des Orts, als der Fürstbischof während der
Der Weg führt
durch eine sanfte,
hügelige Landschaft. Im Spät­
sommer reifen an
den Hochstamm­
bäumen Damas­
sinen, kleine, aro­
matische Pflaumen.
Reformationen seinen offiziellen Sitz
von Basel nach Pruntrut verlegte. Im Hof
des Jesuitenkollegs liegt der Botanische
Garten, der schon 1795 angelegt wurde
und in dem über 80 Rosensorten und
180 Irisarten gedeihen.
Am Samstagmorgen stehen in der Rue des
Malvoisins die Marktstände. «Miniscule,
aber charmant» sei der Markt in Pruntrut,
sagt Eva Schöni von der Ferme La Vaux.
An acht bis neun Ständen verkaufen Pro­
duzenten aus der Ajoie Gemüse, Früchte,
Brot oder Eingemachtes. Eva Schöni hat
RUNDBLICK ÜBER DIE AJOIE
„ Ich wohne gleich auf der anderen Seite der Grenze. Einer meiner Lieblings-
plätze liegt bei Boncourt, dem letzten Schweizer Dörfchen, bevor man nach
Frankreich fährt. Dort hat es eine Burgruine. Nur der Turm steht noch, der
Tour de Milandre. Man kann direkt mit dem Auto hinfahren, ich laufe jeweils
gern durch den Wald die Treppen hoch. Das dauert nur 15 Minuten. Auf dem
Turm hat man eine schöne Aussicht. Die Gegend rundherum finde ich sehr mystisch. Man ist von Wald umgeben und hat seine Ruhe. Nur ab und zu kommen ein
paar Spaziergänger vorbei. Dort draussen vergesse ich jeweils total den Alltag.
Karima Khaldoun verwöhnt im Ajoiespa die Gäste mit Schönheitsritualen,
die sie von ihrer algerischen Mutter und auch von der Grossmutter gelernt hat.
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sich mit Josette Fernex zusammengetan,
die Gemüse und Kräuter anbaut. Von der
Ferme La Vaux stammen die selbst gemachten Joghurt, zum Beispiel mit Rhabarber
oder Holunder vom Hof. Schöni käst auch –
speziell ist ihr Raclettekäse mit Totentrompeten. Mehr über ihren Bio-Hof kann man
auf einer Wanderung erfahren.
Selbst gemachter Gemüseund Käsekuchen: Mittagessen in
der Küche der Familie Cattin
Schöni ist eine der 26 Bauern, die bei Les
Chemins du Bio mitmachen und auf ihren
Höfen Touristen empfangen. Vor einem Jahr
wurden die ersten Wege eröffnet, inzwischen führen sechs Routen von einem Hof
zum nächsten. Am Projekt beteiligt sind
ganz unterschiedliche Betriebe im ganzen
­Kanton Jura: die Ferme Lafleur in Montfaucon (Chemin des Papillons) hat eine
kleine Bio-Käserei und produziert dort wie
auf der Alp über dem Holzfeuer und im
gusseisernen Kessel. Wer es zeitlich trifft,
kann natürlich beim Käsen zuschauen –
oder sich einfach im Hofladen Couleurs du
Terroir mit Tête de Moine oder Tomme eindecken. Bei Bauer Claude Cattin in der
Ajoie stapft man dagegen über die Weide
und lernt seine Kühe kennen, die alle einen
Namen haben. Familie Cattin lädt auf der
ersten Etappe des dreitägigen Chemin des
Etoiles zum Mittagessen in Cornol. Man
setzt sich ganz unkompliziert in der Küche
an den Familientisch. Claudes Frau Syl­
viane hat Gemüse- und Käsekuchen gebacken. Die Zucchini sind vom Garten, der
Gruyère wurde aus der Milch der eigenen
Kühe gekäst, ­sogar der Teig vom Kuchen
ist haus­gemacht. Gern würde man einfach
sitzen bleiben, doch es liegen noch einige
Kilometer Fussmarsch vor einem. Der Weg
führt durch eine sanfte, hügelige Landschaft. Wiesen wechseln sich mit Wald­
stücken ab. Typisch für die Ajoie sind auch
die Obstgärten mit Hochstamm­bäumen, in
denen im Spätsommer Damassinen reifen,
kleine, sehr aromatische Pflaumen. Das
letzte Stück hoch nach M
­ ormont geht in die
Beine, belohnt wird man danach mit einem
weiten Blick in die Ferne und einer Übernachtung in der Gîte rural La Bergerie, wo
es abends totenstill ist. Nicht mal das
kleinste Gebimmel einer Kuhglocke stört
die Ruhe.
