Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht

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Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht
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MDR-Arbeitshilfe
Umwelt- und Umfeldmängel im Mietrecht
Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen
Steigende Umweltbelastungen, Gesundheitsrisiken und
eingetretene pathologische Krankheitszustände führen
genauso wie hervortretende und sich verstärkende
Überempfindlichkeiten gegen Allergene zu einer verstärkten Aufmerksamkeit gegenüber nachteilig gesehenen Umweltbedingungen. Mit steigender Umweltbelastung und Umweltverschmutzung wird der Mensch
sprichwörtlich reizbarer und krankheitsanfälliger. Der
Beitrag thematisiert Umwelt- und Umfeldmängel sowohl für die Wohnungs- als auch für die Gewerbemiete
und zeigt hierzu deren mietrechtliche Bewertung an
Einzelbeispielen auf.
I. Mangelbegriff und Definitionen
1. Begriff des Mangels
Für die Frage, wann eine Mietsache mangelhaft ist, gilt
der subjektive Fehlerbegriff. Es kommt also darauf an,
welchen Zustand die Parteien des Mietvertrages vereinbart haben (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB). Danach ist eine
Sache mangelhaft, wenn die Ist-Beschaffenheit gegenüber der Soll-Beschaffenheit nachteilig abweicht. 1 Damit ist unter einem Sachmangel die für den Mieter
nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes
(Ist-Tauglichkeit) von dem vertraglich geschuldeten Zustand (Soll-Tauglichkeit) zu verstehen. 2 Diese Abweichungen müssen zu einer Beeinträchtigung der Nutzung
des Mietobjekts führen. Die Beeinträchtigungen können dabei rechtlicher oder tatsächlicher Art sein. Sie
können aus der Beschaffenheit des Mietobjekts selbst,
aus Rechten Dritter, aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften oder aus Beeinträchtigungen aus dem Umfeld
des Mietobjekts herrühren. 3 Sie müssen zu einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung führen. Denn eine nur
unerhebliche Minderung der Tauglichkeit der Mietsache
zum vertragsgemäßen Gebrauch bleibt außer Betracht (§
536 Abs. 1 S. 3 BGB) und wird nicht als Mangel gewertet.
Aus der Anmietung einer erkennbar mangelhaften Mietsache kann sich aber auch die (konkludente) Vereinbarung dieses Zustands als vertragsgemäß ergeben. Denn
wie dargelegt kommt es für die Einordnung eines Sachzustandes als mangelhaft nur auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Mietparteien an. Deshalb
können auch schlechte Zustände der Mietsache (Sub-
1
BGH, Urteil v. 26.9.1990 – VIII ZR 205/99, WM 1990,
S. 546
2
(BGH, NZM 2005, S. 500; WuM 2004, S. 715; NJW
2000, S. 1714; ZMR 1991, S. 19/20).
3
Hinweisend Fritz, NZM 2008, 825 ff, 825
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standards) konkret als vertragsgemäß vereinbart werden. 4 Das muss allerdings der Vermieter beweisen.
Nur wenn keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen
wurde, ist die übliche Beschaffenheit der Mietsache entscheidend. Sind für die Soll-Beschaffenheit der Mietsache technische Normen, bzw. Grenzwerte zur Schadstoffbelastung heranzuziehen, so kommt es auf den
Rechtszustand bei Vertragsabschluß an. 5 Der Mangelbegriff erhält dann eine objektivierte Komponente.
Denn der Vermieter schuldet nicht die Einhaltung bestimmter Standards, sondern den störungsfreien Mietgebrauch. Der Mieter hat keinen Anspruch auf Einhaltung des jeweils technisch optimalen Zustands.
Sachmängel können einmal an der Mietsache selbst bestehen oder von außen als Umweltmängel auf die Mietsache einwirken.
2. Definition und Abgrenzung des Umwelt-/ Umfeldmangels
a) Definition des Umwelt- oder Umfeldmangels
Im Gegensatz zum Mangel, der dem Mietobjekt unmittelbar anhaftet, wie einem Baumangel im Hause, spricht
man von einem Umwelt- oder Umfeldmangel, wenn das
Mietobjekt an sich zwar mangelfrei und als solches
gebrauchstauglich ist, die Situation im Umfeld des
Mietobjektes jedoch den Mietgebrauch beeinträchtigt 6 .
Der Mangel muss sich also auf die Mietsache selbst
auswirken, die Nutzbarkeit der Wohnung selbst oder der
dazugehörigen Gemeinschafts- und Außenflächen einschränken. 7 Es kann sich um einzelne Umweltmängel
handeln. Typisch ist aber auch, dass mehrere einzelne
Mängel mit unterschiedlicher Ursache zusammen auftreten, wie etwa Zugangsmängel, Baulärm aus der
Nachbarschaft etc. oder Kanalrückstau und Defekt eines
Rückstauventils oder Hochwasser und fehlende Hochwasserschutztüren, die erst in der Kombination von
Umweltmangel und Baumangel zu einer Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts führen. 8 Da bei den Umweltmängeln die Beeinträchtigung
des Mietobjekts von außen mit Einfluss auf die
Gebrauchstauglichkeit im Vordergrund steht, ist hier
4
BGH, Urteil vom 18.4.2007 – XII ZR 139/05, NZM
2007, 484 (485 re. Sp.); BGH, NJW-RR 1993, 522);
Lehmann-Richter, NJW 2008, 1196(1196); Blank /
Börstinghaus, Miete, 3. Aufl. 2008, § 536 b BGB Rn.
10; Emmerich / Sonnenschein, Miete, 9. Aufl.2007, §
536 b BGB Rn. 2
5
KG, Urteil vom 28.4.2008 – 12 U 6/07, ZMR 2008, 892;
BayObLG, RE vom 04.08.1999 – RE-Miet 6/98,
DWW 1999, S. 350 (352); einschränkend: BVerfG,
Beschl. vom 04.08.1998 – 1 BvR 171/94, GE 1998,
S. 1208 f
6
BGH,Urteil vom 1.7.1981 – VIII ZR 192/91, NJW
19981, 2405; kritisch: Koller, Umweltmängel von
Mietobjekten, NJW 1982, 201 ff; dazu im einzelnen:
Fritz, NZM 2008, S. 825 ff.; ders., in Festschrift für
Hubert Blank (2006), Seite 153 ff
7
AG Hamburg, Urteil vom 23 März 2006 - 49 C 474/05;
8
Hinweisend Fritz, NZM 2008, S. 825 ff, 825.
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vor allem der subjektive Fehlerbegriff zu untersuchen.
Der Unterschied zwischen Umwelt- und Umfeldmangel
liegt bei ersterem in der Beeinflussung des Mietobjekts
durch Naturereignisse, wie Hochwasser, während der
Umfeldmangel aus Ereignissen in der Nachbarschaft des
Mietobjekts resultiert, wie Bauarbeiten oder Zugangshindernissen. Häufig werden jedoch beide Bereiche einheitlich als „Umweltmängel“ bezeichnet. 9
b) Prüfungsverfahren
Die Prüfung, ob ein Mangel vorliegt, der Rechte des
Mieters auf Mietminderung, fristlose Kündigung, Mängelbeseitigungs- oder Zurückbehaltungsrechte ohne
Verschulden des Vermieters auslöst, sowie die weitere
Frage, ob ein Verschulden des Vermieters vorliegt, das
darüber hinaus Schadensersatzansprüche des Mieters
eröffnet, oder ob der Vermieter für Anfangsmängel ohne Verschulden haftet, hat mehrstufig zu erfolgen. 10
Zunächst ist zu untersuchen, ob ein Mangel vorliegt.
Danach ist zu klären, ob ein Verschulden des Vermieters angenommen werden muss, weil der Mangeleintritt
vorhersehbar und mit zumutbarem Aufwand vermeidbar
war, oder ob ein Anfangsmangel i.S. des § 536a Abs.1
BGB vorliegt, für den der Vermieter ohne Verschulden
aus Garantiehaftung haftet. Schließlich ist zu prüfen, ob
der Mieter den Mangel kannte oder der mögliche Mangeleintritt für den Mieter erkennbar war, so dass Rechte
des Mieters nach § 536b BGB entfallen. 11
Dieser Prüfungsablauf zeigt bei Umweltmängeln die
Besonderheit, dass der unmittelbare Einfluss dieser
Sachlage auf die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts
erst einmal festgestellt werden muss, während er z. B.
im Falle eines Heizungsausfalls bei tiefen Außentemperaturen oder einer Flächenabweichung über 10% indiziert ist, ohne dass den Mieter eine besondere Darlegungslast hinsichtlich der Gebrauchsbeeinträchtigung
träfe. 12 Wie eingangs dargelegt setzt die Rechtsprechung bei der Feststellung eines Mangels voraus, dass
die Einflüsse von außen unmittelbare Einwirkungen auf
die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache haben und
nicht lediglich mittelbare oder entfernte Einflüsse darstellen 13 . Die Abgrenzung zwischen einem vom Vermieter zu tragenden Risiko aus dem Bereich der Umweltmängel einer Mietsache und den vom Mieter zu tragenden allgemeinen Lebens- und Verwendungsrisiko,
zu dem auch das wirtschaftliche Risiko des Geschäfts
gehört, bereitet große Schwierigkeiten. 14
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: auch wenn es bei der
Sachmängelgewährleistungshaftung auf Verschuldensgesichtspunkte beim Vermieter von einzelnen Ausnah-
9
Hinweisend, Fritz, Umwelt- und Umfeldmängel im Gewerberaummietrecht, NZM 2008, S. 825 ff, 825.
10
Hinweisend Fritz, NZM 2008, S. 825 ff, 826.
11
So Fritz, a.a.O.
12
Hinweisend Fritz, NZM 2008, S. 825 ff, 826.
13
BGH NJW 1981, 2405 und NJW 2000, 1714, 1715;
Emmerich in Staudinger § 536 BGB Rn 7 m.w.N.
14
Hinweisend Fritz, NZM 2008, S. 825 ff, 826.
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men abgesehen 15 nicht ankommt, neigt die Rechtsprechung dazu, eine Einschränkung der Gewährleistungspflicht vorzunehmen, wenn der Vermieter die Umstände, die zur Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit
führen, nicht beherrschen kann. Beispiele sind: Verstellen des Blicks auf Schaufenster durch parkende Fahrzeuge 16 , Verstopfung einer Abwasserleitung Infolge
vertragswidriger Einleitung ungeeigneter Stoffe durch
andere Mieter. 17 Inwieweit jedoch Beeinträchtigungen
durch nicht beherrschbare Umstände die Annahme eines
Mangels ausschließen, ist umstritten. Die Grenzziehung
ist im Einzelfall schwierig. 18
II. Einzelbeispiele zu Umweltmängeln
1. Altlasten
Im mietrechtlichen Sinne 19 werden unter Altlasten zumeist Kontaminierungen verstanden, die nach gesetzlichen Vorschriften zu beseitigen sind (z.B.: BBodSchG
oder landeseigene Abfallbeseitigungsgesetze), Es han-
15
Z. B. § 536 a Abs. 1, 2. und 3. Alt, Abs. 2 Nr. 1BGB
OLG Düsseldorf Urteil vom 13.12.1990 –10 U 84/90 –
MDR 1991, 446
17
s. die Hinweise bei Blank/Börstinghaus, § 536 BGB
Rn. 7
18
Vgl. etwa AG Kiel, Urteil vom 28.3.1980 – 14 C
577/78, WuM 1980, S. 235, das einen Mangel annahm, als Wasser infolge einer Naturkatastrophe
(Schneesturm) durch die Decke tropfte - 30 %
16
19
Das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG)
definiert „Altlasten“ als belastete Grundstücke
(hinweisend: Fritz, NZM 2008, 825, 826) - § 2 Abs.
5 BBodSchG: Altlasten im Sinne dieses Gesetzes
sind
1. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie
sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und
2. Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige
Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden
Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen
Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung
nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte), durch
die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige
Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit
hervorgerufen werden.
§ 2 Abs. 6: Altlastverdächtige Flächen im Sinne
dieses Gesetzes sind Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen oder sonstiger Gefahren für
den einzelnen oder die Allgemeinheit besteht.
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delt sich also zumeist um giftige Chemikalien 20 (z.B.
Quecksilber) oder Abfallstoffe, wie Klärschlamm im
Untergrund der Umgebung des Mietobjekts, die Ursache für eine Gesundheitsgefährdung von Mensch oder
Tier sein können. Die Ursachen dieser Gefahren liegen
typischerweise in der Historie des Grundstücks und seiner früheren Nutzung begründet. Verursacher sind begrifflich demnach weder der aktuelle Vermieter noch
der aktuelle Mieter oder Nutzer des Objekts. 21
Gehen von den kontaminierten Grundstücken konkret
festgestellte Gesundheitsgefahren für die Mieter oder
Nutzer des Grundstücks aus, erfolgt die Behandlung des
Problems nach der vorgestellten Prüfungsroutine.
Das besondere (psychologische) Problem bei Altlasten
liegt jedoch in der Tatsache, dass die Gefahren, die von
diesen Altlasten ausgehen, erst einmal im Boden, also
im Verborgenen lauern, und nicht so leicht quantifizierbar und messbar sind, wie beispielsweise Lärm aus der
Nachbarschaft. Rechtsprechung und Literatur befassen
sich daher mit der Frage, ob bereits die drohende Gefahr
für Menschen einen Mangel darstellt, wenn die frühere
Nutzung des Geländes die Vermutung einer Bodenbeeinträchtigung nahe legt und sich eine Gesundheitsgefährdung kurzfristig und ohne aufwändige Bodenuntersuchengen weder nachweisen noch ausschließen lässt. 22
Mangellagen werden schon dann angenommen, wenn
der Mieter die Mieträume nur in der Befürchtung der
Gefahrverwirklichung benutzen kann 23 . Schon ein Altlastenverdacht und eine latente Gefahr beeinträchtigen
den Mietgebrauch. Es muss sich aber um eine begründete Gefahrbesorgnis handeln, die sich beispielsweise aus
der früheren Nutzung des Grundstücks oder anderer
konkreter Verdachtsmomente ergeben muss, und nicht
nur um eine haltlose, hysterische Befürchtung 24 . Eine
Gesundheitsgefährdung muss nicht mit Sicherheit feststehen, es genügt, dass sie nicht ausgeschlossen werden
kann 25 . Ein Schadenseintritt oder ein tatsächlich erwiesener Mangel sind bei dieser Fallgruppe also nicht vorausgesetzt.
Fritz 26 plädiert dafür, die Aufklärungspflicht, die der
Verkäufer eines kontaminierten Grundstückes oder ei-
20
OLG Hamm, Beschluss vom 25.03.1987 - 30 REMiet
1/86 DWW 1987, S. 226 – Bloßer Verdacht auf Verseuchung des Bodens mit giftigen Chemikalien
21
hinweisend: Fritz, NZM 2008, 825, 826
22
hinweisend: Fritz, NZM 2008, 825, 826
23
BGH NJW 1972, 944,
ger/Emmerich § 536 BGB Rn. 8
945;
Staudin-
24
OLG Hamm, Rechtsentscheid vom 25. 3. 1987
WuM 1987, 248; OLG München, Urteil vom,
21.04.1994 NJW 1995, 2566 – für Grundstückskauf
25
LG Mannheim, Urteil vom 20.03.1996 NJW-RR
1996, 776 = WuM 1996, 338; s. dazu auch Fritz,
Gewerberaummietrecht, 4.Aufl. 2005, Rn. 269
Stichworte: Asbestverdacht und Gefahrstoffe.
26
hinweisend: Fritz, NZM 2008, 825, 826
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nes Grundstücks mit einem konkreten Altlastenverdacht
gegenüber dem Käufer hat 27 . auch auf den Vermieter
bei der Vermietung eines solchen Grundstückes zu
übertragen, wenn entweder eine Gesundheitsgefahr für
den Mieter oder die konkrete Gefahr besteht, dass der
Mieter von der zuständigen Behörde als Zustandsstörer
auf Beseitigung von Bodenkontaminationen in Anspruch genommen wird 28 .
