vnv nation
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Juni / Juli 09 Ausgabe 20 - Jahrgang 4 VNV Nation Amberian Dawn The Birthday Massacre G M ra it t n is eh z m um en Down Below The Birthday Massacre Frozen Plasma Funker Vogt Akanoid Tyske Ludder Schöngeist Amberian Dawn The Eternal Afflict Editorial Da ist es – unser erstes Jubiläum. Die 20. Ausgabe des NEGAtief. Und noch dazu haltet ihr dieses Heft zum ersten Mal am diesjährigen WGT in der Hand. Mit dem Titelthema haben wir auch einen der etabliertesten Acts und stilprägenden Elektrokünstler auf dem Frontcover. Nicht minder interessant: Unser Rücktitelthema Down Below. Auf den Seiten dazwischen beweist die Szene stilprägenden Freigeist und dass trotz weltweiter Krise in allen Wirtschaftszweigen inklusive Tonträgerbranche die Kunst nicht auf der Strecke bleibt. Wir freuen uns auch weiterhin über Eure zahlreichen Zuschriften und Vorschläge und hoffen auch weiterhin auf Eure Gunst. Eure Redaktion NEGAtief ABO Schon wieder ist das NEGAtief in Eurem Club vergriffen? Media Markt und Saturn haben auch keine mehr? Holt Euch das NEGAtief nach Hause! Ihr zahlt lediglich einen Jahresbetrag von 12 Euro für Porto und Verpackung und habt sechs Mal im Jahr noch vor dem Streetdate das NEGAtief in Eurem Briefkasten. Schickt eine E-Mail mit dem Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an [email protected]. 5 5 7 13 49 49 50 Inhalt Tourdaten Kolumne Schementhemen Soundcheck Portrait: Nebelwelt Portrait: Unlicht Festival: Dark Park Festival Festival: Summer Darkness 37 Akanoid 54 Amberian Dawn 40 Biomekkanik 58 Brillig 34 The Birthday Massacre 44 Die Art 14 Down Below 52 Division Kent 17 Eigensinn 48 Frozen Plasma 41 Funker Vogt 23 GriffonVox 21 The Eternal Afflict 18 MAV 36 The Kick 19 Legio Mortis 46 Mob Research 20 Notes from Underground 24 Oberer Totpunkt 32 Orange Sector 47 Rappacinis Tochter 38 Reincarnatus 51 Roman Rain 42 Schöngeist 26 Second Disease 22 Tyske Ludder 56 Pandique 8 VNV Nation Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg Tel. 09227/940000 [email protected] www.negatief.de Herausgeber: Danse Macabre, Inh.: Bruno Kramm, Schloss Cottenau, 95339 Wirsberg Chefredaktion: Bruno Kramm (V.i.S.d.P.) Redaktion: Gert Drexl, Sarah Heym, Marius Marx, Norma Hillemann, Peter Istuk, Poloni Melnikov, Maria Mortifera, Ringo Müller, Heiko Nolting, Tyves Oben, Siegmar Ost, Stephanie Riechelmann, Diana Schlinke Anzeigen Akquise: Heidrun Smolnikar Layout: Stefan Siegl Lektorat: Ringo Müller Vervielfältigung oder auszugsweise Verwendung benötigt der schriftlichen Genehmigung. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Informations- und Datenträger. Die Artikel geben nur die Meinung der jeweiligen Verfasser wieder. Nach dem deutschen Pressegesetz Art.9 sind wir verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, dass für sämtliche redaktionellen Beiträge in unserem Heft eine Unkostenpauschale für Vertrieb an den Auftraggeber berechnet wurde. Trotz dieses Geschäftsverhältnisses entsprechen jedoch sämtliche Textbeiträge der persönlichen Meinung des jeweiligen, unentgeltlichen Verfassers und seiner Interviewpartner. Das NEGAtief versteht sich als eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alternativen Musikszene dienenden Publikation, die gerade kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alternative und flächendeckende