Hilfe wird oft zu spät erbeten

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Hilfe wird oft zu spät erbeten
02 DIALOG UND MEI NUNG
„Man sollte den Abgängern sagen:
Vergesst Mathe, vergesst Erdkunde, vergesst die Vokabeln – feiert Partys, habt Spaß.“
KOMMENTAR
von Martin
Baumgartner
Vor dem Ernst des Lebens
D
ie Zeit der Abschlussfeiern
ist traditionell auch die
Zeit pathetischer Reden an
die versammelten Absolventen.
Das gehört dazu, das hat Tradition, das gibt der Veranstaltung ihren feierlichen Charakter als wichtige Wegmarke in der Biografie
der jungen Menschen – auch wenn
die Adressaten dabei in Gedanken
vielleicht schon auf der Party
sind.
Üblicherweise werden den
Schulabgängern bei dieser Gelegenheit ganze Kataloge von Tugenden mitgegeben, die sie doch
auf ihrem künftigen Lebensweg
praktizieren mögen. Besonders
gefragt sind in diesen Tagen – den
Eindruck kann man jedenfalls
beim Lesen der Berichte von den
Abschlussfeiern gewinnen –
Durchhaltevermögen, Ausdauer
und Standhaftigkeit. Das sind
recht sportliche Eigenschaften,
die man den jungen Menschen offenbar für einen bevorstehenden
Wettbewerb wünscht.
Auch Willenskraft und Selbstvertrauen sollen sie haben, die angehenden Berufseinsteiger und
Studienanfänger. Und bitte, das
ist wohl heutzutage eine Kardinaltugend: Flexibilität. Die ist sicher
hilfreich, denn sie werden sogleich
ermuntert, sich den kommenden
Herausforderungen zu stellen und
dabei zielstrebig zu sein. In diesen
gut gemeinten Wünschen
schwingt unterschwellig der Hinweis mit, dass es da draußen vielleicht doch nicht ganz einfach
wird, sich zu behaupten und seinen Weg zu finden. Oft deuten die
Redner dann – vielleicht auch zur
Selbstversicherung – die Hoffnung an, den ihnen Anvertrauten
das nötige Rüstzeug mitgegeben
zu haben. Und um die Absolventen nicht zu sehr einzuschüchtern
ob der Herausforderungen, wird
ihnen im gleichen Atemzug gern
versichert: Die Welt steht Euch
offen, der Arbeitsmarkt wartet
schon sehnsüchtig auf Euch!
Mag sein, dass jetzt für sie der
sogenannte Ernst des Lebens erst
wirklich beginnt – aber für meinen
Geschmack sollte man es am allerletzten Schultag doch eine Spur
lockerer angehen lassen. Man sollte den Abgänger mal sagen: Vergesst Mathe, vergesst Erdkunde,
vergesst die blöden Vokabeln –
lasst mal flexibel die Sau raus, feiert Partys, tanzt, hört Musik, habt
ausdauernd Spaß, genießt die
letzten großen Sommerferien.
„Wirtschaft und Politik müssen
Lösungen finden, damit nicht Generationen von Menschen in die
Altersarmut abrutschen.“
KOMMENTAR
von Thorsten
Berthold
Die Arbeit fair bezahlen
A
rbeitslosigkeit, Krankheit,
Scheidung – dass allein eines dieser Probleme einem
Menschen den finanziellen Boden
unter den Füßen wegziehen kann,
ist bekannt. Die Deutlichkeit, mit
der Caritas-Schuldnerberater Michael Seifert bei der Spendenübergabe der Sparkassen im
Landkreis Osterode das Thema
Altersarmut ansprach, ist jedoch
für manchen sicher neu.
Klar, das Thema wird auch gern
von allen Beteiligten beiseite geschoben. Die, die noch jung sind,
noch 20, 30 oder gar 40 Jahre Berufsleben vor sich haben, denken
gern, dass sie noch alle Zeit der
Welt haben, um Lösungen für die
Zukunft zu finden. Und die, die
jetzt nach einem fast beendeten
Berufsleben vielleicht einmal den
Weg zur Rentenberatungsstelle
antreten, um zu erfahren, was sie
später erhalten werden, trifft oftmals ein Schock. Spätestens dann
wird gerade Menschen aus dem
Mittelstand bewusst, wie sehr
auch sie die weltweite Finanzkrise
getroffen hat.
Gar nicht nachdenken möchte
man fast darüber, wie viele Menschen, die ihr Leben lang nur im
Niedriglohnbereich gearbeitet ha-
ben und dort schon mit ihren Finanzen jonglieren mussten, im
Rentenalter gebeutelt sind. Es ist
schon mehr als bitter zu sehen,
dass man nach jahrzehntelanger
Arbeit am Ende finanziellen Ruin
erleidet, vielleicht Wohnung und
Auto verliert und sich noch nicht
einmal mehr das tägliche Essen
leisten kann.
