Computerspielsucht bei Kindern und Jugendlichen
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Computerspielsucht bei Kindern und Jugendlichen
Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung Computerspielsucht bei Kindern und Jugendlichen Wie kritisch ist die aktuelle Lage tatsächlich? Aktuelle Forschungsergebnisse und die Konsequenzen für die Soziale Arbeit Diplomarbeit (urn:nbn:de:gbv:519-thesis2009-0413-3) Vorgelegt von: Stefanie Tondera Studiengang: Soziale Arbeit/ Sozialpädagogik Abgabetermin: 06.01.2010 Betreuender Gutachter: Prof. Dr. phil. habil. Barbara Bräutigam Zweitgutachter: Dipl.-Päd. Claudia Emrich Danksagung Mit der vorliegenden Arbeit und dem nahenden Ende des Studiums ist für mich der vorerst letzte große Meilenstein erreicht. Die Hochschule mit einem abgeschlossenen Studium zu verlassen bedeutet, etwas Gewohntes loszulassen und etwas Neues, Unbekanntes zu beginnen. Vor allem aber bedeutet es weniger Zeit für mich, aber auch für die Menschen zu haben, die mich bereits ein Leben lang begleiten oder dies bereits eine sehr lange Zeit tun. Das Anfertigen der Diplomarbeit hat mich viel Kraft gekostet. Neben Phasen der hohen Motivation und des Enthusiasmus gab es auch solche, die durch Stagnation und Trägheit geprägt waren. Dennoch habe ich weitergemacht und meine Diplomarbeit fertig gestellt. Nicht zuletzt lag das an eben diesen Menschen, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Allen voran möchte ich meiner lieben Mama danke sagen, die mich stets auf all meinen Wegen und in jeder Phase meines Lebens unterstützt hat. Als es darum ging, nach meiner abgeschlossenen Ausbildung erneut die Schulbank zu drücken, um danach das Studium aufzunehmen, hat sie nie an mir gezweifelt oder mein Vorhaben in Frage gestellt. Sie hat hinter mir gestanden und mir stets gezeigt, dass sie sehr stolz auf mich ist. Ein Dankeschön auch an Papa, Oma Ingrid und Opa Rolf für die aufmunternden Worte während der Diplomarbeitsphase, aber auch für jede weitere emotionale, aber auch finanzielle Unterstützung während des Studiums und in meinem bisherigen Leben. Vielen Dank auch an meinen Bruder Stefan, der mich durch lange Telefonate ein wenig ablenken und mit seiner erfrischenden Art wieder motivieren konnte. Ohne euch alle, wäre ein Studium nicht möglich gewesen. Ein Dankeschön auch an meinen Freund Florian Schulz, der mich in der Diplomarbeitsphase dazu animiert hat, meinen Führerschein zu machen und diesen erfolgreich zu bestehen. Vielen Dank auch an André Prinz und Steffi Strege, die sich viel Zeit genommen und mir mit Anregungen und Kritik bezüglich meiner Arbeit zur Seite gestanden haben. Weiterhin möchte ich mich bei allen Freunden und Bekannten bedanken, die mich in irgendeiner Form bei der Diplomarbeit unterstützt, Interesse gezeigt und die Entwicklung der Arbeit verfolgt haben. Nicht zuletzt möchte ich Frau Prof. Bräutigam danken, die das Thema meiner Diplomarbeit angenommen und mich darin bestärkt hat, obwohl ich bereits dabei war, es wieder zu verwerfen. I Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Einleitung .............................................................................................................. 1 1 Computer spielen und Sucht ........................................................................ 4 1.1 2 1.1.1 Stoffgebundene und Stoffungebundene Sucht .................................. 5 1.1.2 Abhängigkeitssyndrom gemäß ICD-10.............................................. 6 1.1.3 Impulskontrollstörung ........................................................................ 7 Jugendmedienschutz .................................................................................... 9 2.1 Definition................................................................................................... 9 2.2 Rechtliche Grundlagen ............................................................................. 9 2.2.1 Jugendschutzgesetz.......................................................................... 9 2.2.2 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ................................................ 10 2.2.3 Strafgesetzbuch............................................................................... 10 2.3 3 Definitionen von Sucht.............................................................................. 4 Jugendmedienschutzeinrichtungen ........................................................ 11 2.3.1 Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien ........................... 11 2.3.2 Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle ............................................ 12 2.3.3 Kommission für Jugendmedienschutz ............................................. 15 2.3.4 Andere Einrichtungen ...................................................................... 16 Einführung in einige Computerspiele und Genres ................................... 17 3.1 Computerspielgenres.............................................................................. 18 3.1.1 Shooter............................................................................................ 18 3.1.2 (Online-)Rollenspiele für einen oder mehrere Spieler...................... 18 3.1.3 Sportspiele / Rennspiele.................................................................. 20 3.1.4 Sonstige Genres.............................................................................. 21 3.2 Computerspiele ...................................................................................... 22 3.2.1 Counter Strike ................................................................................. 22 3.2.2 FIFA................................................................................................. 25 3.2.3 Need for Speed ............................................................................... 25 3.2.4 Grand Theft Auto ............................................................................. 26 II 4 5 3.2.5 Battlefield......................................................................................... 29 3.2.6 Guild Wars....................................................................................... 30 Studie: Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter .......... 32 4.1 Einleitung................................................................................................ 32 4.2 Aufbau und Durchführung....................................................................... 32 4.2.1 Computerspielen im Jugendalter ..................................................... 32 4.2.2 Computerspielen im Kindesalter...................................................... 36 4.3 Zusammenfassung ................................................................................. 39 4.4 Schlussfolgerungen ................................................................................ 40 Behandlung und Therapie von Betroffenen und deren Angehörigen ..... 42 5.1 Beratungsstellen ..................................................................................... 42 5.1.1 Lost in Space / Café Beispiellos Berlin ............................................ 42 5.1.2 Mediensuchtberatung Schwerin ...................................................... 43 5.2 (Online-)Selbsthilfegruppen .................................................................... 45 5.2.1 Rollenspielsucht.de ......................................................................... 45 5.2.2 Onlinesucht.de ................................................................................ 46 5.3 Ambulante Therapiemöglichkeiten ......................................................... 48 5.3.1 5.4 Stationäre Therapie ................................................................................ 50 5.4.1 Psychosomatische Fachklinik Münchwies....................................... 50 5.4.2 Teen Spirit Island Hannover ............................................................ 53 5.5 Ein (kritischer) Blick ins Ausland............................................................. 54 5.5.1 6 Computerspielsuchtambulanz der Uniklinik Mainz .......................... 48 Behandlung von Computer- und Internetsucht in China .................. 54 Suchtprävention und Konsequenzen für die Soziale Arbeit .................... 58 6.1 Prävention durch Medienkompetenz ...................................................... 58 6.1.1 Definition des Begriffes Medienkompetenz ..................................... 58 6.1.2 Medienkompetenz für Eltern............................................................ 59 6.1.3 Medienkompetenz für Kinder........................................................... 61 6.2 Prävention durch Lebenskompetenzförderung ....................................... 62 6.3 Prävention durch alternative Angebote................................................... 62 6.4 Veränderungen in Studium und Praxis der Sozialen Arbeit .................... 64 6.4.1 Suchtberatung ................................................................................. 64 III 7 6.4.2 Medienpädagogik ............................................................................ 65 6.4.3 Sozialinformatik ............................................................................... 66 Fazit .............................................................................................................. 68 Literaturverzeichnis............................................................................................ 73 Internetquellenverzeichnis................................................................................. 77 Eidesstattliche Erklärung ................................................................................... 82 Abkürzungsverzeichnis § Paragraph BGB Bürgerliches Gesetzbuch ebd. ebenda, an derselben Stelle etc. et cetera (und so weiter) Hrsg. Herausgeber i.V.m. in Verbindung mit u.a. und andere vgl. vergleiche z.B. zum Beispiel 1 Einleitung Das Medium Computer ist in der heutigen Zeit aus dem beruflichen Alltag nicht mehr wegzudenken und gewinnt zunehmend an Bedeutung. In nahezu jedem Unternehmenszweig, ist der Computer Grundlage der täglichen Arbeit. Im Lager werden mit Hilfe von Computerprogrammen Eingang und Ausgang von Waren kontrolliert. In Bibliotheken werden Bücher anhand spezieller Programme verbucht und im Büro werden schriftliche Dokumente mit Schreibprogrammen am PC erstellt. Geschäftliche Termine werden per E-Mail statt per Telefon vereinbart und betriebsinterne Informationen werden über den E-Mailverteiler an alle Kollegen1 weitergegeben. In der Gesellschaft ist der funktionale Umgang mit Medien, vor Allem mit Computer und Telekommunikation, Voraussetzung für eine Einsetzbarkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt. Auch im privaten Bereich hat der Computer Einzug gehalten und nimmt neben anderen Aktivitäten inzwischen einen Großteil der Freizeitgestaltung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ein. Verschiedene Studien konnten dies nachweisen. Eine Vielzahl von Lernprogrammen soll Kinder und Jugendliche beim Verstehen des Schulstoffes unterstützen und zum Aufbau von Medienkompetenz beitragen. Nimmt die aktive Auseinandersetzung mit dem Computer jedoch zuviel Zeit in Anspruch, werden andere Aktivitäten vollkommen vernachlässigt, die Leistungen in der Schule schwächer und letztlich der Kontakt zu Freunden und dem familiären Umfeld immer geringer, ist es möglich, dass sich die funktionale Computernutzung zu einer Suchterkrankung entwickelt hat. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen Computerspielsucht und soll auf folgende Fragen genauer eingehen: Wie kritisch ist die aktuelle Lage in Deutschland bezüglich Computerspielsucht tatsächlich und was wird in den Bereichen Politik und Recht bereits entgegenwirkend getan? Welche Computerspiele werden von Kindern und Jugendlichen am häufigsten gespielt und wie können diese sich auf das Sozialverhalten 1 auswirken? Welche Behandlungsmethoden werden Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische Endungen im Text verzichtet. in 2 Deutschland angewandt und wie werden computerspielsüchtige Kindern und Jugendliche im Ausland betreut? Welche Möglichkeiten haben Eltern, ein Risikoverhalten der eigenen Kinder zu vermeiden? Über welche Präventions- und Interventionsmöglichkeiten verfügen Institutionen der Sozialen Arbeit und welche notwendigen Veränderungen ergeben sich in diesem Bereich? Um diese Fragen umfassend zu beantworten, ist die vorliegende Arbeit in sechs Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt wird der Begriff Sucht zunächst genauer definiert, um eine Grundlage zum Thema zu schaffen. Im zweiten Teilbereich wird auf rechtliche Regelungen im Bereich des Jugendmedienschutzes eingegangen. Außerdem werden Einrichtungen, die Aufgaben im Rahmen des Jugendmedienschutzes erfüllen, näher vorgestellt. Der dritte Abschnitt befasst sich mit verschiedenen Computerspielgenres und stellt einige häufig genutzte Spiele vor. Dies soll einen kleinen Überblick über die Spiellandschaft geben und aufzeigen, inwieweit einige Spiele Suchtpotenzial in sich bergen und welche Abhängigkeiten vor Allem bei Mehrspielerspielen entstehen können. Im vierten Abschnitt wird eine aktuelle Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen zum Thema Computerspielabhängigkeit von der Durchführung bis zu den Schlussfolgerungen des Institutes beschrieben. Behandlungsmöglichkeiten und therapeutische Maßnahmen für Betroffene und deren Angehörige werden im Abschnitt Fünf näher erläutert. In den Bereichen Beratung, Selbsthilfegruppe, ambulante sowie stationäre Therapie werden mehrere Einrichtungen vorgestellt. Das soll verdeutlichen, dass sich bereits ein breit gefächertes Hilfesystem entwickelt hat, dass dazu beitragen soll, der Computerspielsuchtproblematik entgegenzuwirken. In Kapitel Sechs werden Präventionsmöglichkeiten im Bereich Computerspielsucht vorgestellt und der Bezug zur Sozialen Arbeit hergestellt. Es wird auf Veränderungen eingegangen, die in diesem Bereich bereits stattgefunden haben. Außerdem wird zur Diskussion gestellt, welche weiteren Umstellungen es zukünftig geben wird, oder welche notwendig werden. Das Themengebiet Computer sowie der Bereich Sucht sind weit reichende Felder, die Raum geben würden für weitere Ausführungen. In der vorliegenden Arbeit wird 3 die Computerspielsucht vorrangig unter rechtlichen, medizinischen, psychologischen und sozialpädagogischen Gesichtspunkten beleuchtet. Ein Schwerpunkt wird auf die Behandlungsmöglichkeiten von Betroffenen gelegt. Die Darstellung von umfassenden, technischen Grundlagen im Bereich Computer und Internet wurde bewusst aus gelassen, da eine Notwendigkeit für die Abhandlungen dieser Arbeit nicht besteht. Auf eine nähere Beschreibung des Onlinerollenspieles World of Warcraft in Abschnitt Drei wurde verzichtet, da im Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung der Hochschule Neubrandenburg kürzlich eine weitere Arbeit verfasst wurde, die sich speziell darauf bezieht. Das häufige Zurückgreifen auf Internetseiten ist dadurch bedingt, dass vor Allem für den dritten und fünften Abschnitt wenig Printliteratur vorhanden ist. Neben Artikeln in Tages- oder Wochenzeitungen, werden heute zahlreiche Berichte und Artikel online veröffentlicht. Besonders aktuelle Informationen und Änderungen, die das Thema der Arbeit berühren sind vorrangig im Netz zu finden. 4 1 Computer spielen und Sucht 1.1 Definitionen von Sucht Um heraus zu finden, ob im Zusammenhang mit dem exzessiven bzw. pathologischen Computer spielen tatsächlich von einer Sucht im Sinne eines klinischen Krankheitsbildes gesprochen werden kann, soll der Begriff zunächst genauer definiert und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Der Begriff Sucht tauchte erstmalig häufiger während der Reformationszeit im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholkonsum auf. Von der ursprünglichen Wortbedeutung ausgehend, wurde dies bereits damals als eine Krankheit angesehen. Sucht stammt vom althochdeutschen Wort „siech“ ab, was so etwas wie krank bedeutet (vgl. Klein 2008, S. 2). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in den unterschiedlichsten Ländern Schriften über übermäßigen Alkoholkonsum veröffentlicht. Diese Schriften brachten das ausschweifende Trinken in Zusammenhang mit Erkrankungen des Körpers und der Seele, worauf hin ein medizinisch-geprägter Suchtbegriff entstand. In der Mitte des 20. Jahrhunderts formulierte E.M. Jellinek erstmalig die beiden Hauptkriterien der Sucht. Kontrollverlust und/ oder Unfähigkeit zur Abstinenz. Jellinek war der erste empirische Suchtforscher, der Alkoholkonsum als Krankheit verstand und daraus die noch heute gängigen Kategorien für verschiedene Trinktypen (Alpha-Typ bis hinzu Epsilon-Typ) in Bezug auf Alkoholkonsum entwickelte (vgl. Klein 2008, S. 3). Neben Alkohol sind im Laufe der Zeit zahlreiche weitere Substanzen und Stoffe mit dem Begriff Sucht in einen Kontext gebracht worden, sodass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1957 Sucht folgendermaßen definierte: „Sucht ist ein Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge und gekennzeichnet durch folgende vier Kriterien. - ein unbezwingbares Verlangen zur Einnahme und Beschaffung des Mittels - eine Tendenz zur Dosissteigerung - eine physische und meist auch psychische Abhängigkeit von der Wirkung der Droge 5 - die Schädlichkeit für den Einzelnen und/ oder die Gesellschaft“ (vgl. URL1: Suchthilfe Wetzlar 2009). Später hat die WHO den Begriff Sucht durch Abhängigkeit und Missbrauch ersetzt. Die Verwendung der Begriffe in der deutschen Fachliteratur sowie in Internetquellen wird sehr differenziert gehandhabt. Einige Quellen benutzen gezielt nur einen der beiden Bezeichnungen. Abhängigkeit beschreibt eher die pharmakologische Seite des Begriffes und nimmt Bezug auf die Wechselwirkungen zwischen dem Körper und dem ihm zugeführten Stoff. Mit dem Begriff Sucht werden außerdem seelische und soziale Begleit- und Folgeerscheinungen eingeschlossen. Andere Quellen wiederum benutzen beide Bezeichnungen parallel, unterscheiden sie demnach nicht gezielt. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden oft beide Termini gleichbedeutend verwendet, so auch in der vorliegenden Arbeit. In den weiteren Ausführungen soll auf eine Differenzierung beider Begrifflichkeiten verzichtet werden. Vielmehr wird jeweils der Terminus zu Grunde gelegt, der in der jeweiligen Hauptquelle von den Autoren verwendet wurde. 1.1.1 Stoffgebundene und Stoffungebundene Sucht Mittlerweile wird zwischen den soeben beschriebenen stoffgebundenen Süchten und den stoffungebundenen Süchten unterschieden. Es wird also nicht mehr nur von Abhängigkeiten von verschieden Substanzen, wie z.B. Drogen oder Alkohol gesprochen, sondern ebenso von der Sucht nach bestimmten Verhaltensweisen, wie z.B. der Kaufsucht. Der Betroffene kann sich bestimmten Verhaltenweisen nicht mehr entziehen und verliert zunehmend die Kontrolle darüber. Das Verhalten muss immer wieder befriedigt und immer häufiger ausgeübt werden (vgl. Stimmer 2000, S. 589). Problematisch wird es, wenn der Betroffene sich und seiner Sucht einen Großteil seines Lebens einräumt und die Arbeit und sein soziales Umfeld vernachlässigt oder komplett außen vor lässt. In der aktuellen Literatur ist häufig von Verhaltenssucht die Rede, eine offizielle Bezeichnung ist dies jedoch nicht. Auch die Kaufsucht ist bisher nicht als eigenständiges Krankheitsbild ins ICD-10 aufgenommen worden, sondern wird je nach Fall, als Zwangshandlung oder als eine Störung der Impulskontrolle (vgl. 1.1.3) eingeordnet. 6 1.1.2 Abhängigkeitssyndrom gemäß ICD-10 Die von der WHO 1957 definierten vier Kriterien, die vorliegen müssen, um von einer Suchterkrankung zu sprechen sind inzwischen weiterentwickelt und ergänzt worden. Nachzulesen sind diese Kriterien in Deutschland im ICD-102. Da die Computerspielsucht bisher keine eigenständige, anerkannte Krankheit ist, ist sie im ICD-10 auch nicht mit einem konkreten Diagnoseschlüssel aufgeführt. Folgende Kriterien müssen gemäß ICD-10 angezeigt sein, um von einer Abhängigkeitserkrankung zu sprechen - starker Wunsch oder ein erlebter Zwang, psychotrope Substanzen oder Alkohol zu konsumieren - verminderte Kontrolle bezüglich des Beginns, der Menge und der Beendigung des Konsums - Substanzgebrauch mit dem Ziel Entzugssyndrome zu mildern einhergehend mit dem daraus resultierendem positiven Gefühl - Körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums - Toleranzentwicklung, das heißt, größere Mengen sind erforderlich, um bisherige Wirkung zu erzielen - Eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit psychotropen Substanzen oder Alkohol, das heißt, der Konsum liegt außerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Norm - Vernachlässigung anderer Interessen - Anhaltender Substanzkonsum trotz der Kenntnis von schädlichen Folgen. Mindestens drei der oben genannten acht Kriterien müssen gleichzeitig während der letzten zwölf Monate vorliegen (vgl. Gerkens/ Meyer/ Wimmer 2009, S. 2.2-1). Allerdings gilt diese Definition des Abhängigkeitssyndroms bisher nur für psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, das bedeutet, diese Definition schließt bisher lediglich die stoffgebundenen Süchte ein. 2 Das ICD-10 ist die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme", in der alle Diagnoseschlüssel der ambulanten und stationären Versorgung aufgeführt sind. In Deutschland ist das Institut für Medizinische Dokumentation und Information vom Bund beauftragt worden, die Klassifikation ins deutsche zu übersetzen und herauszugeben (vgl. URL2: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information 2009). 