the birthday the birthday massacre massacre persephone
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OKTOBER / NOVEMBER 07 AUSGABE 10 - JAHRGANG 2 THE BIRTHDAY MASSACRE UMBRA ET IMAGO G M RA IT T N IS EH Z M UM EN PERSEPHONE UMBRA ET IMAGO SCHELMISH MINDLESS FAITH METALLSPÜRHUNDE EISHEILIG MINDLESS FAITH w w w. n e r o d o m . d e 2 INHALT EDITORIAL Zuallererst: Ihr dürft uns gratulieren – Das NEGAtief hat nun die zehnte Ausgabe erreicht. Dieses kleine Jubiläum erscheint uns umso erstaunlicher, da die Zeit wie im Flug vergangen ist. Was gibt es sonst noch? Der Sommer ist vorbei und die Jahreszeit für opulente und detailverliebte Outfits in einer herbstlichen Clubsaison kann losgehen. Natürlich haben wir für Euch wieder die – unserer Meinung nach – interessantesten Veröffentlichungen rund um den schwarzen Underground selektiert, um Euch einen vielseitigen Ausblick auf die kommende Musik und Veranstaltungen zu ermöglichen. Unser letztes Heft hatte wieder viele Zuschriften mit Verbesserungsvorschlägen und Lob erhalten, wofür wir uns herzlich bedanken möchten. Wir hoffen natürlich, dass ihr auch in Zukunft das NEGAtief als Euer Podium versteht, uns die Treue haltet und uns weiterhin helft, das eigenständige GraEure Redaktion tiskonzept zu verbessern. NEGATIEF ABO Schon wieder ist das NEGAtief in Eurem Club vergriffen? Media Markt und Saturn haben auch keine mehr? Holt Euch das NEGAtief nach Hause! Ihr zahlt lediglich einen Jahresbetrag von 10 Euro für Porto und Verpackung und habt sechs Mal im Jahr noch vor dem Streetdate das NEGAtief in Eurem Brie asten. Schickt eine E-Mail mit dem Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an [email protected]. Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg Tel. 09227/940000 www.negatief.de Herausgeber: Danse Media, Inh.: Bruno Kramm, Schloss Cottenau, 95339 Wirsberg Chefredaktion: Ringo Müller (V.i.S.d.P.), Bruno Kramm Redaktion: Eve Cooper, Delest, Gert Drexl, Tina Kramm, Daniel Friedrich, Jessica Jachowski, Giacomina Principalli Layout: Stefan Siegl Anzeigenberatung: Martin Söffker, Tel.: 051133899751 Lektorat: Ringo Müller Internet: Horatio C. Luvcraft 10 26 37 45 38 48 22 44 24 56 13 46 20 18 40 16 49 34 27 23 17 36 43 51 The Birthday Massacre Castus Rabensang CompulsorySkin Coppelius Coronatus Dawn Of Ashes Divamee Eisenfunk Eisheilig Lahannya Metallspürhunde Michigan Mindless Faith Persephone Rozencrantz Sara Noxx feat. Project Pitchfork Schattenspiel Schelmish Songs Of Lemuria Staubkind Umbra et Imago Vigilante The World Domination ZIN 5 7 9 15 42 50 55 57 Horrorskop Myspace Gothic Community Soundcheck Games: The Witcher Hörspiel: Die Schwarze Sonne Club: Independent Dance Night Buch: Seelenficker Dr. K’s Kolumne Vervielfältigung oder auszugsweise Verwendung benötigt der schriftlichen Genehmigung. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Informations- und Datenträger. Die Artikel geben nur die Meinung der jeweiligen Verfasser wieder. Nach dem deutschen Pressegesetz Art.9 sind wir verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, dass für sämtliche redaktionellen Beiträge in unserem Heft eine Unkostenpauschale für Vertrieb an den Auftraggeber berechnet wurde. Trotz dieses Geschäftsverhältnisses entsprechen jedoch sämtliche Textbeiträge der persönlichen Meinung des jeweiligen, unentgeltlichen Verfassers und seiner Interviewpartner. Das NEGAtief versteht sich als eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alternativen Musikszene dienenden Publikation, die gerade kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alternative und flächendeckende Publikation ihrer vertriebenen Künstler unterstützt. ....in diesen Läden gibt es das NEGAtief Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim, Bochum, Braunschweig, Chemnitz, Dessau, Dresden-Mickten, Dresden-Nickern, Duisburg, Flensburg, Goslar, Greifswald, Groß Gaglow, Günthersdorf, Herzogenrath, Heide, Heilbronn, Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Limburg, Magdeburg, Memmingen, München, Neubrandenburg, Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg, Pforzheim, Porta Westfalica, Potsdam, Reutlingen, RostockBrinkmanns-dorf/Sievershagen, Saarbrücken, Sindelfingen, Stralsund, Stuttgart, Trier, Viernheim, Weiterstadt, Wiesbaden, Berlin: Biesdorf, Hohenschönhausen, Schönefeld, Neukölln, Schöneweide, Spandau, Steglitz, Wedding Saturn: Augsburg, Bad Oyenhausen, BergischGladbach, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Göttingen, Hagen, Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kassel, Kleve, Krefeld, Köln-Hürth, KölnPorz, Leverkusen, Magdeburg, Mainz, Moers, München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen, Röhrsdorf, Rostock, Weimar, Berlin: Hellersdorf, Spandau, Steglitz, Treptow, Wedding Zoff Records, Bremen Cover Schallplatten, Berlin Best Music World, Münster Pressezentrum Rostock ...in diesen Clubs gibt es das NEGAtief: Capitol, Kir, Club Pavillon, Topact, K17, Darkflower, Kuz, Come-In, Ringlokschuppen, Nachtcantine, Musikbunker, Kulturbahnhof Kato, Vauban Insel, Dominion, Factory, RPL, Schützenparkbunker, Nerodom, Markthalle, Forellenhof, Shadow, Meyer, Freeze Frame, Zentrum Zoo, X, Beatclub, Rockfabrik, Uni 1, Südbahnhof, Unix, Underground, Musiktheater, Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, Komplex, Loop, Mau Club, Nachtwerk, Dark Dance ... und über Xtra-X oder per Abonnement by www.NEGAtief.de 3 AUSGEWÄHLTE TOURDATEN Autumn und Lahannya 17.10. Berlin, Knaack Klub 18.10. Hamburg, Knust 19.10. Köln, Underground 21.10. Essen, Zeche Carl 22.10. München, Backstage 23.10. Frankfurt, Nachtleben Dreadful Shadows 11.10. Essen, Zeche Carl The Birthday Massacre 02.11. Saarbrücken, Roxy 03.11. Vlissingen (NL), Terra Gotha 04.11. Bremen, Tower 06.11. Hamburg, Knust 07.11. Aarhus (DK), Musikcafeen 08.11. Berlin, K17 09.11. Krefeld, Kufa 10.11. Dresden, Starclub 11.11. Zürich (CH), Abart 13.11. Frankfurt, Nachtleben 14.11. Herford, X 15.11. Hannover, Musikzentrum Letzte Instanz und Eisheilig 06.12. Karlsruhe, Substage 07.12. Salzburg, Rockhouse 08.12. Cottbus, Gladhouse 13.12. Hamburg, Knust 14.12. Osnabrück, Lagerhalle 15.12. Magdeburg, Factory 16.12. Augsburg, Kantine 21.12. Bochum, Zeche 22.12. Dresden, Alter Schlachthof 21.10 Nürnberg, Hirsch 23.10 Fulda, Kreuz 24.10 Hannover, Musikzentrum 25.10 Wuppertal, Live Club Barmen 26.10 Erfurt, Centrum 27.10 Reichenbach, Die Halle 02.11 Bonn, Harmonie 14.12 Lübeck, Riders Cafe 15.12 Neustadt/Orla, Wotufa 09.11 Dresden, Fahrenheit 100 10.11 Berlin, K17 11.11 Leipzig, Moritzbastei 15.11 Greifswald, Black Box 16.11 Bremen, Tower 17.11 Bochum, Matrix Subway to Sally 26.10.2007 Wien, Arena 27.10.2007 Stuttgart, Schleyerhalle 28.10.2007 Zürich, Xtra 30.10.2007 München, Muffathalle 31.10.2007 Karlsruhe, Festhalle Durlach 01.11.2007 Nürnberg Löwensaal 02.11.2007 Kaiserslautern, Kammgarn 03.11.2007 Köln, E-Werk 04.11.2007 Kiel, Halle 400 06.11.2007 Hannover, Capitol 07.11.2007 Frankfurt, Hugenottenhalle 08.11.2007 Magdeburg, Factory 09.11.2007 Bremen, Aladin 10.11.2007 Erfurt, Stadtgarten 11.11.2007 Berlin, Huxley Songs Of Lemuria feat. Nik Page 05.10. Mechernich, Burg Satzvey 06.10. Aldenhoven, Alte Aula 13.10. Guben, Fabrik Staubkind 01.11 München, Metropolis 02.11 Saarbrücken, Roxy 03.11 Vlissingen (NL), Terra Gotha 04.11 Siegen, Meyer 05.11 Frankfurt, Cave 06.11 Stuttgart, Kellerclub 07.11 Heidelberg, Schwimmbad 08.11 Chemnitz, Bunker Schelmish 12.10 Fulda, Ring Con 13.10 Fulda, Ring Con 17.10 Pratteln (CH), Z7 18.10 Wiesbaden, Schlachthof 19.10 Aschaffenburg, Colossaal 20.10 Kaiserslautern, Kammgarn Löwe Widder Stier Dir fehlt die rosa Brille, um im dreckigen Alltag bestehen zu können. Die Richtschnur deines Lebens war plötzlich durchgefressen und du stehst im Morast und bist fest davon überzeugt, dass dein Leben eine Fehlinvestition war. Widersprechen bringt nicht wirklich was, also unser Tipp: Besorg dir rosa Kontaktlinsen. Es ist Zeit, dein Leben in Partnerschaft zu verbringen. Du brauchst die Zärtlichkeit und Nähe eines wahren Freundes. Geh in die Zoohandlung und hol dir ein Haustier. Eine dicke Tarantula könnte die erste Wahl sein. Krebs Zwilling Ein wahrer Glücksfall: Suche schwarze Katzen, laufe unter jeder Leiter durch und zerbreche alle Spiegel, die du finden kannst – Nur so kannst du die nächsten sieben Jahre in Glück spendender Agonie verbringen. Eigentlich würdest du gerne in einer Mittelalterband Oden auf das andere Geschlecht anstimmen, doch leider klingt deine Stimme wie die des gallischen Troubadix. Macht nix – Besorg dir einen Verzerrer und starte deine Karriere als Shouter. Vielleicht kannst du ja ein Feindflug Instrumental mit deinen Parolen aufwerten. Deine Festplatte ist abgeraucht und alle geklauten Songs im Datennirvana verschwunden? Vielleicht Zeit für einen Stilwechsel und den Neuanfang als Volksmusikzombie. Steinbock: Schütze Jungfrau Waage Skorpion Dir gehen die neonfarbenen Plastikgruftis auf die Nerven? Zeit, einen neuen Style loszutreten. Schau dich mal auf dem Sperrmüll um und kreiere den ultimativen Endzeitchic. Schwermut ist die Schwester der Depression. Sagt man so. Wer nur hart genug dran arbeitet, kann auch siamesische Zwillinge daraus machen und erntet den Highscore im negativen Karma. Deine misanthropische Ader eilt dir voraus. Egal wo du auftauchst, die Leute meiden dich. Vielleicht solltest du mal eine Kellerparty schmeißen und deine Nachbarn gleich mit einladen. Dir steckt noch der letzte Painball in den Knochen und du würdest gern mal Blümchensex treiben, aber traust dich nicht, es deinem Partner mitzuteilen. Dreh einfach den Spieß um: Schlag deinem Partner beim nächsten Rough Quickie die Kauleiste ein und erniedrige ihn aufs übelste. Das nächste Mal wird dann bestimmt sanfter. Du suchst noch ein Geschenk für den nächsten Kindergeburtstag, das wirklich auffällt. Wie wäre es mit der neuen CD von Birthday Massacre? Beliebt sind auch Schultüten mit Zigaretten, Alkopops und kleine Sexspielzeuge aus dem Automaten von der Tankstellentoilette. Wassermann: Du würdest auch so gerne ein cooler DJ sein. Deine virtuelle Plattensammlung ist auch groß genug und du kennst immer den besseren Übergang? Starte dein DJ Myspaceprofil mit einem klangvollen Namen und du wirst bald deine eigene Community haben. Fische: True Goth ist out? Lass dir nichts einreden, deine zerlöcherten Pikes sind nach wie vor cool. Zwar hat deine senkrechte Oldschool Haarmatte in den letzten Jahren gewaltig Federn gelassen, aber letztendlich zählt nur die innere Einstellung. Und die ist einfach Äonen alt – wovon die blutjungen Möchtegernvampire nur zu gerne träumen. 5 6 Nachdem unsere im letzten Heft eingeführte Gothic Myspace Community auf so große Resonanz gestoßen ist, haben sich sogar ein paar Gothicjungs gemeldet. Natürlich haben die Profile der hier abgebildeten Kreaturen der Nacht auch noch mehr zu bieten. Also Besuchen und Adden. Wer im nächsten Heft erscheinen möchte: Kurze Mail an [email protected] 7 8 erfüllt diese Erwartung auf ganzer Linie. Romantische, an die bessere Vergangenheit HIMs gemahnende Balladen, aber auch rockige Tanzflächenkracher wechseln sich in einem Feuerwerk guten Songwritings ab. Das Coverartwork der russischen Künstlerin Aminess rundet das perfekt produzierte Album ästhetisch ab und lässt auf eine große Zukunft hoffen. oder andere Song-As im weit geschnittenen Gothicärmel. Wer jedoch mit Kopfschmerzen auf Sopranstimmen reagiert, sollte die Finger von diesem Album lassen, denn die Dominanz der beiden Goldkelchen ist kaum zu überhören – zu gleichförmig erscheint bisweilen das Rockriffing und der Songaufbau. Für Freunde der pathetischen Rockoper hingegen ist das Album ein leider viel zu kurzes Muss, denn die Gesamtspieldauer beläuft sich gerade mal auf 39 Minuten. Schelmish – „Wir werden sehen“ Mindless Faith „Medication 4 the Misinformed“ ALBUMTIPP DER REDAKTION The Birthday Massacre „Walking With Strangers“ Der Erwartungsdruck muss extrem groß gewesen sein, doch die stabile Bandchemie und der Glaube an das Geburtstagsmassaker haben gehalten, was sie versprochen hatten. Manchmal vielleicht ein bisschen zu kalkuliert mit heißer Nadel gestrickt, wurden die Songs durch die großartige Produktion vom David Ogilvie zu einem breitformatigen Klangrausch aufgeblasen, der träumen lässt und eine kurzweilige Reise in die dunkelblassblau getönte Welt der stimmlich gewachsenen Chibi verspricht. Nicht umsonst ist die Band um den charismatischen Kampfschlumpf mittlerweile weltweit zum Shootingstar des modernen Dunkelrocks avanciert: Man kann der Band und dem Label nur gratulieren. Pflicht wie Kür sind gleichermaßen mit Bravour genommen. Wenn so die Zukunft des Gothics klingt, müssen wir uns keine Sorgen machen! Der Dependent-Abschied verschiebt sich mindestens auf Ende Oktober dieses Jahres. Mitverantwortlich für diese Gnadenfrist sind Mindless Faith. Nach zwei gewonnenen NIN-Remixcontests von Trent Reznor in den höchsten Tönen für ihre „Hurt“-Version gelobt, schraubte das US-amerikanische Ausnahmetrio mit ihrem Beitrag „Independence Day“ zum „Dependence 2“-Sampler die Erwartungen an das neue Album noch höher. Nach drei Jahren Arbeit werden diese sogar übertroffen. „Medication 4 the Misinformed“ ist die perfekte Mischung aus Wucht und atmosphärischer Dichte und der beeindruckendste Electro-Industrial-Import seit Jahren. Schweißtreibende EBM-Beats, verzerrte Riffs, genial vertrackte Elektrospielereien und ein unglaublich energetischer Gesang lassen sowohl in der Electro- als auch in der Industrialgemeinde kaum Wünsche offen. Was für ein pralles Ding – Im Vergleich zu manch anderer Band geizen die Bonner Mittelalterrocker Schelmish nicht mit ihrem musikalischen Output und veröffentlichen in fleißiger Regelmäßigkeit Jahr für Jahr ein neues Album. Das Intro und Outro umklammert in archaischer, rein meditativ instrumentierter Manier das weit rockigere Innenleben des Longplayers. Natürlich sind auch die Klangfarben der Rocksongs mit reichlich mittelalterlichem Flair angereichert, doch die Zeichen stehen eindeutig auf songdienlichem Rockformat. Das tut Schelmish unglaublich gut, denn Songs wie „Gefangener der Zeit“ und „Das Moor“ brechen eine Lanze für extrem eingängiges und zeitloses Liedgut ohne Stilgrenzen. Generell hört man dem Album das musikalische Können und die Spielfreude einer eingeschworenen und eingespielten Truppe an, die auch auf ihrem mittlerweile achten Album Akzente setzen kann und beweist, dass Mittelaltereinfluss nicht mit Stagnation gleichzusetzen ist. Eisenfunk – „Eisenfunk“ Coronatus – „Lux Noctis“ Rozencrantz – „Salvation“ Myspace ist schon ein Phänomen. Innerhalb kürzester Zeit wurde das Portal zur modernen und mobilen A&R Abteilung, aus der viele Plattenfirmen ihre neuesten Künstler rekrutieren. Auch Rozencrantz haben ihr Publikum über Myspace innerhalb weniger Woche potenzieren können, denn die professionellen Videoclips der Osnabrücker Gothicrocker um den melancholisch-lasziven Schönling Skye haben die Begehrlichkeit nach mehr geweckt. Das Album „Salvation“ Das schwäbische Ludwigsburg gilt als eine Hochburg des gotischen Schwermetalls, denn neben dem Label Massacre Records haben hier vor allem Bands wie Atrocity und Leaves Eyes ihre Heimatbasis. In jene Kerbe schlägt auch das neue Projekt Coronatus um die beiden Sängerinnen Carmen Schäfer und Ada Flechtner. Erstere hat bereits mit dem Begründer und Schlagzeuger der Band, Mats Kurth gemeinsam bei den Badener Romantikern von Illuminate in Lohn und Brot gestanden. Das erste Album Lux Noctis erinnert zwar immer wieder an Nightwish, hat aber durch die stimmliche Varianz der beiden Sängerinnen das ein EBM aus Süddeutschland – Seit Wumpscut eigentlich kein Widerspruch. Die Münchener Eisenfunk verbinden originelle Tanzbarkeit mit musikalischer Vielseitigkeit. Wie Feindflug verzichten sie größtenteils auf Gesangspassagen und ersetzen diese durch gezielte Samplinganleihen aus den Tagen des frühen kalten Krieges. Die nukleare Bedrohung wurde grotesk zu einer niedlichen Unannehmlichkeit heruntergespielt, die sich im Falle eines Angriffs mit ein bisschen Sonnencreme behandeln lassen sollte. Insofern ist das Album nicht nur eine großartige Kampfansage an die Tanzflächen, sondern auch ein sarkastisches Zeitdokument. 9 Vorwärtsgang mit Rückblick Nachdem die aus dem kanadischen Toronto kommende Band mit „Violet” (2004) einen absolut gelungenen Europa-Start verbuchen konnte, inklusive sehr erfolgreicher Touren und Festival-Auftritte, legen Chibi (Gesang), Rainbow (Rhythmus-Gitarre, Sequencing), Mike Falcore (Lead-Gitarre), Rhim (Schlagzeug), O.E. (Bass) und Owen (Keyboard) mit „Walking With Strangers” (RepoRecords/Alive) nun ihr neues Klangfeuerwerk in unsere Player. Es ist ein kompaktes Stelldichein geworden, mit Songs, die mal sanft, mal kraftvoll auf den Punkt kommen und mittels ohrwurmiger Konsistenz zu verführen wissen. NEGAtief hielt einen kleinen Plausch, um mehr über den neuen Tonvulkan zu erfahren. Wie fühlt ihr euch, jetzt, wo „Walking With Strangers” endlich in die Läden wandert? Chibi: Es ist ein gutes Gefühl, ich bin froh, dass es endlich soweit ist. Es ist eine Menge Arbeit, eine Platte zu schreiben und aufzunehmen. Nachdem wir vergangenes Jahr von der Tour nach Hause kamen, haben wir uns echt auf den Hosenboden gesetzt, um neues Material in Angriff zu nehmen. Es klingt alles immer so einfach, aber ein Album zu machen ist ein kreativer Prozess, der seine Zeit braucht. Auch gibt es, gerade nach einer intensiven Tour-Phase, irgendwo auch den eigenen Wunsch, etwas auszuruhen, aber gleichsam spukt einem immer im Hinterkopf, dass man loslegen sollte. Wo seht ihr den Unterschied zwischen „Walking With Strangers” und euren vorherigen Werken? Rainbow: „Walking With Strangers” wurde geschrieben und aufgenommen innerhalb von sechs Monaten, von November bis April, mit einer anschließenden Mix-Phase von zwei Wochen. Das Album ist zusammenhängender in Bezug auf die thematische Beschaffenheit und das Konzept. Zudem kamen uns dieses Mal unsere Erfahrungen zugute, die wir in den vergangenen Jahren hinsichtlich Auftritten, Produktion und Aufnahmeprozessen machen konnten. Mike Falcore: Viele Songs des Albums entstanden zudem mit dem Live-Gedanken im Hinterkopf. Als wir vom Touring nach Hause ka10 men, hatten wir eine genauere Vorstellung von dem, was in einem Live-Umfeld funktioniert, und was nicht. Wir haben auch neue Synthesizer und Klänge ausprobiert, und ich glaube, unser Songwriting an sich hat sich auch weiter entwickelt. Wir sind mittlerweile weitaus selektiver in Bezug auf was in einem Song bleibt, und was nicht, wir haben bei diesem Album vieles wieder über Bord geworfen. Dies ist der nächste Schritt in unserer Entwicklung, wir sind sehr glücklich über das Resultat. Hat sich das Erarbeiten der Songs an sich, die Herangehensweise, grundsätzlich verändert? Oder folgt ihr da nach wie vor eurer bisherigen Songwriting-Tradition? Rainbow: In den meisten Fällen beginnen wir mit einem Akkord oder einer programmierten Sequenz. Mike Falcore und ich greifen eine Idee auf und verfolgen diese, so gut es geht. Bislang habe ich den Großteil der Tracks geschrieben und programmiert, und Mike hat dann mit mir an den Gitarren gearbeitet und Dinge vorgeschlagen. Die anderen haben dann sporadisch auch ihre Einfälle auf den Tisch gebracht. Nach Fertigstellung der Musik fangen Chibi und ich dann an, die Texte mit den Gesangsmelodien zu Mike Falcore: Zumeist fangen Rainbow oder verknüpfen. „Walking ich mit einer Idee oder einer simplen Midi-SeWith Strangers” ist im quenz an. Dann entwickeln wir die Idee weiter Großen und Ganzen et- und addieren neue Elemente. Sobald wir mit was balancierter bezüg- einer Sache zufrieden sind, fangen wir an, uns lich Band-Zusammenar- mit Strophe und Refrain zu beschäftigen. Zu beit als „Violet” guter Letzt eroder „Nothing arbeiten Rain„Wir wollten, dass And Nowhere”. und Chibi das Album ein Gefühl bow Mike und ich dann die Texte. gibt, als würde ein haben uns bei Wir nehmen „Walking With erwachsener Mensch unsere Demos Strangers” beimmer so gut müht, mehr auf durch die Räume seiner wie es geht in den Punkt zu Grundschule gehen.