Insofern ist der Appell von Michael Seifert wirklich ernst zu
nehmen: Wenn man in finanziellen
Problemen ist bzw. diese drohen
könnten, sollte jeder Betroffene
umgehend die Hilfe einer Beratungsstelle suchen. Das Angebot
dort ist kostenfrei und die Informationen werden von den Mitarbeitern vertraulich behandelt. Vor
allem aber ist man mit dem Problem nicht mehr allein – und das
ist vielleicht mit am meisten wert.
Die Beratung kann aber natürlich nicht das Problem ganzer Generationen lösen, die aufgrund der
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in die Altersarmut rutschen
und den Staat somit belasten. Politik und Wirtschaft müssen
schlicht und einfach wieder dafür
sorgen, dass geleistete Arbeit fair
bezahlt wird – nicht mehr und
nicht weniger.
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Mittwoch, 22. Juni 2016
Hilfe wird oft zu spät erbeten
Michael Seifert vom Caritasverband Osterode informierte über Ursachen für Schulden.
Von Thorsten Berthold
Bad Sachsa. Die Wege, die in finanzielle Probleme führen, sind eigentlich fast immer gleich: „Arbeitslosigkeit, Krankheit und
Scheidung sind die Hauptursache
dafür, dass Menschen im Kreis
Osterode in eine finanzielle
Schieflage geraten“, betont Michael Seifert von der Schuldnerberatungsstelle des Caritasverbands Osterode.
Neu hinzugekommen sei die Altersarmut, wie er beim Gespräch
mit dem Sparkassenvorstandsvorsitzenden Thomas Toebe von
der Sparkasse Osterode am Harz
sowie Ralf Müller, Vorstand der
Stadtsparkasse Bad Sachsa, bei
der Spendenübergabe durch die
beiden Kreditinstitute betonte.
Dass oftmals wenig Raum für
Beratung bliebe, sondern meist
nur noch der Gang in die Privatinsolvenz übrig sei liege aber vor allem an einem Punkt: „Die meisten
Klienten kommen einfach zu spät
zu uns“, erklärt der Schuldnerberater.
Ralf Müller (Stadtsparkasse Bad Sachsa, links) und Thomas Toebe (Sparkasse Osterode am Harz, rechts) überreichen
an Michael Seifert den Spendenbescheid.
Foto: Thorsten Berthold
Zu viele Gläubiger auf einmal
Häufig würden die Menschen erst
dann vorstellig, wenn gleich vier
oder fünf Gläubiger auf ihr Geld
warteten. Meist spiele einer der
Gläubiger bei einem Entschuldungsplan nicht mit, so dass die
Insolvenz heutzutage oft zum Regelfall werde.
Dies Problem treffe meist junge
Menschen und deren finanzielle
Unerfahrenheit. „Der Klassiker
ist auch heute noch das Handy,
das für viele der Einstieg in die
Schuldenfalle ist.“ Man kündige
vorzeitig den Vertrag und sei sich
nicht bewusst, dass der Anbieter
daraufhin Schadensersatz fordern
könne. „Die Summe kann hier
schnell groß werden, wenn man
den Vertrag nach nur kurzer Laufzeit beendet“, verdeutlicht Seifert.
Internet bleibt Problemfeld
Ein weiteres Problemfeld bilde
das Internet. „Ich bin immer wieder erstaunt, wofür es alles Internetshops gibt – und wie unsere
Klienten es schaffen neue aufzutun, bei denen sie noch nicht be-
„Der Klassiker ist auch
heute noch das Handy,
das für viele der
Einstieg in die
Schuldenfalle ist.“
Michael Seifert, Schuldnerberater, zu
den Problemen bei jungen Erwachsenen
kannt sind.“ In der Summe fehle
dann den meisten schlicht der
Überblick über ihre Verbindlichkeiten, und am Ende müsse dann
die Beratung versuchen, dies zu
entwirren. Umso wichtiger sei es
daher, präventiv zu arbeiten, wie
Seifert betont. Seine Kollegin halte beispielsweise auf Nachfrage in
Schulen immer wieder Vorträge,
um die Jugendlichen vorzubereiten. „Natürlich hilft dies nicht allein, vieles müsse im Elternhaus
vermittelt werden.“
Ralf Müller sieht dieses Problem auch. „Wir veranstalten
auch einmal im Jahr Infotage in
den Schulen, aber das reicht natürlich nicht allein aus.“ Dem
pflichtet auch Thomas Toebe bei.
„Gerade Kinder und Jugendliche
müssen noch gezielter darauf vorbereitet werden, wie sie mit Geld
umgehen müssen.“
Aber nicht nur Unwissenheit
führt in finanzielle Probleme.