7 1.1.3 Impulskontrollstörung In Zusammenhang mit pathologischem Computer spielen ist in der Literatur auch häufig der Begriff Impulskontrollstörung zu finden. Von einer Störung der Impulskontrolle wird gesprochen, wenn „ein unangenehm erlebter Anspannungszustand durch ein bestimmtes impulsiv ausgeübtes Verhalten aufgelöst wird“ (vgl. URL3: Fremdwort.de 2009). Das ICD-10 bezeichnet dies allgemein als „Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“, die unter dem Diagnoseschlüssel F63.- zu finden sind. Dazu gehören wiederholte Handlungen, denen keine vernünftige Motivation zugrunde liegen und unkontrollierbar sind. Das Wort „vernünftig“ wurde direkt aus der Definition des ICD-10 entnommen. Das ärztliche Fachpersonal entscheidet, welches Verhalten als vernünftig oder unvernünftig eingestuft wird. Dies ist demnach eine sehr subjektive Entscheidung. Weiterhin heißt es, dass die Interessen der Betroffenen oder die der Menschen der Umgebung des Betroffenen Schaden nehmen. Die Ursachen dieser Störungen sind gemäß ICD-10 unklar (vgl. ICD-10, S. 252). Unter den Störungen der Impulskontrolle ist unter der Verschlüsselung F63.0 auch das pathologische Spielen aufgeführt. „Die Störung besteht in häufigem und wiederholtem episodenhaften Glücksspiel, das die Lebensführung des betroffenen Patienten beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt“ (vgl. URL4: Deutsches Institut für Medizinische Information und Dokumentation 2009). Das pathologische Spielen kann auch als zwanghaftes Spielen bezeichnet werden. Andere Fachleute gehen davon aus, dass diese Störungen der Impulskontrolle zumeist anderen psychischen Erkrankungen zugrunde liegen. Die nicht kontrollierbaren Verhaltensweisen oder auch Zwänge sind somit nur ein Symptom einer anderen psychischen Erkrankung, die es vorrangig zu behandeln gilt (vgl. te Wildt 2007, S. 68). Fachkliniken und Therapieeinrichtungen nehmen ihre Patienten dann beispielsweise über den Diagnoseschlüssel F.68.8 auf. Hierbei handelt es sich um eine „Sonstige näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörung, [sprich eine] Charakterstörung [oder eine] Störung zwischenmenschlicher Beziehungen“ (vgl. ICD-10, S. 256). Die Ärzte und Psychologen können auf diese Weise ein „eigenes“ Profil des vorliegenden Krankheitsbildes erstellen und Diagnosekriterien hinzufügen, so z.B. auch bei der Computerspielsucht. Eine 8 andere Möglichkeit der Zuordnung ist der Schlüssel F.69 und die „Nicht näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörung“ (vgl. ICD-10, S. 257). Für viele Praktiker ist bisher nicht geklärt, ob die Computerspielsucht nur als ein Symptom einer zusätzlichen Erkrankung wie z.B. einer Depression auftritt, oder ein eigenständiges Krankheitsbild darstellt. Das kann als ein Grund gesehen werden, dass die Computerspielsucht bisher nicht ins ICD-10 aufgenommen wurde. Das exzessive Computer spielen wäre in einem solchen Fall nur die Folge, um sich negativen Verstimmungen in der realen Welt zu entziehen und sich in der virtuellen Welt Erfolgserlebnisse zu verschaffen, die in der realen Welt momentan nicht zu finden sind. Inwieweit die neuste Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts dies mit einbezieht, wird in Kapitel Vier genauer erörtert. Die Existenz von Computerspielsuchtambulanzen, wie z.B. die der der Uniklinik Mainz und chatsüchtige zahlreiche und andere Kliniken, computersüchtige die Menschen mittlerweile ambulant onlinesüchtige, sowie stationär behandeln, gilt als Indiz dafür, dass die Computerspielsucht zumindest in diesen Einrichtungen als eigenständige Erkrankung anerkannt wird. Hier steht die Abhängigkeit vom Computer im Vordergrund, die nicht von einer anderen psychischen Störung ausgelöst wurde, aber durchaus mit ihr gemeinsam auftreten kann. Selbstverständlich lassen sich die Begriffe Abhängigkeit, Sucht, Missbrauch etc. noch nach weiteren Merkmalen unterscheiden, z.B. nach körperlicher oder psychischer Abhängigkeit. In Bezug auf das exzessive Computer spielen sollen aber die bisherigen Ausführungen ausreichend sein. Weitere, speziellere Informationen sind der entsprechenden Fachliteratur zu entnehmen. Festzustellen ist, dass die Verwendung des Begriffes Computerspielsucht im Zusammenhang mit Krankheit gemäß ICD-10 nicht korrekt ist. Nach sorgfältiger Prüfung der verschiedenen im ICD-10 aufgeführten Kriterien, die vorliegen müssen, um von einem Abhängigkeitssyndrom infolge der Einnahme von psychotropen Substanzen sprechen zu können, erscheint es durchaus möglich, diese für die Computerspielsucht in abgewandelter Form zu übernehmen und zu erweitern. Von Fachkräften, wie Psychologen, Therapeuten und Ärzten wird dies bereits praktiziert, da nur so eine Behandlung der Betroffenen überhaupt möglich 9 ist bzw. die Kosten dafür von den Krankenkassen übernommen werden (z.B. Schuhler/ Vogelsang/ Petry 2009, S. 188). 2 Jugendmedienschutz 2.1 Definition Durch den Jugendmedienschutz soll gewährleistet werden, dass bestimmte negative und gefährliche Einflüsse der Erwachsenenwelt von Kindern und Jugendlichen ferngehalten werden, um somit die Entwicklung der Heranwachsenden bestmöglich zu fördern. Er kann sozusagen als Hilfestellung zu Erziehungs- und Sozialisationsprozessen gesehen werden. In erste Linie liegt es jedoch in der Verantwortung der Personensorgeberechtigten, ihre Kinder möglichst vor jugendgefährdenden und schädlich beeinflussenden Medien im häuslichen Umfeld zu bewahren. Verschiedene Einrichtungen, die im Auftrag des Jugendmedienschutzes arbeiten, haben demnach die Aufgabe, Medieninhalte dahingehend zu prüfen, ob eine Gefährdung oder Beeinträchtigung für Jugendliche Jugendlichen angezeigt nicht ist. Infolgedessen zugänglich gemacht werden bzw. manche nur unter Medien den bestimmten Altersvoraussetzungen (vgl. Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien 2008, S. 3). Rechtliche Grundlagen für die Aufgaben der Einrichtungen des Jugendmedienschutzes sind in erster Linie das Jugendschutzgesetz (JuschG) und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), die in den nächsten Abschnitten näher erläutert werden. 2.2 Rechtliche Grundlagen 2.2.1 Jugendschutzgesetz Das am 1. April 2003 in Kraft getretene Jugendschutzgesetz ist eine Zusammenführung des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) und dem Gesetz der Verbreitung über jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte (GjSM). Änderungen in diesem Bereich waren bereits länger geplant. Der Amoklauf von Robert Steinhäuser am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt am 26. April 2002, bei dem er sich selbst und 16 weitere Menschen tötete, 10 beschleunigte das Verfahren rapide, nachdem heftige politische Diskussionen um ein Verbot von so genannten „Killerspielen“ geführt wurden (vgl. URL5: Aktion Jugendschutz 2009). Wesentliche Änderungen beim überarbeiteten JuSchG hat es im Bereich des Jugendmedienschutzes gegeben. War im GjSM bisher nur von jugendgefährdenden Schriften die Rede, sind jetzt auch Begriffe wie Trägermedien oder Telemedien in das Gesetz aufgenommen worden. Das heißt, dass bei der Kontrolle von eventuell jugendgefährdenden Inhalten nicht mehr nur schriftliche Publikationen, sondern auch DVDs, Computerspiele und alles, was den Bereich des Internets betrifft, berücksichtigt werden. Zu den so genannten Bildträgern zählen gemäß dem neuen Gesetz, neben Filmen, nun auch Computerspiele. Auch diese müssen zukünftig von den dazu verpflichteten Behörden und Einrichtungen mit entsprechenden Altersfreigaben gekennzeichnet werden. Im Abschnitt 2.3 wird dies ausführlicher erklärt. 2.2.2 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Mit der Novellierung des JuSchG ist auch der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien, Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder am 1. April 2003 in Kraft getreten. Mit dem Staatsvertrag soll ein einheitlicher Rechtsrahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die als jugendgefährdend oder jugendbeeinträchtigend eingestuft werden, geschaffen werden (vgl. Liesching 2004, S. 183). Der Vertrag gilt für Rundfunk und Telemedien (Online-Angebote). Das Telekommunikationsgesetz sowie das Teledienstgesetz bleiben davon unberührt. 2.2.3 Strafgesetzbuch Auch das Strafgesetzbuch (StGB) beinhaltet einige Regelungen, die das Thema Jugendmedienschutz berühren. Wichtig erscheint vor allem § 131 StGB. Hier geht es um die Verbreitung von Schriften (sowie auch Ton- und Bildträgern, Datenspeichern, Abbildungen und andere Darstellungen), die gewalttätiges Verhalten gegen Menschen bzw. menschenähnliche Wesen auf eine sehr grausame und/ oder verherrlichende Art und Weise darstellen. Neben der Verbreitung macht sich auch derjenige strafbar, der eben genannte Medien 11 anpreist, öffentlich zur Schau stellt oder diese auf sonstige Art und Weise zugänglich macht. Ein solches Vergehen wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft. Weiterhin zu erwähnen sind die §§ 184-184d. Gemäß diesen Paragraphen macht sich strafbar, wer pornografische, gewalt- oder tierpornografische, kinderpornografische und/ oder jugendpornografische Schriften (Medien) erwirbt, besitzt oder verbreitet. Speziell § 184d verbietet die Verbreitung pornografischer Darbietung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste. Auch hier werden je nach Härte des Falles, Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen verhängt (vgl. URL6: Bundesministerium der Justiz 2009). 2.3 Jugendmedienschutzeinrichtungen 2.3.1 Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien Zu den Jugendmedienschutzeinrichtungen Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende gehört Medien, unter kurz Anderem BPjM. Die die BPjM entscheidet über die Jugendgefährdung von Medien. Sie wird allerdings nicht von sich aus tätig, sondern auf Antrag bzw. Anregung. Antragsberechtigt sind Jugendund Landesjugendämter, Oberste Landesjugendbehörden, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie die Kommission für Jugendmedienschutz. Berechtigt zur Anregung sind alle anderen Behörden und die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe (vgl. URL7: Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien 2009). Wird das Medium tatsächlich indiziert, hat dies Auswirkungen auf Verleih, Vertrieb und Vorführung des Produktes. Kurz gesagt, ist die BPjM zuständig für die Indizierung von Trägerund Telemedien. Computer- und Konsolenspiele gehören hierbei zu den Trägermedien, Onlinerollenspiele bzw. Computerspiele im Internet gehören zu den Telemedien. Telemedien schließen sämtliche Online-Angebote, demnach alles was im Internet zu finden ist, mit ein. Die Definition von Jugendgefährdung im Zusammenhang mit Medien regelt das Jugendschutzgesetz in § 18, Abs.1. Hier heißt es: 12 „Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, sind von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in die Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche verrohend wirkende, zur Gewalttätigkeit, Verbrechen, oder Rassenhass anreizende Medien sowie Medien, in denen 1. „Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder 2. Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe gelegt wird“ (vgl. URL8: Bundesministerium der Justiz 2009). Alle eben aufgeführten Begriffe werden in weiteren Unterpunkten des § 18 erläutert. Auffällig ist, dass bei der Bewertung der Träger- und Telemedien und der Entscheidung darüber, ob eine Jugendgefährdung vorliegt oder nicht, ausschließlich die Spielinhalte betrachtet werden. Die Medien werden unter nahezu allen ethischen und moralischen Gesichtspunkten untersucht, sprich enthalten sie pornografische Darstellungen oder liegt vielleicht eine Verherrlichung des Nationalsozialismus vor. Weiterhin wird auf übermäßig sinnlose Gewaltanwendung in einem Computerspiel geachtet. Selbstverständlich ist das wichtig, aber in keinem Paragraphen ist das Suchtpotenzial von Computerspielen bzw. Onlinerollenspielen als Indikator für die Gefährdung der Jugendlichen aufgeführt. Das heißt, es gibt gemäß JuSchG keine gesetzliche Grundlage, auf der die BPjM aufgrund eines vermeintlich hohen Suchtpotenzials eines bestimmten Spiels tätig werden kann, denn das liegt außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs. Inwieweit andere Regelungen oder gesetzliche Grundlagen das berücksichtigen und welche anderen Institutionen zuständig sind, wird in den Abschnitten 2.3.2 bis 2.3.4 erläutert. 2.3.2 Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle Neben der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), die Filme, DVDs und andere Bildträger inhaltlich prüft und mit entsprechender Alterskennzeichnung versieht, existiert analog dazu eine Institution, die Computerspiele prüft. Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) wurde bereits 1994 gegründet und hat seit dem mehrere Tausend Bildschirmspiele auf Jugendgefährdung hin geprüft. Die Altersfreigaben der USK waren zunächst nur Empfehlungen bis zur Novellierung des Jugendschutzgesetzes im Jahr 2003 (vgl. Krestel 2009 URL). Mit 13 Inkrafttreten des neuen Gesetzes ist die Kennzeichnung mit der Altersfreigabe auf allen Bildträgern mit Filmen oder Spielen gemäß §§ 12 und 14 JuSchG zur Pflicht geworden. Computerspiele ohne Alterseinstufung dürfen Kinder und Jugendlichen nicht mehr zugänglich gemacht werden. Der Träger der USK war seit ihrer Gründung der Förderverein für Jugend und Sozialarbeit. Kritik an der Trägerstruktur hat den Verein gezwungen, die Trägerschaft abzugeben. Mit Wirkung des 1. Juli 2008 ist der neue Träger die Freiwillige Selbstkontrolle Unterhaltungssoftware GmbH. Die Gesellschafter sind Industrieverbände, die in der Entwicklung, Produktion und im Vertrieb von Spielen tätig sind. Selbstverständlich sind die Gesellschafter nicht gleichzeitig auch zuständig für die Alterskennzeichnungen. Dies ist verschiedenen Gutachtern und Sichtern vorbehalten, die von der USK und der Industrie unabhängig sind. Diese Gutachter sind z.B. bei freien Trägern der Jugendhilfe, Jugendbehörden, kirchlichen Einrichtungen, bei der BPjM oder in anderen medienpädagogisch arbeitenden Einrichtungen beschäftigt. Außerdem gehört zum Prüfgremium ein ständiger Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden (OLJB), der Empfehlungen zur Alterseinstufung von Seiten der Gutachter erhält. Letztendlich hat dieser die Entscheidungsgewalt bzw. das Recht ein Veto einzulegen (vgl. USK 2009, S. 8). Bei den Altersfreigaben wird auf verschiedene Elemente geachtet. Ein Spiel, das ohne Altersfreigabe auf den Markt kommt, ist frei von Gewalt und angsteinflößenden Spielverläufen, die Kinder und Jugendliche auch im Nachhinein beschäftigen können. Außerdem tragen eine farbenfrohe Grafik und ein nachvollziehbarer, ruhiger Spielverlauf dazu bei, das Kind nicht in Stress zu versetzen (vgl. USK 2009, S. 13). Bei Spielen ab sechs Jahren gehen Spielverläufe schon zügiger vonstatten und sind motorisch anspruchsvoller. Gewaltdarstellungen können enthalten sein, aber so abstrakt und märchenhaft, dass sie von Kindern nicht mit der Realität verwechselt werden können (vgl. ebd., S. 17). 14 Spiele, die ab 12 Jahren freigegeben werden, sind sehr viel komplexer aufgebaut. Die Anforderungen an die Koordination von visuellen und taktilen Fertigkeiten sind hoch. Kampfszenen oder Gewaltdarstellungen können auch hier enthalten sein, sind aber immer noch deutlich als unrealistisch erkennbar. Der Handlungsdruck in Bezug auf die Aufgabenerfüllung im Spielverlauf ist sehr viel höher, als bei Spielen für 6-Jährige, aber immer noch altersangemessen und nicht in Stress ausartend. Kindern ab 12 Jahren wird zugetraut, deutlich zwischen Fiktion und Realität unterscheiden zu können (vgl. USK 2009, S. 21). An Jugendliche ab 16 Jahren werden Spiele frei gegeben, die zum Teil gewalthaltige und kampfbetonte Inhalte darstellen. Die Anspannung der Heranwachsenden kann zeitweise sehr hoch sein, allerdings ist der Wechsel zwischen gewalthaltigen und gewaltlosen Szenen so angelegt, dass der Spielende zwischendurch immer wieder seine Anspannung lösen kann und seine persönliche Entwicklung nicht negativ beeinflusst wird (vgl. ebd., S. 25). Mit dem Kennzeichen „Keine Jugendfreigabe“ werden Spiele versehen, die gewalthaltige Konzepte enthalten und Kindern und Jugendlichen leicht ermöglichen, sich mit den Spielfiguren zu identifizieren. Das Spielgeschehen verläuft sehr realistisch und macht es somit für die Heranwachsenden schwer, die nötige Distanz zum Spielgeschehen aufzubauen. Die Gutachter der USK gehen davon aus, dass diese notwendige Distanz bei unter 18-jährigen Spielern nicht vorausgesetzt werden kann (vgl. ebd., S. 29). Computerspiele, die keine Alterkennzeichnung enthalten sind mit hoher Wahrscheinlichkeit jugendgefährdend und in Deutschland von der USK nicht geprüft, oder eine Kennzeichnung ist verweigert worden. Falls es sich um illegale Kopien handelt, kann Besitz, Vertrieb oder öffentliche Vorführung strafrechtlich verfolgt werden. Dennoch dürfen die nicht gekennzeichneten Computerspiele im Handel verkauft werden, könnten aber von der BPjM auf die Liste der indizierten Spiele gesetzt werden. Meistens sind dies Spiele, deren Inhalte mit Rassismus, extremer Gewaltverherrlichung, Pornografie und Ähnlichem einhergehen. 15 Zusammenfassend ist festzustellen, dass es auch nicht im Zuständigkeitsbereich der USK liegt, Computerspiele hinsichtlich ihres Suchtpotenzials zu überprüfen. Diese Entwicklung war bei der Novellierung des JuSchG im Jahre 2003 vermutlich auch noch nicht abzusehen. In der Fachliteratur werden zwar schon seit gut einem Jahrzehnt regelmäßig Texte veröffentlicht, die sich mit pathologischem Internetund PC-Gebrauch beschäftigen, aber wirklich aktuell ist dieses Thema erst seit circa zwei Jahren. Innerhalb dieses Zeitraums sind etliche Studien durchgeführt worden, die dazu beitragen könnten, die Überprüfungskriterien der BPjM, der USK und allen anderen Medienschutzeinrichtungen zu ändern, wenn eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird. 2.3.3 Kommission für Jugendmedienschutz Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) ist eine zentrale Aufsichtsstelle, deren rechtliche Arbeitsgrundlage der eben kurz vorgestellte JMStV bildet. Die Kommission setzt sich zusammen aus zwölf Mitgliedern. Davon sind sechs Direktoren der Landesmedienanstalten, vier sind Mitglieder der Obersten Landesjugendbehörden und dort im Jugendschutz tätig. Zwei weitere Mitglieder sind aus dem Bereich Jugendschutz von der Obersten Bundesbehörde entsandt worden (vgl. Erdemir 2006, S. 288). Im Allgemeinen gliedern sich die Arbeitsaufgaben in zwei Bereiche. Einerseits betreffen sie den Jugendschutz im Rundfunk, anderseits den Jugendschutz im Internet. Da es in der vorliegenden Arbeit vorrangig um Computerspiele geht, und vor allem um solche, die im Internet mit anderen Spielern gemeinsam gespielt werden, beschränken sich die Ausführungen in diesem Bereich auf den Jugendschutz im Internet. Zu den Aufgaben der Kommission gehört zum Einen die Anerkennung von Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle auf Antrag. Zum Anderen überprüft sie, ob jene Einrichtungen innerhalb ihres rechtlichen Rahmens handeln. Ist dies nicht der Fall, kann die KJM rechtliche Schritte einleiten. Die Kommission kontrolliert, dass jugendgefährdende Inhalte, z.B. pornografische oder bereits indizierte, im Internet von den Anbietern nur von geschlossenen Benutzergruppen abrufbar sind. Das heißt, die Nutzer müssen sich zum ansehen der Seiten registrieren und dementsprechend ihr Alter nachweisen. Weiterhin erkennt die KJM Jugendschutzprogramme gemäß § 11 JMStV an. Diese Programme können 16 beispielsweise von Eltern auf dem Computer (mit Internetanschluss) ihrer Kinder installiert werden, wodurch gewährleistet werden soll, dass bestimmte, nicht altersgerechte Seiten vom Jugendlichen gar nicht erst aufgerufen werden können. Bisher konnte allerdings noch kein Programm von der Kommission anerkannt werden, da die speziellen Anforderungen nicht ausreichend erfüllt worden sind. Zukünftig wird es jedoch einige Modellversuche geben. Für die Überprüfung von Verstößen gegen den Jugendschutz im Internet ist die KJM ebenfalls zuständig. Unterstützt wird sie dabei von jugendschutz.net, einer Einrichtung, die an die Kommission angegliedert ist und gemäß § 18 JMStV mit der Beobachtung und Ermittlung von jugendschutzrelevanten Inhalten innerhalb des Internets beauftragt ist. Die Kommission übernimmt demnach die Überprüfung und Bewertung der eventuellen Verstöße und beschließt entsprechende Maßnahmen. Für die Durchsetzung dieser ist dann die betreffende Landesmedienanstalt zuständig (vgl. URL9: Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten 2009). 