vnv nation

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vnv nation
Juni / Juli 09
Ausgabe 20 - Jahrgang 4
VNV Nation
Amberian Dawn
The Birthday Massacre
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en
Down Below
The Birthday Massacre
Frozen Plasma
Funker Vogt
Akanoid
Tyske Ludder
Schöngeist
Amberian Dawn
The Eternal Afflict
Editorial
Da ist es – unser erstes Jubiläum. Die 20. Ausgabe des NEGAtief. Und noch dazu haltet ihr
dieses Heft zum ersten Mal am diesjährigen
WGT in der Hand. Mit dem Titelthema haben
wir auch einen der etabliertesten Acts und stilprägenden Elektrokünstler auf dem Frontcover.
Nicht minder interessant: Unser Rücktitelthema Down Below. Auf den Seiten dazwischen
beweist die Szene stilprägenden Freigeist
und dass trotz weltweiter Krise in allen Wirtschaftszweigen inklusive Tonträgerbranche die
Kunst nicht auf der Strecke bleibt. Wir freuen
uns auch weiterhin über Eure zahlreichen Zuschriften und Vorschläge und hoffen auch weiterhin auf Eure Gunst.
Eure Redaktion
NEGAtief ABO
Schon wieder ist das NEGAtief in Eurem
Club vergriffen? Media Markt und Saturn
haben auch keine mehr? Holt Euch das NEGAtief nach Hause! Ihr zahlt lediglich einen
Jahresbetrag von 12 Euro für Porto und Verpackung und habt sechs Mal im Jahr noch
vor dem Streetdate das NEGAtief in Eurem
Briefkasten. Schickt eine E-Mail mit dem
Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an
[email protected].
5
5
7
13
49
49
50
Inhalt
Tourdaten
Kolumne Schementhemen
Soundcheck
Portrait: Nebelwelt
Portrait: Unlicht
Festival: Dark Park Festival
Festival: Summer Darkness
37 Akanoid
54 Amberian Dawn
40 Biomekkanik
58 Brillig
34 The Birthday Massacre
44 Die Art
14 Down Below
52 Division Kent
17 Eigensinn
48 Frozen Plasma
41 Funker Vogt
23 GriffonVox
21 The Eternal Afflict
18 MAV
36 The Kick
19 Legio Mortis
46 Mob Research
20 Notes from Underground
24 Oberer Totpunkt
32 Orange Sector
47 Rappacinis Tochter
38 Reincarnatus
51 Roman Rain
42 Schöngeist
26 Second Disease
22 Tyske Ludder
56 Pandique
8 VNV Nation
Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg
Tel. 09227/940000
[email protected] www.negatief.de
Herausgeber: Danse Macabre, Inh.: Bruno Kramm,
Schloss Cottenau, 95339 Wirsberg
Chefredaktion: Bruno Kramm (V.i.S.d.P.)
Redaktion: Gert Drexl, Sarah Heym, Marius Marx, Norma
Hillemann, Peter Istuk, Poloni Melnikov, Maria Mortifera, Ringo
Müller, Heiko Nolting, Tyves Oben, Siegmar Ost, Stephanie
Riechelmann, Diana Schlinke
Anzeigen Akquise: Heidrun Smolnikar
Layout: Stefan Siegl Lektorat: Ringo Müller
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seiner Interviewpartner. Das NEGAtief versteht sich als
eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alternativen Musikszene dienenden Publikation, die gerade
kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alternative und flächendeckende Publikation ihrer vertriebenen
Künstler unterstützt.
....in diesen Läden gibt es das NEGAtief
Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim, Bochum, Chemnitz, Dessau, Dresden-Nickern, Duisburg, Flensburg,
Goslar, Groß Gaglow, Günthersdorf, Heide, Heilbronn, Herzogenrath, Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Krems,
Leoben, Limburg, Linz, Magdeburg, Memmingen, München,
Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg, Pforzheim, Porta Westfalica,
Reutlingen, Saarbrücken ,Sindelfingen, Stuttgart, Trier, Viernheim,
Vössendorf, Weiterstadt, Wien, Wien Hietzing, Wiesbaden
Saturn: Augsburg, Bad Oeynhausen, Bergisch Gladbach,
Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden,
Düsseldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen,
Gelsenkirchen, Göttingen, Graz, Hagen, Halle, Hamburg,
Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe, Kassel, Klagenfurth, Kleve, Köln, Köln-Hürth, Köln-Porz,
Krefeld, Leipzig, Leverkusen, Linz, Magdeburg, Mainz, Moers,
München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen,
Röhrsdorf, Saarbrücken, Stuttgart, Vössendorf, Weimar, Wien
Millennium City
Expert: Andernach, Bad Kreuznach, Burbach, Dillenburg,
Ehringshausen, Friedberg, Gießen, Hachenburg, Koblenz,
Mainaschaff, Nastätten, Neuwied, Siegen, Waldbröl, Wetzlar,
Wiesbaden
Best Music World GmbH Münster
Cover Schallplatten Berlin
Unger Sound & Vision GmbH Paderborn
Zoff Records H.-J- Pitzke Bremen
Atelier A.P. Wagner Bodenheim
...in diesen Clubs gibt es das NEGAtief:
Codex, Komplex, Eventruine, Club Pavillion, TopAct, Matrix,
Club Trafo, Alchimistenfalle, Bloodline, Beatclub, Rockfabrik,
Kulthallen, Musiktheater, Unikum, Sonic, Crash, Melodrom,
K17, Freeze Frame, Dark Flower, Kuz, Come-In, Muc-Kantine,
Vortex, Black Painting, Uni1, Beat-Club, Gag18, Mau Club,
Sächsischer Bahnhof, Nachtwerk e.V., Sound Saarland,
Panoptikum, Druckkammer, Final, Fina Destination, Capitol,
Eleganz / Bigstone, Koma, Flamingo, Locco/ Kulturruine, Radar,
Nachtcantine, Meier Music Hall, Club ZV Bunker, Markthalle,
Forellenhof, Shadow, Kir, Unix, Centrum, Bar Issix, Musikbunker Nightlife, Witchcraft, Loop, Dominion Factory, Vauban
Insel, Underground, Südbahnhof, Darkarea, Dark Dance, Boiler
Room, Zentrum Zoo, Ringlokschuppen, Nachtwerk, Archiv,
Kulturbahnhof Kato, Kufa / SB, RPL, Schützenparkbunker,
Nerodom
... und über Xtra-X
oder per Abonnement bei
www.NEGAtief.de
The Birthday Massacre
Show and Tell Tour 2009
18.07.09 Köln, Amphi-Festival
20.07.09 Wien, tba
23.07.09 Zürich, tba
24.07.09 Winterthur, Gaswerk
26.07.09 Blackcave Festival
06.08.09 Summer Darkness Festival
Album week 17
1 Diary of Dreams - (If)
2 Project Pitchfork - Dream, Tiresias!
3 The Prodigy - Invaders Must Die
4 Depeche Mode - Sounds of the
Universe
5 Steinkind - Galle, Gift & Größenwahn
6 Leather Strip - AEngelmaker
7 QEK Junior - Ausverkauf
8 Zeromancer - Sinners International
9 Wumpscut - Fuckit
10Metallspürhunde - Böse Wetter
07.08.09 Hamburg, Logo
09.08.09 Hildesheim, M’era Luna
SEELENZORN
31.05.09 2.Pulp & Gothic-Family.NET
Festival, Eventschloss PULP Duisburg
13.06.09 30. Dark Dance Treffen, Lahr
Covenant
13.06.09 Lahr - Dark Dance Treffen
18.07.09 Köln - Amphi Festival
Eisbrecher
05.06.09 Rainau-Buch (Aalen) - Rock
am Limes Open Air Festival 2009
04.07.09 Mülheim an der Ruhr
Castle Rock Festival 2009
17.07.09 Cuxhaven Seeflughafen
Deichbrand Festival 2009
18.07.09 Köln Tanzbrunnen
Amphi Festival 2009
KMFDM
09.06.09 Rüsselsheim - Das Rind
10.06.09 Wien - Viper Room
19.07.09 Köln Tanzbrunnen - Amphi
Myk Jung durchleuchtet die Schatten
sur schon ein wenig zerknautscht, dann
gehen wir zum Auto und setzen uns die
Wer sind wir? Wir gehören der Schwar- Brille zum Fahren auf. Auf dem Rückweg
zen Independent-Gemeinde an. Wir sind schon entgleiten uns die koketten Mascool, finster, rebellisch, tiefschürfend. Wir ken von Possenspiel: Der eine nölt, dass
sind kreativ, haben Visionen, tanzen indi- der andere zu viel gesoffen hat; eine
viduell, sehen auffällig aus – und oben- zweite hat zu viel gebaggert; ein dritter
drein gut, klar. Aus unserer Mitte heraus ist den anderen zu mimosenhaft gewewerden Klänge, Texte, Bilder erschaffen. sen. Später putzt man sich die Zähne und
Harte Klänge und unverdauliche, dunkel- beißt dann doch noch in ein Leberwurstromantische, morbide, anklagende, tief- bütterken, sitzt auf’m Klo und guckt ins
sinnige und vielerlei mehr. Wir erleben TV-Blättchen.
auf Konzerten gemeinsame Momente, Kann es sein, dass wir alle einer Vision
blinzeln stolzen Blickes in die Düsterdis- von etwas Größerem hinterher haschen,
cos, huldigen einander in durchgestylter dessen Teil man sein mag? Man sucht
Coolness und geheimnisvoller Pose. das Wunder, immer noch naiv, hinter
Manchmal kommen wir
Gesichtern und unterm
uns vor wie von einer anLesungstermine:
Neonlicht. Treff ich eine
deren Welt.
30.5. WGT, Cinestar, FHL
Band, die ich allezeit
Und wenn die Industrial
6.6. Geldern, Tolkien Tag
bewundert habe, denke
Night vorbei ist, die Fri14.6. Velbert, Flux
ich, in deren Backstage
Die kurzen Momente von Schein
Ausgewählte Tourdaten
Festival 2009
21.07.09 Hamburg - LOGO
22.07.09 Berlin - Postbahnhof
Project Pitchfork
13.06.09 Berlin - Zita Rock Festival
20.06.09 Gelsenkirchen
Blackfield Festival
27.06.09 Ammerbuch (Tübingen)
Dark Park Festival
Unheilig
13.06.09 Berlin - Zitadelle - ZITA
ROCK Festival 2009
20.06.09 Abendberg - Burg Abendberg
- Feuertanz Festival 2009
27.06.09 Ammerbuch (Tübingen)
Dark Park Festival
11.07.09 Osterode am Harz
Open Air Arena
17.07.09 Görlitz - Landskron
Brauereihof
19.07.09 Köln Tanzbrunnen - Amphi
Festival 2009
das Dunkle Geheimnis zu
finden, was unser Zentrum
darstellt. Denn wenn dies
nicht bei den großen Visionsstiftern zu finden ist,
ja wo denn dann? Aber da
ist nichts, kein Geheimnis!
In der Backstage herrscht
das übliche Geplänkel von
oberflächlichem Hochmut,
flachen Witzen und sexistischen Sprüchen, es stinkt
nach Bier, die Blicke sind
trotz steigender Besoffenheit arrogant. Alle sitzen in
ihren verbeulten Tourklamotten rum, allein zehn Minuten vor dem Gig streifen
sie was Cooles über, schmieren sich Ruß
ins Gesicht. Wozu? Um zu proklamieren:
„Hey Leute, ich hab mir gerade vor fünf
Minuten Ruß ins Gesicht geschmiert,
wart ihr auch so schnell beim Schminken?“? Denn das Publikum hat sich
seinerseits auf schwarz geschminkt, eine
knappe Stunde zuvor. Und gemeinsam
Welle:Erdball
27.06.09 Ammerbuch (bei Tübingen)
Dark Park Festival
10.07.09 Bargenstedt - Dellbrück
Dungeon Open Air 2009
german electronic webcharts
Album week 19
1 Diary of Dreams - (If)
2 Depeche Mode - Sounds of the
Universe
3 Project Pitchfork - Dream, Tiresias!
4 Wumpscut - Fuckit
5 Leather Strip - AEngelmaker
6 Prodigy - Invaders Must Die
7 Noisuf-X - Voodo Ritual
8 Orange Sector - Mind.Fuck
9 Skold vs. KMFDM - Skold vs. KMFDM
10 V.A. - Electropop 2
feiern die auf und die vor der Bühne ihre
flüchtigen Momente von Fake.
Tja, Freunde, nicht den Kopf hängen lassen. Ihr wisst ja, der Kolumnist darf überspitzen. Nicht den Kajal vergessen.
www.schementhemen.de
myspace.com/schementhemen
Redaktion
Oberer Totpunkt
„Erde ruft“
Was als Albumtitel die
Nähe zu einem Gedicht des deutschen
Expressionisten Gottfried Benn vermuten
lässt, ist mindestens
so aufrüttelnd wie
dessen frühe Werke aus der Krebsbaracke. Der
Schlund hinter der Normalität gründet tiefer als es
die dunkelste Fantasie wahrhaben möchte und die
Texte des Hamburger Duos lassen das Blut gefrieren,
wenn sie den schmalen Grat zwischen Idyll und lebendigem Albtraum beschreiben, der sich auf einem
pulsierenden Musikbett groovenden Minimalismus
breitmacht. Die klingenden Psychogramme zitieren
mal EBM, mal Hip-Hop, um dann zum infernalischen
Finale in wagnerianischen Bläsersätzen zu ertrinken.
Und dem Hörer wird spätestens jetzt klar: Erde ruft...
Gert Drexl
tipp der
Brillig
„The Red Coats“
Nach
Jabberwock
(unser Album des Monats) gelingt Black
Rain schon wieder
eine außergewöhnliche Veröffentlichung
im Dunstkreis von
Lewis Carroll’s Alice
im Wunderland. Brillig, aus Australien stammend,
sind herrlich verschroben und begeistern durch
eine überschäumende Entdeckungsreise des Unterbewussten aber auch Absurden.
Musikalisch
irgendwo zwischen Dresden Dolls, Gothic Folk und
Tim Burton Filmmusik überrascht immer wieder die
bisweilen anachronistische Instrumentierung und
das Arrangement der musikalischen Kleinodien. Die
visuelle Rückbesinnung zu den frühen Jahren des
vergangenen Jahrhunderts mag konservativ wirken,
verleiht dem größtenteils leisen Gesamtwerk aber
wahre Authentizität. Siegmar Ost
– von der Liebe und dem schnellen Sex, gleiten aber
nie in die Oberflächlichkeit ab. Wer Unheilig, Eisbrecher oder Seelenzorn mag, wird diese neue Band der
rockenden Adonisgeneration lieben. Peter Istuk
Reincarnatus
„Media Vita“
Aus den Niederlanden
stammend, bringt diese reisende Ladiesband frischen und
experimentellen Wind
in ein keltisch mittelalterliches Klangbild.
Diese
Kombination
mit klassischen Rockelementen verzichtet aber nicht
auf das mittelalterliche Instrumentarium und kreiert
dadurch einen ausnahmslos eigenständigen Sound.
Ein sehr gutes und abwechslungsreiches Debütalbum, das einen Moment in sich gekehrt um dann
wieder explosiv in vielschichtigen Arrangements ein
breites Spektrum an Gefühlen abdeckt. Atmosphärische Klangwälder, poppige Rhythmen und groovige Elemente werden von wundervollen weiblichen
Gesangslinien durchzogen, während das textliche
Potpourri altes Englisch mit Französisch und Latein
kombiniert.
Maria Mortifera
Down Below
„Wildes Herz“
Down Below legen mit
„Wildes Herz“ (Premium Rec./Soulfood) ihr
drittes Album vor: Eine
harmonische Mischung
aus Rock und Romantik. Die Liebe ist erneut
ein großes Thema, doch stehen diesmal die eigene
Freiheit und Selbstentfaltung im Vordergrund. Mit
viel Energie und Optimismus transportieren sie
ihre Inhalte. Mit „Euphorie“ beginnt ihr Werk, doch
kommen auch die ruhigen Klänge - und die oben erwähnte Liebe - nicht zu kurz wie beispielsweise bei
„Die letzten Worte“ oder „Bei dir“. Ein Album für all
diejenigen, die nach Musik suchen, welche tiefgründig und kraftvoll zugleich ist. Neo-Scopes wandlungsfähige Stimme vermag es, die Stimmungen der
Songs perfekt umzusetzen und die eigenen Gefühle
zu wecken. Wer mehr erfahren möchte, der möge unsere Titelstory lesen, bei der uns Neo-Scope noch viel
mehr über die neue CD verraten hat. Diana Schlinke
Schöngeist
„Liebeskrieger“
Auch wenn das Cover
und der Titel fast schon
ein wenig aufgesetzt,
das Image eines echten Loverboys kreieren: Diese Band kann
mehr.
Eingängiger
Gothrock a la Unheilig trifft auf vereinzelten Synthesizer-Stakkatos und eine extrem ausgewogene Produktion, die ein großes Budget vermuten lässt. Der
latente Einfluss orientalischer Musik lässt sich zwar
nur wirklich heraushören, wenn man die Bandbio
gelesen hat, trotzdem thematisiert der sprachlich
geschickt formulierende türkischstämmige Vorzeigedeutsche Probleme des Miteinanders von Orient und
Okzident auf gänzlich eigene Weise. Viele Songs handeln natürlich – wie hätte man es anders erwartet
Akanoid
„Civil Demon”
„Civil Demon“ ist das
Werk einer sehr gereiften Band. Ursprünglich noch im reinen
Synthpop Zuhause, hat
nun eine ganze Genremischung bei Akanoid
Einzug gehalten, die
von Industrialrock über melancholischen Elektropop
bis zu halbakustischen Singer-Songwriter-Perlen
reicht. Dabei gelingt es der Band um Frontmann Hilton Theissen, die von früher eingefahrenen Klischees
zu vermeiden und kann sich durch ein beachtliches
Händchen für spannendes Songwriting und ein
weites Spektrum an Kompositionen eine deutlich
erkennbare Individualität bewahren. Ringo Müller
VNV Nation
wir das Konzert aufgenommen hatten, wollte eine
Menge Geld dafür, dass wir unsere eigenen Songs
benutzen. Das ist heutzutage üblich in den USA,
dass sie dann eine Gebühr verlangen.
Symmetrische Musik
VNV Nation haben in den vergangenen Jahren
wie keine andere Band das elektronische Genre geprägt. Inklusive einer Armee von Nachahmern, Inspirierten und remixten Bands kann
die Band um den nimmermüden Ronan Harris
auf ein beachtliches Stück Musikgeschichte zurückblicken. Und das nun bald seit 20 Jahren.
Und dafür haben sich Ronan und Mark für ihre
Fans was ganz besonders einfallen lassen. Darüber hinaus ist Ronan aber auch ein geselliger
Zeitgeist, der sich auch gerne mal mit seinen
Fans an der Bar eines Festivals sehen lässt und
nie den Kontakt zu seiner treuen Gefolgschaft
verloren hat. Im Interview gibt Ronan bereitwillig Auskunft zum neuen Werk, aber auch
darüber, wie es zum Futurepop kam, seine
Vorliebe für Symmetrie und wie es mit seiner
körperlichen Fitness aussieht. Da die meisten
Songs der „Reformation 1“ bereits 2005 fertig
waren, stellt sich natürlich eingangs gleich die
Frage, woran eine frühere Veröffentlichung
gescheitert ist.
Ronan Harris: Das ist eine lange Geschichte. Die
Livetracks mussten wir neu aufnehmen. Also wollte
ich bereits 2005 „Reformation 1“ als Nachfolger
von „Matter and Form“ veröffentlichen. Die Songs
von „Matter and Form“ sollten hierauf in einer
Neubearbeitung erscheinen. Die ursprüngliche Idee
war es, den Songs ein neues Gewand zu geben. Was
dann passierte, war Folgendes: Die Location, wo
Idee, erst „Reformation 1“ rauszubringen und dann
das neue Album „Of Faith, Power and Glory“ zwei
Monate später. Und dann kamen und kommen die
großen Festivals wie M’era Luna oder WGT. Wir haben jetzt unsere eigene Firma, sodass wir den Preis
Das hab ich in einem anderen Interview von bestimmen können und die Produktion für USA und
dir gelesen, aber ich dachte es ging da nur um Europa zur selben Zeit abgeschlossen werden konndie DVD Aufnahmen.
ten, was eine Menge Geld gespart hat. Ich wollte
Nein, die wollten Geld, dass man den Club benutzt keinen hohen Preis für die Box. Und es ist möglich,
hat. Nicht wegen der Aufnahmen, die wollten ein- für 23 Euro diese Box unter die Leute zu bringen. Es
fach mehr Geld. Und das hat uns vorher niemand gab so viel positive Resonanz und die Box sieht so
gesagt. Und davon hab ich vorher auch noch nie schön aus. Es ist für unsere Fans. Wir wollen ihnen
was gehört. Und da hab ich meinen Booker in den nicht einfach das Geld aus den Taschen ziehen. Es
USA gefragt und er meinte, man braucht die Erlaub- ist möglich, finanziell erfolgreich zu sein, aber man
nis vom Club. Also fragte ich da nach und die schau- muss Leute nicht ausbeuten. Eine CD ist eine Live
ten sich unsere Verkaufszahlen an und hatten gleich CD und die zweite enthält neue Songs, Songs zum
Dollarzeichen in den Augen.
Soundtrack „Gene Generati„Ich liebe Symmetrie, on“.
Und wie habt ihr das Problem
ich glaube, wenn
dann gelöst?
Werden Soundtracks der
Wir haben dann versucht, einen
neue Schaffensbereich des
Dinge symmetrisch
Kompromiss zu finden. Aber das
Ronan Harris?
sind,
dann
sind
sie
war nicht möglich und so zog
Ich würde gerne mehr Filmim Gleichgewicht.“ musik machen. Für mich ist
sich alles in die Länge und am
Schluss war ich dann bei den
die Musik zum Film etwas
Arbeiten zu „Judgement“. Das Live-Material war Besonderes. Musik kann dir dabei helfen eine Szedann als erstes fertig. Das andere kam dann später. ne zu interpretieren und Atmosphäre rüberbringen.
Eigentlich sollten es nur ein paar Livesongs werden, Musik kann dir die Worte geben, damit du die Story
eine längere EP eben. Nun ist es eine Box, aber das verstehst. Und darum liebe ich Filmmusik aus dem
war nicht die ursprüngliche Idee des Ganzen. Aber gleichen Grund wie Instrumentalstücke. Viele von
letztendlich ist es eine tolle Sache, dass es so pas- den Fans mögen das, andere wiederum mögen eher,
siert ist, weil wir nach dem ganzen Ärger nun die wenn ich dazu singe. Ich aber mag Musik, die ohne
Möglichkeit hatten, diese Box rauszubringen.
Worte spricht. Dieser Soundtrack war eine tolle Gelegenheit, es war Spaß, es war ein Low Budget MoNächstes Jahr habt Ihr euer 20-jähriges Jubilä- vie, nichts Spezielles. Und es war so interessant für
um, warum habt ihr nicht bis dahin gewartet? mich, weil ich das schon immer machen wollte.
Ja, so steht es geschrieben, dass sich VNV Nation
1990 gegründet haben, aber eigentlich schreibe Und Science-Fiction passt ja ganz gut zu VNV
ich ja schon seit 1989 Musik im Stile von VNV, aber Nation, oder?
Marc und ich haben dann entschieden, dass der Sie fragten mich und ich sagte ja. Es ist ein stranger
Name VNV Nation seit 1989 existiert. So kann man Film. Ich würde nie an einem Projekt arbeiten, mit
eigentlich schon von einem 20-jährigem Jubiläum dem ich mich nicht identifizieren kann.
sprechen. Es ist ein großes Geschenk an die Fans
und das ist auch der Hauptgrund, warum wir das Das heißt mehr Soundtrack von Ronan Harris?
