Lageanalyse Salafistische Kampflieder
Transcription
Lageanalyse Salafistische Kampflieder
Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung Verfassungsschutz Stand: September 2011 1.9.2011 Vom Gangster-Rap zum Jihad-Aufruf – radikalisierende Hymnen „neugeborener“ Salafisten 1. Zusammenfassung In der Analyse salafistischer Kampflieder (Sing. „Naschid“, Pl. „Anashid“) geht es zunächst um das Musik-Verbot, das heutzutage vor allem von Salafisten gefordert wird. Anschließend wird die Bedeutung und die Herkunft so genannter Kampf-Naschids behandelt und ein aktuelles Beispiel des transnationalen Jihadisten Yassin Chouka vorgestellt. Im Zentrum der Analyse stehen die Kampflieder von Denis Cuspert (des ehemaligen Berliner „Gangster-Rappers“ Deso Dogg), der sich in Deutschland zu einem der prominentesten Kampflied-Vortragenden entwickelt hat und der unter dem Namen Abou Maleeq ein bezeichnendes Beispiel für einen „neugeborenen“ JihadSalafisten abgibt. Anhand von fünf seiner in Deutschland produzierten und hier verbreiteten Kampf-Naschids wird die Bandbreite und die Bedeutung einer Propaganda herausgearbeitet, die den militanten Jihad und den „Märtyrertod“ verherrlicht und als nachzuahmend bewirbt. Hierauf folgt eine Bewertung der Gefährdung, wie sie insbesondere für jugendliche Rezipienten von der über das Medium Kampflied vermittelten Ideologie ausgeht. Diese jihad-salafistische Ideologie verbietet nicht allein weltliche Musik und ersetzt sie durch Kampflieder. Vielmehr werden Jugendliche mit Gedankengut indoktriniert, das den militanten Jihad sowie den Märtyrertod zu vermeintlich essenziellen Bestandteilen des Islam erklärt. Wie aktuelle Radikalisierungsverläufe zeigen, hat jihad-salafistisches Gedankengut junge Menschen in sehr kurzen Zeiträumen radikalisiert. 2. Einleitung Gesellschaftssystem und Kultur in Deutschland bieten den Menschen eine Vielzahl an Möglichkeiten, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten. Hierzu gehört nicht zuletzt der Bereich der Musik. Auch hier gelten das freie Wort sowie die uneingeschränkte Wahl des Musikstils. Die Freiheit hat aber dort ihre Grenzen, wo gegen Straf- oder Jugendschutzvorschriften verstoßen wird. Auch über die Musik dürfen volksverhetzende und gewaltverherrlichende oder -verharmlosende Inhalte nicht verbreitet werden. Unter Strafe gestellt ist es etwa, mit Liedern zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder zu Gewalt gegen sie aufzufordern oder Inhalte zu transportieren, die durch Beschimpfungen, böswilliges Verächtlich-Machen oder Verleumden die Menschenwürde angreifen. Seit 2010 häufen sich so genannte „islamische Hymnen“, die den militanten Jihad und den Märtyrertod verherrlichen und zur Teilnahme am Kampf auf den internationalen „Jihad1 Schauplätzen“ auffordern. Diese in der Tradition der Afghanistankriege stehenden Kampflieder werden von den Vortragenden meist als Ausdruck ihres „Neugeborenseins“ als Muslime verharmlost. Den Hörern bleibt hierbei unklar, dass sich die Sänger nicht der islamischen Religion zuwandten, sondern einer äußerst radikalen Strömung innerhalb der politischen Ideologie des Islamismus, die vorgibt, lediglich religiöse Ziele zu verfolgen. Diese Strömung nennt man Salafismus;1 ihre Anhänger bezeichnen sich selbst als Salafiten. Sie treten in Deutschland zunehmend mit demokratiefeindlichen Aussagen wie auch mit Nichtmuslime abwertenden und gewaltverherrlichenden Äußerungen in Erscheinung.2 3. Musik-Verbot bei Salafisten Musik für vermeintlich unislamisch zu erklären und zu verbieten ist im islamistischen Spektrum nicht neu: Bereits nach Machterlangung der Islamisten 1979 im Iran hatte Ayatollah Khomeini Musik zum „Teufelszeug“ erhoben und verboten. Dieses Verbot