2.3.4 Andere Einrichtungen Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter (FSM) ist ebenfalls an die KJM gekoppelt. Hier haben alle Personen die Möglichkeit, sich über strafbare oder jugendgefährdende Inhalte im Rahmen des Jugendmedienschutzes im Internet zu beschweren. Außerdem kann die Organisation genutzt werden, um Fragen im Bereich Jugendschutz zu stellen oder sich zu informieren (vgl. URL10: Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter 2009). Weitere Selbstkontrolle- Organisationen bzw. Jugendmedienschutzeinrichtungen werden im Folgenden nur der Vollständigkeit halber kurz genannt, da sie vom eigentlichen Thema zu sehr abweichen. - Automaten-Selbstkontrolle (ASK) - Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) - Deutscher Presserat - Deutscher Werberat 17 Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass es auf rechtlicher Seite, vor allem seit 2003, viele komplexe gesetzliche Regelungen gibt, die sich mit dem Jugendmedienschutz beschäftigen. Sie sind geschaffen worden, um Medien von Kindern und Jugendlichen fernzuhalten, die ihre Entwicklung negativ beeinflussen könnten. Diese Regelungen haben jedoch auch gezeigt, dass Jugendgefährdung und Jugendbeeinträchtigung gemäß der rechtlichen Definition „nur“ dann vorliegt, wenn pornografische, nationalsozialistische, extrem kampfbetonte, kriegsverherrlichende oder vergleichbare Inhalte verbreitet werden. In keiner Selbstkontrolle-Einrichtung werden Spiele hinsichtlich ihrer Suchtpotenziale untersucht, da keine rechtlichen Regelungen dies verlangen. 3 Einführung in einige Computerspiele und Genres Die Sparte an Computerspielen und ihren Entwicklern ist mittlerweile unwahrscheinlich groß. So groß, dass selbst ein Computerspiel-Fan Probleme haben wird, den Überblick zu behalten. Es gibt Shooter, es gibt Rollenspiele, es gibt etliche Sportspiele, Strategiespiele etc. Im Folgenden werden zunächst kurz die Spielgenres vorgestellt, die am häufigsten gespielt werden. Es wird vorrangig auf die favorisierten Spiele der Jungen Bezug genommen, da bekanntlich die männlichen Jugendlichen stärker von Computerspielsucht betroffen sind, auch wenn betroffene weibliche Spieler sich häufen. Danach werden einige wichtige Spiele genauer erläutert. Als Hauptquelle dafür wird die aktuellste Studie des kriminologischen Forschungsinstitutes genutzt, die herausgearbeitet hat, welche Spiele von 2007 bis 2009 am häufigsten und intensivsten von männlichen Jugendlichen gespielt wurden. Es ist erneut festzustellen, dass es in diesem Rahmen unmöglich ist, alle Genres und Spiele zu erwähnen. Die Spiellandschaft ist enorm und die verschiedenen Genres, die noch dazu immer mehr werden, verschwimmen teilweise ineinander. Deshalb wurden lediglich einige wenige herausgefiltert, die auch außerhalb der besagten KFN-Studie am häufigsten in den Medien erwähnt werden und somit auch für Computerspielunerfahrene zumindest ein Begriff sein dürften. 18 3.1 Computerspielgenres 3.1.1 Shooter Wie vom Namen bereits abgeleitet werden kann, handelt es sich hier um ein „Schießspiel“ bzw. Spiele, in denen ein „Schütze“ agiert. Die meisten Shooterspiele sind so genannte Ego-Shooter. Hier blickt der Computerspieler aus der Sicht der Spielfigur auf das Spielgeschehen, das heißt er sieht sich selbst nicht, nur seine Hände mit der Waffe, wenn er beispielsweise zum Schuss ansetzt. Ziel der Ego-Shooter ist es, innerhalb des Spielverlaufes von einem Ort zu einem anderen zu gelangen, wobei sich der Figur etliche Hindernisse in Form von bewaffneten Menschen oder menschenähnlichen Wesen in den Weg stellen. Die Gegner sind meist keine Menschen sondern eher außerirdische Wesen oder Monster, um von vornherein Diskussionen über Gewalt gegen andere Menschen auszuschließen. Die lebenden Hindernisse müssen überwunden werden, indem die Figuren erschossen werden. Eine andere Form vom Shooterspiel ist der Taktik-Shooter. Hier wird online mit mehreren Spielern zusammen gespielt und gute Orientierung und eine schnelle Reaktion stehen im Vordergrund, denn der Spieler ist mit einem Team unterwegs, dessen Mitglieder füreinander verantwortlich sind (vgl. Pohlmann 2007, S. 13). In den Medien sind die Shooter allgemein bekannt als „Killerspiele“, die immer wieder in negative Schlagzeilen geraten, wenn ein School-Shooting bzw. Amoklauf stattgefunden hat, so wie kürzlich in Winnenden. Die Täter sind meist junge Männer, die im Vorfeld des Attentats exzessiv „Killerspiele“ gespielt haben, was dann zumeist mit der Tat in Zusammenhang gebracht wird. Diskussionen, ob solche Spiele verboten oder erst ab 18 Jahren freigegeben werden sollen, entflammen nach einem School-Shooting immer wieder erneut, verstummen jedoch auch genauso schnell. 3.1.2 (Online-)Rollenspiele für einen oder mehrere Spieler Rollenspiele finden in einer virtuellen Fantasiewelt statt. Die Spielfigur, die im Vorfeld ausgewählt wurde, zeichnet sich durch bestimmte Fähigkeiten und Stärken aus. Die Verbesserung und Erweiterung dieser Fähigkeiten während des Spielverlaufes stehen an erster Stelle. In verschieden Kampfsituationen kann der 19 Spieler seine Fähigkeiten zum Ausdruck bringen und im Falle eines Sieges zieht er mit einer neuen individuellen Fähigkeit bzw. einer neuen Eigenschaft weiter ins nächste Level (vgl. Pohlmann 2007, S. 12). Eine besondere Form des Rollenspiels sind die MMORPGs, die Massively Multiplayer Online Role playing Games. Diese Spiele werden im Internet gespielt und sind dadurch für hunderte Spieler gleichzeitig zugänglich, die dann alle am selben Spielgeschehen teilhaben. Ein weiteres Merkmal der MMORPGs ist das Bilden von Gruppen, so genannten Gilden. Der einzelne Spieler gehört dann zu einer Gemeinschaft, in der er einen festen Platz einnimmt und verantwortlich dafür ist, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, je nachdem, mit welchen speziellen Eigenschaften seine Spielfigur ausgestattet ist. Das heißt, es entstehen regelrechte Abhängigkeitsverhältnisse, da ein Charakter auf den anderen angewiesen ist, wenn ein Spieler beispielsweise in eine Gefahrensituationen gerät. Ein weiterer wichtiger Faktor bei den Onlinerollenspielen ist die Spieldauer. Bei den MMORPGs ist diese nämlich unbegrenzt. Auch wenn ein Spieler die virtuelle Welt verlässt, geht der Spielverlauf weiter. Die Gilde muss nun allein weiterziehen, ohne die Hilfe der individuellen Fähigkeiten des Spielers, der inzwischen offline ist. Das führt zu Problemen, je öfter und länger der Spieler nicht am Spielgeschehen teilnimmt. In einigen Satzungen von Gilden ist beispielsweise festgeschrieben, dass Spieler, die länger als einen Monat nicht online waren automatisch aus der Gilde ausgeschlossen werden, ein Wiedereintritt ist mit verschiedenen Bedingungen verknüpft (vgl. URL11: Bloody Heroes 2009). Überraschenderweise gibt es auch einige Gilden, die ganz klar Spaß als wichtigsten Faktor beim gemeinsamen Spielen definieren und die deutlich hervorheben, dass private Verpflichtungen und soziale Bindungen wichtiger sind, als die der virtuellen Welt. Inwieweit das tatsächlich so ist, und ob beispielsweise eine bestimmte tägliche Teilnahme am Spielgeschehen Pflicht ist, ergibt sich aus den Satzungen nicht. Details erfahren dann auch nur diejenigen, die tatsächlich in eine Gilde aufgenommen worden sind. Problematisch kann es werden, wenn sich bei den einzelnen Spielern das schlechte Gewissen meldet, sobald er nicht an der aktuellen „Mission“ im Spiel teilnimmt oder andere Gildenmitglieder Druck ausüben. Die Verführung ist dann vermutlich umso größer, des Öfteren am Tag online zu gehen, um zu überprüfen, wie die Mission vorangeht bzw. zu sehen, ob 20 die eigene Spielfigur „helfen“ kann. Je größer dieser innere Druck wird, desto öfter gehen die Spieler online und umso weniger Zeit bleibt für andere Dinge, wie Schule, Freunde, Familie, Sport und weitere Freizeitaktivitäten (vgl. Grünbichler 2008, S. 54). 3.1.3 Sportspiele / Rennspiele Bei den Sportspielen werden diverse Sportarten möglichst real nachgestellt und am Computer von einem oder mehreren Spieler/-n gespielt. Je nach Interessengebiet gibt es zu fast jedem Sport ein passendes Computerspiel. Gute Spiele zeichnen sich durch eine gute Grafik sowie eine leicht zu handhabende Steuerung aus. Auch eine Möglichkeit gemeinsam zu spielen sollte das Spiel bieten, online oder zu mehreren zu Hause, denn wie bei allen Spielen, macht es gemeinschaftlich größeren Spaß. Eine kleine Revolution auf dem (Sport-) Spielemarkt hat Ende 2006 stattgefunden, als die Konsole wii heraus gekommen ist. Wii wurde von der japanischen Firma Nintendo hergestellt und bringt das Spielen am Computer in eine völlig neue Dimension. Zur Konsole gehört unter Anderem eine Fernbedienung, die die eigenen Bewegungen über Infrarot-Strahlen erfasst, diese per Bluetooth an die Konsole sendet, die dann die Bewegungen auf den Bildschirm überträgt. Das bedeutet, dass Bewegungen nicht wie vorher durch das Drücken bestimmter Knöpfe auf einem Controller ausgelöst werden, sondern dass sie nun in der realen Welt ausgeübt und dann in die virtuelle Realität übertragen werden (vgl. URL12: Nintendo 2009). Mit der Wii-Konsole ist auch das Spielen von Gesellschaftsspielen oder Simulationsspielen möglich, aber gerade in den Sportspielen, in denen es vorrangig um Bewegungen geht, kommt die WiiTechnologie am besten zum Ausdruck und erhöht beim gemeinsamen Spielen den Spaß-Faktor enorm. Die meisten Rennspiele sind Autorennspiele. Es gibt natürlich auch Rennspiele mit anderen Fortbewegungsmitteln, aber die Autorennen sind in den Spiele-Charts an den obersten Stellen vertreten (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 18). Hier geht es darum, möglichst schneller als die anderen Rennfahrer oder in einer bestimmten Zeit zum Ziel zu gelangen. Auch hier zeichnen sich gute Spiele durch Realitätsnähe und einfache Steuerung aus. Außerdem ist hier, so wie bei jedem anderen Spiel, Detailtreue wichtig. Passende Geräusche zu den jeweiligen 21 Bildern, wie z.B. Musik im Radio oder sich bewegende Bäume, wenn es im Spielgeschehen sehr windig ist. Das Autofahren gestaltet sich möglichst realitätsnah, das heißt z.B. beim Bremsen wird der exakte Bremsweg berücksichtigt und durch die passenden Geräusche untermauert. Wird in den Spielen nicht in den korrekten Gang geschalten, geht auch im Spiel so wie im „richtigen Leben“ der Motor des Wagens aus. 3.1.4 Sonstige Genres Drei wichtige Spielgenres sind genannt und kurz erläutert worden, dennoch sollen der Vollständigkeit halber einige weitere erwähnt werden. Simulationsspiele, wie die Sims, die vor allem bei jungen Mädchen sehr beliebt sind, sind unvorstellbar erfolgreich. Dem Spiel-Verleger Electronic Arts zufolge wurden die verschiedenen Sims-Spiele über 100 Millionen Mal verkauft (vgl. URL13: Chip online 2008). Bei den Simulationsspielen geht es in erster Linie darum, sich in einer bestimmten Umgebung einzurichten. Sich ein Haus zu bauen, arbeiten zu gehen, Geld zu verdienen und eine Familie zu gründen. Es kann sozusagen als eine Übung gesehen werden, in der das eigene reale Wunschleben in der virtuellen Welt dargestellt werden kann. Auch hier kann es erneut kritisch werden, wenn die Nutzer mehr Zeit in der virtuellen, als in der wahren Realität verbringen. In bestimmten Lebensphasen, gerade während der Pubertät kann es sehr verlockend sein, in einer zweiten, parallelen Welt ein Leben zu führen, in dem man tun und lassen kann, was man möchte und seine eigenen individuellen Vorstellungen verwirklichen kann. Ein Spieler, der in einem gesunden und geregelten sozialen Umfeld groß geworden ist, sollte jedoch irgendwann einen Punkt erreichen, an dem er das Interesse an der virtuellen Realität mehr und mehr verliert, da auch die Wirklichkeit zahlreiche positive Ereignisse bereit halten kann. Außerdem gern gespielt, vor allem von weiblichen Jugendlichen, werden Gesellschafts- oder Partyspiele, allen voran Sing Star von der Firma Sony. Den Spielern wird hier ermöglicht, zu den Musikvideos ihrer Lieblingskünstler Karaoke zu singen. Dies kann in verschiedenen Variationen geschehen. Es kann im Duett gemeinsam gesungen werden oder es wird im Duell gegeneinander angetreten (vgl. URL14: Singstar 2009). Bei jungen Mädchen ebenso weit vorn liegen 22 Denkspiele, wie Solitär oder auch Geschicklichkeitsspiele, wie beispielsweise die Super Mario Reihe (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 18). 3.2 Computerspiele Wie bereits in der Einführung der Computerspielgenres erwähnt, gibt es eine Vielzahl von Computerspielen und Computerspielgenres. Von einzelnen Spielen, wie z.B. den Sims (vgl. 3.1.4) kommen immer wieder neue Versionen mit verbesserter Grafik oder einem anderen Spielgeschehen auf den Spielemarkt, um Computerspielfans bei Laune zu halten. So gibt es beispielsweise die Sims, die Sims 2, die Sims 3, MySims und etliche weitere Erweiterungen bzw. Nachfolgespiele (vgl. URL15: SimFans 2009). Da dies bei fast allen Spielen der Fall ist, beschränken sich die vorliegenden Ausführungen darauf, jeweils nur den Namen des ersten veröffentlichten Spiels zu nennen, gemeint ist damit jedoch die gesamte Spielreihe. Soll ein gewisses Spiel der Reihe hervorgehoben werden, wird der genaue Name genannt. Zu den jeweiligen Spielen werden einige technische und geschichtliche Fakten erläutert, gefolgt von der Beschreibung des allgemeinen Spielherganges. 3.2.1 Counter Strike Auf dem Platz eins der von männlichen Jugendlichen am häufigsten gespielten Computerspiele, steht der Ego bzw. Taktik-Shooter Counter Strike. Im Jahre 1998 kam das Spiel Half-Life von den Firmen Sierra und Valve Software auf den Markt. Es war unglaublich erfolgreich, denn es war das erste 3D-Spiel, das während des gesamten Spielverlaufes eine durchgehende Geschichte erzählte und sich für damalige Verhältnisse durch beste Grafik auszeichnete. Die Hobby- Spielentwickler Minh Lee und Jeff Cliffe entwickelten daraus die Mod3 Counter Strike, was im deutschen Gegenschlag bedeutet. Das Spiel konnte kostenlos im Netz herunter geladen werden und hatte zeitweise einen größeren Zulauf an Nutzern, als kommerzielle Computerspiele (vgl. Klös 2006 URL). Die deutsche Version des Spieles ist ab 16 Jahren freigegeben, die Originalversion darf nur an Erwachsenen abgegeben werden. 3 Als Modifikation (ugs. Mod) bezeichnet man die Veränderung oder Weiterentwicklung eines bereits veröffentlichten und weit verbreiteten Computerspiels (vgl. URL16: Computerbase 2009). 23 Das Spiel wird in Teams über mehrere Runden gespielt, die maximal drei bis fünf Minuten dauern. Ein Team stellt eine Terroristengruppe dar, das andere eine Antiterroreinheit. Den Spielern stehen verschiedene Ausrüstungen zu Verfügung. Dazu gehören Schutzwesten, Schusswaffen, Granaten etc. Die Menge an Ausrüstungsgegenständen, die es zu Beginn jeder Runde zu erwerben gilt, ist davon abhängig, wie viel Geld die Spieler zu Verfügung haben bzw. bereits in den vorherigen Runden erspielt haben. Ziel ist es, je nach Modus, entweder Geiseln aus den Fängen der Terroristen zu befreien oder Bomben, die das TerroristenTeam gelegt hat, zu entschärfen. Der Sieg wird mit Geld belohnt. Sieger sind die Terroristen, wenn die Geiseln nicht (lebend) befreit bzw. die Bomben von den Antiterroreinheiten nicht entschärft werden konnten. Das Antiterrorteam gewinnt, wenn die Geiseln unversehrt befreit oder die Bomben vor ihrer Explosion entschärft wurden. Im Spielverlauf ist es theoretisch möglich, ohne den Gebrauch von Waffen oder den Verlust von Menschenleben von einer Runde in die nächste zu gelangen. Aus taktischen Gründen findet dies jedoch kaum statt, denn es ist beispielsweise leichter, Geiseln aus den Fängen von fünf als von zehn Terroristen zu befreien. Es wird demnach suggeriert, möglichst viele Mitglieder des gegnerischen Teams zu eliminieren. Das virtuelle Leben der einzelnen Team-Mitglieder steht jedoch definitiv im Vordergrund. Es ist also abzuwiegen, ob sich die Spielfigur in gefährliche Situationen begeben soll und eventuell mit dem Leben bezahlt oder etwas mehr Zeit investiert und dann rechtzeitig einen anderen sicheren Weg findet. Wird die Spielfigur von einem Gegenspieler (z.B. durch einen Kopfschuss) getroffen, stirbt diese sofort und ist bis zum Ende der Runde aus dem Spiel ausgeschieden. Nach dem bereits erwähnten Amoklauf in Erfurt wurde von vielen Seiten das Verbot des Spiels gefordert, da einige Presseberichte die Tat des Robert Steinhäuser unmittelbar damit in Zusammenhang brachten, dass dieser vorgeblich begeisterter Counter Strike-Spieler war. Dies stellte sich zwar als Fehlinformation heraus, dennoch wurde ein Antrag an die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (heute BPjM) eingereicht, das Spiel zu indizieren. Der Antrag wurde drei Wochen nach dem Attentat aus den verschiedensten Gründen negativ 24 entschieden. Unter Anderem, weil die Gewaltanwendung gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen nicht die einzige Möglichkeit sei, im Spiel voran zu kommen oder Punkte zu sammeln. Wenn eine Spielfigur zu Tode kommt, würde dies auch nicht mit zynischen oder lustigen Sprüchen kommentiert, ebenfalls eine Begründung dafür, von einer Indizierung abzusehen (vgl. URL17: Killerspiele-Info 2006). Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) hat im Rahmen einer Studie jedoch gegenteilige Erkenntnisse gewonnen. Von August 2006 bis Januar 2007 haben Mitarbeiter des Institutes 72 Computerspiele getestet und diese umfassend nach den unterschiedlichsten Kriterien untersucht und beschrieben. Zusammen mit der Vorlage zum mehrseitigen Testbericht wurde im Vorfeld ein Katalog mit Verhaltensvorschriften erstellt, die bei der Einschätzung und Bewertung der Spiele zwingend eingehalten werden mussten. Beispiele hierfür sind die Vermeidung einer täglichen Spielzeit über sechs Stunden oder die Einhaltung regelmäßiger Pausen. Sehr genau geprüft wurde vor allem die Gewalthaltigkeit der verschiedenen Spiele, das heißt, genaue Beschreibungen über die Todesdarstellung, Kommentare zum Ableben oder die Legitimität der Gewaltanwendung seitens der Spielfiguren wurden abverlangt. Die Testergebnisse wurden dann mit den USK-Alterseinstufungen der jeweiligen Spiele verglichen, gefolgt von einer Einschätzung über die Angemessenheit der USK-Alterseinstufungen aus der Sicht der KFN-Mitarbeiter (vgl. Höynck u.a. 2007, S. 21, 40, 79). Die Einschätzung von Counter Strike Source, dem aktuellsten Spiel der Counter Strike-Reihe lautet folgendermaßen: „Die Freigabe des Spiels ab 16 Jahren ist nicht angemessen. Gewalt ist das zentrale Element des Spiels und exklusives Mittel zur Zielerreichung; diese wird [...] auch so deutlich mit Blut und durch die Physikengine4 visualisiert […]“ (vgl. Höynck u.a. 2007, S. 47). 4 Eine Physikengine ist der Teil eines Programms, der für die Simulation von physikalischen Prozessen in Computerspielen angewendet wird (vgl. URL19: Netzwelt 2009). 25 3.2.2 FIFA Die FIFA-Reihe von Electronic Arts (EA) und Tochterunternehmen EA Sports begann 1993, als FIFA International Soccer auf den Markt kam. Es ist eine Fußballspiel-Serie, die komplett von der FIFA5 lizenziert ist und somit jedes Jahr ein neues Computerspiel mit aktuellen Daten aus mittlerweile über 30 Ligen mit 500 Mannschaften herausbringen kann. Die Serie besteht inzwischen aus über 15 Spielen. Das neuste auf dem Markt ist FIFA 10. Wie auch im realen Fußball werden, je nach Version, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und die verschiedenen Spiele in den einzelnen Bundesligen bzw. den ersten und zweiten Ligen der Länder ausgetragen. Weiterhin ist es möglich, Freundschaftsspiele auszutragen oder sich als Manager eines Fußballteams zu behaupten. Das Spiel zeichnet sich vor allem durch seine Grafik, das realistische Spielverhalten der Figuren und die Animationen aus. Im Spiel FIFA 2003 konnten die Spielfiguren erstmals mit ihren großen Vorbildern verglichen werden. Durch die verbesserte Grafik wurden die Gesichter so präzise dargestellt, dass die Original-Spieler, denen sie nachempfunden waren, zu erkennen waren (vgl. Wirsig 2003, S. 169). In FIFA 09 wurde dann die so genannte Third-Person-Perspektive eingeführt, womit dem Spieler ein realistischeres Bild vom Spielgeschehen vermittelt werden soll. Auch ein Mehrspieler-Modus ist im Spiel integriert, was auch das gemeinsame Spielen im Internet ermöglicht (vgl. URL18: Wikipedia 2009). Dies zeigt sich auch auf den jährlich ausgetragenen World Cyber Games, einer Art Weltmeisterschaft im Computerspiel-Sport, bei der FIFA jedes Jahr eine Disziplin darstellt. Auch in der Electronic Sports League (ESP) Pro Series ist FIFA eine feste Größe. Die ESP Pro Series ist sozusagen die Fußballbundesliga im elektronischen Fußball-Sport (vgl. URL20: Wikipedia 2009). 