Chronik Dokumentation ausgewählter Ereignisse im Freistaat

Transcription

Chronik Dokumentation ausgewählter Ereignisse im Freistaat
Chronik
mit rechtsextremistischem Hintergrund bzw. Anhaltspunkten für die Beteiligung von Rechtsextremisten
Dokumentation ausgewählter Ereignisse
im Freistaat Sachsen im ersten Halbjahr
2006
Die Sachverhaltsdarstellungen entsprechen den dem Landesamt für
Verfassungsschutz Sachsen zum Zeitpunkt der Erstellung vorliegenden
Meldungen und Bewertungen.
Termin und Ort
mit linksextremistischem Hintergrund bzw. Anhaltspunkten für die Beteiligung von Linksextremisten
mit ausländerextremistischem Hintergrund bzw.
Anhaltspunkten für die Beteiligung von ausländischen
Extremisten
Ereignis
Januar 2006
11. Januar
Dresden
Protestaktion der Kampagne „Keine Geschäfte mit Nazis – Der NPD den Boden
entziehen“
Etwa 10 Personen demonstrieren vor einem Gewerbeobjekt in Dresden. Dabei werden
Transparente mit der Aufschrift „keine geschäfte mit nazis - der npd den boden
entziehen“ gezeigt und Flugblätter verteilt.
Die Aktion richtet sich gegen einen Mitarbeiter der in dem Objekt ansässigen Firma,
der als Vermieter einer Immobilie an die NPD auf dem verteilten Flyer namentlich
benannt wird. In dieser Immobilie befindet sich die Landesgeschäftsstelle der NPD.
Mit dem Protest soll Druck auf den Hauseigentümer und seinen Arbeitgeber ausgeübt
werden. So wird in dem Flyer zu einem Boykott der Firma aufgerufen. Es werden
weitere Aktionen angekündigt, bis der Vertrag gekündigt werde.
14. Januar
Kamenz
Gründung des Kreisverbandes Kamenz/Hoyerswerda der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD)
Mit der Gründung dieses Kreisverbandes ist die NPD in Sachsen fast flächendeckend
vertreten. Der Kreisvorsitzende setzt das Ziel, bei den nächsten Kommunalwahlen in
möglichst vielen Städten und Gemeinden in die Gemeindeparlamente einzuziehen
sowie eine starke Kreistagsfraktion zu bilden. Außerdem sollen umfangreiche
Freizeitangebote für Jugendliche geschaffen werden.
24. Januar /
2. Mai
Leipzig
Entführung sächsischer Ingenieure im Irak
Im Nordirak werden zwei aus Leipzig stammende Ingenieure entführt. Beide werden
am 2. Mai überraschend freigelassen. Es bleibt unklar, ob die Täter islamistischen
Kreisen zuzurechnen oder Kriminelle sind, die sich als Islamisten ausgeben.
25. Januar
Leipzig
Bestätigung des Betätigungsverbots der „Hizb ut-Tahrir“ (HuT)
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt das vom Bundesministerium des Innern im
Jahre 2003 erlassene Betätigungsverbot der islamistischen Organisation wegen
Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2
des Grundgesetzes.
Februar 2006
4. Februar
Bergen (Vogtlandkreis)
Sonderparteitag der NPD
Auf dem Landesparteitag werden die durch die Ende 2005 erfolgten Austritte dreier
Landtagsabgeordneter aus Fraktion und Partei frei gewordenen Positionen neu besetzt.
An der Veranstaltung nehmen ca. 100 Personen teil. Neben den Delegierten der
sächsischen Kreisverbände sind Funktionäre des Landesverbandes sowie der
Bundesvorsitzende Udo VOIGT anwesend.
11. Februar
Dresden
„Trauermarsch“ der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ e. V. (JLO)
An der Demonstration beteiligen sich ca. 4.200 Rechtsextremisten, darunter auch
solche aus dem europäischen Ausland. Der Trauermarsch zählt zu den zentralen
Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene und hat für sie bundesweite
Bedeutung.