hatte allerdings nicht lange Bestand, so dass in der „Islamischen Republik Iran“ derzeit wieder fast alle Musikrichtungen zu finden sind. Heutzutage sind es vor allem die durch den saudi-arabischen Islam geprägten Salafisten, die Musik, Gesang und Tanz für sündhaft erklären und ihre Ausübung Muslimen zu verbieten suchen. Wie detaillierte Anweisungen in deutscher Sprache zeigen,3 sollten sich Muslime vor einer erotisierenden und sexuellen Wirkung von Musik und Gesang schützen4 und diese unbedingt meiden. Mit Ausnahme der unter bestimmten Bedingungen gestatteten Handtrommel (Daff) seien sämtliche Saiten-, Blas- und Schlaginstrumente verboten. Entsprechend unzulässig seien die Berufe des Musikers, Sängers, Tänzers sowie des Instrumentenmachers und -verkäufers.5 Im Salafismus lassen sich drei Strömungen unterscheiden: Der „puristische Salafismus“, der keine politischen Ziele verfolgt, sowie der „politische Salafismus“ und der „jihadistische Salafismus“, die beide zum Spektrum islamistischer Ideologie gehören und verfassungsfeindlich sind, vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Verfassungsschutzbericht 2008, S. 29-30. 2 Dies gilt für den „politischen Salafismus“ und den „jihadistischen Salafismus“. Die folgend verwendeten Bezeichnungen „Salafismus“ bzw. „salafistisch“ beziehen sich ausschließlich auf diese beiden Strömungen. 3 Vgl. Abu Bilal Mustafa al-Kanadi: Der islamische Rechtsspruch über Musik und Gesang im Licht des Qur’an, der Sunnah und der übereinstimmenden Meinung unserer religiösen Vorfahren, in Deutsche übersetzt von Umm Jamal und Umm Souhail, überarbeitet von Mohammed Benhsain (Abu Jamal), o.O., 2004, 106 S. 4 Ebd. S. 83-84. 5 Ebd. S. 86. 1 2 Eine Ausnahme bildet allerdings das Singen von Liedern, die die Betonung von „Mut, Furchtlosigkeit und Stärke“ zum Inhalt haben oder die „die Erinnerung an historische Vorfälle wie z.B. Schlachten gegen den Feind etc. wach erhalten“.6 4. Kampf-Naschids Ausdrücklich gestattet werden von Salafisten so genannte „islamische Lieder“ bzw. Hymnen, die im Arabischen als Naschid (engl. Nasheed) bezeichnet werden. Diese „islamischen Hymnen“ (Anaschid islamiya) sollen vor allem „die Begeisterung und den Wunsch für den Jihad zünden“.7 Sie gelten als „Kampflieder“ mit „großem geistigen und moralischen Nutzen für die Krieger“, die „Heldenmut und Tapferkeit“ erzeugen sowie Muslime dazu bewegen sollen, „das Schwert für die Sache Allahs (...) zu erheben“.8 Kampf-Naschids weisen eine starke Rhythmik auf, werden grundsätzlich a capella gesungen und sind allenfalls von einer Handtrommel begleitet. Unter Jihadisten haben sie eine längere Tradition. Insbesondere während des Afghanistankriegs gegen die sowjetische Besatzung (1979-1989) wurden sie zur Motivation der Kämpfer eingesetzt. Entsprechende Hymnen fanden sich auch auf Videos der Hamburger Zelle der Attentäter des 11. September 2001. Aktuell werden KampfNaschids vor allem in Anschlagsvideos verwendet, wo sie die Wirkung der Bilder verstärken sollen. Dies ist etwa in Videobotschaften der terroristischen „Islamischen Bewegung Usbekistan“ (IBU) der Fall, in denen Deutschland mit Anschlägen bedroht wird. Inhaltlich wird in diesen Naschids der militärische Kampf (Jihad) für islamisch legitim erklärt und der Märtyrertod mit dem Versprechen des Einzugs ins Paradies sowie der Heirat von Paradiesjungfrauen (arab. Huris) verknüpft.9 Ebd. S. 83-84. Ebd. S. 89. 8 Ebd. S. 61. 9 Vgl. Rüdiger Lohlker: Dschihadismus. Materialien, Wien 2009, S. 133-134. 