Publikation ihrer vertriebenen Künstler unterstützt. ....in diesen Läden gibt es das NEGAtief Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim, Bochum, Chemnitz, Dessau, Dresden-Nickern, Duisburg, Flensburg, Goslar, Groß Gaglow, Günthersdorf, Heide, Heilbronn, Herzogenrath, Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Krems, Leoben, Limburg, Linz, Magdeburg, Memmingen, München, Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg, Pforzheim, Porta Westfalica, Reutlingen, Saarbrücken ,Sindelfingen, Stuttgart, Trier, Viernheim, Vössendorf, Weiterstadt, Wien, Wien Hietzing, Wiesbaden Saturn: Augsburg, Bad Oeynhausen, Bergisch Gladbach, Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Gelsenkirchen, Göttingen, Graz, Hagen, Halle, Hamburg, Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe, Kassel, Klagenfurth, Kleve, Köln, Köln-Hürth, Köln-Porz, Krefeld, Leipzig, Leverkusen, Linz, Magdeburg, Mainz, Moers, München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen, Röhrsdorf, Saarbrücken, Stuttgart, Vössendorf, Weimar, Wien Millennium City Expert: Andernach, Bad Kreuznach, Burbach, Dillenburg, Ehringshausen, Friedberg, Gießen, Hachenburg, Koblenz, Mainaschaff, Nastätten, Neuwied, Siegen, Waldbröl, Wetzlar, Wiesbaden Best Music World GmbH Münster Cover Schallplatten Berlin Unger Sound & Vision GmbH Paderborn Zoff Records H.-J- Pitzke Bremen Atelier A.P. Wagner Bodenheim ...in diesen Clubs gibt es das NEGAtief: Codex, Komplex, Eventruine, Club Pavillion, TopAct, Matrix, Club Trafo, Alchimistenfalle, Bloodline, Beatclub, Rockfabrik, Kulthallen, Musiktheater, Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, K17, Freeze Frame, Dark Flower, Kuz, Come-In, Muc-Kantine, Vortex, Black Painting, Uni1, Beat-Club, Gag18, Mau Club, Sächsischer Bahnhof, Nachtwerk e.V., Sound Saarland, Panoptikum, Druckkammer, Final, Fina Destination, Capitol, Eleganz / Bigstone, Koma, Flamingo, Locco/ Kulturruine, Radar, Nachtcantine, Meier Music Hall, Club ZV Bunker, Markthalle, Forellenhof, Shadow, Kir, Unix, Centrum, Bar Issix, Musikbunker Nightlife, Witchcraft, Loop, Dominion Factory, Vauban Insel, Underground, Südbahnhof, Darkarea, Dark Dance, Boiler Room, Zentrum Zoo, Ringlokschuppen, Nachtwerk, Archiv, Kulturbahnhof Kato, Kufa / SB, RPL, Schützenparkbunker, Nerodom ... und über Xtra-X oder per Abonnement bei www.NEGAtief.de The Birthday Massacre Show and Tell Tour 2009 18.07.09 Köln, Amphi-Festival 20.07.09 Wien, tba 23.07.09 Zürich, tba 24.07.09 Winterthur, Gaswerk 26.07.09 Blackcave Festival 06.08.09 Summer Darkness Festival Album week 17 1 Diary of Dreams - (If) 2 Project Pitchfork - Dream, Tiresias! 3 The Prodigy - Invaders Must Die 4 Depeche Mode - Sounds of the Universe 5 Steinkind - Galle, Gift & Größenwahn 6 Leather Strip - AEngelmaker 7 QEK Junior - Ausverkauf 8 Zeromancer - Sinners International 9 Wumpscut - Fuckit 10Metallspürhunde - Böse Wetter 07.08.09 Hamburg, Logo 09.08.09 Hildesheim, M’era Luna SEELENZORN 31.05.09 2.Pulp & Gothic-Family.NET Festival, Eventschloss PULP Duisburg 13.06.09 30. Dark Dance Treffen, Lahr Covenant 13.06.09 Lahr - Dark Dance Treffen 18.07.09 Köln - Amphi Festival Eisbrecher 05.06.09 Rainau-Buch (Aalen) - Rock am Limes Open Air Festival 2009 04.07.09 Mülheim an der Ruhr Castle Rock Festival 2009 17.07.09 Cuxhaven Seeflughafen Deichbrand Festival 2009 18.07.09 Köln Tanzbrunnen