- Cappella Aquileia
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KULTUR Dienstag, 10. Juni 2014 21 Erinnerungen in Es-Dur Das Eröffnungskonzert der Jubiläumsspielzeit der Heidenheimer Opernfestspiele im ausverkauften Rittersaal Solistin beim Konzert der Jungen Philharmonie am 22. Juni in Heidenheim: die aus Heubach stammende junge Hornistin Marlene Pschorr. Hornkonzert mit Marlene Pschorr 22. Juni in Heidenheim Die junge Hornistin Marlene Pschorr wird die Frühjahrskonzerte 2014 der Jungen Philharmonie Ostwürttemberg mit dem berühmten Hornkonzert in B-Dur op. 91 von Reinhold Glière bereichern. Auf dem Programm stehen bei diesem Konzert außerdem noch die Ouvertüre zu dem wohlbekannten Operettenschlager „Die Fledermaus“ von Johann Strauß, Peter Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur op. 35 sowie die erste Sinfonie von Johannes Brahms. In Heidenheim werden die Junge Philharmonie Ostwürttemberg und Marlene Pschorr am Sonntag, 22. Juni, ab 19 Uhr im Festsaal der Waldorfschule zu erleben sein. Marlene Pschorr, Jahrgang 1993, in Heubach im Ostalbkreis aufgewachsen, studierte an der Musikhochschule Stuttgart und sammelte erste Orchestererfahrung im Landes- und Bundesjugendorchester sowie im European Union Youth Orchestra, wo sie mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Kirill Petrenko oder Krzysztof Urbański zusammenarbeitete. Derzeit ist Pschorr Akademistin im Radiosinfonieorchester des SWR in Stuttgart. Darüber hinaus erhielt sie viele Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben. In diesem Jahr gewann sie den Förderpreis des RichardStrauss-Wettbewerbs und wurde Stipendiatin beim Deutschen Musikwettbewerb. Die Sonne. Der Mond. Die Sterne. Und 860 Besucher. Alles, was Platz hatte im oder am Firmament über dem Rittersaal war am Freitag erschienen, um dem Anlass einen angemessenen Rahmen zu verleihen. 50 Jahre Opernfestspiele: Schöner als mit diesem auch als Reise in die Vergangenheit angelegten Eröffnungskonzert hätte die Jubiläumssaison nicht beginnen können. Und deren erster Abend begann, wie jener Urabend anno 1964 begonnen hatte: in Es-Dur. Opernfestspieldirektor Marcus Bosch und die „Cappella Aquileia“ eröffneten das Konzert mit Wolfgang Amadeus Mozarts Ouvertüre zur Oper „Zauberflöte“, mit der Helmut Weigel und ein nur kleines Kammerorchester am 6. September 1964 jene erste Schloss-Serenade im Rittersaal begonnen hatten, die mit Fug und Recht als Keimzelle der Opernfestspiele gilt. Damals wie heute Mozart also – und damals wie heute mit einem Heidenheimer Orchester, das sich auf die in diesem Jahr 125-jährige Tradition der Heidenheimer Stadtmusik berufen kann. Das alles muss einer Stadt dieser Größe, man kann das nicht oft und selbstbewusst genug wiederholen, erst mal jemand nachmachen. Aus einer Stadt ganz anderer Größe, von der man annimmt, dass in ihr nun wirklich alles möglich ist, und von der sogar behauptet wird, dass sie niemals schlafe, aus New York also, war extra für diesen Abend Eduardo Villa angereist, ein Tenor, der hier in Heidenheim in den Spielzeiten 1998, 2000 und 2001 nicht nur als Otello, als Radames in „Aida“ und als Don Carlo überragend seinen Mann gestanden hatte, sondern als einer, dem der Schalk im Nacken