11. und 13. Februar
Dresden
Aktivitäten von Linksextremisten im Zusammenhang mit dem Jahrestag der
alliierten Luftangriffe auf Dresden
Am 11. Februar demonstrieren unter dem Motto „Gegen jeden
Geschichtsrevisionismus“ 500 bis 600 Autonome friedlich gegen einen Aufzug der
JLO sowie gegen den angeblich mit dem Gedenken der Bürger zum Ausdruck
gebrachten Geschichtsrevisionismus. Die Teilnehmer kommen u. a. aus Dresden,
Leipzig, Chemnitz, Freiberg und dem westsächsischen Raum. Mitgeführte
Transparente lassen auf Teilnehmer auch aus Berlin, Frankfurt/Oder und Greifswald
schließen. Im Anschluss blockieren mehrere Hundert Demonstranten zusammen mit
Gegnern des JLO-Aufzuges, die nicht dem linksextremistischen Spektrum angehören,
dessen Route.
Am 13. Februar beteiligen sich 100 bis 200 Personen der autonomen Szene an einem
Aufzug unter dem Motto „Gegen jeden Geschichtsrevisionismus“. Der
Demonstrationszug führt zum Heidefriedhof, vor dem eine Kundgebung abgehalten
wird. Während der Kranzniederlegung entfalten etwa 5 bis 10 Personen ein
Transparent mit der Aufschrift „NO TEARS FOR KRAUTS – DEUTSCHE
TÄTER_INNEN SIND KEINE OPFER!“.
11. Februar
Berlin
Demonstrationen für Abdullah Öcalan
Am 15. Februar jährt sich zum siebenten Mal die Festnahme Öcalans, des Führers der
„Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK)1. Anhänger organisieren eine zentrale
Großdemonstration in Straßburg und verschiedene dezentrale Veranstaltungen. An der
dezentralen Veranstaltung in Berlin nehmen auch Kurden aus Sachsen teil.
März 2006
18. März
Zwickau
Feierlichkeiten zum kurdischen Neujahrsfest Newroz
Die Tageszeitung Yeni Özgür Politika (YÖP) meldet, dass der Zwickauer „Kurdischdeutsche Freundschaftsverein“2 eine Newroz-Feier ausrichtet. Unter den 300
Teilnehmern soll auch ein Führungsmitglied der „Föderation der kurdischen Vereine
in Deutschland e. V.“ (YEK-KOM) sein.
1
Später in „Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans“ (KADEK) und „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA GEL) umbenannt.
2
Es handelt sich um den „Deutsch-Kurdischen Freundschaftsverein e. V.“ in Zwickau.
April 2006
6. April
Berlin
Durchsuchungen der Bundeszentrale der NPD
Bei der Durchsuchung werden 30.000 Exemplare eines von der NPD hergestellten
„WM-Planers“ sichergestellt. Der Planer zeigt das Piktogramm eines Fußballspielers
mit der Trikotnummer 25 und der Aufschrift „Weiß. Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für
eine echte Nationalmannschaft!“ Die Trikotnummer gehört zu einem farbigen
Nationalspieler. Dieser erwirkt zusammen mit dem Deutschen Fußballbund (DFB)
eine einstweilige Verfügung gegen die Verteilung.
8. Juni
Berlin
Bei einer erneuten Durchsuchung werden ca. 3.000 Exemplare des neuen,
veränderten, „WM-Planers“ sichergestellt. Der DFB hatte gegen die NPD eine
einstweilige Verfügung erwirkt, die es der NPD verbietet, den WM-Planer weiter zu
vertreiben. Seitens des DFB wurde Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt.
6. April
Dresden
Aktivitäten Autonomer anlässlich des 15. Todestages von Jorge Gomondai
Erstmals veranstalten Autonome eine eigene Demonstration anlässlich des 1991 durch
einen rechtsextremistischen Überfall ums Leben gekommenen Mosambikaners. Etwa
160 Personen, darunter Personen, die nicht dem extremistischen Spektrum
zuzurechnen sind, demonstrieren unter dem Motto „Das bisschen Totschlag bringt so
manche_n um“. Im Anschluss reiht sich ein Teil der Autonomen in die traditionell
stattfindende Gedenkdemonstration des „Ausländerrates Dresden e. V.“3 ein.
Hintergrund der zusätzlichen Demonstration der Autonomen dürften nach Darstellung
„Dresdner Antifagruppen“ die seit einigen Jahren auftretenden Spannungen zwischen
Autonomen und dem „Ausländerrat e. V.“, vornehmlich wegen des proisraelischen
Auftretens der autonomen Demonstrationsteilnehmer, sein.