“ unserem Heimarbeiten. Wir Studio auf. Die haben uns zusammen Demos von „Walking With Strangers” sind an die Arbeit gemacht, dicht an den Versionen, die wir mit Ogilvie im geschrieben, program- Studio finalisiert haben. miert, und Saiten-Elemente aufgenommen. Worum geht es inhaltlich auf „Walking With Die Demos haben wir Strangers”? Cover und Titel wecken Erinschließlich den anderen nerungen an den Warnspruch von Eltern an vorgespielt, um Feed- ihre Kinder, dass man sich vor Fremden hüback zu bekommen. ten sollte. Chibi und ich haben Rainbow: Als wir mit den Arbeiten anfingen, dann mit den Texten waren wir interessiert an Einrichtungen und und Gesang angefangen. Örtlichkeiten wie Schulen, Arbeitsplätzen und Erwähnenswert ist auch Krankenhäusern. Der Grund war, dass sie drei die Tatsache, dass auch markante und signifikante Übergangspunkte O.E. bezüglich Songwri- darstellen, die Kindheit, Erwachsensein und ting einige Ideen, die er die Zeit im hohen Alter verknüpfen. Von hatte, eingebracht hat. diesen drei Einrichtungen interessierte uns Dies betrifft vor allem vorwiegend die Schule, da sie, zumindest in Gesangsmelodien und einem kleinen Rahmen, die vielen fundamenHarmonien. talen Regeln, Die Refrains Kämpfe und so„Generell ist es bei „Red Stars” ziale Gruppienatürlich am besten, und „Looking rungen widerGlass” sind Beispiegelt, wie sie wenn du mit Bands spiele dafür. Er in der Erwachtourst, die erstens steuerte zudem senen-Gesellauch die Songschaft zu finden gute Musik machen, Idee bei, aus der sich am Ende „Unfasind. Das war und zweitens auch milar” herauskristallisierte. Nachdem das Umfeld, an die Demos aufgenommen waren, nah- menschlich okay sind.“ dem unsere Permen wir Kontakt zu Dave Ogilvie auf, sönlichkeiten der uns half, die Tracks zu verfeinern und mit geformt wurden. Die Erlebnisse, die wir in seinem Mix zu veredeln. Die Arbeiten mit ihm den Jahren dort erfahren, folgen uns bis ins in den Orange Studios dauerten, wie gesagt, Erwachsenen-Alter, sie legen den Grundstein zwei Wochen. Wir hatten eine wirklich gute dafür, wer wir sind und was wir werden. Zeit mit ihm. Aus diesem Grunde wollten wir, dass sich die 11 Schule in der Atmosphäre und der Attitüde des Albums reflektiert. Die Themen, die das Album beleuchtet, wurden inspiriert durch eine Kombination aus Erfahrungen, Gedanken, Träumen und Ansichten, die wir innerhalb unserer jungen und erwachsenen Phase gesammelt haben. Wir wollten, dass das Album ein Gefühl gibt, als würde ein erwachsener Mensch durch die Räume seiner Grundschule gehen. Wir wollten Erinnerungen wecken und reflektieren, gleichsam aber auch einen Schritt nach vorne machen und die Elemente von „Violet” weiterentwickeln. Die Texte auf „Walking With Strangers” vermengen die Erinnerungen und Naivität mit aktuellen Ansichten und Erfahrungen. Wir sehen „Walking With Strangers” als guten Schritt nach vorne hinsichtlich Songwriting und Produktion, wir sind mehr als zufrieden. Neben den neuen Songs habt ihr mit „To Die For” auch einen älteren dabei, der nun als frische Version ein zweites Mal veröffentlicht wird. Weshalb? Rainbow: Es war unser Wunsch, diesen Song zu aktualisieren, ihn vorwärts zu bringen. Zudem haben wir mit „Remember Me” einen weiteren, sehr, sehr alten Song auf dem Album. Wir hatten, nachdem wir alle neuen Songs zusammengestellt hatten, noch Platz auf dem Album, und es erschien uns eine gute Idee, diese beiden älteren Stücke zu addieren. Wie es den Anschein hat, haben eure Fans einen großen Anteil daran, dass sich TBM wie ein Lauffeuer rumgesprochen haben? Rainbow: Ich denke, das war schon von Anfang an der Fall, ja. Wir haben großes Glück, eine solch treue Fanbase zu haben, ohne sie wären wir heute sicher nicht dort, wo wir sind. Als wir anfingen, waren die einzigen Wege, die Leute zu erreichen, jener durch das Internet und dadurch, dass die Leute anfingen, über TBM zu sprechen. Von Anfang an hatten wir eine starke Verbindung zu verschiedensten Fans, und das hat uns sehr geholfen. Sie sind unsere erweiterte Familie, und wir bewundern und respektieren sie für ihre felsenfeste Unterstützung. 12 Mike Falcore: Ich denke, ohne das Internet und die mündliche Verbreitung hätten wir die Band vielleicht schon vor langer Zeit wieder aufgegeben. Unsere Fans sind verantwortlich für unseren anfänglichen Erfolg, sie haben uns entdeckt. Wir hatten anfangs null Hilfe oder Interesse von irgendeinem Label. Durch unsere Webseite fingen die Leute an, sich für uns zu interessieren, und sie kommunizierten im Forum. Jemand erzählte gar, er hätte seine Frau in unserem Forum kennengelernt. Naja, irgendwann kam dann auch MySpace dazu, und von dem Zeitpunkt an entwickelte es sich irgendwie weiter und weiter, von ganz allein. Wie lange werdet ihr zum neuen Album touren? Rainbow: Das nächste Jahr hindurch werden wir wohl sowohl in den USA wie auch in Europa spielen. Eventuell werden wir es sogar nach Australien schaffen, aber das steht noch in den Sternen, wir werden sehen. Wir sind sehr stolz auf das Album und wollen es supporten und möglichst vielen Leuten vorstellen. Mike Falcore: Es hängt alles ein wenig davon ab, wie viele Leute zu unseren Shows kommen, und natürlich davon, wie es mit unserem Album läuft. Wenn die Leute uns sehen wollen, werden wir ordentlich on the road sein, wenn wir die Leute krank machen, werden wir nach Hause gehen und neue Musik schreiben. Ich schätze mal, wir werden zwischen sechs Monaten und einem Jahr auf Tour sein. Wir werden sehen. Gibt es bestimmte Bands, mit denen ihr gerne einmal touren würdet? Mike Falcore: Wir werden in den Staaten mit einer großartigen Band namens The Start spielen. Wir haben großen Respekt vor ihnen, und es sind nette Leute. Es wäre natürlich cool, Nine Inch Nails zu supporten, wir sind bereits seit langer Zeit Fans. Gleiches gilt für The Faint, die uns sehr inspirieren. Generell ist es natürlich am besten, wenn du mit Bands tourst, die erstens gute Musik machen, und zweitens auch menschlich okay sind. Frederike Joo www.thebirthdaymassacre.com www.myspace.com/thebirthdaymassacre „Was hat Dich bloss so ruiniert“ Die Metallspürhunde aus der Schweiz sind schon lange kein Geheimtipp mehr, konnten sie in den letzten Jahren mit ihrer stetigen Livepräsenz auf dem WGT, dem Bochum Total, dem Castle Rock und zahllosen weiteren Gastspielauftritten ihren Ruf als exzellente Liveband untermauern. Nach zwei erfolgreichen Alben erscheint Ende Oktober eine Clubsingle incl. Videoclip, die, wie erste Höreindrücke belegen, die Messlatte für das kommende Album gewaltig anhebt. Kleiner Tipp: Fragt doch euren DJ mal ganz frech: „Was hat Dich bloss so ruiniert.“ Ihr wart zuletzt auf einem der größten Festivals in Deutschland, dem Bochum Total. Wie waren eure Eindrücke? Wie war die Resonanz? Bochum Total war sehr eindrücklich! Wir spielen selten vor so vielen Zuschauern und dementsprechend gut ist uns die Show eingefahren. Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten, und nicht wenige der Zuschauer waren eine Woche später auch am Castle Rock, um uns noch mal zu sehen. Das war schon sehr beeindruckend und hat riesig Spaß gemacht. Seit eurer zweiten CD „Amokherz“ ist schon wieder eine Weile vergangen. Wie viele Songs vom kommenden Album stehen bereits? Gab es Veränderungen? Vom neuen Album sind nun etwa sechs Songs fast fertig, beim Rest geht es mit großen Schritten voran. Hinsichtlich unserer Arbeitsweise gibt es keine großen Veränderungen, aber soundmäßig klingen einige Sachen deutlich elektronischer als bisher. Ihr veröffentlicht dieser Tage eure Single mit der Coverversion des Die Sterne Klassikers „Was hat Dich bloss so ruiniert“. Wie kam es zu dieser Auswahl? Was bedeutet euch dieser Song? Wir hatten beim letzten Album soviel Spaß mit einem Coversong, dass wir uns dem auch diesmal nicht verschließen wollten! Die Idee für „Was hat Dich bloss so ruiniert“ lag schon sehr lange in der Schublade, Michel fing schon vor Jahren damit an, hat es dann aber nicht mehr weiterverfolgt. Schon damals kam die Idee von Marion, denn sie mochte den Song immer sehr gerne und war zeitweise richtiger Sterne-Fan. Dazu kommt natürlich, dass der Song textlich sehr gut zu MSH passt und wir uns daher voll damit identifizieren können. Marion singt zum ersten Mal einen Song der Metallspürhunde. Der Song ist auch musikalisch gänzlich anders gestrickt als normale Metallspürhundesongs und sehr elektronisch und tanzflächenorientiert. Inwieweit sind diese Experimente für eure musikalische Entwicklung wichtig? Wir probieren gerne neue Dinge aus und schätzen die horizonterweiternde Wirkung. Wir fordern uns gerne heraus, und dieser Song war auf jeden Fall eine Herausforderung! Dabei war es eigentlich ein Zufall und nicht geplant, dass Marion singt. Da sie den Song viel besser kannte als Michel, hatte sie für ihn schnell den Text zum Cover eingesungen, damit er sich besser orientieren konnte. Nach wenigen Malen anhören fanden dann plötzlich alle, dass das viel besser zu Marion passt als zu Michel. So haben wir sie einfach ins kalte Wasser geworfen und hinters Mikro gestellt, und nun ist es ihr Song. Zur Single erscheint auch ein Videoclip. Kann man schon was zum Inhalt sagen? Wir haben Ende August in Frankreich gedreht und sind überzeugt davon, dass der Clip absolut cool wird. Wir wohnten drei Tage in der Location, haben uns also mit Leib und Seele reingehängt. Dort schwirrten sogar Fledermäuse durch die Räume, für die passende Atmosphäre war also auch gesorgt. Marion verkörpert die makellose Schönheit, die Jungs stellen die Ruinierten dar. Fast wie im richtigen Leben, haha! Sie trifft verschiedene Szenerien an, in denen die Jungs zu sehen sind, wie sie eine kaputte Rolle verkörpern. Jeder von ihnen hat ein spezielles Setting, welches man auch symbolisch als Facette der menschlichen Psyche sehen darf. Obskure Obsessionen, Resignation, Stumpfsinn, etc. Marion klagt an, doch am Ende gibt es auch an ihrer Fassade einige Risse. Man darf also gespannt sein. Dazu gibt es einige lustige Tierchen in Aktion zu sehen! Bis wann erscheint ein neues Album? Gibt es schon einen Titel? Das Album soll Anfang nächstes Jahr erscheinen und es wird „Böse Wetter“ heißen. Ger Dre l www.mshunde.ch 13 14 Mehr oder weniger böse Pünktlich zu Halloween ist es soweit: Der Hexer ist da. Auf der Games Convention in Leipzig wurde das mit Spannung erwartete Fantasy-Rollenspiel von Michal Madej, dem Chief Designer bei CD Projekt Red, persönlich präsentiert. Er beschreibt den Hauptprotagonisten als Antihelden, der stets mit Zweihändern unterwegs ist: einem aus Stahl für normale Gegner und einem aus Silber für dämonische Wesen. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Geralt, einem professionellen Monsterjäger mit übernatürlichen Kräften und taucht ein in eine komplexe Fantasy-Welt, wo Grausamkeit, Verrat sowie der Kampf um Macht und Überleben an der Tagesordnung sind. Der Spieler übernimmt die Rolle eines mächtigen Hexenmeisters, der durch geistige und körperliche Abhärtung seit seiner Kindheit an, mittlerweile nahezu immun gegen Gifte, Krankheiten und Magie geworden ist. Geralt der Hexer gehört wegen seiner übernatürlichen Fähigkeiten zu jenen, die die Menschen als Geächtete ablehnen. Dennoch können nur Hexer den Menschen Monster vom Leib halten. Sie tun es gegen Bezahlung, als Lebensunterhalt. Geralt ist der Beste von ihnen. Nur hat er leider sein Gedächtnis verloren und muss alles neu erlernen. Im Laufe der Geschichte kehren auch die Erinnerungen aus seinem eigenen Leben zurück. Mit dieser Entscheidung macht CDPR „The Witcher“ Spielern zugänglich, die die Romane von Fantasyautor Andrzej Sapkowski noch nicht kennen. Das Besondere an „The Witcher“ ist die Verliebtheit der Entwickler zum Realismus. Wenn man sich zum Beispiel betrinkt, verschwimmt nicht nur die Sicht, man kann auch kaum noch laufen, und das einen halben Tag lang! Wenn man einen Gegenstand craftet, dann dauert das schon mal ein paar Stunden. Tränke und Elixiere sind in „The Wichter” grundsätzlich auch gleichzeitig Gifte. Mit jedem Trank lädt sich eine Giftleiste auf. Ist diese voll, stirbt man. Innovativ ist auch das Verhalten der None-Player-Character: Jede Aktion hat Konsequenzen, die im Hintergrund weiterlaufen. Stirbt beispielsweise ein NPC, entstehen dadurch komplexe Handlungsstränge in Verbindung mit anderen NPCs. Man verändert so die Welt um sich herum, mit allem, was man tut. In „The Witcher“ geht es nicht darum, sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden, sondern zwischen böse und weniger böse. Dabei wird man Schritt für Schritt auf einer Storyline begleitet, die einen roten Faden hat. Man wird also nicht hilflos durch die Welten irren, wie in so manch anderem Spiel. „The Witcher“ vereint eine epische Geschichte mit einer atemberaubenden Grafik und taktisch anspruchsvoller Action. Poloni Melnikov www.thewitcher.com www.atari.de Features • Mutant Geralt, ein Schwertmeister und professioneller Monsterjäger, ist ein einzigartiger charismatischer Charakter. • Der Spieler kann zwischen 250 Spezialfähigkeiten wie Attributen, Kampffähigkeiten und magischen Kräften wählen und den Charakter so seiner Taktik und seiner Spielweise anpassen. • Inspiriert von den Werken des bekannten polnischen Autors Andrzej Sapkowski. • Die gar nicht märchenhafte Fantasy-Welt behandelt auch gesellschaftliche Themen für Erwachsene wie Rassismus, politische Intrigen und Völkermord. • In dieser rauen Welt gibt es kein Schwarz oder Weiß, Richtig oder Falsch. Der Spieler muss das kleinere von zwei Übeln wählen, um voranzukommen. • Nicht-lineare fesselnde Handlung • Viele Wendungen und zwiespältige moralische Entscheidungen wirken sich auf den Handlungsverlauf aus. • Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, einen Auftrag auszuführen, und drei unterschiedliche Spielenden, die von den Taten und Entscheidungen des Spielers während seines Abenteuers bestimmt werden. • Taktisch anspruchsvolle Action mit atemberaubender Grafik • Komplexe, aber dennoch intuitive Echtzeit-Kämpfe, die auf realen mittelalterlichen Schwertkampftechniken basieren. • Im renommierten Frankfurter Studio Metric Minds wurden Experten mittelalterlicher Kampfkunst im „Motion Capture”-Verfahren aufgenommen. Das Ergebnis sind 600 spektakuläre und authentische Kampfanimationen im Spiel. • Sechs Kampfstile, Dutzende Tränke, ein komplexes Alchemie-System, modifizierbare Waffen und mächtige Zauber sorgen für ein taktisch anspruchsvolles Spielerlebnis in Echtzeit. Daten: System: PC, USK: 16 Release: 26.10.07, Genre: RPG 15 Sara Noxx feat. Project Pitchfork Letzter Hilferuf des Blauen Planeten Planeten. Was hat euch zu diesem Titel als erstes inspiriert? Sara: Bei „Earth-Song“ handelt es sich um einen bereits veröffentlichten Sara Noxx-Titel, den ich zum bevorstehenden Best Of in ein neues Gewand zu kleiden suchte – Gerade aufgrund seiner Aktualität. Peter war für stimmliche wie musikalische Umsetzung mein Wunschkandidat, wusste ich doch auch um sein Interesse an Natur und Umwelt. Bereits vor zehn Jahren hatte Sara Noxx ein Konzert von Project Pitchfork supportet, doch erst jetzt kam es zur Zusammenarbeit, die sich in einer musikalisch und inhaltlich vielsagenden Art und Weise mit unserer Erde auseinandersetzt. Der „Earth-Song“, ein bereits etwas älterer Song von Sara erhielt durch Peters Stimme und das komplette musikalische Facelift ein gänzlich neues Antlitz, welches die Veröffentlichung auf einer gemeinsamen Single mehr als rechtfertigt. Inhaltlich „Eine Veränderung ist Gibt es für die sind viele Interpretationen Menschheit eigentlich immer möglich. Man noch ein zurück? möglich – Speziell das Coverartwork und die AktualiSara: Nun, zum Thema muss nur wollen.“ tät des Themas rund um die Klimakatastrophe gibt es Erderwärmung sensibilisieren besonders ja durchaus unterschiedliche Ansichten. Ich für diese Interpretation und Kernaussage halte es für relativ unmöglich, angesichts der des Songs. verschiedensten wissenschaftlichen Standpunkte, realistisch einzuschätzen, ob wir „Earth Song“ entspricht dem neu gewach- uns auf den Abgrund zubewegen, an seinem senen Interesse an der Gesundheit unseres Rand balancieren oder bereits fallen. Dass es tatsächlich in der Macht des Menschen liegt, die Dauer des Bestehens der Erde zu bestimmen oder zu beeinflussen, ist vielleicht gar vermessen, zu behaupten. Peter: Eine Veränderung ist immer möglich. Man muss nur wollen. Wo es ein „voraus“ gibt, ist auch ein „zurück“. Ein weiterer Aspekt aus dem Text ist der Verlust der Unschuld. Kann man in Zeiten wie diesen überhaupt aus seinen selbst auferlegten Zwängen fliehen oder ist das 16 nur die schöne Vision eines Musikers? Sara:Ich denke, ein Musiker erliegt denselben Visionen wie viele andere Menschen, die noch zu träumen wagen – Es liegt doch schließlich in der Macht jedes einzelnen, sich Zwänge aufzuerlegen und sich ihnen zu ergeben. Peter: Wenn es „selbst auferlegte Zwänge“ sind, ist eine Flucht das Einfachste, was geht. Eine Veränderung der inneren Haltung ist da schon etwas schwieriger, aber auch nicht unmöglich. Freie Musiker sind der lebendige Beweis dafür, dass es nicht nur eine Vision ist. Aber die Angst vor der Lüge der Freiheit ist ein weit verbreitetes Zwangsritual, um sich nicht verändern zu müssen. Was gibt es Neues bei Peter? Peter: Nach meinem Studio-Projekt Imatem und dem Release des Albums „Home“, habe ich an diversen Re-Mixen gearbeitet, die nach und nach veröffentlicht werden. Außerdem sind die Aufnahmen für mein Projekt Santa Hates You abgeschlossen und die CD wird wohl noch dieses Jahr erscheinen. In diesem Jahr war es ja relativ ruhig um Project: Pitchfork und neben dem Album „Wonderland/One Million Faces“ haben wir in diesem Jahr außer einigen Live Gigs (z.B. Darkstorm) nicht viel vor, aber die Pitchfork Mannschaft arbeitet bereits an einem neuen Album. In der nächsten Ausgabe werden wir uns mit Sara über ihre Best Of unterhalten, die auf insgesamt drei CDs einen tiefen Einblick in alle Schaffensperioden der rührigen Künstlerin gestatten wird. Gert Drexl www.saranoxx.com www.pitchfork.de „Gott will es“ heißt die neueste Provokation der Karlsruher Umbra et Imago. Das Minialbum birgt Zündstoff für Lästerzungen und Moralisten und enthält auch zwei gelungene Duette mit Eric Burton und Oswald Henke. Parallel dazu wird mit „Past Bizarre“ eine Videokollektion mit längst vergriffenen Liveauftritten erscheinen. Gleichzeitig ist das Minialbum auch richtungweisend für die Band, denn die Zukunft von Umbra et Imago ist ungewiss. Mozart erklärt: Das neue Album heißt „Gott will es“. Welche Art Kreuzzug ist das? Mozart: Der Aufhänger für den Titel waren eigentlich die christlichen Fundamentalisten, allen voran die Amerikaner, die wirklich behaupten, wir Menschen müssten uns nicht um den Klimawandel scheren, denn Gott würde Der letzte Kreuzzug es schon richten. Und mit dem richtigen Glauben und dem Eingreifen Gottes würde sich die Erde rehabilitieren. Wie ist das Duett „Die Ballade von den Lästerzungen“ mit Oswald Henke zustande gekommen? Als wir in den frühen Neunzigern angefangen haben, war auch Oswald Henke mit Goethes Erben einer unserer Weggefährten in der noch jungen Gothicbewegung. Wir hatten damals schon kooperiert und jetzt, nachdem Goethes Erben sich aufgelöst haben, hab ich Oswald einfach gefragt, ob wir nicht den Kreis schließen wollen. Oswald hat dann auch gleich den Titel vorgeschlagen. Und er interpretiert es auch sehr gut. Was hat Sex mit Gott zu tun? Wenn man in die Antike schaut, war Sex immer ein religiöser Akt. Im Christentum wird die Sexualität aber mehr oder weniger verteufelt. Der Aufmacher von „Glaubst Du?