Ganze gemacht haben.
Aber es war eine gute Ich hoffe es.
Du selbst machst viele Remixe. Ist es eine Ehre
für dich, wenn Bands dich nach einem Remix
fragen, und bist du stolz, wenn der Remix erfolgreicher ist als das Original?
Ich liebe es, Remixe zu machen, denn ich kann in
den meisten Tracks etwas heraushören, das mich
inspiriert, daran weiterzuarbeiten. Inspiration ist
alles, wenn das fehlt, ist das ein langer langweiliger
Job. Es ist für mich eine große Ehre zu remixen. Und
wenn dann die Remixe fast so erfolgreich sind wie
das Original, hat man die Möglichkeit sich einem
völlig anderen Publikum zu präsentieren. Ich liebe
das Remixen, aber ich gehe nicht mit dem Ehrgeiz
heran etwas Besseres daraus zu machen als das Original, es soll anders sein.
meine ich alles. Manchmal ist der Segen aber auch
ein Fluch, denn die vielen Möglichkeiten halten
dich oft davon ab, dich auf das Wesentliche im
Songschreiben zu begrenzen. Wenn du diese
Technik zur Verfügung hast, musst du auch
jede einzelne Funktion verstehen. Du musst
sie intuitiv verstehen. Und wenn du zu viel
Technik hast, wirst du es niemals lernen können. Für mich ist es die einfachste Möglichkeit
mich an mein Klavier oder mein Keyboard zu
setzen und einen Song zu schreiben.
Da passt die nächste Frage ganz gut:
Komponierst du deine Musik zu Texten oder
umgekehrt?
Gibt es denn momentan eine Band,
die du gerne mal
remixen würdest?
The Killers, ohne
Frage meine absolute Lieblingsband. Ich liebe
diese Band, ich
liebe, wie er singt
und ihre Texte. In
Deutschland kannte
man die Killers ja gar
nicht, bis zu dem Hit
„Human“, denn er repräsentiert nicht die Band. Ich
liebe die Band seit ihrer ersten
Platte und live sind sie absolut
Klasse.
Seit dem Beginn deines musikalischen Schaffens haben sich die Möglichkeiten und
die Methoden des Songwritings extrem
entwickelt. Denkst du, dass diese neue
Technik einen direkten Effekt auf deine
Songkreationen hat?
Ich denke, jeder, der elektronische Musik
macht, kommt an einen Punkt, an dem er
durch die Technik limitiert ist. Realistisch
gesehen finde ich, Musik sollte mit einem
Minimum gemacht werden, um daraus das
Beste entstehen zu lassen. Was wirklich
eine große Veränderung bzw. eine Freiheit gebracht hat, ist, dass der Computer
heutzutage einfach alles kann und damit
„Ich glaube an die Magie,
an die Energie und eine
Kraft. Wenn du möchtest,
kannst du sie benutzen.“
Ist da erst eine Melodie in deinem Kopf oder
beginnst du einfach mit elektronischen Experimenten?
Bei den meisten Songs ist die Melodie schon in
meinem Kopf ohne mich zu fragen. Es ist wie, wenn
du einen Ohrwurm hast und du ihn nicht mehr rausbekommst. Und wenn du da den Text nicht kennst,
schreibst du einfach deinen eigenen Text. Ich weiß
nicht, woher die Songs kommen. Aber es gibt andere
Songs, bei denen ich einen Sound auf dem Keyboard
finde und der mich inspiriert, plötzlich anzufangen
zu singen.
VNV Nation ist für einen speziellen Sound bekannt. Ist es da eine Bürde für dich, vor allem
wenn du dich dann musikalisch weiterentwickelst.
Es ist schon strange. Es ist ein Fakt, dass einige der
älteren Fans genervt waren, weil sie sich nicht mit
uns auf unsere musikalische Reise begeben haben.
Ich weiß, dass das verrückt ist für die, die als erstes „Empire“ gehört haben und so ihren Einstieg
zu uns fanden. Andere hörten „Advance and Follow“, bei anderen ist es „Matter and Form“, bei
anderen ist es „Judgement“. Alle sind an einem
anderen Zeitpunkt zu uns gestoßen. Die Gefühle
und die Erinnerungen sind mit der Musik assoziiert
und verknüpft. Es ist nicht die Musik, sondern der
Moment in ihrem Leben, den sie damit verbinden
und den kann ich nicht wiedergeben. Die Zeit geht
aber weiter. Dein Leben entwickelt sich. Die Musik
entwickelt sich. Alles macht Fortschritte, ändert sich,
neue Erfahrungen, neue Freunde, und auch neue
Musik. Und ich möchte dabei auch die Musik von
VNV weiterentwickeln. Aber da ist auch der Stolz
und die Leidenschaft in der Musik, weil es der Musikstil ist, den ich mag. Aber ich kann nicht immer
und immer wieder dasselbe wiederholen. Das wird
langweilig. Ich kann ein Album nicht so schreiben,
weil der Fan es so will. Und da gibt es leider Leute,
die so denken.
VNV Nation als Name und auch einige Songs
und Albumtitel implizieren eine Art religiöse
Andeutung. Bist du spirituell? Und würdest du
deine Ideen diesbezüglich mitteilen?
Ich folge keiner organisierten Religion. Ich akzeptiere Religion und ich komme auch gut mit Menschen aus, die ihren Glauben haben. Wir haben
schließlich alle die gleiche Frage: Warum sind wir
hier? Was ist der Grund dafür? Existenz? Warum
existiert das Universum? Aber ich bin ein spiritueller Mensch ohne organisierte Religion. Es gibt
10
wurden von einem Künstler aus Polen gestaltet, der einfach ein Genie
ist. Ich liebe Symmetrie, ich glaube,
wenn Dinge symmetrisch sind, dann
sind sie im Gleichgewicht. Das heißt
nicht, dass ich unsymmetrische Dinge nicht mag. Ich denke ein Bild,
ein Artwork oder ein Logo, was eine
Band repräsentiert, sollte etwas
Starkes ausdrücken. Das Cover kann
viel ausdrücken. Ich liebe Design, ich
liebe es, Dinge anzuschauen.
eine Menge in der Welt, was ich nicht mag. Hinter
den räumlichen Dimensionen dieser Welt gibt es
aber mehr. Ich glaube an die Magie, an die Energie
und eine Kraft. Wenn du möchtest, kannst du sie
benutzen. Vielleicht ist es einfach die Art, wie wir
die Dinge sehen. Man kann einige meiner Songs
aus diesem Blickwinkel betrachten, aber ich denke
z. B. „Matter and Form“ hat überhaupt nichts mit
Religion zu tun. „Judgement“ eher, aber das war
eher meine Version eines westlichen Karma. Es geht
um die Wirkung einer Situation. Deine Entscheidungen können etwas bewirken. Und das bedeutet
dann Konsequenzen. Zu „Judgement“ gab es zehn
verschiedene Interpretationen des Namens, einige
davon sind sehr einfach, andere sind sehr abstrakt.
Ich mag keine schwachen Titel. Ich glaube, wenn ich
etwas sagen möchte, dann sollen die Leute merken,
dass ich es ernst meine und dass da etwas Wichtiges zu sagen ist. Wenn ich was Überzeugendes
sagen will, sollte das auch der Titel aussagen.
Deine Artwork sind immer im geometrischen
Sinne durchstrukturiert. Ist dies auch der Weg,
wie du deine Musik umsetzt, bzw. würdest du
dich als Ton-Architekt sehen?
Das Artwork ist nicht immer von mir. Die letzten
beiden Alben „Judgement“ und das neue Album
Musik machen. Deshalb wollten wir was Neues erfinden. Die Idee war es, Industrial oder späte 80er
EBM Einflüsse und härtere Dancemusic mit einer
tollen Melodie zu mischen. Dabei inspirierten uns
auch Bands wie The Prodigy, The Chemical Brothers
oder Underworld. Und das vereinigten wir, um einen
neuen Sound zu schaffen. Futurepop war geboren.
Ein paar Monate später wiesen viele Labels ihre
Bands als das Feinste in Sachen Futurepop aus, nur
um mit auf den Zug aufzuspringen, um mehr Platten
zu verkaufen. Ein Hauptgrund, diese Bezeichnung
zu kreieren, war es, einen Terminus für alternativen
Electro zu finden. So kam es zu dem Begriff Futurepop. Aber auch einige EBM Bands klingen wie
Trance, und auch Trance Musik klingt zeitweise wie
EBM.
Mark Jackson ist als Drummer
seit Jahren ein ständiger Begleiter auf dei„Die Idee war es,
nen Touren. Wie
bringt er sich bei
Wie hältst du dich fit
Industrial oder späte
der Entstehung
für eine Tour?
eines
Albums 80er EBM Einflüsse und Du hast mich auf der
ein?
Bühne gesehen. Ich
härtere Dancemusic
Mark ist mein
habe kein Problem auf
mit einer tollen
psychologisches
der Bühne von rechts
Mitglied der Band.
Melodie zu mischen.“ nach links zu rennen. Ich
Wenn ich was
bin einfach ein Energieschreibe, frage ich mich immer: Was bündel. Und dabei singe ich noch. Einmal hat mich
würde Mark darüber denken? Wir sprechen dann vor der Bühne einer gefragt, wie machst du das, wo
drüber, wir tauschen unsere Ideen aus. Wir hören du doch so fett bist. Da sagte ich, oh danke, hier ist
uns dann ein, zwei Wochen nicht, wenn ich am Al- das Mikro, du kennst unsere Lieder, ich möchte jetzt,
bum arbeite, dann spiele ich es ihm vor und er sagt dass du mit mir auf die Bühne kommst, dich mit mir
dann, ob er es gut findet oder nicht. Wir tauschen auf der Bühne bewegst und dazu singst. Nach 3
unsere Ideen aus. Er ist ein guter Freund, ich liebe Minuten war der K. o. Und ich mache das für 2 ½
diesen Kerl. Eine fantastische Person.
Stunden. Und ich liebe es.
Heiko Nolting
Live hast du zusätzlich zumeist sehr prominente Keyboarder an Bord, z.B. Vasi von Frozen Plasma. Wie kommt das?
Der Grund ist einfach, das sind Freunde von uns.
Und sie waren auf Tour mit uns und da hat sich die
Situation ergeben. Eine große Familie, das gilt auch
für Tom von SITD.
www.vnvnation.com
Wenn man den Begriff Futurepop hört, bringt
man damit immer VNV Nation als einen der
Erfinder diese Musikstilles in Verbindung. Wie
fühlt man sich als Erfinder einer Stilrichtung?
Das ist schon eine tolle Sache, aber ich hab das im
„Reformation 1“-Booklet geschrieben, weil nur ein
Song darauf ist, den man typischerweise als klassischen Futurepop bezeichnen würde. Wir und mit
uns auch Bands wie Apoptygma Berzerk kamen
aus der futuristischen Welt der 80er, hörten Underground Musik, und wollten keine kommerzielle
11
12
Rituell Räuchern
Nebelwelt ist ein Anbieter besonderen Räucherwerks, Lokta Papier
und Accessoires. Unter dem Titel
„Schall und Rauch“ bieten Nebelwelt an einem Gemeinschaftsstand mit dem GriffonVox Label
Grentzwert ihre verführerischen
Produkte an. Denn die Kombination von guter Musik, bezaubernden
Düften und stilvoller Dekoration
schleicht sich ins Gemüt der sonst
so hektischen Besucherwelt.
Doch Nebelwelt Artikel sind jetzt
auch im Internet erhältlich. Die liebevoll gestaltete Präsenz bietet unter
www.nebel-welt.de alle Artikel der
reichhaltigen Produktpalette an. Die
Duftkompositionen entführen in die
mystisch, magische Welt des Räucherns. Nebelwelt bietet kein unübersehbares Angebot, wie viele andere
Räucherwarenanbieter, sondern fein
zusammengestellte, rituelle Räuchermischungen und reine Substanzen für
besondere Stunden. Alle Mischungen
werden natürlich nach eigener Rezeptur zusammengestellt. Mit Sorgfalt suchen die Nebelweltfeen die
Zutaten für die Räuchermischungen
aus und bringen diese teilweise selber von ihren Asienreisen mit. Ma-
gische Mischungen wie „Vampire“
mit Patchouli oder „Divination“ mit
Lavendel gehören zu den beliebtesten.
Besondere Spezialität sind die mit
einem keltischen Knoten versehenen,
schwarzen Geschenkboxen. Den Inhalt der Schachtel kann sich der Kunde
aus dem Räucherwerksortiment selbst
zusammenstellen. Im Online Shop gibt
es bereits gefüllte Geschenkboxen
zu kaufen. Ideal geeignet z.B. für jemanden, der gerade erst die Welt des
Räucherns für sich entdeckt. Am diesjährigen WGT Stand demonstriert man
auch den Umgang mit Kohle und Kräutern. Eine Auswahl an Geschenkartikeln, gefertigt aus handgeschöpften,
nepalesischem Lokta Papier, findet
man ebenfalls bei Nebelwelt. Die Verbindung zu diesem asiatischen Land
ist den Betreiberinnen sehr wichtig, da
dort noch eine alte Handwerkskultur
gepflegt wird.
Mit dem Verkauf der Lokta Produkte
werden zum einen die Menschen und
die Kultur in Nepal unterstützt und
zum anderen natürlich dem Kunden
hochwertige und schön gestaltete
Waren angeboten. Dieses Sortiment
bietet ausgefallene Geschenkboxen,
kleine Notizbücher und viele weitere
Geschenkideen.
Siegmar Ost
www.nebel-welt.de
13
Wild-romantisch
Trotz, dass es erst ihr zweites Album ist,
welches am 26. Juni erscheinen wird,
kennt sie jeder: Die sympathischen
Dunkel-Rocker von Down Below. Die
Anhänger der sachsen-anhaltinischen
Band werden das neue Werk schon
sehnsüchtig erwarten. NEGAtief lag
„Wildes Herz“ (Premium Rec./Soulfood) exklusiv als erstes Magazin in
voller Länge vor. Beim Hören offenbarte sich uns eine Facette, die auf
dem Vorgänger „Sinfony23“ (2007)
noch nicht so ausgeprägt war: Optimismus. Ihre Düsternis behielten
Neo-Scope, Carter, Convex und Mr.
Mahony jedoch bei und so entstand
eine wirklich rare Mischung aus dunklem Rock und beglückender Energie.
Diese Lieder geben Kraft. Down Below
erzählen aus ihrem und deinem Leben:
von Liebe, Freiheit und dem eigenen Weg. Dies geschieht mal
rockig,
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mal ruhig, mal beides zusammen im unverkennbaren Stil Down Belows. Neo-Scopes Gesang hat die Macht, Gefühle hervorzurufen,
an die man nicht mehr geglaubt hat. Eine innere Ruhe breitet sich aus und zeitgleich neue
Energie. Wer noch nach den richtigen Songs
gegen die allgegenwärtigen Depressionen
sucht, sollte reinhören. Wir sprachen mit Sänger Neo-Scope über Vorurteile und Mut, Falco
und Hesse, Sport und Musik.
„Frei“ kommt der Wunsch nach neuer Freiheit zum Tragen. Im Gegensatz dazu folgt mit
„Mein wildes Herz“ ein Song, der eine
Bei „Alle deine Wege“ heißt es,
Liebesnacht beschreibt.
„Jeder
dass man seinen Weg allein geht
„Wildes Herz“ ist eine Hommage an
Mensch
ist
und kein Mensch für immer bei
Falcos „Jeanny“ sowie Hermann Hesse
einem ist, was zwar der Wirklich- beides großartige Künstler. Speziell Hereinzig.“
keit entspricht, doch wir alle stremann Hesse begleitet mich in meinem
ben danach, mit jemandem zusammen den Schaffen immer wieder. Der Song beschreibt schon
Weg zu gehen. Was gibt einem denn Halt, so etwas wie einen Akt, ist aber viel eher als eine
wenn man allein auf seinem Weg ist? Wofür Fantasie zu verstehen, ein merkwürdiger nächtAm Anfang steht mit „Euphorie“ ein für Down steht der Stern in diesem Lied?
licher Wachtraum, der bedrohlich und anziehend
Below erstmal ungewöhnliches Stück – sehr, Die absolute Wahrheit ist doch, dass erst mal jeder zugleich wirkt.
sehr rockig und wahrlich euphorisch. Zudem Mensch mit sich allein ist und zwangsläufig sein
ist ein Chor zu hören. Kannst du uns etwas ganzes Leben mit sich verbringt. Da ist es sicher Auch bei „Dein Wille“ geht es um das Freisein.
über die Entstehung dieses Liedes erzählen?
clever, mit sich im Reinen zu sein. Jeder Mensch Geht es um die eigene Freiheit, sein Leben so
Neo-Scope: „Euphorie“ ist einer der Songs, die ist einzig = ein - sam, ein in sich abgeschlossenes zu gestalten, wie man es will? Ist man frei von
plötzlich so da waren. Ich hatte irgendwie das Wort ganzheitliches Wesen. Er kann zwar kommunizie- innen heraus?
„Euphorie“ im Kopf, verband ein
ren, muss aber doch alles letz- Ja, das denke ich. Frei zu sein, ist ja ein GrundbeGefühl damit und hatte den Song
ten Endes mit sich ausmachen dürfnis. „Dein Wille“ erinnert daran, dass wir ei„Mit den Songs
innerhalb von drei Stunden als
und Entscheidungen finden. Der nen freien Willen haben, den uns niemand nehmen
Demo-Variante fertig. Als die Band möchten wir einen Stern aber bezieht sich symbo- kann. Den Song verstehe ich außerdem als meine
ihn dann zum ersten Mal hörte,
lisch auf Liebe als Ursprung des ganz persönliche Kriegserklärung an Bankrotte,
Anstoß geben,
waren sich alle einig, er kommt
Lebens und den Nordstern, den Fast Food, Ideale und dem Chaos der hoch technodass andere den
auf das Album. Der Chor ist von
man auch früher schon zur Ori- logisierten und dennoch primitiven neuen Welt.
der
Frauenhandballmannschaft
entierung genutzt hat. Wenn
Mut finden,
unseres Rosslauer Vereins DRHV06
man das beides ins Verhältnis Es sind mehrere Ebenen auf „Wildes Herz“
einfach ganz sie
eingesungen worden. Die Mannsetzt, erhält man ein schönes herauszuhören. Neben den schon angesproschaft verwendet diesen Titel jetzt
selbst zu sein.“
Bild und eine wirkungsvolle chenen Stadien einer Beziehung ist ganz klar
als Einmarschhymne. Ich finde ja
Metapher.
ein Ja zum Leben, ein Optimismus zu spüren,
sowieso, dass Sport und Musik gut zusammenpasder sich auch sprachlich ganz direkt an den
sen und auch Parallelen aufweisen. Beides birgt Insgesamt scheint das Album verschiedene Hörer richtet – ich denke da vor allem an „Keiviel Energie in sich, schweißt zusammen und kann Stadien einer Beziehung aufzuzeigen. Bei ne einzige Träne“. Woher kommt der neue
dir helfen, ein Ventil zu sein. Warum also nicht eine
Synergie schaffen.
Foto: midnightpix.de
15
VÖ „Wildes Herz“: 26.6.2009
Optimismus – denn bei „Sinfony
23“ war der positive Lebenswille
noch nicht das große Thema.
Da hast du Recht, doch auch da war
das schon zu spüren in Songs wie
„Heal“, „Sinfony23“ und „Private
Soul Security“ beispielsweise. Uns
begegnet noch immer das Vorurteil:
„Oh das sind die Bösen von Down
Below“, „ach die sind doch so düster“-Stempel auf die Stirn und fertig.
Kleider machen Leute - du kannst ja
sicher auch ein im wahrsten Sinne
des Wortes „Liedchen“ davon singen.
Wir verstehen uns aber nicht als lebensverneinend, sondern schlichtweg
als eigen und lebendig, das heißt, wir
entwickeln uns weiter. Schwarz heißt
ja nun nicht nur Trauer und negativ
eingestellt zu sein, sondern steht
auch für Kraft, Konstanz und Dynamik. Wir jedenfalls leben gerne und
zwar so, wie wir sind und sein wollen.
Mit solchen Songs möchten wir einen
Anstoß geben, dass andere den Mut
finden, das auch zu tun und einfach
ganz sie selbst zu sein.
Während sich auf „Sinfony 23“
fast ausschließlich englischsprachige Texte befinden, sind die
Songs auf „Wildes Herz“ ausnahmslos auf Deutsch. War dies
eine bewusste Entscheidung oder
hat es sich so ergeben?
Nein, das nicht, wir überlegen bei
Down Below gemeinsam jeden Schritt
und wägen ab, was das Richtige wäre
und was das Falsche. Wir hatten schon
sechs deutschsprachige Songs und
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fanden es falsch, sie zu verwerfen.
Ein halb und halb (Englisch/Deutsch)
Album zu schreiben, empfanden wir
auch als inkonsequent, also falsch.
Deswegen blieb uns als einzige Lösung, um uns treu zu bleiben, nur ein
komplett deutschsprachiges Album.
In der eigenen Sprache zu singen,
birgt schon viele Vorteile. Man wird
einfacher und schneller verstanden
beispielsweise und kann sich gezielter und vielfältiger ausdrücken.
Auch die Bilder sind wieder sehr
stilvoll. Wer ist für die Fotografie
verantwortlich?
Wir haben die Erfahrung gemacht,
dass wir immer dann erfolgreich waren mit etwas, wenn wir es gemeinsam mit Partnern gemacht haben, die
wir kennen und denen wir vertrauen.
Deswegen haben wir bei der Wahl
der Fotografen für Micha Stein und
Heiko Pohl entschieden. Ich kannte
sie im Vorfeld und war auf Michas
Vernissage, wo ich auch Heiko traf
und von beiden die Arbeiten sehen
konnte. Mir haben ihre Arbeiten gefallen, die Jungs mochten unseren Stil
und so kam das eine zum Anderen.
Könnt ihr mittlerweile vom Musikmachen leben? Oder wollt Ihr
das überhaupt? Ist das Musikmachen Beruf oder Berufung?
Wir haben das Glück, dass wir Beruf
und Berufung koppeln können und
das ist ein großer Luxus, für den wir
jeden Tag dankbar sind und wir hoffen, dass es so bleibt.
Welches Lied wir die erste Single
sein? Wird es ein Video dazu geben?
Es wird mit Sicherheit eine Single geben und auch ein Video. Welcher Song
das sein wird, kann ich jetzt aber noch
nicht beantworten, aber es wird mit
Sicherheit etwas Besonderes sein.
Diana Schlinke
www.downbelow.de
www.myspace.com/thatsdb
Eigensinn
Wahrheitsfindung
Eigensinn rocken gewaltig, doch der ultimative
visuelle und akustische Blickfang ist die Stimme,
die es schafft, sich gegen turmhohe Gitarrenwände durchzusetzen. Bis zu ihrem Debütalbum
„Die Wahrheit“ war es jedoch ein langer und
teilweise schmerzlicher Weg. Die Wahrheitsfindung gestaltete sich entsprechend lang.
Holly: Nur so konnte die CD genau so werden, wie
wir sie haben wollten bzw. wie wir sie uns vorgestellt haben. Von Anfang an war es unser erklärtes
Ziel, unsere eigene Klangästhetik herauszuarbeiten,
das zu erreichen war ein sehr spannendes Abenteuer. Die erwähnten vier Jahre beinhalten nicht nur die
Studiozeit, sondern auch einen allgemeinen Reifeprozess der Band und last but not least die Suche
nach dem passenden Label. Unsere Songs sind konservierte Erlebnisse und Gefühle. Im Rückblick können wir sagen, dass sich unsere Sicht darauf kaum
verändert hat. Wir sind wirklich zufrieden mit den
Songs und ihrem Gewand.