3.2.3 Need for Speed Mit Need for Speed startete im Jahr 1994 eine der populärsten Rennspiel-Serien. Need for Speed, kurz NFS, kommt aus dem englischen und bedeutet soviel, wie das Verlangen oder das Bedürfnis nach Geschwindigkeit und wird ebenfalls von Electronic Arts vertrieben. Im Gegensatz zu anderen Rennspielen, werden bei NFS keine fiktiven, sondern real vertriebene Autos mit Herstellerlizenz gesteuert. 5 FIFA steht für Fédération Internationale de Football Association, zu Deutsch: Internationale Föderation des Verbandsfußballs (Brockhaus 1988, S. 274). 26 Damit grenzt sich NFS von anderen Autorennspielen ab. Die Rennen werden illegal auf der Straße oder auf abgetrennten Strecken ausgetragen. In den neueren Teilen werden die Gewinner mit Geldern belohnt, die Fahrzeuge können dann mit einem Tuning-Programm besser ausgestattet werden. Neue Teile erscheinen mittlerweile jährlich und natürlich hat es in den mittlerweile 14 Teilen ständig Veränderungen und Verbesserungen gegeben. Konnte in The Need for Speed, dem ersten Teil der Serie, nur zwischen acht Autos ausgewählt werden, stehen in den Nachfolger-Spielen teilweise bis zu 66 Autos im Fuhrpark zur Verfügung. In NFS High Stakes aus dem Jahre 1999 waren nach Unfällen oder Ähnlichem erstmals Schäden am Fahrzeug sichtbar. Erweitert wurde dies später noch, als sich bei NFS Pro Street, die Schäden zusätzlich auf das Fahrverhalten auswirkten. Auch die Spezial-Effekte wurden ständig verbessert, so konnte man in NFS Hot Pursuit 2 auf den Strecken beispielsweise Waldbrände oder Sandstürme beobachten. Einige Teile der Reihe wurden jedoch von Fachleuten kritisiert, da im Gegensatz zu den Vorgängern keine besonderen Veränderungen ersichtlich waren. Aufgrund dessen waren diese auch weniger erfolgreich. Das neuste Spiel der Reihe ist mit NFS Shift soeben veröffentlicht worden. Im Gegensatz zu allen Vorgängern werden die Spielfiguren hier weder zu illegalen Rennfahrern, noch zu Fahrern auf abgegrenzten Strecken (vgl. URL21: Wikipedia 2009). Im aktuellen Teil der Reihe wird der Spieler zum Rennfahrer im seriösen Motorsport, in dem es gilt, sich für das Rennen der NFS World Tour zu qualifizieren (vgl. URL22: Allround PC 2009). 3.2.4 Grand Theft Auto Grand Theft Auto (GTA) ist eine Computerspiel-Serie von der schottischen Firma Rockstar-Games. Der erste Teil kam 1997 auf den Markt und war für damalige Verhältnisse etwas völlig Neues, da dieser Action-, Rennspiel- und ShooterElemente vereinte. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Mafia-Mitgliedes und muss verschiedene Missionen erfüllen (vgl. Wirsig 2003, S. 198f). Im Vordergrund steht die Hauptmission, in der es zumeist darum geht, mit der Hilfe von Waffen und Autos, Aufgaben wie z.B. Verfolgungen, Kurierfahrten, aber auch Sprengungen von Gebäuden zu erfüllen. Außerdem transportiert der Protagonist, je nach Teil des Spieles Drogen, verschiebt gestohlene Fahrzeuge oder legt 27 Bomben. Die verschiedenen Nebenmissionen können dazu beitragen, bessere Waffen, Geld, andere Kleidung und weitere wichtige Gegenstände zu erwerben. Die Nebenmissionen sind jedoch nicht mit der Haupthandlung verknüpft. Mit GTA 3, welches 2002 erschien, wurde auch diese Reihe dreidimensional. Die neueste Veröffentlichung der Reihe ist GTA Chinatown Wars, welche im Frühjahr 2009 erschienen ist (vgl. URL23: Wikipedia 2009). Die Spiele wurden von verschiedensten Spieltestern durchweg positiv bewertet, was sich auch in den jeweiligen Verkaufzahlen niederschlug. GTA 3 wurde über 20 Millionen Mal verkauft, die gesamte Reihe bislang über 65 Millionen Mal. Wie bereits erwähnt, ist das Spiel eine Besonderheit, da es mehrere Spielgenres vereint und der Spieler in keinem anderen Spiel so zahlreiche Optionen hat, sich im Spielgeschehen zu bewegen. Es sind keine bestimmten Regeln vorgeschrieben, auf welche Art und Weise der Protagonist seine Missionen zu erfüllen hat. Er hat die Freiheit selbst zu entscheiden und in der riesigen virtuellen Welt die beste Möglichkeit für sich zu erschließen. Komplette fiktive Städte mit Gebäuden und Passanten, unterschiedlichem Wetter und vor Allem unter der Beachtung physikalischer Gesetze, wurden für GTA entwickelt. Trotz des enormen Erfolges der Spielreihe gibt es immer wieder negative Presse. Dafür können verschiedene Gründe genannt werden. Zunächst ist die Hauptfigur des Spiels ein Krimineller, der, wie bereits geschildert, diverse Straftaten begeht und sich in zwielichtigen Vierteln mit suspekten Gestalten bewegt. Des Weiteren wird kritisiert, dass das Spiel ermöglicht, auch ohne besondere Gründe Menschen umzubringen und Autos zu Schrott zu fahren. Kurz gesagt, der Protagonist kann alles um ihn herum willkürlich zerstören und sich ihm in den Weg stellende Hindernisse vernichten (vgl. Patalong 2008 URL). Bis auf GTA Advance aus dem Jahre 2004, was ab 12 Jahren freigegeben ist, erhielten die Nachfolgerspiele nur eine Freigabe ab 16 Jahren. Die beiden letzten Spiele GTA IV (2008) und GTA Chinatown Wars (2009) erhielten keine Jugendfreigabe (URL24: Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle 2009). Auch Todesfälle abseits der virtuellen Realität werden mit der Spielreihe in Verbindung gebracht. So wurde im vergangenen Jahr in Thailand ein Taxifahrer 28 von einem 18-jährigen jungen Mann brutal niedergestochen. Als Begründung dafür gab dieser an, er habe das Computerspiel GTA IV nachahmen wollen. Der Verkauf des Spieles ist seither in Thailand verboten. Die Polizei ist berechtigt Verkäufer des Spiels sofort festzunehmen. Ladenbesitzer, die das Spiel dennoch weiter vertreiben, müssen mit Haftstrafen bis zu drei Jahren sowie Geldstrafen rechnen. Der Vertrieb übers Internet wird zudem noch härter bestraft (vgl. Grand Theft Auto IV 2008 URL). Ein Jahr zuvor sorgte eine Modifikation von GTA San Andreas namens „Hot Coffee“ in Australien für Furore. Diese machte es möglich sich innerhalb des Spiels sexuell mit virtuellen Freundinnen zu vergnügen. Zum Ärger von vielen Eltern, da das Spiel zunächst ab 15 Jahren freigegeben war. Nachdem die zuständigen Stellen von der Modifikation erfuhren, wurde die Altersfreigabe sofort zurückgezogen. In Australien sind Vertrieb und Werbung für das Spiel seitdem verboten (vgl. GTA San Andreas 2005 URL). Auch das Stichwort Rassismus wird in Zusammenhang mit der GTA-Reihe gebraucht. Dies ist begründet in den übertrieben klischeehaften Darstellungen bestimmter Völkergruppen und deren unmittelbaren Zugehörigkeit zu kriminellen Banden (vgl. URL23: Wikipedia 2009). Dass die beiden letzten Teile der Spielreihe keine Jugendfreigabe erhalten haben, wurde bereits erwähnt. Die Mitarbeiter des kriminologischen Forschungsinstitutshaben auch bei älteren Teilen, sowohl bei GTA Liberty City Stories sowie bei GTA San Andreas unangemessene Altersfreigaben festgestellt. In beiden Fällen heißt es: „Das Spiel erfordert die Übernahme der Rolle eines unmoralisch handelnden Verbrechers […]. Es fordert spielerisch dazu auf, möglichst brutal mit Gegnern und Unbeteiligten umzugehen […]. Die Visualisierung ist […] sehr blutig.“ Speziell bei GTA Liberty City Stories sind „sehr zynische Formulierungen in Bezug auf Gewalt“ aufgefallen (Höynck u.a. 2007, S. 46, 49). 29 3.2.5 Battlefield Die Battlefield-Reihe gehört wie Counter Strike zu den Ego-Shootern bzw. TaktikShootern. Battlefield bedeutet übersetzt Schlachtfeld und weist damit auf das Kriegsszenario hin, in dem das Spielgeschehen stattfindet. Nachgestellt werden verschiedene Schlachten in unterschiedlichen vergangenen oder fiktiven Kriegen. Im ersten Teil Battlefield 1942 befindet sich der Spieler in der Mitte des Zweiten Weltkrieges und kämpft an berühmten Kriegsschauplätzen wie Stalingrad oder Berlin. Im Vorfeld trifft der Spieler jedoch die Entscheidung, auf welcher Seite er kämpfen möchte. Außerdem wählt er eine bestimmte Funktion aus, die er ausüben will. Zur Wahl stehen beispielsweise Scharfschütze oder Sanitäter. Der Spieler hat die Möglichkeit die Schlachten während des Zweiten Weltkrieges nachzustellen und zu beeinflussen (vgl. URL25: Battlefield News 2008). Im Nachfolgespiel Battlefield Vietnam wird das Spielgeschehen in den Vietnamkrieg verlegt. Hier wählt der Spieler aus, ob er für die nordvietnamesische Armee oder die amerikanische Seite eintritt. Im Gegensatz zum Vorgänger stehen neue Charaktermodelle und bessere Waffen zur Verfügung (vgl. URL26: Battlefield News 2006). Während die ersten beiden Teile der Reihe sich auf tatsächlich stattgefundene Kriegsszenarien beziehen, werden in Battlefield 2 und 2142 fiktive Kriege ausgetragen. Letzteres führt den Spieler ins Jahr 2142, in dem soeben eine neue Eiszeit angebrochen ist, die die Welt ins Chaos gestürzt hat. Gekämpft wird auf der Seite der Europäischen Union oder der neu gegründeten panasiatischen Koalition (vgl. URL27: Battlefield News 2007). Neuestes, im Juli dieses Jahres veröffentlichtes Spiel, Battlefield 1943 führt dann wiederum in den Zweiten Weltkrieg zurück. Insgesamt besteht die Reihe aus sieben Spielen und mehreren Erweiterungen. Battlefield 3 soll im nächsten Jahr veröffentlicht werden (vgl. URL28: PC Games 2009). Auf der Homepage der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle ist nachzulesen, dass die komplette Spielreihe ab 16 Jahren freigegeben ist. Das KFN hat in ihrer Studie auch Spiele aus dieser Reihe getestet und ist abermals zu dem Entschluss gekommen, dass Teile der Reihe eine unangemessene oder zumindest zweifelhafte Altersfreigabe haben. Festgemacht wird das in diesen Fällen an der sehr realitätsnahen Darstellung des Kriegsgeschehens. Außerdem werde z.B. bei Battlefield 2 durch „verharmlosende Musikuntermalung ein realitätsnaher Krieg 30 als spannendes Abenteuer inszeniert und die Bedeutung und Grausamkeit des Krieges dadurch relativiert“ (Höynck u.a. 2007, S. 46). Auch Spielmodi bei Battlefield 2 Modern Combat werden kritisiert. Dort „müssen reihenweise menschliche Figuren aus dem Hinterhalt abgeschossen werden“ oder Figuren müssen sich wie bei einem Bowlingspiel aufstellen, um dann von einer Granate getötet zu werden (vgl. ebd., S. 48f). 3.2.6 Guild Wars Das Spiel taucht in der Liste der neuesten KFN-Studie der am meisten gespielten Spiele von männlichen Jugendlichen zwar erst auf Platz 10 auf, ist aber neben World of Warcraft, das einzige MMORPG in den Top Ten, sodass es dennoch kurz vorgestellt werden soll. Guild Wars ist das Spiel-Debüt der amerikanischen Firma AreaNet, wurde 2005 veröffentlicht und ist somit das jüngste auf dem Markt der bisher beschriebenen Spiele. Die Entwickler selbst sehen es nicht als reines MMORPG, sondern bezeichnen Guild Wars als „Competitive Online Role Playing Game“, frei übersetzt mit „wettkampfsbetontes Onlinerollenspiel“. Diese Wortschöpfung scheint jedoch relativ neu zu sein, da selbst im Internet nur sehr wenige Seiten zu finden sind, die sich mit dem Begriff auseinandersetzen. Vielleicht ist Guild Wars auch deshalb von den Mitarbeitern des Kriminologischen Forschungsinstitutes den klassischen MMORPGs zugeordnet worden. Ausgangspunkt des Spieles ist das Königreich Ascalon, welches von einem fremdartigen Volk aus dem Norden, den Charr, angegriffen und zerstört wurde. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Bewohners von Ascalon, der zur Unterstützung des Königs gemeinsam mit anderen treuen Bürgern den Kampf gegen die Charr aufnimmt (vgl. Stein 2005, S. 1 URL). Bevor der Spieler in die Schlacht zieht, wählt er zunächst aus sechs zur Verfügung stehenden Klassen einen Charakter aus, wie z.B. einen Mönch, einen Waldläufer oder einen Krieger. Jeder Charakter ist mit 70 verschiedenen Fähigkeiten ausgestattet, von denen aber während des Spielverlaufs immer nur jeweils acht gleichzeitig genutzt werden können (vgl. ebd., S. 2). Wie der Name bereits andeutet, werden auch hier Gilden gebildet, die bis zu 100 Mitglieder fassen können. Das Zusammenschließen zu Gilden ist nur in der Stadt oder im Basislager möglich, da nur hier die Möglichkeit besteht, auf Tausende andere Mitspieler zu treffen. Verlässt die Spielfigur die 31 sichere Stadt, ist sie auf sich allein gestellt bzw. kann nur bis zu sieben Gefährten aus der eigenen Gilde mitnehmen, um dann die unterschiedlichsten Missionen oder so genannte Quests6 zu erfüllen (vgl. ebd., S. 1). Ob eine Mission erfüllt wird, entscheidet sich in Kämpfen mit verschiedenen Monstern oder auch menschlichen Gegnern. Belohnungen für gewonnene Kämpfe sind dann zumeist neue Fähigkeiten, seltener ein Schwert oder eine besondere Waffe. Ein Hauptziel, mit dessen Erfüllung das Spiel beendet ist, gibt es bei Guild Wars nicht, denn auch hier läuft wie bei World of Warcraft das Spielgeschehen weiter, auch wenn der Spieler momentan offline ist und nicht direkt Einfluss nehmen kann. Ziel ist demnach die Erfüllung der aktuellen Mission und die damit einhergehende Verbesserung der persönlichen Fähigkeiten des Spielcharakters. Neben dem Hauptspiel sind bisher zwei weitere Teile so wie eine Erweiterung zum ersten Teil von Guild Wars erschienen. Die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle hat alle zur Reihe gehörenden Spiele ab 12 Jahren freigegeben. Die Veröffentlichung von Guild Wars 2 verschiebt sich immer weiter nach hinten. Als Gründe dafür gibt AreaNet die Wirtschaftskrise und damit zusammenhängende Umstrukturierungen in der Firma an. Aktueller Erscheinungszeitraum ist 2010/2011 (vgl. URL29: Gameszone 2009). Die Ausführungen des dritten Abschnittes sollten verdeutlichen, wie komplex die Computerspiellandschaft ist. Spielaufbau und -ziel sind für jedes einzelne Spiel differenziert zu betrachten. Unterschiede in den Genres und Spielen sind enorm. Altersfreigaben können zur Orientierung beitragen, dennoch ist ihnen mit Skepsis zu begegnen. Nach Einschätzung des kriminologischen Forschungsinstitutes sind mehrere Spiele mit einer unangemessenen Alterskennzeichnung versehen worden. Die Meinungen der USK und anderen Einrichtungen gehen demnach auseinander. Das Spiel selbst zu spielen, und sich ein eigenes Bild zu machen, ist eine Variante, um sich unabhängig zu informieren. Wie unterschiedlich sich Computerspiele auswirken können, zeigen vor Allem die negativen Ereignisse, die 6 Quest kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „die Suche“ oder „das Streben/ Trachten“ nach etwas (vgl. Langenscheidts Handwörterbuch Englisch 1999, S. 517). Im Bereich MMORPGs werden Missionen und Aufgaben innerhalb des Spielverlaufes als Quests bezeichnet (vgl. Grünbichler 2008, S. 115). 32 in Deutschland, aber auch im Ausland stattgefunden haben. Auch welches Suchtund Gewaltpotenzial einige Spiele in sich bergen konnte herausgearbeitet werden. Konkrete Forschungsergebnisse der Wissenschaft in diesem Bereich, werden im nächsten Abschnitt vorgestellt. 4 Studie: Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter 4.1 Einleitung Der erste Teil der Studie wurde von April 2007 bis Oktober 2008 in 61 Erhebungsgebieten in Deutschland durchgeführt. Befragt wurden 44.610 Schüler der 9. Klassen, mit einem Altersdurchschnitt von 15,3 Jahren. 51,3 Prozent der Befragten waren männliche Jugendliche, 27,4 Prozent wiesen einen Migrationshintergrund auf. Die Daten wurden klassenweise mit Hilfe eines standardisierten 31-seitigen Fragebogens und einem geschulten Interviewer erhoben. Außerdem erhielt jeder dritte Schüler zusätzlich einen 6-seitigen Bogen mit speziellen Fragen zum Thema Internetnutzung und Computerspielabhängigkeit. Die Rücklaufquote lag bei 88 Prozent (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 15). Im zweiten Teil der Studie wurden die gewonnenen Daten auf jüngere Schüler bezogen und die Bedeutung für diese Altersgruppe analysiert. So wird seit dem Jahr 2005 wird vom Institut jährlich eine Grundschülerbefragung von 1.156 Schülern in 47 verschiedenen Schulen in Berlin durchgeführt. Die letzte Befragung fand im Frühjahr 2008 statt und war bereits die vierte Befragung von den nun inzwischen 11,5-jährigen Kindern. 4.2 Aufbau und Durchführung 4.2.1 Computerspielen im Jugendalter Zu Beginn des Fragebogens wurden die Schüler nach ihren Freizeitaktivitäten befragt und gebeten, die Dauer der jeweiligen Aktivitäten zu bestimmen, z.B. zwei Stunden fernsehen, eine Stunde Sport etc. Die Ergebnisse machen deutlich, dass 33 enorm viel Zeit in die Nutzung von Bildschirmmedien investiert wird. Mädchen nutzen diese mehr als sechs Stunden, Jungen sogar siebeneinhalb Stunden täglich. Das Fernsehen nimmt hierbei täglich den größten Zeitraum ein (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 15). Das Computerspielen steht bei männlichen Jugendlichen direkt auf Platz zwei, gefolgt vom chatten im Internet. Das Internet steht zwar auch bei weiblichen Jugendlichen an zweiter Stelle, ist jedoch gefolgt von Familienunternehmungen, Sport und Ausgehen mit Freunden. Das Computerspielen nimmt bei Mädchen nur den sechsten Platz ein (vgl. ebd., S. 16). Das veranschaulicht, warum in Zusammenhang mit Computerspielsucht oft hauptsächlich von männlichen Jugendlichen die Rede ist und diese die größeren „Sorgenkinder“ darstellen. Die häufige Nutzung des Computers wird auch dadurch ermöglicht, dass z.B. mehr als 2/3 der Befragten einen eigenen Computer in ihrem Zimmer besitzen. Auch hier besaßen zum Befragungszeitraum wieder mehr Jungen als Mädchen einen Computer. Bei stationären Spielkonsolen ist die Ausstattungsquote der Jungen sogar doppelt so hoch, als die der weiblichen Jugendlichen. Annähernd 2/3 der Befragten, die einen Computer bzw. Spielkonsole besitzen, hatten zum Befragungszeitpunkt die Möglichkeit, sich mit dem Internet zu verbinden (vgl. ebd., S. 17). Um eine Übersicht zu erstellen, welche die am häufigsten gespielten Spiele der Schüler sind, gaben diese jeweils ihre drei Lieblingsspiele an. So ist auch die TopTen Liste, die im gesamten Abschnitt Drei der vorliegenden Arbeit mehrfach erwähnt wurde, entstanden. Bei Jungen finden sich in den Top Ten drei Shooter wieder, demnach eher Spiele, die einen hohen Zeitaufwand erfordern. Die Mädchen favorisieren leicht zu verstehende Spiele wie Solitär oder Singstar, Spiele, die schnell erlernt und verstanden werden. Auch die zahlreichen Spielgenres werden von Jungen und Mädchen sehr unterschiedlich genutzt. Spielen 7,5 Prozent der männlichen Schüler täglich Onlinerollenspiele, so sind es bei den Mädchen nur 1,2 Prozent. Auffällig ist auch, dass eine große Mehrheit der männlichen Schüler Spiele bevorzugt, die gemäß USK noch gar nicht für ihr Alter freigegeben sind. 55,4 Prozent gaben an, ab 16 freigegebene Spiele regelmäßig 34 zu spielen. Auch Spiele ohne Jugendfreigabe werden von 48,3 Prozent der Schüler mehrmals im Monat gespielt (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 17). Um herauszufinden, inwieweit von abhängigem Spielverhalten der Befragten gesprochen werden kann, haben die Mitarbeiter des KFN die in Punkt 1.1.1 genannten Kriterien, die vorliegen müssen, um von einer Abhängigkeitserkrankung zu sprechen, auf das Computer spielen bezogen und die Abhängigkeitsskala weiterentwickelt. Demnach sind 2,8 Prozent der befragten Schüler als gefährdet einzustufen, 1,7 Prozent bereits abhängig. Besonderes Augenmerk ist auch hier wieder auf die Daten der männlichen Befragten zu legen. Bereits 4,7 Prozent sind gefährdet, eine Abhängigkeit zu entwickeln, 3 Prozent werden als abhängig eingestuft. Bei den Mädchen liegt die Gefährdung bei 0,5 Prozent, abhängig sind sogar „nur“ 0,3 Prozent. Werden die gesammelten Daten auf die gesamte Bundesrepublik bezogen, ist gemäß der Studie davon auszugehen, dass 23.600 Jugendliche in der befragten Altersstufe gefährdet sind eine Computerspielabhängigkeit zu entwickeln. Bei 14.300 Jugendlichen liegt bereits eine Erkrankung in diesem Zusammenhang vor, 13.000 davon sind männliche, 1.300 weibliche Jugendliche (vgl. ebd., S. 22). Weiterhin wurde festgestellt, dass abhängigkeitsgefährdete Jungendliche schlechtere schulische Leistungen in Fächern wie Deutsch, Geschichte und Sport aufweisen. Bei den bereits abhängigen Jugendlichen liegen die Leistungen in diesen Fächern deutlich unter dem Durchschnitt. In Mathematik werden hingegen gute bzw. durchschnittliche Leistungen erzielt. Auch das Schulemeiden ist in diesem Zusammenhang ein Thema. Unter den Viel- und Exzessivspielern gibt jeder Vierte an, im letzten Schulhalbjahr innerhalb des Befragungszeitraumes die Schule geschwänzt zu haben. Als Grund wurde angegeben, lieber nach Hause gehen zu wollen, um Computer zu spielen. Außerdem sind gefährdete sowie exzessiv spielende Schüler Mehrfachschulschwänzer, mit mehr als fünf geschwänzten Tagen innerhalb eines Schulhalbjahres (vgl. ebd., S. 23). Auf die Frage, warum gerade die Jungen in hohem Maße von Abhängigkeit betroffen bzw. gefährdet sind, gibt die Studie nur unbefriedigende Antworten. 