“ ist: Wer die Sexualität verteufelt, die auch ein Teil der Schöpfung ist, um den Menschen an der Angel zu halten, lügt einfach. Wenn wir sagen: „Gott ist Sex“, ziehen wir in symbolischer Hinsicht Stellung, um zum Nachdenken aufzufordern. Was macht Umbra et Imago so einzigartig? Die Sexualität war von Anfang an ein wichtiges Thema für uns, auch auf der Bühne. Die Neue Deutsche Todeskunst war uns damals nicht recht. Wir wollten weder Todeskünstler noch Knochenlutscher sein, sondern einfach eine kulturpolitische Opposition. Wir wollten nicht nur unsere Lieder runterschrammeln, sondern auch eine Bühnenshow bieten. Was uns ausmacht, ist, dass wir immer so geblieben sind, wie damals, als wir angefangen haben. Wir hatten mehrmals Angebote von Major Labels, doch wir wollten uns nie deren Vorstellungen anpassen. Wir haben uns entschlossen, lieber im Underground zu bleiben und weniger Geld zu verdienen aber unseren roten Faden zu behalten. Und das macht Umbra et Imago meiner Meinung nach einzigartig, weil wir Verzicht geübt haben, um unsere Sache nicht zu verwässern. Oswald Henke hat Goethes Erben auch aufgelöst, weil er nicht mehr gegen die Musikpiraterie ankämpfen wollte. Habt ihr schon daran gedacht, die Band aufzulösen? Ja, da denkt man jeden Tag dran, denn im Moment ist es sehr gravierend und keiner hat eine Lösung. Tatsache ist, dass die Wertigkeit der Musik nicht mehr vorhanden ist. Ich kann gut verstehen, dass sich momentan viele Bands auflösen. Wir sind auch Kleinunternehmer und alles muss vorfinanziert werden. Deswegen machen wir jetzt auch nur ein Minialbum, um einfach abzuwarten, ob die Fans überhaupt wollen, dass wir weiter existieren. Wenn das Album wieder Verluste macht, muss man auch seine Schlüsse ziehen. Keiner von uns will Umbra et Imago auflösen, aber es geht einfach ums wirtschaftliche Überleben. Und es betrifft nicht nur die Bands, sondern auch die Labels und die Magazine. Dessen sollten sich die Leute bewusst werden. Ringo Müller www.umbraetimago.de VÖ „Gott will es“: 09.11.07 17 Wanderer zwischen den Welten Viele kennen sie als die feuerschöpfige Sängerin von L’âme Immortelle, doch bereits seit sechs Jahren, drei Alben und einer EP wandelt die vielseitig begabte Sonja Kraushofer auch auf Solopfaden mit ihrem Projekt Persephone. Nun steht die Veröffentlichung des vierten Silberlings „Letters to a Stranger“ ins Haus, und anlässlich dessen haben wir Sonja und Martin, die Haupttriebfedern hinter Persephone, zu einem ausführlichen Gespräch gebeten. Im folgenden Feature, welches sich im nächsten Heft mit einer vierseitigen Titelstory fortsetzen wird, beleuchten wir nicht nur das kommende Album näher, sondern werfen auch den ein oder anderen Blick in die Vergangenheit, auf Sagenhaftes, Emotionales und hinter die Kulissen. Begleitet uns und Persephone in die Unterwelt… Jede gute Geschichte sollte am Anfang beginnen, und so beginnen auch wir mit einem kurzen Rückblick auf die Ursprünge von Persephone, die Sonja wie folgt beschreibt: „Die Grundidee, ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen kam im Sommer 2000 auf, als wir gemeinsam mit Tobias Hahn das L’âme Immortelle Album ‚Dann habe ich umsonst gelebt’ produzierten. Zum ersten Mal kamen auch echte Instrumente auf unserer CD zum Einsatz, was mich sehr faszinierte. Toby und ich haben uns sehr gut verstanden und entdeckten im Laufe der Produktion gemeinsame musikalische Interessen und nach längeren Gesprächen war schließlich die Idee geboren ein gemeinsames Projekt, das sich eher den leisen Tönen widmen sollte, auf die Beine zu stellen. Bei der Produktion unseres ersten Albums nahm auch der zweite Janus-Kopf Dirk Riegert einen tragenden Teil ein. Einen weiteren Anstoß in Richtung eigenes Projekt bekam ich allerdings auch schon ein Jahr davor, als wir mit Christian Death tourten und ich so Gitarrist Wim Leydes kennen lernte, der mir seine Eigenkompositionen vorspielte und mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, zu einem der Songs zu singen. Eines der Lieder war ‚Forest Song’, das sich auch in die Tracklist unseres Debütalbums ‚Home’ einreiht. Und so kam es, dass ich mich in etwas sphärischere und filigranere Gefilde vortastete.“ Persephone, Tochter des Zeus und der Sage nach von Hades aus Liebe in die Unterwelt entführt, gilt sowohl als Göttin der Toten wie auch der Fruchtbarkeit, da sie jeweils vier Monate des Jahres in der Unterwelt verbringen 18 muss (symbolisiert als die unfruchtbare Zeit des Jahres), und acht Monate des Jahres auf Erden mit ihrer Mutter Demeter lebt. Welche Gründe gab es, genau diese mythologische Gestalt zur Namenspatronin zu erwählen? Sonja: „Einen passenden Bandnamen zu finden ist eine schwierige Aufgabe und ich bin besonders schlecht darin. Jeder der schon mal in der Situation war, weiß, dass einem in dieser Phase jeder Name irgendwie seltsam oder falsch vorkommt. Da arbeitet man gerade am ersten Album und muss mit dem Bandnamen eine Entscheidung treffen, die doch sehr weit in die Zukunft reicht. Ich war damals auf der Suche nach dem Namen einer Frau, die sowohl Kontakt zu den Lebenden, als auch zu den Toten hat, die sozusagen zwischen den Welten wandelt. Oliver Schlemmer (www.irrlichtartwork.de) ein gemeinsamer Freund kam somit auf Persephone, die Göttin der Unterwelt. Am Anfang waren wir sehr skeptisch und ich fand es viel zu hoch gegriffen, der Band den Namen einer Göttin zu verleihen. Dennoch beschlossen wir, Persephone vorübergehend als Projektname zu behalten. Nachdem alle Songs fertig waren und Joachim Luetke der Band die passende Optik verliehen hat, war der Name nicht mehr wegzudenken. Persephone ist mit der Musik und dem Artwork zu einem Ganzen verschmolzen.“ Im Gegensatz zu ihrem Engagement bei L’âme Immortelle zeichnen sich die Kompositionen bei Persephone seit je her durch die filigranen, gefühlvollen Arrangements und die Verwendung „echter“ Instrumente aus. Welche Faszination verbirgt sich für Sonja dahinter? „Mit echten Instrumenten zu arbeiten war mir für Persephone immer schon wichtig, bzw. das war der Grundgedanke. Auf ‚Home’ verstecken sich zwar hie und da noch Programmings, aber seit ‚Atma Gyan’ sind alle Spuren auf den Alben echt eingespielt. Mich fasziniert der Klang der Instrumente. Jedes Instrument klingt anders, hat eine andere Geschichte. Die Aufnahmephase eines Albums ist immer total spannend für mich: Dasitzen und den Klängen lauschen, die in diesem Augenblick gespielt werden. Es ist sehr schön zu hören, wie die Musiker auch immer einen Teil ihrer Persönlichkeit in die Takes einfließen lassen. Es geht bei Persephone also nicht nur um das Zusammenspiel von echten Instrumenten, sondern auch um die Musiker dahinter.“ „Letters to a Stranger“ heißt das neue Werk, das Sonja und ihre Mitmusiker in liebevoller Kleinarbeit und mit viel Herzblut erschaffen haben. Was steckt hinter dem Albumtitel? Sonja: „Die Texte behandeln einzelne Gefühlszustände, daher auch die knappen Titel. Wie der Albumtitel schon verrät, geht es um Briefe an einen Unbekannten, Briefe voller Sehnsucht und Verlangen, auf der Suche nach dem Unerreichbaren. Zwei Menschen sehen sich nur für einen Augenblick, doch dieser Moment verändert ihr Leben. Sie fühlen eine Verbindung, eine Seelenverwandtschaft - Liebe? Das Unbegreifliche versucht die Protagonistin in ihren Briefen an den Unbekannten, der ihr begegnet ist, zusammenzufassen. Sie beschreibt dabei, wie es ihr mit der Situation geht, kann all das gar nicht erfassen, sie würde so gerne mit ihm sprechen, hat so viele Fragen, doch sie weiß nicht, wer er ist, wo er ist und was in dem Augenblick der Begegnung geschehen ist. Der einzige Trost sind die Briefe, die sie an ihn schreibt.“ Einleitend sprach ich von zwei Triebfedern, die sich hinter den wundervollen Klängen von Persephone verbergen, daher wollen wir den zweiten Mann nicht im Dunkeln lassen: Welchen Part übernimmt Martin bei Songwriting und Produktion, wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Martin dazu: „In der Regel arbeitet erstmal jeder für sich. Das kann auch mal eine ganze Weile dauern, bis wir uns dann gemeinsam hinsetzen und aus den Sachen, die wir haben, Lieder machen. Bis dahin haben wir die Songs oft als Gesprächsgegenstand, sodass oft schon viele Details vorab geklärt sind. Ich denke, das ermöglicht uns auch ein zügiges Vorankommen.“ Sonja ergänzt: „Martin entschwindet sozusagen in die Un- terwelt und arbeitet im geheimen Studiolabor, um erste Ideen zu skizzieren, während ich an der Oberwelt bleibe und dort meine Ideen und Texte zusammentrage. Danach steige auch ich hinab zu Martin und wir arbeiten gemeinsam an der Fertigstellung der Demos.“ „Bei der Produktion“, so Martin weiter, „kümmere ich mich um die technischen Sachen, Mikrofonierung und so. Sonja in der Zwischenzeit um das leibliche Wohl des jeweiligen Musikers.“ „Es gibt dann meistens Granatäpfel.“ klärt mich Sonja auf. Wie passend, dass in der Sage eben solch ein Granatapfel Persephones Befreiung aus der Unterwelt verhinderte. Aber das ist eine andere Geschichte. Fortsetzung im nächsten Heft. Evangeline Coo er www.persephone-home.de www.darkreflection.de Für ganz neugierige Ohren gibt es ab dem 19.10. einen Freedownload eines Albumtitels auf www. finetunes.de. Persephone Live 17.11.2007 D – Darmstadt, Centralstation/Klaviersaal 24.11.2007 D – Schloss Wernigerode 26.01.2008 A – Wien, Schloss Neugebäud 01.02.2008 D – Wuppertal, Rex Theater 03.02.2008 CH – Zürich, Dynamo 19 MINDLESS FAITH Elektronische Wut Das US-amerikanische Powertrio Mindless Faith ist vielen Szenekennern spätestens seit ihrem letztjährigen Beitrag „Independence Day“ auf dem letzten Dependent Sampler bekannt. Einen Namen machten sie sich auch als Remixer von NIN-Songs, von denen Trent Reznor behauptete, sie seien besser, als die Remixe, für die er bezahlt hat. Nach drei Jahren Arbeit und einer Menge Wut im Bauch erscheint nun das vierte Album der Band. „Medication 4 the Misinformed“ ist ein kraftvolles und abwechslungsreiches Electroalbum, das die Eier eines harten Rockalbums hat. Exersis und Jasin lassen alles raus: Welche Bühnenunterstützung habt ihr oder spielt ihr als reine Electroband? Jasin: Wir hatten schon immer eine elektronische Basis. Es ist auch unmöglich, alles live zu spielen. Es wäre aber mal interessant, mit 15 Keyboardern, drei Schlagzeugern und drei Gitarristen auf die Bühne zu gehen. Das wäre ziemlich abgefahren. Unsere Stimmen, die Gitarren, die Main-Keyboard-Lines und die Percussion sind live, der Rest des Mixes läuft nebenher. Früher haben wir noch mehr live gespielt, doch mussten wir Kompromisse eingehen, um unsere Show mobiler und effizienter zu gestalten, und auch, um Geld zu sparen. Wir haben z. B. auf der Pig Tour 2006 auf die Hälfte unserer Gage verzichtet, um die Tour überhaupt erst zu ermöglichen. Und dann haut der Tourmanager auch noch ab, 20 ohne uns zu bezahlen. So kann man natürlich auf die Dauer keine Auftritte finanzieren. Wir wollen ja auch nicht als Karaokeband enden. Wenn die Leute zur Show kommen und der Sound gut war, tröstet uns das wieder. Wobei es fast unmöglich ist, mit einem 15-MinutenSoundcheck eine professionelle Show hinzulegen, weil der Headliner drei Stunden dafür braucht. Für die Zukunft hoffen wir, dass es besser läuft und wir wieder auf die Bühne gehen werden. Zur Zeit ist nur geplant, dass Chris eine Solo-Mindless-Faith-Tour als DJ/VJ machen wird. Habt ihr drei Jahre am Album gearbeitet? Wie ging es voran? Wie ist die Aufgabenverteilung bei euch? Jasin: Ja, mit einigen Unterbrechungen waren es drei Jahre. Letztes Jahr waren wir auch auf USA Tour. Außerdem habe ich leider nicht den Luxus, mich ausschließlich mit Musik zu beschäftigen. Foto: Dirk Eusterbrock Exersis: Das Album ist sehr elektronisch mit brutaler, aggressiver Qualität. Es gibt einige Industrial-Gitarren, die nicht als Metal-Gitarren zu verstehen sind sondern als einer von vielen Sounds. Wir hatten nicht die Absicht, ein hartes Album zu machen. Wir sind einfach nur angepisst! Vom Bullshit der US-Regierung und unseren eigenen Problemen. Musikalisch kommen wir vom Oldschool Punk, Skate Rock und haben es mit Industrial und Techno gemischt, später auch noch mit Trance und Ambient. Exersis: Während dieser Zeit haben wir auch einige Remixe gemacht, einschließlich des NIN-„Only“ Remix. Außerdem noch eine Doppel-CD für unser Ambient/DowntempoSideproject Grains Of Sound. Zusammen mit dem neuen Album, auf dem wir nicht einmal alle unsere neuen Songs unterbringen konnten, haben wir ziemlich viel gearbeitet in den letzten drei Jahren. Jasin: Die Songentstehung ist bei uns ein ziemlich schizophrener und nicht-linearer Prozess. Manchmal entsteht ein Song beim Jammen oder Experimentieren, ansonsten durch klare Ideen. Gewöhnlich hämmer ich die Beats raus und lege somit die Grundlage. Danach arbeite ich mit Chris zusammen an den Synthiespuren und der Hauptstruktur. Einige Songs bekommen dann Gitarren, die entweder Rick oder ich einspielen. Irgendwo dazwischen schreibe ich dann die Texte und singe sie ein. Danach mach ich mit Chris zusammen den Endmix und das Mastering der einzelnen Songs, solange bis wir damit zufrieden sind oder wir es nicht mehr hören können. Das neue Album heißt „Medication 4 the Misinformed“. Was ist die Medikation, wer sind die Fehlinformierten und was ist die Fehlinformation? Exersis: Ist Mindless Faith Medikation für die Fehlinformierten? Sind die Lügen der BushAdministration Medikation für die Fehlinformierten? Ein Opiat für die Masse, die nicht mal weiß, dass sie süchtig ist. Jasin: Es gibt eine Menge Fehlinformationen hier. Ich weiß nicht, wie es in Europa ist, aber wir sind durchtränkt von Fehlinformationen. Manchmal weiß ich nicht, ob die Medikation ein Heilmittel, ein Placebo oder sogar Gift ist. Was ist der „Blind Spot In Every Eye“? Wie blind sind wir? Exersis: Wir sind alle blinder, als wir jemals zu wissen glauben. Jasin: Der „Blind Spot“ ist die wörtliche und metaphorische Begrenzung unserer Sinne, mit denen wir „Wahrheit“ und „Realität“ definieren. Für Rechtschaffenheit gibt es keinen Platz, weil wir alle voller Scheiße sind. Was ist eure Interpretation des Jahrhundertstaubs? Jasin: Es gab schon immer utopische Visionen und Prognosen für den Untergang. Der Jahrhundertstaub lässt uns irgendwo dazwischen stehen. Es ist das angestaute Ergebnis des menschlichen Handelns, all die Ausbeutung und Ungerechtigkeit Seite an Seite mit Fortschritt und Hoffnung. Doch nur unser Suchen und unsere Fragen bleiben übrig. Unsere Geschichte hinterlässt einen großen Schatten, den wir aufrecht erhalten. Doch alles, was wir hinterlassen werden, ist Staub. Wie hat sich eure Welt seit eurem ersten Album verändert? Jasin: Ich wünschte, ich könnte dir etwas Positives und Aufschlussreiches sagen, aber die aufgeben. Wir könne es uns einfach nicht Welt hinter Mindless Faith sieht nicht so gut mehr leisten. aus. Abgesehen von priJasin: Wir waren zu vaten Nöten fühlt es sich sehr mit dem letzten „Wir hatten nicht die so an, als hätten wir uns beschäftigt, um Absicht, ein hartes Album Album seit unserem Debüt gar über die Zeit in Europa zu machen. Wir sind nicht bewegt. Und wir nach Dependent nachhaben tausende Dollar zudenken. Wie gesagt, einfach nur angepisst!“ ausgegeben, um es vores hängt vom Erfolg anzutreiben. Doch wir sind nach wie vor eine des Albums ab. Wenn es keinen interessiert, obskure Band. Vielleicht ist heute der Zeit- werden wir uns nicht mehr um Veröffentlipunkt, an dem sich alles ändern wird, aber ich chungen kümmern, was nicht heißt, dass wir halte nicht mehr den Atem an. keine Songs mehr aufnehmen werden. Es ist eine Sucht, ich könnte nicht damit aufhören. Verglichen mit Europa ist Industrial, wie NIN oder Ministry viel erfolgreicher und Gibt es schon Tourpläne für Europa? populärer in den USA. Habt ihr eine Idee, Exersis: Ich wünschte, wir hätten welche. Wir waren schon überall in den USA, haben jewarum? Exersis: Ich habe keine Ahnung. Amerikaner doch nie das Land verlassen. Vielleicht wird machen sich die Hosen nass, wenn sie Gitar- es nach Album die Möglichkeit für mich geben, zumindest als DJ nach Europa zu komren hören. men. Ich hatte auch schon den Gedanken, Warum habt ihr euch in Europa für Depen- nach Berlin zu ziehen, als ich hörte, es sei so wie New York City, doch da bin ich mir nicht dent Records entschieden? Exersis: Es war ein Geschenk. Und es ist wirk- sicher. lich schade, dass Dependent schließen wird. Jasin: Hoffentlich ist dies nicht unser letztes Wir sind in einer ähnlichen Situation. Die Ver- Lied und wir sehen uns bei der nächsten CD käufe laufen schlecht und wir wissen nicht, wieder. Wir sind sehr dankbar für euren Supob wir weitermachen können. Wir veröffent- port. lichen unsere neue CD in den USA selbst. Wir Exersis: Und schaut mal nach unserem Sideproject Grains Of Sound (www.grainsofwerden sehen, wie es ausgeht. sound.net). Es klingt wie die atmosphärische Habt ihr schon Pläne für die Zeit nach De- Version von Mindless Faith oder die alten Delerium, nur zugedröhnter. pendent in Europa? Ringo Müller Exersis: Zurzeit nicht. Wenn die CD nicht besser läuft als die letzten Veröffentlichungen, www.mindlessfaith.com müssen wir wohl oder übel Mindless Faith www.myspace.com/mindlessfaith 21 Divamee Konfrontation bitte! Divamee, das heißt zarter Frauengesang und eine starke Männerstimme umhüllt von elektronischen Klängen. Lysz, aus deren Idee sich Divamee entwickelte, ist euch wohl noch aus ihrer Zeit bei welle:erdball als Soraya.vc bekannt. Mit ihrem neuen Projekt will sie wachrütteln, mitunter den Finger in die Wunde legen. Themen wie Kindesmissbrauch, Tier- und Umweltschutz werden thematisiert. Lysz provoziert und konfrontiert - Bist du bereit? vom anderen. Insofern steht die Musik nicht im Hintergrund, sondern ist eher ebenso wichtig, wie die Texte selber. Das zeigt sich alleine schon an der Vielfältigkeit: Kein Lied hört sich an wie das andere und betont somit die jeweilige Aussage. Wir möchten berühren. Was ist hierzu besser geeignet als Musik? Du bist ja auch im Tierschutz aktiv. Was hat es mit deinem Projekt Soraya auf sich? Divamee ist eine Herzensangelegenheit von dir. Inwiefern? Da Divamee aus der Idee heraus entstanden ist, die Themen musikalisch umzusetzen, die mir persönlich am Herzen liegen, ist Divamee nun mal “meine Herzensangelegenheit”. Insgesamt machen wir aber Musik nicht nur der Musik wegen, sondern auch, weil wir was zu sagen haben, weil wir mittels Melodien zum Nachdenken anregen wollen. „Lysz ist einfach viel näher Soraya.vc habe ich mich als ich bei welUnd das liegt mir am an mir, als es Soraya.vc je genannt, le:erdball war. Meinen Herzen: ich möchte die sein konnte.