Speziell bei den Senioren sei festzustellen, dass die Niedriglohnbranchen im Alter ihren Tribut
forderten. „Die Menschen haben
während ihres Arbeitslebens bereits wenig verdient – und die
Rente ist nun noch geringer. Da
sind die Probleme vorprogrammiert.“
deshalb auch Ausdruck des sozialen und gesellschaftlichen Engagements der Sparkassen, betont
Thomas Toebe. „Die Beratungsstelle leistet eine sinnvolle Arbeit,
die leider immer nötiger wird wie
wir hören.“
Seit dem Jahr 1997 unterstützen
die niedersächsischen Sparkassen
die Schuldnerberatungen im Lande.
In diesem Jahr bringt der Sparkassen- und Giroverband dafür
510 00 Euro auf. Das Land Niedersachsen stellt aus seinen Mitteln 575 000 Euro bereit.
Finanzkrise trifft speziell Ältere
Bei den älteren Menschen habe
aber auch die Finanzkrise dafür
gesorgt, dass selbst Personen die
immer vorgesorgt hätten, plötzlich zu wenig Geld zur Verfügung
haben. Schwierig sei auch hier
wieder, dass die Menschen zu lange warten würden, ehe sie den Weg
zur Beratungsstelle antreten. „Die
Senioren schämen sich zu sehr, um
zuzugeben, dass sie Probleme haben.“ Die freiwillige Unterstützung der Schuldnerberatung sei
DIE BERATUNGSSTELLE
Die Schuldnerberatungsstelle des Caritasverband
Osterode befindet sich in
Herzberg, Magisterberg 4.
Sprechzeiten sind immer
dienstags und donnerstags
von 9 bis 12 Uhr.
Erreichbar ist die Stelle unter Telefon 05521/71461 oder
[email protected].
Alkohol-Testkäufe: Die Hälfte der überprüften
Verkaufsstellen versagt beim Jugendschutz
Polizei und Landkreis kontrollierten sechs Geschäfte. Weitere Testkäufe sind geplant.
Osterode. Drei von sechs Verkaufs-
stellen sind bei den jüngsten Alkohol-Testkäufen im Kreis Osterode
im Juni durchgefallen: Sie haben
branntweinhaltige Getränke an
Jugendliche abgegeben. Das hat
der Landkreis jetzt mitgeteilt, der
die Kontrollen zusammen mit der
Polizeiinspektion Northeim/Osterode vornimmt. 50 Prozent der
getesteten Geschäfte haben damit
gegen das Jugendschutzgesetz
verstoßen. Weitere Testkäufe sind
noch in diesem Jahr geplant, stellt
der Landkreis in Aussicht.
Minderjährige Testkäufer versuchten, in den einzelnen Verkaufsstellen branntweinhaltige alkoholische
Getränke
sowie
Zigaretten zu bekommen. Dabei
konnten sie sich durch einen Ausweis legitimieren. In zwei der beanstandeten Verkaufsstellen wur-
das Alter falsch berechnet. In den
Verkaufsstellen, in denen die Testkäufer leer ausgingen, haben die
Verkäufer dagegen nach Überprüfung des Alters der Käufer die Abgabe der Ware abgelehnt.
Über Schutzgesetz informiert
Eine Testkäuferin.
Foto: Mark Härtl (Archiv)
den den Jugendlichen Alkohol und
Zigaretten verkauft, ohne das Alter zu überprüfen. In der dritten
Verkaufsstelle wurde zwar eine Alterslegitimation verlangt, aber
Die Verkäufer in allen Verkaufsstellen gaben an, über das Jugendschutzgesetz informiert worden zu
sein und teilweise eine interne
Schulung bzw. eine von Jugendamt und Polizei erhalten zu haben. In den meisten der getesteten
Verkaufsstellen wurde visuell auf
das Jugendschutzgesetz hingewiesen, oftmals jedoch an Stellen,
die für Kunden nicht einsehbar
waren.
In den jeweils nach den Testkäufen geführten Beratungsgesprächen hätten die Behördenver-
treter das betroffene Verkaufspersonal sowie die Geschäftsleitung
eingehend darauf hingewiesen,
dass es unabdingbar ist, das Jugendschutzgesetz zu beachten
und auszuhängen. Auch Hinweisschilder an den Regalen sowie im
Kassenbereich müssten für die
Kunden gut sichtbar sein. Für die
Abgabe branntweinhaltiger Getränke oder Tabakwaren an Minderjährige wird ein Bußgeld ab
1 000 Euro verhängt.
Jugendschutzplakate zum Aushang sowie Informationen zum Jugendschutzgesetz gibt es bei Kreisjugendpfleger Peter Dzimalle, Telefon
05522 9604750. Er berät auch junge
Menschen, die als Verantwortliche
für Veranstaltungen verantwortlich
sind.