2. Umweltgifte
Die Rechtsprechung zu Umweltgiften wie Asbest in
Nachtspeicherheizungen oder giftige Holzschutzmittel
zeigt sich bis in die 1990er Jahre massiv. Entsprechend
häufiger wurde aus diesem Grund um Gewährleistungsrechte der Mieter gerungen 29 . Regelmäßig stellt sich
27
BGH, Urteil vom 20.10.2000 ZMR 2001, 1999 =
MDR 2001, 149, Urteil vom 11.05.2001 NZM 2001,
1002 = MDR 2001, 982 – Arglistvorwurf bei Erinnerungslücke des Verkäufers – und Urteil vom
03.03.1995 NJW 1995, 1549; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.08.1996 NJW 1996, 3284; OLG Hamm
, Urteil vom 16.06.1997 DWW 1997, 383
28
BVerwG, Beschluss vom 14. 11. 1996 NJW 1997,
2192
29
Vgl. z.B. die umfangreichen Nachweise bei Eisenschmid,in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl.
2011, § 536 BGB Rn. 153 – 181; Krämer in:
Bub/Treier, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete, 3. Aufl. München 1999, Rn. III.1333a und
im einzelnen:
Asbest
LG Dortmund, WM 1996, S. 141 und LG Berlin, WM
1996, S. 71 (Asbest aus Nachtspeicheröfen;
Formaldehyd
AG Köln, WM 1987, S. 120 und AG Bad Säckingen, WM
1996, S. 140 (Formaldehyd), ); AG Köln, Urteil vom
30.9.1986 – 217 C 346/86, WuM 1987, S. 120, VuR
1987, S. 40, NJW-RR 1987, S. 972 - Überhöhte
Formaldehyd-Belastung im Schlaf- und Kinderzimmer - 56 %; AG Mettmann, Urteil vom 13.2.1990 – 21
C 202/88, VuR 1990, S. 208 - Die Mieterwohnung ist
mit Formaldehyd so stark belastet, dass die Belastung über dem zulässigen Grenzwert liegt - 50 %;
Heizölgeruch
AG Augsburg, Urteil vom 12.10.2001 – 73 C 2442/01,
WuM 2002, 605 - Störender Heizölgeruch in den
Wohn- und Arbeitsräumen des gemieteten Einfamilienhauses - 15 %
Pentachlorphenol - PCP
AG Rheinbach, Urteil vom 11.1.1989 – 3 C 454/88, VuR
1990, S. 212) - Die Holzdecke in der Mieterwohnung
wurde mit dem Holzschutzmittel PCP und Lindan
behandelt. In der Luft entwickeln sich giftige Dämpfe.
Die Konzentration in der Raumluft wirkt gesundheitsschädlich - 30 %; BayObLG, WM 1999, S. 568 =
Grundeigentum Berlin, S. 1124; LG Traunstein NJWRR 1994, S. 1423; BverfG, WM 1998, S. 657; BayObLG, NZM 1999, S. 899 = ZMR 1999, S. 751 Luftbelastung durch PCP - 35 bis 60 %;
Perchlorethylen (PER)
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dabei die Frage, welche Tatsachen der Mieter darlegen
und ggf. beweisen muss, damit unter dem Gesichtspunkt
der Gesundheitsgefährdung ein Mangel anzunehmen ist.
Dieselbe Frage stellt sich auch bei einer Raumluftbelastung durch Pilzsporen, wenn sich in der Wohnung
Schimmel gebildet hat. 30
Umstritten ist dabei die Frage, ob der Mieter eine konkrete Gesundheitsgefährdung durch den Aufenthalt in
der Wohnung darlegen und beweisen muss oder ob genau wie beim Altlastenverdacht schon eine „Gefahrbesorgnis“ ausreicht, also Umstände, aus denen sich die
ernsthafte Möglichkeit einer Gesundheitsgefahr ergibt 31 .
Verlangt man den Nachweis einer konkreten Gefahr 32 ,
sind im Prozess Gutachten über die zu erwartenden
Auswirkungen eines bestimmten Stoffs in der festzustellenden Konzentration einzuholen. Bei den vielfach umLG Hannover, ZMR 1990, S. 302, WuM 1990, S. 337,
NJW-RR 1990, S. 972 - Chemische Reinigung im
Haus unter der Wohnung, Perchlorethylen wird verwendet und dringt ins Mauerwerk ein: 50 %; LG
Hannover, WM 1990, S. 337 (Perchloräthylen wegen
einer im Haus gelegenen Reinigung - Überschreitung
von Grenzwerten) - ab 25 bis über 90 %; LG Hamburg, Urteil vom 2.6.1989 – 11 S 479/88, WuM 1989,
S. 368 - Eine Perchlorethylenkonzentration aus einer
chemischen Reinigung, deren Langzeitwert unter 0,1
mg pro Kubikmeter Raumluft liegt und deren Kurzzeitwert nach 24 Stunden ohne Lüften 0,2 mg nicht
überschreitet, begründet keine ernstzunehmende
Besorgnis über die Schadensträchtigkeit der Raumluft in der Wohnung und berechtigt nicht zur Mietminderung;
Polychlorierte Biphenyle (PCB)
LG Traunstein, Urteil vom 4.8.1994 – 1 S 2198/94, NJWRR 1994, S. 1423 - Die Belastung vermieteter Wohnräume mit PCB aus dem Anstrich von Holzschutzmitteln stellt keinen Fehler dar, der zur Minderung berechtigt, wenn die Schadstoffkonzentration unter den
Werten liegt, die im Zeitpunkt des Abschlusses des
Mietvertrages vom Bundesgesundheitsamt empfohlen waren.
30
Dazu LG Kaiserslautern, Urteil vom, Urteil vom
02.11.2005 - 1 S 67/05 , - das LG Kaiserslautern hatte in der Berufungsinstanz einen Fall zu entscheiden,
in dem die Mieterin Raumluftbelastungen sowohl
durch Pilzsporen als auch durch giftige Holzschutzmittel behauptete und daraus Schadensersatzansprüche ableitete.
31
Eine konkrete Gefahr verlangen z.B. AG Münsingen,
Urteil vom 07.02.1996 - 2 C 429/94 - WM 1996, 336;
AG Rheinberg, Urteil vom 25.05.1994 - 12 C 618/93
- WM 1996, 142; die h.M. lässt eine Gefahrbesorgnis
ausreichen: OLG Hamm, Beschl. v. 25.03.1987 - 30
REMiet 1/86 - NJW-RR 1987, 968; LG Hamburg, Urteil vom 05.02.1991 - 16 S 33/88 - NJW 1991, 1898;
LG Hannover, Urteil vom 25.04.1990 - 11 S 358/89 NJW-RR 1990, 972, 973; LG Dortmund, Urteil vom
16.02.1994 - 11 S 197/93 - WM 1996, 141; LG Köln,
Urteil vom 10.01.1991 - 6 S 143/90 - ZMR 1991,
223,
224;
Emmerich
in:
Staudinger/Emmerich/Rolf/Weitemeyer, Mietrecht I, Bearbeitung 2003, § 536 Rn. 8
32
So auch LG Kaiserslautern, Urteil vom 02.11.2005 - 1
S 67/
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strittenen Wirkungen bestimmter Chemikalien hängt der
Ausgang des Prozesses dann von der Person des Gutachters ab. Bei nicht abschließend geklärten Wirkungen
unterliegt der Mieter. Lässt man eine „berechtigte Gefahrbesorgnis“ genügen, reicht in der Regel die Überschreitung von Grenzwerten aus, die sich etwa in Richtlinien des BGVV (Bundesamt für Gesundheit, Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, früher Bundesgesundheitsamt) finden lassen. Einen darüber hinaus gehenden Nachweis braucht der Mieter dann nicht zu führen 33 .
Ähnlich ist die Problematik bei einer Belastung durch
Schimmelpilzsporen. Auch hier soll es zur Bejahung
einer Gesundheitsgefahr schon ausreichen, dass jedenfalls ein erheblicher Schimmelpilzbefall generell geeignet sei, Allergien und Asthma hervorzurufen 34 . Der
Mieter muss dann nicht beweisen, dass die in seiner
Wohnung vorhandenen Pilzsporen gerade zu den gefährlichen gehören.
3. Allergene Stoffe
Einigkeit besteht darin, dass eine individuelle Disposition, wie eine Allergie gegen sonst unbedenkliche Materialien, nicht zur Mangelhaftigkeit einer Wohnung
führt 35 . Die Rechtsprechung stellt gewachsene Überempfindlichkeiten als Auslöser für Mietminderungen
noch in Abrede. Sie begründen keinen Sachmangel der
Mieträume 36 . Das gilt neben Überempfindlichkeiten gegen Lärm 37 auch für Tierallergiker. Deswegen begründet die Katzenhaltung durch Mitmieter anders als Unsauberkeiten im Haus oder auf dem Grundstück infolge
der Katzenhaltung keinen Mangel der von einem Katzenallergiker angemieteten Wohnung. 38 Das Problem
liegt hier eben nicht in Umwelteinflüssen, die auf die
Mietsache einwirken, sondern in subjektiven Befindlichkeiten der Bewohner.
33
So: LG München I, Urteil vom 26.09.1990 - 31 S
20071/89 - NJW-RR 1991, 975; OLG Köln, Urteil
vom 30.04.1991 - 22 U 277/90 - NJW 1992, 51; LG
Hamburg, Urteil vom 05.02.1991 - 16 S 33/88 - NJW
1991, 1998), LG Hannover, WM 1990, S. 337
(Perchloräthylen wegen einer im Haus gelegenen
Reinigung); AG Mettmann, Urteil vom 13.2.1990 – 21
C 202/88, VuR 1990, S. 208
34
(Zu § 569 Abs. 1 Satz 1 BGB: LG Duisburg, Urteil vom
23.01.2001 - 13/23 S 359/00 - NZM 2002, 214; LG
München I, Urteil vom 26.09.1990 - 31 S 20071/89 NJW-RR 1991, 975, 976
35
Vgl. Krämer in: Bub/Treier, Mietrecht, 3. Aufl. 1999,
Rn. III 1333a a.E.; AG München, Urteil vom
17.12.1984 - 20 C 5090/83
36
Vgl. Krämer in: Bub/Treier, Mietrecht, 3. Aufl. 1999,
Rn. III 1333a a.E.; AG München, Urteil vom
17.12.1984 - 20 C 5090/83
37
AG Charlottenburg, Urteil vom 25.11.2004 – 211 C
476/02, GE 2005, S. 1199
38
AG Bad Arolsen, Urteil vom 08.03.2007 – 2 C 18/07,
NZM 2008, S. 83
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4. Baulärm und Straßenlärm
a) Baulärm aus der Nachbarschaft
Bauarbeiten in der Nachbarschaft beeinträchtigen die
Lebensqualität der Anwohner sowie das Umfeld für die
Ausübung eines Gewerbes. Hier drohen Umsatzeinbußen infolge verminderter Kundenströme. Diese Nachteile betreffen Eigentümer und Mieter von Gebäuden gleichermaßen. Dem Eigentümer eines von ihm selbst genutzten Grundstücks können Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche gegen den Bauherrn zustehen. Ist das
Grundstück vermietet, so gibt § 536 BGB bei der Beeinträchtigung der Nutzung des Mietobjekts durch Baulärm, Staub und Schmutzentwicklungen ein Mietminderungsrecht. Denn Baulärm und sonstige durch den Betrieb einer Baustelle anfallende Immissionen wie Staub,
Dreck sowie die (teilweise) Sperrung von Straßen und
Zugängen zu den Mietobjekten stellen als Umweltfehler
einen Mangel der Mietsache dar. 39 Denn das Minderungsrecht des Mieters als Teil der mietrechtlichen
Sachmängelgewährleistung trägt für den Vermieter den
Charakter einer Garantiehaftung. Deshalb kommt es
nicht darauf an, ob der Vermieter als Voraussetzung eines Minderungsrechts die Beeinträchtigungen verhindern kann oder selbst dulden muss. Ebenso ist es ohne
Belang, ob der Vermieter als Grundstücksnachbar die
Beeinträchtigungen selbst zu dulden hat oder gegen den
störenden Bauherrn Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche erfolgreich geltend machen kann. 40 Ursächlich
39
40
BayObLG, Rechtsentscheid vom 04.02.1987 – REMiet 2/86, NJW 1987, S. 1950; OLG München, Urteil
vom 26.03.1993 – 21 U 6002/02, NJW-RR 1994, S.
654 f; AG Frankfurt/Main, Urteil vom 23.09.2004 –
33 C 1747/04-26, NZM 2005, S. 217; AG Freiburg,
Urteil vom 11.06.1999 – 51 C 4925/98, GuT 2002,
S. 18 (mit vollständigem Entscheidungsabdruck in:
www.GuT.prewest.de/GuT226); LG Göttingen, Urteil
vom 15.01.1986 – 5 S 60/85, NJW 1986, S. 1112;
LG Hamburg, Urteil vom 16.06.2004 – 311 O
291/03, NZM 2004, S. 948; OLG Hamburg, Urteil
vom 02.04.2003 – 4 U 57/01, GuT 2004, S. 168; LG
Hamburg, Urteil vom 03.12.1998 – 327 S 97/98,
NZM 1999, S. 169; AG Hamburg, Urteil vom
11.11.2004 – 49 C 172/04, NZM 2005, S. 222; AG
Ahrensburg, Urteil vom 04.08.2004 – 48 C 908/03,
ZMR 2005, S. 197; AG Kerpen, Urteil vom
10.01.1997 – 21 C 414/96, in: Lützenkirchen, Kölner
Mietrecht, Nr. 35, Entscheidung Nr. 29, S. 37 f;
Kraemer, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäftsund Wohnraummiete, 3. Auflage 1999, Teil III B Rn.
1341; siehe weitere Nachweise der Instanzrechtsprechung für Baulärm, Baumaßnahmen, gelagertes
Baumaterial, sowie für Bauarbeiten innerhalb des
Hauses bei: Horst, Mietminderung, 2. Auflage 2004,
S. 33 ff
BayObLG, Rechtsentscheid vom 04.02.1987 – REMiet 2/86, NJW 1987, S. 1950 (1951 f); LG Hamburg, Urteil vom 03.12.1998 – 327 S 97/98, NZM
1999, S. 169 (169); LG Göttingen, Urteil vom
15.01.1986 – 5 S 60/85, NJW 1986, S. 1112 (1113
f); AG Kerpen, Urteil vom 10.01.1997 – 21 C 414/96,
in: Lützenkirchen, Kölner Mietrecht, Nr. 35, Entscheidung Nr. 29, S. 37 (37-38); Blank/Börstinghaus,
Miete, 2. Auflage 2004, § 536 BGB Rn. 142; Sche-
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hierfür ist die Unabhängigkeit und Selbständigkeit des
Mietminderungsrechts in § 536 BGB einerseits und ein
zu prüfender nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in
§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB andererseits. Beide Rechte sind
im Entstehungstatbestand sowie in der Bewertung voneinander unabhängig. Durch § 906 BGB wird lediglich
die Duldungspflicht unter benachbarten Grundstückseigentümern, nicht aber die Frage geregelt, ob und in
wieweit ein Mieter berechtigt ist, die Miete wegen etwaiger, vom Vermieter etwa nach § 906 BGB zu duldender, den Gebrauch der Mietsache aber beeinträchtigender Immissionen zu mindern. Versuche in der älteren Rechtsprechung und Literatur, über den Grundsatz
von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wegen der ansonsten entstehenden Konfliktsituation beim Vermieter Abhängigkeiten des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs zum Minderungsrecht des Mieters zu konstruieren, sind mittlerweile aufgegeben. 41
Der Vermieter erleidet in diesem Fall infolge der geminderten Miete einen Vermögensschaden. Daraus erwächst die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Mietausfall bei dem störenden Bauherrn
liquidieren kann. 42 Dem Vermieter steht nur dann ein
Schadensersatzanspruch gegen den bauenden Nachbarn
aus §§ 903, 862 BGB, §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB,
§§ 823 Abs. 2, 906 Abs. 1 BGB, § 14 S. 2 BImSchG,
eventuell auch aus der positiven Forderungsverletzung
des gesetzlichen Nachbarschaftsverhältnisses (§§ 903
bis 924 BGB) gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1,
282, 241 Abs. 2 BGB zu, wenn dieser bei den Bauarbeiten die Grenzwerte der öffentlich-rechtlichen Vorschriften, wie die Regeln des Bundesimmissionsschutzgesetzes mit seinen zahlreichen Verordnungen, der LandesImSchG oder der Lärmschutzverordnungen überschrit-
41
42
linski, NZM 2005, S. 211 (212); Elshorst, NJW 2001,
S. 3222 (3224-3225); Schmidt, NJW 1991, S. 153
(154)
Vgl. dazu LG Wiesbaden, ZMR 1958, S. 15; AG
Frankfurt/Main, ZMR 1961, S. 82; AG Essen, ZMR
1961, S. 260; LG Hannover, ZMR 1969, S. 281; AG
Hamburg, ZMR 1982, S. 279; Soergel-Siebert, BGBKommentar, 11. Auflage 1980, §§ 535, 536 BGB,
Rn. 215; Palandt-Putzo, Kurzkommentar zum BGB,
46. Auflage 1987, § 537 BGB Anm. 2 d, ab der 47.
Auflage (a.a.O.) unter Bezug auf den Rechtsentscheid des BayObLG, NJW 1987, S. 1950 aufgegeben; Staudinger-Emmerich, BGB-Kommentar, 12.