sitzt, auch für viele erinnerungswürdige Geschichte außerhalb des Rittersaales gut gewesen war. Zum Beispiel für die, als der passionierte Sammler von Hawaii-Hemden als Besucher in die Nationaloper nach München gefahren war, um „Aida“ zu sehen, und dann, vom Intendanten Sir Peter Jonas dort im Parkett sitzend entdeckt, nach der Pause dann als Radames auf der Bühne gelandet war, um die Vorstellung für einen sich nicht mehr ganz wohlfühlenden Kollegen zu Ende zu singen. Am Freitag in Heidenheim kam er zunächst als Leoncavallos Canio auf die Bühne, um Applaus. Applaus: Ashley Thouret, Michaela Maria Mayer, Bruno Balmelli, Matias Tosi, Marcus Bosch, Eduardo Villa, Ann-Katrin Naidu, Vincent Wolfsteiner (von links) und die „Cappella Aquileia“ beim Eröffnungskonzert der Opernfestspiele im Rittersaal. Foto: Jennifer Räpple das berühmte „Vesti la giubba“, also jenes „Lache, Bajazzo“ zu stemmen, was ihm dann nicht ganz so mühelos gelang wie im zweiten Teil des Abends, als die Sterne in der Tat schon am Himmel aufzogen, Cavaradossis „E lucevan le stelle“ aus Puccinis „Tosca“. Gar schon aus dem Jahr 1987 datiert der erste Auftritt des immer noch flexibel klingenden Baritons Bruno Balmelli in Heidenheim. Und 27 Jahre später erschien er am Freitag wie damals auf der Bühne: als Quacksalber Dulcamara als Gaetano Donizettis „L’elisir d’amore“. Den Liebestrank hatte er in einer Plastikflasche im Rucksack mitgebracht – und das Trompetensolo in seiner Arie spielte er einfach selber. Mit seinem zweiten Auftritt nach der Pause erinnerte der Schweizer dann an seinen letzten in Heidenheim: 2004 hatte er in einer Wiederaufnahme noch einmal den Titelhelden in Verdis „Rigoletto“ gegeben, dessen Premiere er 2002 gerettet hatte, als er, kurzfristiger als kurzfristig, für den erkrankten Jacek Strauch eingesprungen war. Und schon fiel einem ein, wie damals in den Spielzeiten 2002 und 2003 „La maledizione“, der Fluch also, der in „Rigoletto“ die heimliche Hauptrolle spielt, jenen Heidenheimer Rigoletto heimgesucht hatte: In zwölf Vorstellungen hatten seinerzeit sage und schreibe sieben verschiedene Baritone den buckligen Hofnarren gegeben, weil irgendwem immer irgendwas dazwischengekommen war. Die Mezzosopranistin AnnKatrin Naidu hatte 1998 an der Seite von Eduardo Villa die Emilia in „Otello“ gesungen. Diesmal überzeugte sie mit einer Arie der Titelheldin aus Camille Saint-Saëns „Samson et Dalila“ deutlicher als mit der Habanera aus Bizets „Carmen“, bei der Marcus Bosch und der den ganzen Abend über großartig, freudig engagiert und dynamisch phantastisch flexibel agierenden „Cappella Aquileia“ beinahe das Kunststück gelungen wäre, in Konkurrenz zu Richard Wagners „unsichtbarem Orchester“ das „unhörbare Orchester“ zu erfinden, so fein wurde hier im Pianissimo-Bereich gearbeitet. Michaela Maria Mayer brillierte sodann mit der höchst diffizilen Arie der Giulietta aus des Belcanto-Meisters Vincenzo Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“, ehe der Auftritt kam, der das Publikum noch vor der Pause von den Sitzen riss. Bassbariton Matias Tosi, 2005 als Leporello und 2006 als Papageno der Publikumsliebling der Heidenheimer Festspielbesucher, zelebrierte die rasend komische Auftrittsarie des Figaro