“ Bekanntheitsgrad in dieWelt ein Stück verbessen Jahren und auch in sern. Divamee hilft mir dabei, auf Themen wie Tierschutz oder Um- der Zeit nach meinem Ausstieg habe ich dazu genutzt, mich für den Tierschutz einzusetweltkatastrophen aufmerksam zu machen. zen. Beispiele hierfür sind meine Internetseite Auf eurer Website kann man die Liedertexte und das Auslegen von Unterschriftenlisten nachlesen. Ist der Inhalt dieser für euch be- vom Deutschen Tierschutzbund während der sonders wichtig? Konzerte, was heute noch von Frl. Venus fortGanz klar setzen wir einen Schwerpunkt geführt wird. Für Divamee habe ich mir den auf die Texte! Dennoch nutzen die interes- Namen Lysz – was frei interpretiert so viel santesten Texte nichts, wenn die Hörer sich wie Kämpferin bedeutet – gewählt: Lysz ist wegen schlechter Musik abwenden. Musik einfach viel näher an mir, als es Soraya.vc je und Text bilden eine Symbiose: Das eine lebt sein konnte. 22 War die Zeit bei W:E wichtig für deine derzeitige Arbeit? Ohne welle:erdball wäre ich nie auf die Idee gekommen, die Musik für meine Ziele zu nutzen. Zudem habe ich in all der Zeit mit dieser Band sehr viel gelernt. Von einigen Dingen profitiert heute Divamee, anderes meide ich dagegen bewusst, um meiner Band nicht zu schaden. Aber obwohl ich keine Anfängerin bin, muss und will ich mit Divamee eigene Fehler machen und Erfolge erleben. Wie fanden Abigail, Kim Strange und du zusammen? Um nach außen glaubwürdig zu sein, war es mir wichtig, dass wir als Band das leben, was wir singen. Es scheint Bestimmung gewesen zu sein, dass ich Kim Strange, der wie ich damals schon etliche Jahre als Vegetarier lebte, und Abigail, die durch unsere Freundschaft zur vegetarischen Lebensweise und zur Musik fand, über Freunde kennen gelernt habe. Heute genieße ich, dass wir uns gemeinsam weiterentwickeln. Du bist ja ein sehr emotionaler Mensch. Ist das bei den anderen Bandmitgliedern auch so? Wie wollt ihr das in euren Shows umsetzen? Wir sind alle voller Emotionen! Gefühlskälte besingen wir zwar, leiden aber nicht darunter. Live unterstützen uns z.B. Stofftiere, Herz-Lutscher und Kristallkugeln. Dennoch ist neben jeder künstlerischen Darstellung letztendlich vor allem unser Gesang da, um Gefühle zu vermitteln. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten! Giacomina www.divamee.de www.myspace.com/divamee Zu weit und doch so nah Louis Manke, bekannt geworden als Gitarrist von Terminal Choice, rief im Jahr 2003 sein Soloprojekt Staubkind ins Leben und veröffentlichte 2004 seinen ersten großen Hit „Kalte Sonne“. Im selben Jahr folgte sein Album „Traumfänger“, welches wie eine Bombe einschlug und sich in den Herzen der Goths etablierte. Anfang 2005 gab es einen Re-Release des Albums, worauf dann ein lim. Digipack seiner neuen Single „Ausgebrannt“ folgte. Staubkind ist geprägt aus sehr tiefgründigen und emotionalen Gefühlen, die als Balladen und auch rockigen Songs auf dem Album zu hören sind. Auf dem kommenden Album „Zu weit“, welches am 12. Oktober erscheint, ist der Ausdruck der wieder sehr facettenreichen Zusammenstellung noch ausgeprägter als je zuvor – Gerade die Balladen gehen nahe und lassen den tiefgründigen und melancholischen Charakter des Louis Manke erahnen. Louis Manke: Balladen passen sehr gut zu den doch sehr emotionalen Texten und da ich Gitarrist bin, Was hat dir den letzen Kick gegeben, nach dem ersten Album nicht aufzuhören, sondern ein weiteres zu veröffentlichen? Die Inspiration, was Eigenes machen zu können, nachdem man in so vielen anderen Bands gespielt hat. Zudem hat sich die ganze Umstellung von der Heimat über Freunde auch sehr auf das erste Album niedergeschlagen. Es sind viele Mails von Leuten angekommen, die tief am Boden waren, denen meine Musik wieder auf die Beine geholfen hat und sie dadurch für einen Moment den Alltag hinter sich lassen konnten. Jeder Musiker wünscht sich, mit seiner Musik etwas in den Menschen bewegen zu können, gerade wenn es sich so positiv auswirkt. entsteht dann doch gerne mal eine so brachiale Mischung. Auf diesem Album ist auch viel Akustik mit drin, die ich auf dem ersten Album noch nicht so gut umsetzen konnte. Zum Einspielen beider Akustikstücke habe ich mir Gastmusiker eingeladen, zudem auch Carsten Klatte (Gitarrist von Project Pitchfork), der mir ein Stück geschrieben und eingespielt hat. In einem Interview des letzten Jahres von Schatten.tv hast du erzählt, dass du keine Remixe fürs Album planst, doch wenn dir Jemand über den Weg läuft und du schon immer einen Mix von ihm haben wolltest, würdest du sofort drauf eingehen. Hat sich da fürs kommende Album „Jeder Musiker etwas ergewünscht sich, mit ben? Das ist durchseiner Musik aus noch aktuetwas in den ell, doch dann muss es schon Menschen richtig bewegen zu etwas Artfremdes sein und können.“ z. B. aus dem Chanson-Bereich kommen, um einen absolut abgefahrenen und anderen Remix zu machen, als es heutzutage üblich ist. Bisher hat sich dort nichts ergeben, doch man wird sehen, was die Zeit mit sich bringt. Deine Stücke handeln immer von Träumen, die viel von Trauer berichten, aber auch hin und wieder Freude ausdrücken. Sind es Träume aus deiner eigenen Traumwelt oder Gedanken, die du in solche fasst? Teils teils. Es ist sehr persönlich und auch Sachen, die mich in der Zeit vom letzen Staubkind-Album begleitet und bewegt haben. Auch bei diesem Album hast du wieder ein sehr herzergreifendes Duett eingebaut, welche junge Dame hast du dir dieses Mal an Land gezogen? Beim ersten Album war es Ulli, die nun bei Blutengel singt. Da ich nicht das Gleiche machen wollte, habe ich dieses Mal für „Wenn du schläfst“ Serena Gruß, die aus dem Chanson Bereich kommt und bei La Casa Del Cid singt, die auch mit uns auf Tour gehen werden, eingeladen. Eine absolute Powertour hast du für November geplant, sind denn auch schon Festivals im Winter oder fürs kommende Jahr in Aussicht? Im Winter habe ich bisher nie so viel gemacht, doch in 2008 werden wir auf jeden Fall die Festivals wahrnehmen. Ich habe noch den Traum, aus den zwei Alben eine Akustiktour zu machen, da die Akustiksachen doch recht guten Anklang gefunden haben.“ Jessica Jachowski www.staubkind.de www.myspace.com/staubkindsite VÖ „Zu weit“: 12.10.07 23 Auf dem Weg ins Licht Schon im letzten NEGAtief berichteten wir im Studiolistening über Eisheilig und ihre neuen musikalischen Pfade. Nun liegt das neue Werk „Auf dem Weg in deine Welt“ vor und verbirgt so manche Überraschung. Allem voran wurde die so oft überstrapazierte Perspektivlosigkeit des dunklen Genres gegen eine angenehm konkrete Vision im Licht eingetauscht, während die eigentliche Message nicht nur aus dem Trübsal fischt. Die Schaffensperiode für „Auf dem Weg in deine Welt“ war insgesamt wesentlich kürzer als die für die anderen Alben. Woran lag das eurer Meinung nach? War vielleicht auch die Energie von Frischling Markus bedeutend? Till: Da hast du recht, für Eisheilig-Verhältnisse war der Zeitraum relativ kurz, tatsächlich hat sich die recht kurze Kompositionsphase aber positiv bemerkbar gemacht. Die Arbeit an den Songs war durch die kürzere Zeitspanne deutlich intensiver, was dem gesamten Anspruch des Albums sehr gut getan hat. Was den Einfluss von Markus auf die Musik anging, war dieser eher gering, da die Songs schon standen, als er bei uns eingetreten ist. Vom Menschlichen her hat es aber sofort funktioniert, was mich persönlich doch sehr positiv überrascht hat, da ich mit einer längeren Eingewöhnungsphase gerechnet habe. Ist es im Nachhinein eher als positiv oder negativ anzusehen, 24 dass Markus als neues Bandmitglied ohne Eingewöhnungszeit ins kalte Wasser geschmissen wurde? Das ging ja doch alles ziemlich schnell. Ich sehe es als positiv an, Markus so schnell in die Band integriert zu haben und in direkt in die Liveund Studioarbeit einzubinden. Das sind schließlich Erfahrungen, die eine Band zusammenschweißen. Außerdem arbeitet Markus mit sehr großem Enthusiasmus an der gemeinsamen Sache. Das alles macht ihn zur besten Wahl für die Band. Also: Zufriedenheit auf allen Seiten. Im Vergleich zum Vorgängeralbum ist das neue Werk weit atmosphärischer, dunkler und gothiclastiger. Die Lyrics sind persönlicher. Woher kommt der Sinneswandel? Es war diesmal unser Ziel ein Album zu veröffentlichen, das stilistisch viel weiter gefächert ist als „Elysium“. Außerdem haben wir bei den Songs sehr genau auf die kleinen Details geachtet, die einem Lied mehr Tiefe und Spannung geben. Der Hörer wird diesmal auf eine sehr abwechslungsreiche Reise durch unsere Welt mitgenommen. Insgesamt ist die Stimmung nicht mehr so aussichtslos düster wie noch auf „Elysium“ sonder eher von Weite, Melancholie, Kraft und Ruhe geprägt. Die Texte sind diesmal deutlich persönlicher geworden, Dennis Texte sind jetzt wesentlich mehr am Leben der einzelnen Hörer als in der Vergangenheit, in der eher düstere Metaphern im Vordergrund standen. Von einem Sinneswandel würde ich aber nicht sprechen, eher von ei- ner natürlichen Entwicklung, einer ständigen Veränderung, die für jede Band extrem wichtig ist, wenn sie spannend und interessant bleiben will. mir mittlerweile sehr fremd geworden, dafür gibt es einfach zu viel gute Musik. Es geht ja nicht um Haarmoden, Hosenlängen, Kapuzenjacken oder andere „Szenesymbole“ sondern nur darum, ob ein Song den Menschen berührt oder nicht. Ich glaube als Fan von Musik gibt es keine Grenzen und in jeder Musikrichtung gibt es immer Spannendes und Wichtiges zu entdecken. „Wir Leben“ – eine Aufforderung, einmal über die mitunter kranken Gegebenheiten in unserer ach so modernen, schnellen, großen und wunderbaren Welt nachzudenken? „Wir Leben“ ist für mich ein Anruf, sein Leben hier zu schätzen, erkennen zu können, Worum geht es bei „Auf dem Weg in deine wie wichtig die Menschen sind, die einem Welt“, welche Themen wurden verarbeitet? Nahe stehen, dass es sich lohnt, für seine Ein- Ich glaube, dass diesmal die Vielfalt, die sich stellung zum Leben zu kämpfen. Viele Men- musikalisch in den einzelnen Songs findet schen gleiten leider oft in eine gewisse Be- auch textlich widerspiegelt. Für mich ist das wusstlosigkeit ab. Man sollte allerdings nicht Hauptthema, das sich durch die Texte des nur über die kranken neuen Albums Gegebenheiten nachzieht „das „Es muss ja nicht immer um denken, sondern vor Wunder des allem auch über die Weltuntergangszenarien gehen.“ Daseins“ und vielen positiven kleides menschnen Geschenke, die das Leben für jeden be- lichen Mit- und Gegeneinanders, um den reithält, die allerdings heute oft übersehen Kampf, seine eigene Persönlichkeit in dieser werden, weil sie halt nicht spektakulär genug Welt zu verteidigen und das eigene Leben zu sind, um uns wachzurütteln. achten. „Kein Land in Sicht“ und „Wird alles gut“ klingen fast poppig. Hofft ihr, damit auch einmal ein anderes Publikum weit weg vom Dark Rock zu erreichen? Wir hoffen vor allen Dingen, Menschen damit zu erreichen. Das Denken in Zielgruppen ist Auf eurem Cover ist ein Pferd mit Flügeln zu sehen. Von Pegasus in der griechischen Mythologie bis in die indische Kultur der Alpenländer hat das geflügelte Pferd andere Bedeutungen. Wofür steht das Pferd bei euch? Das Covermotiv hat diesmal keine besondere Hintergrundgeschichte sondern passt einfach hervorragend zur Musik und Stimmung des Albums. Wir haben uns diesmal für ein sehr plakatives und einprägsames Cover entschieden und ich glaube, das Ergebnis ist sehr gut geworden. Warum ist eigentlich Niklas nicht mehr dabei? „Auf dem Weg in deine Welt“ VÖ: 28.09.07 Ich glaube, Niklas konnte nicht mehr den nötigen Enthusiasmus für die Arbeit bei Eisheilig au ringen, da er in nächster Zeit wohl sehr viel Zeit für sein Kind braucht, das gerade auf dem Weg in diese Welt ist. Die Entscheidung, die Band zu verlassen ist ihm sicherlich nicht leicht gefallen, die wir aber voll akzeptieren. Auf jeden Fall wünschen wir ihm alles Gute für seine Zukunft. Was ist für den weiteren Weg geplant? Wird dieser eventuell auch wieder mit Niklas gegangen? Man soll ja niemals „nie“ sagen, aber geplant ist da gar nichts, ich denke, jeder sollte erstmal seinen eigenen Weg gehen, wir haben in nächster Zeit so einiges an Aktivitäten vor uns und richten unseren Blick in die Zukunft, was die Band betrifft. Wie kam es zur Tour mit Letzte Instanz? Was kann der Konzertbesucher erwarten? Da Letzte Instanz unsere Labelkollegen bei Drakkar sind, kam der Kontakt über unser Label zustande. Ich hoffe, dass wir es auf der Tour schaffen, von jedem unserer Alben einige Songs zusätzlich zum neuen Material präsentieren zu können. Auf jeden Fall freuen wir uns jetzt schon auf diese Konzerte und hoffen, dass auch die Zuhörer ihren Spaß mit uns und der letzten Instanz haben werden. Giacomina www.eisheilig.de 25 Castus Rabensang Von Raben und zartem Sex Castus Rabensang umhüllt uns mit seiner Stimme in einzigartigen Chorgesängen, die uns durch mittelalterliche Texte in eine ferne Zeit zurück versetzen. Karsten Liehm, der sich schon seit zwei Dekaden mit aussterbenden Sprachen, dem Mittelalter und seiner Musik beschäftigt hat, versucht uns durch sein neues Album „Rabengesänge“ auf eine sehr eindrucksvolle Art und Weise an einer Reise in diese Zeit teilhaben zu lassen. Den meisten wahrscheinlich als Spielmann der mittelalterlichen Truppe Corvus Corax bekannt, ist es schwer vorstellbar, wie Castus auch noch Zeit für sein Soloprojekt finden konnte. Castus Rabensang: Seit ich denken kann, singe ich und als ich bei Tanzwut ausgestiegen war, freute ich mich sehr, wieder mehr Zeit für meinen persönlichen Wahnsinn zu haben. Heutzutage werden zwar Instrumente oft durch den PC ersetzt, doch werden keinesfalls alle wegfallen. Doch wie bist du auf die Idee gekommen, einzig und allein deine Stimme im sogenannten Overdub-Verfahren, wo die verschiedenen Stimmen nachei- telalterliche Spielmannsmusik auch Corvus Corax genannt. nander eingesungen werden, zu veröffentlichen? Die Idee kam mir schon vor Jahren, als ich für eine Vorproduktion die Chorgesänge allein einsang und mit dem Ergebnis sehr zufrieden war, reifte die Idee. Ich bin mit einer Stimme gesegnet, die viereinhalb Oktaven Tonumfang besitzt. Das alles zusammen und mein Drang immer etwas Neues zu machen, trieb mich dazu die CD „Rabengesänge“ aufzunehmen. Du hast dich 20 Jahre lang mit der mittelalterlichen Musik beschäftigt, was einem auch durch Corvus Corax schon sehr deutlich wird, was dich heute zum außergewöhnlichsten und facettenreichsten Interpreten und Komponisten in diesem Genre macht. Wie bist du denn auf den Pfad der mittelalterlichen Klänge gekommen? Ich mache schon immer Musik und singe, seit ich denken kann. Dann bin ich durch Zufall zu einem deutschen Dudelsack gekommen, hab ihn sofort ausprobiert und konnte den Dudelsack nach 20 Minuten spielen. Ich bin in eine Kneipe gegangen stieg auf einen Tisch und spielte. Reichlich Geld und viel Getränke hab ich mir verdient. Ich wusste sofort, das ist mein Instrument. Mit Wim zusammen erfanden wir einen neuen Musikstil. Weltliche mit- 26 Du beherrschst die alten Sprachen wie Altenglisch oder Normannisch und bedienst dich der Technik des mongolischen Obertongesangs bis zum Berliner Rotwelsch des 19. Jahrhunderts. Steckt also von klein an eine Begabung für diesen Bereich in dir, erweiterst du dies auch durch andere Sprachen oder hast du dich aufs Mittelalterliche festgefahren? Ich singe gern in alten Sprachen. Aber auf meinen Reisen sind lebendige Sprachen wichtiger. Ich mag es, mit Einheimischen zu feiern und zu musizieren. Die Geschichte, die du erzählst, hat sie etwas mit deinen momentanen Gefühlen zu tun? Nachdem ich „Modo niger“ komponierte, habe ich wirklich geträumt, dass ich auf einem Spieß über dem Feuer brate. Das hat aber sicher nicht mit meinen momentanen Gefühlen zu tun. Als ich an dem Album arbeitete, habe ich viel über zarten Sex nachgedacht. Warum soll der Zuhörer selbst entscheiden. Am Ende wird man in einen seelenruhigen Schlaf gesungen – wird es eine Fortsetzung des Erwachens geben? Jetzt arbeiten wir gerade an „Cantus Buranus 2“. Irgendwann, wenn mich wieder einmal der persönliche Wahnsinn überfällt, dann gehe ich wieder allein ins Studio, um etwas Neues zu schaffen. Vielleicht eine CD ohne Gesang und ohne Instrumente. Jessica Jachowski www.myspace.com/castusrabensang Songs of Lemuria ria nutze ich die Chance, eine Passion auszuleben, die schon lange in mir schlummerte. Ich liebe den Rockbombast, aber liebe auch ebenso leise geniale Odem der Vergangenheit Popsongs, die mit wenigen Akkorden und Worten einem eine Gänsehaut schenken können. Das Neben den Legenden um die sagenumwobene Spannende an Songs Of Lemuria ist, dass MichaInsel Atlantis, die vom Meer verschluckt wurde, ela diese Hymnen ganz und gar nicht wie ein tyexistiert ein weiterer Mythos: Lemuria, die vor pisches Dark-Pop-Sternchen singt, sondern so, wie vielen tausend Jahren gesunkene und geheim- man es von einer echten Musical-Diva erwartet. nisvolle Hochkultur ließ bereits viele Glücksritter auf der Suche nach dieser Hochkultur in den Michaela, du stammst aus dem Musicalbereich letzten Jahrhunderten Opfer der Fluten werden. und verbindest bestimmt mit einigen dunklen Aber auch Nik Page, der mit seinem Soloprojekt Klassikern nicht so viel wie z. B. Nik. Wie erarund seiner früheren Band Blind Passengers be- beitest du dir in diesem Fall das Repertoire? reits musikalische Michaela: Mich interessieren Geschichte schrieb, Authentizität und Wahrhaftigfühlte sich inspiriert, keit in der Kunst. Und warum diese Legende zur soll ich Berührungsängste mit Basis seines neuen der Schwarzen Szene haben? Projekts Songs of Immerhin gehören dazu Bands Lemuria zu machen. wie In Extremo, Subway to Die so entstandenen Sally, Rammstein Nightwish, Coverversionen groSisters of Mercy usw. Alles Proßer schwarzer Klassijekte mit klaren Konzepten und ker atmen den Odem einzigartig und authentisch in der Vergangenheit. der Schaffung ihrer Musik! Da fühle ich mich eher angezogen. Der Titel „Deep“ Außerdem mochte ich schon imassoziiert die Vermer Mystik und Melancholie in mutung, dass eure der Musik. Ich mag einfach MuVersionen der Origisik, die eine gewisse Tiefe hat naltitel durch die muund vielleicht auch so ein bisssikalische Reduktion chen Weltschmerz durchklingt. an Tiefe gewonnen hat? Ist es nicht sehr schwer, Doch ich muss mir deshalb keinen Totenkopf aufs gerade von vielen Rockklassikern, die vom ur- T-Shirt nähen. Da steh’ ich eher auf welke Rosen. sprünglich raubeinigen Charme leben, eine so Plattitüden (auch in der Schwarzen Szene) konnte eklektizistische Version zu verfassen? ich noch nie ab. Nik: Es geht uns darum, die Songs in andere musikalische Welten zu entführen und die Neugier Werdet ihr dieses Konzept auch live vorstellen wie die Kompositionen klingen könnten, wenn und hattet ihr bereits erste Reaktionen auf diese die Songs von Nirvana, Tanzwut, Subway To Sally Umsetzung? oder And One vielleicht bereits 100 Jahre vor Erfin- Nik: Wir haben bereits 2006 eine Reihe von Kondung der E-Gitarre und der Synthesizer geschrie- zerten hauptsächlich in Kinosälen und Kirchen geben worden wären. Es geht also gerade darum, spielt. Dabei kam uns natürlich Michaelas enorme welche Magie die Kompositionen entfalten kön- Erfahrung aus vielen Opern- und Musicalhauptnen, wenn man sie ihres besagten Rockcharmes rollen zugute. Mit Veröffentlichung der „Deep“beraubt. Es hatte mich sehr gereizt die Hymnen CD werden wir natürlich wieder in den Tourbus der Schwarzen Szene musikalisch so umzusetzen, steigen. Ich verspreche faszinierende Abende mit wie man es bisher noch nicht kannte, in dem ich Gänsehautgarantie! gemeinsam mit großartigen Musikern der KlasDelest sikszene die Songs, reduziert auf Piano, Cello und www.songsoflemuria.de