Auflage 1978, § 537 BGB, Rn. 27 f
Dazu eingehend: Schelinski, Ausgleichsansprüche
des Vermieters gegen den störenden Bauherrn nach
§ 906 BGB, NZM 2005, S. 211 ff; Elshorst, Ersatzansprüche benachbarter Grundstücksbesitzer gegen
Bauherrn bei Beeinträchtigungen durch Baumaßnahmen, NJW 2001, S. 3222 ff; Schmidt, Der Rückgriff des Vermieters gegen den bauenden Nachbarn
wegen berechtigter Mietzinsminderung des Mieters,
NJW 1991, S. 153 ff; auch Börstinghaus, Verwahrlosung, Lärm und Nachbarstreit im Wohnraummietrecht, NZM 2004, S. 48 ff; Woitkewitsch, Der Haftungsausschluss für durch Dritte bewirkte Mietmängel – ein Fall der Drittschadensliquidation?, ZMR
2004, S. 401 ff
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ten 43 oder rechtswidrig, also ohne Baugenehmigung
oder eine erteilte Baugenehmigung überschreitend, gebaut hat.
Der nachbarrechtliche Entschädigungsanspruch aus §
906 Abs. 2 S. 2 BGB besteht zwar auch verschuldensunabhängig, setzt aber voraus, dass der Nachbar durch
ortsübliche Benutzung seines Grundstücks das eigene
Grundstück des Anspruchstellers oder dessen Ertrag
über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Auf ein
Verschulden an der Beeinträchtigung kommt es dabei
alsonicht an. 44 Die Miete ist als Ertrag aus dem Grundstück anzusehen. 45 Die erlittene Mietminderung wirft
im Rahmen von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB die Frage nach
ihrer Zumutbarkeit auf. Denn wenn die Beeinträchtigung nicht das zumutbare Maß übersteigt, besteht nach
der genannten Vorschrift kein Ausgleichsanspruch.
Um die Frage nach dem Rechtsgrund eines nachbarlichen Ausgleichsanspruchs und auch um dessen Höhe
beantworten zu können, sind deshalb Zumutbarkeitskriterien zu entwickeln, jenseits derer ein Anspruch des
Vermieters ausgelöst wird. Dabei soll die Höhe der erlittenen Mietminderung als Ansatz ausscheiden, da zwischen der Höhe des Mietminderungsbetrags und der
Höhe des Ausgleichsanspruchs des Vermieters gegen
den Bauherrn kein Zusammenhang besteht. 46 Aufgrund
der rechtsdogmatischen Unabhängigkeit von Minderungsrecht und nachbarrechtlichem Ausgleichsanspruch
ist dieser Ansicht beizupflichten.
Das LG Hamburg 47 stellt – anstatt auf die Höhe der erlittenen Mietminderung – auf die Frage ab, ob unter einschließender Betrachtung der Mietminderung das
Grundstück noch wirtschaftlich betrieben werden kann.
Dabei geht das erkennende Gericht auf der Grundlage
von § 287 ZPO von einer – gerichtsbekannten – Renditesituation innerhalb der Immobilienbewirtschaftung
von 6 Prozent aus. Daraus zieht das LG Hamburg den
Schluss, dass Mietminderungsbeträge höher als 6 Prozent im Rahmen der Betrachtung eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB
43
Siehe dazu die Auflistung bei Palandt/ Bassenge
§ 906 BGB Rn. 2; LG Hamburg, Urteil vom 3. 12.
1998 NZM 1999, 169 = NJW-RR 1999, 378.
44
45
46
47
Zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch ausführlich: Horst, Rechthandbuch Nachbarrecht, Rnrn. 379
ff, S. 116 ff mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur
Rechtsprechung
BayObLG, Rechtsentscheid v. 04.02.1987 – RE-Miet
2/86, NJW 1987, S. 1950 (1952)
So die herrschende Meinung: Blank/Börstinghaus,
Miete, 2. Auflage 2004, § 536 BGB Rn. 142; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zum
Mietrecht, 8. Auflage 2003, § 536 BGB Rn. 10; Elshorst, NJW 2001, S. 3222 (3224); Schelinski, NZM
2005, S. 211 (212); Schmidt, NJW 1991, S. 153
(154); BayObLG, NJW 1987, S. 1950 (1951); NJWRR 1994, S. 634; LG Kassel, NJW-RR 1989, S.
1292; LG Köln, WuM 1990, S. 385; LG Siegen, WuM
1990, S. 17
LG Hamburg, Urteil vom 03.12.1998 – 327 S 97/98,
NZM 1999, S. 169 (169)
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den Vermieter unzumutbar und damit beim störenden
Bauherrn liquidierbar sind. Im Umkehrschluss bedeutet
dies die Auffassung des LG Hamburg, dass die angenommene Rendite aus der Vermietung in Höhe von 6
Prozent bis zum Stand 0 durch vom Vermieter nicht
vertretbare störende Einflüsse von außen entschädigungslos aufgesogen werden dürfen. Kurz: Das Gericht
betrachtet eine nur kostendeckende Immobilienbewirtschaftung mit dem kompletten Verlust eines Ertrags
noch als zumutbar und sieht jenseits dieser Grenze nur
Verluste, die als Gesamtergebnis der Immobilienbewirtschaftung unabhängig von der Höhe einzelner Mietminderungen verbleiben.
Wiederum einen anderen Ansatz vertritt der Bundesgerichtshof zu Inhalt und Umfang des Ausgleichsanspruchs. Der stellt auf eine angemessene Geldentschädigung ab, die nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen ist. 48 Obgleich der BGH
den Unterschied zur Naturalrestitution im Rahmen des
Schadensersatzes aus § 249 Abs. 1 BGB betont, bekräftigt er, dass sich der Ausgleichsanspruch auf die Beseitigung der durch die Störung eingetretenen Vermögenseinbußen beschränkt. Insoweit sieht er auch – im Gegensatz zum LG Hamburg – einen Ertragsverlust als
entschädigungspflichtig an. Dann aber kann ein in ungeschmälerten Mieteinkünften wurzelnder Ertrag aus einer
Immobilienbewirtschaftung nicht pauschal im Rahmen
des nachbarlichen Ausgleichsanspruchs verweigert werden. Vielmehr ist es dann Aufgabe des vermietenden
Eigentümers, in einer konkreten Wirtschaftlichkeitsberechnung die Ertragssituation seines Mietgrundstücks
und damit auch seine Rendite vor den störenden nachbarlichen Baumaßnahmen unter Berücksichtigung einer
ungekürzt erhaltenen Miete vorzutragen und unter Beweis zu stellen. Gelingt ihm dieser Beweis, dann ist ihm
auch im Rahmen des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB der durch
Mietminderung eingetretene Wegfall seiner Grundstücksrendite zu entschädigen. 49
b) Bekanntheit oder Vorhersehbarkeit des zukünftigen Baulärms
Gegen den Vorwurf eines Sachmangels kann sich der
Vermieter damit verteidigen, dass der Mieter die Mietsache schon in Kenntnis des gerügten Mangels angemietet habe. Dem wird der Fall gleichgestellt, in dem
der Mangel vorhersehbar war. Davon ist auszugehen,
wenn der Mieter die Tatsachen kennt, die zur Beein-
48
49
BGH, Urteil vom 23.02.2001 – V ZR 389/99, NJW
2001, S. 1865 ff
Daneben betont der BGH im Falle einer gewerbsmäßigen Nutzung des gestörten Grundstücks die Entschädigungspflicht von Aufwendungen im Rahmen
von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, die sonst erforderlich
waren, um eine ungestörte Fortsetzung des Gewerbebetriebes wieder zu gewährleisten (BGH, Urteil
vom 23.02.2001 – V ZR 389/99, NJW 2001, S. 1865
ff unter III. 5. c) der Entscheidungsgründe); Auch
dieser Anspruchsinhalt des Gewerbemieters kann im
Rahmen der Analyse des Vermieterregresses aus
den Betrachtungen ausscheiden.
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trächtigung des Mietgebrauchs führen können. 50 Diese
Strategie wird praktisch, wenn die Mieträume neben einer Großbaustelle 51 oder neben einer Bauruine 52 oder
schließlich in einem Gebiet mit älterem Baubestand 53
liegen. In all diesen Fällen wird eine Vorhersehbarkeit
des Mangels unterstellt (§ 536b BGB).Liegt das Mietobjekt zum Beispiel in einem Gebiet mit älteren Anwesen,
muss der Mieter im Hinblick auf die ältere Bausubstanz
jederzeit mit Lärmstörungen aufgrund von baulichen
Veränderungen und Reparaturen rechnen. Der Mieter
kann also keine Rechte geltend machen, wenn er aufgrund von Umständen, die bei Vertragsschluss erkennbar waren, mit dem Eintritt einer konkreten Störung
rechnen musste. Eine Fehleinschätzung der vor Anmietung in ihrem Ausmaß erkennbaren Baumaßnahmen
wird für unerheblich gehalten 54 . Es ist also nicht erforderlich, dass das Mietobjekt bei Anmietung in einem
Sanierungsgebiet liegt oder dass sich eine Baulücke
oder einer Bauruine in der Nachbarschaft befunden
hat. 55
In diesen Fällen verliert der Mieter sein Minderungsrecht (§ 536b BGB). Ist dem Mieter der Mangel in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen
ihm die mietrechtlichen Gewährleistungsrechte nur zu,
wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen
hat (§ 536b S. 2 BGB).
Die Kenntnis des Mieters muss sich auf konkrete Mängel sowie auf deren Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit der Sache beziehen. Die Rechtsprechung
stellt an die Erkennbarkeit eines Mangels sehr hohe Anforderungen. Für den Mieter müsse zumindest in etwa
Art und Umfang der Beeinträchtigung abschätzbar sein.
Dazu gehöre auch eine Zeitvorstellung, wann der Lärm
beginne und wie lange und mit welcher Intensität er
voraussichtlich dauern werde. Fritz 56 weist daraufhin,
im Altbaugebiet könne die Sanierung des Hauses in
der Nachbarschaft unmittelbar nach Beginn des Mietverhältnisses liegen, sie könne aber auch fünf Jahre auf
sich warten lassen oder während der Mietzeit überhaupt
nicht in Angriff genommen werden. Das LG Mannheim
stellt daher nicht nur auf die generellen Erkenntnisse zur
Vorhersehbarkeit einer kommenden Großbaustelle ab,
50
LG Berlin, Urteil vom 26.8.2006 – 62 S 73/06, GE
2006, S. 12.95; OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.3.2006
– I-24 U 112/05, ZMR 2006, S. 518; AG Münster, Urteil vom 17.5.2007 – 453 C 37357/06, NZM 2008, S.
320
51
LG Mannheim WuM 2000, 185
52
OLG München, Urteil vom 26. 3. 1993 WuM
1993, 607 = NJW-RR 1994, 654
53
KG, Beschluss vom 03.06.2002 NZM 2003, 718
= GE 03. 115; a.A. LG Frankfurt/Main 06.03.07
ZMR 2007, 698; LG Berlin 28.08.06 WuM 2007,
386
54
Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht §
536b BGB Rn 8
55
56
Fritz, NZM 2008, 825 (827)
Fritz, NZM 2008, 825 (827)
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sondern verlangt eine Kenntnis des Mieters über Einzelheiten zum Ausmaß von Dauer und Beeinträchtigung. 57 Die oben zitierte neuere Rechtsprechung 58 lässt
aber bereits die latente Gefahr von Bautätigkeit in der
Nachbarschaft ausreichen, um die Erkennbarkeit des
Mangels bei Vertragsabschluss zu bejahen. Streitverhütend sollte daher in veranlassten Fällen bereits eine Regelung im Mietvertrag aufgenommen werden.
c) Straßenlärm durch hohes Verkehrsaufkommen
Liegt das Grundstück an einer stark befahrenen Straße,
so sind die Umstände bei Vertragsabschluss ersichtlich,
vom Mieter bei dem geplanten Verwendungszweck berücksichtigt und haben Einfluss in die Mietpreisbildung
gefunden. Eine vorhersehbare Zunahme des Straßenlärmes durch steigendes Verkehrsaufkommen wird dann
nicht als Fehler gewertet 59 . Entscheidend ist auch hier,
ob mit dem steigenden Verkehrsaufkommen gerechnet
werden musste 60 .
d) Straßenbauarbeiten
Mit Straßenbau muss der Mieter bei einer innerstädtischen Lage der gemieteten Räume rechnen. Es liegt
dann zwar ein Mangel vor, der aber wegen der Erkennbarkeit oder wegen seiner Vorhersehbarkeit nach § 536b
BGB nicht zu einer Mietminderung berechtigt 61 .
e) U-Bahnbaustelle
Wird im Zuge einer U-Bahnbaustelle die Straße aufgerissen, in der das gemietete Geschäftslokal liegt, und
wird dadurch der Zugang erheblich erschwert, so liegt
ein Mangel vor, der den Mieter (eines Kiosks) zur fristlosen Kündigung berechtigt. 62 Daran ändert nichts, dass
der Vermieter die Bauarbeiten dulden muss. In einem
solchen Fall erkennt das OLG Düsseldorf nur Ansprüche gegen die Stadt auf Entschädigung für enteignungsgleichen Eingriff 63 zu, nicht aber Gewährleistungsrechte
und -Ansprüche gegen den Vermieter, wenn der Mieter
die genannte Möglichkeit, sich schadlos zu halten, nicht
57
LG Mannheim, Urteil vom 08.10.1999 WuM
2000, 185
58
siehe Fn 49 bis 53
59
LG Kleve NJW 1970, 1975; Kraemer in
Bub/Treier III B 1344
60
LG Lüneburg WuM 1991, 683
61
OLG Hamburg, Urteil vom 6. 12. 2000 WuM
2003, 146; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.1997
NZM 1998, 481
62
63
OLG Köln, Urteil vom 09.05.1972 - 15 U 180/71; NJW
1972, 1814
OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. 11. 1997 NZM
1998, 481 = NJW-RR 1998, 1236 = MDR 1998,
768 ZMR 1999, 471 und 24. 2. 1994 NJW 1994,
3173
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wahrnimmt. Dies kann nicht überzeugen 64 . Mit Fritz 65
kommt es bei der Frage, ob ein Mangel vorliegt oder
nicht, nicht entscheidend darauf an, ob der Mieter eine
Entschädigung für die Beeinträchtigung von der öffentlichen Hand erhalten kann oder nicht, da das Rechtsverhältnis zwischen den Mietparteien ausschließlich privatrechtlicher Natur ist, und eine Mietminderung daher
nicht erst subsidiär zur Verfügung steht, wenn andere
Möglichkeiten des Mieters, eine Entschädigung zu erlangen, versagen. Außerdem setze eine Entschädigung
nach § 20 Abs. 6 StrWG NRW voraus, dass die wirtschaftliche Existenz des Straßenanliegers durch die
Straßenbauarbeiten gefährdet sei. Vor allem müsse er
einige Monate die Bauarbeiten entschädigungslos hinnehmen.