6 7 3 So kursiert ein aus dem Medienzentrum der IBU, dem „Studio Jund Allah“ [Soldaten Gottes], mit „Mutter bleibe standhaft“ betiteltes Kampf-Naschid, das der aus Bonn stammende Jihadist Yassin Chouka (Kampfname afghanisch-pakistanischen Abu Ibraheem) aus den Kampfgebieten an seine Mutter richtet. Hierin deklariert er – in Anlehnung an einen frühen Theoretiker des militanten Jihad10 – den Jihad als eine „unerfüllte Pflicht“, der er angesichts des Krieges, den der Westen gegen „den Islam“ und „die Muslime“ führe, im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet nachkommen müsse. Da die westlichen Staaten diese Territorien wie auch „Palästina“ und den Irak militärisch besetzten und dort den Koran schändeten, sei der Kampf unausweichlich. An seine Mutter gerichtet behauptet er, dass er hierfür von Gott auswählt sei, weshalb sie sich nicht um ihn sorgen solle. Wenn er auf dem Schlachtfeld falle, sei er auch nicht tot, sondern käme ins Paradies. 5. Vom „Gangsta-Rap“ zum „neugeborenen“ Salafisten Das derzeit herausragendste Beispiel für in Deutschland produzierter und hier verbreiteter Kampflieder sind die Veröffentlichungen von Denis Mahmadou G. Cuspert. Der 1975 in Berlin geborene Cuspert entwickelte sich von einem ehemaligen Rap-Musiker zu einem der prominentesten Kampflied-Vortragenden in Deutschland und indoktriniert insbesondere Jugendliche mit jihad-salafistischer Propaganda. Dies betrifft die Schrift „al-Farida al-gha’iba“ („Die unerfüllte religiöse Pflicht“) von Abd as-Salam Faraj (19521982), Mitglied der ägyptischen Terrororganisation „al-Jihad al-islami“ 10 4 Cuspert war in der Rapperszene lange unter dem Künstlernamen „Deso Dogg“ aktiv, bevor er sich 2010 von der Rap-Musik abgewandt und sich in Abou Maleeq (Abu Malik) umbenannt hatte. Seine Abkehr vom Rap begründete er mit szenetypischem Drogen- und Alkoholkonsum, Waffenbesitz sowie vermeintlicher Unzucht der Geschlechter. Die Phase vor dem „Neugeborensein“ als „Muslim“ ist für ihn inzwischen „Dschahiliyya“11 – ein Begriff, mit dem Sayyid Qutb, Begründer des militanten Islamismus, bereits in den 1960ern die westliche Welt und muslimisch geprägte Länder für exkommuniziert erklärt und zu deren gewaltsamer Bekämpfung aufgerufen hatte. In seinem Sinneswandel beeinflusst wurde Cuspert unter anderem durch das – von ihm als Ungerechtigkeit gegenüber Muslimen empfundene – Verbot der islamistischen SalafistenOrganisation „Kalifatsstaat“ (2001) sowie durch Kontakte zu der 2003 ebenfalls verbotenen islamistischen „Hizb al-Tahrir“ („Partei der Befreiung“), durch die er – neben dem Gaza-Krieg 2009 – vermutlich radikalisiert wurde.12 Inzwischen warnt Cuspert eindringlich vor dem Rap und ruft dazu auf, Musik gänzlich als „teuflisches Werkzeug“ zu „verabscheuen“.13 Ganz im Sinne salafistischer Ideologie behauptet er sogar, dass der Islam Musik verbiete und fordert Jugendliche auf, sich von Musik fernzuhalten. So heißt es bei ihm: „Wallah [bei Gott], wenn Ihr Musik hört, oder Musik macht, versucht da ganz schnell raus zu kommen. Weil diese Sache, ist keine leichte Sache. Es ist haram [verboten], hundertprozentig haram (...) Haltet Euch von Musik fern.“14 Cuspert befürwortet auch die massive Einschränkung der Rechte der Frau und unterstellt Prostitution bzw. „Fremdgehen“ von Mädchen, wenn diese das Haus ohne männliche Aufsicht verließen. Diese wie auch andere vermeintliche Exzesse der hierfür verantwortlichen Musikbranche sind für ihn „Zina“15 (Unzucht), vor der allein die Hinwendung zum – salafistisch geprägten – Islam bewahren würde. Arabisch Jahiliya, die vorislamische „Unwissenheit“. So Cuspert in einem Interview mit Dajjal-TV: Von Deso Dogg zu Abou Maleeq, abgerufen am 26.4.2011. 13 Vgl. ebd. 14 Vgl. ZDF Neo: Islamischer Rap. 15 Vgl. Interview mit Dajjal-TV: Von Deso Dogg zu Abou Maleeq, abgerufen am 26.4.2011. 