Amphi Festival 2009 KMFDM 09.06.09 Rüsselsheim - Das Rind 10.06.09 Wien - Viper Room 19.07.09 Köln Tanzbrunnen - Amphi Myk Jung durchleuchtet die Schatten sur schon ein wenig zerknautscht, dann gehen wir zum Auto und setzen uns die Wer sind wir? Wir gehören der Schwar- Brille zum Fahren auf. Auf dem Rückweg zen Independent-Gemeinde an. Wir sind schon entgleiten uns die koketten Mascool, finster, rebellisch, tiefschürfend. Wir ken von Possenspiel: Der eine nölt, dass sind kreativ, haben Visionen, tanzen indi- der andere zu viel gesoffen hat; eine viduell, sehen auffällig aus – und oben- zweite hat zu viel gebaggert; ein dritter drein gut, klar. Aus unserer Mitte heraus ist den anderen zu mimosenhaft gewewerden Klänge, Texte, Bilder erschaffen. sen. Später putzt man sich die Zähne und Harte Klänge und unverdauliche, dunkel- beißt dann doch noch in ein Leberwurstromantische, morbide, anklagende, tief- bütterken, sitzt auf’m Klo und guckt ins sinnige und vielerlei mehr. Wir erleben TV-Blättchen. auf Konzerten gemeinsame Momente, Kann es sein, dass wir alle einer Vision blinzeln stolzen Blickes in die Düsterdis- von etwas Größerem hinterher haschen, cos, huldigen einander in durchgestylter dessen Teil man sein mag? Man sucht Coolness und geheimnisvoller Pose. das Wunder, immer noch naiv, hinter Manchmal kommen wir Gesichtern und unterm uns vor wie von einer anLesungstermine: Neonlicht. Treff ich eine deren Welt. 30.5. WGT, Cinestar, FHL Band, die ich allezeit Und wenn die Industrial 6.6. Geldern, Tolkien Tag bewundert habe, denke Night vorbei ist, die Fri14.6. Velbert, Flux ich, in deren Backstage Die kurzen Momente von Schein Ausgewählte Tourdaten Festival 2009 21.07.09 Hamburg - LOGO 22.07.09 Berlin - Postbahnhof Project Pitchfork 13.06.09 Berlin - Zita Rock Festival 20.06.09 Gelsenkirchen Blackfield Festival 27.06.09 Ammerbuch (Tübingen) Dark Park Festival Unheilig 13.06.09 Berlin - Zitadelle - ZITA ROCK Festival 2009 20.06.09 Abendberg - Burg Abendberg - Feuertanz Festival 2009 27.06.09 Ammerbuch (Tübingen) Dark Park Festival 11.07.09 Osterode am Harz Open Air Arena 17.07.09 Görlitz - Landskron Brauereihof 19.07.09 Köln Tanzbrunnen - Amphi Festival 2009 das Dunkle Geheimnis zu finden, was unser Zentrum darstellt. Denn wenn dies nicht bei den großen Visionsstiftern zu finden ist, ja wo denn dann? Aber da ist nichts, kein Geheimnis! In der Backstage herrscht das übliche Geplänkel von oberflächlichem Hochmut, flachen Witzen und sexistischen Sprüchen, es stinkt nach Bier, die Blicke sind trotz steigender Besoffenheit arrogant. Alle sitzen in ihren verbeulten Tourklamotten rum, allein zehn Minuten vor dem Gig streifen sie was Cooles über, schmieren sich Ruß ins Gesicht. Wozu? Um zu proklamieren: „Hey Leute, ich hab mir gerade vor fünf Minuten Ruß ins Gesicht geschmiert, wart ihr auch so schnell beim Schminken?“? Denn das Publikum hat sich seinerseits auf schwarz geschminkt, eine knappe Stunde zuvor. Und gemeinsam Welle:Erdball 27.06.09 Ammerbuch (bei Tübingen) Dark Park Festival 10.07.09 Bargenstedt - Dellbrück Dungeon Open Air 2009 german electronic webcharts Album week 19 1 Diary of Dreams - (If) 2 Depeche Mode - Sounds of the Universe 3 Project Pitchfork - Dream, Tiresias! 