5. Lärm aus dem Wohnumfeld
/Spiellärm
Beim Freizeitlärm aus dem Wohnumfeld, insbesondere
beim Spiellärm, kommt es auf seine Ortsüblichkeit an.
Dies umfasst die Art, die Dauer und auch den Zeitraum
des Lärms. Ein Recht auf absolute Ruhe wird heute
auch für empfindsamere, ältere und kranke Menschen
in Abrede gestellt. Andererseits muss nicht jede Art der
„akustischen Umweltverschmutzung“ geduldet werden.
Zwei Beispiele aus der Rechtsprechung mögen dies
verdeutlichen:
Lärmbeeinträchtigungen, die von einer Skaterbahn in
einem Mischgebiet ausgehen, das insbesondere für
schulische und sportliche Zwecke ausgewiesen ist, berechtigen die Mieter zur Minderung der Miete um 5%,
wenn der aufgrund der spezifischen Rollgeräusche nicht
mehr ortsübliche Lärm auch in erheblichem Umfang
außerhalb der Schulzeiten und abends verursacht wird.
66
Dass aber Kinder auf dem Garagenhof statt auf dem angrenzenden Spielplatz spielen, stellt nach Auffassung
des LG Wuppertal 67 keine erhebliche Verletzung mietvertraglicher Pflichten dar. Die Beschwerde führenden
64
Fritz, in Festschrift für Blank (2006), S. 153
(158); Haase, ZMR 1999, 448
65
A.a.O., 158
Skaterbahn in der Nachbarschaft: AG Emmerich, Urteil vom 05.05.2000 – 9 C 72/00, NZM 2000, S. 544
Ausführlich dazu: Horst, Rechtshandbuch Nachbarrecht, 2. Auflage 2006, Rdn. 756 ff
67
LG Wuppertal, Urteil vom 29.7.2008 – 16 S 25/08,
WuM 2008, 563 = MietRB 2009, 34; ebenso kinderfreundlich: OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.10.1995 –
9 U 51/95, MDR 1996, 477; OLG Schleswig, Urteil
vom 10.10.2001 – 2 W 53/01, MDR 2002, 449; LG
München, Urteil vom 24.2.2005 – 31 S 20796/04,
NZM 2005, S. 339 zum Geschrei eines Kleinkindes
als Mietmangel – verneint; AG Frankfurt / Main, Urteil
vom 9.9.2005 – 33 C 3943/04, WuM 2005, 764 zur
enttäuschten Erwartung auf „kinderfreies“ Wohnen;
BGH, Urteil vom 5.2.1993 – V ZR 62/91; MDR 1993,
41; BGH, Urteil vom 22.1.2003 – VIII ZR 244/02,
MDR 2003, 562
66
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Nachbarn seien durch den Spiellärm nicht unzumutbar
beeinträchtigt. Eine Kündigung komme erst dann in Betracht, wenn die Nachbarn so stark beeinträchtigt seien,
dass eine Mietminderung greife. Davon sei aber nicht
auszugehen, Vielmehr sei im Hinblick auf die vielen in
der Wohnanlage lebenden Kinder sowie des angrenzenden Spielplatzes der „nicht über das übliche Maß“ hinaus gehende Kinderlärm hinzunehmen.
6. Strahlung / Funkwellen
a) Mikro- und Radiowellen
Enthält der Mietvertrag keine ausdrückliche Vereinbarung, eine Wohnung ohne Quellen von Funkwellen gemietet zu haben, so kann angesichts der Alltäglichkeit
von Mikro- und Radiowellen, die sowohl natürlich (aus
dem Weltraum oder durch Gewitterblitze verursacht)
wie auch für gebräuchliche technische Hilfsmittel des
täglichen Lebens (Funk, Radio, Fernsehen, Funkuhren,
Mikrowellenherd usw.) überall entstehen, eine solche
Abrede auch nicht als stillschweigend getroffen unterstellt werden. 68 Die Annahme eines Sachmangels scheidet dann ebenso aus.
b) Elektrosmog/Mobilfunkstation 69
Auch bei der Beeinträchtigung des Mietobjekts durch
Mobilfunkstationen spielt das psychologische Moment
eine große Rolle. So erkennt das AG München 70 eine
Mietminderung bereits dann zu, wenn der Mieter, der
im Obergeschoss unter dem mit sechs Mobilfunkantennen bestückten Flachdach wohnt, Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Elektrosmog nur befürchtet. Bei
der Anhörung vor dem Umweltausschuss des Deutschen
Bundestages am 18.06.2001 kamen die Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass sich eine Gefahr durch Elekt-
68
LG Heidelberg, Urteil vom 19.11.2010 - 5 S 34/10,
WuM 2011, 14
69
Zum Forschungsstand über elektromagnetische
Felder Gablenz NZM 1998, 364; Anhörung vor
dem Umweltausschuss des Dt. Bundestages WuM
2001, 431; zur Vertragsgestaltung bei der Vermietung von Mobilfunkbasisstationen: Lindner-Figura
NZM 2001, 401; Kniep, Mobilfunkantennen und
Eigentum, DWW 2001, S. 324 ff; Kniep, Mobilfunk
und Mietumfeld WuM 02,598; Roth, Elektrosmog
und Mietminderung im Wohnraummietrecht – eine
Spielwiese für das Ausleben subjektiver Empfindlichkeiten?, NZM 2000, S. 522; Eisenschmid,
Elektrosmog und Gewährleistung im Mietrecht,
WM 1997, S. 21 ff;; Frenzel, Mobilfunkantennen in
Wohngebieten, WM 2002, S. 10 ff
70
AG München, Urteil vom 1.4.1998 – 432 C 7381/95,
WuM 1999, S. 111 - Mietminderung bejaht bei 6 Antennen auf einem Flachdach, unter dem der Mieter
direkt wohnt; Furcht vor gesundheitsbeeinträchtigender Strahlung reichte dem Gericht aus. (ohne Angabe der Miethöhe)
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rosmog weder bestätigen noch ausschließen lässt 71 . Die
Bundesanstalt für Arbeitsschutz u. Arbeitsmedizin hält
Umweltrisiken bei eingehaltenen Grenzwerten für nicht
erkennbar, sie hat keinen Anlass gesehen, die Grenzwerte zu senken 72 . Dies ist auch der einheitliche Tenor
in der Rechtsprechung:
Werden die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenzwerte eingehalten, dann sind Strahlenbelastungen als unwesentliche Beeinträchtigungen zu dulden 73 (z.B. 26. BImSchV 74 zum Schutze der Allgemeinheit und der Gesundheit des Einzelnen vor Schäden
durch elektromagnetische Felder). Die VO ist u.a. auf
Antennen für den Mobilfunk anwendbar. Werden die
vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten, so muss der
Betrieb der Anlage hingenommen werden. Es besteht
keine Minderungsbefugnis. Die subjektive Furcht eines
Mieters vor Gesundheitsgefahren oder Beeinträchtigung
seines Wohlbefindens reicht nach h.M. nicht aus. 75
Werden die Grenzwerte für elektromagnetische Felder
(26. BImmSchV) nicht überschritten, so spielt es nach
Ansicht des BGH 76 auch keine Rolle, dass die wissenschaftliche Diskussion über die Gefahren von Musikfunksendeanlagen noch nicht abgeschlossen ist. Ein
„Restrisiko“ einer Gesundheitsgefährdung ist unvermeidbar.
100 Mikrotesla für die magnetische Flussdichte niederfrequenter Felder sind danach unbedenklich. Dann
wird indiziert, dass es sich nur um unwesentliche Beeinträchtigungen von Rechtsgütern handelt 77 . Folglich be71
Wüstefeld, Anhörung zu Gefahren durch Mobilfunkstrahlung, WuM 2001, 431, auch so Fritz, NZM 2008,
Seite 825 (827);
72
WuM 2001,431; dazu auch Hitpaß , ZMR 2007,
340
73
LG Frankfurt, Urteil v. 21.8.1997 - 3/10 O 54/97, NZM
1998, S. 371 - Beim Mieter verschwimmen die Computer-Bildschirme, weil eine Oberleitung der Bahn für
die Straßenbahn geändert wurde. Sofern die Grenzwerte der Bundes-Immissions-Schutzverordnung eingehalten wurden, stellt dies keinen Mangel der Mietsache dar – keine Minderung;
74
Sechsundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
Verordnung über elektromagnetische Felder vom
16.12.1996, BGBl I 1996, 1966
75
76
77
Blank/Börstinghaus, § 536 BGB Rn. 9
BGH, Urteil vom 15.3.2006 -VIII ZR 74/05, DWW
2006,195 = WuM 2006, 304 = GE 2006, 777 = NZM
2006, 504 = NJW 2006, 2625 = ZMR 2006, 670 =
MDR 2006, 1218; LG Hamburg, Urteil vom
21.06.2007 – 307 S 15/07, WuM 2007, S. 692, AG
Gießen, Urteil v. 9.7.2001 - 48-M C 903/00, ZMR
2001, S. 806
BGH 15.03.06 NZM 2006, 504 = WuM 2006,
304 = ZMR 2006, 670OLG Frankfurt/M. 23.6. 05
NZM 838 + BGH 13.02.2004 WuM 2004, 217;
OVG Koblenz 20.08.2001 WuM 2001, 561; BVerfG
17.02.1997 NJW 1997, 25092 und 08.02.2002
NJW 2002, 1638 = NZM 2002, 496 = ZMR 2002,
578; OVG Lüneburg 19.01.2001 DWW 2002, 128;
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Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
steht auch kein vorbeugender Abwehranspruch gegen
die Errichtung einer Mobilfunkbasisstation. Der Mieter
hat keinen Anspruch auf Auflösung des Vertrages wegen Umweltgefährdung und keine Mietminderungsrechte, wenn die Grenzwerte eingehalten sind 78 . Gesundheitsängste des Mieters reichen nach herrschender Meinung nicht aus, wenn nach dem Stand der Wissenschaft
eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen ist 79 Die
vorstehenden Darlegungen bilden allerdings nur den aktuellen Stand in Rechtsprechung und Literatur ab. Mit
gesteigertem Umweltbewusstsein und erhöhter diesbezüglicher Sensibilität werden für die Zukunft abgesenkte Grenzwerte denkbar. Ein Blick in die Schweiz, in der
weitaus geringere Grenzwerte zur Unbedenklichkeit
elektromagnetischer Strahlungen gelten, zeigt, dass dieser Prozess in Deutschland auch in Fluss geraten und zu
einer Absenkung von Grenzwerten als Folge aktuellerer
wissenschaftlicher Erkenntnisse führen kann.
c) Ionisierende Strahlung
Harrisburg/USA 1979, Tschernobyl/Ukraine 1986, und
aktuell Fukushima/Japan sind Meilensteine nuklearer
Katastrophen 80 aus der friedlichen Nutzung von Kernenergie, die jeden Lebensraum weltweit zerstören können, weite Bereiche auf unabsehbare Zeit unbewohnbar
gemacht, und menschliche Existenz infolge der Aufnahme nuklearer Verseuchung über die Nahrungskette,
den Boden und über die Luft extrem gefährdet haben. 81
Gerade die erdbebenbedingte nukleare Katastrophe in
Japan hat der Diskussion erheblich an Wucht verliehen,
unter welchen Voraussetzungen die drohende Vernichtung von Lebensraum und eigener Existenz durch nukleare Verstrahlung abgewendet werden kann. Mietrechtlich drängt sich die Frage auf, ob erhöhte Strahlenbelastungen aus ausländischen Nuklearunfällen oder neue
Erkenntnisse über die Betriebs(un)sicherheit nationaler
Atomkraftwerke als Umweltmängel eingestuft werden
können.
Eine parallele Betrachtung im Nachbarrecht zeigt die
Einordnung ionisierender Strahlung als - anspruchsaus; OLG Karlsruhe 16.03.1994 NJW 1994, 2100
m.w.N. in der Anmerkung; VGH Mannheim
02.01.1997 NJW 1997, 3461 Ls.); LG Frankfurt/M.
21.08.1997 NZM 1998, 371; VG Schleswig 22. 8.
1997 NZM 1998, 1883 Ls.
78
LG München I 27.03.2002 NZM 2002, 671; AG
Tiergarten 04.12 2001 NZM 2002, 949
79
AG Traunstein 03.03.1999 ZMR 2000, 389 m.
Anm. Schläger; AG Gießen 09.07. 2000 ZMR
2001, 806; AG Frankfurt/M. 25. 6. 2001 NZM 2001,
1031; ; Berufung durch LG Frankfurt/Main zurückgewiesen und Revision nicht zugelassen
04.03.2003 NZM 2004,80; a. A.: AG München 01.0
4.1998 WuM 1999, 111
80
Vgl. die „Liste der Unfälle in kerntechnischen Anlagen“
in www.wikipedia.org
81
Näher zu den gesundheitlichen Auswirkungen: Hill /
Hille, Radiologische Folgen des Reaktorunfalls in
Tschernobyl, atw 2002, S. 31 ff
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Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
lösende - ähnliche Einwirkung im Sinne von § 906
BGB. 82 Auch im Rahmen des zivilen Nachbarrechtsschutzes gelten aufgrund der Ausschlusswirkung von
Betriebsgenehmigungen für Atomkraftwerke die öffentlich-rechtlichen Einschränkungen und Messwerte. Auf
diese Messwerte, verstanden als Grenzwerte für die Unbedenklichkeit ionisierender Strahlenbelastung, könnte
mit der Rechtsprechung zur Begründung von Sachmängeln im Falle elektromagnetischer Wellen auch im
Rahmen der mietrechtlichen Betrachtung abgestellt
werden. Atomrechtlich gilt:
Bei der Ermittlung der zulässigen Strahlendosis durch
den Betrieb kerntechnischer Anlagen ist gemäß § 45
StrSchV 83 die aus Störfällen oder Unfällen resultierende
Strahlenbelastung nicht zu berücksichtigen. 84 Nur auf
Immissionen im Rahmen des Normalbetriebs ist abzustellen, nicht aber auf die Belastung am Ort durch (ausländische) Störfälle und Unfälle. Diese Erkenntnis aus
der damaligen Rechtsprechung zu den Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl am 24 April 1986 gipfeln in
der wörtlichen Diktion des OVG Lüneburg in seinem
Leitsatz 2: „Kernschmelzunfälle sind dem Restrisikobereich zuzurechnen.“ 85
Bezogen auf das Mietrecht bedeutet das, dass die jüngste Reaktorkatastrophe in Japan keine Auswirkungen auf
die mietrechtlichen Bewertung hat: ein Umweltmängel
ergibt sich dadurch nicht; selbst dann nicht, wenn sich
tatsächlich eine erhöhte Strahlenbelastung als Folge dieses Unfalls zeigen sollte. Im Übrigen kommt es nur darauf an, ob die beim störungsfreien Betrieb eines nationalen Atomkraftwerks einkalkulierte Strahlenbelastung
der Umwelt eingehalten werden kann. Selbst wenn dies
zweifelhaft würde, müsste nach der atomrechtlichen
Wertung immer noch ein direkter Kausalitätszusam82
83
Palandt-Bassenge, 67. Aufl. 2008, § 906 BGB, Rdnr.