Eigensinn, der Name verrät ja eigentlich schon
die Marschrichtung. Wie kam es zum Namen?
Nemesis: Wir entschieden uns dafür, da der EigenSinn genau das ausdrückt, was wir sind, nicht stromlinienförmig dafür vielschichtig. Mit der Zeit stellten
wir fest, wie gut Eigensinn zu uns passt.
Waren deutsche Texte von Anfang an geplant?
Macht das nicht besonders verletzlich?
Nemesis: Ich habe mich mit Eigensinn bewusst dafür entschieden, um den Zuhörer zu erreichen. Ich
scheue auch nicht die Interaktion mit dem Hörer. Jeder kann sich auf seine Weise
damit auseinandersetzen.
Unmittelbar fällt die unglaubliche Stimmgewalt
eurer Sängerin Nemesis
auf. Was hat Nemesis vor
Eigensinn gemacht?
Nemesis: Vor Eigensinn gab
es Nemesis nicht. Ich habe
als Sängerin natürlich eine
Vorgeschichte. Nach einer
klassischen dreijährigen Gesangsausbildung zog es mich
weniger zu einem Studium
an der Musikhochschule,
sondern vielmehr zum freien
Ausdruck in verschiedenen
Bands und Projekten. Um die
Jahrtausendwende bin ich
dann auf Holly gestoßen. Wir
haben schnell gemerkt, dass
wir auf einer musikalischen
Wellenlänge funken und
auch im emotionalen Bereich
ähnlich ticken.
Holly: Du hast völlig recht, die Wahrheit, von der
wir im Allgemeinen reden, ist relativ und vor allem
subjektiv, denn sie ist von persönlichen Ansichten,
Meinungen und Erlebnissen bestimmt. Absolute
Wahrheit findest du nur in abstrakten Dingen wie
der Mathematik, denn dort gibt es keinen Spielraum,
2+1 ist doch immer 4, oder? Der provokant anmutende Albumtitel „Die Wahrheit” stammt von unserem Song „Wahrheit”, dort geht es inhaltlich um
(Medien-) Manipulation und Verleumdung.
„Absolute Wahrheit
findest du nur in
abstrakten Dingen
wie der Mathematik.“
Du hast eine Wahnsinnsröhre. Welche gesanglichen Vorbilder hast du?
Nemesis: Vielen Dank für das
Kompliment. Ich kann sagen, dass mich viele Künstler und Sängerinnen wie Sänger beeinflusst haben.
Die großartige Janis Joplin, Lee Aaron, Nina Hagen,
aber auch aus anderen Musikgenres Ella Fitzgerald,
Aretha Franklin und Maria Callas, um nur einige zu
nennen. Ich stehe auch auf U2 und war in den 80ern
ein großer Billy Idol Fan. Alle diese großartigen Musiker haben meist eine Wirkung auf mich, sie sind
absolut authentisch und fühlen, was sie vorbringen.
Die Wahrheit ist das Motto des Albums. Ist
Wahrheit relativ?
Nemesis: Doch jeder von uns
weiß, wann die Wahrheit gesprochen wird, nämlich dann, wenn
sie einen trifft!
Auf eurer Myspace Seite unterstützt ihr eine Kampagne von PETA. Seid ihr
aktiv im Tierschutz unterwegs?
Holly: Ja, auf jeden Fall, wir unterstützen gemeinsam
die Ziele und die Aktionen von PETA! Einige Bandmitglieder sind aktive Mitglieder in Tierschutzorganisationen und haben auch schon privat misshandelte Tiere aufgenommen. Es wäre schon ein großer
Erfolg für uns, wenn sich jeder Leser einmal bewusst
mit seiner Umwelt und den Produkten, die er täglich
konsumiert, auseinandersetzt.
Siegmar Ost
www.eigensinn.net
17
Italodarkwave
Die erst im Mai 2008 gegründete
Band aus dem beschaulichen Modena in Italien versucht, die Ideale der
80er Jahre mit modernen Stilen
des neuen Jahrtausends zu kombinieren. Dass die musikalische
Ausrichtung dann eher an minimalistischen Batcave erinnert,
mag verwundern, doch das Spektrum der Bandausrichtung scheint
noch stark in Bewegung zu sein.
Der Name indes thematisiert die
Nervenkrankheit des Sängers, der
mittlerweile glücklicherweise vollständig genesen ist. Neben dem
musikalischen, fast schon archaisch
wirkenden Minimalismus sind es
vor allem die italienisch vorgetragenen Texte, die dem Projekt Tiefe
und klangliches Format bescheren.
Dass Italien mehr als Cantate und
Frohsinn a la Pavarotti und Konsorten zu bieten hat, dürfte einem aktiven Underground seit den frühen
80ern zu verdanken sein.
zen Autumn, The Ashram, The Argine oder Albireon,
die ihre Schwermut in Klänge formen. Gerade Angesichts der Missstände in der Welt haben vor allem
junge Menschen das Bedürfnis, in Opposition der
allseits bekannten italienischen Fröhlichkeit
a la San Remo zu stehen. Zum Glück gibt
es auch noch Myspace und Konsorten, die
es einem dann Ermöglichen, mit der Welt in
Austausch zu treten. Gerade das Internet hat
uns ein unglaublich umfassendes Werkzeug
zur Verbreitung des Undergrounds an die Hand
gegeben. Und Underground ist ganz nach Dostojewski, der Ort, wo neue Ideen entstehen.
Die italienische Darkwave-Szene
scheint nach wie vor stark in Bewegung zu sein, wenn man die
Flut der Veröffentlichungen betrachtet.
Francesco: Italien hat seit den frühen
80ern viele Gruppen hervorgebracht.
Gerade so berühmte Bands mit einem
großen Hintergrund wie Neon, Bohemien und frühe Litfiba waren prägende Künstler Ihr singt in unterschiedlichen Sprachen. Wie
jener frühen Zeit, in der Darkwave und New Wave wählt ihr diese jeweils aus?
bei jungen Menschen sehr angesagt waren. Heute Wörter sind Klänge und Klänge lassen Songs entstehen. Insofern ist uns
ist Italien eher von leichter
nicht immer nur der
Musik beseelt und der Un„Underground ist, ganz
derground findet abseitig
Ausdruck des jeweinach
Dostojewski,
der Ort,
ligen Textes wichtig.
statt. Und dort sind es dann
eben Gruppen wie The Fro- wo neue Ideen entstehen.“ Wir möchten den Klang
18
VÖ „Enter“: 29.05.09
der jeweiligen Sprache in die Musik einfließen lassen. Italienisch ist
eine sehr musische Kultursprache
mit großer Tradition. Verschiedene
Instrumentierungen erfordern verschiedene Sprachen.
Leider ist euer erstes Werk nur
eine EP. Warum gibt es noch
nicht mehr?
Richtig, „Enter“ ist eher unser erstes Lebenszeichen, ein Dokument
unserer Entstehungsgeschichte. Natürlich arbeiten wir bereits an der
nächsten vollwertigen Veröffentlichung und hoffen, bis zum Winter
einiges neues Material im Kasten zu
haben.
Welche Einflüsse macht ihr für
euch geltend? Mein erster Vergleich, der mir einfiel, war die
frühe Kultband Madre del Vizio.
Die gemeinsamen Einflüsse sind klar
immer in den 80er zu finden: Joy Division, The Cure, Depeche Mode, Bauhaus, Siouxie and
the Banshees. Trotzdem versuchen wir gerade auch
moderne Einflüsse wie Elektrowave, Neoklassik und
Futurepop zuzulassen. Aber in der Tat, Madre del Vizio
haben uns auch ermuntert, italienisch zu singen.
Siegmar Ost
www.myspace.com/bandmav
www.mavmusik.com
Lebenszyklen
Die aus dem unterfränkischen Taubertal stammenden Legio Mortis bespielten als Vorband
bereits die größten Szenenamen, wie Sisters
of Mercy, In Extremo, Amon Amarth, Six Feet
Under und Paradise Lost. Die Todesmetaller
überzeugen mit einem atmosphärisch dichten
Sound, der jetzt unter der Ägide von Alexander Krull voll zur Geltung kommt. Das zweite Album könnte somit den Durchbruch bedeuten.
Gerade in den dunklen Wäldern Frankens
scheint es eine Menge tiefschwärzesten Metalls
zu geben. Wie erklärt ihr euch diese Affinität?
Im fränkischen Raum ist die Metalszene im Allgemeinen ziemlich groß und da es seit Jahren auch mehrere Schwarzmetalbands gibt, hat sich natürlich auch
die Anhängerschaft vergrößert. Das Aufkommen des
Pagan Metals hat das Ganze noch verstärkt. Gerade
im romantischen Franken gibt es ja zig Mythen, Sagen usw., was für ausreichend Liederstoff sorgt.
Euer Album wirkt wie eine theatralische Inszenierung in einem alten Kabaretttheater. Was
ist der Hintergrund?
Wir haben das Thema Theater aufgegriffen, um Lebensabschnitte in drei Akten aufzuteilen. Der erste
Akt steht für die Geburt und die Kindheit, als zweiten Akt sehen wir das Leben als Erwachsener, in dem
man mit Erfahrungen seine Meinungen bildet. Der
abschließende dritte Akt stellt den Tod beziehungsweise das Ende dar. Wir wollten das alles in einem
Theater aufführen und dem Zuhörer in einer überspitzen Weise zeigen, was nicht richtig läuft. Dunkle
und bösartige Bedürfnisse, die in jedem von uns stecken, aber in den meisten Fällen immer unterdrückt
bleiben. Natürlich soll man auf “Theatre of morbid
visions” nicht alles wörtlich nehmen, man soll selbst
darüber nachdenken und sei„Dass uns der
ne eigenen Schlüsse daraus
ziehen.
Spaß wichtig ist,
Im Gegensatz zu vielen anderen
Künstlern eures Genres, die nur
das Böse zum Selbstzweck thematisieren, gibt es bei euch auch
wirkliche Aussagen, wie bei „Virus Called A Human Race“. Sind
euch diese Themen sehr wichtig
oder steht der Spaß auf der Bühne im Vordergrund?
sieht man auch
Das Album wurde von keinem Geringeren als Alex
an unserem ATC Krull gemixt und gemastert. Konnte er euch wert- Cover von ‚Around
volle Tipps geben? Wie war
the World’“
die Zusammenarbeit?
Ja. Alex Krull war unsere erste Wahl für den Mix der Wir setzen uns auf der Bühne schon etwas von
CD. Wir haben ihm beim Mix komplett freie Hand ge- den „sehr bösen” beziehungsweise „truen” Bands
lassen, er hat eine riesige Erfahrung und weiß, wie ab. Wir wollen – und das Publikum soll – Spaß haetwas klingen muss und soll. Als wir das Ergebnis ben, wenn wir auf der Bühne stehen. Wir machen
zum ersten Mal hörten, waren wir sofort begeistert. auch mal gerne kleine Späße mit den Besuchern,
Es klang besser als wir es uns vorgestellt hatten, er man kann nicht immer nur Ernst sein. Dass uns der
hat einen großartigen Job gemacht.
Spaß wichtig ist, sieht man auch an unserem ATC
Cover von „Around the World”, der sich als Hidden
Track auf „Theatre of morbid visions” befindet. Dieser Song hat es sogar fest in unser Live Programm
geschafft und selbst die bösesten Black Metaller
schwingen dann schon mal das Tanzbein. Natürlich
lesen sich einige unserer Texte beim ersten Mal etwas extrem oder düster, aber man merkt dann auch
schnell die Ironie, die dahinter steht. Natürlich geht
es in einigen Texten wie z. B. „Trough the Eyes of
death” oder „Time to Suffer” um dunkle Seiten im
Menschen, über die jeder schon einmal nachgedacht
hat, ohne es wirklich tun zu wollen. Die Thematik
von „Virus called human race” soll natürlich aufrütteln, wir können nicht mehr so weitermachen, es
muss sich etwas ändern, sonst gehen wir zugrunde
und alles ist zu Ende.
Peter Istuk
www.legiomortis.com
19
notes f r o m u n d e r g r o u n d
Induspagnol
Kerniger Industrialrock a la Nine Inch Nails
oder Marilyn Manson war bisher vorwiegend
in US-amerikanischen Territorien zu Hause. Die
spanischsprachigen Elektroniker frönten allenfalls dem mexikanischen Vorbildern Hocico
und Spanien selbst ist natürlich eher für Bolero, Tango und Flamenco berühmt berüchtigt.
Umso exotischer wirkt das nach dem literarischen
Vorbild benannte und von Dostojewski inspirierte
Projekt des Workaholics, Musikers, Produzenten,
Songschreiber und Sänger in Personalunion, Paolo
Greco. Bereits das Demo fand schnell eine Adelung
durch den berühmten englischen Szeneguru Mich
Mercer. Der Plattendeal mit dem innovativen Webund jetzt auch physikalischen Label AF Musik ließ
dank der regen Internetpräsenz der Band nicht lange auf sich warten und die CD wurde, um die Interpretationen vieler illustrer
Remixer ergänzt, in Windes„Mit der spanischen
eile fertig produziert. Ohne
Kultur
verbinden die
ein starkes Team im Hintergrund wäre es aber auch Pameisten Siesta und
olo nicht möglich gewesen,
Fiesta, Infrastruktur und
dieses druckvolle und vielschichtige Industrialrock Al- Unterstützung für unsere
bum abzuliefern. So runden
Art der Musik ist kaum
das Quartett auf der Bühne
die Musiker Guigher an den
zu finden.”
Tasten und am Bass, MdA
an der Gitarre und Pumucki
am Schlagzeug ab. Schwer
genug, diese Musiker in
einer so gänzlich anderen
Musiktradition Madrids zu
finden, haben die Vier trotzig ihren Weg aus der musikalischen Provinz Europas
geschafft. Paolo indes fühlt
sich kaum der spanischen
Heimat verpflichtet, denn sein künstlerisches Elternhaus führte ihn schon früh um die Welt und ließ ihn
die Kindheit in Irland, USA und England verbringen,
während die anderen Mitglieder auch größtenteils
aus Italien und Argentinien stammen. „Mit der spanischen Kultur verbinden die meisten Siesta und Fiesta, Infrastruktur und Unterstützung für unsere Art
der Musik ist kaum zu finden.” Umso stärker fühlt
man sich der internationalen Szene verbunden. Ob
En Esch, Jürgen Engler, Seb Komor, Patrick Codeny
oder William Faith – aus den Bekanntschaften wurden schnell musikalische Zusammenarbeiten und
so liest sich die Remixer Liste auf dem Debütalbum
entsprechend international. Doch auch die Originalversionen können sich hören lassen und zeichnen
eine deutliche Handschrift. Religiöse, gesellschaftlich soziale Probleme und sexuelle Andeutungen zu
20
eigenen Konflikten würzen das Album mit allerlei
Themen. So ist „Crossing the rubicon” der Schritt
in eine neue Welt und ins Rampenlicht der weltweiten Industrialrockszene, das jedoch einen sehr
langen Entstehungsprozess hinter sich hat. Einige
frühe Demos entstanden bereits letztes Jahrhundert
vor der Gründung der Band. Paolo entwickelte die
Ideen immer weiter und fand gerade durch sein
Studium als Studiotechniker neue technische Wege,
den Songs zusätzliche Facetten zu verleihen. „Wir
sind definitiv keine Sessionband. Noch nie ist ein
Song beim Jammen im Proberaum entstanden.“
Durch die anderen Bandmitglieder, die auch allesamt technischen Berufen entstammen, wurden so
den Songs viele neue musikalische Lackierungen
verpasst. Dass die meisten Songs mit einem simplen Gitarrenriff ihren Anfang nahmen, kann man
sich angesichts der so dichten Produktion kaum
vorstellen. Aber auch Paolos Gesangslinien zeichnen sich durch verschiedenste emotionale Ebenen
aus. „Gerade das positive Feedback von Künstlern
wie William Faith haben mir stark geholfen, mich
hier auch weiterzuentwickeln. Besonders wichtig ist
mir, dass man meinen Gesangsstil keinem anderen
Sänger zuordnen kann. Ich möchte meine eigene
Sprache finden.“
Peter Istuk
www.myspace.com/enefeu
The Eternal Afflict
Altersweisheit und Kernschmelze
Man glaubt es kaum. Nach unzähligen Splits
und Reunions haben die zwei Hauptprotagonisten Cyan und Winus wieder zusammengefunden und diesmal sogar gleich ein eigenes
Label begründet. Was dabei herauskam, konnten wir ja bereits im letzten NEGAtief berichten. Die Neuaufnahme des Klassikers „San
Diego“ mit der Ausnahmestimme Syrahs von
Qntal konnte sich innerhalb weniger Wochen
in den Clubs festsetzen. Doch auch das neue
Album – ganz im Zeichen der Kernphysik – hat
in der Kernschmelze der beiden sendungsbewussten Zeitgenossen ein neues Kapitel der
ewigen Affliction eröffnet.
zeitlichen Gründen nicht mehr in den kreativen Prozess integriert, jedoch ambitionierter
Partner unseres eigenen Labels.
Das ganze Album klingt sowohl musikalisch als auch gesanglich sehr breit gefächert und experimentell. Wie seid ihr an
die Songs rangegangen?
Cyan: Anders als noch zu Zeiten der „Euphoric and Demonic“. Wir wollten diesmal den
Songs Luft zum Atmen geben, nicht mehr
jeden Beat mit Gesang ersticken. Die Zeiten der Lyrics
über 24 DIN A4 Seiten sind einfach vorbei. Ich habe
einen Fundus von etwa 50 Songtexten mit ins Studio
gebracht und vor den Gesangsaufnahmen haben wir
angefangen, einzelne Zeilen wie
„Durch Entzug
bei einem Memory-Spiel zusammenzusetzen. Die endgültigen
Fällt es leichter, nach dem Erstellt man halt
Lyrics ergaben dann streckenweifolg von „San Diego 2k9“ in
die nahe Zukunft zu blicken? fest, was einem am se einen sehr unterschiedlichen
Hat euch der Erfolg der Single
Sinn zu dem, was ich vorher bewichtigsten ist.“
absichtigt hatte. Aber genau das
überrascht?
Cyan: Wir sind glücklich, das uns der erste Coup mit war sehr konstruktiv und macht „ION“ aus.
Afflict:Me Records gelungen ist. Erfolg überrascht Winus: Wir haben diesmal enger zusammengearmich nicht, weil ich diese 15 Sekunden nur noch mit beitet, haben die Songs gemeinsam entwickelt und
einem zufriedenen Lächeln quittiere, jeder Erfolg haben uns deutlich mehr Zeit gelassen, dieses Album
ist schön, nur leider folgen danach meistens viele zu produzieren.
schmerzhafte “Magenschwinger”.
Winus: Wir freuen uns, dass dieser Song immer noch Ist die Verschmelzung von T.E.A. und Sara
Noxx auf „What we (?ll) be tomorrow“ Zufall
Freunde findet.
gewesen?
Winus, hast du die Produktion von „Ion“ allei- Winus: Ich verrate sicherlich nichts Neues, wenn ich
ne durchgezogen? Wer war am Songwriting sage, dass es zwischen T.E.A. und Sara Noxx schon
beteiligt? Hattet ihr mit Markus Kontakt?
seit Jahren einige Berührungspunkte gibt und daWinus: Nein. Per-Anders Kurenbach, der uns auch als rüber hinaus produziere ich ja die Sara Noxx Alben
Live-Keyboarder begleitet, hat mich bei der Produkti- und freue mich sehr, über die stetige, extrem positive
on tatkräftig unterstützt. Das Songwriting läuft mei- Entwicklung.
stens so, dass ich Ideen vorgebe, die wir gemeinsam
Was ist eigentlich auf dem Albumcover zu seausarbeiten. Markus ist aus
hen? Wer ist dafür verantwortlich?
Cyan: Der Lichteffekt einer Kernspaltung.
Winus: Und es kommt zu explosionsartigen Entladungen, ein T.E.A.-typisches Phänomen.
Cyan: Verantwortlich für das Cover sind wieder BLEZE/Marko Jakobi (www.terrasight.net), wie schon
bei der „Euphoric and Demonic“ und auch bei der
CYAN INC., und meine Wenigkeit. Marko ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil unserer künstlerischen Darstellung geworden.
Werdet ihr zusätzlich zum WGT noch Auftritte in
diesem Jahr haben? Wie lange werdet ihr es
diesmal miteinander aushalten?
Cyan: Das mit dem miteinander Aushalten hat ja
jetzt eine andere Qualität bekommen, durch unser
eigenes Label haben wir eine ganz andere Verantwortung der ganzen „Sache“ gegenüber. Außerdem
war der private Zusammenhalt immer da, nur musikalisch konnten wir uns phasenweise nicht ausstehen oder wollten keine Zeit füreinander haben.
Durch Entzug stellt man halt fest, was einem am
wichtigsten ist.
Winus: Weitere Konzerte sind 2009 bisher in Zürich,
Dessau und Augsburg konkret. Was das Aushalten
angeht: Wir werden uns diesmal mehr Auszeiten
gönnen und die Altersweisheit kann ja auch durchaus hilfreich sein (lacht).
Jalal Mognir
www.myspace.com/theeternalafflict
VÖ „Ion“: 29.05.09
21
Anonym ins 20.
Schaffensjahr
Tyske Ludder ist vielen Hörern
aus der EBM- und Electro-Szene
ein Begriff. Dass die Band um die
Mannen Albert X und Olaf A.R.,
die jetzt das fünfte Studioalbum
mit dem Namen „Anonymous“ herausbringt, bereits auf das zwanzigste Jahr ihrer Schaffensphase
hinläuft, wissen die Wenigsten. Das Urgestein
bringt jetzt beim Chemnitzer Label Black Rain
sein zweites Album heraus.
Die Texte eures neuen Albums sind wie schon
bei den Vorgängeralben sozialkritisch – wie
kommt ihr auf die Ideen dazu?
Albert: Unsere Texte sind eigentlich nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Unsere Themen entdecken wir
sozusagen im täglichen Studium menschlichen Versagens, egal wie und wo es sich präsentiert. Ob nun
über die Medien oder als Liveperformance im Alltag,
der Mensch ist schon ein verdammt interessantes,
einfallsreiches und unberechenbares Tier.
Der Song „Bastard“ ist sehr direkt und heftig.
Sätze wie „Die Dekadenz ist der Anmut so
nah“ beißen sich fest. Um was geht es allerdings genau?
Ralf: Bastard spielt mit der Fantasiewelt und der Selbstgefälligkeit eines heranwachsenden Sexualtäters, der
sich in der Prägungsphase befindet, praktisch vor dem
Ausbruch. Beeinflusst durch die vielfältigen Reize, die
auf ihn einwirken und die zunehmende Ausprägung
der gewalttätigen Fantasien wird es irgendwann nicht
mehr ausreichen, diese nur in der Fantasiewelt auszuleben. Der Ausbruch ist vorprogrammiert, wenn das
keiner erkennt oder helfen kann.
Die Songs haben eine härtere Gangart gefunden, zum Teil auch mit Gitarren. Wie kommt
das?
Olaf: Also tatsächlich haben wir auch schon früher
immer mal wieder gesampelte Gitarren eingesetzt.
Diese verwenden wir aber nie so, dass sie in den
22
Vordergrund rücken, sondern eher subtil. Du kannst
damit manchmal einem Song noch das „treibende“
Etwas geben.