8. April
Kommunale Mandatsträgerschulung der NPD
Siebenlehn (Lkr. Freiberg) Zu den sächsischen Kommunalwahlen 2009 will die NPD flächendeckend mit
Kandidaten in allen Wahlkreisen in Sachsen antreten. Um ca. 100 ausgewählte
Parteimitglieder und parteilose Sympathisanten zu befähigen, die Partei zu den
Kommunalwahlen als Kandidaten „würdig“ zu vertreten, sollen zur Vorbereitung zehn
kommunale Mandatsträgerschulungen stattfinden. An der ersten Schulung nehmen ca.
60 Personen teil.
3
8. April
Hoyerswerda
Demonstration der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN)
Ca. 250 Personen des rechtsextremistischen Spektrums versammeln sich unter dem
Motto: „Gegen linke Demagogen – Kein PDS Jugendparteitag in unserer Stadt“. Die
Demonstration wird auf Initiative des JN-Stützpunktes Hoyerswerda aus Protest gegen
einen dort stattfindenden Parteitag der „Linkspartei.PDS“ durchgeführt.
18. April
Berlin
Demonstration gegen die iranische Regierung
22 Iraner ketten sich an den Zaun der Iranischen Botschaft. Sie protestieren „gegen die
iranische Regierung und ihre Menschenrechtsverletzungen“. Etwa die Hälfte der
Personen ist aus Sachsen angereist. Darunter befinden sich Anhänger der
extremistischen Gruppierungen „Nationaler Widerstandsrat Irans“ (NWRI) und
„Arbeiterkommunistische Partei Irans“ (API). Die Polizei löst die nicht angemeldete
Demonstration auf.
Der „Ausländerrat Dresden e. V.“ ist kein Beobachtungsobjekt des LfV Sachsen.
Mai 2006
1. Mai
Leipzig
Demonstrationen von Rechtsextremisten
Den zwei Demonstrationen der Rechtsextremisten Christian WORCH und Steffen
HUPKA gelingt es nicht, das vorgegebene gemeinsame Ziel Leipzig-Connewitz zu
erreichen. Gegendemonstranten blockieren die Aufzugsstrecke der insgesamt etwa
550 Teilnehmer beider Demonstrationszüge.
Aktivitäten von Linksextremisten anlässlich der Demonstrationen von
Rechtsextremisten
Zahlreiche Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen richten sich am 1.
Mai gegen die von Rechtsextremisten angemeldeten Demonstrationen in Leipzig.
Polizeiangaben zufolge treten dabei ca. 1.500 gewaltbereite Personen in Erscheinung.
Unter ihnen befindet sich eine Vielzahl von Angehörigen der regionalen und
überregionalen autonomen Szene. Autonome beteiligen sich vor allem an den
Blockaden, der Errichtung von Barrikaden und den Übergriffen auf die Polizei und
rechtsextremistische Demonstrationsteilnehmer entlang der angemeldeten Route.
Bereits die Aufforderungen auf der Internetplattform Indymedia hatten im Vorfeld die
auf Gewalt zielenden Planungen der autonomen Szene erkennen lassen.
1. Mai
Oberlausitz
Demonstration von Rechtsextremisten
Etwa 120 bis 150 Rechtsextremisten versammeln sich zunächst in Bautzen, später in
Niesky und anschließend in Hoyerswerda zu kurzzeitigen Demonstrationen. Sie
zeigen ein Transparent mit dem Aufdruck „1. Mai / Wir sind arbeitslos!“ und verteilen
nach eigenen Angaben Flugblätter.
1. Mai
Freital
Demonstration unter Beteiligung von Rechtsextremisten
Etwa 80 Rechtsextremisten beteiligen sich an der Demonstration unter dem Motto:
„Zukunft und Heimat schützen – Gegen Globalisierung und Kapitalismus“. Während
der Veranstaltung werden Flugblätter mit dem Aufdruck „Arbeitslos ? Es ist nicht
Deine Schuld - Es liegt am asozialen BRD-System“ an Passanten verteilt.
6. Mai
Thürmsdorf
(Lkr. Sächsische Schweiz)
1. Jugendthing Sächsische Schweiz der JN
An der Veranstaltung (Thing: germanische Volksversammlung) nehmen nach
Angaben der JN über 100 Personen teil. Ziel ist es, rechtsextremistisch orientierte
Jugendliche für die JN zu werben. Neben einem Liedermacher treten der JNBundesvorsitzende sowie ein Funktionär der JN Sächsische Schweiz als Redner auf.