Ein besonderes Erlebnis ist auch der Aufenthalt im Bed and Breakfast Charme de
l’Allaine in Courchavon, neben Porrentruy. Die Besitzerin Elisabeth Frischknecht
ist vor einigen Jahren von Basel hier-
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Der Hof von Eva Schöni www.fermelavaux.ch Biologische Landwirtschaft im Jura www.biojura.ch Schönster und grösster Bio-Markt
1 Orientalisch entspannen im
Ajoiespa: Den Hammam hat man
während des Schönheitsrituals
ganz für sich allein.
2 Durch die Altstadt von Porrentruy fliesst der Creugenat. Gleich
am romantischen Kanal liegt
das Bed and Breakfast Un Ange
passe.
3 Unterwegs auf dem Chemin des
Etoiles, übernachten die Wanderer
in der Bergerie in Mormont.
4 Alte Hochstammbäume
und Waldstücke prägen das Landschaftsbild in der Ajoie.
5 Der Wochenmarkt samstags
in Pruntrut ist winzig, doch man
trifft sympathischerweise fast
nur Produzenten an.
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im September in Saignelégier www.marchebio.ch Erneuerbare Energie aus Porrentruy www.thermoreseau.ch
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her aufs Land gezogen, «um Gäste zu em­p­
fangen», wie sie sagt. Die Zimmer im alten
Anwesen hat sie liebevoll hergerichtet. Im
Garten hängen Kerzenleuchter von den
Bäumen, alte Holz­bänke oder Drahtstühle
laden zum Ver­weilen ein. Wenn möglich
serviert Elisabeth Frischknecht das Frühstück draus­sen. ­Bauernbrot und Konfitüre
sind selbst gemacht – Quitten und Holunderbeeren reifen im eigenen Garten. Etwas
abseits vom Haus steht die Roulotte, ein
nostalgischer Zirkuswagen aus Holz, in
dem man zu zweit nächtigen kann. Innen
sind die ­Wände in Blautönen gestrichen,
die Matratze ist von bester Qualität, und es
fehlt weder am Wasserkocher noch an der
Kaffeemaschine. Unter dem Wagen stehen
Holz und An­feuerhilfen bereit. Was gibt es
Romantischeres, als hier ein offenes Feuer
zu machen, zu grillieren und dabei auf die
Allaine zu blicken, die gemächlich vor­
beifliesst?
Der Saal des Château de Pleujouse hat etwas Feudales, erhaben
blickt man über die Bauernhöfe
Wer richtig dinieren möchte, fährt ins
­Château de Pleujouse und lässt sich von
Catherine und Gérard Praud verwöhnen.
Die beiden pflegen eine Cuisine artisanale.
Fleisch und Fisch kommen aus der Region.
Brot und Meringue backen sie im Holzofen. Gekocht wird auch mit wilden Kräutern, die eine Pflückerin in der Umgebung
sammelt. Der Saal im ersten Stock hat etwas Feudales. Durch die kleinen Fenster
überblickt man Bauernhöfe und Obstgärten
oder den Hof mit der Burgruine. Ist es bereits Abend, erfreut auch der Blick in den
Teller oder in die kleine Kasserolle, die zur
Forelle gereicht wird. Kartoffelstock, mit
Vanille verfeinert – délicieuse!