Der größte Unterschied zu den Vorgänger-Alben ist
der, dass wir nach fast 20 Jahren einfach mal auch
fremde Ideen auf unsere Produktion wirken lassen
wollten. Da lag es natürlich nahe, Sebastian von Wertstahl zu fragen, ob er das Album
„Unsere Themen
produzieren würde. Wir haben seit
„Sojus“ immer mal wieder seine
entdecken wir
Künste als Remixer in Anspruch gesozusagen im
nommen und waren schon immer
ziemlich beeindruckt von dem, was täglichen Studium
er da so abliefert. Dieser Umstand
menschlichen
und das Endmastering von Jan von
Noisuf-X haben letztendlich zu dem
Versagens, egal
geführt, was du eine „härtere“
wie und wo es
Gangart nennst.
eine mehrjährige Zusammenarbeit,
die sich aber im Endeffekt auf Gedankenaustausch und Remixe beschränkte. Als wir uns entschlossen
haben, für die neue CD mit einem
Produzenten zusammenzuarbeiten,
fiel die Entscheidung nicht schwer,
Sebastian zu fragen. Für das Endmastering konnten wir dann auch
noch Jan von Noisuf X, den wir im
sich präsentiert.“ letzten Jahr beim Infest in Bradford
„March“ ist ja ein Remake eines
kennengelernt haben, gewinnen.
Songs aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Ich denke schon, dass wir auch in Zukunft die ZuWas hat euch dazu bewogen?
sammenarbeit mit anderen Musikern suchen werden,
Albert: „March“ ist ein weiterer Seitenhieb auf den man kommt halt aus seiner eigenen Schiene heraus
zunehmenden schärfer werdenden Militarismus welt- und lässt sich für neue Dinge inspirieren. Wer das sein
weit. Besonders den neuen Wettlauf um atomare könnte, keine Ahnung, das wird sich ergeben.
Waffen und das Spiel mit den Bedrohungsszenarien
Daniel Friedrich
finden wir reichlich sonderbar und es wirft diverse Fra- www.tyske-ludder.de
gen über die Zurechnungsfähigkeit einiger Menschen
auf. Zum Thema Irak kann man glaub ich
nur noch den Kopf schütteln
und sich wundern, verstehen war gestern.
Letztens habe ich
gelesen, dass ihr mit
der Band Wertstahl
zusammengearbeitet habt. Sind denn
in Zukunft weitere
Zusammenarbeiten
mit anderen Bands
geplant?
Olaf: Mit Sebastian
von Wertstahl verbindet uns, wie
schon
erwähnt,
Kontrollverlust
Ihr kombiniert eure Veröffentlichung mit einer gemeinsamen Kampagne mit Greenpeace.
Seid ihr schon lange im Umweltschutz aktiv?
Wie kam es zu dieser Idee?
Als Druide ist es Teil meiner Aufgabe mit der Natur
zu kommunizieren, und der Kreation von Mutter
Natur zu dienen und sich einzusetzen. Auch bei
Greifenkeil ging es schon um diese Thematik, siehe
„Her Name”, jedoch war die Präsentation etwas
subtiler. Heute ist es unabdingbar geworden, in
Bezug zur Umweltzerstörung explizit zu sein, und
kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen. Sonst
hört niemand mehr zu. Man muss irgendwie extrem oder schrill sein, um noch zur Kenntnis genommen zu werden; das ist mit GriffonVox wohl
geglückt.
Im letzten NEGAtief gingen wir
schon ausführlich
auf das Video und
den Release „She
Lost Control” ein,
doch damit ist
diesem
Release
noch nicht Genüge
getan. Denn Lord
Athanor und seine
Sirenen alias GriffonVox
vormals
Greifenkeil haben
gerade mit dieser
Veröffentlichung
noch mehr im Sinn.
Die gemeinsame
Kampagne
mit
Greenpeace unterstreicht die Relevanz und das Engagement für den
Umweltschutz.
Bereits das letzte Mal gingen wir auf eure Coverversion des Joy Division Klassikers „She’s
lost control“ ein. Nun unterscheidet sich das
Subjekt eures Songs gewaltig vom Original.
Lord Athanor: Das Subjekt(!) mag anders sein, der
Song nicht, es ist ein echtes Cover von Joy Division
„She’s lost control”.
Schwer zu sagen; sehe die ganze Sache jedoch nicht
nihilistisch, denn ein Kreis hat ohnehin nie ein Ende.
Optionen gibt es immer, auch wenn häufig nicht klar
sein mag, welche.
Ist dieses Zerstörerische nicht schon in den frühen Sichtweisen der Religionen vorprogrammiert?
Euch geht es um die Erde, die Schöpfung, die Durchaus, diese Zerstörung ist insbesondere in
sich ihres Virus Mensch nicht mehr erwehren allen patriarchalischen Religionen (also MachoReligionen) festgelegt worden. In ähnlicher Weise,
kann. Was prägt besonders eure Sichtweise?
In der Tat geht es darum, dass der Mensch zu weit wie es in der christlichen Religion heißt „Mach
gegangen ist. Dazu muss man sich nur ein wenig im dir die Erde Untertan”, wird diese Sicht ebenso im
Alltag umschauen. Ohne Gefühl mit der Natur so zu Judentum und Islam, etc. kundgetan. Halt in allen
patriarchalischen Religionen.
verfahren, wie wir es tagtägDamit einher geht immer ein
lich erleben müssen, ist schon
„Jemanden den
extrem brutal und rücksichtsnegatives Bild gegenüber
man liebt, den man
dem Weiblichen, schlechte
los. Jemanden den man liebt,
den man braucht, von dem braucht, von dem man Behandlung von Frauen, was
bei diesen Religionen unüberman Teil ist, quält man oder
Teil ist, quält man
tötet man nicht.
sehbar ist. Durch diese Sicht
oder tötet man nicht.” sieht und erfährt der Mensch
sich nicht mehr als Teil des
Ist es nicht eigentlich schon
zu spät für eine Umkehr? Die Selbstzerstörung Ganzen, sondern stellt sich darüber. Diese Sichtdes Menschen birgt doch auch eine Chance für weise stellt das Problem dar, denn diese Sichtweise rechtfertigt Ausbeutung und Rücksichtslosigkeit.
eine Natur ganz ohne Menschen?
Wie werdet ihr diese Kampagne unter das
schwarze Volk bringen?
Auf dem Release wird es ein Video geben zu
„She’s lost control”, was das Thema UmweltGlobal Warming auf den Punkt bringt. Na und
dann gibt es noch die neuen Tracks auf dem Release „Control Lost”. Wer die Texte hört, wird
das Thema kaum überhören können. Wenn die
DJs dann noch mitspielen, dann kann was Gutes
daraus werden. Geplant ist auch eine Aktion
zusammen mit Greenpeace am WGT Freitag.
Wer sich wirklich informieren will, kann das in der
Agra Messehalle am GrenTzwert Stand tun.
Glaubt ihr, dass in der Szene eine größere Bereitschaft für ökologische Themen existiert?
Man kann auch grün denken und schwarz tragen.
Gert Drexl
www.GriffonVox.com
www.MySpace.com/GriffonVox
23
Oberer Totpunkt
„Erde ruft“
Das zweite Album „Erde ruft“ des Hamburger Albtraumduos Oberer Totpunkt ist genau
so wahnsinnig wie ihr Erstling „10 Grad vor
OT“. Die Frontfrau Bettina schafft es wieder
eindrucksvoll, den Zuhörer mit scheinbarer
Normalität einzulullen, um dann in gezielten
Momenten, mit nur einem Wort einen Abgrund zu öffnen, der einem die kalten Schauer
über den Rücken laufen und den Hörer vor der
eigenen Realität erschaudern lässt. Das Ganze
wird getragen von einer Mischung aus Minimalelectro, Hip-Hop, infernalischer Filmmusik
und Gänsehautchören und erinnert stark an
die Anfang der Neunziger aufgekommene
Strömung der Neuen Deutschen Todeskunst,
modern und noch tiefschürfender in die Neuzeit transportiert.
Euer neues Album „Erde ruft“ beschreibt im
Allgemeinen die Vergänglichkeit? Der Abriss
eines Lebens?
Bettina: Tatsächlich lassen wir uns thematisch leiten
vom Beginn des Lebens bis zu seinem Ende – von
der Geburt bei „Blutmond“ bis zum Sterbeerlebnis
bei „Erde ruft“. Dabei steht für mich die Aufforderung im Vordergrund, die eigene Lebenszeit zu nutzen – denn unsere Lebensträume sollen doch nicht
ungelebt bleiben und zur Farce verkommen. Dies
verbindet zugleich das zweite mit unserem ersten
Album: Lebst du deinen Traum oder träumst du dein
Leben? Musikalisch sind, wie ich finde, einige gut
tanzbare Stücke dabei, das Ganze ist also nicht gerade eine trübsinnige Angelegenheit.
Im ersten Song „Blutmond“ heißt es: „Wirklich
glücklich sind wir nur, wenn wir uns unserer
selbst nicht bewusst sind“ und „Der Tod findet
zu Lebzeiten statt.“ Beginnt nach der Geburt
die Gratwanderung Leben? Das Jagen nach
dem Glück?
Bettina: Es klingt zwar ziemlich fies, aber genau genommen beginnt das Sterben ja mit der Geburt. Und
mit dem Glück ist das immer so eine Sache - wer
sich schon einmal als wirklich glücklich erlebt hat,
der weiß, dass dies Momente intensiver Selbstvergessenheit sind, Augenblicke, in denen man vollkommen in etwas aufgeht. Wenn der Mensch hingegen
„sich seiner selbst bewusst ist“, das heißt, wenn er
seine Situation reflektiert, dann bemerkt er auch
24
meist seine Mängel. Vielleicht ist der Mensch auch
gar nicht fürs Glück begabt.
Auf dem neuen Album thematisiert ihr verstärkt die biblische Geschichte, Gott und die Kirche. Ist es nicht ein Segen, mit dem Glauben an
Gott zu leben und zu sterben?
Micha: Tja, wenn man sich mit dem Thema Tod
beschäftigt, gelangt man unweigerlich zum berühmtesten Toten der Welt…
Bettina: ...den wir bei „Schlacht“ als übellaunigen
Choleriker präsentieren. Das Stück spielt damit,
dass seit 2000 Jahren idealisierende Fantasien
über die Person Jesus kultiviert werden. Wer kann
schon wissen, wie er wirklich war. Obwohl ich sagen
muss, dass die Auseinandersetzung mit Religion gar
nicht der Leitgedanke war. Bei „Sie sind da“ geht
es beispielsweise eher um die Selbstüberschätzung
einer psychotischen Persönlichkeit. „Gaia“ ist die
Geschichte einer Transformation, einer Wiederauferstehung, wenn man so will. Bei „Hexenjagd“ ging es
um das Thema Frauenhass. Insofern ist die Frage, ob
es ein Segen ist, mit dem Glauben an Gott zu leben
und zu sterben, nicht ganz einfach zu beantworten:
scher Sprache erzählt. Deutsch ist auch eine unge- Ist „Hamburg“ eine Liebeserklärung an eure
heuer reiche Sprache, außerdem ist es die Sprache, Heimatstadt?
die ich am sichersten beherrsche – die Lateintexte Michael: Eher eine Hinrichtung. Hier leben zwei Milkommen von Micha.
lionen Menschen, und nicht alle von ihnen auf der
Michael: Wenn das meine alten Lehrer wüssten, in Sonnenseite. Seitdem ich hier lebe, nerven mich viele
der Schule habe ich Latein gehasst! Ich mag die mit „Oh, du wohnst in Hamburg, meine Traumstadt,
gregorianischen Choräle: Latein klingt mystisch bla bla” – natürlich ist es eine schöne Stadt, Hafen
– gleichzeitig hart und
etc. Deshalb ist Hamburg die
martialisch. Der Chor Can„Wenn man sich mit dem ideale Stadt für so einen Text.
ticum Potentem bringt
Bettina: Was auf den ersten
Thema Tod beschäftigt,
auch Gänsehautmomente
Blick attraktiv erscheint, bewie „Imperator“, „Sepul- gelangt man unweigerlich kommt bei näherem Hinsehen
tura Asini“.
manchmal seltsame Stellen.
zum berühmtesten Toten Und wenn man dann eine
„Sepultura Asini“ beLupe zur Hand nimmt, erkennt
der Welt.“
handelt das Thema
man, dass diese Stellen eine
Selbstmord. „Kann denn Sterben Sünde sein?“ tiefere Struktur haben. Und wenn man dann das
Bettina: Für die christliche Kirche war (und ist?) Ganze unter dem Mikroskop betrachtet, merkt man
Selbstmord die schlimmste Sünde überhaupt, weil plötzlich, dass man eine Krebszelle vor sich sieht.
die Tat die Möglichkeit der Reue logisch ausschließt.
Die altertümliche Reaktion darauf war reichlich hy- Wie werdet ihr den Chor in eure Liveperforsterisch und stellt offenbar die Quelle für die spä- mance einbauen? Wann kann man euch live
teren Zombie-Geschichten dar.
sehen?
Bettina: Es ist immer schwer, professionelle StudiWer ist für euer Coverartwork verantwortlich? omusiker live zusammenzubekommen. Wir werden
Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?
daher in verschiedenen Konstellationen spielen.
Michael: Bei OT kümmert sich Bettina um die Texte Meist treten wir zu dritt auf. Ich hoffe, wir bekom(Der Bandname stammt auch von ihr), ich um die Op- men dieses Jahr ein paar Mal die große Besetzung
tik. Ich finde Coverdesign und überhaupt Corporate auf die Bühne. Die nächsten Auftritte stehen im Juli
Design extrem wichtig, um unsere künstlerischen und August bevor, daneben arbeiten wir gerade an
Vorstellungen zu visualisieren. Wenn der erste Song einer kleinen Tour. Die konkreten Termine am besten
im Kasten ist, mache ich mir bereits Gedanken über kurzfristig auf Myspace abfragen.
Typografie, Bilder und Farbwelten. Als wir die „10°
Poloni Melnikov
vor OT“ eingespielt haben, wussten wir schon, dass www.totpunkt.com
das Folgealbum „Erde ruft“ heißen würde. Ich hatte
bereits ein grobes Konzept im Kopf. Als ich in einem
Blumengeschäft in Hamburg im Hinterraum zufällig
das Moossofa entdeckte, wusste ich sofort: Das ist
das Titelmotiv!
der Glaube, verstanden als Werteorientierung und
Selbstreflexion, ist vielleicht ein Segen für den, der
glauben kann und schadet ja zumindest auch nicht.
Aber Religion ist auch ein Herrschaftsmittel und zugleich einer der Hauptgründe für Kriege in der Weltgeschichte.
Ihr habt bis jetzt ausschließlich deutsche Texte
verwendet. Diesmal sind aber einige Titel und
Headlines auf dem Album in Latein.
Bettina: Das Sakrale passte einfach gut ins Konzept,
die Geschichten selbst werden nach wie vor in deut-
Der Tod ist ein zentrales Thema in eurem Konzept. Wie gefällt euch der Terminus „Neue
Deutsche Todeskunst“, mit dem ihr in Verbindung gebracht werdet? Die Parallelen zu
Bands wie Goethes Erben sind ja nicht von der
Hand zu weisen.
Bettina: Der Terminus „Neue Deutsche Todeskunst“
war, glaube ich, ursprünglich ironisch gemeint. Mir
gefällt „Schwarze Romantik“ besser.
Michael: Ich finde, das passt perfekt zu OT. Es ist natürlich schmeichelhaft, dass wir in einem Atemzug
mit wichtigen Bands des schwarzen Genres genannt
werden.
VÖ „Erde ruft“: 19.06.09
25
Second Disease
Aufgewacht
Was passiert nicht alles, wenn die Elektroszene
schläft. Nicht viel. Umso besser, dass ab und an
ein paar alte Electrorecken wiedererwachen.
So auch Second Disease, die der weitgehend
eingeschlafenen Electrogemeinde nach acht
Jahren Pause mit „While the masses sleep”
wieder Mal einen Impuls geben können. Das
ehemalige Zoth Ommog Duo knüpft genau
da an, wo es 2001 aufgehört hat: Harte Beats
gepaart mit genial verschachtelter Elektronikfrickelei und dem oft vermissten Mut zu Lücke
und Ruhe, sollten die Herzen der traditionellen
EBM-Gemeinde höher schlagen lassen.
Eure letzte Veröffentlichung war „Am I God?“
aus dem Jahr 2001. Kann man „While the
masses sleep“ als euer Comeback bezeichnen
oder habt ihr nie aufgehört?
wusst mehrdeutig lassen. Genauso gibt es kein
Ganz aufgehört haben wir eigentlich nie, wir haben wirkliches Gesamtkonzept außer, dass die Stücke
aber durch unsere Jobs ein wenig den Faden locker musikalisch ein Ganzes bilden sollten. Inhaltlich gibt
gelassen und nicht so richtig den Dreh gefunden, es kein einheitliches Storyboard, sondern die Stücke
„Second Disease“ wieder zu intensivieren. Letztes behandeln ganz unterschiedliche Themen, die auch
Jahr haben wir uns dann allerdings einen Ruck ge- eine breite Fläche für Interpretationen bilden.
geben, auch nachdem wir unse„Vieles ist halt auf Was steht hinter dem Friedre alten Stücke mal wieder nach
langer Zeit gehört haben, besonhof, der euer Cover ziert?
pure Tanzbarkeit
Der Friedhof war die Interpretaders die „Flame the dark true“.
ausgelegt. Man
tion unseres Grafikers zum Titel
Die Komplexität des Albums ist
auch nach Jahren für uns noch
erkennt sofort die „While the masses sleep“, der im
Übrigen exzellente Arbeit geleiaußergewöhnlich. Das musste
Struktur, und auf
fortgesetzt werden.
stet hat. Das Cover sollte auffallen und zum Philosophieren über
Dauer ist nichts
den Albumtitel gedacht sein.
In welchem Zeitraum und mit
wem ist das neue Album ent- Außergewöhnliches Nach den ersten Reaktionen, die
wir jetzt erhalten, scheint das
standen?
mehr dabei.“
auch gut gelungen zu sein.
Die ersten Ideen entstanden
schon recht früh, daher knüpfen die Songs auch
sehr gut an die alten CDs an. Die „While the masses Wie hat sich eure Arbeitsweise beim Songwrisleep“ war dann bereits fertig, als wir Ende 2008 mit ting und Produzieren im Laufe der Jahre verändert? Wie seht ihr die Entwicklung der EBM/
Infacted Recordings den Deal gemacht haben.
Elektroszene in den letzten 10-15 Jahren?
Ist der Albumtitel „While the masses sleep“ Die Arbeitsweise hat sich eigentlich kaum geändert.
auch eine Ansage an die stagnierende und sich Wir ergänzen uns da nach wie vor prima. Generell ist
ständig selbst kopierende heutige Elektrosze- es sehr schade, dass etwas außergewöhnlichere Nine? Welches Konzept stand am Anfang des schenmusik, wie wir sie sicherlich auch machen, sehr
vorliegenden Albums?
selten geworden ist. Vieles ist halt auf pure TanzbarIst immer nett, neue Interpretationen zum Titel zu keit ausgelegt. Man erkennt sofort die Struktur, und
hören. Passt auch sehr gut, ja. Wir wollten ihn be- auf Dauer ist nichts Außergewöhnliches mehr dabei.
26
Bleibende „Aha-Effekte“ sind da wirklich selten.
Hier und da gibt es aber glücklicherweise immer
wieder Lichtblicke.
Werdet ihr in naher Zukunft die Bühne entern?
Konkrete Pläne gibt es nicht, da wir beruflich auch
stark eingebunden sind. Wir werden aber sehen, wie
sich das Projekt „Second Disease“ mit der „While
the masses sleep“ entwickelt.
Poloni Melnikov
www.myspace.com/seconddisease
VÖ „While the masses sleep“: 08.05.09
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Orange Sector
Oldschool EBM
„Mindfuck“, das neueste Werk der wiedergeborene
EBM-Instanz Orange Sector macht vergessen, das
zwischen dem ersten Album „Faith“ und heute fast
schon zwei Dekaden liegen. Der damals in der Tradition der frühen Nitzer Ebb und DAF stehende EBM
wirkt heute ausgesprochen frisch und hat im Vergleich zu den heutzutage oft weichgespülten Futurepopbands genügend Kanten und Ecken, um sich aus
der Masse der Veröffentlichungen zu erheben.
15 Jahre Orange Sector: Der Laden, in dem alles angefangen hatte, ist längst Geschichte (Index). Fühlt Ihr Euch heute noch zu Hause in der
größtenteils modernen Hellectro Szene?
Lars: Was heißt Zuhause? Wir halten uns in der Szene
eigentlich nur noch auf, wenn wir eine Show spielen.
Wir haben Familien und sind so langsam im gesetzteren Alter, da wird es am Wochenende meisten ruhiger. Wenn wir eine Show spielen, fühlen wir uns in
den Clubs pudelwohl, gerade dann, wenn wir viele
alte Bekannte treffen. So wie neulich, als wir nach 15
Jahren wieder mir den Armageddon Dildos zusammen gespielt haben, das hat richtig gerockt.
Thematisch geht es oft um den Menschen
„gefangen im System“. Sind das auch die Thematiken, die euch im Alltag beschäftigen oder
handelt es sich eher um eine genretypische Stilisierung?
ten. Was ist der Auslöser für die
„Es gibt einfach Lars: „Sturmgeist“ und „Legend“
jeweilige Sprache?
sind leider wieder sehr aktuell und
Ausdrücke,
Lars: Das kommt auf den Song und
beschäftigen sich mit Amokläufen
den Inhalt an. Es gibt einfach AusSlogans wie z.B. der letzten Jahre und vor allen
drücke, Slogans wie z.B. „Death
Dingen mit den Entschuldigungen,
rides the Highway” oder „Life’s a ‚Life’s a bitch and die die Täter benutzen. „Death
bitch and then you die”. Das passt
rides the highway“ dreht sich um
then you die’ –
einfach. Es kommt also wirklich auf
und daraus resultierenden
das passt einfach Glauben
den jeweiligen Begriff an, entweder
offenen Fragen. Alle Songs drehen
es passt oder nicht.
sich um das Leben in der heutigen
auf Englisch.“
Zeit und beschreiben Dinge, die
Das neue Album bewegt sich häufig im Mid- uns beschäftigt haben und weiterhin beschäftigen
tempobereich, wirkt dadurch weit kälter und werden.
schleppend bedrohlicher als eure früheren
Werke. Gab es vor Beginn der Arbeiten am Al- „Die Haut ist der Spiegel der Seele” könnte
bum eine Richtschnur?
auch ein Wahlspruch von Nivea sein. Ist es aber
Lars: Nein, nicht wirklich. Das Album wurde in dem nicht, oder?
Zeitraum von zwölf Monaten aufgenommen. Das Lars: Schön wärs, hätte bestimmt Geld gebracht. Aber
Album klingt einfach nach unserem Leben in dem nein, natürlich nicht. Es geht um ein Spiegelbild seiZeitraum.
ner selbst, was will man sein, darstellen, was denken
Alles was uns in der Zeit widerfahren ist oder uns be- oder sehen andere.
schäftigt hat, welche Musik wir gehört haben, all das
Siegmar Ost
ist in diese Songs geflossen. „Mindfuck“ is just life!
www.orange-sector.de
Mit dem „Tanzbefehl“ hattet ihr euer Comeback im großen Stil eingeläutet. Hattet ihr mit
dem Erfolg eures sehr ursprünglichen EBMKonzepts gerechnet?