Gesang, neu zusammenfüge. Mit Songs Of Lemu- VÖ „Deep“: 28.09.07 27 Schelmish Keine Gefangenen der Zeit Seit mittlerweile fast zehn Jahren veröffentlicht die Bonner „Großfamilie“ Schelmish, vielen auch als „Der Albtraum der Spielleute“ bekannt, ihre höchst unkonventionelle Mischung aus mittelalterlichen Einflüssen. Das neue Werk „Wir werden sehen“ wagt sich in weit rockigere Gefilde als je zuvor, während die Thematiken weitläufiger wurden. Dextro: Der Rockaspekt ist oder war uns immer wichtig. Vor acht Jahren, als wir die Band gegründet haben, waren wir aber noch nicht in der Lage, die Rockaspekte umzusetzen. Es ist alles langsam aber sicher gewachsen und nun sind wir in der Lage, uns auch auf diesem Sektor auszutoben. Vorbilder habe ich keine, es gibt Vorreiter in der Szene wie In Extremo, Schandmaul oder StS, die alle ihr eigenes gutes Ding durchziehen, und so werden wir 34 das auch versuchen: unseren eigenen Weg gehen. Ein Vorbild wäre für mich der Dalai Lama, aber der macht keine Musik. bum, auf dem alle Stücke von uns geschrieben wurden. Der Instrumentalsektor wurde auch zurückgefahren, alle Titel haben einen Text. DesDem: Es wäre ja eine Schande, wenn es das nicht täte. Die Tendenz hat sich ja bereits beim zweiten Album schon abgezeichnet und natürlich ist uns der Rockaspekt ausgesprochen wichtig, wäre er es nicht, würde ich Meditationsmusik machen. Trotz der mittelalterlichen Instrumentierung klingt eure Scheibe ausgewogen rockig und groovig. Kein Widerspruch? Dschieses: Wenn E-Gitarren, Drums, Bass und Synthies mittelalterlich instrumentiert sind – Widersprüche gibt es zwischen alten und neuen Instrumenten nur für diejenigen, die noch nicht begriffen haben, dass man im 21. Jahrhundert nicht mit dem Pferd zum Mittelaltermarkt reitet. Gab es beim aktuellen Album Veränderungen? Dextro: Es gab ein paar starke Veränderungen. Der Mittelaltersektor steht nicht mehr so sehr im Vordergrund und wir haben wesentlich mehr mit Musikstilen experimentiert, als beim Vorgänger „Mente Capti“. Das neue Album ist wesentlich rockiger und es ist das erste Al- Was macht euch mehr Spaß: Mittelalterfeste oder traditionelle Festivals? DesDem: Hätte man mich das letzte Woche gefragt, dann hätte ich ohne zu zögern Festivals gesagt, jedoch hatten wir letztes Wochenende wieder so ein tolles Konzert auf einem Mittelaltermarkt, was mich unglaublich aufgebaut hat, dass ich hier einmal festhalten muss: Es geht einfach nicht, diese Frage pauschal zu beantworten. Es gibt genauso tolle Konzerte auf Festivals mit dem Rockprogramm wie auf Mittelalterfesten. Einzig und allein das Publikum, was vor der Bühne steht, entscheidet über den Spaß, den man hat. Wenn die Energien fließen, dann ist der Spaß dabei. Luzi: Es hat beides seinen Reiz. Die Publikumsnähe ist auf einem Mittelaltermarkt auf jeden Fall größer und wir arbeiten während eines Mittelalterauftritts ganz anders mit dem Publikum, als man das bei einem Rockauftritt machen kann. Aber ich mag auch das Feeling, auf einem Festival zu spielen. Es ist immer eine ganz besondere Atmosphäre auf Festivals und dort herrscht immer ein recht „positiver Stress” und die Auftritte sind wesentlich druckvoller, als auf unverstärkten Mittelaltermärkten. gut eine traditionelle Melodie drauf passt, so wie das halt unter anderem bei „Gaudete“ war. Das ist immer unterschiedlich bei uns, da kann man sich nie festlegen, weil es manchmal auch aus ganz wirren Situationen entsteht. Wo seht ihr den größten Unterschied zwischen euch und den anderen Vertretern der Mittelalterszene? Wo gibt es Gemeinsamkeiten? Gibt es einen Informationsaustausch? Picus: Klar, man kennt sich, mag sich (meistens) und man hat viel zu erzählen. Der Informationsaustausch ist rege, denn die Szene ist klein. Gerüchte entstehen und werden zu Legenden, egal, ob sie wahr sind oder nicht. Der Hauptunterschied ist vielleicht, dass wir zu der Gruppe gehören, die sich selbst nicht zu ernst nimmt und deswegen Showelemente haben, die andere nicht machen würden, weil sie ihnen zu peinlich sind. Für die Interessierten unserer Leserschaft: Wo kann man Instrumente wie Dudelsack, Woraus speist sich das seit Jahren anhaltende Nykelharpa oder Schalmei lernen? Interesse großer Publikumsschichten an der Dextro: Ich habe meine Instrumente alle selber Mittelalterszene? erlernt. Einige von uns geben selber Unterricht, SID: Ich denke, dass die Mittelalterszene vie- Dudelsack und Schalmei, auch andere Bands len Menschen aller Generationen und Gesell- geben Unterricht, am besten schaut man in die schaftsschichten die Möglichweiten Wirren des keit bietet, dem grauen Alltag Internets, da kann „Widersprüche gibt es für eine kurze Zeit zu entflieman sicherlich das nur für diejenigen, die hen. Dort kann man der sein, ein oder andere ernoch nicht begriffen der man sein will, unabhängig fahren. vom „normalen“ Leben. Und Picus: Dudelsack haben, dass man im kann man bei Rimsrichtig Spaß macht es dabei 21. Jahrhundert nicht bold lernen. Schalauch noch. mit dem Pferd zum mei auch. Aber Wie entstehen bei euch nor- Mittelaltermarkt reitet.“ Nykelharpa kann man entweder aumalerweise neue Interpretatitodidaktisch erlernen oder man muss sich onen mittelalterlicher Traditionals? Rimsbold: Das ist schwer zu sagen, da wir ja an Kollegen wenden, die das Instrument benun schon seit langer Zeit hauptsächlich eige- herrschen. Ansonsten muss man wohl nach ne Kompositionen in unsere Musik einfließen Schweden gehen für ein halbes Jahr, um die lassen. Im Mittelalterbereich hört man mei- Grundlagen zu lernen. stens eine Melodie, die man für eingängig hält, überdenkt das Ganze, spielt es ein paar Mal Fühlt ihr euch in der technisierten Zeitrechund schon kommen Ideen für diverse Arran- nung von heute als „Gefangene der Zeit”? gements. Im Rockprojekt war es bei der letz- DesDem: „Die Zeit heilt alle Wunden! Was ten Scheibe „Mente Capti“ so, dass wir einfach wird uns die Zeit bringen?“ Zeit ist doch imeine elektronische Fläche gelegt haben und mer noch relativ, jedenfalls nach Einstein. Für dann merkten, dass da ja auch zum Beispiel mich persönlich ist sie eigentlich nicht exi- „Wir werden sehen“ VÖ: 19.10.07 stent. Aber ob technisierte Zeitrechnung von heute oder nicht, es bleibt die Frage, was Zeit eigentlich ist? Vielleicht die Schwester der Unendlichkeit? SID: Als Gefangene der Zeit in sofern, dass man nie genug davon hat und sie verrinnt, ohne dass man etwas dagegen tun kann. Gerade in der heutigen Zeit (und besonders in unserem Kulturkreis) findet man kaum noch die Ruhe, Dinge, die das Leben lebenswert machen, zu genießen. Man taumelt einfach von einem Termin zum nächsten. Was liegt zwischen Himmel und Erde? Gibt es für euch als verschworene Gruppe ein gemeinsames Credo? Rimsbold: Wir sind eine Einheit. Alle Menschen unterscheiden sich, jedoch habe ich bei Schelmish das Gefühl, dass in jedem von uns das gute Stück Herz im Menschen vorhanden ist. Damit will ich nicht sagen, dass wir Engel sind, sondern dass bei uns das Zwischenmenschliche einfach stimmt. Gewisse Züge in jedem Einzelnen von uns haben die gleiche Art und Weise zu denken, in wichtigen Punkten bezüglich des Daseins. Die zunehmend plumpe Erde von heute steht bildlich gesehen im Kontrast zum Himmel. Dazwischen liegt etwas, was du mitnehmen solltest und ich denke, das sind die richtigen Züge für das Dasein. Delest www.schelmish.de 35 Karmakrieger Bereits in den letzten Ausgaben berichteten wir immer häufiger über junge Bands aus Südamerika. Anscheinend entwickelt sich gerade dort zurzeit eine innovative neue Strömung, die vielleicht eines Tages auch in Europa für neue kreative Impulse sorgen könnte. Vigilante veröffentlichen mittlerweile ihr zweites Album auf Black Rain und beweisen neben ihrem sicheren Gespür für kompakte Industrialrocksongs eine politisch und soziale Weitsicht, die man nicht aus dem noch vor einem Jahrzehnt von Pinochet unterdrückten Land erwarten würde. Doch Ivan versteht sich auch als spiritueller Mensch und bezieht seine Kampfansage nur auf Ignoranz. Können sich Ideen bekriegen? Das lässt zumindest der Titel deines neuen Albums vermuten. Ivan: Das Konzept des Albums dreht sich um die Kriege, die wir täglich sehen, die uns umgeben und täglich Menschenleben kosten – sei es für Religion oder politische Ziele. Auch behandelt das Album die Mechanismen unserer Gesellschaft, wie sie uns durch Ängste und den allgegenwärtigen Konsum in Schach hält. Meine Geschosse richten sich gegen diesen Alltagswahnsinn. Vielleicht ändert sich ja noch etwas. „In the Name of God” ist deine Antwort auf Religion. Lebst du eine alternative Spiritualität? Ich glaube, dass Religion nur eine andere Art ist, Menschen an ein Ideal zu binden, um sie dann im gleichen Zuge vom großen Rest abzuteilen. Ich hasse nicht Religion im Allgemeinen, eher schon die Menschen, die in ihrem Namen anderen Leid zufügen. Eher schon als meine eigene Spiritualität verstehe ich 36 die Begriffe Karma und Dharma. Manchmal jammern wir übertrieben über das Leid, das uns andere zufügen, um dann im Gegenzug kaltblütig über das von uns zugefügte Leid anderen gegenüber hinwegzusehen. Mein Lebensmotto ist vielleicht einfach, entspricht so aber am ehesten einem religiösen Konzept. „Was du nicht willst was man dir tut, das füg’ „Ich hasse nicht Religion im Allgemeinen, eher schon die Menschen, die in ihrem Namen anderen Leid zufügen.“ auch keinem anderen zu.“ Ich denke, gerade in Bezug auf die globale Erwärmung macht das wirklich Sinn. Du remixt viele andere Künstler. Kann dich das in deiner eigenen Musikalität beeinflussen? Natürlich. Für mich ist Vigilante eine Mischung vieler Einflüsse, egal ob EBM, Metal, Industrial, Hardcore, Techno oder Hip Hop. Ich bin immer auf der Suche nach dem individuellen Sound, der uns von den Anderen unterscheidet. Natürlich ist das Leben, so flach wie das auch klingen mag, die größte Inspiration. All die kleinen und großen Kämpfe, die Nachrichten, die Hoffnung und die Liebe. Wie ist das aktuelle Album entstanden? Wer unterstützt dich live? Nach wie vor mache ich fast alles alleine, zumindest im Studio. Ich spiele Gitarre, singe und programmiere meine Songs, auf der Bühne unterstützt mich dann Lucia Ponticas an den Keys. Daniel Duarte spielt auf der Bühne Gitarre. Chile ist bestimmt nicht die erste weltweite Adresse, wenn man an dunkle Elektrostyles denkt. Was tut sich so in Santiago de Chile? Die chilenische Szene wächst ständig und ist im Vergleich zu so manch anderen südamerikanischen Ländern schon ziemlich weit entwickelt. Glücklicherweise haben uns auch schon einige hochkarätige Bands aus Europa besucht, wie z. B. Diary Of Dreams, Das Ich, Covenant, Umbra et Imago, Clan Of Xymox, Front 242, Lacrimosa, Therion, Melotron, Nitzer Ebb und viele andere. Gibt es in Chile denn wirklich viele Möglichkeiten, live aufzutreten? Wir persönlich sind nicht so oft in Chile auf der Bühne. Zuletzt waren wir in Peru und momentan planen wir ein paar Shows in Brasilien, Argentinien und Mexico. Generell entwickelt sich Südamerika sehr stark im Livebereich. Und was ist für Europa geplant? Glücklicherweise haben wir unsere Bookingagentur RGKP und unser Label Black Rain, die es uns ermöglichen, zum zweiten Mal in Europa zu gastieren. Diesesmal mit Agonoize, die uns mit nach Norwegen, Dänemark und Deutschland nehmen. Marius Marx www.vigilante.cn www.myspace.com/vigilanteband Zwangshaut-Striptease PiaPale ist der kreative Kopf hinter dem dieser Tage erscheinenden, mit vielen Vorschusslorbeeren geschmückten Release „Naked To The Bones“. Die Wahl-Berlinerin, die ihr Projekt als eine Art Zwangshaut bezeichnet, ist Komponistin, Multiinstrumentalistin, Sängerin und Produzentin in Personalunion. CompulsorySkin ist ein Crossover aus Industrial, Synthiepop und Triphop. Die Vergleiche reichen von Alec Empire bis Björk und ihr eilt der Ruf der weiblichen Trent Reznor voraus, dem sie zumindest mit ihrem Tanzflächenhit „Twisted“ gerecht wird. Ist „Naked to the Bones“ dein persönlicher Striptease? PiaPale: Definitiv! Es ist der Versuch, sich gnadenlos zu öffnen, ohne Rücksicht auf Konsequenzen oder die Gefahr hin, missverstanden oder gar verstanden zu werden und dadurch schutzlos ausgeliefert zu sein. Es ist ein Album, das die Suche nach dem wahren Ich ausdrückt und eine Menge Schmutz zutage fördert. Du hast die Schule sein lassen, bist Domina geworden und hast eine Punkband gegründet. Bei CompulsorySkin bist du auch „Herrin des Hauses”. Hätte deine Selbstverwirklichung besser laufen können? Wie wichtig war deine Wahlheimat Berlin dafür? Ich habe die Schule sein lassen, da ich damals mit 14 von Zuhause ausgerissen bin, um dann in eine recht ordentliche Drogenkarriere zu schlittern. Ich war allein auf mich gestellt und so ging es ziemlich schnell bergab mit mir. Ich hatte dann etliche Bands, bis ich dann endlich eine fand, mit die dominante Seite in mir aus und er spiegelt auch einige für mich recht beeindruckende Erlebnisse im SM-Studio wider. Es geht auch darum, jemanden sexuell zu gebrauchen oder gar zu missbrauchen. Gleichzeitig spiegelt er den inneren Zwiespalt wider, wenn jemand, den man liebt, sich wünscht, erniedrigt und gedemütigt zu werden. der ich mich auf einen musikalischen Konsens einigen konnte. Wir sind dann recht viel getourt, aber auch da gab es nach zweieinhalb Jahren den großen Bruch, der eine große Enttäuschung für mich war. Daraufhin wollte ich unbedingt VÖ „Naked To The Bones“: 05.10.07 selbst Musik machen, hatte damit auch schon während der Bandzeiten an- Wo siehst du dich selbst innerhalb der Szene gefangen. Um mir Equipment leisten und was bedeutet dir Musik? Wie steht es um zu können, wurde ich dann Domina. deine Schauspielkarriere? Ich habe zu der Zeit in Braunschweig Ich sehe mich mehr als Beobachter, als Außengelebt, dort wurde mir aber bald die seiter. Ich sauge die Essenz der Szene in mich Luft zu dünn und die Inspiration zu auf, in der ich mich weiter zur nächsten Szene wenig. Also ließ ich dies und auch begebe, die mir gerade etwas Interessantes zu viele schlechte Erinnerungen hin- bieten hat. Ich bin quasi ein musikalischer Pater mir und zog zurück nach rasit. Musik ist für mich ein Lebenselixier, höre Berlin, wo ich schon als Kind ich über einen längeren Zeitraum keine oder gewohnt hatte. Dort konnte mache keine, dann geht es mir sehr schnell sehr ich dann einen regelrechten schlecht. Ein Leben ohne ist für mich schlicht Neustart machen und mich unvorstellbar. Ich habe im Dezember letzten komplett auf CS konzentrie- Jahres bei einem japanischen Kurzfilm mitgeren. Ja, das hätte durchaus spielt, vor einer Woche eine kleine Nebenrolle in besser laufen können, einem Musikvideo einer Freundin gehabt und da gab es eine Menge weitere Projekte stehen immer an. Ich möchte dunkler Phasen, auf selber Kurzfilme drehen, es ist eine Kunstform, die ich liebend gern die mich geradezu in den Bann gezogen hat. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. verzichtet hätte. Hast du im Song „Twisted“ ein Erlebnis aus deiner Domina-Zeit verarbeitet? Er drückt definitiv Du hast eine weltweite, ständig wachsende Fangemeinde. Was erwartest du vom Albumrelease und für die Zukunft? Ich hoffe natürlich, dass das Album gut läuft, da ein zweites schon in Arbeit ist und nur noch auf die Endproduktion wartet. Außerdem möchte ich soviel wie möglich live spielen und auf Tour sein, ich vermisse mittlerweile das UnterwegsSein und live spielen sehr. Ringo Müller www.myspace.com/compulsoryskin 37 Zwei Königinnen und eine Krone Gothic Metal hat sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe im Popbereich entwickelt – Nightwish, Within Temptation und Konsorten führen die höchsten Chartplazierungen an und untermalen mit ihren Hits Sportevents und Fernsehserien. Umso erfreulicher, dass es auch im Underground interessante neue Spielarten dieses Genres gibt, die mit immer neuen musikalischen Kombinationen zu glänzen wissen. Coronatus aus dem schwäbischen Ludwigsburg versehen ihre pathetisch treibende Variante gleich mit zwei einzigartigen Frontfrauen, die mit ihrer stimmlichen Varianz durchaus das Potenzial haben, auch in die obere Liga durchzubrechen. Was bedeutet Coronatus? Es bedeutet „Der Gekrönte“. Das kommt von der ursprünglich stark religiös-philosophischen Ausrichtung der älteren Texte, die 38 teils noch von Mitgründer George stammen. Die neuen Texte beschäftigen sich aber mehr mit menschlichen und weltlichen Dingen. bil. Somit war Coronatus keine leichte Geburt. Aber was lange währt.... Ludwigsburg gilt ja als die Atrocity Wiege. Wie habt ihr euch als Band gefunden? Gibt es irgendwelche Verbindungen? Gegründet wurde Coronatus von Drummer Nicht wirklich. Aber die Szene ist doch überMats Kurth und Sänger George G.. Nach schaubar und daher findet man immer irvielem Besetzungs-Hin-und-Her war Ende gendwas. Z. B. hat Katja Piolka, die unser Art2004/Anfang 2005 das work gemacht hat, auch Konzept der beiden Frontschon für Atrocity gear„Ist die Dunkelheit frauen mit komplett unUnd Mats hat sanft erhellt, so kann sie beitet. terschiedlichen Stimmen in einer Band namens geboren. Sängerin Carmen unglaublich beruhigend Psychotron für einige R. Schäfer (klassischer Soausgeholfen und sein, wie das Seelenleben Gigs pran) kam damals schon dabei einen Bassisten von vielen Menschen.