11 12 5 Wie er selbst mitteilt, ist Cuspert stark mit der deutschen Salafistenszene vernetzt. Dies betrifft insbesondere Pierre Vogel, den Verein „Einladung zum Paradies“ (EZP) sowie die Internetplattform „Die Wahre Religion“ (DWR). Dass er 2010 nicht, wie behauptet, allein den Islam entdeckte, sondern sich der äußerst radikalen Strömung des Salafismus zuwandte, zeigt seine Übernahme salafistischer Ideologie und Terminologie: So diffamiert er Nichtmuslime als vermeintliche Ungläubige (Sing. Kafir, Pl. Kuffar) – er nennt sie die „dreckigen Diener des Shaytan“ (Satan) – und bezeichnet Berlin als „Kuffar Metropole“, er stigmatisiert Musik-Clubs und Kneipen als vermeintlich islamrechtlich „verbotene“ Orte („Haram Orte“), 16 er befürwortet die Tötung amerikanischer Soldaten am Flughafen Frankfurt (Anschlag von Arid U. am 2.3.2011) und er verherrlicht Bekay Harrach (Kampfname „Abu Talha der Deutsche“), der im Auftrag von „al-Qa’ida“ mehrfach mit Anschlägen in Deutschland gedroht hatte, als „Märtyrer“.17 16 17 Vgl. ebd. Vgl. Abou Maleeq auf einer islamistischen Internetseite, abgerufen am 5.5.2011. 6 6. Jihad-Propaganda 6.1 Das Naschid „Wacht doch auf“ Von Cuspert liegen inzwischen mehrere Kampf-Naschids vor. Das erste mit „Wacht doch auf“ betitelte Naschid geht auf ein salafistisches „Islam-Seminar“ (31.12.2010-2.1.2011) in Mayen (Rheinland-Pfalz) zurück und erschien im Januar 2011. Melodie, Aufbau und Stil des Naschids ähneln sowohl dem Kampflied „Labbaik“, Teil eines 2010 verbreiteten Propagandavideos der terroristischen „Islamischen Bewegung Usbekistan“ (IBU), als auch einem dari-sprachigen Naschid, in dem der Kampf der Jihadisten gegen die damalige UdSSR und die USA in Afghanistan gepriesen wird. Das Kampflied „Wacht doch auf“ verketzert Nichtmuslime als vermeintliche Ungläubige (Kuffar), wirbt für die Einführung der Scharia, propagiert den militanten Jihad als untrennbaren Bestandteil des Islam, verherrlicht den Märtyrertod und ruft zur Teilnahme am bewaffneten Kampf in Afghanistan und Usbekistan auf. Die einleitende Behauptung seines achtstrophigen, mit dem Refrain „Allahu akbar“ [Gott ist groß] versehenen Kampfliedes ist das bei Jihadisten übliche Ideologem, die westlichen Staaten führten einen Krieg gegen „den Islam“ und „die Muslime“. Dieser Krieg sei zudem wirtschaftlich motiviert: „Wacht doch auf, wacht doch auf, Krieg überall auf der Welt, Muslime fall’n für Öl und Geld, Allahu akbar, Allahu akbar Hierbei habe das militärische Vorgehen westlicher Staaten und Israels vor allem die Zerschlagung des Islam zum Ziel: Bomben fall’n, Bomben fall’n, auf Irak und Filistin [Palästina], sie zerstören unsren Din [Religion], Allahu akbar, Allahu akbar 7 Weil hierbei muslimische Frauen und Kinder verletzt und getötet würden, müssten „die Muslime“ den militanten Jihad ausüben (arab. „al-Jihad fi sabilillah“, wörtl. „Jihad auf dem Wege Gottes“). In Frageform fordert Cuspert dazu auf, sich dem Jihad nicht zu verschließen: Mütter schrei’n, Kinder wei’n, fi sabillillah Jihad [der militante Jihad], warum bleib’n unsere Herzen hart, Allahu akbar, Allahu akbar Hieran knüpft er die Aufforderung, sich den Tscheschenienkonflikt ins Bewusstsein zu rufen und Bittgebete (Du’a) für die dortigen Jihad-Kämpfer zu leisten: Macht Du’a [freies Gebet], macht Du’a, für die Brüder in Tschetschen’, wie könnt ihr ruhig schlafen geh’n, Allahu akbar, Allahu akbar Anschließend fordert er „Muslime“ zur „Rückkehr“ zum militanten Jihad und zu dessen bedingungsloser Annahme auf. Die von ihm als „Ungläubige“ (Kuffar) stigmatisierten Feinde hätten die Kämpfer hierbei nicht zu fürchten: Keine Angst, keine Angst, kehrt zurück, subhan-Allah [gepriesen sei Gott], keine Angst vor den Kuffar [Ungläubigen], Allahu akbar, Allahu akbar Schließlich preist er das Vorbild des jihadistisch motivierten Kämpfers (Mujahid) und lobt