An Ständen werden u. a. szenetypische Bekleidung und Musik angeboten.
20. Mai
Schildau
(Lkr. Torgau-Oschatz)
Rechtsextremistisches Konzert
Bei der Veranstaltung treten die rechtsextremistischen Bands „Hope for the Weak“
(Brandenburg), „Eternal Bleeding“ (Thüringen), „Path of Resistance“ (MecklenburgVorpommern), „Moshpit“ (Sachsen/Thüringen) und „Brainwash“ (Thüringen) auf.
Das Konzert wird von ca. 300 bis 350 Personen besucht. Damit ist es das
rechtsextremistische Konzert mit der bisher höchsten Besucherzahl im Jahr 2006.
Die durchschnittliche Teilnehmerzahl der bisher bekannt gewordenen
rechtsextremistischen Konzerte im ersten Halbjahr 2006 beträgt ca. 110 Personen.
Juni 2006
17. Juni
Oelsnitz / Erzgebirge
(Lkr. Stollberg)
Rechtsextremistisches Konzert
Die Polizei verhindert das geplante Konzert. Der Auftritt der rechtsextremistischen
Musikgruppe „White Resistance“ (Erzgebirge) findet nicht statt. Stattdessen wird eine
als Geburtstagsfeier bezeichnete Szene-Party ohne Live-Musik mit ca. 85 Besuchern
durchgeführt. Diese Veranstaltung wird später durch die Polizei aufgelöst, nachdem es
durch Teilnehmer zu „Sieg Heil!“-Rufen kommt.
Juni / Juli
Deutschland
Aktivitäten von Extremisten im Zusammenhang mit der FIFA-FußballWeltmeisterschaft (Fußball-WM)
Die Fußball-WM bietet Rechtsextremisten nicht die erhoffte Propagandaplattform.
Zwar sorgt die NPD im Vorfeld des Ereignisses mit ihren rassistischen WM-Planern
für Schlagzeilen. Letztlich erreicht die Partei jedoch nur zum Beginn der Fußball-WM
mit einer Demonstration am 10. Juni in Gelsenkirchen kurzzeitig Aufmerksamkeit.
Weitere Aufmärsche werden abgesagt.
Am 10. Juni findet in Leipzig eine WM-kritische Demonstration statt. Daran nehmen
ca. 250 Personen teil. Die Veranstaltung verläuft ohne Störungen. Sie findet im
Rahmen einer Veranstaltungs- und Aktionswoche eines Leipziger Bündnisses statt, zu
dem auch linksextremistische Personenzusammenschlüsse gehören.
Die Fußball-WM wird lediglich unter Mitgliedern und Anhängern des „Nationalen
Widerstandsrats Iran“ (NWRI) thematisiert.
Keine der ursprünglich anlässlich der Spiele der iranischen Fußballnationalmannschaft
für die jeweiligen Veranstaltungsorte und -tage geplanten Demonstrationen des NWRI
findet statt. Lediglich am 17. Juni schließen sich einzelne Anhänger des NWRI einer
nicht extremistischen Demonstration gegen den iranischen Staatspräsidenten in der
Nürnberger Innenstadt an.
Am 21. Juni tragen in Leipzig einige Teilnehmer der Kundgebung des „Bündnisses
gegen Antisemitismus Leipzig“ Fahnen iranischer Oppositioneller. Im Stadion
entrollen Zuschauer während der Halbzeitpause ein Spruchband „Iran für alle Iraner“.
Ein Bezug zum NWRI kann jedoch nicht hergestellt werden. Die ursprünglich von der
„Internationalen Föderation iranischer Flüchtlings- und Immigrantenräte e. V.“ (IFIR)
für diesen Termin angemeldete Kundgebung in Leipzig wird kurzfristig abgesagt.
Als einzige Demonstration des NWRI findet am 24. Juni anlässlich des Besuchs des
iranischen Außenministers eine friedliche Kundgebung in Berlin statt.
Juni / Juli
Afghanistan
Marienberg
Sicherheitslage für deutsche Bundeswehrsoldaten in Afghanistan
Im Monat Juni verschärft sich die Sicherheitslage für die deutschen
Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Am 26. und 28. Juni werden
Patrouillenfahrzeuge der Bundeswehr beschossen. Dabei werden am 26. Juni drei
Soldaten verletzt. Anfang Juli werden Soldaten aus Marienberg einen viermonatigen
Afghanistan-Einsatz antreten.