aus Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“ à la Naturereignis. So, wie man ihn halt kennt: Einmal Liebling, immer Liebling. Ashley Thouret, die wie Michaela Mayer auch, dieses Jahr die Nedda und die Lola“ in „Bajazzo“ und „Cavalleria“ singen wird, gefiel im von zahlreichen Zugaben von Verdi bis Jacques Offenbach verlängerten zweiten Teil dann noch sehr mit dem „Ave Maria“ der Desdemona aus „Otello“. Und Vincent Wolfstei- ner, der „Fidelio“-Florestan aus dem Jahr 2011, hinterließ einen riesigen Eindruck als Wagners Siegmund aus der „Walküre“ und ließ bei „Ein Schwert verhieß mir die Vater“ mit grandios langen Wälse-Rufen und bei „Winterstürme wichen dem Wonnemond“ keine Wünsche offen. Exquisit auch hier noch einmal die „Cappella“, die unter dem intelligent gestaltenden Dirigat Marcus Boschs höchste Wagnertauglichkeit an den Tag legte und die Siegmund-Arien ungemein agil und flexibel in ein regelrechtes Waldweben einwickelte. Das klang dann schon noch einmal anders als die FCH-Hymne im Zugabenteil, eine nett gemeinte Gratulationsgeste an Heidenheims Aufstiegsfußballer, die aber, wenn auch hübsch instrumentiert, bei solcher Gelegenheit nicht nur musikalisch eher aus dem Rahmen fiel. Mal schauen, was sich nun der FCH einfallen lässt, um die Oper zu feiern . . . Egal: Die Opernfestspiele haben begonnen. So kann’s weitergehen! Manfred F. Kubiak „Liebestod“ mit Tempolimit Ein Wagner- und Verdi-Abend mit Dörte Maria Packeiser (Orgel) und Martina Langenbucher (Sopran) in Heidenheims Pauluskirche Heidenheim hat’s in sich. Musikalisch sowieso. Und am Pfingstwochenende hatte die Stadt sogar eine spezielle Art von Richard-Wagner-Festspielen im Programm. Das begann am Freitagabend im Rittersaal beim Eröffnungskonzert der Opernfestspiele – und das wurde am Sonntag in der Pauluskirche bei einem ganz und gar nicht alltäglichen Abend mit der Sopranistin Martina Langenbucher und der Organistin Dörte Maria Packeiser fortgesetzt und beendet. Im Rittersaal am Freitag war der spektakuläre dritte Aufzug von Wagners „Walküre“, zumindest was dieser für Tenor und Orchester hergibt, zu glanzvollen Ehren gekommen. Am Sonntag dann ging’s, inklusive zweiter Abstecher zu Giuseppe Verdi, um Wagners „Lohengrin“, „Tannhäuser“, „Parsifal“ und „Tristan“. Nur mit Gesang und Orgel. Wo gibt’s denn so was? Dementsprechend groß war dann auch die Neugier des für einen so heißen Pfingstsonntagabend sehr vielköpfigen Publikums. Und, dies gleich vorweg: Dörte Maria Packeiser und Martina Langenbucher verdienten sich den großen Beifall am Ende mit Fug und Recht. Denn wann und wo erhält man schon auch nur einmal bloß die Chance, sich auf diese Art und Weise insbesondere mit der Musik Wagners auseinanderzusetzen? Das Publikum kam insofern, wenn man so will, regelrecht in den Genuss eines Experiments. Eines Experiments, das erst einmal gewagt sein muss, und das, dies sei hinzugefügt, nur Könner ihres Fachs wagen. Ein Fall für Packeiser und Langebucher also, die, gemeinsam mit dem Publikum, wagten – und so auch gewannen. Gewannen auf verschiedene Arten und Weisen. So noch nie gehörte Einblicke – aber auch Einsichten. Und dazu gehörte, dass Wagners Musik fürs Opernhaus, nicht für die Kirche komponiert wurde. Und auch nicht für