GGG Berlin Fritz Karsen Schule Onkel – Bräsigstr. 76 – 78 12359

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GGG Berlin Fritz Karsen Schule Onkel – Bräsigstr. 76 – 78 12359
GGG Berlin
Fritz Karsen Schule
Onkel – Bräsigstr. 76 – 78
12359 Berlin
Tel. 6090010
Fax 60900115
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Berlin, 20. Januar 2016
Stellungnahme der GGG Berlin zum Antrag der Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus
Drucksache 17/2564
Das Probejahr an Gymnasien abschaffen! – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land
Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen der GGG Berlin, ehemals Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule Berlin, heute
Gemeinnützige Gesellschaft der Schulen des Gemeinsamen Lernens Berlin, nehme ich zum Antrag
der Fraktion die Linke im Abgeordnetenhaus von Berlin wie folgt Stellung:
Die GGG Berlin begrüßt den vorliegenden Antrag ausdrücklich aus folgenden Gründen:
1. Die zwangsweise Verweisung von Kindern aus dem Gymnasium ist nach unserer
Auffassung grundgesetzwidrig.
Artikel 1 GG (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Begründung:
Die zwangsweise Verweisung von Kindern aus dem Gymnasien stellt häufig eine massive
Verletzung der Würde der betroffenen Kinder dar.
Kindern wird während des Besuches der sechsten Klasse von ihren Eltern, Grundschullehrern und
anderen Personen begründet, warum sie nicht länger mit ihren bisherigen Mitschülern* gemeinsam
zur Schule gehen sollen. Sie wären leistungsstärker, sie wären interessierter, hätten mehr Talent,
könnten besser und konzentrierter lernen usw. als ihre bisherigen Mitschüler.
Ein Jahr später erleiden in Berlin ungefähr 1000 Kinder das z.T. traumatische Erlebnis, dass sie das
Gymnasium wieder verlassen müssen. Als Grund wird angegeben, dass die Leistungen nicht
ausreichen würden.
Die Gründe für Leistungsschwächen der Kinder sind dabei vielschichtig. Verhaltensauffälligkeiten,
Erkrankungen und die Trennung der Eltern, der Tod einer geliebten Person gehören genauso zu den
Ursachen wie die einsetzende Pubertät oder einfach das Pech auf einer Grundschule gewesen zu
sein, die schlechtere Bedingungen bot, sich das notwendige Wissen in einzelnen Fächern
anzueignen, als andere.
Statt diesen Kindern die nötige Zuwendung zu geben, deren Selbstbewusstsein zu stärken und mit
ihnen gemeinsam Erfolgserlebnisse zu organisieren, wird häufig sehr schnell das Verlassen der
Schule angeraten, angedroht und schließlich erzwungen. Viele der betroffenen Kinder erleiden eine
Störung ihres Selbstbildes einhergehend mit Demotivation, mangelndem Selbstbewusstsein und
zunehmend auch mit kindlicher Depression. Sie sind seelisch angegriffen, ihre Würde ist zutiefst
verletzt. Um nicht falsch verstanden zu werden, dies betrifft prozentual nur eine kleine Gruppe der
betreffenden Jungen und Mädchen, aber selbst wenn dies nur 10% dieser Schüler und Schülerinnen
beträfe, wären das pro Jahr immer noch ca. 100 Einzelschicksale.
2. Die „Abschulung“ von Kindern aus den Gymnasien stört die anspruchsvolle Arbeit der
Gemeinschafts- und Sekundarschulen systematisch
Die den Gymnasien gleichwertigen Schulformen, die grundsätzlich zu denselben Abschlüssen
führen, die Gemeinschafts- und Sekundarschulen, werden gezwungen, diese Schülerinnen und
Schüler zusätzlich aufzunehmen. Das geschieht häufig zu einer Zeit, in der sich die in der siebenten
Klasse gerade neu gebildeten Klassenverbände konsolidieren. Positive soziale Beziehungen, die
meist unter erheblichen Anstrengungen der Pädagoginnen und Pädagogen entwickelt wurden,
werden durch die Neuankömmlinge häufig massiv gestört.
Abgesehen davon verstößt der Umgang mit den Schülerinnen und Schülern, die Schwierigkeiten
haben, permanent gegen § 4 des Berliner Schulgesetzes:
„(2) Jede Schule trägt die Verantwortung dafür, dass die Schülerinnen und Schüler, unabhängig von
ihren Lernausgangslagen, an ihrer Schule zu ihrem bestmöglichen Schulabschluss geführt werden.