35 Zwar wird erklärt, dass dies mit einer dysfunktionalen Stressregulation zusammenhängt, die dazu führt, dass sich die Spieler eher in die virtuellen Welten, in denen sie belohnt werden flüchten, um Misserfolge in der realen Welt auszugleichen. Warum dies wiederum in besonderem Maße die Jungen betrifft, geht aus der Studie nicht hervor (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 25). Die Mitarbeiter des KFN haben zusätzlich weitere Variablen herausgearbeitet, die eine Computerspielsucht begünstigen. Vor Allem Jugendliche, die sich in das Computer spielen flüchten, wenn sie im realen Leben verschiedenen Problemsituationen ausgesetzt sind, sind besonders gefährdet. Auch die Variable Macht- und Kontrollerleben innerhalb des Computerspiels spielt eine Rolle. Die Studie zeigt, dass die Gefahr der Abhängigkeit umso größer ist, je mehr ein Wunsch nach Macht und Kontrolle besteht. Ein Grund, warum viele Jugendliche überhaupt Computer spielen. Jugendliche Spieler, die vor Allem Onlinerollenspiele bevorzugen, weisen ein fast doppelt so hohes Abhängigkeitsrisiko auf (vgl. ebd., S. 27f). Ein weiterer Komplex ist das Selbstwerteleben, sowohl in der Schule als auch in der Freizeit. Jugendliche, die angeben, dass es ihnen im Zeitraum der letzten zwölf Monate nur gelungen sei, innerhalb eines Computerspieles erfolgreich zu sein und dort etwas erreicht zu haben, auf das sie richtig stolz sind, sind 4-mal so stark gefährdet. Auch bei Schülern, die bereits Klassen wiederholen mussten oder im Allgemeinen eine erhöhte Angst vor Schule aufweisen, steigt das Risiko (vgl. ebd., S. 28). Fehlende soziale Kompetenzen spielen ebenfalls eine Rolle. Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, Konflikte des Alltags zu meistern oder auch solche, die eine erhöhte Gewaltakzeptanz aufweisen sind stark gefährdet. Bei Jugendlichen, die Erfahrungen mit häuslicher Gewalt gemacht haben, ist das Risiko, eine Computerspielabhängigkeit zu entwickeln dreimal so groß. Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und einer Computerspielabhängigkeit konnte die Studie nicht herstellen, eher kann beispielsweise eine Depression als eine Folgeerkrankung der Computerspielsucht angesehen werden. Die Studie gibt weiterhin Aufschluss darüber, welche Spiele das meiste Suchtpotenzial aufweisen. Dafür wurden die Daten der als bereits abhängig 36 eingestuften Jungen genauer untersucht und geprüft, welche Spiele in dieser Gruppe am häufigsten gespielt werden. Auf Platz eins steht hier das MMORPG World of Warcraft (WoW). 8,5 Prozent der computerspielabhängigen Jungen spielen WoW, 11,6 Prozent der WoW-Spieler sind gefährdet. Ungefähr 36 Prozent der Spieler verbringen mehr als 4,5 Stunden täglich in der WoW-Welt und sind den Exzessivspielern zu zurechnen (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 26). An zweiter Stelle steht das in Punkt 3.2.6 vorgestellte Spiel Guild Wars, ebenfalls den Onlinerollenspielen zuzuordnen. Neben dem Strategiespiel Warcraft auf Platz Drei stehen drei Shooter-Spiele auf den darauf folgenden Plätzen, darunter auch Counter Strike (siehe 3.2.1) und Battlefield (siehe 3.2.5). Alle erwähnten Spiele können im Netzwerk bzw. online mit mehreren Mitspielern gespielt werden. Es kann demnach geschlussfolgert werden, dass eben genau diese Spiele es sind, die das meiste Abhängigkeitspotenzial in sich bergen. Sport- und Rennspiele, die leichter zu verstehen sind und einen geringeren Zeitaufwand erfordern, werden von den abhängigkeitserkrankten Jugendlichen sehr viel weniger genutzt. 4.2.2 Computerspielen im Kindesalter Auch hier wurde ein ausführlicher Fragebogen entworfen, der sich auf das Freizeitverhalten, den Umgang mit Medien, die Einstellungen zur Schule und weitere Punkte bezieht. Die Befragungen finden jährlich im Mai und Juni an zwei aufeinander folgenden Schultagen statt. Bei der letzten Befragung im Frühjahr 2008 waren die Schüler im Durchschnitt 11,5 Jahre alt. Der Fragebogen enthielt erstmals einen Extrabogen zum Thema Problematisches Computerspielen und Computerabhängigkeit. Die Rücklaufquote lag bei 83 Prozent. Die letzte Befragung hat erwiesen, dass das Computer spielen auch für Kinder dieser Altersklasse eine große Rolle spielt. So spielen auch hier die Jungen täglich fast eine Stunde am PC oder mit einer Spielkonsole. Mädchen hingegen nur 23 Minuten. Die Ausstattung mit Spielgeräten in diesem Alter ist beachtlich, wenn nicht sogar besorgniserregend. Ungefähr 65 Prozent der Jungen und 50 Prozent der Mädchen gaben an, eine eigene Spielkonsole im Zimmer zu haben. 53 Prozent der Jungen und 51 Prozent der Mädchen haben einen eigenen PC, mehr als 80 Prozent der Kinder haben tragbare Spielkonsolen, wie z.B. einen Gameboy 37 oder Ähnliches. Außerdem gab mehr als ein Drittel der Kinder an, über einen eigenen Internetanschluss im Kinderzimmer zu verfügen. Auffällig ist auch die Spielauswahl der Jugendlichen, vor Allem die der Jungen. So finden sich in den Top Ten der beliebtesten Spieler dieser Altersklasse fünf Spiele wieder, die teilweise erst ab 12 oder auch 16 Jahren freigegeben sind. Spiele ohne Jugendfreigabe sind ebenso darunter, so z.B. der letzte Teil der GTA-Serie. Die gesamte Reihe steht insgesamt auf Platz Zwei der Liste, obwohl alle Teile erst ab mindestens 16 Jahren freigegeben sind. Auch in den Top Ten der Mädchen taucht die Reihe auf, hier allerdings erst auf Rang Acht. Über die Hälfte der Lieblingsspiele der Mädchen sind jedoch ohne Altersbeschränkung freigegeben, also offiziell unbedenklich. Ein Spiel der Top Ten ist ab sechs Jahren, Teile der Need for Speed-Reihe erst ab 12 Jahren freigegeben. NFS taucht allerdings erst auf dem letzten Platz der Liste auf (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 32). Die Studie macht deutlich, dass Jungen, auch die der jüngeren Altersstufen in besonderem Maße gefährdet sind eine Abhängigkeit zu entwickeln. Sie neigen dazu, Spiele zu spielen, die nicht ihrem Alter entsprechen und werden somit mit (gewalthaltigen) Inhalten konfrontiert, die sie gemäß ihrer Entwicklungsstufe nicht angemessen verarbeiten können. Die Liste gibt weiter Aufschluss darüber, dass es trotz Jugendmedienschutzbestimmungen, offensichtlich auch für Kinder unter 12 Jahren, nicht schwer ist, an Spiele zu gelangen, die höhere Altersbeschränkungen haben bzw. mit „Keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnet sind. Ältere Geschwister, Freunde oder ein Austausch über das Internet können das ermöglichen. Hier wird noch einmal ganz klar deutlich, wo die Grenzen des Jugendschutzgesetzes liegen, nämlich im häuslichen und sozialen Umfeld der Kinder. Wenn Eltern die Zimmer ihrer Kinder mit eigenen Computern und Internetanschlüssen versehen und letztlich zwischen beiden Parteien kein Austausch darüber stattfindet, was am Computer bzw. im Netz gespielt wird, kann dies eine Computerspielsucht zumindest begünstigen. Oft wird sie erst dann von den Personensorgeberechtigten wahrgenommen, wenn es bereits zu spät ist. Beispielsweise, wenn die Kinder schlechte Noten nach Hause bringen oder keinen anderen Hobbys mehr nachgehen. 38 Anhand der Befragung werden 1,2 Prozent der Kinder als abhängigkeitsgefährdet, 0,8 Prozent als bereits abhängig eingestuft. Auch wenn an der Befragung 2008 nur 828 Schüler teilgenommen haben und das verhältnismäßig kleine Fallzahlen sind im Gegensatz zur Befragung der 9. Klassenstufe, schätzen die KFNMitarbeiter sie als repräsentativ, zumindest für das Bundesland Berlin ein. Dennoch fasst das Institut beide Gruppen zusammen und bezeichnet die Kinder, die auf eine der Gruppen zutreffen, in den folgenden Passagen der Studie als „problematische Computerspieler“ (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 34). Es wurde festgestellt, dass die problematischen Computerspieler bereits in der dritten Klasse schlechtere Noten in Hauptfächern wie Mathe und Deutsch erzielen, als Kinder, die nicht als problematisch eingestuft werden. Der Unterschied hat sich zur vierten Klasse hin noch vergrößert und in der fünften weiter verfestigt. Außerdem macht den problematischen Computerspielern die Schule weniger Spaß. Sie gehen weniger gern hin als in früheren Klassenstufen. Der Faktor Familie nimmt ebenfalls Einfluss auf das Computerspielverhalten der Befragten. Kinder, die als problematische Computerspieler eingestuft werden, erleben häufiger Gewalt im Elternhaus und sind häufiger Scheidungskinder als andere. Zu Beginn der Arbeit wurde bereits erwähnt, dass einige Fachleute die Computerspielsucht „nur“ als Folgeerkrankung einer bereits vorhandenen psychischen oder Verhaltensstörung sehen. Häufig wird in dem Zusammenhang von einer voran gegangenen Depression als Komorbidität gesprochen. Um dies bestätigen oder auch widerlegen zu können, haben die Mitarbeiter der Studie die Skala Depressive Verstimmung innerhalb der Befragung der 5. Klassenstufe entwickelt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese nicht mit einer klinischen Diagnose gleichzusetzen ist. Dennoch weisen alle problematischen Computerspieler höhere Werte auf der Skala auf, als andere Kinder der Klassenstufe. Auch Daten zur Hyperaktivität, als potenzielle Komorbidität einer Computerspielsucht, wurden bei den 5.-Klässlern erhoben. Es wurde festgestellt, dass der Anteil der hyperaktiv auffälligen Kinder bei 47 Prozent liegt, bei unauffälligen Computerspielern sind es nur 12 Prozent (vgl. ebd., S. 37). 39 Als klares Anzeichen für problematisches Spielverhalten, wird die häufige Anwendung von Shooter-Spielen, die erst ab 16 oder 18 Jahren freigegeben sind gesehen, da die Befragten durchschnittlich erst 11,5 Jahre alt sind. Vordergründig besteht dadurch die Möglichkeit, die persönliche Entwicklung der Kinder auf negative Weise zu beeinflussen. Weiterhin gehen die Mitarbeiter der Studie davon aus, dass eben dieses Spielverhalten aus persönlichen und sozialen Problemen resultiert. Fehlende elterliche Zuwendung und Beaufsichtigung werden als Gründe genannt (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle, S. 40). 4.3 Zusammenfassung Anhand der Studie ist davon auszugehen, dass deutschlandweit ca. 14.300 Jugendliche vom Computer spielen abhängig sind, 13.000 davon sind Jungen. 26.300 weitere Jugendliche sind stark gefährdet, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Die Daten beziehen sich jedoch nur auf die neunten Klassenstufen, also im Durchschnitt auf 15-jährige Jungen und Mädchen. Werden die Daten aus Befragungen niedriger computerspielabhängigen Klassenstufen und addiert, gefährdeten kann Kindern von weitaus und mehr Jugendlichen ausgegangen werden. Onlinerollenspiele, aber auch Shooter, die im Netz zu mehreren gespielt werden können, scheinen das meiste Suchtpotenzial in sich zu bergen. Gründe dafür sind unter Anderem der hohe Zeitaufwand, der nötig ist, um die Spiele zu verstehen und die Fähigkeiten seiner Figur auszubauen. Ein weiterer Grund sind die direkten Belohnungen, die im Spielverlauf für gelungene Missionen geboten werden. Auszeichnungen, die in der wirklichen Welt möglicherweise ausbleiben. Am stärksten betroffen sind die WoW-Spieler. 8,5 Prozent der 13.000 als abhängig eingestuften Jungen, sind WoW-Spieler. Weitere 11,6 Prozent der WoW-Spieler sind gefährdet eine Abhängigkeit zu entwickeln. Außerdem wurde festgestellt, dass abhängigkeitsgefährdete Kinder und Jugendliche schlechtere Schulleistungen erbringen und häufiger die Schule schwänzen als andere. Kinder und Jugendliche, die Schwierigkeiten haben Konflikte im Alltag zu meistern sowie Probleme im familiären und sozialen Umfeld 40 (Scheidung der Eltern, häusliche Gewalt) beschreiben, sind ebenfalls deutlich stärker gefährdet eine Computerspielabhängigkeit zu entwickeln als andere, ebenso solche, die eine hohe Gewaltakzeptanz aufweisen. 4.4 Schlussfolgerungen Die gewonnenen Daten der Erhebung zeigen eindeutig, dass Computerspielsucht im Jugendalter eine verbreitete Störung mit einer steigenden Tendenz innerhalb Deutschlands ist. Viele Institutionen haben bereits darauf reagiert und Beratungsund Behandlungsangebote für Betroffene und deren Angehörige eingerichtet. Dennoch ist die Computerspielsucht nicht klinisch anerkannt und Ärzte sind gezwungen alternative Diagnosen für Betroffene zu stellen, um eine kassenfinanzierte Behandlung abzusichern. Kritisiert wird daran vor Allem, dass dadurch das Problem „Computerspielsucht“ aus dem Fokus der Gesellschaft genommen und verhindert wird, dass neue, dem Krankheitsbild entsprechende Konzepte entwickelt und angemessene Behandlungen gewährleistet werden können. Hoffnung vieler Fachleute ist es, dass das Krankheitsbild zur nächsten Revision des ICD-10 berücksichtigt wird und in den Katalog der Diagnoseschlüssel aufgenommen wird (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 43). Auch die erneute Überarbeitung der Jugendmedienschutzbestimmungen wird angeregt. Nach Einschätzung des KFN haben in der Vergangenheit gehäuft Fehleinstufungen der Altersfreigaben stattgefunden, da „implizite Merkmale der Gewaltlegitimation und Belohnung von Gewalt nicht konsequent in die Abwägung der Alterseinstufung einbezogen werden“ (ebd., S. 44). Die Überprüfung eines möglichen Suchtpotenzials von Computerspielen findet momentan überhaupt nicht statt und sollte dringend bei der Altereinstufung berücksichtigt werden. Besonderes Augenmerk ist auf Spiele zu legen, die hohe Spielzeiten erfordern. Auch Hersteller und Herausgeber von Computerspielen, Spielende und auch das familiäre Umfeld, insbesondere die Eltern sollten für die Problematik sensibilisiert und geschult werden. Das KFN empfiehlt Computerspiele mit besonders hohem Suchtpotenzial zukünftig nur an Erwachsene abzugeben oder durch eingebaute Spielzeitbegrenzungen, die tägliche Verweildauer am PC zu regulieren, sodass 41 Spiele dann gegebenenfalls auch ab 16 Jahren freigegeben werden können. Folgende Merkmale in Computerspielen können darauf hinweisen, dass das Spiel ein hohes Abhängigkeitspotenzial in sich birgt: - Vergabe von virtuellen Belohnungen wird von der bereits verbrachten Zeit im Spiel abhängig gemacht Æ z.B. nur wenn mindestens eine Stunde am Spielgeschehen teilgenommen wird, finden Kämpfe statt, die Spieler im Falle des Sieges mit neuen speziellen Fähigkeiten belohnen - Vergabe von seltenen und hoch angesehenen Belohnungen nur durch intermittierende Verstärkung Æ z.B. „das magische Schwert“ wird nur dann erworben, wenn immer wieder Kämpfe ausgetragen werden müssen, da nicht bekannt ist, wann „das magische Schwert“ tatsächlich die Belohnung ist - dem Spieler bringt es Nachteile, wenn er nicht regelmäßig am Spielgeschehen teilnimmt Æ z.B. Spieler wird aus Gilde ausgeschlossen, kann keine neuen Fähigkeiten erwerben - ein Levelsystem im Spiel, dass erfordert sehr viel Zeit täglich und auch über Monate hinweg am Spielgeschehen teilzunehmen, um sich zu verbessern - eine komplexe Spielwelt, deren Erkundung mehrere Monate dauert und auch täglich sehr viel Zeit in Anspruch nimmt - komplexe Aufgabenstellungen, die nur gelöst werden können, wenn der Spieler zu einer eingespielten Gemeinschaft gehört, deren Spielfiguren sich durch die individuellen Fähigkeiten gegenseitig ergänzen, wodurch ein Verpflichtungsgefühl des Spielers entstehen kann (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 46). Das KFN befürchtet berechtigterweise, dass Hersteller und Vertreiber von Spielen, die eben genannte Merkmale enthalten, zukünftig andere Wege suchen werden, ihre Spiele auf dem Markt zu etablieren. Nahe liegend ist, dass die besagten Spiele künftig nur noch online verkauft und distribuiert werden. Das bedeutet, es wird dann nicht mehr nötig sein, Spiele auf einem Datenträger zu erwerben und auf dem Heim-PC zu installieren. Die nötige Software gibt es dann ausschließlich im Internet. Das Spiel wird zum Browsergame und fällt nicht mehr unter die Trägermedien. Zu den Trägermedien gehören auch die Computerspiele, die von 42 der USK geprüft werden, Browsergames fallen bislang nicht darunter. Zusammengefasst heißt das, dass Medienschutzbestimmungen überarbeitet werden müssten, um solche Versuche, bisher geltende rechtliche Bestimmungen zu umgehen, auszuschließen. Laut USK-Geschäftsführer Olaf Wolters ist konkret geplant, künftig auch reine Onlinespiele zu prüfen. Er gibt jedoch gleichzeitig an, dass es noch etwa zwei Jahre dauern kann, bis Entwürfe für solche Neuregelungen vorliegen. Uneinigkeit über die Zuständigkeiten ist ein Grund dafür. Die Kommission für Jugendmedienschutz ist bisher für die Prüfung von Online-Angeboten zuständig (siehe 2.3.3), die USK für die Kennzeichnung von Computerspielen. Die Frage ist nun, in welchem Bereich die Browsergames dann zukünftig liegen werden, denn diese sind Computerspiel und Onlineangebot zugleich (vgl. Siebert 2009 URL). 5 Behandlung und Therapie von Betroffenen und deren Angehörigen 5.1 Beratungsstellen Aufgrund der hohen Nachfrage der letzten Jahre, haben es sich immer mehr Suchtberatungsstellen zur Aufgabe gemacht, sich auch der Computerspielsucht, Onlinesucht oder der Mediensucht im Allgemeinen zu widmen. Berichtete Jannis Wlachojiannis vom Berliner Projekt Lost in Space im Jahr 2008 noch von nur zwei Beratungsstellen, die sich explizit auf Computer-, Internet- oder Mediensucht spezialisiert haben, gibt es inzwischen mindestens neun solcher Beratungsstellen deutschlandweit (vgl. te Wildt 2009 URL). Zwei dieser Einrichtungen sollen in den folgenden Ausführungen vorgestellt werden. 5.1.1 Lost in Space / Café Beispiellos Berlin Das Café Beispiellos existiert bereits seit 1987 und wurde gegründet, um eine Beratungsmöglichkeit für abhängige Glücksspieler und deren Angehörige zu schaffen. Die Trägerschaft hat der Caritasverband des Erzbistum Berlin e.V. übernommen. Seit dem Oktober 2006 existiert zusätzlich ein separates Angebot 43 für Internet- und Computersüchtige namens Lost in Space (vgl. Wlachojiannis 2008, S. 53). Das Angebot richtet sich an alle, die meinen, zu viel Zeit am Computer und im Internet zu verbringen und bereits bemerken, dass ihr Leben in der wirklichen Welt dadurch negativ beeinträchtigt wird. Ziel von Lost in Space ist es, gemeinsam mit den Klienten Alternativen zum Computer spielen oder dem Internet zu erarbeiten bzw. ein gesundes Zeitmaß für das Verweilen am Computer zu erreichen. Dazu bietet die Einrichtung verschiedene Aktivitäten in ihren Räumlichkeiten an. Hier können unter Anderem Gesellschaftsspiele gespielt und sich mit anderen Betroffenen ausgetauscht werden. Das Beratungsangebot der Lost in Space-Mitarbeiter umfasst neben Einzelgesprächen, Paar- und Familiengesprächen außerdem Therapieberatung sowie die Vermittlung in weiterführende Hilfsangebote (vgl. URL30: Lost in Space 2009). 5.1.2 Mediensuchtberatung Schwerin Das Kompetenzzentrum und die Beratungsstelle für exzessiven Mediengebrauch und Medienabhängigkeit sind im November 2006 aufgrund mangelnder Hilfsangebote in diesem Bereich entstanden. Das Kompetenzzentrum ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Evangelischen Suchtkrankenhilfe MecklenburgVorpommern und den Helios Kliniken Schwerin. Es wurde zunächst auf zwei Jahre befristet. Beide Institutionen stellten jeweils einen Psychologen mit halber Stelle für die gemeinsame Projektarbeit frei. Die Mediensuchtberatung Schwerin ist die erste Einrichtung innerhalb Deutschlands, die sich speziell auf Suchtberatungsangebote in Zusammenhang mit exzessiver Mediennutzung ausgerichtet hat. Auch hier findet die Beratung sowohl mit Betroffenen als auch mit den Angehörigen statt. Das Angebot ist an Personen jeglichen Alters gerichtet. Die Beratung kann telefonisch, schriftlich oder in einem persönlichen Gespräch erfolgen (vgl. Groppler/ Teske 2008, S. 20). Im Jahr 2007 fanden Beratungsgespräche mit 61 Betroffenen statt. In 2/3 der Fälle, wurde der Kontakt zur Beratungsstelle von den Eltern der Betroffenen hergestellt. Auch die Mediensuchtberatung Schwerin kann bestätigen, dass es sich bei den Betroffenen um vorwiegend männliche Jugendliche im Alter von 14 bis 22 Jahren handelt. In 92 Prozent der Fälle ging es um Problematiken im 44 Bereich PC-Spiele. Besonders auffällig waren hier Anfragen bezüglich Onlinerollenspielen (vgl. Groppler/ Teske 2008, S. 20). Ziel der Gespräche ist es, gemeinsam Wege aus der Abhängigkeit zu erarbeiten und ein suchtfreies Leben anzustreben. Im Vorfeld wird jedoch erst einmal versucht heraus zu finden, welche Motivationen dem häufigen Medienkonsum zu Grunde liegen. Als Gründe dafür werden z.B. ein geringes Interesse der Eltern am Tagesablauf der Kinder oder wenig eigene Medienkenntnisse genannt. Die Vermittlung von Medienkompetenz bei Angehörigen ist ein wesentlicher Bestandteil der Beratung (vgl. ebd., S. 21). Neben der persönlichen Beratung hat es sich das Kompetenzzentrum zur Aufgabe gemacht, ein Netzwerk zu bilden indem auch andere öffentliche Einrichtungen, beispielsweise Schulen und Firmen mit einbezogen werden sollen, um das Problem der Medienabhängigkeit näher in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. Daher bieten Informationsveranstaltungen die in Mitarbeiter ihren des Kompetenzzentrum Räumlichkeiten, aber auch auf verschiedenen Fachtagungen an. Ziel des Netzwerkes soll sein, gemeinsam Hilfepläne für Betroffene zu erstellen und Präventionsmöglichkeiten zu entwickeln (vgl. ebd., S. 20). In einer aktuellen Studie des Gesamtverbandes für Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk Suchtberatungsstellen der Ev. Kirche deutschlandweit in Deutschland gebeten, e.V. Auskunft wurden über die Inanspruchnahme von Hilfe im Bereich des exzessiven Computerspielens zu geben. Verwendet werden konnten Daten von 103 Suchtberatungsstellen. Nach Einschätzung der Mitarbeiter liegt bei 77 Prozent der Personen, die in der Einrichtung mit Problemen im Zusammenhang mit pathologischem Computer spielen vorstellig werden, tatsächlich eine Suchtproblematik vor. 98 Prozent der Klienten sind männlich und im Durchschnitt 16 Jahre alt. Pro Klient fanden im Durchschnitt 5,34 Beratungsgespräche statt (vgl. Wölfling 2009 URL). 