Orgel. Wer da die Opulenz, die Klangfülle, ja den Rausch, den ein voll besetztes WagnerOrchester zu transportieren oder auszulösen imstande ist, vermisste, der tat damit der bis an die Grenzen des Möglichen gehenden und die verschiedenen Orgelbearbeitungen glänzend und dynamisch wunderbar subtil interpretierenden Kirchenmusikdirektorin Dörte Marie Packeiser sicherlich nicht Unrecht. Denn selbstverständlich fehlt es dem Instrument Orgel am Ende immer an der Beweglichkeit, der Wendigkeit eines Orchesters. Und dieses Manko entzog so manchem, was in der Pauluskirche erklang, mal mehr, mal weniger etwas von der Substanz, die einem Wagner-Abend Kümmerten sich um Wagners und Verdis Frauen: Dörte Maria Packeiser und Martina Langebucher. Foto: Jennifer Räpple in der Oper oder gar in Bayreuth an orchestralen Wundern innewohnt. Legatobögen etwa, wie sie dort nötig und möglichen sind, kann die Orgel nicht leisten, was dann, wie in der Pauluskirche, manches ein wenig eckig in den Übergängen erscheinen ließ. Hinzu kommt, dass die Orgel auch nicht jedes Tempo eines Orchesters gehen kann, was dann zwangsläufig so auch den Arien anzuhören war. Und hinzu kommt dann noch, dass der mächtige Hall in der Pauluskirche auch der gesanglichen Darbietung nicht unbedingt zuträglich war. Viele Farben flossen hier einfach ineinander über, ließen die eindeutig große, schön geführte und gestaltende Stimme der Sopranistin unverdientermaßen immer etwas konturlos im Raum hängen. Schade. Aber auch hier gilt: Die aus Steinheim am Albuch stammende, nun in Berlin lebende und derzeit als Ortrud im „Lohengrin“ am Theater in Coburg einige Furore machende Martina Langenbucher muss man in der Oper hören, und Elsas, Elisabeths, Isoldes Auftrittsorte sind nicht die Kirchen dieser Welt. Dort ist schon eher das intime „Ave Maria“ der Desdemona aus Verdis „Otello“ angesiedelt, das denn auch insgesamt am besten zum Ort dieses Konzertes passte und sich dort auch am besten aufgehoben anhörte. Das „Mor- rò“ der Amelia aus Verdis „Maskenball“ hinwiederum litt, neben Elsas „Einsam in trüben Tagen“ aus „Lohengrin“ am meisten unter dem bereits erwähnten, aber so einfach eben hinzunehmenden Tempolimit. Wohingegen Elisabeths „Gebet“ aus „Tannhäuser“ und Isoldes „Liebestod“ aus „Tristan und Isolde“ unter den gegebenen Umständen und Möglichkeiten schon wieder prächtig klangen. Ebenso das von Sigfrid KargElgert (1877 – 1933) für Orgel bearbeitete Vorspiel zum „Parsifal“, das sogar Franz Liszts Bearbeitung des Pilgerchors aus „Tannhäuser“ toppte und sich den Bearbeitungen der „Lohengrin“und „Tristan“-Vorspiele durch den Engländer Edwin H. Lemare (1866 – 1834) durch den deutlich besser getroffenen Wagner-Ton in der Wirkung überlegen zeigte. So, und jetzt? Allem Gesagten eingedenk bleibt, damit man sich nicht falsch versteht, unter dem Strich ein höchst inspirierender Abend, dem man, und sei’s zu musikologischen Diskussionszwecken mit anderen oder nur mit sich selber, noch eine gute Weile nachlauschen wird. Und insofern hatte es am Pfingstwochenende Heidenheim musikalisch in der Tat mal wieder in sich, ganz gleich ob mit Bewährtem, wie am Freitag im Rittersaal, oder mit Gewagtem in der Pauluskirche. Langeweile ist woanders. Manfred F. Kubiak