“ dazu. Das Line up hat sich (den Basti) kennengedann noch einige Male verlernt, welcher einige ändert, es wurde Keyboarder Fabi Merkt da- Zeit bei Alex Krull mitgespielt hat. Carmen zugeholt, und mit Rockstimme Ada Flechtner, und Mats haben außerdem durch ihre TätigBasser Chriz diAnno und Gitarrist Jo Lang ist keit bei Illuminate auf der Zwei Seelen-Tour das Line up heute endlich komplett und sta- die Sängerin Steffi Luzie von Atargatis ken- nengelernt, welche damals den Tour-Support gemacht haben. Jene Steffi singt außerdem bei Darkwell und dort trommelt auch der Moritz Neuner von Leaves Eyes. Womit sich der Kreis zum Atrocity Clan dann wieder geschlossen hat, kompliziert was? Jedenfalls würden wir sehr gerne mal mit Leaves Eyes touren oder mit der Schwester von Liv (Midnattsol). Wofür steht „Lux Noctis“? Nun, „Licht der Nacht“. Das ist durchaus symbolisch gemeint. Eine vollkommene Dunkelheit oder Leere wird von den meisten Leuten als unangenehm empfunden, stellt Stillstand und Ende dar. Ist die Dunkelheit dagegen sanft erhellt, so kann sie unglaublich beruhigend und hoffnungsvoll sein. So etwas gilt auch für das Seelenleben von vielen Menschen. Ein Licht in der Nacht bedeutet also Hoffnung – versuchen, positiv zu denken, auch wenn man manchmal meint, die ganze Welt gegen sich zu haben. Und letztlich ist es auch eine freie Übersetzung unseres Titelstücks „Silberlicht“, das man auf unserer Website Probe hören kann. Ihr singt in drei Sprachen. Nach welchem Kriterium wird die Sprache eines einzelnen Songs ausgewählt? Und warum gerade Latein? Bei den Songs auf Deutsch und Englisch ist das einfach so passiert. Kein tieferer Sinn. Manches klingt einfach in der einen Sprache besser als in der anderen und man bedient sich dann automatisch derjenigen, in welcher man die meisten Einfälle hat. Bei unserem Song auf Latein war das allerdings geplant. Wir haben einen alten lateinischen Text aus einem Gedichtband vertont. Eine Ode an die Wirtshäuser dieser Welt. Requiem Tabernam. Welche musikalische Vorbildung haben eure beiden Sängerinnen? Carmen hat eine klassische Gesangsausbildung und spielt live an manchen Stellen auch E-Gitarre, Ada dagegen hat eine natürliche Rockstimme und hat auch Klavier spielen gelernt. Wie entstanden die Songs eures Debütalbums? Teamwork? Ja! Die Hauptidee kam meist von einer Person, aber alle anderen sind und waren dann aufge- fordert, sich selbst einzubringen mit eigenen Ideen. Jedenfalls sind wir davon überzeugt, dass diese Arbeitsweise für uns die kreativste und effektivste ist. Zwei Sängerinnen – bedeutet das nicht automatisch einen ständigen Konkurrenzkampf? Das kommt auf die Charaktere der Beteiligten an. In den früheren Besetzungen war das zum Teil tatsächlich so. Vielleicht, weil es noch nicht so wirklich verinnerlicht war, dass das neue Konzept der beiden Frontfrauen auch wirklich auf Dauer angelegt war. Aber mit Carmen und Ada haben wir jetzt zwei Frontfrauen, die sich nicht nur musikalisch wunderbar ergänzen, sondern sich auch bestens verstehen. Das ist unglaublich angenehm. Ihr kombiniert eure Gothic Metal Vision mit klassischen Vokalisen und sinfonischen Elementen. Gibt es musikalische Vorbilder aus der Klassik? Wir mögen solche Sachen, klar! Hauptsächlich aus dem Barock und der Romantik, aber bestimmte Komponisten, welche uns besonders beeinflusst haben, können wir da nicht nennen. Mit Sicherheit werden wir auf diesem Feld aber weiterhin experimentieren. Gothic Metal braucht einfach ein gewisses Maß an Bombast! Jawoll! Textlich bewegt ihr euch in einer weltentrückten und lyrischen Sprache zwischen Engeln und Fabelwesen. Ist euch diese Gegenwelt zur Realität ein künstlerisches Anliegen? Diese Themen stellen nur einen Teil der Texte dar, meist bei den etwas älteren Songs, wie „Volles Leben“. Die neueren Texte befassen sich mehr mit den menschlichen und seelischen Anliegen, z. B. „Ich atme Zeit“. Aber das Spielen mit der Sprache ist in jedem Fall etwas, was uns sehr gefällt. Da halten wir es übrigens ein bisschen wie Johannes bei Illuminate. Wir versuchen, unsere Texte nicht zu deutlich zu erklären. Denn das tötet die Fantasie der Hörer. Manche wären vielleicht enttäuscht, weil sie sich zunächst etwas ganz anderes darunter vorgestellt haben und das Stück deshalb geliebt haben. Und dann kommt da einer und sagt, es geht um was ganz anderes oder so. Wenn man alles erklärt, verschwindet bei ei- „Lux Noctis“ VÖ: 21.09.07 nigen das Gänsehaut-Gefühl. Aber genau darum geht es doch. Die instrumentale Ballade „Winter“ scheint das Album in zwei Hälften zu trennen? Wie würdet ihr den Aufbau des Albums beschreiben? Das ist wohl eher Zufall. Tatsächlich haben wir versucht, ein einigermaßen ausgewogenes Verhältnis zwischen schnelleren Songs und Balladen bei der Platzierung herzustellen. Ist es nicht schwer, im Zeitalter von Nightwish und Krypteria als Newcomer mit weiblichen Vocals im Gothic Metal Feld anzutreten? Na ja, Nightwish haben ja jetzt keine klassische Sängerin mehr. Nein, im Ernst, als Newcomer ist es immer schwer, überhaupt mal zur Kenntnis genommen zu werden. Aber die Tatsache, dass wir weibliche Vocals haben, ist kein besonderes Erschwernis an sich. Hätten wir z. B. die Kombination männliche Growls und weibliche Vocs, dann würde man das auch schon kennen, von Crematory oder frühen Sirenia etc.. Und nur männliche Vocs? Der Metal ist voll davon. Nein, es kommt auf die Mischung an! Und wir möchten mal behaupten, dass unsere beiden Frontfrauen mit ihren komplett unterschiedlichen Stimmen tatsächlich ein kleines Novum in der Szene darstellen. Delest www.coronatus.de 39 Was lange währt Es ist ruhig geworden um eines der traditionellsten Subgenres schwarzer Musik – den kraftvollen, tiefgehenden, ebenso gefühlvollen wie mitreißenden Gothic Rock. Natürlich, da sind die großen Namen, aber nichts kommt nach, um das Genre wieder zu beleben – nichts? Halt! Die Hoffnung auf Erlösung von der sternenlosen Leere im GothRock-Himmel versprechen Rozencrantz mit ihrem am 12. Oktober erscheinenden Debütalbum „Salvation“. Nicht nur die Stimme, sondern vor allem auch das charismatische Gesicht der Band ist Frontmann Skye, dessen Charme bereits in den vergangenen Monaten junge Mädchenherzen hat höher schlagen lassen – auf der weltweit größten Online-Community Myspace sind Rozencrantz eines der heißesten Eisen, mittlerweile gibt es bereits Fansites und -clubs in allen Teilen der Welt. Ich treffe Skye für das Interview in einem kleinen, versteckten Park-Cafè. Mit sonorer Stimme erzählt der Frauenschwarm über die Anfänge von Rozencrantz: „Wir kennen uns seit mehr als einem Jahrzehnt und waren über diese Zeit hinweg, teilweise gemeinsam, teilweise mit anderen Musikern immer in Bandprojekten aktiv. Über die Jahre hat uns unsere tiefe Verbundenheit zur Musik immer näher zusammenrücken lassen, was schlussendlich die Geburtsstunde von Rozencrantz war.“ Beiläufig streicht sich der hochgewachsene Sänger eine Haarsträhne aus dem Gesicht, und letzte Lichtstrahlen spiegeln sich in seiner schwarzen Sonnenbrille. Wie kamt ihr auf den Bandnamen und seine ungewöhnliche Schreibweise? „Der Rosenkranz“, so Skye, „ist ein Symbol des Glaubens. Er ist ein Werkzeug, um Ängste zu bewältigen und persönliche Träume zu fokussieren. Das Konzept der ‚Gebets-Perlen’ ist ein sehr alter Ritus, der sich durch die Kulturen der Jahrtausende zieht wie ein roter Faden. Der uns bekannte Rosenkranz ist im Grunde nur ein verwässertes Bild von der Macht der Suggestion. Wenn wir Musik machen, pflegen wir eine Verbindung zueinander, sie ist wie ein Werkzeug mit 40 dem wir uns definieren. Wir leben und musizieren in einer Symbiose, der Kranz ist unser Zufluchtsort. Mit der Schreibweise haben wir Rozz Williams geehrt, dessen Musik uns alle inspiriert.“ „Wo wir bereits bei Namen und ihren Ursprüngen sind“, frage ich, „ist der Name Salvation – „Erlösung“ – nicht etwas hoch gegriffen für ein Debütalbum?“ Skye schmunzelt. „Überhaupt nicht. Die Fertigstellung des Albums hat so viel Zeit, Energie, Nerven und manchmal auch mehr gekostet. Das Material, an dem wir so lange gearbeitet haben, jetzt endlich fertig zu hören und veröffentlicht zu und treten mit neuen Perspektiven aus ihr hervor. Wir haben im Schaffungsprozess der Platte Kontakt zu vielen Menschen aus allen Ecken der Welt au auen können und sind sehr froh darüber.“ Neben Carsten Klatte (Wolfsheim, Project Pitchfork) und Bruno Kramm (Das Ich) verleiht Model und Sängerin Evangeline Cooper (Shizuko) mit ihrem Gesang der Platte hier und da wunderbar weiche Akzente – wie kam diese Kooperation zustande? „Wir kennen Eve bereits einige Jahre“, erklärt wissen, das ist für uns eine Erlösung und die Absolution, auch wieder Neues entstehen lassen zu dürfen.“ Für „Salvation“ haben Rozencrantz mit zahlreichen Künstlern zusammengearbeitet, unter anderem mit der russischen Künstlerin Aminess, welche die Bilder für das Artwork entworfen hat, bis hin zu Remixern aus aller Welt. Wie kam es zu dieser insgesamt sehr internationalen Zusammenarbeit? Skye: „Das Internet bietet uns heute wunderbare Möglichkeiten mit Menschen aus aller Welt in Kontakt zu treten. Im Idealfall wachsen wir alle an einer Zusammenarbeit Skye, „und irgendwann mussten wir einfach etwas zusammen machen! Neben kurzen Passagen in verschiedenen Songs hat Eve auch einen Song komplett mit Lyrics und Gesang versehen, und was dabei entstanden ist, passte einfach so gut in das, was wir mit der Platte erzählen, dass dieser Song Teil des Albums werden muss- te.“ „Salvation“ bietet ein sehr breit gefächertes musikalisches Spektrum, von schnellen Rocknummern über gefühlvolle Balladen bis hin zu leicht elektronisch angehauchten Stücken. Warum diese Ausschweifungen in so unterschiedliche Richtungen? „Nun…“, Skye lehnt sich zurück und lässt den Blick kurz über die anderen Tische des kleinen Cafés schweifen, von denen wir schon seit Beginn des Interviews immer wieder neugierig gemustert werden, „… das passiert ganz natürlich. Die Emotion bestimmt den Song, und nicht umgekehrt. Wir stellen uns alle sehr unterschiedlichen Emotionen und Situationen, und empfinden und verarbeiten diese sehr unterschiedlich. Das spiegelt sich dann natürlich auch in der Vielseitigkeit der Musik wider.“ Das Album beinhaltet einen Multimedia-Teil mit Fotogalerien und zwei Videos von Songs der Platte. Warum dieser Aufwand für das erste Album? „Wie bereits gesagt, zeigt diese Platte einen Teil der Geschichte der Mitglieder dieser Band. Die Videos sind genauso Teil des Prozesses der Verarbeitung wie die Songs selber, sie geben ein visuelles Bild unserer Empfindungen wieder, das mehr Einblicke bietet als die reine Musik.“ Nach kurzem Überlegen fügt Skye noch hinzu: „In einer Zeit, in der Menschen eine Menge Geld für Alben ausgeben auf denen kaum Musik zu finden ist, war es für uns ein großes Verlangen, den Fans gleich mit dem ersten Album mehr bieten zu können.“ Das Design des Albums ist im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen in der Gothicszene sehr hell „Salvation“ gehalten, warum? Skye: „Her walk gets slower“ ist „Das Design der Platte geprägt von wahrer Schönheit folgt, glaube ich, dem und Romantik. Ein Song voller Inhalt und dem Sinn, Ästhetik und Eleganz, geschaffen den das Album für uns um der alltäglichen Welt voller hat. Da dieses Album Grausamkeiten zu entfliehen. einen sehr langen Zeitraum unseres Lebens In dem Song „Fareza“ geht es widerspiegelt, sind in um die Göttin des Glücks, die dir den Stücken viele Geein Leben voller Schönheit schenkt, fühle und Erfahrungen doch am Ende den ultimativen Preis verarbeitet, die wir dafür fordert. Dem Tod mit einem vielleicht lieber nie gelachenden Auge zu begegnen, habt hätten. In gewisser das ist das Geschenk, das sie uns Weise wäscht ‚Salvatimacht. on’ uns rein, daher das „Sweet Desire“ erzählt von der eher helle Design.“ Was Zeit, als Skye im Klosterinternat zur erwartet die Fans nach Schule gegangen ist. der VÖ des Albums am 12. Oktober? „Wir haDie intensiven Erfahrungen ben über Myspace einen verarbeitet er in einer emotionalen Remix-Wettbewerb geAchterbahnfahrt. startet, bei dem bereits „In these arms“ handelt einige tolle Remixe hevon Liebesbeziehungen, die rausgekommen sind. Es ist faszinierend, von jedem Kontinent der Welt haben wir be- reits mindestens einen Remix bekommen. Zwei der Mixes haben es aufs Album geschafft, und wir planen eine separate Veröffentlichung der Stücke im Web, um unseren Fans noch mehr zurückgeben zu können. Auch wollen wir viel live spielen, um als Musiker für unsere Fans präsent zu sein. Die Nähe zu den Menschen, die sich die Zeit nehmen, unsere Konzerte zu besuchen und mit uns das erleben, was wir in uns tragen, ist wichtig für uns alle. Ihr seid herzlich eingeladen unsere Record Release Shows im Oktober zu besuchen, bitte schaut auf unsere Myspace-Seite, um die aktuellsten Tourdaten zu erfahren.“ Skye und ich genießen noch ein wenig den Sonnenuntergang und der charismatische Rozencrantz-Frontmann erzählt mir während dessen noch etwas mehr über die Hintergründe der einzelnen Songs. Ich kann es kaum erwarten, die Jungs im Oktober live zu sehen. „Salvation“ war die viele Arbeit und das Herzblut wert, das Album ist ein kleines Meisterwerk geworden. Candice www.myspace.com/rozencrantz als Zufluchtsort dienen, um die Kälte und den Hass der Welt zu bewältigen. Skye hat sich erst kürzlich einer schmerzhaften Trennung gestellt. „Dissolve“ bedeutet für die Band einen entscheidenden Schritt in eine von allen Fesseln befreite Zukunft. Es werden alte Wunden geheilt und alles was krank macht, wird verbannt. „1000 Knights“ beleuchtet die Faszination der Leidenschaft. Ein Kuss der richtigen Frau kann ein Königreich zerstören und alles bisher Erlebte in den Schatten stellen. „Forsaken“ ist ein Gefühl von brutaler Freiheit, voller Gewissheit, dass der Tod nur der Anfang einer langen Reise ist. Wer sich von allem Guten und Bösen verlassen fühlt, der kann sich in dem Song sehr gut wiederfinden. 41 Fiktive Mysterien Die Hörspielreihe „Die Schwarze Sonne“ verwebt eine Mischung aus Fakten und Fiktion zu einem beängstigenden Mix aus Detektiv-, Horrorund Mystery-Thriller. Unter Einbeziehung von historischen Größen aus Politik, Wirtschaft und Kunst wird ein phantastischer Bogen geschlagen, der bekannten Phänomenen und Ereignissen völlig neue Begebenheiten zugrunde legt. Die 1911 erschienene Gothic Novel „The Lair of the White Worm” von Dracula-Erfinder Bram Stoker war die Inspiration zur ersten Folge von „Die Schwarze Sonne/Das Schloss der Schlange“ von LAUSCH. Günter Merlau, Geschäftsführer und kreativer Kopf des bereits mehrfach preisgekrönten Labels, hat Stokers letzten Roman zu einem schaurigokkulten 77 Minuten Hörspiel verarbeitet. Während in „Böses Erwachen“ die beiden Hauptfiguren, der junge Adam Salton und sein Mentor Nathaniel De Salis, durch Rückblenden näher beleuchtet werden, erfahren wir von Toren in eine unterirdische Welt und gottgleichen Wesen. Sommer 2007 legt LAUSCH nochmals zu: Mit den beiden gleichzeitig erschienenen Teilen „Weißes Gold’ und „Vril“ jagen unsere Helden nicht mehr nur im 19. Jahrhundert hinter mächtigen Artefakten und dämonischen Göttern her. Die Ereignisse spielen teilweise auch im Dritten Reich, als sich Nazis die Universalkraft Vril nutzbar machen wollen. In der Gegenwart stößt eine deutsche Forschungseinrichtung auf die gleichen Spuren. Hinter allen Vorgängen stehen natürlich die Tore und die Wesen dahinter. Die Hauptrolle Adam Salton verkörpert Christian Stark, der seine erste Rolle schon mit zarten acht Jahren 42 hatte und „Der kleine Vampir” war. Zuletzt war er bei den Perry Rhodan Hörspielen von Lübbe Audio zu hören. Harald Halgardt, CharakterSchauspieler aus DEFA-Zeiten, leiht seine charismatische Stimme dem geheimnisvollen Nathaniel De Salis. Als Jules Verne, ebenfalls ein Mitstreiter gegen die Mächte jenseits der Tore, ist Konrad Halver zu hören, Produzent und Sprecher bei den legendären EUROPA-Hörspielen. Die schwarz-romantische Erzählung wird passend von schweren Streicherklängen umrahmt. Dazu gibt es natürlich eine Soundkulisse, die das berühmte Kino im Kopf entstehen lässt. Wie andere LAUSCH-Produktionen wendet sich die Serie durch ihre Komplexität an Erwachsene. Außerdem geht es zwar meist britisch-zivilisiert zur Sache, nur wenn die Grenzen zu anderen Dimensionen aufgestoßen werden, kann einem Protagonisten schon mal das Fleisch von den Knochen fallen – nichts für Kinderlein. Wo andere Serien das Tempo verlieren, gibts bei „Die Schwarze Sonne“ in jeder Folge neue Mysterien. Die Geschehnisse in mehreren Zeitabschnitten würden sonst für drei Serien reichen. Für Fans von phantastischer Literatur a la H.P. Lovecraft oder Graphic Novells wie „Hellboy“ wahrscheinlich derzeit die beste Hörspielkost. Monika R th www.merlausch.de THE WORLD DOMINATION Zeit für Helden „Heat“ heißt das Debütalbum der zwei durchgeknallten Protagonisten von The World Domination 666Val und Ringo.Fire, und vereint die coolsten Stilistiken der letzten 40 Jahre auf einem Silberling. Wie sich das anhört? Es animiert zum Mitgrooven und hat trotzdem inhaltlich weit mehr zu sagen, als so manch hüftschwacher Elektroglamour der Gegenwart. Nicht umsonst hat sich auch die 90er Dancefloorikone Adamski von dem Virus der nach der Weltherrschaft strebenden Musiker infizieren lassen, um sich dann hinter die Regler zu begeben. Die musikalische Positionsbestimmung scheint nur für Schubladenfetischisten schwierig. TWD: Wir sind, auch wenn das manche noch nicht begreifen, eine endemische Entität. Was für den flüchtigen Blick wie ein „Beackern von musikalischen Terrains“ klingen mag, wirkt aus unserer Sicht sehr homogen, logisch und ist tatsächlich eine einzige und einzigartige Musikrichtung, der wir den Arbeitstitel „Elektro Glam“ gegeben haben. Wir gehören also sowohl zur NeoPopszene als auch zur Rockszene oder zu der Szene, zu der wir eben gerade gehören wollen. Eigentlich schweben wir aber über allen Szenen. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Adamski? Wir trafen uns bei einem gemeinsamen Booking und gaben ihm unsere CD (wir sind oft sehr großzügig). Eine Woche darauf rief er begeistert an. Es stellte sich heraus, dass uns ähnliche musikalische Ansätze verbinden. Ein paar Gespräche später fanden wir uns zusammen im Studio wieder. Er nennt sich jetzt übrigens Adam Sky. Eure Visuals kombinieren den Glam der 70er mit dem kühlen Gegenwarts-Chic des Latex. Ist die Extrovertiertheit Teil eures Selbstverständnisses? Ja, absolut, wenn auch Latex und sein kühler GegenwartsChic nicht gerade eine große Rolle spielen. Dann eher der animalische Charme des Leders. Wobei du richtig analysiert hast, wenn du meinst, dass in unserer Optik, genau wie in der Musik, Vergangenes und Utopisches zu einer speziellen Melange finden. Zurück zur Extrovertiertheit. Wir sehen es als obligatorisch an, den uns gegebenen Platz in der Aufmerksamkeit des Zuschauers möglichst effektiv auszunutzen und nicht mit Dingen, die uns z. B. als lahm, pseudobedeutsam oder opportunistisch erscheinen, zu verschwenden. Das ist unser Arbeitsethos. Das Album selbst hat einen trockenen, knackig-synthetischen Charme. Live seid ihr eher eine Rockband. Sind Studio VÖ „Heat“: 14.09.07 und Bühne bewusst zwei Welten für euch? Es sind nun mal zwei völlig unterschiedliche Arbeitsplätze. Das Studio ist eher ein Ort für Konzeptionen, Feinschliff und gerne auch Diskussionen, während auf der Bühne der Moment regiert, man muss ohne Verzögerung oder zweite Chance eine Energie generieren, von der das Publikum und auch man selbst mitgerissen wird. Insofern sind es zwei Welten, aber eher im Erleben als in einer vorher bewusst herbeigeführten Trennung. Soundmäßig würde ich das auch gar nicht so sehen. Wer sind eure musikalischen Helden, die euch am ehesten geprägt haben? Kiss, Kraftwerk, Kurt Kress, Cramps. Von LMO, Iggy Pop, Tim Warren, The Seeds, Ohio Players, Dirtbombs. Und natürlich Northern Lite, haha. Lebt ihr eure Kunstfiguren 666Val und Ringo.Fire auch im Privaten aus? Interessante Frage. Elvis hat mal gesagt: „Somebody said: The world’s a stage, and each must play a part.“ Mit diesem „Somebody” meinte er Shakespeare. Sprechen wir uns privat mit „Hey 666!“ und „Was gibt’s, Ringo?“ an? Nein. Oder jedenfalls nur selten. Wir können im Bandzusammenhang natürlich nur einen Bruchteil unserer wirklichen Persönlichkeiten, die so vielschichtig wie die der meisten Menschen ist, nach außen tragen, dennoch sind wir realer, als es erscheinen mag. Wir leben uns selbst auf der Bühne aus, der Begriff „Kunstfigur“ ist eigentlich nicht angebracht. Gert Drexl www.myspace.com/theworlddomination 43 EISENFUNK Aus der Deckung Wenn ein ehemaliger Mittelaltermusiker und Uniformfetischist seinen Dudelsack gegen einen Synthesizer tauscht, aus dem beschaulichen München kommt und proamerikanische Sprachsamples zu geballten Geschossen gegen Propaganda, Volksverdummung und den Irakkrieg formuliert, dann müssten im erzkonservativen Bayern eigentlich längst sämtliche Alarmglocken der Antiterroreinheiten des Verfassungsschutzes läuten. Das Erfolgsrezept indes ist bewährt: Instrumentale Elektro-IndustrialGranaten und melodiöse Leadsounds machen Eisenfunk zum Elektronewcomer des Monats. Thematisch behandelt euer erstes Album viele Samples aus Zeiten des Kalten Krieges, als die nukleare Bedrohung in verniedlichter Form durch die westlichen Medien huschte. Was bezweckt ihr mit dieser Art Wochenschau-Rückblick? „Verniedlicht” ist ein guter Begriff, denn die die Filme aus den 50er und 60er Jahren waren damals bitterernst. „Duck and Cover“ war beispielsweise ein Lehrfilm für Grundschulen, in dem den Kiddies natürlich eine 44 Comicfigur die Grundlagen des Verhaltens im Ernstfall zeigen soll. Das wirkt aus heutiger Sicht skurril, aber damals war der breiten Masse nicht bekannt, was eine nukleare Explosion bewirkt. In „Funkferngesteuert” stellen wir den amerikanischen Präsidenten der alten Wochenschau gegenüber und die Parallelen der Propaganda sind dabei mehr als deutlich. Wenn man an den Beginn der Irakkrise zurückdenkt, dann fällt einem sofort die Powerpoint Präsentation ein, mit der die USA die UN beeinflussen wollten. Der Unterschied zum skurrilen „Duck and Cover” verschwindet und es ergibt sich eine Antwort: Die Propaganda ist allgegenwärtig. Früher war es hierzulande das Propagandaministerium, heute sind es verschiedene Individuen, die geschickt die Massenmedien benutzen. „Eisenfunk“ VÖ: 05.10.07 Harschen Elektrobands wird oft ein etwas menschliche Stimme ist so was wie ein „Fiapolitischer bis brauner Einschlag nachge- nalizer”, das Tüpfelchen auf dem “i”. Alte sagt. Wie steht ihr dazu? Aufnahmen aus den 50er und 60er Jahren haWir sind weder links, noch rechts, noch bezie- ben es uns dabei besonders angetan. Der alte, hen wir irgendeine polianaloge Radiosound ist eintische Stellung. Ich finde „Aber natürlich sind wir fach unerreicht geil und die es einfach nur schade, von damals hatten Militärfetischisten und Sprecher dass viele Bands und ein prima Taktgefühl. lieben Uniformen.