45 5.2 (Online-)Selbsthilfegruppen Sowohl in Schwerin als auch in Berlin haben sich in den Computer- bzw. Mediensuchtberatungsstellen inzwischen Selbsthilfegruppen herausgebildet, die von den Mitarbeitern der Einrichtungen geleitet werden. Wie viele von solchen Selbsthilfegruppen inzwischen deutschlandweit existieren, ist schwer zu festzustellen. Es ist aber davon auszugehen, dass Suchtberatungsstellen immer mehr Zulauf von einer Klientel mit Abhängigkeitserkrankungen bekommen und daraus weitere Selbsthilfegruppen entstehen werden. In der Fachliteratur sowie im Internet werden häufiger Online-Foren bzw. Online-Selbsthilfegruppen genannt. Hier können sich Betroffene und Angehörige anonym registrieren und sich Rat bei Menschen mit ähnlichen Sorgen einholen. 5.2.1 Rollenspielsucht.de Die Internetseite rollenspielsucht.de ging im Mai 2007 online und wurde vom Ehepaar Hirte initiiert, um ein Forum für Eltern von Betroffenen zu schaffen. Wie der Name bereits andeutet, richtet sich das Forum speziell an Eltern von Kindern, die (Online-)rollenspiele spielen und sich darin verloren haben. Angeregt zu dieser Internetseite wurde das Ehepaar Hirte durch den eigenen Sohn, welcher selbst begeisterter World of Warcraft-Spieler war, wodurch die Beziehung zu ihm in die Brüche gegangen ist. Sie beschreiben ihre persönliche Leidensgeschichte und hoffen, dass das Thema Onlinerollenspielsucht mit Hilfe der Internetseite an eine breitere Öffentlichkeit getragen und mehr Menschen sich über die Abhängigkeitsproblematik in Zusammenhang mit Medien informieren. Weiterhin bietet das Forum Eltern von Betroffenen, aber auch den Spielern selbst bzw. ehemaligen Spielern die Möglichkeit, von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten. Aufgrund des hohen Interesses an der Selbsthilfe-Internetseite und der steigenden Tendenz abhängiger Computerspieler hat Christoph Hirte zudem im September 2008 den Verein Aktiv gegen Mediensucht e.V. gegründet. Der Verein soll eine weitere Lobby schaffen für betroffene Spieler, Angehörige, Fachleute und anderweitig Interessierte. Aktiv gegen Mediensucht e.V. will außerdem bei der Gründung von weiteren Selbsthilfegruppen Unterstützung bieten (vgl. URL31: Aktiv gegen Mediensucht 2009). 46 Das Besondere an rollenspielsucht.de ist die Tatsache, dass die Seite nicht von Fachleuten betrieben wird, sondern von besorgten Eltern. In Eigeninitiative hat das Ehepaar Hirte Informationen zum Thema (Online-)Rollenspielsucht zusammengestellt und durch die Internetseite der breiten Masse zugänglich gemacht. Personen, die den Verdacht haben, dass ihr Kind oder das Kind anderer zu viel Zeit am PC verbringt, finden auf rollenspielsucht.de genügend Informationen zum Thema und zahlreiche weiterführende Links. Das Portal ist inzwischen zweieinhalb Jahre online. Im Mai 2009, zum zweijährigen Geburtstag, hatten bereits etwa 420.000 Menschen die Seite angeklickt. Für Christoph Hirte ein Zeichen, dass tatsächlich eine sehr hohe Anzahl von Menschen in irgendeiner Form betroffen ist. Aufgrund vieler Studien und den Beiträgen in den Foren von rollespielsucht.de gehen die Hirtes von ca. zwei Millionen süchtigen Spielern aus (vgl. Internetplattform rollenspielsucht.de 2009 URL). 5.2.2 Onlinesucht.de „Onlinesucht nennt man den exzessiven Gebrauch des Mediums Internet. Der Betroffene wird vom Internet beherrscht, statt es selbst zu beherrschen…“ (vgl. Farke 2003, S. 12). Die Internetseite onlinesucht.de wird von dem eingetragenen Verein Hilfe zur Selbsthilfe für Onlinesüchtige (HSO e.V.) betrieben, der bereits vor zehn Jahren von Gabriele Farke gegründet wurde. Seit etwa zweieinhalb Jahren ist er als gemeinnütziger Verein anerkannt. Frau Farke beschreibt sich selbst als ehemalige Onlinesüchtige, die es sich nach Überwindung der eigenen Sucht zur Aufgabe gemacht hat, auch anderen Menschen zu helfen, einen Weg aus der Sucht zu finden. Seither ist sie als Referentin zum Thema Bewusster Umgang mit dem Internet deutschlandweit in den Medien und auf Fachtagungen präsent. Außerdem hat sie 2003 das Buch OnlineSucht – wenn Mailen und Chatten zum Zwang werden veröffentlicht. Unter Anderem beschreibt sie in dem Buch die vielen verschiedenen Varianten der Onlinesucht sowie ihren eigenen Weg aus der Sucht. Es werden drei verschiedene Arten von Onlinesucht unterschieden. 47 Online-Kommunikationssucht Die Online-Kommunikationssucht schließt chatten, e-mailen, Beiträge in Foren posten und Ähnliches mit ein. Der Süchtige hat hier das Bedürfnis, in jeder freien Minute seine E-mails zu checken, mit anderen zu chatten etc. Online-Sexsucht Mit Onlinesex ist Cybersex gemeint. Cybersex ist die verbale und visuelle Form von Erotik und Sex via Internet. Es handelt sich um geschriebene Worte oder Bilder, um den „Gesprächspartner“ sexuell zu erregen. Als süchtig werden Menschen bezeichnet, die viel Zeit mit dem Besuch von Sexseiten verbringen und dafür auch bereit sind Geld zu bezahlen. Online-Sexsüchtigen erscheint es letztendlich einfacher, im Internet statt im realen Leben Sex zu haben. Onlinespielsucht Mit dem dritten Teilbereich der Onlinesucht, wird nun wieder näher der Bezug zum Thema der vorliegenden Arbeit hergestellt. Gemeint ist der Bereich der Onlinespielsucht. Der Begriff wird in der Literatur oder auch auf der Homepage nicht näher erläutert. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Sucht nach Onlinerollenspielen wie WoW immer häufiger auftritt. Da sich der Begriff wörtlich genommen nicht nur auf Rollenspiele bezieht, schließt er theoretisch alle Spiele, die im Internet gespielt werden können mit ein. Sehr beliebt sind Glücksspiele, die mittlerweile von der Realität ins Netz verlegt worden sind, wie z.B. Online-Poker. Das Besondere an onlinesucht.de ist der virtuelle Beratungsraum. Jede Woche treffen sich Betroffene und Angehörige zu festgelegten Terminen in den so genannten Online-Selbsthilfegruppen im Netz, um sich auszutauschen und über aktuelle Befindlichkeiten zu „sprechen“. Jeweils ein Vereinsmitglied agiert als Moderator und leitet sozusagen die Gesprächsgruppe. Die Teilnehmer können anonym bleiben und jeder Zeit das Gespräch verlassen. Die Protokolle der „Treffen“ werden im Nachhinein online gestellt, damit potenzielle neue Mitglieder sich ein Bild davon machen können, was in den verschiedenen Gruppen besprochen wird. Es gibt momentan drei verschiedene Gruppen. Jeweils eine Onlinesexsucht-Gruppe für Betroffene und eine für Angehörige. In der dritten 48 Gruppe treffen sich Angehörige und Betroffene gemeinsam zum Thema Onlinespielsucht (vgl. URL32: Onlinesucht 2009). Außerdem wird eine kostenpflichtige Onlinesuchtberatung via E-Mail angeboten. Bereits im ersten Anschreiben hat der Klient ein Dutzend Fragen zu beantworten. Noch bevor ein erster Austausch statt gefunden hat, muss sich der Klient für eines von vier Beratungsmodulen entscheiden. Die Kosten für die Beratung müssen im Vorfeld überwiesen werden. Dadurch, dass die Betroffenen sich nicht registrieren müssen, um ihre Anonymität wahren zu können, ist dies ein nachvollziehbarer Ablauf. Besonders jedoch für junge Leute oder sogar Kinder kann der Kostenfaktor ein Problem sein. Zwar sind die Einmalberatungen für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren kostenlos, aber auch ein 18-Jähriger verfügt in der Regel nicht über ausreichend finanzielle Mittel. Wartezeiten bis zur Beantwortung der E-Mails können drei bis fünf Tage betragen. In Notfällen wird eine Antwort innerhalb von 24 Stunden zugesichert (vgl. ebd.). 5.3 Ambulante Therapiemöglichkeiten All diejenigen, die online, in Selbsthilfegruppen oder in Beratungsstellen, nicht ausreichend individuelle Hilfe erfahren konnten oder von den jeweiligen Einrichtungen aufgrund der Schwere des Problems an andere Stellen weiter verwiesen wurden, haben die Möglichkeit sich ambulant in Therapie zu begeben. Dies kann eine Verhaltenstherapie, aber auch einer Gruppentherapie sein. Ein Beispiel für eine Therapieeinrichtung mit entsprechenden Angeboten ist die Computerspielsucht-Ambulanz der Uniklinik Mainz. Sie war die erste ihrer Art in Deutschland und soll nun näher beschrieben werden. 5.3.1 Computerspielsuchtambulanz der Uniklinik Mainz Im März 2008 eröffnete die Sabine M. Grüsser-Sinopoli Ambulanz für Spielsucht der Universitätsklinik in Mainz. Angelegt als 12-monatiges Modellprojekt werden hier seither neben den „klassischen“ pathologischen Glücksspielern, auch die computerspiel- und internetsüchtigen Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren sowie junge Erwachsene ambulant betreut. Die Spielsuchtambulanz ist an die Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie angegliedert. Neben 49 einer kostenlosen telefonischen Beratung für Betroffene und Angehörige besteht die Hauptaufgabe der Mitarbeiter in der therapeutischen Zusammenarbeit mit den Betroffenen. 85 Prozent der Patienten sind männlich und zwischen 16 und 30 Jahren alt (vgl. Grohé 2009, S. 1 URL). Zu Beginn der Betreuung finden jeweils fünf Einzelgespräche statt, verhaltenstherapeutisch um eine ausgerichteten Diagnose zu Gesprächen erstellen. forschen In den Klient und Psychotherapeut gemeinsam nach den Ursachen, die im Zusammenhang mit dem süchtigen Verhalten stehen. Im Vordergrund stehen demnach die Analyse des Problemverhaltens und die Bedingungen, die zur Aufrechterhaltung eben dieses Verhaltens beitragen. Im Verlauf der Therapie werden mit den gewonnenen Informationen individuelle Lösungsstrategien entwickelt, die das süchtige Verhalten in Zukunft minimieren sollen (vgl. Wölfling 2009, S. 147). Neben Einzelgesprächen setzt das Klinikpersonal auf gruppentherapeutische Maßnahmen. Somit wird es den Patienten ermöglicht zu erkennen, dass „ihr“ persönliches Problem verbreitet ist, außerdem fördert die Gruppentherapie den Aufbau realer sozialer Kontakte. Ein positiver Nebeneffekt, im Hinblick darauf, dass soziale Aktivitäten und Bindungen für viele Spieler während der Entwicklung der Sucht stark in den Hintergrund getreten sind. Durch ein gemeinsames Ziel der einzelnen Gruppenmitglieder steigt außerdem die Verbindlichkeit. Pro Gruppe sind 20 Sitzungen angesetzt, die einmal in der Woche stattfinden. Alle 14 Tage finden mit den jeweiligen Gruppenmitgliedern erneut Einzelgespräche statt, um individuelle Probleme zu besprechen (vgl. URL33: Spielen verbindet 2009). Ziel der Therapie ist es, wieder einen vernünftigen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Computer bzw. dem Internet zu erlernen. Weiterhin sollen die Patienten die Kompetenz erwerben, positive Eigenschaften ihres Charakters in der virtuellen Welt auf die reale Welt zu übertragen. Statt beispielsweise Mitglied einer Gilde zu sein und diese zu führen, eine Gruppe von Menschen in der Realität zu leiten, etwa im Zusammenhang mit dem Beruf. Weiterhin gehört zum Therapieangebot die Vermittlung von Stressbewältigungsstrategien. Durch die ambulante und nicht etwa stationäre Therapie, können Konfliktsituationen aus 50 dem Alltagsgeschehen und der häuslichen Umgebung der Klienten direkt in den therapeutischen Prozess einfließen. In einer stationären Einrichtung sind die Möglichkeiten zum Erlernen dieser Bewältigungsstrategien nicht gegeben. Der Patient wird hier über Wochen aus seinem sozialen Umfeld genommen, weit weg von der Arbeit, weit weg von seinem Computer. Die Patienten lernen so zwar auf den Computer zu verzichten, nicht aber mit der Versuchung, die im alltäglichen Leben gegeben ist, umzugehen. Rückfälle in die Computerspiel- oder Internetsucht während der ambulanten Therapie können ebenfalls direkt in den Gesprächen thematisiert werden. Gemeinsam im Gruppensetting kann dann herausgearbeitet werden, welche inneren Prozesse im Klienten noch immer ablaufen, die dazu führen, wieder zu spielen oder online zu gehen. In akuten Fällen ist eine stationäre Aufnahme in die Klinik für Psychosomatik möglich. Seit der Eröffnung im März 2008 bis zum Juli 2009 wurden in der Ambulanz 187 Computerspiel- oder Onlinesüchtige behandelt. Die Kosten für das Modellprojekt trägt die Universität Mainz. Eine Finanzierung der Krankenkassen ist auch hier aufgrund der vielmals erwähnten fehlenden offiziellen Anerkennung der Computerspielsucht und auch der Onlinesucht als Krankheitsbild nicht möglich. Eine allgemeine Fallkostenpauschale wird von den Kassen jedoch übernommen. 5.4 Stationäre Therapie 5.4.1 Psychosomatische Fachklinik Münchwies Die Klinik im Saarland ist ein Zentrum für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Suchtmedizin. Bereits seit 1999 werden hier Patienten behandelt, denen die Diagnose „Pathologischer PC- / Internetgebrauch“ gestellt wurde. Seit 2006 hat die Anzahl der Betroffenen stark zugenommen. In dem Jahr wurden 21 Patienten behandelt, 2008 waren es bereits 35 Betroffene. Aufgrund dieser steigenden Tendenz gibt es seit 2008 zusätzlich auch ein gruppentherapeutisches Angebot im Bereich des pathologischen PC- und Internetgebrauches (vgl. Schuhler 2008, S. 36). Die weite Verbreitung des pathologischen Computerspielens im Zusammenhang mit MMORPGs wird in den Klinikstatistiken erneut bestätigt. Am häufigsten 51 werden Patienten behandelt, die exzessiv Onlinerollenspiele spielen, gefolgt von Ego-Shootern, exzessivem Chatten und dysfunktionalem Surfen. Männer sind im Verhältnis 9:1 deutlich stärker vertreten als Frauen, ein weiterer Punkt, den die aktuelle Forschungsstudie des KFN ebenfalls bestätigt. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei 27 Jahren. Die Mitarbeiter der Klinik ordnen den pathologischen PC- und Internetgebrauch als tief greifende Störung der Affekt- und Beziehungsregulierung sowie der Selbststeuerung ein. Um Patienten stationär aufnehmen zu können und den fehlenden Diagnose-Schlüssel betreffend der Internet- und Computersucht zu umgehen, wenden die Ärzte und Therapeuten den Diagnoseschlüssel F.68.8 gemäß ICD-10 als Ausweichmöglichkeit an. Der Schlüssel ist unter „Andere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ eingeordnet und beschreibt „Sonstige näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ (vgl. ICD-10, S. 256). Untergebracht werden die Patienten in verschiedenen Abteilungen der Klinik. Liegt bei einem Betroffenen beispielsweise zusätzlich zur Computerspielproblematik eine stoffgebundene Suchterkrankung vor, wird er in der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen aufgenommen und therapeutisch begleitet. Am häufigsten handelt es sich hier um Abhängigkeit von Alkohol, Tabak oder Cannabis. Personen, die zusätzlich zur Suchtproblematik im Bereich Internet bzw. PC eine andere psychische Störung aufweisen oder die PC/ Internetnutzung als einzige Diagnose gestellt wurde, sind auf der psychosomatischen Abteilung untergebracht. Hier angegliedert ist auch das bereits erwähnte indikative Gruppenprogramm. An diesem Programm nehmen maximal zwölf Patienten teil, die eine therapeutische Gemeinschaft bilden. Das bedeutet, die Gruppenmitglieder leben auf demselben Flur der Station zusammen und nehmen gemeinsam an der Gruppenpsychotherapie teil. Die Therapie umfasst zwölf Einheiten. Therapieziele sind im Einzelnen (vgl. Schuhler 2008, S. 38). - Entwicklung subjektiver Lösungs- und Bewältigungsstrategien - Abbau von Störungen des intrapsychischen und sozial-interaktiven Verhaltens und Erlebens Æ Identitätsentwicklung 52 - Nachhaltige Veränderung bisheriger Einstellungen und Werthaltungen - Alltagsbewältigung - Kommunikationskompetenzen - Medienkompetenz Aber auch andere therapeutische Maßnahmen werden von der Bezugsgruppe gemeinsam durchlaufen. Körpertherapie soll dazu beitragen, die Gefühle und die körperlichen Reaktionen der Patienten in Einklang zu bringen. Ergotherapeutische und berufsbezogene Therapieelemente zielen darauf ab, das unmittelbare und realitätsbezogene Erleben zu stärken. Durch das enge Beisammensein der einzelnen Gruppenmitglieder entsteht eine feste soziale Gemeinschaft, die sich auch außerhalb der Therapiesitzungen gegenseitig unterstützen und motivieren kann (vgl. Schuhler 2008, S. 39). Während der gesamten Dauer der Therapie verpflichten sich die Patienten auf Online-Aktivitäten zu verzichten. Auch auf jeglichen Heimfahrten ist die Nutzung eines Computers nicht gestattet. Sollte der Gebrauch eines PCs aus speziellen Gründen dennoch notwendig werden, ist dies mit den Therapeuten und Ärzten abzusprechen. Im Abschnitt 5.3.1 wurde bereits kurz erläutert, warum ein komplettes Nutzungsverbot des Computers schwierig sein kann. Auch das Ziel der Klinik Münchwies ist nicht, dass ihre Patienten nie wieder einen Computer oder das Internet nutzen. Dennoch ist während der Therapiezeit der Verzicht auf den Computer dringend erforderlich. Rückfälle in der häuslichen Umgebung sind aufgrund des stationären Aufenthaltes so gut wie ausgeschlossen. Eine Möglichkeit, dem Drang des Computerspielens zu erliegen oder online aktiv zu werden, ist auch im Klinikalltag durch das klinikinterne Internet-Café geboten. Inwieweit Rückfälle in das therapeutische Setting einbezogen werden oder ob Patienten, die trotz des Verbotes einen PC genutzt haben, die Klinik verlassen müssen, ist der Literatur nicht zu entnehmen. Im Anschluss der Therapie werden vom Klinikpersonal in der Regel Nachsorgebehandlungen empfohlen. Wird die Empfehlung ausgesprochen, sollte die Nachsorge direkt im Anschluss des Klinikaufenthaltes beginnen. Möglich ist dies in einer Selbsthilfegruppe oder in einer Beratungsstelle. Finanziert wird dies 53 analog zur Nachsorge des pathologischen Glücksspiels. Ein Verfahren, dass von der psychosomatischen Fachklinik Münchwies seit Jahren so gehandhabt wird (vgl. Schuhler 2008, S. 40). 5.4.2 Teen Spirit Island Hannover Die Therapiestation für dogenabhängige Kinder und Jugendliche ist angegliedert an das Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover und wurde im Jahr 1999 eröffnet. Reagiert wurde damit auf einen Mangel an stationären Therapieangeboten speziell für Kinder und Jugendliche, trotz ständig steigenden Zahlen von Kindern und Jugendlichen, die mit einer Suchtmittelproblematik zu kämpfen haben. Die Station ist mit Therapieplätzen für zwölf Patienten ausgestattet. Aufgenommen werden Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 18 Jahren. Behandelt werden klassische stoffgebundene Suchterkrankungen wie Kokain-, Cannabis-, Heroin-, Alkoholabhängigkeit etc. Inzwischen werden auch Patienten mit Computer- und Internetsucht betreut. Eigenmotivation der jungen Patienten zur Veränderung der bisherigen Situation gilt als Voraussetzung. Die Behandlung umfasst psychiatrisch-psychotherapeutische Angebote und kann bis zu zwölf Monate dauern. Die Kinder und Jugendlichen werden während der gesamten Dauer von denselben Bezugstherapeuten betreut. Das Konzept der Therapiestation ist in zwei Phasen gegliedert, der Aufnahme- und der Behandlungsphase (vgl. URL34: Teen Spirit Island 2009). . Während der Aufnahmephase werden die bislang konsumierten Drogen den jungen Patienten entzogen, bzw. der Zugang zu einem Computer verwehrt. Sie werden gründlich untersucht und hin zu einem funktionalen Mediengebrauch motiviert. Sollte die Behandlung seitens der Kinder und Jugendlichen während dieser Phase abgebrochen werden, kann nach erneuten Gesprächen und entsprechender Eigenmotivation eine Wiederaufnahme eingeleitet werden. Sind alle notwendigen Untersuchungen abgeschlossen und liegt eine entsprechende Behandlungsmotivation vor, gehen die Patienten in die Behandlungsphase über. Gruppenpsychotherapie ist ein wichtiger Bestandteil des Behandlungsverlaufes. Während der Aufnahmephase finden Sitzungen dreimal wöchentlich à 45 Minuten 54 statt. In der Behandlungsphase sind die Gruppentherapiesitzungen zweimal in der Woche à 90 Minuten angesetzt. Wie auch in der Fachklinik Münchwies finden neben der Psychotherapie zahlreiche weitere Gruppenmaßnahmen statt. Themenzentrierte Interaktion ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Bekannt ist die themenzentrierte Interaktion (TZI) als ein pädagogischtherapeutisches Konzept der Psychologin Ruth C. Cohn. Speziell auf die Computerspielproblematik bezogen, ist TZI ein gruppenorientiertes Konzept, bei der eine Gruppe von jungen Menschen gemeinsam mit den Therapeuten an der Lösung der Suchtmittelproblematik arbeitet. Dies jedoch immer unter Berücksichtigung der eigenen Person, des Themas bzw. der Sache, der Interaktion in der Gruppe und der Beachtung des Umfeldes. Durch den Einklang aller vier Faktoren finden Lernprozesse statt, die zur Problembewältigung führen sollen (vgl. Ewert 2008, S. 17). Zur Förderung der Eigenaktivität und der phantasievollen Gestaltung werden verschiedene Projektgruppen gebildet sowie individuelle Freizeitgestaltungsangebote gemacht. Hierbei sollen bisher versteckte Neigungen und Talente herausgefiltert und weiter gefördert werden. Da es sich bei den jungen Patienten zumeist um schulpflichtige Kinder und Jugendliche handelt, werden sie zusätzlich einzeln oder in Kleingruppen unterrichtet. Im Verlauf der Therapie sollen ein externer Schulbesuch sowie ein Praktikum auf ein Leben nach dem Aufenthalt auf der Teen Spirit Island vorbereiten. Da eine Vielzahl der Kinder und Jugendlichen nach der Therapie nicht nach Hause zurückkehren kann oder möchte, findet eine langfristige Entlassungsplanung statt, die eine Weitervermittlung in betreute Wohngruppen oder andere Nachsorgeeinrichtungen gewährleisten soll (vgl. URL34: Teen Spirit Island 2009). 