10; Säcker, in Münch-Komm zum BGB, Band 6, 5.
Aufl. 2009, § 906 BGB Rn. 78, für ionisierende Strahlung, entstanden durch den Zerfall radioaktiver Stoffe, selbst wenn diese nur mit Messgeräten wahrnehmbar sind; ebenso BVerfG, NJW 1997, 2509;
OLG Naumburg, MDR.1999, 1193
VO über den Schutz von Schäden durch ionisierende
Strahlen – Strahlenschutzverordnung – vom
20.7.2001, BGBl I 2001, 1714 (2002 I 1459)
84
BVerwG, Beschluss vom 23.5.1991 – 7 C 34/90,
NVwZ 1991, 1185; ebenso bereits OVG Lüneburg,
Beschluss vom 16.09.1988 - 7 D 10/86, 7 D 4/87,
RdE 1990, 61; OVG Lüneburg, Beschluss vom
28.10.1986 - 7 D 8/86, 7 D 10/86, NVwZ 1987, 75;
dazu deutlich kritisch: Sterzel; Tschernobyl und
keine Rechtsfolgen, KJ 1987, 394-410, der ein
Umdenken der Justiz in eine neue atomrechtliche
Sicherheitsphilosophie vermisst und für einen
kompromisslosen Ausstieg aus der Kernenergie
plädiert; a. A. und für eine Berücksichtigung erhöhter Strahlenwerte nach ausländischen Reaktorunfällen: VG Regensburg, Urteil vom 13.03.1989 - 5
K 88/274, NVwZ 1989, 1195
85
OVG Lüneburg , Beschluss vom 16.09.1988 - 7 D
10/86, 7 D 4/87, RdE 1990, 61
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menhang zwischen einer gestiegenen Strahlenbelastung
und eingetretenen erhöhten Erkrankungsraten vorgetragen und nachgewiesen werden können. 86 Zumindest
nach aktueller Rechtslage scheidet damit die Annahme
eines Umfeldmangels durch ionisierende Strahlenbelastung aus, solange die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden.
7. Erschütterungen
Erschütterungen, die von einem benachbarten Gewerbebetrieb ausgehen, stellen einen Mangel dar, wenn sie
über die in der DIN 4150 Teil 2 als zulässig genannten
86
Freymann, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26.
Aufl. 2011, Kap. 24 Rn. 124, S. 932Zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge der Anlagenaufsicht
und zum Individualanspruch auf Ausstieg aus der
Atomenergie:
§ 7 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 AtG bestimmt als Genehmigungsvoraussetzung einen ständig zu kontrollierenden und aufrecht zu erhalten Schutzumfang
beim Betrieb der Anlage: Danach darf die atomrechtlichen Genehmigung nur erteilt und aufrechterhalten werden, wenn die nach dem Stand von
Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge
gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist, die erforderliche Vorsorge für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen getroffen ist, und wenn der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder
sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist.
Diese gesetzlichen Vorgaben können nur dahin
verstanden werden, dass eine umfassende Risikovorsorge geschuldet wird. Sie darf nicht nur konkrete Gefahren erfassen, sondern muss auch ein
verbleibendes Besorgnispotenzial einschließen.
Daraus erwächst bei alten und nicht mehr sicheren
Atomkraftwerken unmittelbar das zwingende Gebot, entweder abzuschalten und außer Betrieb zu
nehmen, nachdem zum Beispiel eine steigende
Zahl von Leukämieerkrankungen im unmittelbaren
Umfeld festgestellt worden ist (So ausdrücklich:
Stuer / Spreen, Ausstieg aus der Atomenergie das Beispiel Krümmel, NuR 1999, S. 16 ff), oder
ausreichend Vorsorge gegen festgestellte Erkrankungen als Folge des Betriebs der kerntechnischen Anlage zu treffen. Kann das Restrisiko einer
Kernschmelze infolge altersbedingter Degeneration dieser Anlagen nicht ausgeschlossen werden,
so folgt das Gebot der Außerbetriebname zusätzlich auch aus Art. 2 Abs. 2 GG (So ausdrücklich:
Stuer / Spreen, Ausstieg aus der Atomenergie das Beispiel Krümmel, NuR 1999, S. 16 ff, vgl
auch Däubler, Haftung für Atomschäden – ein ungelöstes Problem?, ZRP 1986, 227 ff; Breuer, Der
Störfall im Atom- und Immissionsschutzrecht, WiVerw 1981, S. 219 ff).
Zur Haftung für nukleare Unfälle, Pelzer, Grenzüberschreitende Haftung für nukleare Ereignisse,
DVBl. 1986, 875 ff
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Grenzwerte hinausgehen 87 . Oberhalb dieser Werte ergeben sich für den Eigentümerschadensersatzansprüchen aus §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit
906 BGB und für den Mieter Gewährleistungsrechte.
8. Gerüche
Die Rechtsprechung sieht auch in Geruchsbelästigungen
des Mietobjekts aus der Nachbarschaft einen Mangel, so
z.B. die Beeinträchtigung eines Hotelbetriebs durch eine
nebenan befindliche Bäckerei 88 , ebenso Lärm und Gerüche, die von einem Supermarkt ausgehen 89 .
9. Hochwasser
Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Mieter vom
Vermieter verlangen, dass er ihm eine mangelfreie
Wohnung überlassen und sie auch während der Mietzeit
in diesem mangelfreien Zustand halten muss. Das gehört zu den Hauptpflichten des Vermieters. Ist das nicht
oder nur teilweise möglich, ist der Mieter ganz oder
teilweise von seinen Mietzahlungspflichten befreit, so
zum Beispiel der Mieter, der seine nach der Jahrhundertflut 2002 überfluteten Mieträume nicht mehr nutzen
konnte, dennoch dafür aber Miete zahlen sollte. 90 Denn
das Eindringen von Wasser in das Mietobjekt aufgrund
von Hochwasser oder die Nichterreichbarkeit des Objekts aufgrund einer Überschwemmung der Zufahrtsstraßen führen zu einem Mangel der Mietsache 91 .
Periodisch wiederkehrende Mängel eröffnen nur für die
Zeit ihres tatsächlichen Bestehens Mietminderungsrechte. 92 Deshalb berechtigt die regelmäßige Nichtbenutzbarkeit eines Kellers in den Monaten Dezember/Januar
wegen Hochwassers den Mieter nur zu einer Minderung
für die Zeit der Überschwemmung. Die Gegenauffassung 93 in der Instanzgerichtsbarkeit, die eine ganzjährige Mietminderung annahm, ist damit obsolet.
Das OLG Düsseldorf verneinte die Frage, ob der Hinweis des Vermieters im Mietvertrag, bei starkem Hochwasser würde Wasser in das Mietobjekt eindringen, eine
87
OLG Düsseldorf 13.06.1997 - 22 U 259/96,
NJWE-MietR 1997, 271 – für Wohnraum).
88
OLG Karlsruhe 09.05.2001 NZM 2001, 914
89
AG Gifhorn, WM 2002, S. 215 ff - 15 – 20 %
90
LG Leipzig, Urteil v. 28.5.2003 - 1 S 1314/03, NZM
2003, S. 510 – Minderung 100 %; zum Thema
"Hochwasser": Ewer, NJW 2002, 3497; Eisenschmid,
NZM 2002, 889; zur Reduktion der Ladenschlusszeiten auf „Null“ in Sachsen aus Anlass der Überschwemmungen: Rozek, NVwZ 2003, 397
Zu der Frage, ob der Mieter auch Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter hat, z.B. wenn seine
eingebrachten Sachen beschädigt werden, vgl. Fritz,
NZM 2008, 825, 828
BGH, Urteil vom 15.12.2010 - XII ZR 132/09, MDR
2011, 149 = NZM 2011, 153 - DWW 2011, 97 =
NJW 2011, 514
LG Kassel , Urteil vom 13.06.1996 NJW-RR 1996,
1355 = NJWE-MietR 1996, 267 Ls.).
91
92
93
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fristlose Kündigung des Mieters wegen wiederholten
Wassereintritts in das Mietobjekt ausschließt. Es nahm
einen zur Kündigung berechtigten Mangel an, weil im
Mietvertrag nicht definiert war, was unter starkem
Hochwasser zu verstehen sei. Auch hatte der Vermieter
weder im Vertrag noch im Prozess mitgeteilt, welcher
Pegelstand damit gemeint sei und auch nicht geklärt, ob
davon auch aufgrund des Hochwassers in das Mietobjekt eindringendes Grundwasser umfasst sei. Deutlich
akzentuierte das OLG Düsseldorf, auch eine allgemeine
Kenntnis des Mieters von der Lage des Objekts in
Rheinnähe indiziere keine Hochwassergefährdung, aus
der auf eine Vorhersehbarkeit des Mangels (Überschwemmung) hätte geschlossen werden können 94 .
10. Kanalrückstau/ Regenwasserschäden
Bei der Beeinträchtigung des Mietobjekts durch Feuchtigkeit aufgrund eines Rückstaus im öffentlichen Kanalnetz wirkt eine Kombination aus Einflüssen aus der
Umwelt und einem Baumangel, nämlich dem Fehlen eines Rückstauventils, zusammen und führt zu einem
schädigenden Ereignis 95 . Daraus können sich Ansprüche des Hauseigentümers oder des Mieters gegen die öffentliche Hand aus § 2 HaftpflichtG ergeben. Daneben
treten die Sachmängelgewährleistungsrechte des Mieters gegenüber dem Vermieter.
Nach Auffassung des BGH 96 begründet ein ungewöhnlicher und selten starker Regen (Wiederkehrzeit von
mehr als 100 Jahren), der zu einem Rückstau in der
Abwasserkanalisation geführt hat, keine Schadensersatzansprüche des Hauseigentümers gegen die Gemeinde. Ihr wird die Berufungsmöglichkeit auf höhere Gewalt eingeräumt. Im Verhältnis von Mieter und Vermieter votiert die Rechtsprechung deutlich strenger. Sie
bürdet dem Vermieter die Haftung für Feuchtigkeitsschäden des Mieters auf, selbst wenn ganz außergewöhnliche Wolkenbrüche zum Eindringen des Wassers
in den im Keller liegenden Lagerraum geführt haben.
Als Haftungsgrund wurde es angesehen, wenn der Vermieter die Bodenabläufe nicht durch Rückstauventile
gegen Wasser aus der Kanalisation gesichert hat 97 .
Nach anderer Auffassung in der Instanzrechtsprechung
soll ein Mangel in diesen Fällen nur dann infrage kommen, wenn die gemeindliche Satzung dem Vermieter
zur Sicherung von Kellerräumen gegen Rückstau den
Einbau eines Rückstauventils vorschreibt 98 . Dies kann
94
OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.05.2005 - I -10 U
196/04, 10 U 196/04, ZMR 2006, 925
95
Hinweisend Fritz, NZM 2008, S. 825, 828
96
BGH, Urteil vom 22.04.2004 MDR 2004, 875 =
BGHZ 159, 19
97
OLG Hamm, Beschluss vom 01.12.1987 NJWRR 1988, 529; a.A. OLG München 12.07.1991
WuM 1991, 681
98
LG Freiburg, Urteil vom 03.02.1987 und AG
Köln, Urteil vom 30.07.1986, beide in WuM
1987,383; dies wird häufig bei Kanalanschlüssen
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nicht überzeugen. Denn nach dem mietrechtlich geltenden subjektiven Fehlerbegriff kommt es für die Frage,
ob ein Mangel vorliegt oder nicht, nur darauf an, welche
Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit des Objektes aufgrund der Vereinbarung zwischen den Parteien zu
stellen sind. Auf öffentlich-rechtliche Inhalte kann daher zur Auslegung und Anwendung des - privatrechtlichen - Mangelbegriffs nicht abgestellt werden.
Das OLG Düsseldorf hat bei Kellerräumen, die als Ausstellungsräume und zum Verkauf von Möbeln dienten,
eine Schwelle von 20 cm Höhe zum Schutz gegen eindringendes Regenwasser als nicht ausreichend angesehen, wenn der Wassereintritt aufgrund früherer ähnlicher Probleme vorhersehbar war, und durch den Einbau
einer wasserdichten Abschlusstür zu verhindern gewesen wäre. Der Vermieter wurde daher trotz des Ausschlusses der Garantiehaftung im Mietvertrag zum
Schadensersatz verurteilt, weil ihn ein Verschulden
traf 99 .
Trotz mangelnder Beherrschbarkeit hat die Rechtsprechung auch im Falle eines Jahrhundertregens in konsequenter Anwendung der Garantiehaftung des Vermieters dem Mieter Minderungsrechte zuerkannt, so im Falle eines durch einen „Jahrhundertregen“ verursachten
Überschwemmungsschadens am Teppichboden, durch
den die Wohnqualität wegen Durchfeuchtung, Versandung und unerträglichem Gestank für die Dauer von 2
bis 3 Wochen beeinträchtigt wird. 100 Dieses Judiz wird
in der „Jahrhunderthochwasser-Entscheidung“ des LG
Leipzig mit getragen. 101
11. Raumtemperatur
Hohe Raumtemperaturen durch Sonneneinstrahlung
sind insofern nicht ohne weiteres zu den Umweltmängeln zu zählen, als grundsätzlich ein mangelhafter
Schutz vor normalen Außeneinflüssen, wie Wärme oder
Kälte, ungenügende Leistungen der Heizung oder fehlende Klimaanlagen unter Umständen zu den bauseitigen Mängeln zählen. Andererseits ist umstritten, ob die
Lieferung einer Klimaanlage zur Ausrüstung eines Gebäudes gehört. 102 Zusätzlich wird das Thema „Sonneneinstrahlung“ verstärkt bei außergewöhnlich heißen
Sommern problematisiert. 103 Deshalb wird das Thema
„hohe Raumtemperatur durch Sonneneinstrahlung“ als
Randproblem des Umweltmangels hier mit abgehandelt.
unterhalb der Rückstauebene, also unterhalb der
Straßenoberfläche vorgeschrieben wird.
99
OLG Düsseldorf 10.03.1988 NJW-RR 1988, 906
100
AG Friedberg, Urteil vom 6.7.1983 – C 389/82, WuM
1984, S. 198 - 80 %; anderer Ansicht aber: OLG
München, Urteil vom 12.7.1991 – 21 U 5745/90,
WuM 1991, S. 681 im Falle eines Rückstaus im städtischen Abwasserkanalnetz bei extrem starken und
sehr selten so vorkommenden Niederschlägen
101
LG Leipzig, Urteil vom 28.5.2003 – 1 S 13143/03,
NZM 2003, 510
102
hinweisend: Fritz, NZM 2008, S. 825 (826)
103
hinweisend: Fritz, NZM 2008, S. 825 (826)
23/38
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Mieträume müssen zu dem Zweck gebrauchstauglich
sein, zu dem sie vermietet worden sind. Büros und
Arztpraxen müssen nach der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung gewährleisten, dass die Raumtemperatur in den Mieträumen bei Außentemperaturen
von bis zu 32 Grad Celsius nicht höher als 26 Grad Celsius und bei höheren Außentemperaturen mindestens 6
Grad Celsius unter der Außentemperatur liegt (§ 6 Abs.
1 ArbeitsstättenVO in Verbindung mit ArbeitsstättenRichtlinie (ASR) 6/1, 3 und der DIN 1946). Bei deutlicher Überschreitung dieser Werte an 45 Tagen im Jahr
gesteht die herrschende obergerichtliche Rechtsprechung dem Mieter nach Abmahnung ein fristloses Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu 104 .
Dem kann so pauschal nicht gefolgt werden. Ob die
sommerliche Beheizung von Büroräumen aufgrund von
Sonneneinstrahlung einen Mangel der Mietsache darstellt, richtet sich zunächst einmal nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem Zustand des Gebäudes.