die Einführung der Scharia(-strafen) in Somalia: Mujahid [Glaubenskämpfer], Mujahid, Scharia [islamisches Recht] Somalia, la ilaha illallah [es gibt keinen Gott außer Gott], Allahu akbar, Allahu akbar 8 Im Anschluss hieran fordert er Muslime in Europa auf, in die bekannten „JihadSchauplätze“ nach Usbekistan und Afghanistan (histor. die Region Khorasan) zu reisen und sich dort am bewaffneten Kampf zu beteiligen: Wandert aus, wandert aus, Usbekistan, Afghanistan, wir kämpfen in Khorasan, Allahu akbar, Allahu akbar, Abschließend beschwört Cuspert die Ehrenhaftigkeit des Märtyrertods, den von Gott geleitete Jihadisten im Kampf erlitten: Inshallah [so Gott will], inshallah, wir kämpfen, fallen Shuhada [Märtyrer], den Feind im Auge bismillah [im Namen Gottes], Allahu akbar, Allahu akbar.“ 9 6.2 Das Naschid „Wofür wir stehen“ 6.2.1 Textanalyse Entsprechende Inhalte finden sich auch in Cusperts zweitem Kampflied, das aus drei Strophen und einem Refrain besteht. Das im Februar 2011 erschienene Naschid trägt den Titel „Wofür wir stehen“. Auf dem Cover der CD ist Cuspert vor dem mit einer jihadistischen Fahne beflaggten Brandenburger Tor abgebildet. Auch hierin werden der militante Jihad („mein Herz schlägt für Jihad“) und der „Märtyrertod“ verherrlicht. So wird der Jihad zum untrennbaren Bestandteil des Islam erklärt („das Schwert, das niemals ruht“) und als gerechte Sache verbrämt („für Gerechtigkeit ya Allah“). Es sei Pflicht der Muslime, den militanten Jihad zum Schutze ihrer angegriffenen Glaubensbrüder („Uns’re Brüder schre’in und fall’n“) und der muslimischen Länder („heil’ger Boden, wo Bomben fall’n“) auszuüben. Wichtigstes Kennzeichen dieser Jihad-Kämpfer sei ihr Todesmut („und wir fürchten nie den Tod“); etwaige Todesfurcht werde durch die innere Loslösung vom diesseitigen Leben („geschieden von dieser Welt“; „wir fürchten nie den Tod“) und das Paradiesversprechen kompensiert („das ist unser g’rader Weg - der Weg ins Paradies“; „Al-Firdaus [das Paradies] der beste Sieg“; „ein Leben an einem bess’ren Ort“). Ihre Liebe zum Islam bewiesen die Kämpfer vor allem durch die Ausübung des Jihad und durch die Hingabe ihres Blutes („aus Liebe geb’n wir unser Blut“). Zugang zum versprochenen Paradies erhielten sie durch den „Märtyrertod“, das Blutszeugnis („unser Blut für shuhada [hier: Blutszeugnis]). Auffällig ist die für den Jihadismus typische Bindung eines militärischen Siegversprechens an die Inaussichtstellung einer weltweiten Vorherrschaft des Islam im Refrain („Wir kämpfen für den Sieg, versprochen, dass es ihn gibt, egal, wohin wir geh’n, wird uns’re Flagge weh’n“). 10 6.2.2 Bildsprache des Covers Die Verknüpfung von militantem Jihad und Vorherrschaft des Islam findet sich auch auf dem Cover der CD. Dieses zeigt Cuspert vor dem Brandenburger Tor, dem eine schwarzen Flagge aufgesetzt ist. Hierbei handelt es sich um eine schwarze Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis (shahada), wie sie heutzutage vor allem von jihadistischen Gruppen (etwa „al-Qa’ida im Irak“) verwendet wird. Das mit der Flagge des Jihadismus visualisierte deutsche Nationalsymbol verkörpert hierbei den Anspruch des Sängers, den Jihad nicht allein im Nahen und Mittleren Osten zu führen, sondern durch Gewaltanwendung auch die politischen Verhältnisse in Deutschland zu ändern. Das Logo am unteren Bildrand ist wiederum zwar optisch an den Hip-Hop-Stil angelehnt, transportiert aber gänzlich andere Botschaften. Hierzu gehört die Behauptung, der Inhalt der CD sei Ausdruck der „wahren Religion“ („true religion“), verkörpere die vorbildhafte Lebensweise der frühislamischen „Angehörigen der Prophetenüberlieferung“ („Ahlu Sunnah“) und stehe für einen echten „islamischen Inhalt“ („Islamic content“). Dass die CD ein Kampflied enthält, das terroristische Gewalt verherrlicht und damit radikalisierendes Gedankengut transportiert, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Der Anspruch, trotz dieser eindeutig extremistischen Ausrichtung die „wahre Religion“ und lediglich einen harmlosen „islamischen Inhalt“ zu verkörpern, ist typisch für Salafisten. Diesen geht es mit derartigen Behauptungen um die Deutungshoheit für den Islam und um den Anspruch auf eine – in keiner Weise berechtigte – Alleinvertretung „der Muslime“. 