5.5 Ein (kritischer) Blick ins Ausland 5.5.1 Behandlung von Computer- und Internetsucht in China Im Oktober 2004 wurde im Militärkrankenhaus Peking eine Suchtstation für Internet- und Spielgeschädigte gegründet, die spätestens seit der Veröffentlichung 55 der ersten Bilder im Internet im Sommer 2005 weltweit bekannt geworden ist. Für Aufsehen sorgten die Bilder, da sie Kinder zeigten, die mit Elektroschocks und Infusionen gegen ihre Computer- und Internetsucht behandelt wurden. Dennoch ist es die erste staatlich anerkannte Therapieeinrichtung zur Behandlung von Spiel- und Internetsucht in China. Über 300 Kinder und Jugendliche seien bereits „geheilt“ worden, so der Leiter der Station. Die Betroffenen sind zwischen 14 und 24 Jahren alt und werden von elf Ärzten und mehreren Krankenschwestern betreut. Die Jugendlichen kommen freiwillig, werden aber auch von besorgten Eltern eingewiesen. Ein Therapietag kostet 48 US-Dollar (vgl. Patalong 2005 URL). Die Kinder und Jugendlichen werden mit einem strukturierten Tagesablauf konfrontiert. Es gibt feste Zeiten für die Mahlzeiten, zwischendurch finden Therapiesitzungen statt, aber auch längere „Märsche“ gehören zum Behandlungsprogramm. Ihre Kleidung waschen die jungen Patienten selbst. Bis zu acht Kinder und Jugendliche teilen sich in der Klinik ein Zimmer, geschlafen wird in einem, extra durch ein Gitter abgesperrten, Raum. Die Aufenthalt- und Schlafräume werden vom Klinikpersonal 24 Stunden am Tag bewacht. Die Möglichkeit, dass auch die Eltern in der Klinik ein Zimmer beziehen, ist gegeben. So können Sie in der Nähe ihrer Kinder sein, aber auch selbst zum Thema Internet- und Computersucht geschult werden. 90 Prozent der Patienten sind Jungen, ähnliche Zahlen wie sie auch aus Deutschland und Europa bekannt sind (vgl. Schulz 2009, S. 138). Ein Element, das ebenfalls zur Therapie gehört, ist das Nachspielen von Computerspielen im wirklichen Leben. Die Jungen uniformieren und bewaffnen sich (siehe z.B. Counter Strike) und legen fest, wie viele Leben jeder hat. Munition benutzen die Kinder und Jugendlichen dabei nicht. Das Spielen auf diese Weise soll Konzentration und Teamfähigkeit fördern. Außerdem sollen die Jugendlichen die körperliche Anstrengung und den Unterschied zum tippen und klicken am Computer wahrnehmen (vgl. ebd.). Auch in einer Klinik der chinesischen Provinz Shandong wurden bis vor Kurzem internetsüchtige Jugendliche mit Elektroschocktherapie und verschiedenen Psychopharmaka behandelt. Die Eltern wissen vor Beginn der Therapie von den 56 angewandten Behandlungsmethoden und erklären ihr Einverständnis zu den Elektroschocks in einem schriftlichen Vertrag. Weiterhin verpflichten sie sich, während der Therapie nicht über die Behandlung zu sprechen. Auch die 86 Regeln, die die Jugendlichen während ihres Aufenthalts befolgen müssen oder die körperlichen Übungen, wie sie in Bootcamps auf der Tagesordnung stehen, werden seitens der Eltern hingenommen. Über 3.000 Patienten befanden sich bei Yang Yongxin, dem Chefarzt der Klinik, innerhalb von zweieinhalb Jahren in Betreuung. Die Kosten für die Therapie belaufen sich auf etwa 805 US-Dollar im Monat. Eine immens hohe Summe, im Hinblick darauf, dass diese etwa dreimal so hoch ist wie ein chinesisches Durchschnittsgehalt (vgl. URL35: PC Welt 2009). Der 15-jährige Junge Deng Senshan kam im August 2009 in einem weiteren solcher „Trainingscamps“ ums Leben. Nach einem kilometerlangen Lauf fiel er zu Boden und wurde von seinen „Betreuern“ wiederholt geschlagen. Kurz nachdem er in derselben Nacht ins Krankenhaus eingeliefert wurde, starb er. Im Sommer dieses Jahres ist die Gesundheitsministerium Elektroschocktherapie zwar verboten vom worden, chinesischen alle anderen menschenverachtenden Methoden werden jedoch in den über 400 existierenden Trainingscamps in China nach wie vor praktiziert. Offiziell registriert sind die meisten davon nicht, auch bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen für die Mitarbeiter sind nicht erforderlich (vgl. Schulz 2009, S. 137). Seit Ende des letzten Jahres diskutiert das chinesische Gesundheitsministerium über Gesetzesänderungen und einheitliche Richtlinien zur Klassifizierung der Internetsucht. Dafür hat Tao Ran, der Leiter des Militärkrankenhaus Peking einen Leitfaden entworfen, der seither in vielen militärischen Krankenhäusern angewendet wird. Als internetsüchtig gelten demnach diejenigen, die mehr als sechs Stunden täglich über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten online sind und unter Entzugserscheinungen wie Schlafstörungen oder Stress leiden. Ziel von Tao Ran ist es, dass das Gesundheitsministerium die Klassifikation übernimmt, damit die Internetsüchtigen in allen Krankenhäusern landesweit einheitlich behandelt werden können (vgl. URL36: heiseonline 2008). 57 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich auf dem Gebiet Internet- und Computersucht etwas bewegt, sowohl im Bereich der Betroffenen, deren Anzahl immer mehr ansteigt, als auch auf der Seite der Hilfesysteme gegen die Sucht. Ein umfassendes Auffangnetz hat sich entwickelt und bildet sich immer weiter aus, sei es in Deutschland oder auch in anderen Ländern. Über die Methodik der Bekämpfung der Sucht lässt sich streiten. Die Behandlungsmethoden der vorgestellten „Trainingscamps“ in China beispielsweise sind äußerst fragwürdig. Die Räumlichkeiten, in denen „therapeutische“ Maßnahmen stattfinden, erinnern sehr stark an Justizvollzugsanstalten. Das Wort „Menschenrechtsverletzung“ beginnt unwillkürlich im Raum zu schweben, ein Wort, das mit dem Land China und seiner Politik leider viel zu oft in Zusammenhang gebracht wird. In Deutschland erscheint Behandlungsmethoden die nahezu Durchsetzung unmöglich. Würden solcher drastischer Hilfeeinrichtungen so praktizieren, verstießen sie nicht zuletzt schon gegen den ersten Paragraphen des Deutschen Grundgesetzes. Die Hilfen zur Bekämpfung der Sucht haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Es gibt Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, sowohl im Netz als auch im realen Leben. Ambulante Verhaltenstherapien bei ausgebildeten Psychotherapeuten werden angeboten, aber auch die stationäre Aufnahme in eine Suchtklinik ist möglich. Vereinzelt existieren sogar Hilfeangebote, die ganz speziell auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet sind. Das Hilfenetz wächst zwar zunehmend, die Arbeitsweise der Therapeuten bleibt jedoch schwierig. Nur über die Erstellung von „AusweichDiagnosen“ werden die Therapien für Betroffene von der Kasse finanziert. Das Vorhandensein einer Computerspielsuchtproblematik wird von der Gesellschaft so weniger wahrgenommen und erscheint weniger bedeutend. Deshalb haben sich im letzten Jahr mehrere Einrichtungen zum Fachverband Medienabhängigkeit zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel ist es, dass die Computerspiel- und Internetsucht endlich als eigenständiges klinisches Krankheitsbild anerkannt wird (vgl. URL37: FV Medienabhängigkeit 2008). 58 6 Suchtprävention und Konsequenzen für die Soziale Arbeit 6.1 Prävention durch Medienkompetenz Präventionsarbeit in Zusammenhang mit Computerspielsucht kann auf vielerlei Ebenen stattfinden. Eine Ebene ist die Prävention im häuslichen und familiären Umfeld der Kinder und Jugendlichen. Sie setzt an, lange bevor es zu einer potenziellen Störung im Suchtbereich kommt und ist deshalb zur Primärprävention zu zählen (vgl. Heese Personensorgeberechtigten, 1997, S. ihren 85). Es ist Nachkömmlingen zunächst einen Aufgabe der geregelten und funktionalen Umgang mit Medien, speziell mit dem Computer beizubringen und darauf zu achten, dass ein übermäßiger „Konsum“ von Medien gar nicht erst statt findet. In der Praxis stellt sich dies jedoch relativ schwierig dar. Viele Eltern nehmen die Sucht ihrer Kinder gar nicht oder erst viel zu spät wahr (vgl. Groppler/ Teske 2008, S. 21). Ein anderer Teil beschäftigt sich mit der Computerspiellandschaft und dem Internet kaum, weil generationsbedingt auf diesem Gebiet große Defizite vorliegen. Wieder andere halten die exzessive Mediennutzung ihrer Kinder möglicherweise für normal, da sie für Bewerbungen und das spätere Berufsleben der Kinder hilfreich sein kann. Dass etwas nicht stimmt, fällt dann zumeist erst durch schlechtere Schulleistungen oder durch das Vernachlässigen von anderen Hobbys oder Freunden auf. Jetzt erst sehen die Eltern den Handlungsbedarf und suchen eine Suchtberatungsstelle auf. Durch Schulungen und Vermittlung von Medienkompetenz, explizit auch für Eltern kann das Risiko des Abdriftens in eine Computerspielsucht vermieden oder zumindest minimiert werden. 6.1.1 Definition des Begriffes Medienkompetenz Der Begriff Medienkompetenz hat sich in den letzten Jahren sehr stark verbreitet, eine einheitliche Definition gibt es in der Fachliteratur jedoch nicht. Kompetenz beschreibt die Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem bestimmten Sachgebiet. Kompetenz in Bezug auf Medien heißt demnach, sich in der Medienwelt zurecht zu finden, sich mit Medien auszukennen. Ein wichtiger Faktor dafür ist die Fähigkeit, Mediensysteme verstehen zu können, das heißt, sich Wissen darüber 59 anzueignen, wie vor Allem die neuen Medien technisch zu handhaben bzw. zu bedienen sind. Wird Medienkompetenz nur aus diesem Blickwinkel betrachtet, bedeutet dies, dass jeder der einen Computer einschalten und ein Programm öffnen kann, sich als medienkompetent bezeichnen kann. Die technische Handhabung ist ohne Zweifel eine wichtige Komponente, aber auch weitere Bausteine gehören dazu. Medien und ihre Produkte durchschauen und ihre Funktion in der Gesellschaft zu verstehen, ist ein weiterer wichtiger Bestandteil. Ebenso wie die Nutzung dieser im alltäglichen Leben (vgl. Hoffmann 2000, S. 32). Vor Allem im beruflichen Alltag ist das von großer Bedeutung. Die meisten Geschäfte werden heutzutage mit Hilfe des Computers abgewickelt, das heißt viele Unternehmen sind auf die technischen „Hilfsmittel“ angewiesen, funktionieren ohne sie gar nicht mehr. Wenn in einer Bibliothek die Computersysteme ausfallen, sind die Mitarbeiter nahezu überflüssig, die Nutzer hilflos. Bücher können nicht mehr im Online-Katalog gesucht, ausgeliehen oder zurückgegeben werden. Die Mitarbeiter können keine neuen Bücher ins System aufnehmen, recherchieren etc. Dies ist nur eines von einer Vielzahl von Beispielen. Die Nutzung von Medien am Arbeitplatz ist wichtig und Voraussetzung, um im Berufsleben überhaupt Chancen zu haben. Im privaten Bereich sollte die eigene Rezeptionsfähigkeit in Bezug auf Medien angemessen sein und kritisch hinterfragt werden. Das bedeutet, zu reflektieren, welche Medien wie lange genutzt werden und wie funktional dies geschieht. Ein letztes wichtiges Feld, das zur Medienkompetenz gehört, ist das sich herauslösen aus der schlichten Konsumentenrolle und sich das Medium zum Instrument zu machen (vgl. Hoffmann 2000, S. 33). Das bedeutet demnach auch in der Lage zu sein, andere von seinem Wissen über Medien und die Wahrnehmung dieser profitieren zu lassen, sozusagen eine Kompetenz zur Vermittlung von Medienkompetenz zu entwickeln. Im Zusammenhang mit Computerspielen oder dem Internetgebrauch sollte Medienkompetenz nach Zielgruppen unterschieden werden und Kinder und Eltern einzeln betrachtet werden. 6.1.2 Medienkompetenz für Eltern Mit welchem Alter den eigenen Kindern der Zugang zu einem Computer gewährt oder ihnen sogar ein eigener PC ins Kinderzimmer gestellt wird, liegt in der Entscheidungsgewalt der Personensorgeberechtigten. Sie bestimmen letztlich 60 über den richtigen Zeitpunkt und die technische Ausstattung. Fachleute und Medienpädagogen können stets nur Empfehlungen aussprechen. Erfahrungsgemäß bekommen die Kinder immer früher einen eigenen PC, vorzugsweise sogar mit einem Internetanschluss. Dies wird auch durch die aktuelle KFN-Studie bestätigt (vgl. Rehbein/ Kleimann/ Mößle 2009, S. 17). Aber nicht nur die Entscheidung über den Zugang zu den Medien liegt bei den Eltern, sondern auch die Verantwortung darüber, welche Medien die Kinder wie oft „konsumieren“. Kommunikation ist ein sehr wichtiges Stichwort. Sich informieren, was genau die eigenen Kinder am Computer machen, sollte für die Personensorgeberechtigten im Vordergrund stehen. Mit den Kindern in Kontakt zu treten und sich Spielinhalte zeigen lassen, ist der einfachste Weg. Den Personensorgeberechtigten wird so ein unmittelbarer Eindruck vom Spielgeschehen vermittelt. Spielverläufe, die nicht verstanden werden, können direkt vom Kind erläutert werden. Einerseits zeigt das Interesse am Freizeitverhalten des Nachkömmlings, andererseits kann nur so ein Austausch zwischen Personensorgeberechtigten und den zu Erziehenden über die Inhalte der genutzten Spiele stattfinden. Nur durch die aktive Teilhabe der Eltern, können diese sich ein tatsächliches Bild davon machen, wie der Computer oder das Internet vom Kind genutzt wird (vgl. Richard/ Krafft-Schöning 2007, S. 107). Wichtig sind außerdem klare Regeln und festgelegte Nutzungszeiten für den PC, auch auf die konsequente Einhaltung dieser Regeln sollte geachtet werden. Kindersicherungen oder Programme, die den Zugriff auf bestimmte Internetseiten gar nicht erst ermöglichen, können dabei behilflich sein. Inwieweit ein eigener Internetanschluss überhaupt notwendig ist, ist ebenfalls zu bedenken. Die Installation eines eigenen Internetanschluss sollte in jedem Fall altersangemessen sein. Wenn Wissensdefizite im Bereich Computer und Internet nach wie vor bestehen, kann der Austausch mit Freunden und Bekannten von Vorteil sein. Auch ein Gespräch mit dem Informatik-Lehrer der Schule oder ein Volkshochschulkurs kann Abhilfe schaffen (vgl. ebd., S. 107). Beim Kauf von Computerspielen als Geschenk, empfiehlt es sich auf die Altersfreigaben zu achten. Diese sind auf den Computerspielen von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle gut sichtbar gekennzeichnet und seit 2003 auch gesetzlich festgelegt. Befinden sich Spiele im Besitz der Kinder, die gemäß USK nicht dem 61 Alter entsprechend sind, können sich Eltern auf der USK-Homepage darüber informieren. Um sich ein eigenes Bild zu machen besteht auch hier wieder die Möglichkeit, das Kind zu bitten, ihnen das Spiel zu erklären und es gemeinsam zu spielen. Ein Bewusstsein darüber, dass das eigene Medienverhalten sich auch auf den Medienkonsum der Kinder auswirkt, sollte vorhanden sein. Nutzen Personensorgeberechtigte selbst täglich mehrere Stunden am Stück den Fernseher oder Computer, ist es nicht verwunderlich, wenn die Nachkömmlinge dieses Verhalten übernehmen. Es ist einfach, die neuen Medien als „Babysitter“ zu benutzen, empfehlenswert ist dies jedoch nicht. Eltern sollten sich stets über das Wirken der Medien bewusst sein und sich z.B. die Frage stellen, wie sich Horrorfilme, vor denen sich auch viele Erwachsene fürchten, sich erst auf Jugendliche oder Kinder auswirken mögen. Analog dazu können gewalthaltige Computerspiele betrachtet werden. Wertevermittlung und Erziehung zu verantwortungsbewusstem Handeln, ist ganz klar Aufgabe der Familie (vgl. BGB § 1626 Abs. 2). Vermittlung von Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Medien kann demnach auch als Pflicht der Personensorgeberechtigten gesehen werden. 6.1.3 Medienkompetenz für Kinder Kindern und Jugendlichen der heutigen Zeit fällt es oft leichter als ihren Eltern den technischen Umgang mit den Medien zu erlernen. Sie sind in einer von den neuen Medien bestimmten Welt aufgewachsen, und Fernsehen und Computer gehören seit dem frühsten Kindesalter zum Alltag dazu. Anders als bei älteren Generationen, die einen Fernseher eventuell erst im Jugendalter kennen gelernt haben, der nur drei Programme und diese in schwarzweiß ausgestrahlt hat. An Erfindungen wie der Computer und das Internet war nicht zu denken. Bei der Vielzahl von Medienangeboten in der heutigen Zeit, ist es für Kinder wichtig, den kritischen Umgang mit diesen zu erlernen und den Medienkonsum (mit Hilfe der Eltern) zu reflektieren. Geregelte Nutzungszeiten des Computers und ein eingeschränkter Zugriff auf das Internet können zunächst dazu beitragen. Im Kindesalter zwischen der Angebotsvielfalt zu differenzieren und eine kritische Haltung zu den Medien Computer und Internet zu entwickeln, gestaltet sich ohne Einwirkung des familiären Umfeldes schwierig. Eine Begleitung durch die Welt der Medien seitens der Eltern ist daher zwingend erforderlich (vgl. Richard/ KrafftSchöning, 2007, S. 106). Erst mit zunehmendem Alter erwerben die Kinder und 62 Jugendlichen selbst die Fähigkeit, Inhalte kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren. 6.2 Prävention durch Lebenskompetenzförderung Das Konzept der Lebenskompetenzförderung ist ein kompetenz- und ressourcenorientiertes Konzept, das ebenfalls im Bereich der Primärprävention einzuordnen ist. Es beinhaltet die Förderung von persönlichen Fähigkeiten und Ressourcen, die Selbstbestimmung und eine positive Entwicklung der individuellen Persönlichkeit möglich machen und somit die Entwicklung von Abhängigkeitsproblematiken zu verhindern versuchen. Das Konzept ist angelehnt an verschiedene „life-skills“-Trainingsprogramme, die von G.J. Botvin in den 80er Jahren entwickelt worden sind. Es handelt sich hierbei um lerntheoretische Programme, die in den Schulunterricht integriert wurden. Ziel der Programme ist es, einerseits Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Druck, Drogen zu konsumieren bei den Schülern aufzubauen. Andererseits wird die Vermittlung von allgemeinen Bewältigungskompetenzen angestrebt (vgl. Sting/ Blum 2003, S. 77). Fachleute gehen davon aus, dass je mehr Lebensbewältigungskompetenzen bei einem Menschen vorliegen, desto geringer auch die Gefahr ist, süchtiges Verhalten zu entwickeln. Auch bei der Lebenskompetenzförderung ist das familiäre Umfeld gefragt. Kinder orientieren sich an ihren Eltern, deswegen ist es besonders wichtig, dass diese ihren Kindern Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags vorleben und diese fördern. Geborgenheit ist ebenfalls von großer Bedeutung. Fehlen diese Eigenschaften und Vorbildwirkungen, kann das zur Verdrängung von kindlichen Erfahrungs- und Erlebnismöglichkeiten führen, was schlussendlich dazu beitragen kann, aus der realen Wirklichkeit in die virtuelle zu schlüpfen, um dort diese Erfahrungen machen zu können. Konzepte der Lebenskompetenzförderung können solche und ähnliche Störungen der Persönlichkeitsentwicklung vermeiden (vgl. Grünbichler 2008, S. 80). 