Lars: Darüber haben wir gar nicht nachgedacht. Wir
hatten einfach einen Riesenspaß bei den Aufnahmen.
Da das Album dann noch so gut aufgenommen wurde, hat es uns natürlich noch angenehmer gemacht.
Zoth Ommog ist längst Geschichte, ihr dagegen seid wieder zu Kräften gekommen. Gibt es
noch Kontakte zu der alten Clique des Labels?
Lars: Außer zu Torben leider nicht richtig. Wir haben
vor einigen Wochen mit den Dildos gespielt und das
war schon eine Hausnummer. Nach 15 Jahren gute
Kollegen wieder zu treffen, das Comeback hat sich
gelohnt. Zwischendurch hatten wir ab und zu mit
Andre Schmechta via Email Kontakt. Zoth Ommog ist
zwar Geschichte, aber unvergessen!
Auf eurem neuen Album wechselt ihr wieder
stetig zwischen deutschen und englischen Tex33
Alle Fotos: Kai Schmidt
Live in Hamburg
Chibi: Wir haben das eigentlich gar nicht geplant.
Uns wurde am Ankunftstag gesagt, dass die Show
aufgenommen wird. Wir haben dann später entschieden, es für die CD/DVD zu verwenden. Diese
Tour ist eine Weile her. Ich erinnere mich, dass es ein
anstrengender Regentag war. Doch Hamburg war
eine gute Show, deshalb war es auch gut, diese zu
nehmen.
Dass The Birthday Massacre eine international
erfolgreiche und gefeierte Band ist, steht außer
Frage. Doch hat man irgendwie den Eindruck,
dass sie noch viel mehr erreichen könnten,
noch viel öfter die großen Bühnen der Welt
bespielen sollten und einem noch größeren
Publikum zugänglich gemacht wer„Der Fan kann
Wie viel von den Aufden sollten. Denn schließlich bringen
sie alles mit, was eine Band dieses
also Live-Material nahmen habt ihr im
Studio nachpoliert?
Formats benötigt. Einzigartige Muvon mindestens 2 Wenn du einer Filmcrew
sik, ein stimmiges Bandkonzept und
vor allem eine sehr starke und mitStunden aus den vertraust, die du nicht
kennst und sie Equipment
reißende Präsenz auf der Bühne. VielJahren 2005-2007 verwenden, das du nicht
leicht gelingt ihnen der Griff nach den
Sternen mit der baldig erscheinenden
kennst, willst du sicher
erwarten.“
sein, dass die Aufnahmen
DVD. Als Appetizer gibt es jetzt schon
die Audioversion des Hamburger Konzerts der gut sind. Liveshows sind unberechenbar, Dinge
2007er Tournee. NEGAtief sprach mit Frontfrau gehen schief und du hast keine zweite oder dritte
und Energiebündel Chibi.
Chance, um dinge zu verbessern wie im Studio. Wir
haben uns die Aufnahmen angeschaut und einige
Warum habt ihr das Knust-Konzert in Hamburg Sachen akzentuiert, um es so gut wie möglich klinfür eure Live-CD/DVD gewählt?
gen zu lassen. Man will nichts verkaufen, von dem
man nicht selbst überzeugt ist. Das Material war eineinhalb Jahre alt, als wir es anhörten und wir waren
somit auch objektiv genug.
„Show and Tell“ zeigt, dass eure Musik live
noch emotionaler und energetischer ist als
auf den Alben. Beachtet ihr das während des
Songschreibens? Hat sich die Art des
Schreibens im Laufe der Jahre verändert?
Ich denke, der Live-
34
Aspekt spielt definitiv eine Rolle. Beim Schreiben
denkst du darüber nach, wie es live rüberkommt und
ob es Spaß macht auf der Bühne. Das ist ein natürlicher Teil in der Bandentwicklung. Alle Songs verändern sich auf der Bühne im Vergleich zur Studioaufnahme. Als wir angefangen haben zu touren, haben
wir realisiert, welchen großen Teil die Performance
eines Songs einnimmt, wenn man ihn schreibt.
„Show and Tell“ enthält 15 TBM-Hits. Würdet ihr sagen, eure erste Live-CD ist auch ein Best Of Album?
Sicher. Ich würde sagen, die Live-Show jeder
Band ist eine Art Best Of, oder? Du spielst
die Songs, die du liebst, die das
Publikum liebt und jeder hat
seinen Spaß.
Bildergalerien und vieles mehr. Der Fan kann also
Live-Material von mindestens 2 Stunden aus den
Jahren 2005-2007 erwarten.
Wie weit sind die Arbeiten an der Live-DVD? Was gefällt euch besser: Eine intime Clubshow
Wie seid ihr in den Schnittprozess eingebun- vor 500 Leuten oder ein Auftritt auf der Hauptden? Wie war es, mit Paddy von Crazy Clip zu bühne des M’era Luna oder Amphi Festivals?
arbeiten?
Beides ist gut. Bei einer kleinen
Wir haben ihn nur einmal getrof„Es macht immer Clubshow hast du eine bessere
fen. Wir kommen aus Kanada,
Verbindung mit den Fans und es ist
mehr Spaß, vor
was oft eine Barriere ist, was
persönlicher. Bei einem Festival ist
das Pflegen von Beziehungen Leuten zu spielen, es berauschender mit der großen
mit Europäern betrifft. Ich habe
Bühne und so vielen Leuten. Beide
die Spaß haben
unser Interview mit ihm sehr geVarianten haben unterschiedliche
nossen. Er hat einen großartigen
Energien und sind beide eine wunwollen und die
Humor, was zu einem sehr relaxdervolle Erfahrung.
Musik mit uns
ten Interview beigetragen hat.
Und diese Interviews sind immer
genießen.“
Euer Konzept beinhaltet nicht
die besten. Wir werden diesen
nur Musik, sondern auch SymSommer wieder nach Europa kommen, vielleicht bolik, Mode und Performance. Sind eure Fans
treffen wir ja Paddy wieder.
auch speziell?
Unser Publikum war und ist sehr wichtig für uns. Wir
Die meisten Fans sehen ihre Lieblingsbands haben seit unseren Anfängen eine enge Verbindung
auch gerne mal abseits der Bühne. Könnt ihr und einen Austausch mit ihnen. Nach jeder Show
schon etwas über das Bonusmaterial der DVD unterhalten wir uns mit Menschen, die einfach nur
sagen?
Hallo sagen wollen. Das ist ein sehr wichtiger Teil
Es ist schon viel Zeit seit dieser Tour vergangen. Ich beim Touren für uns.
habe eine Menge Behind-the-scenes-Fotos auf meiner Myspace Seite vom letzten Jahr. Die Hauptsache Ihr habt in letzter Zeit sehr oft getourt. Habt
wird das Konzert in Hamburg sein. Auch in Dolby ihr ein paar Lieblingsplätze oder Clubs? Gibt
Digital 5.1. Natürlich wird es auch einige Bonus es einen Unterschied zwischen dem amerikafeatures geben. Material von europäischen Festivals, nischen und dem europäischen Publikum?
Ich glaube nicht, dass es einen
richtigen Unterschied zwischen
den Ländern gibt. Eher von
Stadt zu Stadt, egal wo du
bist. Das eine Publikum ist
zurückhaltender als das andere. Es macht immer mehr
Spaß, vor Leuten zu spielen, die
Spaß haben wollen und die Musik
mit uns genießen. Unsere Show wird
besser, je mehr sich die Leute bewegen.
Poloni Melnikov
ww.thebirthdaymassacre.com
VÖ „Show and Tell“: 08.05.09
35
Schwedischer Emoindustrial
The Kick könnte eines der Newcomerthemen
des Jahres werden, denn die musikalischen
Welten des Sängers, Komponisten und Produzenten in Personalunion erinnern in ihrer
beklemmenden Eingängigkeit an eine vollkommen neue Mischung aus frühen Waverock
Einflüssen und modernen Industrialrockproduktionen. Mit dabei immer auch eine Prise
Emo a la My Chemical Romance. Neben dem
durch und durch runden Album hat die Band
aber auch zu fast jedem Song ein Video entworfen, das auf Myspace publiziert, die jeweiligen Songs in ihrer Aussage weit transparenter erscheinen lässt.
Die Songs eures ersten Albums sind extrem gut
produziert und klingen extrem modern. Wie
erreicht man das schon mit dem Debüt?
David: Danke! Ich habe fast zehn Jahre als Studiotechniker gearbeitet und ebenso als Songschreiber
und Arrangementtüftler für meine eigenen Projekte trial-Pop bezeichnet. Ich sehe mich nicht wirklich als
und Bands, sodass ich glaube, dass ich mich in die- Teil einer bestimmten Szene, auch wenn ich gerne
sen Fächern einfach selbst mit der Zeit perfektioniert einen Platz finden würde, an dem meine Musik akhabe. Das Album wurde in einem sehr kurzen Zeit- zeptiert wird, als das, was sie ist. Es ist sicherlich
raum geschrieben und zum ersten Mal bin ich nur cooler, eine solide Fanbase zu haben, als Nährbonach meinen eigenen Vorstellungen ans Werk ge- den für den ständigen Hype des Tages zu liefern.
gangen, ohne mit jemandem zu kollaborieren. Also
konzentrierte ich mich grundlegend auf meine eige- Dein Gesang erinnert teilweise an den eines
nen Einflüsse und mir wurde sehr schnell klar, wie Trent Reznor von NIN. Beeinflusst er dich?
Ich mag die Art und Weise wie Trent
das Album klingen sollte. Glücklicherweise wurde es auch genauso, „Es ist sicherlich seine Songs und Arrangements
wie ich es mir vorgestellt habe.
schreibt und halte das „The Downcooler, eine
ward Spiral“ Album für ein großarsolide Fanbase tiges Werk. Für den Gesang und Texte
Musikalisch gesehen scheinst
ist Trent Reznor aber kein wirklicher
du dich an Emo, New Wave,
zu haben, als
Einfluss. Seine musikalische Dynamik
Industrial und vielen anderen
Nährboden für mag vielleicht den Ursprung der Frage
Styles zu orientieren. Fühlst du
dich als Teil einer neuen Geneden ständigen evozieren.
ration von Dark-Bands, die als
Hype des Tages Du hast auch schon ein paar Vi„Referenzen“ die frühen Neundeos veröffentlicht. Hast du die
ziger angeben aber mit den
zu liefern.“
auch selbst gedreht? Verstehst du
modernen Mitteln arbeiten?
Ich fühle definitiv, dass meine Musik die meiste Zeit Videos heutzutage als logisches Beiwerk zu
in eine dunkle Richtung tendiert. Ich mag die Idee, einem Album?
Pop und Indie mit Gothic-Industrial-Sounds zu mi- Die Videos sind alle Low-Budget Streifen von Frida
schen. Meine Musik wurde bereits öfter als Indus- Sjöstam, die auch Gitarre und Keyboard in meinem
36
Live-Line-up spielt. Ich denke, dass die visuellen
Parts einer Band wie The Kick sehr wichtig sind. Und
eine gute Art und Weise sich visuell auszudrücken,
sind nun mal Videos. MTV ist hierbei wohl eher nicht
mehr so signifikant aber das Internet ist mittlerweile
viel größer als MTV jemals war und es ist eine gute
Sache sich selbst im Netz zu präsentieren.
Maria Mortifera
www.myspace.com/thekicksweden
www.thekick.net
Das unberechenbare Innere
Beim aktuellen Werk „Civil Demon“ setzen
Akanoid genau da an, wo sie mit der letzten EP
„100 Burning Guitars“ aufgehört haben. Aus
synthetischem Pop ist Elektrorock geworden,
ohne die Wurzeln zu verleugnen. Das neue
Album zeigt eine gereifte Band, die es genau
versteht, ihre Mischung aus Elektropop und Industrialrock mit einem beachtlichen Spektrum
an Kompositionen zu mischen und stößt den
Schubladendenker gewaltig und unberechenbar vor den Kopf.
die absolute Freiheit in Komposition und
vor allem Produktion.
„Der Rock
bringt die
unmittelbare
Rohheit, und
die Elektronik
die absolute
Freiheit in
Komposition
und vor allem
Produktion.“
Was bedeutet „Civil Demon“? Welchem Konzept folgt das Album?
Als einzig verbleibendes Gründungsmitglied zeichne ich mich verantwortlich
für dieses Konzept, das mein Wesen,
welches sich in den Texten widerspiegelt, aber auch dieser Tage passenderweise die klangliche Charakteristik der
Band beschreibt. Es spielt auf das, nennen wir es mal, unberechenbare Innere
an, das eher in einem schlichten Gewand
lebt. Es gibt einiges zu entdecken, denn
das Album erfordert einen zweiten Blick, um mehr
von seinen Inhalten preiszugeben. Die Grundlagen,
sowohl des textlichen, als auch des musikalischen
Konzepts von „Civil Demon“ sind schon bedeutend
früher gelegt worden, als die der vorangegangenen
Alben. Hier hat etwas geschlummert, das erst in dieser neuen Bandkonstellation
seinen Weg nehmen konnte.
Euer Stil hat sich auf dem neuen Album vom
Synthpop mehr zu elektronischem Rock verändert. War das eine bewusste Entscheidung
oder einfach eine Weiterentwicklung weg vom
Elektronischen?
Hilton: Wir haben bereits in diversen früheren Stücken rockige und sogar metallische Elemente verwandt, die jedoch stets auf einem elektronischen
Fundament zum Einsatz kamen, nun fusioniert die
Basis mit verstärkten Rockanteilen, während der
Elektronik nach wie vor eine tragende, sowie ausfüllende und nicht etwa nur schmückende Rolle
zukommt. Auch haben wir schon immer mit ineinanderfließenden und zum Teil nicht zuzuordnenden
Grundbausteinen gearbeitet, so sind früher bedeutend mehr Gitarrensamples
zum Einsatz gekommen, als
man vermuten möchte, lediglich zur funktionalen Unkenntlichkeit bearbeitet, während
heute der nicht unerhebliche
elektronische Teil der Musik
gelegentlich subtiler scheint,
als er ist. Akanoid lebt von
dieser Symbiose und wird
auch zukünftig von den Vorteilen beider Einflüsse und Stilistiken profitieren, denn der
Rock bringt die unmittelbare
VÖ „Civil Demon“: 22.05.09
Rohheit, und die Elektronik
Eure Kompositionen haben
ein sehr breites Spektrum.
Wie entstehen eure Songs
und wie viele Köpfe sind
am Songwriting beteiligt?
Noch bin ich Hauptsongwriter,
werde aber von meinen Kollegen mit reichlich Ideenmaterial und Beteiligung am Ausproduzieren unterstützt. Da
die Band in dieser Besetzung
noch recht jung ist, wird eine
völlige Durchmischung der Einzeleinflüsse wohl erst ab dem nächsten Album stattfinden, es gibt aber
auch auf diesem Longplayer Ausnahmen und Alleingänge wie „All
The Noise“, das so gut wie komplett
von unserem Drummer stammt, oder
„Hand Over Head“, das zum Großteil von unserem Gitarristen Phil geschrieben wurde, bei dem sich aber
auch bereits unser Neuzugang Greg
maßgeblich einbringen konnte. Es
gibt wenig Ausschussmaterial, weil
wir früh gute Ideen sondieren und
verfeinern, und weniger geeignete
verwerfen. Das beste Material, egal von welchem
Bandmitglied, findet den Weg aufs Album.
Ihr wart schon mit namhaften Bands wie De/
Vision auf Tour. Wird es eine erneute Tour geben? Wie sehen eure Zukunftspläne aus?
Wir stecken noch mitten in der Planung für eine
Herbsttour, wobei noch nicht klar ist, ob vornehmlich
Supportshows für einen anderen Act oder vielleicht
auch eine Co-Headliner Tour mit beispielsweise einer weiteren Band unseres Labels Echozone stattfinden. Nach unserer Releaseparty und dem darauf
gefolgten WGT werden wir noch einmal im Studio an
B-Versionen und weiterem Bonusmaterial für eine
mögliche DVD oder EP Veröffentlichung zum Ende
des Jahres, sowie einem Video arbeiten. Wir hoffen,
das neue Album bis dahin möglichst oft live präsentieren zu können und freuen uns auf die Herausforderungen, die vor uns liegen.
Poloni Melnikov
www.akanoid.de
37
Reincarnatus
Von wegen finsteres Mittelalter
Die im Jahre 2005 gegründete Mittelalterformation entspricht in vielen Dingen nicht der
traditionellen Medievalband. Da wäre zuerst
einmal die Besetzung. Sieben Frauen an der
Zahl und eine Instrumentierung, die weit
popmusikalischer klingt, als es die Auswahl
der Instrumente vermuten ließe. Die Niederländerinnen zeichnen aber auch ein weit positivistischeres Bild des Mittelalters, das von
sehr feinsinnigen und romantischen Betrachtungen ausgehend, eine
verspielte und liebliche
Interpretation
dieser
Epoche entwirft. Vielleicht liegt das an der
weiblichen Sichtweise,
vielleicht aber auch an
dem der Frontfrau Renate Dirix eigenen warmen Naturell, die unsere Fragen bereitwillig
und in deutscher Sprache beantwortete. Dass
der Band eine große
Zukunft zu Teil werden
dürfte, könnte auch an
dem Engagement der
Plattenfirma liegen, die
bereits Schandmaul mit
langem Atem zum Chartdurchbruch verhalfen.
Ursprünglich als Duo
von Renate Dirix und
Joyce Hamers gestartet,
wurde aus Reincarnatus
schnell ein siebenköpfiges Projekt. Wie habt
ihr zusammengefunden
und welche musikalischen Wurzeln vereint
ihr?
Renate: Wir haben alle an
der Musikhochschule studiert. Natürlich nicht mit
38
mittelalterlichen Instrumenten, denn dafür gibt es
hier keine Ausbildung am Konservatorium, was ich
sehr schade finde. Joyce und ich haben vor allem
in diesem Umfeld gesucht, zuerst waren auch noch
ein paar Männer dabei aber mit der Zeit hat sich
die Band mehr und mehr zur aktuellen Besetzung
hin entwickelt.
Ursprünglich hattet ihr aber ausschließlich
mittelalterliche Kompositionen auf authentischen Instrumenten im traditionellen Sinne
gespielt. Euer aktuelles Album vereint aber
viele moderne popmusikalische Arrangements und Instrumente mit ursprünglichen
Instrumenten wie Dudelsäcken, Hurdy Gurdy,
Bouzuki. Wie habt ihr zu dieser Kombination
gefunden? Werdet ihr das in Zukunft noch
weiter verschmelzen?
Renate: Also ich denke, wir haben jetzt mit unseren
Debütalbum Media Vita unseren eigenen Sound
gefunden. Es ist halt die Mitte zwischen Rock und
Pop. Die Instrumente des Mittelalters werden so
einem breiteren Publikum vorgestellt, die normalerweise vielleicht keinen Mittelaltersound mögen.
Gerade diese Hörer werden sicher ein ziemliches
Aha-Erlebnis haben.
Welche eigene Beziehung hast du zum Mittel-
alter und seiner Musik. Gibt es neben der Mu- weiβ schon genau, was hier auf dieser Erde und
sik Dinge, die dich am Mittelalter begeistern? hinterher passiert? Reincarnatus als Bandname beGerade eure Mischung mit Popmusik drängt deutet nur die Wiedergeburt des mittelalterlichen
förmlich die Frage nach anderen Einflüssen Instrumentariums in unserer heutigen Zeit.
auf.
Das ist wahr. Wenn ich zurückdenke, hatte bereits Noch einmal zu eurer Besetzung. Ist es ein Zuim Kindesalter das Mittelalter eine große Faszinati- fall oder wolltest du mit einer rein weiblichen
on auf mich ausgestrahlt. Meine erste Begegnung Besetzung ein Zeichen setzen?
Ja, das war ein reiner Zufall. Ganz
als Kind war, glaube ich, ein
Straßenmusikant in Maastricht.
„Ich der Meinung am Anfang hatten wir noch einen
Das hatte mich absolut beMann dabei. In den Niederlanden
bin das alle
geistert. Die mystischen Klänge
hieß es dann sofort, dass ein Mann
und die fantasievolle Gestalzwischen so vielen Frauen seltsam
spiritualistische
tung der Instrumente. Als Kind
wäre, noch dazu, wenn er gar nicht
Fragen mit einem die Frontperson ist. Das hat uns
wollte ich dann nur noch mit
dieser Art von Instrumenten
großen ‚Ich weiß schon sehr verwundert. Nichts despielen. Leider gab es damals in
trotz, wir hatten dann die Band
nicht’ beantwortet sto
Holland noch kein Internet, wezu einer reinen Frauenband genige Informationen und kaum
werden sollten.” macht. Und allen Warnungen zum
Hersteller für jene Instrumente.
Trotz: Es funktioniert super.
Das hat dann noch lange gebraucht.
Gibt es eine Interaktion zwischen deinen MuWo wurde das aktuelle Album produziert?
sikerinnen und deiner ursprünglichen SongiAls ich die Musik komplett im Kopf hatte, bin ich dee?
auf Produzentensuche gegangen. Eigentlich war Generell schreibe ich die Songs komplett, aber auf
das schon ein richtiger Suchauftrag. Mit Karo Slok der Bühne findet dann immer wieder ein Austausch
haben wir dann den richtigen Mann gefunden, der statt und die anderen bringen ihre Ideen ein. Das
unsere Ideen von vornherein richtig verstanden macht mir sehr großen Spaß.
hat.
Möchtest du uns an deinem privaten Leben
Ihr kombiniert viele verschieteilnehmen lassen?
dene Sprachen, wie Latein,
Wie schon erwähnt, hab ich mich,
„Hildegard
Französisch und Englisch. Mit
seitdem ich Kind bin, fürs Mittelalter
von Bingen
dabei ist auch Hildegard von
interessiert. Darauf ist auch heute
Bingen. Nach welchen Ge- war ja sehr viel noch mein Leben abgestimmt. Wenn
sichtspunkten habt ihr die
meine Wohnung betrittst, dann
mehr als nur so du
Texte ausgewählt?
kommst du direkt ins Mittelalter. Ich
Hildegard von Bingen war ja sehr
eine Nonne.” finde es schade, dass das Mittelalter
viel mehr als nur so eine Nonne.
heutzutage in erster Linie als ein finFür die damalige Zeit und die damalige Kirche sterer und verzweifelter Ort dargestellt wird. Wer
war diese Frau unglaublich progressiv, ein wahr- sich mit dieser Epoche genauer auseinandersetzt,
haft heißes Eisen. Ich habe aber auch viele Texte findet viele positive Aspekte. Genau jene Aspekte
französischer Troubadours aus dem frühen Katha- wollen wir mit Reincarnatus beleuchten.
ren benutzt. Genereller Tenor war hier: Die Liebe
herrscht!
Schandmaul haben euch als Gast auf ihr Zehnjahres-Geburtstagstour eingeladen. Daneben
Was bedeutet eigentlich der Name Reincarna- gibt es noch einige zusätzliche Shows.
tus für dich? Glaubst du an die Reinkarnati- Wir freuen uns riesig auf das deutsche Publikum
und hoffen, dass ihr uns in die Arme schließen weron?
Eigentlich hat der Name nicht soviel mit meiner re- det. Danach geht es dann in unsere Heimat und
ligiösen Haltung zu tun. Ich bin der Meinung, dass nach Belgien.
alle spiritualistischen Fragen mit einem groβen „Ich
Maria Mortifera
weiβ nicht“ beantwortet werden sollten, denn wer www.reincarnatus.com
39
Keine Klingonen an Bord
Das Soloprojekt des hübschen blonden und
durchtrainierten Schwedens nicht in Relation
zu seinem bisherigen Hauptprojekt zu stellen, fällt schwer. Zu stark lastet der Schatten
einer der berühmtesten schwedischen Synthpopbands auf dem Debütalbum. Dennoch muss man
dem bei S.P.O.C.K als Chrull-E agierenden Schweden
eine meilenweit entfernte Emanzipation konstatieren, denn außer der allgemeinen Eingängigkeit
skandinavischer Kompositionen lebt das Debüt vor
allem von dem extrem ausdrucksstarken Gesang und
vielschichtigen und ausgefeilten Kompositionen; die
man kaum noch unter dem Etikett Synthpop vereinen kann.