“ deren Fans in die rechte Ecke gedrückt werden. Ihr stammt aus München, Letztendlich ist die Oberflächlichkeit der Rech- das in der deutschen Szene nicht wirklich ten, der Linken und auch der Menschen, die als schwarze Hochburg bekannt ist, erst uns in eine rechte Ecke recht nicht im Elektro, der vor allem im Osstellen wollen, dieselbe. ten oder im Ruhrgebiet stattfindet. Hat euch Aber natürlich sind wir dieses Exil erst recht angestiftet, Eisenfunk Militärfetischisten und zu realisieren? lieben Uniformen, sehen Aber freilich, somit sind wir alleinstehende, ja auch schließlich genial königlich bayrische Hofelektros und kämpfen aus die Dinger. Aber mit gerade mit den Behörden darum, die Resi„Rechts” oder „Gewalt- denz mit Bauschutt aufzufüllen und Gelb/ verherrlichung” hat das Schwarz zu streichen. Die Münchner Szene nichts zu tun, eher mit ist klein und familiär und hat dadurch ihren einem fundierten Uni- eigenen Charme, allerdings kommen wir als formfetisch. Elektros gerade musiktechnisch eher zu kurz. Wir würden uns auch eine größere ElektroInstrumentale Musik szene in München wünschen. Wir genießen leidet oft unter der Ab- jedenfalls unsere Aufenthalte im Ruhrpott senz der Individualität, und im Osten, denn die Elektroszene ist dort dem Fehlen der Stimme. einfach nur geil und wir haben dort jedes Wie versucht ihr, diesen Mal mächtig viel Spaß, mit netten Leuten, bei Charakter zurückzuge- guter Mucke. winnen? Gert Drexl Durch Samples. Die www.myspace.com/eisenfunk Sie lassen den guten Ton in die Konzertsäle zurückkehren. Fünf elegante Herren geben sich in Gehröcken die Ehre. Ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert erschienen, ließ die klassischen Musiker am 18.Juni 1815 ein dauerhafter Stromschlag ungebührlich laut werden. Mit mysteriösen Tonwerkzeugen in den Händen verbreiten sie nebst Butler glückselige Hysterie. Amüsante Antworten zum neuen Album „Time-Zeit“ geben le Compte Caspar, Max Coppella und Sissyvoss. Auch der bandeigene Historiker und Biograf Coppelikus sowie der coppelianische Minister für Welthenruhm schalten sich in das Interview ein. Butler Bastille serviert derweil Absinth. Wie sahen Ihre Konzerte vor 200 Jahren aus? Verhielt sich Ihr Publikum damals zurückhaltender als heute? le Comte Caspar: Das werthe Auditorium war um mehr Sitte bemüht. Jedoch ließ sich diese Fassade meist nicht lang aufrechterhalten, und den Sturm der Begeisterung und Euphorie kann sich heutzutage niemand mehr vorstellen. Fehlt Ihnen etwas in der heutigen Zeit, was früher anders war? le Comte Caspar: Früher bekamen wir Unmengen an Briefen und persönlichen Besuchen von Fanatikern. Heutzutage macht sich kaum jemand die Mühe, einen Brief zu schreiben, oder persönliche Aufwartung zu machen, man verlässt sich auf neumodische galvanische Wege, das Gespräch zu finden. Da wir uns aber noch nicht zur Anschaffung einer Telegraphieanlage durchringen konnten, haben wir tatsächlich viel weniger Post zu beantworten als noch vor 100 Jahren. COPPELIUS Damals und heute meisten von einem deftigen Theaterbrand nicht verschont! Wie schätzen Sie Ihre Fans ein? le Comte Caspar: Unsere Fanatiker? Es hat wissenschaftliche Studien dazu gegeben, dass eben diese Herrschaften nachweislich einen überdurchschnittlich guten Musikgeschmack besitzen! Max Coppella: Sie sind überaus gebildet, aus allen Schichten kommend, geduldig, intelligent, hervorragend gekleidet, leidenschaftlich und außerordentlich hübsch anzusehen. Ihr Musikstil wird als Kammer-Metal bezeichnet. Wie würden Sie selbst Ihren Stil beschreiben? Coppelikus: Wenn ich mich hier kurz einschalten dürfte: Als Historiker und Biograf der Herren Coppelius muss ich Sie hier korrigieren: Die Musik der Herren wird als Kammer-Core bezeichnet. Wenn Sie sich einen beliebigen Ort für ei- Sissyvoss: Am Ende ist dies dennoch nur eine nen Auftritt aussuchen könnten, welcher annäherungsweise ergiebige Bezeichnung. Denn eine Kategorisierung unwäre das? „Unsere Fans sind überaus seres Musikstils erübrigt Max Coppella: Es gibt wohl kaum einen ge- gebildet, aus allen Schichten doch niemals den Konzertbesuch. Deshalb sei eigneteren Ort als ein kommend, geduldig, dem werthen Leser dieser wunderschönes Theater, intelligent, hervorragend Zeilen ans Herz gelegt: obwohl wir schon einige gekleidet, leidenschaftlich Verschaffen Sie sich eibespielten, so zieht es mich immer wieder da- und außerordentlich hübsch nen eigenen Eindruck der coppelianischen Raserei. hin! Leider blieben die anzusehen.“ Auf dem neuen Album „Time–Zeit“ gibt es sowohl englische als auch deutsche Texte. In welcher Sprache fällt es Ihnen einfacher, Texte zu schreiben? Wer schreibt bei Ihnen die Liedtexte? Max Coppella: Nachdem wir vor wenigen Jahrzehnten erfuhren, wie schön sich die englische Sprache eignet für die äußerst komplexen Gesangspassagen unserer Musik, nahmen wir uns einen Hauslehrer, der uns das englische Alphabet beibrachte. Sofort danach waren wir allesamt zu großen Taten bereit. Mit dem Albumtitel „Time–Zeit“ assoziiert man Begriffe wie Ewigkeit, Endlichkeit und Vergänglichkeit. Was bedeuten diese Worte für Sie? le Comte Caspar: Es ist eine Mahnung, dass jedem von Ihnen, werthe Leser, die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt, und bald nicht mehr viel übrig sein wird! Wird es in naher Zukunft eine Tour geben? der coppelianische Minister für Welthenruhm: Es gibt immer Konzertreisen, nur erfährt nicht immer jedermann davon. Auf den galvanischen Seiten von Coppelius im weltumspannenden Netz würde man dies aber können, es ist also möglich, noch in dieser Epoche Coppelius zu erleben! Diana Schlinke www.coppelius-band.de „Time-Zeit“ VÖ: 21.09.07 45 Schwedischer Elektro-Pop vom Feinsten Schweden hat im Elektro-Pop-Bereich bereits einige gute Künstler vorzuweisen. Man denke nur an Covenant, die mit ihrem Future-Pop eine feste Größe in der Musiklandschaft darstellen. Nun schickt sich eine weitere schwedische Band an, nach ersten Erfolgen in ihrer skandinavischen Heimat auch hierzulande weitere Fans für sich zu gewinnen. Michigan sind mit den beiden Vorgängeralben „Graceful and in Sin“ und „Ultimate Sky“ in Insiderkreisen schon seit längerer Zeit ein Geheimtipp. Nun will sich die Band, bestehend aus Sänger Peter Ehn und den beiden Keyboardern Jonas Öberg und Jesper Ljungberg, mit ihrem dritten Album „Pulse of Pain“ und der vorab erschienen Single „The Nomad“ einem breiteren Publikum vorstellen. menten herum. Dann hatte ich die Idee, aus Spaß selber einmal ein paar Songs zu schreiben. Da war ich ungefähr 13 oder 14 Jahre alt. Peter und ich sind schon seit unserer Kindheit beste Freunde. Als wir Jesper trafen, beschlossen wir, es alle zusammen einmal als Band zu versuchen. Da waren wir alle schon um die 20. Zu dieser Zeit haben wir noch keine konkreten Sachen gemacht. Das entwickelte sich erst um das Jahr 2000 herum, als wir immer mehr in dem Gefühl bestärkt wurden, gute Songs schreiben zu können. Im Jahr 2002 habt ihr den Musikwettbewerb „Quest of Fame“ in Schweden gewonnen, aus dem euer heutiger Plattenvertrag mit Memento Materia resultierte. Hat sich euer Leben seitdem verändert? Ist eure Arbeitsweise heute eine andere, verglichen mit der Zeit, als Musik für euch noch ein Hobby war? Kannst du Michigan einmal kurz vorstel- Unser Leben hat sich gar nicht so len? sehr verändert. Wir gehen ja auch Jonas: Michigan besteht aus Jesper, Peter und nach wie vor unseren Berufen mir. Wir kommen aus Motala in Schweden. nach. Etwas, das sich verändert Das liegt zwischen hat, ist, dass Stockholm und Gönun mit „Wir haben schöne Melodien, wir teborg. Wir sind mehr Selbsteinen großartigen Sänger alle anfang 30 und vertrauen an machen schon seit und wir versuchen, jedes Lied alles heranunserer Kindheit gehen. Jeder einzigartig zu machen.“ Musik. Nicht gleich versucht von Beginn an zusich mit seisammen als Band, aber die Liebe zur Musik nen Stärken bestmöglich in die hat uns allesamt geprägt. Im täglichen Leben Gruppe einzubringen. haben wir alle unseren normalen Beruf, was aber nur halb so viel Spaß macht, wie in einer Ihr seid erst sehr spät zu dem Band zu sein und live aufzutreten. Entschluss gekommen, dass Peter den Gesangspart in der Band Anfang der 90er habt ihr eure gemeinsame übernehmen soll. Warum habt Vorliebe für elektronische Musik entdeckt. ihr diese Entscheidung so lange Wer von euch hatte als erstes die Idee, eine herausgezögert? Ist nun genau Band zu gründen und selber Songs zu festgelegt, wer welchen Part in schreiben? der Band übernimmt oder wechDas kam eigentlich ganz von selbst. Während selt das? Wer ist für die Texte und unserer Teenagerzeit probierten wir nur ein das musikalische Arrangement wenig mit Keyboards und anderen Instru- zuständig? 46 Der Grund, warum wir uns lange nicht darüber einigen konnten, wer von uns singt, war, dass keiner wirklich wollte. Aber letztlich waren wir uns dann doch alle darüber einig, dass Peter die beste Gesangsstimme für unsere Musik hat. Im Moment schreibe ich alle unsere Songs, aber das kann sich auch jederzeit ändern. Wenn ein anderes Bandmitglied eine gute Songidee hat, kann dieses Lied natürlich auch auf einem Album erscheinen. Ich habe immer schon gerne Songs geschrieben, wenn ich alleine war. Die Melodien zu den Liedern entstehen beim Texten dann oft ganz von selbst. Eigentlich kommt ihr ja aus Schweden. Wieso habt ihr euch dann Michigan genannt? Habt Ihr eine besondere Beziehung zu dem Staat in den USA? (lacht)…Das soll unser Geheimnis bleiben. Wie würdet ihr jemandem, der euch nicht kennt, den Sound von Michigan beschreiben? Wir haben schöne Melodien, einen großartigen Sänger und wir versuchen, jedes Lied einzigartig zu machen. Dabei variieren wir jeweils bei Atmosphäre, Tiefe und Dynamik der Songs. ge sie uns irgendwie begeistern kann. Im Herbst seid ihr auf Deutschlandtournee mit De/Vision. Habt ihr zu deren Musik auch eine besondere Beziehung? Wie kam es zu der Zusammenarbeit? Eigentlich gibt es keine besondere Beziehung, außer, dass wir in den späten 90ern immer gerne und viel die Musik von De/Vision gehört haben. Über unsere deutsche Plattenfirma erfuhren wir, dass De/Vision uns gerne bei ihrer Tour dabei haben möchten. Ab September touren wir nun gemeinsam mit ihnen durch 14 deutsche Städte. Welche musikalischen Vorbilder haben euch in eurem Sound beeinflusst? U2, Björk, Placebo, The Killers, Mötley Crüe, Depeche Mode, Erasure, Kraftwerk, Goldfrapp, New Order, Marilyn Manson und natürlich die Elektrosze„Die musikalischen ne (ohne da jemanden Besonderes hervorheNeuerungen bestehen darin, ben zu wollen). Wir dass wir etwas erwachsener sind offen für alle Arten von Musik, solangeworden sind.“ Wie lang werden eure Auftritte sein und welche Songs werdet ihr spielen? Es soll noch nicht verraten werden, welche Songs wir spielen. Ich kann aber soviel sagen, dass es jeweils acht neue Lieder sein werden und vier „Oldies“ von den vorherigen Alben. Wir haben insgesamt 15 Songs im Gepäck, sodass wir von Auftritt zu Auftritt ein wenig variieren können. Wie lange habt ihr am neuen Album „Pulse of Pain“ gearbeitet und was sind die musikalischen Neuerungen im Vergleich zum Vorgänger „Ultimate Sky“? Die ersten Lieder des Albums habe ich im Sommer 2005 geschrieben. Das waren „The Gravity“ und „Pioneers“. Der letzte Song „Valley of Death“ entstand im März dieses Jahres. Die musikalischen Neuerungen bestehen darin, dass wir etwas erwachsener geworden sind. Arrangements und Melodien klingen insgesamt ausgereifter. Wir haben versucht, uns bei allem mehr ins Zeug zu legen. Es sind einige poppige Stücke dabei, aber auch ein paar sehr düster klingende Songs. Unsere Fans müssen sich darum auch keine Sorgen machen. Es wird auf jeden Fall ein bisschen Michigan für jeden Geschmack dabei sein. „Pulse of Pain“ VÖ: 05.10.07 Für die erste Single „The Nomad“ habt ihr zum ersten Mal auch ein Video gedreht. Wie hat euch der Videodreh gefallen? Was für eine Geschichte wird erzählt und wo sind die Aufnahmen entstanden? Der Videodreh war eine wirklich großartige Erfahrung für uns, weil wir so etwas noch nie gemacht hatten. Das Video wurde in unserer Heimatstadt Motala aufgenommen. Es handelt von dem schönen Gefühl, das man empfindet, wenn man abends nach Hause kommt und dort jemand ist, der auf einen wartet. Beispielsweise die eigene Frau oder die Familie. Ihr habt eine große Fangemeinde in Skandinavien und nun auch sicher bald in Deutschland. Was plant ihr für die Zeit nach eurer Deutschlandtournee? Werdet ihr noch in anderen europäischen Ländern auftreten? Das ist noch nicht sicher. Wir würden unsererseits gerne auch in Polen, Rumänien und Bulgarien in paar Konzerte spielen. Mal sehen, was die Zukunft bringt. Plant ihr auch, außerhalb von Europa bekannt zu werden? Beispielsweise in den USA? Im Moment noch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Ste hanie Riechelmann www.michigan.se www.myspace.com/michiganmusik 47 Krankhaft hasserfüllt Mancher mag es krank nennen, andere als kongeniale Mixtur aus Sadismus, krankhaftem Gewaltwahn und kreischenden Lärmkaskaden. Sicher ist, dass sich der Schmerzlevel, den die amerikanischen Dawn of Ashes auf ihrem neuesten Album erreicht haben, den Vorgänger um einige Grade übertrifft. Stellvertretend steht dieses Werk auch für die neue Qualität des amerikanischen Horrorelectros, der zwar seine Wurzeln im europäischen EBM-Industrial findet, jedoch in seiner Intensität weit darüber hinauswächst, ohne jedoch Atmosphäre und Abwechslungsreichtum zu vernachlässigen. Dawn of Ashes: Der neue Sound passt einfach besser zu uns und damit fühlen wir uns natürlich auch besser. Er entspricht jetzt mehr denn je der Horror- und Elektromusikszene und so dürfen wir, denke ich, unsere Musik auch Horrorelectro nennen. Jeder einzelne Song klingt anders, was meiner Meinung nach ein solides Album ausmacht. Was ist das Hauptthema des neuen Albums? Aus welchen Inspirationen heraus entstand das Album? Die Hauptthemen des neuen Albums sind Aggression und reine Wut. Wir wollen zeigen, dass elektronische Musik den Fans wirklich die Kraft geben kann, die sie suchen, um ihre Wut zu kanalisieren. Hauptsächlich ist das Album meine Art der Selbsttherapie, einen Weg all die Dämonen herauszulassen, sodass ich mich im wirklichen Leben nicht damit herumquälen muss. Wir hielten uns bei diesem Album überhaupt nicht zurück und wollten es so brutal und vulgär wie nur möglich gestalten. Atmosphäre und Brutalität sind eure treibenden Faktoren? Aggressivität und Wut sind die Haupttriebwerke dieser Band. Wir wollen das Blut zum Kochen bringen und diese Energie fühlen, die aus Hass und Angst entsteht. Ihr steckt sehr viel Mühe in die visuelle Umsetzung, sowohl für das Cover als auch für euer Erscheinungsbild. Inspirieren euch auch eure Albträume? Der visuelle Aspekt ist uns sehr wichtig. Der Look, den wir kreieren, soll so realistisch und schockierend wie möglich sein. Vor jeder Show verbringen wir Stunden, um zu kontrollieren, ob alle Spezialeffekte funktionieren und unser Make-up passt. Da sind natürlich unsere Albträume eine Art Richtschnur. In den letzten Jahren haben sich die größeren amerikanischen Industrialacts stark vom europäischen Einfluss gelöst. Was denkt ihr, woran das liegen könnte? Glaubt ihr, dass der amerikanische Underground mehr zu bieten hat, als die Europäer denken? Ich glaube, dass viele amerikanische Bands aus der traditionellen, europäisch inspirierten Szene stammen, sich aber langsam davon entfernen und ihren eigenen Weg finden. Die amerikanische Industrialszene wird größer und ich denke, das ist auch völlig verdient, denn hier hat eine Entwicklung stattgefunden, die sich stark von dem Vergangenen unterscheidet. Plant ihr eine Tour zum neuen Album? Wir planen eine USA-Tour dieses Jahr und 48 im Frühjahr 2008 eine Tour in Europa. Die ersten Termine stehen bereits. Wir versuchen, so viele Liveshows wie möglich für das neue Album zu machen. Welche Songs sollten sich neue Hörer als erstes anhören, um einen umfassenden Eindruck zu erhalten? Die besten Songs sind meiner Meinung nach „Still Born Defect“, „Torture Device“, „Portrait Of Homicide“ und „The Crypt Injection“. Ich lasse die Fans aber lieber ihr eigenes Lieblingslied finden. Vergesst nicht, euch am 21. September ein Album zu sichern! Wie darf man sich eine Liveshow vorstellen, die zu einer visuellen Terrorvision wird? Aurale Gewalt ist unser zentrales Thema und wir möchten schocken. Wir haben unseren Look zwischen totem Fleisch und teuflischem Metzger-Image aus alten texanischen Horrorfilmen adaptiert, denn wir wollen über das standardisierte Image einer Blutrauschband hinaus in eine wahrhaftige Horrorvision transformieren. Der Style passt wirklich gut zur Musik und wir sind alle stolz auf das, was wir machen. Marius Marx www.dawnofashes.com www.noitekk.de Ein Teppich geknüpft aus verschiedenen Garnen Schattenspiel, eine junge Formation aus der Lüneburger Heide kombiniert ihre tiefschwarze und deutschsprachige Lyrik mit musikalischer Vielfalt zwischen der Verinnerlichkeit klassischer Interpretation und eruptiver Rockelemente. Bisweilen sogar an das 70er Krautrock Projekt Ton Steine Scherben von Rio Reiser gemahnend, sind die Songs von Schattenspiel vor allem unkonventionell und öffnen die Pforten in ein reichhaltiges Sammelsurium gefühlsbetonter Seelenreisen. Die facettenreiche und inspirierende Bandbesetzung besteht seit September 2006 aus Andi (Voice & Akustikgitarre), Winni (Harfe & Bassgitarre), Stefan (Rhythmus & Sologitarre), Maik (Drums), Rebecca (Geige) und Chrissi (Keyboard), welche sehr großen Wert darauf legen, live durch ihre instrumentale Performance zu glänzen, anstelle ihre Songs nur vom Band abspielen zu lassen. Seit wenigen Wochen gibt es eine neue und endgültige komplettierte Konstellation der Band. Chrissi, die dem Aufruf der Schattenspiel-Homepage nach der Suche einer Keyboarderin kurzerhand gefolgt ist und die, aus einem Uniorchester entführte, Violinistin Rebecca vervollständigen das Line up auf der weiblichen Seite. Alle Mitglieder haben mehr oder weniger Band- und Konzerterfahrungen von vorherigen Projekten in der Szene zwischen Metal, Rock und Gothic sammeln können, die jetzt bei Schattenspiel auch durch das klassische Fundament des studierten Harfenisten Winni abgerundet werden. „Ich hatte die Harfe als Schwerpunkt in meinem Musikstudium und auch schon bei Musicals wie dem Phantom der Oper ausgeholfen, um somit immer tiefer in die ernstere Musik einblicken zu können.