11 6.3. Das Naschid „Mumina“ Eine weitere Steigerung seiner JihadAusrichtung findet sich in Cusperts Naschid „Mumina“, das im Mai 2011 erschien. Das Cover des dreieinhalbminütigen Kampfliedes zeigt Cuspert in T-Shirt mit der Aufschrift „I’m Muslim, not Terrorist“ zusammen mit Usama Bin Ladin und einer jihadistischen Flagge wie sie die „Islamic Hacker Union“ verwendet. Mit der Betitelung „Mumina“ („Mu’mina“, wörtl. „die Gläubige“) adressiert das Naschid sowohl seine Mutter, die er bittet, auf ihren im Jihad kämpfenden Sohn stolz zu sein („Sei stolz auf dein Sohn Mutter weine nicht“) als auch seine Ehefrau, die er für den Fall seines Todes anhält, die gemeinsamen Kinder allein aufzuziehen („Mu’mina, pass auf meine Kinder auf“). In dem Kampflied preist Cuspert wiederum mehrfach die angebliche Pflicht zum militanten Jihad („Allah ruft seine Löwen zum schönsten Licht“; „Aus der Ferne kommen wir und erkannten uns‘re Pflicht“), fordert zur Reise in die Kampfgebiete Afghanistan und Pakistan auf („Ich steh meinen Brüdern bei zu Hause geht das nicht - Haya al-Jihad hört ihr uns‘re Schreie nicht?“) und beschwört den im Kampf erlittenen „Märtyrertod“, der ihm den Einzug ins Paradies sichert („Ich warte auf der anderen Seite weil Allah verspricht“; „Wenn ich auf uns‘ren Herrn treff‘ der sein Versprechen nie bricht“). Cusperts fortschreitende Radikalisierung zeigt sich darin, dass er den bei Jihadisten üblichen Schlachtruf „haiya ala’l-Jihad („auf zum Jihad“) verwendet („Haya al-Jihad hört ihr uns‘re Schreie nicht?“). Dieser in dem Naschid elf Mal verwendete Schlachtruf, der – im Gegensatz zu den 12 Behauptungen der Salafisten – kein Bestandteil islamischer Glaubenspraxis ist,18 suggeriert, dass der Islam nicht allein fünf Glaubenspflichten aufweist (das Glaubensbekenntnis, das Gebet, das Fasten, die Almosensteuer und die Pilgerfahrt), sondern mit dem militanten Jihad auch eine sechste Glaubenspflicht. Diese sei verloren gegangen und müsse wiederbelebt werden. Der von Cuspert übernommene jihadistische Schlachtruf „haiya ala’l Jihad („auf zum Jihad“) lässt zum einen Rückschlüsse auf sein Umfeld in Deutschland zu, das ihn offenbar gezielt mit einschlägiger salafistischer Ideologie indoktriniert hat. Zum anderen zeigt die Verwendung des Schlachtrufs „auf zum Jihad“, dass Jihadisten mit dem militanten Jihad ihre Version des „Islam“ zu verwirklichen suchen. Für sie ist der Jihad der vorrangige Daseinsgrund, der über die Lebenszeit des einzelnen hinaus sinnstiftend wirkt, und der Jihad bestimmt in erheblichem Maße ihre Islamität (ihr „Islamisch-Sein“). Dieses „Islamisch-Sein“ manifestiert sich für Jihadisten vorrangig durch die terroristische Tat.19 Es existiert nur ein „Haiya ala’l-salat“ („auf zum Gebet“). Vgl. Reinhard Schulze 2003: Politische Widerstandsideologien zwischen Utopie und Pragmatismus, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.): Der Bürger im Staat 2/3, 2003, „Islam und Globalisierung“, S. 104 - 109. 