6.3 Prävention durch alternative Angebote Sind die Jugendlichen bereits in Kontakt mit Drogen oder anderen Suchtmitteln gekommen, setzt die sekundäre Prävention ein, die einer weiteren Verschärfung der Situation vorbeugen soll (vgl. Heese 1997, S. 85). Ein Konzept, das in der in 63 der sekundären Suchtprävention seine Anwendung findet, ist das Konzept der funktionalen Äquivalente. Es ist ein akzeptierendes Konzept, das den zeitlich beschränkten Konsum von Substanzen auf entwicklungspsychologische Faktoren zurückführt. Ziel des Konzeptes ist nicht Abstinenz, sondern der verantwortungsvolle Umgang mit Suchtmitteln. Es wird davon ausgegangen, dass Funktionen, die beispielsweise das häufige und andauernde Computerspielen erfüllen sollen, auch durch alternative Aktivitäten erfüllt werden können (vgl. Sting/ Blum 2003, S. 74f). Statt über den Konsum von Suchtmitteln, sollen die Jugendlichen über andere sinnvolle Aktivitäten Anerkennung von außen erfahren und ihre sozialen Beziehungen fördern. In der Praxis jedoch wird weniger nach funktionalen Äquivalenten gesucht, sondern eher nach Risikoalternativen, die die Jugendlichen vom Konsum abhalten sollen. Das bedeutet, die gemeinsame Arbeit gestaltet sich suchtunspezifisch und erreicht auch Zielgruppen, bei denen eine Suchtmittelproblematik nicht vorliegt. Vor allem im Arbeitsfeld Jugendarbeit wird dieses Konzept eingesetzt und im Rahmen von Film- oder anderen schöpferischen Projekten realisiert. Der passive Konsum von Suchtmitteln soll auf diese Weise in den Hintergrund treten und der aktiven Gestaltung des eigenen Lebensraumes dienen. Die Angebote müssen jedoch attraktiv und altersangemessen ausgerichtet sein, um zu gewährleisten, dass die Jugendlichen tatsächlich die Angebote der Jugendarbeit dem Suchtmittelgebrauch vorziehen. Als ein Kritikpunkt bei der Umsetzung des Konzeptes, werden die Dethematisierung der Sucht- und Drogenproblematik sowie die Beliebigkeit der angebotenen Tätigkeiten genannt (vgl. Sting/ Blum 2003, S. 76). Infolgedessen besteht die Möglichkeit, dass Jugendlichen ohne Suchtmittelproblematiken eine sinnvolle und Spaß bringende Freizeitgestaltung ermöglicht wird, solchen mit Problemen im Suchtbereich jedoch nicht. Trotz der Beliebigkeit an angebotenen Aktivitäten im Bereich der Jugendarbeit, kann das Konzept der Risikoalternativen suchtpräventiv erfolgreich sein. Voraussetzung dafür ist jedoch die Ermöglichung einer aktiven Teilhabe von Jugendlichen mit Suchtmittelproblematiken und deren enge Einbindung in die Aktivitäten. Tertiäre Prävention setzt ein, wenn sich eine Suchtmittelproblematik bereits stark verfestigt hat. Maßnahmen in diesem Rahmen können dennoch eine weitere 64 Verschlimmerung vermeiden und sollen Rückfällen vorbeugen. Zu den tertiären Präventionsmaßnahmen zählen auch die in den Abschnitten 5.1 bis 5.4 genannten Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten, worauf an dieser Stelle erneut hingewiesen werden soll. 6.4 Veränderungen in Studium und Praxis der Sozialen Arbeit 6.4.1 Suchtberatung Auch wenn die Computerspielsucht in den letzten Jahren immer weiter in den gesellschaftlichen Fokus rückt, liegen bei vielen Fachkräften wie z.B. Sozialpädagogen oder Psychologen in beratender Funktion Informationsdefizite in diesem Bereich vor. Vor Allem ältere Generationen sind betroffen, da Sie selbst ohne Computer und Internet groß geworden sind und ihnen dadurch der Zugang zum Thema fehlt. Teilweise haben die beratenden Personen selbst Kinder, bei denen sie eine Computerspielsuchtproblematik vermuten. Interventionen fallen jedoch schwer, da sie nicht ausreichend zum Thema fortgebildet und selbst auf Hilfe angewiesen sind. Beratungsangebote, die sich speziell an Betroffene von Computerspielsucht und deren Angehörige richten, werden fast ausschließlich von Berufsanfängern, wie z.B. Absolventen des Studiums der Sozialen Arbeit ins Leben gerufen und geleitet. Diese sind mit dem Medium Computer aufgrund des jüngeren Alters vertraut und kennen die Probleme, die sich aus dem übermäßigen Medienkonsum entwickeln können aus dem Studium bzw. weil sie sich in ihrer Abschlussarbeit eben diesem Thema gewidmet haben (vgl. Völter 2009, S. 24). Internetrecherchen haben ergeben, dass gerade im Jahr 2009 vermehrt Fachtagungen zum Thema Computerspiel- oder Mediensucht stattgefunden haben. Sozialarbeiter, die bereits in der Praxis tätig sind, hatten so die Möglichkeit sich über diese „neue“ Suchtform hinreichend zu informieren und die gewonnen Kenntnisse in die Praxis zu übertragen. Auch im Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2009, wurde erstmalig die Computerspiel- und Internetsucht aufgeführt und den einzelnen Suchtstoffen und –formen zugeordnet (vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2009). Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Problematik inzwischen in der Politik angekommen ist und bearbeitet wird. Auch in der Ausbildung zum Sozialarbeiter sollte die Computerspielsucht in 65 Lehrveranstaltungen aufgegriffen werden, um die Studenten gezielt auf die Praxis vorbereiten zu können. 6.4.2 Medienpädagogik Medienpädagogik stellt ein weiteres potenzielles Arbeitsfeld im Bereich der Sozialen Arbeit dar. Sie kann bezeichnet werden als „handelnde Intervention in den kommunikationstechnologischen Entwicklungsprozessen“ (vgl. Rogge 2007, S. 634). Im Mittelpunkt steht einerseits die Erziehung zum „richtigen“ Umgang mit Medien. Andererseits spricht Medienpädagogik die Faszination des Selbermachens an und hat den Anspruch, soziales und erfahrungsbezogenes Lernen zu fördern. Die kritische Reflexion der selbst gemachten Erfahrungen wird als Bedingung für einen autonomen Umgang mit Medien angesehen. Der Einsatz von Medien in der praktischen Arbeit sollte stets mit einer pädagogisch relevanten Zielvorstellung verbunden sein. Kritikfähigkeit gegenüber Medien soll vermittelt werden, ebenso wie technisches Wissen. Ein weiteres Ziel ist es, Aussagen über Medieninhalte treffen zu können und die gesellschaftliche Bedeutung der Inhalte zu erkennen (vgl. Tulodziecki 1997, S. 43). Unterschieden werden sieben Bereiche von Medien. Presse, Buch, Rundfunk, Film, Tonträger, Telekommunikation und Computersoftware (vgl. ebd., S. 22). Relevant für das Thema der vorliegenden Arbeit sind vorrangig die beiden zuletzt genannten Bereiche. Die Medienpädagogik bedient sich vermehrt den neuen Medien und greift auf Kommunikationsformen des Internets zurück. Projektbezogene, selbst gedrehte Filme können auf YouTube hochgeladen und somit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Schulbands können ihre Songs bei MySpace veröffentlichen und so Kontakte zu anderen Musikern herstellen und Erfahrungen austauschen. Medienpädagogik hat demnach die Möglichkeit, die neuen Medien gezielt für pädagogisch sinnvolle Projekte für sich zu nutzen. Andererseits hat Medienpädagogik per Definition auch die Pflicht, auf Gefahren, die Medien mit sich bringen können, einzugehen und diese mit Kindern und Jugendlichen kritisch zu bewerten. Eine Nutzung des Internets im Bereich Medienpädagogik erscheint unumgänglich und bringt viele Vorteile mit sich. In der medienpädagogischen Ausbildung sollte dies gezielt aufgegriffen werden. 66 Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) hat 2004/05 Wissenschaftler und Praktiker aus dem medienpädagogischen Bereich über Medienbildung in der Zukunft befragt. Die Notwendigkeit einer frühzeitig einsetzenden Medienbildung wurde beispielsweise genannt. Medienpädagogische Projekte sollen bereits im Kindergarten beginnen. Die Vermittlung von Medienkompetenz kann so bereits in den frühen Entwicklungsphasen von Kindern eingeleitet werden. Generell soll der Raum für medienpädagogische Aktivitäten größer werden. Medienbildung soll nicht mehr vorrangig Aufgabe von Jugendarbeit oder außerschulischen Einrichtungen sein, sondern sinnvoll in den Schulunterricht integriert werden (vgl. Lauffer 2006, S. 192). Auch Medienbildung der Personensorgeberechtigten soll näher in den Vordergrund gerückt werden. Elternbildung soll nicht nur auf der Vermittlung von Medienkenntnissen basieren, sondern auch die Dialogfähigkeit und Selbstreflektion zum eigenen Umgang mit Medien soll gefördert werden. Die Verbesserung von Bildung kann nach Aussagen der Fachleute nur durch „sinnvolle und fachlich adäquate Einbindung von neuen Medien in Lernprozesse erfolgen“ (vgl. ebd., S. 193). Dies sind nur einige der Wünsche und Vorstellungen der Praktiker und Wissenschaftler, die an dieser Stelle jedoch ausreichen sollen. 6.4.3 Sozialinformatik Ein weiterer Bereich der Sozialen Arbeit, der die Auseinandersetzung mit dem Computer fordert, ist der Bereich der Sozialinformatik. Die Entwicklung dieses inzwischen eigenständigen Feldes gestaltete sich anfänglich schwierig. Soziale Arbeit und Informationstechnologien (IT) sind zunächst nicht zwangsläufig in einen Zusammenhang gebracht worden, da die direkte „Arbeit am Menschen“ durch sie nicht tangiert wurde (vgl. Wendt 2000, S. 13). Eine erste Begriffsdefinition wurde im Jahr 2000 von Wendt publiziert. Dort hieß es: „Die Sozialinformatik hat Informations- und Kommunikationssysteme in der Sozialwirtschaft und der Sozialen Arbeit zum Gegenstand. Sie befasst sich mit der systematischen Verarbeitung von Informationen im Sozialwesen in ihrer technischen Konzipierung, Ausführung und Evaluation[…]“ (vgl. ebd., S.20). Es geht demnach um den Einsatz von Informationstechnologien in sozialen Einrichtungen, der die praktische Arbeit im sozialen Bereich vereinfachen soll, aber auch kritisch reflektiert, welche Auswirkungen, Chancen und Risiken dies mit sich bringt (vgl. Ley 2004, S. 12 i.V.m. Kreidenweis 2004, S. 16). Beispiele hierfür 67 sind Fachsoftware zur Unterstützung der Erstellung von Hilfeplänen in der Sozialpädagogischen Familienhilfe oder auch die Dokumentation von Klientengesprächen in jeglichen sozialen Einrichtungen. Neben Datenerhebung und Datenverarbeitung schließt Sozialinformatik auch den Informationsaustausch und Dienstleistungsangebote in der Sozialarbeit ein, die sich durch den Einsatz des Internets entwickelt haben. Selbsthilfegruppen, die sich online „treffen“ oder Beratungen innerhalb virtueller Räume (vgl. 5.2.2) zählen beispielsweise dazu. Sozialinformatik ist inzwischen fester Bestandteil der Ausbildung im Studium der Sozialen Arbeit. Es werden vermehrt Lehrveranstaltungen zum Thema angeboten, Sozialinformatik oder auch Sozialmanagement können als Schwerpunkte im Studium gewählt werden. Seit Oktober dieses Jahres wird an der Universität Eichstätt-Ingolstadt erstmalig ein Masterstudiengang Sozialinformatik angeboten (vgl. URL38: Universität Eichstätt-Ingolstadt 2009). Das Thema der vorliegenden Arbeit wird durch die Sozialinformatik jedoch nur am Rande berührt. In Zusammenhang mit Computerspielsucht wird vermutlich die Suchtberatung und die Jugendarbeit das Hauptarbeitsfeld für den Sozialarbeiter darstellen. Dennoch zeigt die Entwicklung in der Sozialinformatik, dass eine weitere Verbindung von Informationstechnologie und Sozialer Arbeit besteht und die Vermittlung von Wissen und Anwendung von Informationstechnologien in der Ausbildung immer von hoher Bedeutung ist. 68 7 Fazit Das Thema Computerspielsucht ist sehr komplex und lässt Raum für weitere Ausführungen. Bezug nehmend auf die einleitenden Teilfragen zu Beginn der Arbeit, konnten jedoch einige wichtige Aussagen getroffen und Antworten gefunden werden. Mit etwa 14.300 als süchtig eingestuften Computerspielern und weiteren 26.000 stark gefährdeten Jugendlichen, kann die Lage als äußerst kritisch bezeichnet werden. Es ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Studie lediglich einen Querschnitt über Jugendliche von etwa 15 Jahren abgebildet hat. Über Zahlen von süchtigen Jugendlichen über 15 Jahren sowie Erwachsenen sind daher nur Vermutungen anzustellen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ebenso eine Vielzahl von Erwachsenen vom Phänomen Computerspielsucht betroffen ist. Nahezu alle genutzten Quellen weisen darauf hin, dass die zu behandelnden Personen häufig älter als 18 Jahre sind. Die Mediensuchtberatung Schwerin meldet 2007 Betroffene bis zu 22 Jahren. In der Fachklinik Münchwies werden Patienten betreut, die im Durchschnitt bereits 27 Jahre alt sind. Die Sucht nach Computer spielen kann daher nicht als reines Jugendproblem betrachtet werden. Vielmehr stellt es ein gesamtgesellschaftliches Problem dar. Aufgrund der negativen Entwicklungen in den letzten Jahren und der steigenden Nachfrage für Hilfeeinrichtungen bezüglich Computerspielsucht, sollte dingend geprüft werden, inwieweit weitere Gesetzeslücken geschlossen werden können oder müssen. Die Novellierung des Jugendschutzgesetztes im Jahr hat einige sinnvolle Regelungen hervor gebracht, die das Verbreiten von jugendgefährdenden Medien zumindest erschwert. Die gesetzlich festgelegten Bestimmungen der Kennzeichnung von Altersfreigaben auf Computerspielen kann für Eltern ein guter Anhaltspunkt sein, wenn es um den Erwerb von Spielen für die eigenen Kinder geht. Erste Schritte in die richtige Richtung sind gemacht worden. Die aktuellen Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass trotz der Gesetzesänderungen die Zahlen der pathologischen bzw. süchtigen Spieler rapide ansteigen. In WoW müssen Spieler vorgeblich keine gewalthaltigen Handlungen ausführen. Mit kriegsverherrlichenden oder anderen jugendgefährdenden Inhalten 69 werden sie nicht konfrontiert. Das hohe Suchtpotenzial, dass unter Anderem durch die wechselseitige Abhängigkeit der Gildenmitglieder und den ständigen Fortlauf des Spieles erzeugt wird, wird jedoch nicht gesetzlich kontrolliert. Demnach müssen Jugendmedienschutzeinrichtungen in diesem Rahmen nicht tätig werden. Ihre gesetzliche Arbeitsgrundlage ist das JuSchG, das eben solche Regelungen zum Überprüfen des Suchtpotenzials nicht enthält. Nach Auswertung der neuesten Studien und den Erfahrungsberichten von Beratungsstellen und Kliniken, erscheint eine Aufnahme der Computerspielsucht ins ICD-10 bei der nächsten Revision durchaus sinnvoll. Ob diese als eigenständiges Krankheitsbild aufgenommen oder nur als Begleiterscheinung oder Symptom von anderen Erkrankungen eingestuft wird, soll jedoch von Praktikern, Wissenschaftlern und Medizinern entschieden werden. Dass Betroffene bisher lediglich über Ausweichdiagnosen betreut werden können, ist kein erstrebenswerter Zustand. Wie bereits erwähnt, wird das Phänomen der Computerspielsucht so aus dem gesellschaftlichen Blickpunkt genommen und in Statistiken gar nicht erst erfasst. Es bedarf demnach weiterer Forschung und weiteren Veröffentlichungen zum Thema, um letztlich den Betroffenen eine sinnvolle, auf ihre Problematik zugeschnittene Behandlung gewährleisten zu können. Die Studie des kriminologischen Forschungsinstitutes ist nur ein guter Ausgangspunkt, um Überlegungen in diesem Zusammenhang neu aufzurollen. Die Computerspiellandschaft in Deutschland ist enorm. Um einen kleinen Einblick zu geben wurden einige Genres und Spiele beschrieben. Herausgefiltert wurden hierbei Spiele, die laut KFN am häufigsten von Jugendlichen genutzt werden. Dies sind vorrangig Onlinerollenspiele oder Shooter. Das heißt, entweder Spiele, die einen hohen Zeitaufwand erfordern oder solche, die zusätzlich gewalthaltige Inhalte vermitteln. Dennoch kann das spielen solcher Spiele durchaus positive Nebeneffekte haben. Das Nachstellen von Kriegsszenarios wie bei Battlefield kann durchaus etwas zur persönlichen Aufarbeitung der deutschen Geschichte beitragen und eine Art zusätzliche Lernhilfe zum Schulstoff darstellen. Es ist stets die Frage zu stellen, aus welcher Motivation heraus das Spiel gespielt wird und wie viel Zeit das Spielen täglich in Anspruch nimmt. Im Spiel Counter Strike muss sich zumindest ein Teil der Spieler zu einer Gruppe von Terroristen 70 zusammenschließen, die Menschen in Geiselhaft nehmen oder Bomben legen. Terrorismus ist spätestens seit dem 11. September 2001 ein Thema, mit dem sich auch Jugendliche auseinandersetzen müssen. Ob Counter Strike im positiven Sinne dazu beitragen kann, ist zu bezweifeln. Eine Indizierung im Jahr 2002 wurde unter Anderem abgelehnt, weil eine soziale Unverträglichkeit nicht nachweisbar war und das gemeinsame Spielen zu Tausenden soziale Beziehungen eher fördere. Es ist anzunehmen, dass sich innerhalb solcher Spielcommunitys tatsächlich reale Freundschaften gebildet haben. Die Kinder und Jugendlichen, die als süchtig eingestuft wurden, haben solche realen Beziehungen allerdings nicht oder kaum. Sie vernachlässigen ihr soziales Umfeld oder spielen häufig, gerade weil Probleme im Familien- und Freundeskreis bestehen. Das Macht- und Kontrollerleben in der virtuellen Welt kann positive Gefühle hervorbringen. Belohnungen, die in der realen Welt ausbleiben, gibt es dafür im virtuellen Leben umso mehr. Der Wunsch diese positiven Gefühle so oft wie möglich zu erleben, kann dazu verführen, immer wieder und immer häufiger online zu gehen und ein süchtiges Verhalten zu begünstigen. Der hohe Anteil von sehr jungen Spielern, die nicht altersgerechte Spiele nutzen ist zusätzlich besorgniserregend. Entwicklungsstörungen oder Persönlichkeitsveränderungen können die Folgen sein. Eine Vielzahl von Spielern kann inzwischen erfolgreich behandelt werden, wenn sie die Entscheidung getroffen haben, Hilfeeinrichtungen aufzusuchen und deren Angebote auch in Anspruch zu nehmen. Beratung, Psychotherapie und auch stationäre Betreuung in einer Klinik sind möglich. Außerdem wurden Einrichtungen gegründet, die speziell auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sind. Virtuelle Selbsthilfegruppen haben sich gebildet, die sich online treffen und austauschen. Zur Beratung muss das häusliche Umfeld ebenfalls nicht mehr zwingend verlassen werden. Auch das kann inzwischen über das Internet geregelt werden. Dieser Form von Beratung ist jedoch im Hinblick auf Computerspielsucht mit Vorsicht zu begegnen. Als Beispiel wurden Verfahrensweisen der Online-Beratung vom HSO e.V. genauer beschrieben. Für Betroffenen ist es vermutlich schwierig, zu entscheiden, inwieweit zwei E-Mails pro Woche dazu beitragen, die 71 vorhandenen Probleme zu bewältigen. Auch ob der Partner in die Beratung mit eingebunden werden soll kann oft erst nach einigen „Gesprächen“ festgestellt werden. Bei Gabriele Farke müssen die Betroffenen jedoch sofort entscheiden, und eine der Beratungsformen auswählen. Der Kostenfaktor spielt hier auch eine Rolle und kann abschreckend wirken. Die Schwelle, sich zu öffnen und sich jemandem anzuvertrauen, ist möglicherweise niedriger, wenn keine Gebühren erhoben werden. Ein kostenloses Erstgespräch, um allgemeine Informationen zu sammeln und herauszufinden, ob dem Klient angemessen geholfen werden kann, erscheint sehr sinnvoll. Alle weiteren Konditionen können danach individuell festgelegt werden. Die Wartezeiten bezüglich der Antwortmails liegen bei drei bis fünf Tagen. Bei einer Vielzahl von Anfragen eine gerechtfertigte Zeitspanne. Liegt ein akutes Problem beim Klienten vor, ist dies jedoch kaum zumutbar. Die Frage, ob eine Online-Beratung für Menschen sinnvoll ist, die ohnehin zu viel Zeit vor dem Computer verbringen, gilt es in der Zukunft zu beantworten. Die These, dass eine bereits bestehende Sucht auf diesem Weg weiter befriedigt wird, ist zu widerlegen. Der HSO e.V. begründet die Wahl dieser Beratungsform damit, die Leute dort abzuholen, wo sie momentan die meiste Zeit verbringen und das sei nun einmal das Internet. Weiterhin sei es für die Menschen zunächst einfacher sich online zu öffnen, als in einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Die Grundidee von Onlineberatungen und Onlineselbsthilfegruppen ist sicher sinnvoll. Sie ist anonym und bequem. Besteht aber ein Problem im Zusammenhang mit Online- und Computersucht, scheint diese Variante von Selbsthilfe und Beratung weniger geeignet zu sein. Ist die Beratung mit Gebühren verbunden, wird von vornherein ein bestimmter Kreis von Menschen ausgeschlossen. Menschen, die kaum Geld zur Verfügung haben, was gerade viele junge Leute betreffen wird. Aussagen darüber, inwieweit Onlineselbsthilfegruppen für die Mitglieder hilfreich sind, können nicht getroffen werden. Zukünftig wird es vielleicht Publikationen geben, die darüber Aufschluss geben können. Das Thema Onlineberatung und Onlineselbsthilfegruppe soll aber nicht ausschließlich negativ besetzt werden. Es sollten lediglich einige Kritikpunkte hervorgehoben werden. 72 Auch Soziale Arbeit reagiert nach und nach auf Computerspielsucht. Spezialisierte Beratungsstellen wurden von ehemaligen Studenten aufgebaut und durch sie geleitet. Betroffene können hier individuell beraten und gegebenenfalls an andere Hilfeeinrichtungen weitervermittelt werden. Durch vermehrte Fachtagungen in den vergangenen Jahren, ist das Thema weiter in die Öffentlichkeit getragen worden. Inwieweit im Studium der Sozialen Arbeit, vor Allem in den Schwerpunkten Sucht oder Medienpädagogik, das Phänomen Computerspielsucht behandelt wird, ist der Literatur oder dem Internet nur teilweise zu entnehmen. Davon ausgehend, dass die Zahl der Betroffenen weiter steigt bzw. vorerst nicht abnimmt, ist eine gezielte Vermittlung von Informationen zum Thema während des Studiums durchaus angebracht. Allgemeine Grundkenntnisse über Suchttheorien und Präventionskonzepte können für nahezu alle Suchtformen angewandt werden. Sie sind jedoch entsprechend abzuwandeln und zu ergänzen. Für die Arbeit im Bereich Mediensuchtberatung gehört die gezielte Auseinandersetzung mit Computerspielen und dem Internet dazu. Medienkompetenz ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Sozialarbeiter und Klient. Sie stellt sozusagen die Basis für einen gegenseitigen Austausch dar. Eine Methodik, die speziell auf Beratung im Mediensuchtbereich zugeschnitten ist, ist nicht bekannt. Sozialarbeiter, die bereits in der Suchtberatung tätig sind, sind angehalten, an Fachtagungen zum Thema teilzunehmen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Das Phänomen Computerspielsucht wird Wissenschaftler und Praktiker auch in Zukunft beschäftigen. Die Einrichtungen, die zur Bekämpfung der Computerspielsucht bereits gegründet worden sind, waren vermutlich nur der Anfang. Weitere Studien werden zeigen, ob die Zahl der exzessiv spielenden Kinder und Jugendliche weiter zu- oder abnimmt. Sie werden Aufschluss darüber geben, wie erfolgreich die Beratungs- und Behandlungsmethoden der Hilfeeinrichtungen sind oder ob ein weiterer Ausbau des Hilfenetzes notwendig ist. 73 Literaturverzeichnis Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden. Bd. 7. 19. Aufl. 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