4 Wumpscut - Fuckit 5 Leather Strip - AEngelmaker 6 Prodigy - Invaders Must Die 7 Noisuf-X - Voodo Ritual 8 Orange Sector - Mind.Fuck 9 Skold vs. KMFDM - Skold vs. KMFDM 10 V.A. - Electropop 2 feiern die auf und die vor der Bühne ihre flüchtigen Momente von Fake. Tja, Freunde, nicht den Kopf hängen lassen. Ihr wisst ja, der Kolumnist darf überspitzen. Nicht den Kajal vergessen. www.schementhemen.de myspace.com/schementhemen Redaktion Oberer Totpunkt „Erde ruft“ Was als Albumtitel die Nähe zu einem Gedicht des deutschen Expressionisten Gottfried Benn vermuten lässt, ist mindestens so aufrüttelnd wie dessen frühe Werke aus der Krebsbaracke. Der Schlund hinter der Normalität gründet tiefer als es die dunkelste Fantasie wahrhaben möchte und die Texte des Hamburger Duos lassen das Blut gefrieren, wenn sie den schmalen Grat zwischen Idyll und lebendigem Albtraum beschreiben, der sich auf einem pulsierenden Musikbett groovenden Minimalismus breitmacht. Die klingenden Psychogramme zitieren mal EBM, mal Hip-Hop, um dann zum infernalischen Finale in wagnerianischen Bläsersätzen zu ertrinken. Und dem Hörer wird spätestens jetzt klar: Erde ruft... Gert Drexl tipp der Brillig „The Red Coats“ Nach Jabberwock (unser Album des Monats) gelingt Black Rain schon wieder eine außergewöhnliche Veröffentlichung im Dunstkreis von Lewis Carroll’s Alice im Wunderland. Brillig, aus Australien stammend, sind herrlich verschroben und begeistern durch eine überschäumende Entdeckungsreise des Unterbewussten aber auch Absurden. Musikalisch irgendwo zwischen Dresden Dolls, Gothic Folk und Tim Burton Filmmusik überrascht immer wieder die bisweilen anachronistische Instrumentierung und das Arrangement der musikalischen Kleinodien. Die visuelle Rückbesinnung zu den frühen Jahren des vergangenen Jahrhunderts mag konservativ wirken, verleiht dem größtenteils leisen Gesamtwerk aber wahre Authentizität. Siegmar Ost – von der Liebe und dem schnellen Sex, gleiten aber nie in die Oberflächlichkeit ab. Wer Unheilig, Eisbrecher oder Seelenzorn mag, wird diese neue Band der rockenden Adonisgeneration lieben. Peter Istuk Reincarnatus „Media Vita“ Aus den Niederlanden stammend, bringt diese reisende Ladiesband frischen und experimentellen Wind in ein keltisch mittelalterliches Klangbild. Diese Kombination mit klassischen Rockelementen verzichtet aber nicht auf das mittelalterliche Instrumentarium und kreiert dadurch einen ausnahmslos eigenständigen Sound. Ein sehr gutes und abwechslungsreiches Debütalbum, das einen Moment in sich gekehrt um dann wieder explosiv in vielschichtigen Arrangements ein breites Spektrum an Gefühlen abdeckt. Atmosphärische Klangwälder, poppige Rhythmen und groovige Elemente werden von wundervollen weiblichen Gesangslinien durchzogen, während das textliche Potpourri altes Englisch mit Französisch und Latein kombiniert. Maria Mortifera Down Below „Wildes Herz“ Down Below legen mit „Wildes Herz“ (Premium Rec./Soulfood) ihr drittes Album vor: Eine harmonische Mischung aus Rock und Romantik. Die Liebe ist erneut ein großes Thema, doch stehen diesmal die eigene Freiheit und Selbstentfaltung im Vordergrund. Mit viel Energie und Optimismus transportieren sie ihre Inhalte. Mit „Euphorie“ beginnt ihr Werk, doch kommen auch die ruhigen Klänge - und die oben erwähnte Liebe - nicht zu kurz wie beispielsweise bei „Die letzten Worte“ oder „Bei dir“. Ein Album für all diejenigen, die nach Musik suchen, welche tiefgründig und kraftvoll zugleich ist. Neo-Scopes wandlungsfähige Stimme vermag es, die