Mitsommernacht rumtorkeln. Ehrlich, ich
weiß, nicht woran es liegt.
Du hast schon soviel mit deinem Hauptprojekt S.P.O.C.K erreicht. Suchst du
jetzt einen neuen kreativen Horizont?
Wie wahr. Ich liebe es, mit S.P.O.C.K auf der
Bühne zu stehen, aber jetzt ist die Zeit für
etwas anderes gekommen. Die Erfahrung
mit etwas komplett Neuem zu beginnen und
in erster Reihe zu stehen, anstelle immer nur
hinter einem Frontmann zu stehen.
Ihr habt viele Einflüsse auf Eurer Myspace Seite benannt. Musikalisch seid ihr aber eher im
Wie lange beschäftigst du
traditionellen Synthpop
Zuhause. Beziehen sich
„Vielleicht liegt es dich schon mit der Idee zu
einer Solokarriere?
deine Einflüsse eher auf
auch an unserer
1998 hab ich eine ziemlich cooden gesanglichen Teil?
Synthpop? Ich fühle mich herrlichen Natur, in le Metalband namens Mister
produziert. Die moderne
da nicht wirklich Zuhause.
der wir uns immer Kite
Art des Metal beinhaltete für
Natürlich gebe ich gerne
zu, dass einige unserer inspiriert fühlen, zu mich das fehlende Stück, den Missing
Songs einen gewissen
singen. Besonders Link zu Biomekkanik, über den ich so
vorher noch nie nachgedacht hatte.
Synthpopeinfluss haben.
während wir
Unabhängig von meiner
Vorliebe zu extremen,
sturzbesoffen zur Der Bandname hingegen klingt
schrägen Stilen im Metal,
doch ziemlich cyberesque und nach
Mitsommernacht
Science-Fiction. Ist der futuristische
liegt mein eigentliches
Aspekt, so wie bei S.P.O.C.K eine
Augenmerk auf Songs und
rumtorkeln.“
Inspirationsquelle?
Melodien, die berühren. In
meiner Welt haben gerade Bands wie Coldplay oder Yeah, ich denke mal, jetzt ist es zu spät, den Namen
Nine Inch Nails das gemein. Was den Gesangsstil zu ändern. Eigentlich hatte ich den Namen einer
betrifft, fühle ich mich einem „amerikanischen“ Statue von H.R.Giger entliehen. Dieser typische
Stil näher. Ich liebe so gegensätzliche Stimmen wie Gigerstyle, der erst die Alien Filme so großartig geJames Hetfield (Metallica), Chris Cornell (Soundgar- macht hatte. Dabei handelt es sich aber eher um das
den) und die wunderbare rhythmische Phrasierung visuelle der Skulptur, als um typischen Science-Fiction. Irgendwie dieses Motiv einer sich ins Absurde
eines Frank Sinatra.
steigernden Perfektion. Biomekkanik ist definitiv geSchweden ist noch eine der stärksten drei Pop- genwärtiger, als in irgendwelchen Zukunftsbetrachtungen zu schwelgen.
exportnationen. Woran liegt das?
Warum geht Britney Spears, um ihr neues Album
aufzunehmen, nicht nach Norwegen, sondern nach Worum dreht sich das Debütalbum größtenSchweden? Eine ernsthafte Antwort könnte im mu- teils?
sikalischen Fokus der schwedischen Schulen liegen. Wir werden alle sterben? Ich denke mal, vor allem
Es wird bei uns einfach mehr musiziert, anstatt zu all die Dinge, die ich nicht mag. Der Song „Heaven
konsumieren. Vielleicht liegt es auch an unserer herr- Awaits“ entstand z.B. zwei Wochen, bevor Präsident
lichen Natur, in der wir uns immer inspiriert fühlen, Bush Präsident wurde.
zu singen. Besonders während wir sturzbesoffen zur Bisher bin nur ich Biomekkanik gewesen. Da ich als
40
Produzent bereits für so viele andere Musiker gearbeitet hatte, wollte ich jetzt endlich nur etwas für
mich selbst machen. Mit dem kompletten Livelineup
ist das jetzt natürlich etwas anderes. Ich habe mit
Matthias an der Gitarre und Andreas an den Keyboards tolle Musiker gefunden.
Siegmar Ost
www.myspace.com/biomekkanik
www.biomekkanik.com
funkervogt
Frontkämpfer
In der letzten Ausgabe hatten wir bereits die
Live DVD beleuchtet, die sich aber wegen diverser Probleme mit dem Videomaterial verschoben hatte. Weit über vier Stunden Filmmaterial bedeutet entsprechend viel Arbeit,
doch was lange währt, wird endlich gut und
die DVD ist auch ein herrlicher Rückblick in die
Geschichte eines EBM Urgesteins, das weltweit
Erfolge feiert.
Wenn ihr euch zurücklehnt und eure Liveperformance genießt: Würdet ihr euch als Schauspieler bezeichnen, oder seid das ihr auf der
Bühne?
Jens: Ich glaube von beidem etwas. Ohne wir selbst
zu sein, könnten wir gar nicht das abliefern, was wir
und unsere Fans von Funker Vogt erwarten. Selbstverständlich gehört auch eine Portion Schauspiel
zum Geschäft. Um Glaubwürdigkeit beim Publikum
zu erzielen, ist es logischerweise nötig, das mit Gesten und Mimik entsprechend umzusetzen. Apropos
genießen. Da geht es uns wohl wie den meisten
Künstlern in Film und Musik. Sich selbst beobachtet
man am Bildschirm nur höchst widerwillig.
euch diesen Ruf erarbeitet und was unterscheidet euch hier zu euren sonstigen, vielleicht nicht
so erfolgreichen Kollegen aus Deutschland?
Jens: Das ist schwierig zu beantworten, ohne in
Selbstlob zu verfallen. Uns war es immer egal wo,
wann und vor wie vielen LeuIm Rückblick - Hättet ihr euch „Die Spreu trennt sich ten wir gespielt haben und
damals zu euren ersten Verwir haben immer versucht,
vom Weizen, wenn
unser Bestes zu geben, auch
öffentlichungen eine solch
es ernst wird und es
lange und beständige Karriewenn das natürlich nicht
re vorstellen können?
in dunklen, muffigen immer geklappt hat. Vielen
Jens: Nein, denn ich behaupte
Bands könnte man den VorVorstadt-Clubs vor
wurf machen, dass sie sich im
einfach mal, dass es im MusikgeErfolg sonnen, wenn sie mal
schäft gar nicht möglich ist, etwas
ein paar Dutzend
auf Jahre zu planen. Aus diesem
auf einem Festival auf der
Hardcore-Typen zur
Hauptbühne spielen durften
Grund haben wir uns auch niemals Gedanken um das Morgen
und ein paar tausend Leute
Sache geht.“
ihnen zugejubelt haben. Die
gemacht, sondern haben uns immer brav im Jetzt und hier bewegt. Vielleicht ist das Spreu trennt sich vom Weizen, wenn es ernst wird
sogar ein Grund dafür, warum wir eine sehr bestän- und es in dunklen, muffigen Vorstadt-Clubs vor ein
dige Band sind und im Umkehrschluss wird Bestän- paar Dutzend Hardcore-Typen zur Sache geht. Das
digkeit und Ausdauer auch meist mit Erfolg, in welcher ist unsere Welt, wie wir Sie lieben. Mal groß, mal
klein aber immer mit dem Herzen dabei.
Form und Größenordnung auch immer, belohnt.
Ihr geltet gerade auch im Ausland als die deutsche EBM Band par excellence. Wie habt ihr
Die ursprüngliche EBM scheint ja gerade in den
letzten Jahren wieder gewaltig Aufwind zu ge-
winnen. Woran liegt das eurer Meinung nach?
Gerrit: Ja? Hm, da hab ich noch gar nichts von mitbekommen. Oder sprichst du von diversen Nitzer Ebb
Klonen und Ähnlichem? Dazu kann ich nur sagen,
dass die Originale immer noch unerreichbar geblieben sind. Auch wenn sich die Technik der „Cover“Bands verbessert hat und einige sogar produktionstechnisch besser klingen als die Urväter, bleibt die
Seele beim Original, und da kommt halt bisher niemand heran. Mir persönlich sind schlechte Originale
lieber als gute Klons.
Welches Werk eurer zurückliegenden Bandgeschichte würdet ihr als das konsequenteste
Funker Vogt Album bezeichnen? Und welches
als das größte Experiment?
Gerrit: Ich denke, das durchstrukturierteste Album
war aus meiner Sicht das „Maschine Zeit“ Album.
Dabei hatte ich mich musikalisch stark an dem Vorgänger „Execution Tracks“ orientiert. Aber grundsätzlich sind eigentlich alle FV-Alben konsequent,
bis auf vielleicht „Navigator“, bei welchem wir ein
wenig mit für uns untypischen Elementen herumexperimentiert hatten.
Peter Istuk
www.funkervogt.de
41
Krieg und Liebe
Vom Cover der geschmackvoll illustrierten CD
blickt ernst und gut beleuchtet ein Adonisgesicht, darunter der provokante Titel „Liebeskrieger“. Und siehe da, der Hübschling von Seite
eins ist auch noch der Sänger der Band. Doch
wer sich mit der CD auseinandersetzt, findet
viel mehr als die romantischen Tagebücher eines
Liebestollen. Der türkischstämmige Sänger und
Texter der Band, Timur, hat sicher den Hang
zum Dramatisieren, trifft hierbei aber auch immer den Nerv sozialer und gesellschaftlicher
Brennpunkte. Die musikalische Mixtur erinnert
an Megaherz und Eisbrecher, kann aber durch
orientalische Zitate durchaus sehr eigenständig
punkten.
Schöngeist, der Bandname lässt viele Assoziationen wach werden. Bist du ein klassischer
Schöngeist?
Timur: Für mich ist ein Schöngeist jemand, der in
erster Linie mit einer Gabe der Intuition und den
Glauben an das „Gute” in die wenig emotional Gebildeten dafür arbeitet, die „Welt” ein kleines Stückchen
menschlicher respektive relaxter zu machen. Also eine
Art intellektueller Luzifer, heute nur noch benutzt als
Kontrapunkt und Abschreckung zur inzwischen vergöttlichten Ignoranz und dessen Kreuzzug unter dem
Banner „Liegt allein im Geiste des Betrachters” bzw.
es gibt nix, jenseits von Wikipedia, Google und mir.
„Liebeskrieger“ klingt als Titel sehr provokant.
Schwingt in den Texten ein Teil deiner Liebesabenteuer mit?
Wie heißt es so schön: „Der Gentlemen genießt und
schweigt.“ Ich sag nur soviel: Für ein ordentliches
Liebesabenteuer heutzutage muss man auch schon
mit allerhand Geschützen auffahren und ordentlich
kämpfen (lacht). Natürlich setze ich auch in einigen
Texten wie z. B. In dem Song „Und immer lockt das
Weib” das Thema Mann/Frau/Sex, in sagen wir mal
recht heftigen Bezug zueinander. Gehört ja schließlich
auch zur Königsdisziplin eines Schöngeist.
Euer Werk lässt immer wieder gewisse fernöstliche und osmanische Einflüsse anklingen.
Ist dir diese Verschmelzung deiner genetischen
Herkunft mit deiner biografischen Musikwelt
ein wichtiges Anliegen?
Es ist mir insofern ein wichtiges Anliegen, da mir Authentizität und Wahrhaftigkeit, in dem was ich tue,
extrem wichtig ist. Es ist richtig, dass ich ursprünglich
42
ein Kind mit sogenanntem Migrationshintergrund bin. sogenannte Single-Quote. Dahingehend eine regelMeine Eltern stammen aus Istanbul und gehörten zur rechte Hochburg. Ein Irrsinn. Man könnte jetzt auch
sogenannten Gastarbeitergeneration im Deutschland zynisch behaupten, diese Stadt sei ein einziger Swinder 60er Jahre. Ich selbst bin in München zur Welt gerclub. Jeder poppt jeden (lacht).
gekommen und aufgewachsen. Ich hatte das Glück,
aus einer modernen, pro-westlichen, also dem Ke- In „Sesam öffne Dich“ thematisierst du eine
malismus und Laizismus verschriebenen Familie zu Urangst vieler Deutscher. Denkst du, dass es
kommen. Als Sänger und Komponist bin ich präsent sich hierbei auch oft um das schlechte Gewisseit Mitte/Ende der Neunziger Jahre in meiner Hei- sen handelt? Zumal ja Gastarbeiter zuerst mit
matstadt bei diversen Underground Wave/Goth/Rock Handkuss ins Land gerufen wurden.
Formationen. Da zu diesem Zeitpunkt die „Schwarze Ich thematisiere eigentlich zwei Dinge in diesem Song.
Szene“ in meiner bayerischen Heimat relativ spärlich Zum einen, wie du schon richtig erkannt hast, diese
bis gar nicht vorhanden war und auf der jedem von Angst und zum anderen diejenigen, welche immer
uns allbekannten Suche nach dem Sinn im eigenen wieder gerne ihre Finger in diese Angst-Wunde legen
Mikrokosmos, hatte ich nach längerer Abstinenz in und es schüren. Die aufgrund vorrangig wirtschaft2005/2006 die Idee geboren, den Orient zumindest licher Interessen dabei nicht bedenken, was sie eigentmusikalisch mit dem Okzident ein wenig sozialver- lich für ein weiterführendes kulturelles und politisches
träglich zu vereinen. Und das
Unheil innerhalb ihrer Nationen
damit anrichten. Im nach wie
in Verbindung mit modernen
„Ich sehe mich als
Rockgitarren und Elektronik
vor aktuellen Fall und eben in
Opposition zu dieser
eben. Kannst mich auch von
„Sesam öffne Dich” behandelt,
mir aus gerne den „ersten
ganzen grauenhaften geht es um den sogenannten
deutschrockenden
Türken”
unsäglichen Kampf gegen den
und widerwärtigen
„muslimischen” Terror in der
nennen, oder was mir noch
lieber wäre, die Opposition zu
Bushido-Sido-Ey-isch- Irakoffensive, verantwortet
dieser ganzen grauenhaften
die ex-Bush-Administraschlag-Dir-in-de-Fresse- durch
tion. Ich denke, zu diesem Theund widerwärtigen BushidoSido-Ey-isch-schlag-Dir-in-dema ist eigentlich alles gesagt,
Alda-Fraktion.“
Fresse-Alda-Fraktion.
gehört und gesehen worden.
Mehr muss ich da nicht vom Stapel lassen. Was mir
Im Song „Liebeskrieger“ zeichnest du eine sehr wesentlich stärker am Herzen liegt, mit dem Versuch
chauvinistische Sicht. Kann es nicht sein, das hier etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, ist, dieses,
dich dein weibliches Gegenüber nicht auch als was du als „Urangst vieler Deutscher” bezeichnest und
eigentliches Turngerät benutzt und gar nicht deren Verhältnis zu den Gastarbeitern. Ich habe mich
mehr will, weil sie auch nicht mehr vermutet?
Zeit meines Lebens extrem intensiv mit dieser Frage
Natürlich kann das sein. Da gilt aber Vice Versa und beschäftigt und ich kann dir darauf nur antworten: Ich
wird leider Gottes in unserer heutigen Sozialisati- weiß es nicht! Das ist wie die Suche nach dem Heiligen
onsstufe viel zu oft praktiziert. Da muss man sich im Gral. Du suchst und suchst und suchst und du wirst ihn
Gegenzug auch die Frage stellen, warum dann auch nie finden. Und warum? Weil es ihn rein aus der hidas weibliche Gegenüber sich wider besserer Kennt- storischen Faktenlage gar nicht geben dürfte. Was sind
nis, dennoch an dem „Turngerät” bedient, wenn sich die historischen Fakten? Diese sind an konkreten Beidie werte Dame unter Umständen ein Stückchen mehr spielen nicht nur aus der jüngeren Geschichte Deutscherhofft? Da nehmen sich im Endergebnis beide Ge- lands, also nach 1945, BRD, Gastarbeiter, Wiederaufschlechter in der Regel nicht viel. Guck dir doch mal bau, etc. zu finden, sondern auch intensiv innerhalb
allein meine Heimatstadt München an. Weit über ein der wesentlich weiter zurückliegenden Geschichte,
Drittel unserer Einwohner fallen mittlerweile unter die wo tiefgreifende Freundschaft, Respekt und natürlich
auch gemeinsame Interessen zwischen Deutschen
und Türken an der Tagesordnung waren und dieses
positive Verhältnis, deren beider Geschichte bis zum
Ausbruch des 1. Weltkrieges, rein kulturell betrachtet,
sehr konstruktiv geprägt haben. Eine angebliche tiefe
Kluft zwischen Orient und Okzident, Germanen und
Osmanen im Miteinander konnte ich da nicht wirklich
ausmachen. Hier tut, finde ich, mehr Bildung Not. Ich
persönlich kann da nur versuchen, meinen kleinen bescheidenen Beitrag, sowohl im Alltag als auch in der
Öffentlichkeit zu leisten, indem ich (ich sage hier ganz
bewusst auch meinem Volk, den Deutschen), ein Stückchen von dieser Angst zu nehmen und uns wieder auf
unsere Stärken und Gemeinsamkeiten zu fokussieren
und nicht auf den Mist, der uns zu trennen versucht.
Ganz gleich aus welcher Richtung.
In „Weil Du ein Mensch bist“ thematisierst du
den Egoismus auch als Ursprung einer Gottlosigkeit. Fehlt Menschen heute oft ein spiritueller Wegweiser?
Eindeutige Antwort: Ja. Es geht mir hierbei nicht darum, dass ich die Leute dazu motivieren möchte, sich
jetzt in die Kirchen zu begeben. Zugegeben, wenn
es mir mal aus irgendwelchen Gründen nicht so toll
geht, gehe ich gerne mal in eine Kirche und setze mich
einfach nur für ein paar Minuten hin und atme sozusagen geweihte/sakrale Luft. Danach geht es mir witzigerweise auch merklich besser. Im Ernst. Obwohl ich
alles andere bin als religiös im institutionellen Sinne.
Gar nicht meins. Es geht mir eben um eine gesunde
Spiritualität und gesunde Demut und Dankbarkeit
dem eigenen Leben, der Umwelt und diesem einzigartigen Planeten gegenüber.
Gert Drexl
www.schoengeist-music.com
www.myspace.com/scheongeistmusic
43
Batcave’s Not Dead
DIE ART sind auf Tour – und natürlich auch auf dem
WGT – mit ihrem altbewährten Stilmix aus Wave,
Gothic und Punk, der so recht in keine Schublade
passen will und auch nicht soll. 23 Jahre nach ihrer Gründung macht die Band noch immer das, was
ihnen selbst am besten gefällt. Die Leipziger haben
in der DDR mit Texten wie „Wide Wide World“ die
subversive Musik zum Untergang geliefert, sich
2001 aufgelöst und danach unter dem Namen
WissMut mit härterem, elektrolastigen Dark Wave
experimentiert. Seit 2007 sind sie zurück als DIE
ART mit der, wie Frontmann Makarios es ausdrückt,
„Quintessenz“ von DIE ART – dem aktuellen Album
„Funeral Entertainment“.
Punk oder Pop? Auf alle Fälle Party.
Conne: Das Herzstück der neuen Platte ist die düstere Gothic-Ballade „Pale“, doch wer ein rein todessehnsüchtiges Set erwartet, wird enttäuscht: Die
anderen Songs sind locker und fast schon gut gelaunt. Während einige Stücke (z. B. „Mark’s Song“)
nahtlos an die Punk-Wurzeln der Band anknüpfen,
kommen andere (z.B. „In the Gallery“) als melodiöser, gitarrengetragener Wave daher. Fast alle Tracks
sind tanzbar, die meisten auch pog-bar, die Konzerte
eigentlich immer ein Garant für eine gute Party.
Das WGT ist ja sowas wie ein Heimspiel für
euch. Sind die Auftritte dort anders als andere
Konzerte?
Conne: Das WGT ist ja ein internationales Festival,
und deshalb bleibt es natürlich immer spannend.
Wir spielen auf der Parkbühne, da war die Stimmung schon immer gut.
Sven: Wir erreichen beim WGT mit unserer Musik
Menschen, die wir in den Clubkonzerten nicht treffen, das ist schon etwas Besonderes für uns.
Eine Sache, welche DIE ART ziemlich eigentlich
44
einzigartig macht, ist, dass Frontmann Maka- Die Gewissheit, dass alles endlich ist und die Gerios die todtraurigsten Texte oftmals zu lako- lassenheit, dies zu ertragen. Die tiefste Schwärze
nisch-fröhlichen Melodien
ist die ewige und unerfüllbare
singt – z. B. „Alles, Was „Die tiefste Schwärze Sehnsucht. Aber dazu muss es
Dein Herz Begehrt“ oder „In
die schönstmögliche Wort- und
ist die ewige
The Gallery“. Sind sich hier
Melodiewahl geben. Denn das
Texter und Komponist nicht
Leben ist zu kurz für nur mittleund unerfüllbare
einig, oder empfindet ihr
ren Zustand.
Sehnsucht. Dazu
eure Lyrics gar nicht als so
traurig?
muss es die schönst- Die Flügelfrau auf dem CoMakarios: Traurig ist etwas
eurer aktuellen CD ist so
mögliche Wort- und ver
anderes. Ich sage einfach nur
etwas wie das Symbol von
ganz romantisch die Wahrheit. Melodiewahl geben.“ DIE ART geworden. Was geIch bin mehr Poet als Sänger
nau bedeutet sie für euch?
und nicht unglücklich. Aber von den Schwarzen Conne: Die Flügelfrau ist von einem befreundeten
bin ich einer, der tatsächlich schwarz ist. Nicht Grafiker und ist unsere Gallionsauferstehungsfigur
modeschwarz. Schwarz ist nicht Vampir oder ein – die steht sozusagen für die Wiederkehr der Band,
bisschen Fetisch. Schwarz ist echter Liebeskummer. und wir lieben sie sehr. Damit knüpfen wir an die
machen noch länger miteinander Musik. Was Vorgänger Christian Schierwagen kam aus dem
waren eure besten Erlebnisse mit der Band?
Jazz, und das hat man bis zum Schluss gehört. Ich
Thomas: Unsere Auslandskonzerte. Und 1990, spiele halt ganz anders. Brutaler. Härter. Straight.
als wir im Rahmen eines Kulturaustausches vom
französischen Präsidenten
Was steht als nächstes an?
„Sachen, die in der Makarios: Im Moment sind wir im
Mitterrand im Élysée-Palast
empfangen wurden, das
Öffentlichkeit nicht Studio und nehmen einige Titel
war völlig surreal, ein echter
für unsere erste „Best Of“ neu
so die 100%ige
auf. Nach 23 Jahren wird es mal
Kulturschock.