Die Schule ist so zu gestalten, dass die gemeinsame Unterrichtung und Erziehung sowie das
gemeinsame Lernen der Schülerinnen und Schüler verwirklicht, Benachteiligungen ausgeglichen
und Chancengleichheit hergestellt werden.“
3. Privilegien der Gymnasien sollten zu erhöhter Anstrengungsbereitschaft führen, die zur
eigenen Schule gehörenden Kinder individuell zu fördern.
3.1 Erstes Privileg - Nichtrealisierung der Integration/Inklusion
Über 90% der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen nicht das
Gymnasium. Insbesondere Kinder mit Teilleistungsstörungen, dem Förderbedarf emotional- soziale
Entwicklung, dem Förderbedarf Geistige Entwicklung und dem Förderbedarf Lernen besuchen das
Gymnasium, von möglicherweise vorhandenen einzelnen Ausnahmen abgesehen, nicht. Diese
Kinder werden (fast) ausnahmslos an Gemeinschaftsschulen und Sekundarschulen integriert. Den
Gymnasien wird mehr oder weniger stillschweigend zugestanden, diese pädagogisch
anspruchsvollen Aufgaben nicht leisten zu müssen. Kinder und Jugendliche mit anderen
Förderschwerpunkten werden an einigen wenigen Gymnasien systematisch integriert bzw.
inkludiert, aber auch diese Kinder und Jugendlichen besuchen überwiegend Gemeinschafts- und
Sekundarschulen bzw. nicht integriert sonderpädagogische Förderzentren.
3.2 Zweites Privileg - Durch gezielte verpflichtende Beratung „nicht passende“ Kinder von
der Anmeldung abzuhalten.
Gymnasien haben als exklusive Bildungseinrichtungen als einzige die Möglichkeit, Schüler und
Schülerinnen die aus welchen Gründen auch immer vermeintlich nicht zur Schule passen, die
Möglichkeit, in verbindlichen Beratungsgesprächen Familien davon abzuraten, das Kind überhaupt
anzumelden.
3.3 Drittes Privileg - Möglickeit vieler Gymnasien die leistungsstärksten Kinder dem
gemeinsamen Lernen an den Grundschulen ab Klasse fünf zu entziehen.
Eine Schulform, die solche Privilegien hat, sollte sich dann der Herausforderung stellen, die
Schülerinnen und Schüler, die aufgenommen wurden, so zu fördern, dass sie den ihnen
bestmöglichen Schulabschluss erreichen (siehe § 4 Berliner SchulG).
4. Die Stärkung der Gymnasium – pädagogischer Innovationsschub
4.1 Die Aufgabe, die einmal aufgenommenen Kinder so zu fördern, dass sie den ihnen möglichen
Schulabschluss am Gymnasium erreichen, wird den Gymnasien Auftrieb geben, sich den
gewachsenen Herausforderungen zu stellen und das pädagogische Repertoire zu erweitern. Das
wird allen Schülerinnen und Schülern zugute kommen.
4.2 Dies zeigen progressiv arbeitende Berliner Gymnasien bereits heute, die den Anspruch leben
„Kein Kind verlieren.“ Diese Gymnasien verzichten bereits heute auf das Zwangsinstrument der
Schulverweisung.
5. Bedingungen anderer Schulsysteme, die zeigen, dass ein Verbot des zwangsweisen
Umschulens Spitzenergebnisse nicht verhindert bzw. die Gymnasien in ihrem Bestand nicht
gefährdet.
5.1 Regelungen im Bundesland Bremen
Bremen hat als erstes Bundesland ein Abschulungsverbot erlassen. Uns ist nicht bekannt, dass dies
zu großen Problemen an den Gymnasien geführt hätte.
5.2 Skandinavien
In skandinavischen Schulen gilt in der Regel sinngemäß: „Schüler, die einmal aufgenommen
wurden, haben ein Anrecht bis zum Schulabschluss diese Schule zu besuchen.“ In verschiedenen
Schulleistungstests liegen die Ergebnisse skandinavischer Schulsysteme in der Regel über denen
der 16 deutschen Schulsysteme und auch über dem Ergebnis deutscher Gymnasien.
Ich danke Ihnen für die Möglichkeit zu Ihnen zu sprechen und für Ihre Aufmerksamkeit.
Robert Giese
Vorsitzender
*An verschiedenen Stellen im Text wird zu Gunsten der besseren Lesbarkeit auf die Nennung der
weiblichen Form verzichtet.