Stimmungen der Songs perfekt umzusetzen und die eigenen Gefühle zu wecken. Wer mehr erfahren möchte, der möge unsere Titelstory lesen, bei der uns Neo-Scope noch viel mehr über die neue CD verraten hat. Diana Schlinke Schöngeist „Liebeskrieger“ Auch wenn das Cover und der Titel fast schon ein wenig aufgesetzt, das Image eines echten Loverboys kreieren: Diese Band kann mehr. Eingängiger Gothrock a la Unheilig trifft auf vereinzelten Synthesizer-Stakkatos und eine extrem ausgewogene Produktion, die ein großes Budget vermuten lässt. Der latente Einfluss orientalischer Musik lässt sich zwar nur wirklich heraushören, wenn man die Bandbio gelesen hat, trotzdem thematisiert der sprachlich geschickt formulierende türkischstämmige Vorzeigedeutsche Probleme des Miteinanders von Orient und Okzident auf gänzlich eigene Weise. Viele Songs handeln natürlich – wie hätte man es anders erwartet Akanoid „Civil Demon” „Civil Demon“ ist das Werk einer sehr gereiften Band. Ursprünglich noch im reinen Synthpop Zuhause, hat nun eine ganze Genremischung bei Akanoid Einzug gehalten, die von Industrialrock über melancholischen Elektropop bis zu halbakustischen Singer-Songwriter-Perlen reicht. Dabei gelingt es der Band um Frontmann Hilton Theissen, die von früher eingefahrenen Klischees zu vermeiden und kann sich durch ein beachtliches Händchen für spannendes Songwriting und ein weites Spektrum an Kompositionen eine deutlich erkennbare Individualität bewahren. Ringo Müller VNV Nation wir das Konzert aufgenommen hatten, wollte eine Menge Geld dafür, dass wir unsere eigenen Songs benutzen. Das ist heutzutage üblich in den USA, dass sie dann eine Gebühr verlangen. Symmetrische Musik VNV Nation haben in den vergangenen Jahren wie keine andere Band das elektronische Genre geprägt. Inklusive einer Armee von Nachahmern, Inspirierten und remixten Bands kann die Band um den nimmermüden Ronan Harris auf ein beachtliches Stück Musikgeschichte zurückblicken. Und das nun bald seit 20 Jahren. Und dafür haben sich Ronan und Mark für ihre Fans was ganz besonders einfallen lassen. Darüber hinaus ist Ronan aber auch ein geselliger Zeitgeist, der sich auch gerne mal mit seinen Fans an der Bar eines Festivals sehen lässt und nie den Kontakt zu seiner treuen Gefolgschaft verloren hat. Im Interview gibt Ronan bereitwillig Auskunft zum neuen Werk, aber auch darüber, wie es zum Futurepop kam, seine Vorliebe für Symmetrie und wie es mit seiner körperlichen Fitness aussieht. Da die meisten Songs der „Reformation 1“ bereits 2005 fertig waren, stellt sich natürlich eingangs gleich die Frage, woran eine frühere Veröffentlichung gescheitert ist. Ronan Harris: Das ist eine lange Geschichte. Die Livetracks mussten wir neu aufnehmen. Also wollte ich bereits 2005 „Reformation 1“ als Nachfolger von „Matter and Form“ veröffentlichen. Die Songs von „Matter and Form“ sollten hierauf in einer Neubearbeitung erscheinen. Die ursprüngliche Idee war es, den Songs ein neues Gewand zu geben. Was dann passierte, war Folgendes: Die Location, wo Idee, erst „Reformation 1“ rauszubringen und dann das neue Album „Of Faith, Power and Glory“ zwei Monate später. Und dann kamen und kommen die großen Festivals wie M’era Luna oder WGT. Wir haben jetzt unsere eigene Firma, sodass wir den Preis Das hab ich in einem anderen Interview von bestimmen können und die Produktion für USA und dir gelesen, aber