Alternative
Musiker am steifen Pariser
Resonanz gefunden Zeit dafür. Und dann wollen wir
Buffet!
natürlich so viel wie möglich live
haben, gefallen mir spielen und mit unserem Publikum
Conne: Das letzte Highlight
war das Crimson Night Festiin Kontakt sein. Auf dem WGT, im
oft viel besser als
val in Münster, das hat uns
Herbst dann mal wieder in der
die Bestätigung gegeben, CDs, die gut verkauft Schweiz, in Berlin, Leipzig, Dresdass DIE ART auch im Weden und vielleicht auch nochmal
worden sind.“
sten ein gutes Publikum anim Westen.
zieht, obwohl wir da nicht mehr – oder noch nicht Sven: Ich würde auch gern mal was Langsameres
wieder so bekannt sind.
spielen, es muss nicht alles tanzbar und Pogo sein.
Wir haben schon neues Material, aber das muss erst
Wie verträgt sich ein Komponist, der gerne mal eine Weile reifen.
Pop machen will, mit einem Bandchef, der of- Conne: Ich wünsche mir, noch eine lange, gute Zeit
fenbar den Punk im Blut hat?
zusammen zu haben und dass wir an die Erfolge, die
Thomas: In den ganzen Jahren gab es für DIE ART wir bisher hatten, anschließen können.
immer verschiede Einflüsse. Das Interessante ist ja
Gert Drexl
die Reibung, daraus entstehen unsere Songs. Unser www.myspace.com/dieart007
Musikgeschmack hat sich mit der Zeit weiterentwi- www.upsound.de
ckelt. Die poppigen Einflüsse kommen halt immer
von mir, und so kommt es zu dem Konglomerat, was
DIE ART mit ausmacht.
klassischen DIE ART Cover an – z. B. an das der
„Last Live Sequences“, das ja auch sehr mystisch
gestaltet ist.
Die neue CD wurde ja von der Presse als Meilenstein der Band bejubelt, seht ihr das auch so?
Thomas: Die Platte ist gut gelungen, die Songs darauf gehören mit zu unseren besten. Aber das gilt
für mich auch für andere Scheiben, wie z.B. die
„But“ und die „Last“.
Conne: „Die Funeral Entertainment“ ist absolut
DIE ART, aber ich sehe sie nicht als Meilenstein, da
kommt schon noch was mehr. Es ist eher wie eine
Erlösung, zu unseren Wurzeln zurückgefunden zu
haben.
DIE ART gibt es jetzt seit 23 Jahren, und die
beiden Masterminds Makarios und Gumprecht
Gibt es Songs, die ihr lieber spielt als andere?
Makarios: DIE ART hat so viele gute, alte und neue
Songs, dass wir mühelos ein Parallelprogramm
aufstellen können. Das jetzige Set ist eine gute
Mischung aus dem neuen Album und vielen alten
Songs zum Abfeiern.
Thomas: „Pale“ natürlich, aber auch Songs wie z.B.
„Weather Fine“ oder „Tristesse Moderne“.
Conne: Meine Lieblingsplatte ist die „Still“. Die ist
rund und hat meiner Meinung nach die schönsten
Texte. Sachen, die in der Öffentlichkeit nicht so die
100%ige Resonanz gefunden haben, gefallen mir
oft viel besser als CDs, die gut verkauft worden
sind.
Viele DIE ART-Songs leben von eingängigen
Basslinien als Einleitung oder Solo. War es
ein schweres Erbe, der Nachfolger des großen
Bassisten Heinemann zu werden?
Conne: Naja, ich hab mich damals schon geziert,
den Part zu übernehmen. Christoph Heinemann hat
vor allem in der Anfangszeit viel beigetragen. Mein
Discography:
2008 Funeral Entertainment
2007 Alles Was Dein Herz Begehrt
2002 Last Live Sequences 2000 Last
1999 Dry 1998 Mellow Versions
1997 Adnama 1996 Still
1995 Das Schiff 1994 But 1993 Gift
1991 Gold 1990 Fear
45
Paul Ravens letztes Vermächtnis
Das Debütalbum „Holy City Zoo“ der Industrialrocker Mob Research ist untrennbar mit dem Ausnahmebassisten Paul Vincent
Raven (Killing Joke/Ministry/Prong) und seinem
tragischen Tod verbunden.
Raven gründete die Band
zusammen mit dem Gitarristen Mark Gemini Thwaite
(The Mission/Peter Murphy)
im Jahre 2007. Zusammen mit
„Wenn es sich
Ex-QOTSA Drummer Nick Lucero und Warrior Soul Sänger
ergibt, werdet Wo und wie lange habt ihr die
Kory Clarke ist Mob Research
Songs geschrieben und produihr Mob
ziert?
ein Album gelungen, dass sich
irgendwo zwischen Ministry
Mob Research kam als richtiges StudiResearch mit
oprojekt zusammen. Nick Lucero in LA,
und Killing Joke bewegt, durch
Dan Raven am Paul Raven in Portland Oregon, Kory
den rotzigen und hypnotischen
in NY und mir. Paul und ich haben in
Gesang von Kory Clarke aber
Bass sehen.“
meinem Home-Studio in LA aufgenomsehr eigenständig ist und die
hohen Erwartungen an die vielversprechende men. Dann haben wir Korys Gesang im Legion’s Studio in NY aufgenommen. Das war im Sommer 2007.
Besetzung erfüllt.
Der Bass, die Gitarren und einige Vocals waren für
Wo und wann habt ihr euch zum ersten Mal 10 Songs schon im Kasten, bevor Paul traurigerweise am 20. Oktober 2007 von uns ging. Wie mit Paul
getroffen?
Mark Gemini Thwaite: Ich habe Paul Raven fast 20 geplant, haben wir dann die programmierten Drums
Jahre gekannt. Wir sind uns das erste Mal 1989 be- von meinem Demo durch Livedrums ersetzt, die Nick
gegnet, als Killing Joke eine Pause machten und in Lucero 2008 in LA eingespielt hat. Kory hat noch
London mit einem Drummer jammten, den wir bei- die fehlenden Gesangsparts eingesungen, bevor wir
de kannten. Es war sehr cool, mit Paul zu spielen. die Aufnahmen zum Endmix Tim Palmer (HIM/Pearl
Ich bin dann 1992 als Leadgitarrist zu The Mission Jam/The Mission) in den North Hollywood Studios
gegangen und habe Paul lange Jahre nicht mehr ge- gaben. Tims Input war sehr wertvoll für uns und ich
sehen. Wir haben uns dann erst 2007 in Los Angeles bin auch Ville Vallo von HIM sehr dankbar, der Tim
wieder getroffen und Mob Research gegründet, von uns überzeugte und Mob Research immer unnachdem ich Paul einige meiner Demos vorgespie- terstützt hat.
lt hatte. Paul gab die Demos Kory Clarke (Warrior
Soul/Trouble-Sänger), der gerade in New York war. Wie schwer war es, das Album zu Ende zu proKory kam dann mit einigen großartigen Lyrics und duzieren, nachdem Paul Raven starb?
Melodien für die Songs „Tribe“, „New Paradigm“ Paul war der Protagonist und Motivator in der Band.
Als er starb, brauchten wir eine Weile, bis wir weiterund „Skull and Bones“.
machen konnten. Paul hatte
Was ist eure Bedeutung für „Holy City Zoo“?
Das war der Name eines Alternativ Clubs in Birming- einen starken
ham in den Achtzigern. Paul und ich sind dort auf- Charakter, vergewachsen und abgehangen. Später kam dann Kory gleichbar mit
mit dem Text für „Holy City Zoo“, einer Diskussion den alten Pibasierend auf der Heuchelei von Männern, einge- raten, eine sehr
sperrt in ihren gewalttätigen Religionen: „The Gods charismatische
they worship are one and the same, but their Messi- und gesellige
Persönlichkeit
ahs are different and it drives them insane“.
46
VÖ „Holy City Zoo“: 25.05.09
und ein großartiger Bassist. Wir haben uns sehr gut
verstanden, musikalisch und menschlich. Er war immer ein positiver Einfluss und seine letzten Worte
zu mir waren: „Stay Positive“. Nach einigen Monaten der Schockverarbeitung, realisierte ich, dass
das Mob Research Material es verdient, gehört zu
werden und wir schuldeten es Paul, „Holy City Zoo“
rauszubringen. Sozusagen als letzten Teil seines musikalischen Vermächtnis.
Ihr seid noch nie live aufgetreten. Habt ihr das
vor? Wer wird Bass spielen?
Raven war immer das Epizentrum der Band. Er war
der Hauptprotagonist und Gründungsmitglied. Es
fühlt sich komisch an, die Platte ohne ihn zu veröffentlichen. Doch ich glaube, Paul würde erwarten,
dass wir die Platte promoten. Pauls Bruder Daniel
Raven spielt auch Bass für die englische Band Gundogs und er hat uns angeboten, in die Fußstapfen
seines Bruders zu treten. Wir denken gerade über
eine Europatour nach. Wenn es sich ergibt, werdet
ihr Mob Research mit Dan Raven am Bass sehen.
Ringo Müller
www.mobresearchinc.com
Rappacinis Tochter
Musical meets Gothic Theatre Metal:
Harte, düstere Gitarrenriffs und packende
Musicalszenen, geht das zusammen? Ja, das
geht, und das bereits seit über einem Jahr auf
sehr erfolgreiche Weise. Die Lübecker Gothic
Theatre Metal Band Aeternitas schafft es, seit
Anfang 2008 auf wechselnden norddeutschen
Bühnen mit ihrem Gothic Musical „Rappacinis
Tochter“ beides auf sehr sehenswerte Weise
miteinander zu verbinden. Nach den beiden
Konzeptalben „Requiem“ und „La Danse Macabre“, die die Gruppe um Sänger und Songschreiber Alexander Hunzinger dem Publikum
schon in Theaterstückform dargeboten hatte,
ist das Musical nun quasi die Krönung ihres
bisherigen Schaffens. Beim diesjährigen WGT
in Leipzig sind Aeternitas ebenfalls mit ihrem
Werk zugegen, und wer dort die Aufführungen verpasst, kann in Kürze einen Livemitschnitt auf DVD erwerben. Alexander hat uns
ein paar Hintergründe zu „Rappacinis Tochter“
verraten.
Kannst du uns kurz erzählen, worum es in
„Rappacinis Tochter“ geht?
Alexander: Unser Musical basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte des amerikanischen Schriftstellers Nathaniel Hawthorne. Darin kommt ein
junger Mann namens Giovanni zum Studium nach
Padua und bezieht ein Zimmer mit Blick auf den geheimnisvollen Garten von Dr. Rappacini. Dort erblickt
er dessen hübsche Tochter Beatrice und verliebt sich
in sie. Doch sie wird in diesem Garten gefangen gehalten, da sich ein dunkles Geheimnis um sie rankt.
Das ist der Beginn der unmöglichen Liebe zwischen
Giovanni und Beatrice.
Nun kommt in Kürze die DVD zum Musical
auf den Markt. Wie habt ihr im Ensemble euren wachsenden Erfolg im vergangenen Jahr
erlebt und welche Highlights gab es für dich
persönlich?
Es sind die vielen kleinen Erfolge, die aus dem gesamten Projekt Rappacini ein großes Highlight
gemacht haben. Denn bei der Umsetzung eines so
großen Bühnenprojekts gibt es immer wieder Probleme und Rückschläge, mit denen man zu tun hat.
Doch bei uns war es bislang immer so, dass es auf
jedes Problem anschließend wieder einen weiteren
Erfolg gab und es somit immer weiterging und sich
größer entwickeln konnte.
Wie ist die Idee entstanden, die Musik für ein
Gothic Musical Projekt zu schreiben und das
Musical anschließend zu inszenieren?
Da ich bereits eine langjährige Leidenschaft für
dramatische Musicals hatte, war es immer mein
Ziel, selbst ein Musical zu erschaffen. Durch die Erfahrungen unserer ersten Aeternitas Konzeptalben
schien mir der richtige Zeitpunkt gekommen, um
eine Umsetzung zu wagen.
Ist die Musik von „Rappacinis Tochter“ vor
allem von Metal-Elementen geprägt oder gab
es auch noch weitere musikalische Einflüsse?
Wir haben seit jeher verschiedenste musikalische
Elemente in unserer Musik untergebracht. Speziell
bei der Umsetzung des Musicals kam es mir besonders darauf an, den Inhalt in eine passende musikalische Form zu gießen. Dazu gehören Metal Riffs
an aggressiven Stellen, aber auch klassische Musical
Elemente an dramatischen Stellen, die besonders
durch unseren Co-Autor Tilman Kracke eingebracht
wurden.
Nach welchen Kriterien seid ihr bei der Besetzung des Stückes vorgegangen?
Zunächst wurden natürlich die Rollen innerhalb
der Band-Sänger verteilt. Doch wir brauchten auch
andere Darsteller, die wir auf verschiedenen Wegen
gefunden haben. Letztlich gab es immer eine Art Casting, bei dem wir geschaut haben, ob der Darsteller
oder die Darstellerin künstlerisch zur Rolle passt. So
haben wir unser gesamtes Ensemble zusammengestellt.
Wer hat bei dem Stück die Regie geführt, wer
war für das Bühnenbild und wer für die Kostüme verantwortlich?
Seit den ersten Konzeptentwürfen arbeiten wir mit
unserer Regisseurin Sandra M. Heinzelmann zusammen. Sie war die ganze Zeit bei der Umsetzung der
Texte und erst Recht bei der Bühnenumsetzung dabei, die sie inszeniert hat. Die Kostüme stammen von
Rina Prühs und das Bühnenbild wurde von Karsten
Wiegers entworfen. Mindestens genauso wichtig
bei unserer Show ist aber auch das Lichtdesign von
Christine Köhler und Anna Wolf, das die dunkle Atmosphäre passend unterstützt.
Wo fand der Livemitschnitt statt?
Der Livemitschnitt fand am letzten Abend unserer
Hamburger Sommerspielzeit 2008 im Delphi Showpalast statt. Dort haben wir im Sommer 14 Auftritte
gespielt.
Wo wird man in den kommenden Monaten
„Rappacinis Tochter“ live erleben können?
Nach dem WGT, wo wir vier Shows spielen werden,
stehen bereits Auftritte im Herbst 2009 in Soltau,
Seevetal, Hockenheim und Helmstedt fest. Weitere
Auftritte sind für 2010 in Planung.
Stephanie Riechelmann
www.rappacini.de
47
Frozen Plasma
Groovende Gesellschaftskritik
austoben dürfen, wählte ich den plakativen Namen
als Bandbezeichnung.
Das Duo bereitet sich in Windeseile auf ihren neuen
Release „Monumentum“ vor und schickt als Appeti- Ihr habt ja beide einen schon länger bestehenzer die neue Single „Earthling“ ins Rennen. Nach der den Background. Inwieweit bringt ihr euch in
Auflösung der Futurepopband NamNamBulu 2005 die Musik ein oder wie muss man sich das Entblieb Vasi nicht untätig und gründete noch im sel- stehen eines FP-Songs vorstellen?
ben Jahr mit Felix Marc Frozen Plasma. Diesen lernte FM: Grundsätzlich gilt bei FP: Songs und Texte komer auf einem VNV Nation Konzert kennen und die men von Vasi, Gesang kommt von Felix. Vereinzelt
beiden harmonierten musikalisch sofort miteinan- ergänzen wir uns gegenseitig bei der Zielfindung der
der. Das mag auch daran liegen, dass beide einen Tracks, oder ich steuere ein bis zwei Eigenkompositiprofessionellen musikalischen Background haben. onen oder Mixe einzelner Tracks bei.
Das Projekt Frozen Plasma, welches sich durch Va- Vasi: Genau! Felix macht nix. Liegt nur rum und suhlt
sis traumhafte Sequenzen und der charismatischen sich im Ruhm, während ich arbeite. Nein, generell
Stimme von Felix Marc
mache ich das Songwriting und die
Texte sowie die Produktion. Aber auch
schnell in die Gehörwin„Die Gesellschaft
wenn das nach strikter Arbeitsteilung
dungen fraß, ist in seiner
sind wir. Wir
klingt, es ist trotzdem eine perfekt
Einheit einfach einzigartig. Heute, vier Jahre nach verpassen durch das eingespielte Einheit und ich bin immer
Gründung, ist das Duo aus
wieder erstaunt, wie gut die ZusamAbschieben vieler
menarbeit funktioniert.
dem
Futurepop-Olymp
Probleme auf ‚die
nicht mehr wegzudenken.
Nach euren letzten Hits wie „Tanz
Gesellschaft’, die
die Revolution“ und „WarmonFrozen Plasma ist ja, wie
richtigen Lösungen gers“ sind wir nun gespannt auf
alle wissen, nach dem
Neues. Die neue Single heißt
Ende von NamNamBulu
zu finden.“
„Earthling“ und die geht wieder
entstanden. Werdet ihr
noch immer oft darauf angesprochen oder hat ins Ohr, schlägt aber wieder etwas ruhigere
Töne an. Wie kam es zu
sich das so langsam aufgelöst?
Vasi: Es gibt immer wieder mal jemanden an einer dem Song und was verbinShow, der mich darauf anspricht. Das ist für mich det ihr damit?
auch ok da es zu meiner musikalischen Zeitachse Vasi: „Tanz die Revolution“
gehört. Aber FP hat definitiv gar nix mehr mit NNB war ein Experiment. Deutscher
Text, provokativ und plakativ.
zu tun.
Wir haben viel Lob aber auch
Wie kam es eigentlich zu dem Namen Frozen (erwartet) viel Schelte erhalPlasma, der ja eher aus dem medizinischen Be- ten. Solche Experimente muss
reich kommt?
man jedoch einem Musiker
Vasi: Ich hab mal zwei Sendungen nacheinander ge- zugestehen. Und ich stehe zu
sehen. Die erste über eine Hungersnot in Afrika und dem Song und zwar musikawie schwierig es ist, einfachste Lebensmittel dahin zu lisch wie auch textlich. „Earthtransportieren, geschweige denn Medikamente usw. ling“ sollte die „andere” Seite
Danach kam eine Sendung bzw. eine Reportage über von FP aufzeigen. Die ruhigere
die medizinischen Möglichkeiten der heutigen Zeit. und melancholische mit dieUnter anderem die Möglichkeit Plasma einzufrieren sem typischen Pathos. Das
und wieder aufzutauen um es wiederzuverwenden. Album wird kein reines CluIrgendwie war das pervers – Kein Reiskorn da fürs balbum mit zehn Mal „WarÜberleben – und absolut wahnwitzige medizinische mongers“ drauf, sondern viele
Möglichkeiten hier. Mag jetzt etwas pathetisch klin- Facetten vereinen, von daher
gen. Da meine Texte sich zumeist sehr sozialkritisch sollte die zweite Single kon48
trär zu „Tanz die Revolution“ sein. Die Idee kam mir
wie so oft beim Zappen durch die Nachrichten im TV.
Oft fällt der Begriff: „Die Gesellschaft muss” Die Gesellschaft sollte! usw. Die Gesellschaft sind wir. Wir
verpassen durch das Abschieben vieler Probleme auf
„die Gesellschaft”, die richtigen Lösungen zu finden.
Jetzt sind gerade die Banker schuld, morgen die Ölfirmen, dann wieder andere. Wir alle sind aber Teil
des Systems und des Lebens auf der Erde. Wir sind
die Gesellschaft und wir haben es in der Hand, Dinge
zu ändern. Wir wollen nur nicht.
Heiko Nolting
www.myspace.com/frozenplasma
Dark Park Festival
Schwaben wird
wieder schwarz
Die Tränke der Götter
Honig, Wasser und Hefe
– mehr brauchten schon
die alten Germanen nicht
zur Herstellung des Mets.
Schon vor über 3000 Jahren
besaßen unsere Vorfahren dieses Wissen. In den
Hochkulturen Vorderasiens
und Ägyptens schätzen
Historiker die Wurzeln des
Honigweins sogar noch
früher. Den Ursprung vermutet man in vergorenen Pollen,
die über den Winter oder bei
Schifffahrten gegen Skorbut mit
Honig eingelagert wurden. Waren
die Gefäße undicht, so drangen
mit der Luft Hefepilze ein und die
Gärung begann spontan – ein Geschenk der Götter sozusagen!
Unlicht, der Szeneshop aus Düsseldorf hat sich auf Met und Absinth
spezialisiert und bietet allein 60 Sorten verschiedener Metarten an. Diese
unvergleichliche Auswahl wird durch
allerlei Utensilien abgerundet. Vom
Tonbecher zum Trinkhorn und verschiedenen Honigsorten wird auch der
Liebhaber immer wieder aufs Neue
überrascht. Die Qualität und Herkunft
des Honigs bestimmt neben vielen
anderen Faktoren der Herstellung den
Geschmack des Mets und so verwundert es nicht, dass es von lieblich über
halbtrocken bis zu trockenem Met verschiedenste Geschmacksrichtungen
gibt. Egal ob Edeltanne, Lavendel
oder Olmokakteen – Zu fast jeder von
Bienen bestäubten Pflanzenart gibt
es eine Metsorte. Aber auch Absinth,
das Getränk, um das sich so manche
Erzählung der Romantik dreht, ist bei
Unlicht zu Hause. Gerade der Absinth
erfuhr in den letzten Jahren seit seiner
Legalisierung eine Renaissance. Sogar
Schockrocker Manson
ließ sich seine eigene
Marke brauen und
kredenzen. Natürlich
ist diese Sorte auch
im Angebot des Unlicht Stores, der übrigens auch im Internet
über einen umfangreichen Webshop verfügt. Wer nach einem
besonderen Geschenk
Ausschau hält, sollte
hier fündig werden.
Peter Istuk
www.unlicht.com
Zum ersten Mal wird dieses Jahr im
Stuttgarter Raum ein größerer Event
in Sachen „schwarz“ stattfinden. Die
Veranstalter des Dark Park Festival
schicken sich an, ein amtliches Open
Air auf die Beine zu stellen, dass es so
in der Region noch nicht gegeben hat.
So wird am 27. Juni eine grüne Wiese
zwischen Stuttgart und Tübingen zur
Bühne für ein (in diesem Jahr noch
eintägiges) neues Dark Wave Festival,
welches wohl alle Schichten der Szene ansprechen wird. Fast schon drei
Headliner stehen ganz oben auf dem
Billing: Unheilig hatten es ja bereits in
die offiziellen deutschen Single- wie
auch Album-Charts geschafft und dürften daher auch der breiten Masse ein
Begriff sein. Project Pitchfork sind alte
Recken der Szene und glänzten zuletzt
wieder mit tollen Alben. Welle:Erdball
dagegen sind extrem tanzbar und mit
ihren eigenwilligen Auftritten einfach
Kult. Dazu gesellen sich mit Heavy
Current und Battle Scream zwei sehr
angesagte Bands der jüngeren Generation, die beide live schon vielerorts
zu glänzen wussten. Der Opener Eigensinn bringt die rockige Note mit
ins Spiel und ist mit seiner enormen
Bühnenpräsenz der ideale Anheizer.
Ein weiteres Highlight wird die von
„Stuttgart Schwarz“ präsentierte After
Show Party, bei der sich gegenseitig
mehrere Szene DJs wie zum Beispiel
DJ Dave, Martin Sprissler oder DJ Jolly
die Turntables bis in die Morgenstunden übergeben werden. Neben den
üblichen Verköstigungs-Ständen wird
es auch einen kleinen Markt geben,
bei dem vor allem natürlich kleidungsmäßig aufgerüstet werden kann. Die
Tickets sind für 29,- Euro zzgl. VVKGebühren und MwSt. bei allen bekannten Vorverkaufsstellen zu haben
oder können online unter
[email protected] bestellt werden.
Den ersten 500 Bestellern
winkt übrigens ein Gratissampler, der exklusiv
zum Festival kompiliert
wurde.