18 19 13 6.4. Das Naschid „Mujahid lauf, Mujahid kämpf“ Entsprechende Jihad- und Märtyrertod-Propaganda findet sich auch auf Cusperts Naschid „Mujahid lauf, Mujahid kämpf“, das zeitgleich mit dem „Mumina“-Kampflied erschien und dessen Standbild ihn zusammen mit einem bewaffneten Jihad-Kämpfer abbildet. Auch hier wird zum Kampf der Jihadisten aufgerufen („Mujahid lauf Mujahid kämpf’“), vermeintliche nichtmuslimische Feinde werden zu „Ungläubigen“ (Sing. Kafir) erklärt und ihr Tod gepriesen („Guck wie der Kafir stirbt und brennt“) und den Jihad-Kämpfern wird das Paradies in Aussicht gestellt („Al-Firdaus al-Firdaus“). Gleichzeitig wird dem Diesseits (Dunya) abgeschworen („Die Dunya ist dreckig, sie stinkt schnell raus“). Ferner wird der Topos eines gegen „den Islam“ und „die Muslime“ gerichteten Krieges westlicher Staaten bemüht, es wird zur gesamtmuslimischen Solidarität von Jihadisten aufgerufen („Aus allen Nationen stehen wir an der Front“) und es wird ihr Standhalten gegen den Feind beschworen („Wir halten die Linie bis der Tod zu uns kommt“). Wie in Cusperts früheren Kampf-Naschids wird die Möglichkeit von Todesangst durch das Blutszeugnis der Jihad-Kämpfer („Schahada [Blutszeugnis] ist der Lohn, ja Schahada“) und den durch den Märtyrertod erlangten Eintritt ins Paradies kompensiert. Der von Gott vorhergesehene und durch den Todesmut der Jihadisten verwirklichte militärische Sieg („Allah hat versprochen der Sieg wird kommen“) wird hierbei erstmals und unmissverständlich an das Ziel der Durchsetzung der Scharia geknüpft („Unser Ziel ist die Scharia bis der Tod zu uns kommt“). Die Ausübung des militanten Jihad wird so zur vermeintlich einzig authentischen Verwirklichung des Islam so wie in Salafisten interpretieren. 14 6.5 Das Naschid „Sheikh Usama“ Einen direkten Bezug zum Terrornetzwerk „al-Qa’ida“ („die Basis [für den Jihad]“) stellt Cuspert in seinem Ende Juni 2011 veröffentlichten Kampf-Naschid „Sheikh Usama“ her. Im Zentrum des vierminütigen Videos steht die Verherrlichung des „al-Qaida“-Führers Usama Bin Ladin, demgegenüber er seine Loyalität bekundet („Dein Name fließt in unsrem Blut“). Visuell ist das Kampf-Naschid mit Propagandafilmen von „al-Qa’ida“ unterlegt, die die Selbststilisierung Bin Ladins als Kämpfer, seine Rechtfertigung der Anschläge des 11. September 2011 sowie Kampfhandlungen des Terrornetzwerks in Afghanistan zeigen. Der im Mai 2011 getötete Anführer von „al-Qa’ida“ wird von Cuspert als „der schönste Märtyrer dieser Zeit“ gepriesen, weil er den militanten Jihad („fi sabil Allah Jihad“) in Afghanistan („im Land der edlen Mujahidin“) etabliert habe und zum Märtyrertod bereit gewesen sei („auf dem Boden der Shuhada“). Somit habe Bin Ladin sein Leben der Gemeinschaft der Muslime geopfert („für die Umma warst du bereit“; „du gabst dein Leben für einen Preis“) und Generationen von Jihadisten inspiriert („Generationen hast Du geprägt und die Umma neu belebt“). Bin Ladin sei deshalb ein nachzuahmendes Beispiel für alle Jihadisten („Dein Name fließt in unsrem Blut“) und solle hierfür in ihre Bittgebete genommen werden („unsre Du’a gelten nur dir“). Den in Form einer Drohung beworbenen militanten Jihad („fi sabil Allah Jihad, fühlt ihr wie die Erde bebt?“) propagiert Cuspert zu einer – bereits vom Propheten Muhammad praktizierten – religiösen Pflicht („auf dem Wege Rasul Allahs“ [„Gesandter Gottes“]) und fordert „Muslime“ zur weltweiten Ausübung des militanten Jihad auf („bis ans Ende dieser Welt führt unsre Pflicht uns zum Jihad“). Die Erfüllung dieser angeblichen individuellen Pflicht werde ins Paradies führen („der höchsten Stufe im Firdaus [Paradies]), wo Jungfrauen warteten („die Huriyin [„Paradiesjungrauen“] warten auf uns“). Seine auf „al-Qa’ida“ und dessen Anführer bezogene Werbung für terroristische Aktivitäten beschließt Cuspert mit der Ankündigung, jihadsalafistische Ideologie noch stärker zu verbreiten („nicht zu stoppen dieser Ruf“). 