ich dachte es ging da nur um Europa zur selben Zeit abgeschlossen werden konndie DVD Aufnahmen. ten, was eine Menge Geld gespart hat. Ich wollte Nein, die wollten Geld, dass man den Club benutzt keinen hohen Preis für die Box. Und es ist möglich, hat. Nicht wegen der Aufnahmen, die wollten ein- für 23 Euro diese Box unter die Leute zu bringen. Es fach mehr Geld. Und das hat uns vorher niemand gab so viel positive Resonanz und die Box sieht so gesagt. Und davon hab ich vorher auch noch nie schön aus. Es ist für unsere Fans. Wir wollen ihnen was gehört. Und da hab ich meinen Booker in den nicht einfach das Geld aus den Taschen ziehen. Es USA gefragt und er meinte, man braucht die Erlaub- ist möglich, finanziell erfolgreich zu sein, aber man nis vom Club. Also fragte ich da nach und die schau- muss Leute nicht ausbeuten. Eine CD ist eine Live ten sich unsere Verkaufszahlen an und hatten gleich CD und die zweite enthält neue Songs, Songs zum Dollarzeichen in den Augen. Soundtrack „Gene Generati„Ich liebe Symmetrie, on“. Und wie habt ihr das Problem ich glaube, wenn dann gelöst? Werden Soundtracks der Wir haben dann versucht, einen neue Schaffensbereich des Dinge symmetrisch Kompromiss zu finden. Aber das Ronan Harris? sind, dann sind sie war nicht möglich und so zog Ich würde gerne mehr Filmim Gleichgewicht.“ musik machen. Für mich ist sich alles in die Länge und am Schluss war ich dann bei den die Musik zum Film etwas Arbeiten zu „Judgement“. Das Live-Material war Besonderes. Musik kann dir dabei helfen eine Szedann als erstes fertig. Das andere kam dann später. ne zu interpretieren und Atmosphäre rüberbringen. Eigentlich sollten es nur ein paar Livesongs werden, Musik kann dir die Worte geben, damit du die Story eine längere EP eben. Nun ist es eine Box, aber das verstehst. Und darum liebe ich Filmmusik aus dem war nicht die ursprüngliche Idee des Ganzen. Aber gleichen Grund wie Instrumentalstücke. Viele von letztendlich ist es eine tolle Sache, dass es so pas- den Fans mögen das, andere wiederum mögen eher, siert ist, weil wir nach dem ganzen Ärger nun die wenn ich dazu singe. Ich aber mag Musik, die ohne Möglichkeit hatten, diese Box rauszubringen. Worte spricht. Dieser Soundtrack war eine tolle Gelegenheit, es war Spaß, es war ein Low Budget MoNächstes Jahr habt Ihr euer 20-jähriges Jubilä- vie, nichts Spezielles. Und es war so interessant für um, warum habt ihr nicht bis dahin gewartet? mich, weil ich das schon immer machen wollte. Ja, so steht es geschrieben, dass sich VNV Nation 1990 gegründet haben, aber eigentlich schreibe Und Science-Fiction passt ja ganz gut zu VNV ich ja schon seit 1989 Musik im Stile von VNV, aber Nation, oder? Marc und ich haben dann entschieden, dass der Sie fragten mich und ich sagte ja. Es ist ein stranger Name VNV Nation seit 1989 existiert. So kann man Film. Ich würde nie an einem Projekt arbeiten, mit eigentlich schon von einem 20-jährigem Jubiläum dem ich mich nicht identifizieren kann. sprechen. Es ist ein großes Geschenk an die Fans und das ist auch der Hauptgrund, warum wir das Das heißt mehr Soundtrack von Ronan Harris? Ganze gemacht haben. Aber es war eine gute Ich hoffe es. Du selbst machst viele Remixe. Ist es eine Ehre für dich, wenn Bands dich nach einem Remix fragen, und bist du stolz, wenn der Remix erfolgreicher ist als das Original? Ich liebe es, Remixe zu machen, denn