Siegmar Ost
www.dark-parkfestival.de
49
Dark Underground
Lifestyle Weekend
Die Festival Saison ist im vollen Gange
und man kann sich kaum entscheiden,
auf welches der tausend Festivals in
Deutschland man gehen soll. Doch
nicht nur in heimischen Gefilden ist
das Überangebot vorhanden. Seit
nunmehr zehn Jahren gibt es in Utrecht in den Niederlanden das Summer Darkness Festival, das schon lange in Sachen Bands und Atmosphäre
ein ernstzunehmender Konkurrent im
Festival-Urwald geworden ist, spielte
in der Vergangenheit doch schon so
ziemlich alles, was Rang und Namen in
der Schwarzen und Alternativen Szene
hat und es ist auch seit 2006 ständig
ausverkauft. Das Summer Darkness
findet immer am zweiten Augustwochenende, gleichzeitig mit dem M’era
Luna Festival statt, ist aber eher eine
Konkurrenz zum WGT, da die Konzerte
und ein komplexes Rahmenprogramm
an vielen verschiedenen Locations in
ganz Utrecht an insgesamt fünf Tagen
stattfinden.
Wie in den Jahren zuvor werden die
Veranstaltungen in zentralen Veranstaltungsorten wie dem Tivoli, Tivoli
de Helling, Ekko und fünf weiteren
Locations stattfinden. Dazu gibt es
exklusive Kirchenkonzerte und Disco/
Club-Veranstaltungen mit internationalen Top-DJs. Das Bandprogramm
kann sich natürlich auch sehen lassen
und liest sich wie das who is who der
Szene. Die geografische Nähe zu Westdeutschland ist ein weiteres Argument
dafür, einmal ins benachbarte Holland
zu reisen. Wer dieses mal nicht schon
wieder auf altvertraute und gewohnte
deutsche Festivalumgebung Lust hat,
der sollte nicht zögern und nach Utrecht fahren.
Vorläufiges Line-up:
5F-X, Absolute Body Control, Atomic Neon, Beneath the Massacre,
Covenant, Dandelion Wine, Dernire Volont, Deviant UK, Eisbrecher,
Embrun, Emilie Autumn, Gothminister, Grendel, Hate Eternal,
Klangstabil, Kloq, Korpiklaani, Lacuna Coil, Misery Index, Modulate,
Ms Gentur, Negura Bunget, Noyce,
Nullvektor, Other Day, Psycroptic, Reaper, Rosa Crvx, Rotersand,
Sieben, S.K.E.T., Spetsnaz, Suffocation, Summer Slaughter, The Birthday Massacre, The Crüxshadows,
The Faceless, Triarii, Tyr, Tyske Ludder, Uberbyte, VNV Nation
50
Roman Rain
Russlands trauriger Zar
Russland ist ein erstaunliches
Land. Während sich unsere
Musikbranche die Wunden
leckt und auf Nummer sicher geht, Innovationen
in der Szene auf den
Nullpunkt wandern und
Künstler sich allenfalls
im Kopieren gängiger
Standards üben, gebärt der
russische Underground eine
gänzlich neue dunkle Szenebewegung.
Geprägt von slawischer Schwermut und dem Hang zum Existenzialismus eroberte der aus dem östlichsten Teil
Russlands stammende Roman Rain den Osten
wie einst Dschingis Khan.
Und in der Tat: Gibt man den Namen Roman Rain
in Youtube als Suchbegriff ein, kann man sich nach
mehreren Stunden spannender Szeneschau in eine
andere Welt verwundert die Augen reiben und getrost zugeben: Hier haben wir Großes verpasst.
Roman Rain ist der ungekrönte Zar der russischen
Schwermut. Roman Rain begleitete zuletzt auch
die 23 Städte umfassende Tournee von Das Ich im
Jahre 2008 und konnte mitunter dank seiner treuen Fanschar größeren Applaus als
die erfolgsverwöhnten Herrschaften aus
Deutschland einheimsen.
Der aus dem asiatisch geprägten Vladivostok stammende Roman Rain zog nach
seinen ersten Erfolgen in Richtung des
6500 km entfernten Sankt Petersburg,
um zumindest im Zentrum der russischen
Kulturwelt gleich gesinnte Künstler wie
z.B. Otto Dix zu treffen. Roman spielte
im Alleingang sämtliche Instrumente wie
Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboard
ein, entdeckte erst spät sein stimmliches
Volumen, das zwischen finstersten Bassbariton bis zu höchsten Jubeltenorlinien
brilliert. Auf der Bühne kann man sich der
Magie und Hingabe des zerbrechlichen,
ja beinahe kränklich wirkenden Sängers
kaum entziehen – Roman Rain lebt, leidet
und stirbt in seinen Liedern den russischen Traum
der wahren Hingabe an ein Ideal. Ein Ideal, das in
seiner Intensität vielleicht allenfalls in der frühen
Sturm und Drang Epoche eines Schillers sein
Ebenbild findet, jedoch in der fatalistischen Selbstaufgabe nur aus
einer russischen Biografie heraus verstanden werden kann.
Songs wie die optimistische
Dancehymne „Higher“,
die tieftraurige Ballade
„Ja Umerla“ oder die Aufbruchshymne „Show Me
The Way“ versprechen ein
ungehörtes Wechselbad der
Gefühle zwischen Romantik
und modernem Synthpop, das
in dieser Form in Westeuropa
bisher ungehört blieb. Glücklicherweise ist ab dem 5.6. eine
Best Of Sammlung des Künstlers
endlich auf iTunes und Musicload als Digitalrelease
erhältlich. Ob sich die neue russische Schwermut in
Deutschland etablieren kann, und Künstler wie Roman Rain oder Otto Dix je den Weg auf westeuropäische Bühnenbretter finden werden, steht in den
Sternen. Näher dem Firmament sind sie jedoch alle,
wenn sie in den Weiten der Taiga ihren Träumen hinterher reisen. Dort zumindest befindet sich gerade
Roman Rain auf Tournee und singt voller Inbrunst
„Show me the way“.
Gert Drexl
www.myspace.com/romanrain
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wie Aragorn oder der
Highlander?
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51
Magische Anziehungskraft
Zwei Jahre nach ihrem Erstling „Monsterproof“
kehrt das Schweizer Soundtüftler-Duo mit
„Gravity“ zurück. Das neue Album hat noch
einmal an Anziehungskraft gewonnen. Die
einfühlsam-erotische Stimme der Sängerin Andrea B. harmoniert perfekt mit den tragenden,
filmischen Stimmungen mit mal sanften, mal
hämmernden Grooves aus Synthesizern und
Gitarren. Unter anderem sorgte Gareth Jones
(Depeche Mode/Nick Cave) für die magische
Produktion.
Euer Debüt „Monsterproof“ habt ihr noch
in Eigenregie produziert. „Gravity“ entstand
zusammen mit mehreren namhaften Produzenten.
Nun, wir haben letztlich auch „Gravity“ selbst produziert. Peter Scherer, Gareth Jones und Peter Schmidt
standen uns als Engineers und Co-Produzenten zur
Seite. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden und
haben Seelenverwandte gefunden. Gareth Jones
produzierte oder mischte die aus unserer Sicht besten Tracks von Depeche Mode, den Einstürzenden
Neubauten und Nick Cave – sie bei ihrer Arbeit zu
erleben, war für uns eine äußerst bereichernde Erfahrung. Oft verstanden wir uns ohne Worte.
Euer erstes Album entstand an der Ecke Division Street/Kent Avenue. Wo habt ihr diesmal
gearbeitet?
52
Division Kent
Unser Kompositions-Equipment ist Koffer-tauglich, & Will Ask?, Melnyk, Love Motel u.a.) über Myspace
was uns erlaubt, Musik zu machen, wo immer wir gefunden – entstanden ist eine interessante Mixtur
gerade sind. Und das nutzen
verschiedenster Spielarten elek„Die Verbindung
wir auch gerne aus: Eine intronischer Musik.
tensive kreative Zeit hatten
zwischen Elektronik
wir zum Beispiel in einem
Eure Musik lässt sich schwer
Bildhauer-Atelier in Cada- und Saite ist bestimmt einordnen. Von Punk, Electro
ques/Katalonien – inmitten
‚unsere Spielwiese’“ über Trip Hop bis Rock ist so
wilder Natur, die schon die
einiges dabei. Welche KünstSurrealisten verzauberte. Unser musikalisches Hei- ler haben euch beeinflusst?
matgefühl ist wohl doch am ehesten mit „staa- Jaja, die lieben Definitionen. Wir sind ja selbst noch
tenlos“ zu beschreiben, da die Inspirationsquellen auf der Suche nach den treffenden Worten. Die Verzahlreich sind. Losgezogen wir sicher in der Fusion bindung zwischen Elektronik und Saite ist bestimmt
von Elektronik und Gitarrensounds der frü- „unsere Spielwiese“ – für die eine oder andere Seite
hen 80er. Dunkle Töne waren für uns beide können wir uns dann in Nebenprojekten entschei„unsere Ecke“. Die Bewunderung für vier den. Die Urgesteine unserer Einflüsse sind weder die
Jahrzehnte Serge-Gainsbourg’sche Kunst Beatles noch die Stones, sondern Depeche Mode,
und Zeitgeist in Sprache und Musik haben New Order, David Bowie und Serge Gainsbourg,
einen Hang zur Frankophilie gesät.
aber auch „Shoegazer-Bands“ wie Slowdive und My
Bloody Valentine. Natürlich gefallen uns auch aktuelle Bands wie Ladytron, Interpol, Vive la fete, IAMX
Die Texte auf „Gravity“ sind bis auf und viele mehr.
einen französischen Song in Englisch.
Wer oder was entscheidet über die Wo werdet ihr demnächst auftreten? Ist
Sprache eurer Songs? Welche Idee Deutschland dabei?
steht hinter dem Albumtitel?
Absolut. Wir sind ab Herbst wieder unterwegs.
Am Anfang unserer Songs steht eigentlich
Poloni Melnikov
immer eine musikalische Atmosphäre, oft www.division-kent.com
elektronisch generiert. Daraus ergibt sich www.myspace.com/divisionkent
die Sprachwahl; die Lyrics entstehen dann
in einem beinahe „automatischen“ Schreibprozess, sind assoziativ, poetisch, bildmalerisch. Sie galoppieren in einem maximalen
Freigeist über die musikalische Ebene und
fassen so, was schwierig zu fassen ist. Der Albumtitel „Gravity“ steht im weitesten Sinne für die Anziehungskraft zwischen Dingen, die alles zu verändern
in der Lage ist. Es hat sich für uns wiederholt gezeigt,
dass sich die wirklich magischen Momente beim Musik machen jeder Kontrolle entziehen. So geschehen
zum Beispiel beim Track „Gravity“, der den Titel zum
Album gab. Ein Unfall in der Beat-Programmierung
hat der ursprünglichen Komposition eine Wende
gegeben und den ganzen Song auf einen ganz anderen Planeten geschickt. „Gravity“ hat aber auch
bei der Entstehung der Bonus-CD mit den Remixes
gewirkt und eine neue Dynamik für jeden einzelnen
VÖ „Gravity“: 12.06.09
Song gebracht. Die Songs haben ihre Remixer (Joe
53
wickelt? Zumal dieses Album in eurer Heimat
den Preis als „Debut Album of the Year 2008“
Amberian Dawn haben sich gewaltig gemau- auf dem „Metal of Finland“-Contest gewonsert. Die gemeinsame Tournee mit Epica hat nen hat.
der typisch nordischen Band um die Sängerin Tuomas: Sicher entwickelt man sich weiter, aber
Heidi einen riesigen Popularitätsschub ver- ehrlich gesagt, nicht so riesig. Der Klang an und
passt. Auch wenn es eine Gothic Metal Band für sich ist viel größer und breiter angelegt, aber
mit weiblicher Frontfrau nicht leicht hat, weil generell setze ich mir keine Ziele, wenn ich an neuder Vergleich mit Nightwish unmittelbar an- en Songs arbeite. Besonders wenn Erwartungen an
gestellt wird, besonders wenn man dann auch dich gestellt werden. Ich denke, dass aber unseren
noch aus Finnland stammt – Amberian Dawn Fans das neue Album sehr gut gefallen wird. Was
unterscheiden sich nicht nur marginal von den solche Contests betrifft, die sind uns nicht wirklich
übergroßen Landsleuten, denn im Gegensatz wichtig. Gerade durch die Tourneen in Europa hazu den sehr geradlinigen und unmittelbar ein- ben wir so unglaublich viele Menschen erreichen
gängigen Songs von Nightwish punkten Am- können. Ich hoffe natürlich, dass unser neues Alberian Dawn mit virtuosen und ausufernden bum wieder genauso die Geister scheiden wird, wie
Songriesen, die genug Platz für die vielgestal- unser Debüt.
Heidi: Lyrisch bedienen
tigen Gesangspassagen der
wir uns weiterhin im
großartigen Sängerin Heidi
„Ich hoffe natürlich,
liefern.
Mystischen und Mythen
dass unser neues Album umrankten Bereich. Ob
Inwieweit habt ihr euch
das nun die Kalevala (finwieder genauso die
Nationalepos, vermusikalisch und textlich
Geister scheiden wird, nisches
gleichbar mit der Edda/
seit eurem letzten Album
„River of Tuoni“ weiterentwie unser Debüt.“
Anm. der Red.) oder eben
Finnischer Eigensinn
Märchenerzählungen sind. Diesesmal gibt es schillernde Geschichten, die mal aus Ägypten, mal aus
der Edda oder eben aus slawischen Erzählungen
stammen. Ich denke, das neue Album ist vielgestaltiger im Vergleich zum Vorgänger. Auch als Band
sind wir weiter zusammen gewachsen.
Wie würdet ihr den aktuellen Status der finnischen Metalszene beschreiben? Inwieweit
glaubt ihr, euch vom sehr traditionell finnischen Metal zu unterscheiden?
Heidi: Ich denke, dass wir uns gerade in der Komplexität der Gesangslinien von vielen anderen
finnischen Metalbands mit Frontsängerin unterscheiden. Nach wie vor ist der weibliche Anteil an
Frontsängern geringer als der männliche. Trotzdem
wird immer schnell die Messlatte herausgeholt, um
sich mit Nightwish messen zu müssen. Im Endeffekt
bezieht sich jede Musik wieder auf eine andere.
Trotzdem ist gerade der Anteil weiblicher
Stimmen im finnischen Metal höher als sonst
wo. Ihr werdet dieses Jahr ja auch auf dem
Belgischen „Metal Femal Voices“ Festival auftreten. War die Wahl einer weiblichen Frontfrau von Anfang an geplant?
Tuomas: Ganz am Anfang hatten wir sogar eine
männliche und eine weibliche Stimme. Irgendwie
hatte aber die Chemie nicht gepasst. Heidi ist natürlich eine außergewöhnliche Stimme. Letztendlich muss aber immer die Musik gut sein, da ist es
vollkommen egal ob weiblicher oder männlicher
Gesang.
Maria Mortifera
www.amberiandawn.com
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Die Zukunft des Futurepop
Torsten: Weiterhin gibt es noch
den pragmatischen Grund, dass
ich eher in Englisch texte und
Thorsten ein sehr gutes Gefühl für
deutschsprachige Songs hat.
Die Gruppe Pandique meldet sich mit ihrer
zweiten CD zurück. Damals aus dem Projekt Bei den ersten Songs auf dem Album dachte
Morgentau gegründet, besann man sich seit ich an etwas Ruhiges ala Illuminate oder La2001 zu zweit auf die musikalische Reise zu ge- crimosa, aber letztendlich ist es doch eher ein
hen. Heraus kam 2001 direkt ein fünfter Platz Futurepop Album, was meint ihr?
beim Sonic Seducer Battle Of The Bands.
Thorsten: Ja, du hast Recht. Man kann es auch durchDass sie sich darauf nicht
aus als Futurepopalbum
bezeichnen. Da wir Apop
ausgeruht haben, zeigt
„Futurepop hat
das neue Werk „In Sturm
oder auch VNV gerne hörten
irgendwie in den
und Leben“. Mit teilweibzw. hören, finden wir nichts
se sozialkritischen Texten letzten Jahren so etwas Schlechtes an diesem Begriff,
regt ihre Musik zum Tanja nun jedes Plattenwie ein Imageproblem obgleich
zen aber auch zum Nachlabel ihren Bands, die nach
denken an.
bekommen.„
Futurepop klingen, einen
anderen Stempel aufdrücken
wollen. Futurepop hat irgendwie in den letzten Jahren so
etwas wie ein Imageproblem
bekommen. Viele Bands machen immer noch Futurepop,
weil sich keine innovative
Stilrichtung seit VNV Nation entwickeln konnte, aber
niemand sagt das so. Aber
egal. Das wichtigste ist nur
eins: Dass es gefällt. Torsten:
Gerade aber genau diese
Musikrichtung hat mich, der
ja hauptsächlich die Songs
komponiert und produziert,
stark beeinflusst – wobei wir
es jedoch tunlichst vermeiden
wollen, irgendwelche Vergleiche heraufzubeschwören. Ich
bin einfach nach wie vor ein
großer Freund melodiöser
elektronischer Popsongs, die
auch mal einen Abstecher in
Trancegefilde nicht scheuen.
Mir ist aufgefallen, dass ihr gerne zwischen
Englisch und Deutsch wechselt. Warum das?
Thorsten: Nicht jede Musik lässt am Ende auch einen
deutschen Text zu. Es gibt einfach Songs, da funktionieren keine deutschen Texte. Der Funke springt
nicht richtig über. Deshalb auch der ein oder andere
englischsprachige Song, wobei wir ja schon eher in
Deutsch singen.
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Mit „Toter Stein“ und „1000 Mütter“ wählt ihr
ja sehr politische Themen. Seid ihr politisch engagiert?
Thorsten: Ich bin in keiner Partei, wohl aber weiß ich
die Errungenschaften des Wahlrechts durch unsere
Großväter zu würdigen und gehe auch immer brav
wählen. Ich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, am Wahltag nicht wählen zu gehen, denn die
Freiheit ist uns nicht von Gott gegeben und ich
ziehe die Demokratie der Diktatur vor. Ich
bin aber auch an Geschichte interessiert
und wenn du einmal von Jonathan Littell
„Die Wohlgesinnten“ gelesen hast, wirst
du „1000 Mütter“ noch einmal anders
interpretieren.
In den ruhigen Liedern, von denen ich
am Anfang sprach, klingt dann alles so
melancholisch, auch durch den weiblichen Part. Eine weitere Facette?
Thorsten: Ja, ich glaube, das neue Album ist sehr
abwechslungsreich, was nicht zuletzt auch am
Einsatz der weiblichen Stimme liegt. Wenn
du ein Album über 60 Minuten hörst,
brauchst du auch Abwechslung,
damit du es zu Ende hören
kannst. Das Schlimmste,
was passieren kann, ist
Langeweile.
Torsten: Wir hatten von
den Songs des Albums
durchaus verschiedene
Versionen zur Auswahl,
wobei wir dann möglichst
unterschiedliche für das
Album ausgewählt haben,
um dem Hörer eine Vielfalt zu bieten, die jedoch
auch irgendwie rund ist
im Ganzen.
Heiko Nolting
www.pandique
.com
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Jahre 2007 und
ko m b i n i e r t e n
noch Elektropopelemente mit
akustischen Alternativen. Unser neuer Longplayer ist nun
komplett akustisch. Ich würde unsere Musik sogar als Gothic Folk
Anachronistische Rebellen
bezeichnen. Die Interaktion von Musik und visueller
Es gibt immer wieder Veröffentlichungen, die Komponente war uns immer sehr wichtig. Elisabeth
ist als Mitglied der Band und
schon allein durch ihr Outfit
„Neben Absinth
Gestalterin des Artworks sehr
direkt ins Auge fallen. Waren
an einer singulären Vision von
das noch vor ein paar Jahren
mögen wir aber
Kunst und Musik interessiert.
blutige Schockrocker, mal mit
auch Whisky,
künstlichen Leichenteilen, mal
mit eitrigem Kunstblut, so ist Wein, Wodka, Gin, Euer Name erschließt sich
nur dem profunden Kenner
heutzutage eher das in die Vergangenheit gerichtete Grün- Champagner, gutes von Lews Carroll.
derzeitimage ein echter HinBier und Cocktails. Er stammt aus der Fortsetzung
gucker. Die australischen Brillig
von „Alice’s Adventures in WonWir sind gegen
derland“, „Through The Looking
können aber auch in der Wahl
der Instrumente punkten und
Diskriminierung.“ Glass“. Diese
Geschichte
vereinen alles, was sich an folkloristischem Instrumentarium aufbieten lässt. beginnt mit einem Gedicht naIhre Songs klingen erfrischend anders und ver- mens Jabberwocky, welches in
zaubern im Vorübergehen. Doch gerade die seiner abgründigen
musikalische Staffage war und ist bei Brillig Mysteriösität an
unsere Band erineinem stetigen Wandel ausgesetzt.
nert. Im Gedicht
Matt Swayne: Als wir anfingen, ging es uns vor allem
darum, sehr experimentell- elektronisch geprägte
Klänge zu erzeugen. Der Fokus hat sich aber von
Album zu Album immer stark verschoben. Unser
jetziger Sound hat nichts mehr mit den Anfängen
unserer musikalischen Reise gemein. Unsere ersten
Veröffentlichungen auf Black Rain stammen aus dem
58
wird der Name als jene
zwielichtige Zeit rund
um den Abend beschrieben. Natürlich hat gerade unser Bandname
viele Lewis Carroll Fans
auf uns aufmerksam
gemacht. Ich selbst bin
auch Sammler verschiedenster Ausgaben und
freue mich auch schon
während des WGT in
Leipzig, auf dem wir
auch spielen werden, in
Buchläden nach deutschen Ausgaben stöbern zu können. Daneben werden wir auch noch in Berlin und Prag gastieren.
Einer Eurer Songs ist dem Absinth gewidmet.
Genau, „Absinth makes the heart grow fonder“ beginnt mit einer Anleitung, wie man Absinth im traditionellen Sinne des alten Paris zubereitet. Daneben
stellen wir die eher moderne Variante des Absinthfackelns. Und in der Tat sind wir dem Absinth zugetan. In Australien war Absinth, glaube ich auch noch
nie illegal. Entsprechend ist Absinth jetzt auch nicht
wirklich populär. Neben Absinth mögen wir aber
auch Whisky, Wein, Wodka, Gin, Champagner, gutes
Bier und Cocktails. Wir sind gegen Diskriminierung.
Eure Instrumente sind entsprechend vielfältig.
Ja das stimmt, wir haben eine riesige Sammlung
an Instrumenten, die wir größtenteils auf „The Red
Coat“ verwendet hatten. Elisabeth spielt Viola, Piano, Akkordeon, Ukulele, Zither, ich spiele Gitarre,
Banjo und Mundharmonika. Jedes Instrument bringt
neben seiner Klangfarbe auch spezifische Gefühle
zum resonieren. Sei es die Zither, die wir immer für
tragische Momente benutzen oder das Banjo, das
langsam und in Moll gespielt ziemlich beunruhigend wirkt. Ebenfalls bringt das Banjo diesen
altmodischen Südstaatenflair in den jeweiligen
Song. Elisabeths Ukulele hat einen unglaublich schönen
und individuellen
Klang und stammt
aus einer australischen
Traditionsschmiede. Wir werden übrigens alle diese Instrumente mitbringen.
Daniel Friedrich
www.brillig.com.au
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Juni / Juli 09
Ausgabe 20 - Jahrgang 4
Down Below
Schöngeist
Funker Vogt
Oberer Totpunkt
G
M ra
it t
n is
eh z
m um
en
The
VNV Nation
Birthday Massacre
Frozen Plasma
Funker Vogt
Akanoid
Tyske Ludder
Schöngeist
Amberian Dawn