Entscheidend ist nicht die ArbeitsstättenV. Nicht auf die
Arbeitsstätten-Richtlinie, sondern auf die vertraglichen
Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien und den
baulichen Zustand des Gebäudes stellt deshalb das OLG
Frankfurt 105 für die Beurteilung aufgeheizter Innentemperaturen als Mangel ab. In dem entschiedenen Fall haben die Mieter bei Abschluss des Mietvertrages Einfluss
auf die bauliche Gestaltung genommen sowie spezielle
Anforderungen für den Sonnenschutz der Fassade verlangt und erhalten. Insofern entspreche der Zustand des
Gebäudes den Vorgaben des Mietvertrages und sei damit mangelfrei. Mehr als den vereinbarten Zustand könne der Mieter daher nicht verlangen.
Bausachverständige und Energiewirtschaft und auch
einzelne Stimmen in der Fachliteratur 106 folgen dem unter Hinweis auf § 3 Abs. 4 EnEV 2001: Es sei volkswirtschaftlich nicht zu vertreten und laufe dem Gebot
der Energieeinsparung zuwider, tausende von Bestandsgebäuden mit Kühlanlagen nachzurüsten. Insbesondere
dürfe man nicht einen besonders heißen Sommer als
Maßstab anlegen. Außerdem sei zu berücksichtigen,
dass eine unzureichende Wärmedämmung im Altbau
dann keinen Mangel darstellt, wenn die Normen bei Errichtung des Bauwerks eingehalten sind 107 . Die Frage
104
105
106
107
OLG Naumburg, Urteil vom 17.06.2003 NZM 2004,
S. 343 L; OLG Rostock, Urteil vom 29.12.2000 NZM
2001, 425 = NJWRR 2001, 802 = NJW 2001, 2339
Ls.; OLG Köln, Urteil vom 28.10.1991 NJW-RR 1993,
466 = WuM 1995, 35 und 18.10.1994 NJW-RR 1995,
143 = WuM 1995, 35; OLG Hamm, Urteil vom
28.02.2007 – 30 U 131/06, MietRB 2007, S. 227;
KG, Urteil vom 28.4.2008 – 8 U 209/07, InfoM 2008,
S. 329 für eine Dauertemperatur von unter 20 Grad
Celsius während der Heizperiode; OLG Hamm, Beschluss vom 18.10.1994 NJW-RR 1995, 143
OLG Frankfurt, Urteil vom 19.01.2007 – 2 U 106/06,
MietRB 2007, S. 228
Busse, NJW 2004, S. 1982; Harms, NZM 2005, S.
441
LG Hamburg NJW-RR 1988, 907; a. A.: LG
Waldshut-Tiengen, Urteil vom 28.12.1990 NJW-RR
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nach dem vertraglich geschuldeten Standard solle von
den Parteien bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich angesprochen und geregelt werden, denn nicht jeder
Mieter bedenke die relativ hohen Betriebskosten und
eventuell auch die Geräuschbelästigungen, die mit Klimaanlagen verbunden sind. Auch solle über Alternativen nachgedacht werden (Wärmeschutzglas, Außenjalousien, Abstandnehmen von architektonisch anspruchsvollen „Glaspalästen“).
Ob die bisherige herrschende Meinung unter der Herrschaft der aktuellen EnEV vom 29.04.2009 108 weiter
Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Denn § 7 EnEV
2009 zählt bei neu zu errichtenden Gebäuden ausdrücklich auch einen Mindestwärmeschutz zur Energieeffizienz, um den Einbau teurer Klimaanlagen möglichst zu
vermeiden oder die dafür notwendige Energie zu reduzieren, Dem widerstreitet es, die Vermieter zu zwingen,
in Altbauten in großem Umfang Klimaanlagen einzubauen, wenn man von hohen Energiekosten weg kommen will. 109
Börstinghaus 110 differenziert zwischen Wohnraummietecht, in dem die ArbStVO nicht anwendbar sei und Gewerberaum, in dem sich der Arbeitnehmer und folglich
auch der Mieter gegenüber dem Vermieter auf die
ArbStVO berufen könne. Dem ist für den gewerblichen
Bereich mit der dargelegten Argumentation zu widersprechen.
12. Bordell in der Nachbarschaft
Wird In der Mietwohnung eines Mehrfamilienhauses
ein Bordell betrieben, können die Mitmieter auf Unterlassung sowie auf Beseitigung der mit dem Bordellbetrieb einhergehenden Lärmbeeinträchtigungen (zum
Beispiel von draußen wahrnehmbares anhaltendes lautes
Stöhnen und Matratzenquietschen 111 ) und sonstigen
112
Störungen durch Kunden
klagen. Gegenüber dem
Vermieter stehen den Mitmietern Mietminderungsrechte
1991, 592– wenn sie ohne Schwierigkeit verbessert werden kann
108
Energieeinsparverordnung – EnEV – vom
29.04.2009, BGBl. I, S. 954 ff, verkündet am
30.04.2009, in Kraft seit dem 01.10.2009
109
s. auch: Fritz, NZM 2008, 825; Herrlein NZM
2007, 719; Börstinghaus WuM 2007, 253; Busse,
NJW 2004, 1982 m. w. N.
110
A.a.O:
Hierbei handelt es sich nicht um bordelltypische Störungen, denn sexuelle Handlungen (mit einschlägigen Lautäußerungen) kommen auch außerhalb von
Bordellen vor. Wäre das anders, gäbe es keine Evolution – die Menschheit würde aussterben. Denn
Bordelle dienen zwar zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs, aber nun einmal nicht der Zeugung neuen menschlichen Lebens.
112
AG Berlin-Neukölln, Urteil vom 09.03.2007 - 5 C
141/06, GE 2008, 606; AG Stuttgart, Urteil vom
19.10.1994 – 31 C 7635/94, DWW 1995, 54
111
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113
zu.
Dies resultiert aber schlicht schon aus der
Wohnwert mindernden Existenz des Bordells, 114 nicht
erst aus konkreten „bordelltypischen Störungen“ (str.).
Denn schon der bloße Betrieb des Bordells im Mietshaus beeinträchtigt das sittliche Empfinden der übrigen
Mieter.
Generell ist die Ausübung von Prostitution in der Miet115
Vermieter und Mitmieter müswohnung unzulässig.
sen ein Bordell im Mehrfamilienhaus folglich nicht hinnehmen. Der Vermieter hat hiergegen Unterlassungsansprüche und in der Regel fristlose Kündigungsrechte. 116
Der Wohnungsnachbar kann vom Vermieter nicht nur
generell die Beseitigung dieses Zustandes verlangen,
sondern insbesondere, dass er Streitereien, nächtliches
Herausklingeln und andere Lärmstörungen im Zusam117
Gegenmenhang mit der Prostitution unterbindet.
über dem Vermieter stehen den Mitmietern Mietminde118
rungsrechte zu.
Allein die Möglichkeit, dass Mitmieter in einem Haus,
in dem ein Bordellbetrieb unterhalten wird, durch im
Hausflur wartende „Freier“ belästigt werden, soll zu einer Mietminderung von 10% berechtigen. 119
Die Mitmieter können auch direkt gegen die störenden
Bordellbetreiber auf Unterlassung sowie auf Beseitigung der mit dem Bordellbetrieb einhergehenden Lärm113
AG Berlin-Neukölln, a.a.O.; LG Berlin, Urteil vom
23.09.1999 - 61 S 518/98, NJW-RR 2000, 601 =
NZM 2000, 377; AG Stuttgart, Urteil vom 19.10.1994
- 31 C 7635/94, DWW 1995, S. 54; LG Berlin, Urteil
vom 19.9.1996 - 62 S 34/96, MM 1996, S. 449; LG
Berlin, Urteil vom 21.7.1995 - 64 S 84/95, NJW-RR
1996, S. 264 f.; AG Berlin-Schöneberg, Urteil vom
4.1.1996 - 8 C 619/95, MM 1996, S. 170 f.; LG Gießen, Beschluss vom 6.9.1989 - 7 T 186/89, WM
1990, S. 449; OLG Koblenz, Beschluss vom
16.7.1997 - 4 W - RE - 602/96, NZM 1998, S. 229 ff.
114
AG Berlin-Neukölln, a.a.O.; AG Schöneberg, Urteil
vom 4.1.1996 – 8 C 619/95, MM 1996, 170; LG Berlin, Urteil vom 21.7.1995 – 64 S 84/95, WuM 1999,
65a. A. LG Berlin, Urteil vom 23.9.1999 – 61 S
518/98, NZM 2000, 377
115
LG Lübeck, NJW-RR 1993, S. 525; AG Mönchengladbach-Rheydt, ZMR 1993, S. 171.
116
BGH, Urteil vom 10.9.1997- XII ZR 222/95, NZM
1998, 33 f – Nachtbar „und mehr“; OLG Koblenz,
Rechtsentscheid vom 16.7.1997 – 4 W – RE –
602/96, NZM 1998, 229 – Swinger-Club
117
AG Stuttgart, DWW 1995, S. 54.
118
AG Stuttgart, Urteil vom 19.10.1994 - 31 C 7635/94,
DWW 1995, S. 54; LG Berlin, Urteil vom 19.9.1996 62 S 34/96, MM 1996, S. 449; LG Berlin, Urteil vom
21.7.1995 - 64 S 84/95, NJW-RR 1996, S. 264 f.; AG
Berlin-Schöneberg, Urteil vom 4.1.1996 - 8 C 619/95,
MM 1996, S. 170 f.; LG Gießen, Beschluss vom
6.9.1989 - 7 T 186/89, WM 1990, S. 449; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.7.1997 - 4 W - RE - 602/96,
NZM 1998, S. 229 ff.
119
LG Berlin, Urteil vom 21.7.1995 – 64 S 85 / 95, NJWRR 1996, S. 264 f: vgl. zum Milieuschutz im Haus
auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.2.2006 – 10 U
116/05, DWW 2006, S. 196 f
26/38
Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
beeinträchtigungen (zum Beispiel von draußen wahrnehmbares anhaltendes lautes Stöhnen und Matratzen120
quietschen) und sonstigen Störungen durch Kunden
klagen.
Ein Bordellbetrieb in der Nachbarschaft außerhalb des
eigenen Hauses, der das sittliche Empfinden des Nachbarn verletzt, ansonsten aber nicht zu wahrnehmbaren
Störungen und Beeinträchtigungen führt, löst keine Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche aus und eröffnet keine Mietminderungsrechte. 121 So stellen ein Bordell oder ein Swingerclub in der Nähe des Mietobjekts
keinen Mangel dar, wenn davon keine spezifischen Störungen für die Mieter ausgehen 122 . Trifft sich die SadoMaso-Szene in einem Café in der Nachbarschaft stellt
dies ebenfalls keinen Mangel der Mietsache dar und gibt
dem Mieter kein Minderungsrecht, wenn er lediglich auf
provokativ auftretende, szenetypische gekleidete Besucher des Cafés trifft. 123
Relevante Störungen, die den Befund eines Umfeldmangels auslösen, sind etwa die Einsicht in die Räume
des Bordells vom Nachbargrundstück aus oder die sonstige Wahrnehmungsfähigkeit von Vorgängen im Haus,
ein anstößiges oder schamverletzendes Verhalten der
Bordellkunden außerhalb der Räumlichkeiten oder
Lärmimmissionen durch das mit dem Bordellbetrieb
verbundene erhöhte Kraftfahrzeugaufkommen. 124
Zu beachten ist immer auch die öffentlich rechtliche
Bewertung von Wohnungsprostitution – insbesondere in
festgelegten Sperrbezirken, 125 die wiederum für den zivilrechtlichen Begriff der Ortsüblichkeit vorgreiflich ist.
Liegt das Mietobjekt aber in der „Szene“, ist damit
Ortsüblichkeit eines nachbarlichen Bordellbetriebs zu
bejahen, so scheidet die Annahme eines mietrechtlichen
Sachmangels aus. 126
120
121
AG Berlin-Neukölln, Urteil vom 09.03.2007 - 5 C
141/06, GE 2008, 606
BGH, Urteil vom 12.7.1985 - V ZR 172/84, DWW
1985, S. 231.
122
LG Berlin, Urteil vom 23.09.1999 NZM 2000,
377 = NJW-RR 2000, 601
123
AG Hamburg, Urteil vom 23.03.2006 - 49 C
474/05
124
125
126
Dazu: OLG Oldenburg, Urteil vom 9.1.1998 - 6 U
177/97, WM 1998, S. 164 f.
BVerfG, Beschluss vom 28.4.2009 – 1 BvR 224/07,
NVwZ 2009, 905
AG Hamburg, Urteil v. 22.2.2002 - 47 C 666/00, WM
2002, S. 264: Ein nach Mietereinzug eröffnetes
Fensterbordell in einer in der Nähe der Herbertstraße
gelegenen Mietwohnung berechtigt die Mitmieter
nicht zur Mietminderung. Denn dadurch werden die
übrigen Mieter nicht im vertragsgemäßen Gebrauch
der Mietsache beeinträchtigt. Das Etablissement hatte einen eigenen Eingang, Damit war die Gefahr,
dass andere Mieter oder deren Kinder Kunden im
Treppenhaus begegnen könnten, fast ausgeschlossen. Zudem müssten die Mitmieter damit rechnen,
Prostituierte als Mitmieter zu bekommen, weil die
Wohnung in unmittelbarer Nachbarschaft zur Her-
27/38
Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
13. Drogenberatungsstelle
Zugangsbeschränkende Auswirkungen einer Drogenberatungsstelle mit Drogencafé im Nachbarhaus begründen ein Mietminderungsrecht in Höhe von 50% der
Miete, ohne dass es auf ein Verschulden des Vermieters
an der Einrichtung der Drogenberatungsstelle ankommt. 127 Der Vermieter kann in diesem Falle versuchen, eine Entschädigung vom Betreiber der Drogenhilfe oder vom Vermieter des Drogenhilfezentrums nach §
1004 BGB aus dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs zu erhalten 128 .
Eine Drogenberatungsstelle im Hause eröffnet aber kein
Recht zu Mietminderung, wenn sie bereits vor der Anmietung in der Nachbarschaft vorhanden war 129 , oder
weil der Mangel bei Vertragsabschluss oder der Annahme des Mietobjekts erkennbar war (§ 536b BGB).
Ohne konkrete Störungen durch eine Drogenszene in
der Umgebung bleibt einer Mietminderung ebenfalls
versagt. 130
14. Sonstiger Milieuschutz
Gewährleistungsrechte werden nicht dadurch ausgelöst,
dass die Wohnanschrift des Mieters durch die Nachbarschaft „in Verruf gerät“. Denn der „Ruf“ einer Adresse
ist nichts anderes als der Reflex des mit der Adresse
verbundenen Milieucharakters im öffentlichen Meinungsbild. Ein Anspruch auf Erhaltung des Milieucharakters (Milieuschutz) besteht aber nicht. 131 Dann aber
ist erst recht kein Anspruch darauf denkbar, dass das
hierauf bezogene öffentliche Meinungsbild aufrechterhalten wird. 132
Ob bei der Anmietung von besonders repräsentativen
Wohnungen und Geschäftsräumen oder von Wohnungen in so genannten „Adresslagen“ Abweichendes gilt,
wurde bisher von der Instanzrechtsprechung offen gelassen, ist aber mittlerweile durch den BGH geklärt:
Auch vor dem Hintergrund eines das „einmalige Ambiente“ und die „angenehme Atmosphäre“ hervorhebenden Vermietungsexposés, könne ohne besondere Absprachen aus der bloßen Vereinbarung einer deutlich
127
128
bertstraße und zu einem anderen stadtbekannten
Rotlichtviertel lag.