ich kann in den meisten Tracks etwas heraushören, das mich inspiriert, daran weiterzuarbeiten. Inspiration ist alles, wenn das fehlt, ist das ein langer langweiliger Job. Es ist für mich eine große Ehre zu remixen. Und wenn dann die Remixe fast so erfolgreich sind wie das Original, hat man die Möglichkeit sich einem völlig anderen Publikum zu präsentieren. Ich liebe das Remixen, aber ich gehe nicht mit dem Ehrgeiz heran etwas Besseres daraus zu machen als das Original, es soll anders sein. meine ich alles. Manchmal ist der Segen aber auch ein Fluch, denn die vielen Möglichkeiten halten dich oft davon ab, dich auf das Wesentliche im Songschreiben zu begrenzen. Wenn du diese Technik zur Verfügung hast, musst du auch jede einzelne Funktion verstehen. Du musst sie intuitiv verstehen. Und wenn du zu viel Technik hast, wirst du es niemals lernen können. Für mich ist es die einfachste Möglichkeit mich an mein Klavier oder mein Keyboard zu setzen und einen Song zu schreiben. Da passt die nächste Frage ganz gut: Komponierst du deine Musik zu Texten oder umgekehrt? Gibt es denn momentan eine Band, die du gerne mal remixen würdest? The Killers, ohne Frage meine absolute Lieblingsband. Ich liebe diese Band, ich liebe, wie er singt und ihre Texte. In Deutschland kannte man die Killers ja gar nicht, bis zu dem Hit „Human“, denn er repräsentiert nicht die Band. Ich liebe die Band seit ihrer ersten Platte und live sind sie absolut Klasse. Seit dem Beginn deines musikalischen Schaffens haben sich die Möglichkeiten und die Methoden des Songwritings extrem entwickelt. Denkst du, dass diese neue Technik einen direkten Effekt auf deine Songkreationen hat? Ich denke, jeder, der elektronische Musik macht, kommt an einen Punkt, an dem er durch die Technik limitiert ist. Realistisch gesehen finde ich, Musik sollte mit einem Minimum gemacht werden, um daraus das Beste entstehen zu lassen. Was wirklich eine große Veränderung bzw. eine Freiheit gebracht hat, ist, dass der Computer heutzutage einfach alles kann und damit „Ich glaube an die Magie, an die Energie und eine Kraft. Wenn du möchtest, kannst du sie benutzen.“ Ist da erst eine Melodie in deinem Kopf oder beginnst du einfach mit elektronischen Experimenten? Bei den meisten Songs ist die Melodie schon in meinem Kopf ohne mich zu fragen. Es ist wie, wenn du einen Ohrwurm hast und du ihn nicht mehr rausbekommst. Und wenn du da den Text nicht kennst, schreibst du einfach deinen eigenen Text. Ich weiß nicht, woher die Songs kommen. Aber es gibt andere Songs, bei denen ich einen Sound auf dem Keyboard finde und der mich inspiriert, plötzlich anzufangen zu singen. VNV Nation ist für einen speziellen Sound bekannt. Ist es da eine Bürde für dich, vor allem wenn du dich dann musikalisch weiterentwickelst. Es ist schon strange. Es ist ein Fakt, dass einige der älteren Fans genervt waren, weil sie sich nicht mit uns auf unsere musikalische Reise begeben haben. Ich weiß, dass das verrückt ist für die, die als erstes „Empire“ gehört haben und so ihren Einstieg zu uns fanden. Andere hörten „Advance and Follow“, bei anderen ist es „Matter and Form“, bei anderen ist es „Judgement“. Alle sind an einem anderen Zeitpunkt zu uns gestoßen. Die Gefühle und die Erinnerungen sind mit der Musik assoziiert und verknüpft. Es ist nicht die Musik, sondern der Moment in ihrem Leben, den sie damit verbinden und den kann