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Pflegeprodukte im Ajoiespa www.nectarome.com Die kleine Pflaume aus der Ajoie www.damassine.com
ERLEBEN
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Im Garten des „Charme de l’Allaine“
hängen Kerzenleuchter von den Bäumen,
Bänke laden zum Verweilen ein.
EIN WOCHENENDE IN DER AJOIE
Illustration: Anna Haas
1 Aus der Damassine wird auch
Schnaps gebrannt. Die Früchte werden
vom Boden aufgesammelt.
2 Bernard Froidevaux öffnet seine
Ferme Lafleur für Wanderer, die
dem Chemin du Bio folgen. Zum Hof
gehören auch Gästezimmer.
3 + 4 Essen auf dem Château
de Pleujouse: Zur Vorspeise serviert
Chef Gérard Praud Forelle mit dem
Kraut der Pimpernelle – des Kleinen
Wiesenknopfs.
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1 AJOIESPA Rue du Collège 9,
Porrentruy. Hammam-Ritual, Entspannung
und Massage nach Reservation. Geöffnet
ab 12 Uhr. Zwei Suiten mit Frühstück,
ab CHF 170.–. www.ajoiespa.ch
2 LES CHEMINS DU BIO Bis jetzt
­stehen sechs Routen im Kanton Jura zur
Auswahl, zwei davon in der Ajoie. Die
­Wanderungen dauern ein bis drei Tage.
Zum Pauschalangebot gehören Übernachtungen, Frühstück und Abend­essen,
Verpflegung für unterwegs, Hof­besuche
und eine Broschüre mit Karte und Infos
zum Weg. Buchen bei Les Chemins du Bio.
Letzter Termin 2013 für den Chemin
des Etoiles in der Ajoie: 30. Oktober bis
1. November. www.lescheminsdubio.ch
3 BOTANISCHER GARTEN Aussen­
garten und Gewächshäuser mit Kakteen
und Orchideen in Porrentruy.
Mo–Fr 8–17 und Sa/So 10–17 Uhr.
Eintritt frei. www.mjsn.ch
GENIESSEN
4 CHÂTEAU DE PLEUJOUSE
2963 Pleujouse, geöffnet Mi–So.
www.juragourmand.ch/le-chateau.htm
SHOPPEN
5 MARKT IN PORRENTRUY Noch
bis 18. November: jeweils Sa 8–12 Uhr;
danach ist Winterpause. Eva Schöni ist
während dieser Zeit samstags im Magasin
du Monde in Porrentruy.
6 ESCALE NATURE Rue des Baîches 14,
Porrentruy. Do/Fr 9.30 –11.30 / 14 –18.30 Uhr,
Sa 9–12 / 13.30 –16 Uhr. Biokosmetik.
www.escalenature.ch
7 COULEURS DU TERROIR
Communance 12, 2362 Montfaucon,
Di–Fr 9 –12 / 14 –18.30 Uhr, Sa 9 –17 Uhr
www.couleursduterroir.ch
8 CHARME DE L’ALLAINE La Roche 47,
2922 Courchavon. Ferienwohnung, Zimmer
oder Übernachtung im Zirkuswagen.
Pro Person CHF 120.– mit Frühstück.
www.charme-allaine.ch
9 UN ANGE PASSE Faubour de
France 8, Porrentruy. DZ mit Frühstück
ab CHF 110.–. www.unangepasse.ch
10 GÎTE RURAL LA BERGERIE
Mormont 51, 2922 Courchavon.
Mitglied von Les Chemins du Bio. Gäste­
zimmer, Massenlager, Schlafen im Stroh.
www.gitelabergerie.ch
11 FERME LAFLEUR
Chemin de la Louvière 15, Montfaucon.
Mitglied von Les Chemins du Bio.
Drei Gästezimmer. www.fermelafleur.ch
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