“ Die Texte werden zum größten Teil von René verfasst, welche hauptsächlich aus Erfah- rungen, Gedankenspielen und abseitigen Träumereien entstehen. „Das Stück ‚Drachenblut’ handelt zum Beispiel von der inneren Wut, die man häufig hat und nicht weiß, wie man mit dieser umgehen soll. Sowie es in ‚Ein Dämon Namens Liebe’ um eine ‚Verbotene Liebe’ geht, die man sich dennoch nicht nehmen lässt.“ Die instrumentierte Fassung der Songs versucht immer, dem textlichen Inhalt gerecht zu werden. Trotzdem versteht sich René nicht als Bestandteil der Livebesetzung der Gruppe und beobachtet deren Interpretationen immer mit einer gewissen kritischen Distanz. Dieser Blick auf das Ganze von Außen hilft ihm auch bei der Visualisierung des Covers und der Artworks für die Band. Der Szene fühlte man sich schon immer zugehörig, auch wenn so manche Experimente auch in härteren Rockgefilden stattfanden. Winni: „Auch wenn ich Klassik studiert habe, war mein erster musikalischer Anlaufort das Wacken. Seit drei Jahren bin ich auch begeisterter M’era Luna Besucher. Hoffentlich können wir dort auch einmal spielen.“ Die Stücke des Albumdebüts „Hassliebe“ vereinen so einen weit gefächerten Querschnitt von Klassik und Folk über Rock und Elektro, der vor allem auch in der an instrumentalen Minimalismus interessierten Neofolk-Szene für Aufsehen sorgen könnte. Zentral innerhalb der Arrangements steht die emotional vielseitige und wandlungsfähige Stimme Andis, der die teilweise sehr persönlichen Texte Renes verinnerlicht und quasi zu seiner eigenen Leidensgeschichte macht. Besonders liegen ihm dabei die ruhigeren Stücke der Band, die in zurückgenommener Instrumentierung besonders viel Platz schaffen, um die Wandlung innerhalb des Textes nachvollziehbar zu machen. Gerade hier entfaltet Andi sein wirkliches Geschick, denn so manch anderer Sänger würde an der Interpretation der textlichen Nahbarkeit scheitern. Zu erleben wird es die sympathische Band in der Zukunft häufig geben. Ein Besuch der Webpage lohnt sich auf alle Fälle. Jessica Jachowski www.schattenspiel-music.de www.myspace.com/schattenspielgf 49 13 Jahre Independent Dance Night Sie ist eines der Kultevents der Schwarzen Szene: Die Independent Dance Night. In der Kellertaverne des legendären „Vier Linden“, welche bis zu 400 Tanzwütigen Raum bietet, lädt die Independent Dance Night seit nunmehr 13 Jahren zum Feiern ein. Ursprünglich von DJ Dark und einem Co-DJ ins Leben gerufen, wurde die Party über etwa zehn Jahre von DJ Dark alleine getragen und von ihm zu einem der etabliertesten Szene-Events überhaupt ausgebaut. Die Indie Dance Night setzte einen enorm hohen Qualitätsstandard für Schwarze Partys mit gut gemischtem Programm und inspirierte weit über die Hildesheimer Stadtgrenzen hinaus auch andere DJs, ähnliche Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Und einen passenderen Ort als das „Vier Linden“, seit jeher der Szenetreffpunkt in Hildesheim, hätte es für eine einzigartige Party wie die Independent Dance Night auch nicht geben können. Das Linden ist bekannt und beliebt für Veranstaltungen unterschiedlichster Couleur, ob Mittelalterkonzerte, 80er-Party, Comedy und Cabaret – Vielseitigkeit ist hier Programm. Vor gut zwei Jahren holte DJ Dark für die Indie Dance Night den Newcomer DJ Moscito mit ins Boot, der bis dato im Base in Hannover hinter dem DJ Pult gestanden hatte. Mit dieser zugkräftigen Verstärkung geht die Indepen50 Kommende Termine: Samstag, 27.10.2007 Samstag, 17.11.2007, 13 Jahre Jubiläumsparty Vier Linden Hildesheim, www.vierlinden-hildesheim.de dent Dance Night nun ins 13. Jahr ihres Bestehens, und dies wird am 17. November mit einer zünftigen Jubiläumsparty gefeiert. Ist die Dance Night generell für ihr stets aktuelles, vielseitiges Programm bekannt, welches den Fokus zwar auf den in Hildesheim und Umgebung sehr beliebten Bereich Electro/EBM legt, aber auch Klassiker und andere düstere Perlen bietet, so wird die Jubiläumsveranstaltung am 17. November doch noch etwas ganz Besonderes sein: Neben einer dicken Verlosung wird es als absolutes Highlight Electro GoGo Girls geben, die für ordentlich Stimmung und eine heiße Party sorgen werden. Dies ist in der Form eine Premiere auf der Hildesheimer Kultparty, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Das NEGAtief gratuliert zu 13 Jahren Independent Dance Night, und wünscht mindestens weitere 13 tolle Jahre! Evangeline Coo er www.dj-dark.de www.themoscito.de Transzendenz und Coolness ZiN Vorneweg: ZIN sind unglaublich cool und treffen den Nerv der Zeit. So gesehen wäre es kein Wunder, wenn die Jungs schneller als jeder andere die Karriereleiter in den Popolymp erklimmen würden. Glücklicherweise hat die Band aber noch mehr zu bieten, denn ihre angesagte Retro-Wave-Mischung aus Electtroclash, englischem Gitarrenpop und nöligem Gesang erreicht eine Emotionalität, welche die aktuellen Vertreter dieses Genres deklassiert. ZIN verstehen sich als Touristen auf Erden und assoziieren mit ihrem Bandnamen vieles, aber keinen Stillstand. Mika: In erster Linie ist der Bandname nicht als Wort sondern als Gefühl zu verstehen. ZIN klingt kalt, prägnant und elektronisch. Kaum einer kennt ein „ZIN“ doch, wenn du den Namen aussprichst, wird sich eine Welt verschiedenster Assoziationen von kalt zu warm, von laut zu leise oder von Liebe und Hass in deinem Kopf auftun. Wir haben den Namen deshalb gewählt, weil er so transzendent ist. Wie wir, unsere Musik und das Leben selbst. Ihr hattet vor ZIN bereits in diversen anderen Bands Erfahrungen gesammelt. Was macht für euch die Chemie bei ZIN so außergewöhnlich? Zum einen sind wir alle musikalisch sehr unterschiedlich sozialisiert worden. Markus der Elektro-Atari-Junki, Mika der Punk und Vincent sowie Iven die von dem Glamrock-, Joy Division-New-Wave-Sound inspiriert wurden. In unserer Musik ergibt sich automatisch eine Symbiose aus all diesen Einflüssen. So unterschiedlich wie unsere musikalischen Wurzeln sind auch die einzelnen Charaktere der Band, daraus entsteht bei ZIN ein Cocktail aus elektronischer Coolness und wahrhaftiger Emotionalität. Die Chemie zwischen uns ist ähnlich wie bei einem Stern, gerade so, dass er weder implodiert noch explodiert sondern energetisch strahlt. Touristen in dieser Welt – Jeder Tourist kehrt irgendwann in seine Heimat zurück. Wohin? Seid Ihr religiös? Mika: Ja wir sind sehr religiös. Unsere spirituelle Heimat ist die Musik, wir befinden uns mit ihr auf einer Reise. Wohin? Das kann ich dir nicht beantworten, da es keiner von uns vieren weiß. Wenn man von einer Heimat sprechen will, so ist das für uns die Bühne, wenn wir Live agieren können, fühlen wir uns zu Hause. Vincent: Als Tourist fühle ich mich in erster Linie im Alltag, wenn mir soziale Kälte entgegen schlägt, wenn ich VIVA anschalte oder mich mit Bürokratie beschäftigen muss. Darum bin ich da zu Hause, wo Freunde und Menschen mit Wärme im Herzen sind. Iven: Es gibt schon Momente in denen ich mich „angekommen“ fühle - wenn mich Musik, liebe Menschen, Toleranz und Offenheit umgeben. Leider sind diese aber nicht von Dauer. Ich fühle mich getrieben, heimatlos und touristisch. Aber gerade aus diesen schmerzvollen Momenten bekomme ich Inspiration für Lyrics und Songwriting. „I drew me a line“ und viele andere Textfragmente beziehen sich stark auf intensiven Drogenkonsum. Öffnet ihr damit eine Tür in einen anderen Kosmos, aus dem ihr dann künstlerisch eure Visionen bezieht? Iven: Natürlich ist das so, aber eben nur teilweise. Ab und an können dir die richtigen Substanzen Türen öffnen, die dir im „Normalzustand“ verschlossen sind. Als Künstler versuche ich alle Wege zu beschreiten, die mich in meinem kreativen Prozess voranbringen können. Wenn dazu manchmal der Konsum bestimmter Substanzen gehört dann nehme ich das in Kauf. Jedoch erliege ich nicht der Illusion, dass Drogen kreativ machen, ich bin es von Natur aus. Künstlerische Visionen entstehen in erster Linie aus Emotionen. Obwohl ihr einen eigenen Sound habt, findet sich die Nähe zu Bands wie Placebo vor allem im Gesang. Es gibt sogar einige Passa- gen, in denen du den englischen Slang von Brian gut hin bekommst. Gibt es da vielleicht eine unterbewusste Seelenverwandtschaft? Iven: Zunächst einmal ist es so, dass ich niemandem auf der Welt nacheifere, weder einem Slang noch einer Frisur. Sondern ich versuche, mich in meiner Entwicklung mir selbst anzunähern. Ich will mal so werden, wie es in meinem Inneren schon angelegt ist. Zu meiner Seelenverwandtschaft mit Herrn Molko kann ich nur sagen, wir würden uns mit Sicherheit sehr gut verstehen und hätten jede Menge Spaß. Das ist nicht ironisch gemeint! Gert Drexl www.zin-music.de „Tourists To This World” VÖ: 31.08.07 51 52 53 54 Abitur kontra Babystrich Natascha ist eine junge Dame, die in ihrem Leben mehr durchgemacht hat, als man sich nur vorstellen kann. Trotz allem hat sie sich durch psychologische Hilfe fangen können und ist auf dem Weg, ihr Leben in eine geregelte Laufbahn zu bringen. Hinter den doch unscheinbaren Titeln der Kapitel wird einem nicht sofort klar, was sich so Krasses dahinter verstecken könnte. Wie kommt es, dass du solche Schlagworte benutzt hast? Ich kann mich halt an so Kleinigkeiten immer ganz gut erinnern. Man klammert sich an diese, um den Verstand nicht zu verlieren. Im Alter von 13 Jahren beschließt du, dein Leben zu beenden und schreibst deiner Mutter einen Abschiedsbrief. Hast du dir damals Gedanken darüber gemacht, un wie sie sich fühlt, wenn sie a deinen Brief liest? Nein, in dem Moment war mir so ziemlich alles egal. Ganz besonders meine Mutter, die mit ein Grund für den Selbstmordversuch war. Sie hat mir weniger körperlich weh getan als psychisch. Für das Körperliche waren die Stiefväter da. Doch wieso hast du dir überhaupt den Zwang auferlegen lassen, dich zu cutten und immer dichter zu sein, wo du dir doch hinterher selbst Schaden zufügen musstest? Du nimmst ja Drogen nicht, weil sie cool sind, sondern weil du süchtig bist! Genauso musst du auf den Strich gehen und die Beine breitmachen für jeden, der will. Und im Gegensatz dazu ist ritzen etwas, dass ich tun will. Crystal stand für dich als Zeichen des Lebens., welches dir Kraft und Energie gibt, um loszulassen und durchzuhalten. Dennoch hast du es geschafft, auch ohne dieses „Lebenselixier“ auszukommen. Fühlst du dich clean genau so stark wie wenn du auf Droge warst? Auf keinen Fall! Genau hier ist ja das Pro- blem mit den Drogen. Wenn du drauf bist, fühlst du dich tausend Mal geiler, besser und cooler als alles Leben auf der Welt. Wenn du in dem Zustand Party machen kannst, ist das der Hammer. Dass es dir Millionen Mal beschissener geht, wenn du runterkommst, das verdrängst du einfach. Dass du notfalls Tabletten, die du genommen und dummerweise ausgekotzt hast, noch einmal nimmst, verdrängst du so wie die Freier. Letztendlich ist es also eine Frage, ob man nicht mehr runterkommen will! Und das kann ich bejahen. Du erwähnst Gott im sowohl im Positiven als auch im Negativen. Was hat es damit auf sich? Ich weiß nicht, ob ich an ihn glaube. Für mich ist Gott auch nur ein Wort wie Nutte, Fotze oder Freier. An einer Stelle zitierst du einen Part aus dem Stück „Angels of the Dark“ von Blutengel, welcher dir die Flucht aus deinem beschissenen Leben darstellt und du dir vorstellst, ein ganz „normales Leben“ wie jeder Andere führen zu können, obwohl du dir nicht denken konntest, wie einen z.B. ein sonniger Tag glücklich machen kann. Ist das heute immer noch der Fall? Bin ich glücklich? Ich glaube nicht. Wenn es einem schlecht geht, dann wünscht man sich so viel. Eigentlich will man jemand Anderes sein, ein anderes Leben haben, keine Gedanken mehr an die beschissene Vergangenheit verschwenden. Auch wenn man den damaligen Träumen ein Stück näher gekommen ist, kann man die Vergangenheit nicht verändern. Die ist da und wird immer da sein.“ Hast du heute noch Kontakt zu Menschen, mit denen du in dieser Zeit umgegangen bist? Zu den Leuten von früher habe ich kaum noch Kontakt. Da ich aber immer noch in der gleichen Stadt lebe, sehe ich die natürlich manchmal. Da ich jetzt erwachsen bin, bin ich für viele von den Kinderfickern nicht mehr interessant. Man wächst aus dem Babystrich raus, wenn man so alt wird und nicht vorher krepiert. 55 LAHANNYA Heavy, heavenly Nachtmusik Was waren deine ersten Schritte vor dem großartigen „Shotgun Reality“? Als 14-jährige sang ich in meiner ersten Band und in 2000 erschien die erste Lahannya EP. Danach habe ich für einige Jahre hauptsächlich als Gastsängerin mit diversen Acts zusammengearbeitet – zunächst mit Greenhaus und dann mit Soman, was zu Auftritten beim M’era Luna und WGT führte sowie zu einigen Club Hits. Seit ich aber in Lutz, Belle und Chris eine fantastische Band gefunden habe, ist unser Projekt jetzt zum Mittelpunkt meiner Aktivitäten geworden. Vielen bist du auch als DJane bekannt. Was sind hier deine Präferenzen? Ich lege seit ungefähr fünf Jahren regelmäßig im Londoner Slimelight auf, sowie auf internationalen Veranstaltungen wie dem WGT und der kommenden 666 Hell-O-Wien Party. Zum einen lege ich Industek – also sehr harte Elektronik und Noise – auf, mache aber auch ein mehr Gitarren-orientiertes „Dark Alternative” Set, was das Spektrum von Snake River 56 Conspiracy und Birthday Massacre bis zu Rob Zombie und Ministry spannt. Woher stammt der Name Lahannya? Eine Hannya ist eine japanische Dämonin, die Blut trinkt und kleine Kinder vernascht. Ich musste das allerdings leider einstellen, als die Nachbarn anfingen, sich zu beschweren. Wie haben sich Lutz und Lahannya kennengelernt? Lutz und ich haben uns vor ein paar Jahren auf dem M’era Luna kennengelernt, wo er mit Umbra auftrat und ich mit Soman. Ich finde es immer noch lustig, dass zwei so gegensätzliche Acts miteinander durchfeierten! Wir sind in Kontakt geblieben und nachdem wir gemerkt haben, wie gut wir musikalisch miteinander arbeiten können, haben wir uns entschlossen, Shotgun Reality zusammen zu machen. Der Titel „Shotgun Reality“ klingt vielversprechend. Wie würdet ihr euren Sound beschreiben? Lahannya: Für mich geht es in „Shotgun Reality“ um das Spektrum menschlicher Emotionen – Liebe, Lust, Wut, Hass, Melancholie, Angst, Stolz, Bedauern etc. Was diese Emotionen auslöst, ist bei jedem anders, aber diese können definitiv unser Wesen und unsere Realität total beherrschen. Aber ein Leben ohne Ups und Downs ist doch viel weniger interessant als eines voller Leidenschaft, auch wenn diese ihren Preis hat. Belle: Für mich ist es die perfekte Mischung aus Finsternis und Licht, aus Heavy und Heavenly Metal, Gothic, electronic Nachtmusik! Chris: Es gibt auf jeden Fall Ähnlichkeiten zu Bands wie Lacuna Coil und Garbage, aber für mich ist sehr passend, wie Lahannya ihren Namen beschreibt – eine hübsche Fassade, hinter der sich etwas Dunkles verbirgt. Gert Drexl www.myspace.com/lahannya Fotos: R. Hertrich, D. Chambers In England ist DJane Lahannya lange schon keine Unbekannte mehr und auch über die Landesgrenzen hinweg hat sich die attraktive Deutsch-Engländerin in Europa einen Namen als Sängerin und DJane machen können. So war es nur eine Frage der Zeit bis die erste reguläre Full-Length-CD der momentan blauhaarigen Kosmopolitin erscheinen würde. Unter ihren illustren Mitstreitern befindet sich auch Lutz Demmler, seines Zeichens Produzent und Bassist von Umbra Et Imago, durch dessen erfahrene Hilfe „Shotgun Reality“ zu einem klanglich modernen Gothic-Electro-Industrialrock-Hybriden voll potenzieller Szenehits reifen konnte. Um sich einen Eindruck von den Livequalitäten des Hinguckerquartetts zu machen, solltet Ihr auf alle Fälle einen Besuch der Autumn Tour in Deutschland einplanen, die Lahannya als Support begleitet. Quo vadis, Y-Luk-O? Von Dr.K. Neulich erst war L. auf einer kurzen Reise mit einer seltsamen Person zusammengetroffen, deren kurze aber intensive Konversation einen tiefen Eindruck in seiner sehr wählerischen Erinnerung hinterlassen hatte und somit zu einer sicher länger anhaltenden Gefühlserinnerung führen sollte. An einem dieser typischen Abende im Sommer des Jahres null sieben - ein laues Lüftchen umfuhr sein Haar und lies die Hektik des Tages davonfliegen wie ein Blatt im Wind. Der Garten des Gasthauses war zwar gut gefüllt mit einer Ansammlung bunt und scheinbar zufällig zusammengewürfelter Personen. Der Platz unter der Schatten spendenden Eiche, welche seit Jahrhunderten unzähligen Konversationen bedeutenderen oder nichtigen Inhaltes gelauscht haben muß, war etwas abseits nur noch von einem gleichmäßigen Raunen des Stimmenwaldes geflutet, sodaß kaum mehr verständliche Sprachfetzen selbst vom geübten Ohr des L. auszuspähen waren. Der alte Holzstuhl war knarrend unter dem Gewicht der Person in kaum merkliches Schaukeln versetzt worden, also ob er sich seiner neu aufgebürdeten Last mit trotzigem Mißmut zu entledigen versuchte. „Mein Name ist Nibelungen“, begann das Gespräch in diesem lauschigen Eckchen, beinahe zufällig anmutend, obschon das Treffen von langer Hand geplant gewesen war. Das Haar, kürzer geschnitten als sonst, bedeckte eines der wasserklaren Augen mit einer Strähne, die ein verwegenes Inneres nicht verhehlen konnten. „Meine Erfahrungen sind tiefgreifend und allumfassend. Ich weiß, wer ich bin und daß es in der näheren Umgebung Deiner selbst keinen anderen geben werden wird, der mir das Wasser reichen kann.“ Das Abhängigkeitsgefühl war L. zutiefst zu wider. So oft hatte er perkuniäre Dinge in Hinblick auf Zusammenarbeit ignoriert oder großzügig übersehen. Und auch die Einstellung zum Leben und der Arbeit anderer war mehr als einmal, mit einem bitteren Lächeln und einem Schlucke guten Rotweins hinabgespült, fast unerträglich geblieben. Meist war der Taktschlag der Zeit von L. vorgegeben worden und daran war er gewöhnt. Der emsig schaffende Wasserträger konnte auf Order zitiert werden und hatte bisher brav, seiner Schuldigkeit entsprechend, den Frondienst verrichtet. Nun schien das Blatt für L. sich zu wenden, was mehr zeitlich überraschend zu sein schien als die Tatsache an sich, daß es einmal hätte so weit kommen müssen. „Viele neue Dinge sind selbst für mich noch zu entdecken und auch der erholsam reinigende Schlaf auf Stroh ist in Kauf zu nehmen. Du wirst verstehen, daß Weiterentwicklung auch die Trennung von alten Gewohnheiten und die sorgfältige oder auch einfach radikale Säuberung von zu lange tradierten Einstellungen und Sichtweisen beinhaltet. Ungewohnt ist es, ein altvertrautes Zimmer mit einem Stuhl auszurüsten, auf dem man dann stehend auf einmal einen ganz neuen Blick über die Welt als Ganzes bekommt. Dies kann Stein des Anstoßes sein, alles zu ändern und auch unbeliebte Schritte gehen.“ Es sollte sich vieles ändern, was dem Leben neue Richtung und einen anderen SIN(N) geben sollte. Der Klang der Welt änderte sich für L. und als das Glas Rotwein noch eine lange Weile auf dem Holztisch in der Abendsonne tausend Farben funkelte, während der Inhalt unaufhaltsam zur Neige ging, reifte gleich dem sich entfaltenden Bouquet des Weines eine neue Idee in ihm herauf. Der erste Klang, den er mit den Fingern festhalten konnte, war der des bedrohlich vom Horizont herannahenden Fliegerangriffes... www.yluko.de 57 58 59 OKTOBER / NOVEMBER 07 AUSGABE 10 - JAHRGANG 2 PERSEPHONE SCHELMISH STAUBKIND G M RA IT T N IS EH Z M UM EN THE BIRTHDAY MASSACRE UMBRA ET IMAGO SCHELMISH MINDLESS FAITH METALLSPÜRHUNDE EISHEILIG