OLG Hamm, Urteil vom 24.10.1995 – 7 U 171/94,
OLGR Hamm 1996, 76
BGH, Urteil vom 7.4.00 NZM 2000, 979
129
OLG Hamburg, Urteil vom 6.2.02 NZM 2003,
358 = RR 2003, 799 = WuM 2003, 90
130
131
132
LG Düsseldorf, NJW-RR 1995, S. 330, LG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 330 zur „Fixerwiese“ in der
Nachbarschaft
AG Hamburg, Urteil vom 23 März 2006 - 49 C
474/05; zur Verneinung eines Anspruchs auf Milieuschutz vergleiche auch LG Düsseldorf, NJW-RR
1995, 330 – „Fixerwiese“ in der Nachbarschaft; AG
Gronau, WuM 1991, 161 – benachbartes Asylantenwohnheim
AG Hamburg, Urteil vom 23 März 2006 - 49 C
474/05;
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Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
über den örtlichen Spitzenpreisen liegenden Miete noch
keine Verpflichtung des Vermieters abgeleitet werden,
einen bestimmten „Mietermix“ oder ein bestimmtes
„Milieuniveau“ zu bewahren. Ein Mieter habe daher
keinen Anspruch darauf, dass sich im Umfeld seiner
Mieträume nur Kunden oder Besucher anderer Mieter
einfinden, die einer „gehobenen“ Bevölkerungsschicht
angehören oder sich durch ein angenehmes Erscheinungsbild und Verhalten auszeichnen. Die spätere Einrichtung einer Hartz-IV-Behörde mit entsprechendem
Besucherverkehr im selben Bürogebäude mit einhergehender Aufhebung von Zugangskontrollen zum Gebäude sei daher kein Mangel. 133
Auch der Lärm durch Betrunkene, die sich auf einem
angrenzenden Kinderspielplatz in der Nachbarschaft
aufhalten, stellt keinen Umfeldmangel dar und gibt keine Mietminderungsrechte. Denn dem Vermieter kann
nicht angelastet werden, wenn ein Spielplatz in unmittelbarer Nähe der Mietwohnung nicht nur durch spielende Kinder, sondern zweckwidrig auch in den Abendund Nachtstunden durch zum Teil betrunkene und lärmende Erwachsene benutzt wird. Wie das AG Frankfurt/Main 134 ausführt, sei es allgemein bekannt, dass
Kinderspielplätze dazu einladen, als Treffpunkt für Jugendliche und Erwachsene zu dienen und dort auch außerhalb von üblichen Benutzungszeiten Lärm verursachenden Aktivitäten nachzugehen.
15. Kriminelles Umfeld
Ob eine Einbruchserie im Mietobjekt oder in seinem
Umfeld einen Mangel der Mietsache darstellt, der zur
fristlosen Kündigung berechtigt, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Übergriffe Dritter auf
die Mietsache lassen sich zum einen als ein allgemeines
Lebensrisiko des Mieters einordnen, gegen das er sich
durch Versicherungen schützen kann. Zum anderen verliert der Mieter zumindest bei häufigeren Einbrüchen
seinen Versicherungsschutz .Zum dritten kommt es darauf an, ob eine erhebliche und erkennbare Wiederholungsgefahr vorliegt, die durch Besonderheiten des Umfelds bedingt ist. Dann wird ein Mangel mit der Berechtigung des Mieters zur Kündigung nach § 543 Abs. 2
Nr. 1 BGB angenommen. Die Vorschrift gilt auch bei
Mängeln der Mietsache 135 .
Ebenso ist umstritten, ob ein Mangel in diesen Fällen
zumindest dann angenommen werden kann, wenn der
Vermieter keine Sicherheitstechnik nachrüstet. Einerseits soll er nicht verpflichtet sein, großflächige Laden-
133
134
135
BGH, Urteil vom 15.10.2008 - XII ZR 1/07, MDR
2009, 319 = NJW 2009, 664 = NZM 2009, 124; BGH,
Urteil vom 15.10.2008 - XII ZR 2/07, Mietrecht kompakt 2009, 37
AG Frankfurt/Main, Urteil vom 13.3.2009 – 33 C
2368/08, WuM 2009, S. 226
BGH, Urteil vom 18.09.1974 NJW 1974, 2233 –
zu § 542 BGB a. F.
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Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
fenster besonders gegen Einbruch zu sichern 136 , andererseits wird dem Mieter ein Kündigungsrecht wegen
teilweiser Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauches
zugestanden, weil er wegen der innerhalb kürzerer Zeit
mehrfach voraus gegangenen Einbrüche (hier: vier Einbrüche in ein Sachverständigenbüro innerhalb von 3
Monaten), nicht mehr versicherbare Mieträume nutzt;
dies, obwohl der Vermieter schließlich eine Alarmanlage installiert hatte 137 . Mit dem Ansatz eines nur geschuldeten technischen Sicherheitsstandards, der zurzeit
der Errichtung der Mieträume galt, hat das OLG Düsseldorf im Fall eines Hauses aus den 1960er Jahren eine
Nachrüstpflicht des Vermieters hinsichtlich der Einbruchsicherheit verworfen, da die Eingangstüren dem
Standard zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses
genügt haben. Eine Anpassung des Sicherheitsstandards
an aktuelle Normen, wie bei der Gesundheitsgefährdung
durch Schadstoffe, könne der Mieter nicht verlangen 138 .
Auch eine durch die Bausubstanz begründete erhöhte
Einbruchsgefahr in das Mietobjekt kann einen Mangel
darstellen (unzureichend vermauerte Wandöffnung) 139 .
Die Bejahung einer nur abstrakten Gefahr des Eindringens Unbefugter durch die Aufhebung bisheriger Zugangskontrollen zum Gebäude reicht aber nicht aus, um
daraus auf einen Mangel der Mietsache zu schließen. 140
Selbst Sprengstoffanschläge in unmittelbarer Nähe zum
Mietobjekt sollen nicht in jedem Fall zur Annahme eines Umfeldmangels führen dürfen. 141
Dagegen soll die begründete Angst, Opfer krimineller
Nachbarn zu werden, einen Wohnungsmangel begründen. 142 Allerdings hat der Wohnungsmieter gegen den
Vermieter keinen Anspruch auf Maßnahmen gegen
Dritte, deren Verhalten den Mietgebrauch nicht betrifft.
Daher ist der Vermieter nicht verpflichtet, einige Häuser
entfernt wohnende Nachbarn davon abzuhalten, den
Mieter rein persönlich in übler Weise zu beschimpfen,
vor ihm auszuspucken oder ihn mit einem Kantholz zu
bedrohen oder gar zu verletzen. 143 Denn in diesem Falle
richtet sich die Störung nicht gegen den räumlichen Be136
29.09.1997 NZM 1998, 437 = NJW-RR 1998,
944; s. dazu auch AG Schöneberg 09.02.2000
ZMR 2000,683
137
OLG Naumburg, Urteil vom 16.12.1996 - 1 U
175/96, NZM 1998, 438 = NJW-RR 1998, 945
138
OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.06.2002 - 10 U
12/01, NZM 2002, 737 = ZMR 2002, 819
139
140
141
142
143
BGH, Urteil vom 07.06.2006 - XII ZR 34/04, NZM
2006, S. 626
BGH, Urteil vom 15.10.2008 - XII ZR 1/07, MDR
2009, 319 = NJW 2009, 664 = NZM 2009, 124; BGH,
Urteil vom 15.10.2008 - XII ZR 2/07, Mietrecht kompakt 2009, 37
OLG Dresden, Urteil vom 11.6.1999 – 22 U 2401/98,
NZM 2002, S. 165
AG Köln, Urteil vom 04.1.1978 – 152 C 1322/77,
WuM 1980, S. 17 – 25 %
LG Essen, Urteil vom 17.4.1997 - 10 S 646/96, WM
1998, S. 278.
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Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
reich der gemieteten Wohnung und betrifft damit nicht
den Hausfrieden. Dementsprechend besteht keine
Schutzpflicht des Vermieters. Es handelt sich hier um
ein allgemeines Lebensrisiko, wonach man auf offener
Straße Belästigungen, Störungen oder gar Verletzungen
durch Dritte ausgesetzt ist. Der Vermieter ist nicht zur
„Streithilfe“ verpflichtet. Generell haftet er dem Mieter
nicht für Schäden, die er durch andere Mieter oder
durch Dritte erlitten hat. 144
16. Leerstand im Einkaufszentrum
Fritz 145 weist auf Umfeldeinflüsse hin, die sich erheblich auf den geschäftlichen Erfolg eines Einzelhandelsunternehmens in einem Einkaufszentrum oder einer Ladenpassage auswirken, die aber gleichwohl keinen
Mangel der Mietsache darstellen. Dazu gehöre das
Problem des Leerstands im Einkaufszentrum. In Urteilen vom 26.05.2004 146 und vom 21.09.2005 147 musste
sich der BGH erneut mit der Frage befassen, ob der
Auszug diverser Mieter aus einem Einkaufszentrum
bzw. die Nichtannahme des Zentrums durch Kunden das
Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft (Vollvermietung), einen Sachmangel oder nichts von beidem darstellt. Nach Ansicht des BGH kann in der Vollvermietung des Einkaufszentrums bei Mietvertragsabschluss
keine zugesicherte Eigenschaft gesehen werden 148 .
Auch ein Mangel der Mietsache liege nicht vor, wenn
das Einkaufszentrum nicht während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags voll vermietet sei. 149 Die Art der
Belegung des Gesamtobjekts habe weder etwas mit der
Beschaffenheit des im Objekt verbliebenen Mieters zu
tun, noch hafte der Mietsache dadurch ein bestimmter
Zustand an. Dem Mieter könne auch nicht über die Regeln des Fortfalls bzw. der Änderung der Geschäftsgrundlage geholfen werden, 150 da das unternehmerische
Risiko in den Risikobereich des Mieters falle und daher
144
OLG Köln, Urteil vom 23.03.2004 – 22 U 139/03, GE
2005, S. 362 f.
145
Fritz, NZM 2008, 825, 830
146
ZMR 2004, S. 664
147
NJW 2006, S. 899
148
So schon BGH, Urteil vom 16.02.2000, NJW 2000,
S. 1714 ff = NZM 2000, 492 = ZMR 2000, 508 =
WuM 2000, 593 = MDR 2000, 821 m. Anm. Leo und
Urteil vom 19.07.2000 NZM 2000, 1005 = ZMR 2000,
814 = WuM 2000, 593; OLG Naumburg, Urteil vom
31.05.2000 GuT 2002, 15; OLG München, Urteil vom
26.08.1994, NJWE-MietR 1996, 154 = ZMR 1996,
256
149
BGH, Urteil vom 16.02.2000 NZM 2000, 492 =
ZMR 2000, 508 = WuM 2000, 593 = MDR 2000,
821 m. Anm. Leo und 19.07.2000 NZM 2000, 1005
= ZMR 2000, 814 = WuM 2000, 593; OLG Naumburg, Urteil vom 31.05.2000 GuT 2002, 15; OLG
München, Urteil vom 26.08.1994 NJWE-MietR
1996, 154 = ZMR 1996, 256
150
Siehe dazu Fritz, Gewerberaummietrecht Rn
314
31/38
Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
nicht Geschäftsgrundlage sein könne. 151 Im Gegenteil
habe der Mieter das Verwendungsrisiko zu tragen, 152
wie auch das Risiko der Verlagerung von Kundenströmen 153 oder das Hinzukommen eines Konkurrenzunternehmens in der Nachbarschaft, es sei denn, es liegt eine
Konkurrenzschutzverletzung des Vermieters vor. 154
Auch eine Existenzgefährdung des Mieters ändert an
dieser Beurteilung nichts 155 . Bei der Vermietung von
Ladenlokalen in einem Einkaufszentrum verbleibt es
deshalb bei dem alten Grundsatz, dass der Vermieter
das Risiko der Vermietbarkeit der Räume und der Mieter das Risiko der Rentabilität seines Gewerbes in den
Mieträumen trägt 156 . Deshalb ist der Vermieter auch für
die Kundenfrequenz nicht verantwortlich.
Wird aber ein bestimmter Branchenmix, die Belegung
des Einkaufszentrums oder das Vorhandensein eines
Lebensmittelsupermarktes z. B. als „Ankermieter“ vertraglich vereinbart, ist die Mietsache im Falle des Leerstandes im Einkaufszentrum mangelhaft. Dann liegt
kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor 157 . Ändert
sich der Kundenstrom in einem Einkaufszentrum durch
Bauarbeiten, hat der Mieter jedoch kein Recht zur
Mietminderung 158 .
151
Siehe Fn 41 bis 43 und OLG Düsseldorf, Urteil
vom 07.12.1995 NJWE-MietR 1996, 154; OLG
München, Urteil vom 28.04.1995 NJWE-MietR
1996, 156; OLG Celle, Urteil vom 13.03.1996
NJW-RR 1996, 1099 = NJWE-MietR 1996, 226
Ls.; Staudinger/Emmerich Vorbem. zu § 536 BGB
Rn. 24 m.w.N.
152
BGH, Urteil vom 1. 7. 1981 NJW 1981, 2405;
OLG Düsseldorf 17. 9. 2002 GuT 2003, 59 – Kundenzahl im Fitnesscenter; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 14.11.1994 OLG-Report Frankfurt 1995, 1;
OLG Rostock, Urteil vom 30. 4. 1998 MDR 1999,
477; OLG Celle, Urteil vom 02.12.1998 MDR 1999,
799; OLG Naumburg, Urteil vom 13. 12. 1996 NZM
1998, 373 = WuM 1997, 675
153
OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.02.2004 GuT
2004, 165
154
Hinweisend: Fritz, NZM 2008, 825, 830
155
OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.1997 ZMR
1998, 218; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2003
– I-10 U 69/03, GuT 2004, S. 53
156
So schon BGH, NJW 1981, S. 2405); a. A. nur
OLG München (Urteil vom 02.07.1999 NZM 2000,
189) im Falle eines Buchladens, der innerhalb einer aufgegebenen Postfiliale lag, und in dem auf
Grund einer Auslegung des Vertrages ein engen
wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen beiden
Geschäften angenommen wurde
157
OLG Frankfurt/M. Beschluss vom 17.06.1999
ZMR 1999, 700; OLG München, Urteil vom
02.07.1999 ZMR 1999, 707
158
OLG Dresden, Beschluss vom 24. 10. 2000
NZM 2001, 336 = NJW-RR 2001, 727.
32/38
Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
17. Wachsende Konkurrenzdichte
Den umgekehrten Fall beschreiben neu hinzukommende
Gewerbemieter oder auch der Vermieter selbst, wenn in
derselben Branche gearbeitet wird. So verletzt ein Vermieter den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz,
wenn er auf demselben Grundstück einen Konkurrenzbetrieb (hier: Kfz-Werkstatt in 5m Entfernung) eröffnet.
Der Mieter darf dann die Miete mindern, hier um
25% 159 .
Sowohl beim Leerstand als auch bei wachsender Konkurrenzdichte ist wieder ein anderer Ansatz zu verfolgen, wenn der Mietinteressent ausdrücklich nach der
Vermietungssituation in einem Einkaufszentrum gefragt
hat oder sonst zu erkennen gegeben hat, dass Art und
Umfang der Belegung (Branchenmix) für ihn von ausschlaggebender Bedeutung für die Mietentscheidung
ist 160 . Dann kommt es darauf an, ob der Vermieter seine
(vor-)vertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat. Das
OLG Dresden nahm dies an, wenn sich durch geplante
Bauarbeiten die Kundenströme innerhalb des Einkaufszentrums mit nachteiliger Auswirkung auf den Laden
des Mieters ändern 161 . Freilich muss dies für den Vermieter vorab erkennbar gewesen sein. Andernfalls
scheidet eine Pflichtverletzung, zumindest aber eine Zurechnung von Verschulden aus.