15 7. Die radikalisierungsfördernde Wirkung von Kampf-Naschids Kampf-Naschids können aufgrund ihres extremistischen Inhalts und der vermeintlichen Autorität ihrer Vortragenden Radikalisierungen befördern. Dies gilt unabhängig von der Erkenntnis, dass bei Radikalisierungsprozessen meist mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Kampf-Naschids zielen insbesondere auf Jugendliche ab – ganz gleich, ob diese als Muslime geboren oder Konvertiten sind. Gerade den Jugendlichen bleibt hierbei unklar, dass sie mit radikalisierungsfördernder salafistischer Ideologie indoktriniert werden, da ihnen die Kampflieder – oft in einer emotional aufgeladenen Situation – als eine harmlose und die vermeintlich einzig richtige Praktizierung des Islam präsentiert werden. Bei Cuspert wirken darüber hinaus noch Charisma und Attraktivität eines ehemaligen Rappers, der inzwischen vermeintlich zum „wahren Islam“ bekehrt ist und jetzt Gewalt für den Sieg der „Mujahedin [„Jihad-Kämpfer“] in Somalia, Irak, Afghanistan Tschetschenien, Palästina, im Jemen“ propagiert.20 Diese Wirkung verstärkt Cuspert noch dadurch, dass er sich im Internet inzwischen mit militärischer Montur und einer auch bei den afghanischen Taliban-Milizen gebräuchlichen Kopfbedeckung inszeniert. Dort beschimpft er Behörden21 als „Diener des Shaytan“ (Satan“) und wirft ihnen vor, den Koran zu beschmutzen.22 Wie auf seinem mit „I’m Muslim, not Terrorist“ beschrifteten T-Shirt ersichtlich erklärt er darüber hinaus „JihadKämpfer“ zu vermeintlich rechtschaffenen Muslimen, westliche Staaten hingegen zu „Terroristen“. Cuspert ist für Salafisten einer der „Türöffner“, den diese ganz bewusst zur Rekrutierung Jugendlicher einsetzen, um ihre Ideologie publikumswirksam zu vermitteln. Dies zeigt ein Vgl. Interview mit Dajjal-TV: Von Deso Dogg zu Abou Maleeq, abgerufen am 26.4.2011. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden sich Munition und ein Video, das ihn mit einer Handfeuerwaffe zeigt. Gegen ihn wurde daher wegen unerlaubten Waffenbesitzes Anklage erhoben, vgl. Der Tagesspiegel vom 18.4.2011. 22 Vgl. das von der „Islamic Hacker Union“ präsentierte Video von Abou Maleeq: „Ich werde Allahs Wort so hochheben wie ich nur kann“. 20 21 16 Gespräch zwischen Cuspert und dem – nicht erst durch seine Aufforderung zur Einführung von Scharia-Strafen in Deutschland umstrittenen – Bonner Salafisten Pierre Vogel. Hierin wird deutlich, wie Salafisten auf die Attraktivität des bei Jugendlichen beliebten Rappers setzen und mit dem jetzt vermeintlich zum „wahren Islam“ bekehrten Cuspert vor allem Jugendliche anzuwerben suchen.23 Der Salafismus verheißt den Jugendlichen zwar eine neue Identität und Zugehörigkeit zu einer großen Gemeinschaft, was vor allem für „Sinnsuchende“ attraktiv ist. Aber gerade die mit Kampf-Naschids vermittelte salafistische Ideologie droht Jugendliche zu radikalisieren. Denn Jugendliche vermögen häufig nicht zu erfassen, dass sie mit Gedankengut indoktriniert werden, das den militanten Jihad sowie den „Märtyrertod“ zu vermeintlich essenziellen Bestandteilen des Islam erhebt. Dies gilt insbesondere für Aufrufe zum militanten Jihad und zum Märtyrertod, die ihnen von Salafisten als die vermeintlich einzig authentische Verwirklichung „des Islam“ präsentiert werden. Hierbei spielt Cuspert mit seiner Person und seinen Kampf-Naschids eine besondere Rolle. 23 Vgl. „Pierre Vogel Interview mit Deso Dogg, Rapper aus Berlin“, eingestellt auf Youtube am 21. April 2010. 17 Impressum: Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung Verfassungsschutz Postfach 62 05 60 10795 Berlin Tel.: (030) 90 129-0 Die Analyse ist auch über das Internet abrufbar unter: http://www.verfassungsschutz-berlin.de E-Mail: [email protected] 18