18. Publikumsandrang im Haus und in
der Nachbarschaft
Die erhebliche Steigerung des Besucherverkehrs und
der Wegfall von Zugangskontrollen führen nicht zu einem Mangel der Büroräume, auch wenn für diese
hochpreisige Bürofläche im Exposé mit einem „außergewöhnlichen Bürogebäude mit einmaligem Ambiente“
geworben wurde. Dies hielt der BGH 162 abweichend zur
Vorinstanz 163 in einem Fall fest, in dem nach Abschluss
des Büromietvertrags von der 2. bis zur 4. Etage an die
Agentur für Arbeit vermietet wurde, die dort eine
Suchtberatungsstelle, die Schuldnerberatung und die sogenannte Hartz-IV-Behörde unterbrachte, in der Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger betreut wurden, was zu einem Andrang von bis zu 500 Besuchern
täglich führte.
Wird ein Konsulat von Flüchtlingen aufgrund einer bestimmten politischen Situation geradezu belagert, steht
159
KG, Urteil vom 16.4.2007 – 8 U 199/06, MDR 2007,
S. 1250
160
BGH , Urteil vom 16.02.2000 NZM 2000, 492 =
ZMR 2000, 508 = WuM 2000, 593 = MDR 2000,
821
161
OLG Dresden, Urteil vom 24.10.2000 NZM
2001, 336 = NJW-RR 2001, 727
162
163
BGH, Urteil vom 15.10.2008 - XII ZR 1/07, MDR
2009, 319 = NJW 2009, 664 = NZM 2009, 124; BGH,
Urteil vom 15.10.2008 - XII ZR 2/07, Mietrecht kompakt 2009, 37
OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.12.06, NZM
2007, 163 = ZMR 2007, 272 m.Anm. Schläger
33/38
Umweltmängel und Umfeldmängel im Mietrecht homepage.doc
dem Mieter in der Nachbarschaft eine Mietminderung
zu 164 . Trotz des starken Besucherandrangs zeigt sich
kein Zugangsmangel, sondern ein Mangel im Umfeld
des Mietobjektes, der sich aus der Parkplatzsituation,
der Sauberkeit in der Umgebung (Hinterlassung von
Müll und Fäkalien), der Lärmbelästigung etc. ergibt.
Hier zeigt sich wiederum die schwierige Abgrenzung
zwischen unmittelbarer und mittelbarer Einwirkung eines Ereignisses auf das Mietobjekt, die immer nur im
Einzelfall geprüft werden kann. 165
19. Zugangsmängel 166
Zugangsmängel führen ohne Rücksicht darauf zu mietrechtlichen Gewährleistungslagen, ob die Mieträume
selbst vertragsgerecht sind. Sie bestehen, wenn der Zugang zum Mietobjekt entfallen ist, oder so erheblich behindert wird, dass er den Kunden eines Ladens nicht
mehr zugemutet werden kann 167 .
Die Abgrenzung zwischen einem Umweltmangel und
einer nur mittelbaren Beeinträchtigung des Geschäfts,
die zum wirtschaftlichen Risiko des Mieters zählt, kann
im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Wird der Zugang unterbrochen und kann es deshalb nicht mehr erreicht werden, ist das Mietobjekt nicht mehr gebrauchstauglich und daher mangelhaft. Das LG Chemnitz stellt
dem den Fall gleich, in dem die Belieferung über den
Hof des Ladengeschäfts entfallen ist und die Ware
nunmehr von der Straße aus durch den Laden transportiert werden muss 168 . Wird bei Gewerbemietenobjekten
der eingelaufene“ in der Kundschaft bekannte Zugang
durch Bauarbeiten behindert oder abgeschnitten, ist der
Zugang aber durch Nutzung eines anderen Eingangs
weiter ungehindert möglich, besteht kein Zugangsmangel. Das Abreißen des sonst üblichen Käuferstroms
durch die Bauarbeiten gehört unabhängig von den dadurch eintretenden - hohen - Umsatzeinbußen zum wirtschaftlichen Risiko des Ladeninhabers, das dieser allein
zu tragen hat 169 . Dem wird der Fall gleichgestellt, das
sich die Kundenströme durch Bauarbeiten des Vermieters in einem Einkaufszentrum ändern, und ein bestimmter Zugang und dadurch vorgeprägt eine bestimmte Richtung im Kundenstrom vertraglich nicht besonders abgesichert ist. Ebenso stellt es keinen Fehler eines
164
AG München, Urteil vom 22.3.01 - 453 C
7957/00, NZM 2001, 809
165
166
hinweisen: Fritz, NZM 2008, 825, 830
Haase, Beeinträchtigungen als Mangel bzw. als Form
der Nichtgewährung oder Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs von Gewerberaummietobjekten, ZMR 1999, 448
167
OLG Dresden, Urteil vom 18.12.1998 NZM
1999, 317 = NJW-RR 1999, 448 = WuM 1999, 158
= ZMR 1999, 241 - das Ladenlokal konnte nur
noch über einen Brettersteg erreicht werden.
168
LG Chemnitz, Urteil vom 28.09.01 ZMR 2002,
350
169
OLG Dresden, Urteil vom 24.10.00 NZM
2001,336= NJW-RR 2001,727
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vermieteten Ladenlokals dar, wenn der Zugang zu einem Ladenlokal durch normale Straßenbauarbeiten behindert ist 170 oder der Blick auf die Schaufenster ständig
durch ordnungsgemäß parkende Fahrzeuge verstellt
wird. 171
Geänderte Verkehrsanbindungen des Mietobjekts eröffnen keine Mangellage und sind kein Grund zur fristlosen Kündigung 172 . Diese Aussage trifft für die geänderte Richtung einer Einbahnstraße genauso zu wie für die
Einführung einer verkehrsberuhigten Zone. 173 Das Risiko dadurch erlittener Umsatzeinbußen wird dem Mieter
zugewiesen, woraus folgt, dass mangels Annahmefähigkeit eines Sachmangels weder ein Recht zur Mietminderung besteht, noch ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angenommen werden kann. Nach
Fritz 174 soll dies anders sein, wenn durch Veränderung
der Verkehrsführung ein Hotel an einer bisher ruhigen
Straße, die zur Durchgangsstraße wird, in der Kundenfrequenz erheblich zurückgeht.
Mit Straßenbau muss der Mieter vonRäumen in innerstädtischer Lage rechnen 175 . Es liegt ein vorhersehbarer
Mangel vor 176 . Nach einschränkenderer Auffassung sollen Straßenbauarbeiten, die den Zugang zum Laden nur
behindern und nicht ganz abbinden, erst nach längerer
Dauer (von etwa 6 Monaten) zu einem Mangel der
Mietsache führen 177 . Abzulehnen ist dagegen eine Entscheidung des V. Senats des BGH 178 , der im Gegensatz
zur Rechtsprechung des für das Gewerberaummietrecht
zuständigen XII. Senats eine Zugangserschwerung, fehlende Infrastruktur und ein wenig attraktives Erschei170
OLG Düsseldorf, DWW 1998, S. 20, das in diesem
Fall nur auf Entschädigungsansprüche gegen die öffentliche Hand verweist; differenzierend: Buch, Zugangsbehinderung als „Umweltfehler“, NZM 2000, S.
693 ff; einen Mangel bejahend: Haase, Zugangsbeeinträchtigungen als Mangel bzw. als Form der
Nichtgewährung oder Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs von Gewerberaummietobjekten,
ZMR 1999, S. 448 ff
171
OLG Düsseldorf, MDR 1991, S. 446
172
LG Düsseldorf, Urteil vom 10.06.2003 NZM
2003, 899 = NJW-RR 2003, 1594
173
OLG Celle , Urteil vom 13.03.1996 NJW-RR
1996, 1099
174
Fritz, NZM 2008, 825, 831
175
OLG Hamburg, Urteil vom 06.12.2000 WuM
2003, 146; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.1997
NZM 1998, 481 = NJW-RR 1998, 1236 = MDR
1998, 768 ZMR 1999, 471 und Urteil vom
24.02.1994 NJW 1994, 3173
176
Vgl. unter II. 3. d.
177
OLG Naumburg, Urteil vom 27.03.2001 GuT
2002, 14; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage
2004, Rn 223 ff
178
BGH, Urteil vom 17.10. 03 - V ZR 84/02, NZM
04,100, ablehnend auch: Fritz, NZM 2008, 825,
831 Wolf/Eckert/Ball Rn 224
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nungsbild ohne weiteres als Mangel der Mietsache begreift.
Wie bereits dargelegt 179 , führt eine U-Bahnbaustelle
nach Auffassung des OLG Köln 180 auch dann zur in
Mangellage, wenn der Vermieter den U-Bahnbau dulden muss. Die obigen Ausführungen zur Annahme eines
Mangels und zu dessen Voraussetzungen gelten für den
hier betrachteten Fall des Zugangsmangels analog.
Dem Vermieter wird eine Aufklärungspflicht vor Vertragsabschluss aufgegeben, wenn durch Straßensperren
ein Laden oder ein Dienstleistungsunternehmen mit
Publikumsverkehr nicht oder nur sehr eingeschränkt erreichbar sind 181 .
III.. Ausschluss der Mietminderung
durch Formularklausel
Aus der weitgehenden gesetzlichen Einstandspflicht für
Sachmängel folgend liegt es im Bestreben der Vermieterseite, Minderungsmöglichkeiten vertraglich zumindest zu beschränken, wenn nicht gar dem Mieter zu
entwinden. § 536 Abs. 4 BGB verbietet den vertraglichen Ausschluss oder eine Beschränkung des Mietminderungsrechts zum Nachteil des Wohnraummieters.
Deshalb sind in diesem Bereich entsprechende Formularklauseln genauso wenig denkbar wie Individualabreden.
Das Recht zur Mietminderung kann nur bei Geschäftsraummietverträgen formularmäßig eingeschränkt werden, solange es sich nicht um rechtskräftig festgestellte
oder unstreitige Gegenforderungen handelt und dem
Mieter die Möglichkeit verbleibt, seine Rechte durch
gesonderte Klage geltend zu machen 182 . Entscheidungsreife Gegenforderungen werden dem gleichgestellt.
Denn für Gewerbemietverhältnisse gilt § 536 Abs. 4
BGB ausdrücklich nicht. Hier ist das Minderungsrecht
in § 536 BGB in den Grenzen von §§ 536 d, 138, 242
BGB dispositiv. Auch AGB-rechtliche Schutznormen
stehen speziell für gesetzliche Mietminderungsrechte
nicht zur Verfügung 183 . Deswegen kann im Bereich der
179
Vgl. unter II. 3. e)
180
76 OLG Köln NJW 1972, 1814; so auch KG, Urteil vom 12.11.07 GuT 2007, 436
181
AG Berlin-Hohenschönhausen NJWE-MietR
1997, 57; Reinstorf in Bub/Treier/ II 192
182
183
Fritz, Gewerberaummietrecht, Rdnr. 171b m. w. N.
zur Rechtsprechung
dazu ausführlich, Derleder, Die Inhaltskontrolle von
Mietzahlungs- und Aufrechnungsklauseln, WuM
2007, 599 ff; ders., Die Inhaltskontrolle von Mietzahlungs- und Aufrechnungsklauseln, Dokumentationsband, Weimarer Immobilienrechtstage 2007, 137 ff;
Leo / Ghassemi-Tabar, Haftungs- und Minderungsausschluss im Gewerberaummietrecht – Zulässigkeit
der Klauseln, alternative Vertragsgestaltung, Vortrag
anl. des Deutschen Mietgerichtstags 2010, Dortmund; Horst, Abkopplungsklauseln im Gewerbemietrecht, 2006, S. 97 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und Literatur
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Gewerbemiete die sachmängelrechtliche Gewährleistungs- und Garantiehaftung des Vermieters auch
durch Formularklausel eingeschränkt werden.
So ist bei Geschäftsraummietverträgen z.B. eine Formularklausel wirksam, wonach der Mieter ein Minderungsrecht nicht ausüben darf, weil damit ein Rückforderungsanspruch nach Bereicherungsrecht nicht ausgeschlossen ist, der Mieter also die Miete aus diesem
Rechtsgrund zurückfordern kann, und deshalb eine unangemessene Benachteiligung des Mieters ausscheidet 184 . Seine Gegenrechte können vom Zahlungsanspruch des Vermieters abgekoppelt werden; der Vermieter kann also trotz der Minderungssituation zunächst
Zahlung der vollen Miete verlangen, solange dem Mieter bezüglich des überzahlten Anteils ein Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB bleibt. Damit wird er in
eine Rückzahlungsklage gedrängt. Das gilt grundsätzlich auch bei Vermögensverfall des Vermieters mit einher gehender
Gefährdung des
Rückzahlungsanspruchs 185 .
Entgegen der Instanzrechtsprechung 186 hat aber der
BGH 187 entschieden, dass eine Formularklausel gegen §
307 BGB verstößt, nach der eine Minderung der Miete
ausgeschlossen ist, wenn durch Umstände, die der Vermieter nicht zu vertreten hat (z.B. Verkehrsumleitung,
Straßensperre, Bauarbeiten in der Nachbarschaft u.a.)
die gewerbliche Nutzung der Räume beeinträchtigt wird
und sich daraus Umsatz- und Geschäftsrückgänge ergeben, Denn dies legt der BGH dahin aus, dass dem Mieter auch sein Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB
genommen werden soll. Damit ist die zuvor vereinzelt
vertretene Auffassung, nach der im gewerblichen Bereich ein vollständiger Ausschluss der Minderung wirksam ist, obsolet 188 .
184
185
186
187
188
KG Berlin, Urteil vom 12.11.2007 – 8 U 194/06, GuT
2007, S. 436, 438; KG Berlin, Urteil vom 14.02.2002
– 8 U 8203/00, GE 2002, S. 666 f = NZM 2002, S.
526; BGH, Urteil vom 20.06.1984 – VIII ZR 337/82,
BGHZ Bd. 91, S. 375 = NJW 1984, S. 2402; BGH,
Urteil vom 27.01.1993 – XII ZR 141/91, NJW-RR
1993, S. 519 (520); OLG Hamm, Urteil vom
11.02.1998 – 30 U 70/97, NZM 1998, S. 438 = NJWRR 1998, S. 1020; KG Berlin, Urteil vom 02.11.2000
– 8 U 4206/99, GE 2002, S. 257 f; LG Berlin, Urteil
vom 28.08.2001 – 64 S 1070/01, GE 2002, S. 397
OLG Stuttgart, Urteil vom 29.9.2008 – 5 U 65/08,
NZM 2009, 32.
OLG Hamburg, Urteil vom 02.04.2003 – 4 U 57/01,
GuT 2004, S. 168; LG Hamburg, Urteil vom
16.06.2004 – 311 O 291/03, NZM 2004, S. 948; AG
Hamburg, Urteil vom 11.11.2004 – 49 C 172/04,
NZM 2005, S. 222
BGH, Urteil vom 12.3.2008 – XII ZR 147/05, NJW
2008, S. 2254 = GE 2008, 862 = NZM 2008, 522 =
ZfIR 2008, 491 = ZMR 2008, 693 = GuT 2008, 278 ;
BGH, Urteil vom 23.4.2008 – XII ZR 62/06, NJW
2008, 2497 = NZM 2008, 609 = GuT 2008, 280 ;
andeutend schon Kraemer, in: Bub/Treier, 3. Auflage
1999, Teil III, Rn. 1373; weitergehend aber: OLG
München, Urteil vom 24.09.1986 – 7 U 6077/85,
ZMR 1987, S. 16
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IV. Fazit
Die Prüfung und Annahme von Umwelt- und Umfeldmangeln erweist sich als komplex und setzt eine genaue
Kenntnis der zu den einzelnen Fallgruppen ergangenen
Rechtsprechung voraus. Ihre Bedeutung wird mit einer
zunehmend sensibilisierten Einstellung zur Umwelt
steigen und die Gerichte beschäftigen. Der Komplexität
der Sach- und Rechtsprüfung muss unter dem Gesichtspunkt des Prozessrisikos für den Mandanten - sei er
Mieter oder Vermieter - und des Regressrisikos für den
beratenden Rechtsanwalt mit besonderer Aufmerksamkeit begegnet werden. Dies erfordert je nach Lage und
Situation des Mietobjekts im Quartier bereits eine vertragsgestaltende Prophylaxe.
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