ich nicht wiedergeben. Die Zeit geht aber weiter. Dein Leben entwickelt sich. Die Musik entwickelt sich. Alles macht Fortschritte, ändert sich, neue Erfahrungen, neue Freunde, und auch neue Musik. Und ich möchte dabei auch die Musik von VNV weiterentwickeln. Aber da ist auch der Stolz und die Leidenschaft in der Musik, weil es der Musikstil ist, den ich mag. Aber ich kann nicht immer und immer wieder dasselbe wiederholen. Das wird langweilig. Ich kann ein Album nicht so schreiben, weil der Fan es so will. Und da gibt es leider Leute, die so denken. VNV Nation als Name und auch einige Songs und Albumtitel implizieren eine Art religiöse Andeutung. Bist du spirituell? Und würdest du deine Ideen diesbezüglich mitteilen? Ich folge keiner organisierten Religion. Ich akzeptiere Religion und ich komme auch gut mit Menschen aus, die ihren Glauben haben. Wir haben schließlich alle die gleiche Frage: Warum sind wir hier? Was ist der Grund dafür? Existenz? Warum existiert das Universum? Aber ich bin ein spiritueller Mensch ohne organisierte Religion. Es gibt 10 wurden von einem Künstler aus Polen gestaltet, der einfach ein Genie ist. Ich liebe Symmetrie, ich glaube, wenn Dinge symmetrisch sind, dann sind sie im Gleichgewicht. Das heißt nicht, dass ich unsymmetrische Dinge nicht mag. Ich denke ein Bild, ein Artwork oder ein Logo, was eine Band repräsentiert, sollte etwas Starkes ausdrücken. Das Cover kann viel ausdrücken. Ich liebe Design, ich liebe es, Dinge anzuschauen. eine Menge in der Welt, was ich nicht mag. Hinter den räumlichen Dimensionen dieser Welt gibt es aber mehr. Ich glaube an die Magie, an die Energie und eine Kraft. Wenn du möchtest, kannst du sie benutzen. Vielleicht ist es einfach die Art, wie wir die Dinge sehen. Man kann einige meiner Songs aus diesem Blickwinkel betrachten, aber ich denke z. B. „Matter and Form“ hat überhaupt nichts mit Religion zu tun. „Judgement“ eher, aber das war eher meine Version eines westlichen Karma. Es geht um die Wirkung einer Situation. Deine Entscheidungen können etwas bewirken. Und das bedeutet dann Konsequenzen. Zu „Judgement“ gab es zehn verschiedene Interpretationen des Namens, einige davon sind sehr einfach, andere sind sehr abstrakt. Ich mag keine schwachen Titel. Ich glaube, wenn ich etwas sagen möchte, dann sollen die Leute merken, dass ich es ernst meine und dass da etwas Wichtiges zu sagen ist. Wenn ich was Überzeugendes sagen will, sollte das auch der Titel aussagen. Deine Artwork sind immer im geometrischen Sinne durchstrukturiert. Ist dies auch der Weg, wie du deine Musik umsetzt, bzw. würdest du dich als Ton-Architekt sehen? Das Artwork ist nicht immer von mir. Die letzten beiden Alben „Judgement“ und das neue Album Musik machen. Deshalb wollten wir was Neues erfinden. Die Idee war es, Industrial oder späte 80er EBM Einflüsse und härtere Dancemusic mit einer tollen Melodie zu mischen. Dabei inspirierten uns auch Bands wie The Prodigy, The Chemical Brothers oder Underworld. Und das vereinigten wir, um einen neuen Sound zu schaffen. Futurepop war geboren. Ein paar Monate später wiesen viele Labels ihre Bands als das Feinste in Sachen Futurepop aus, nur um mit auf den Zug aufzuspringen, um mehr Platten zu verkaufen. Ein Hauptgrund, diese Bezeichnung zu kreieren, war es, einen Terminus für alternativen Electro zu finden. So kam es zu dem Begriff Futurepop. Aber auch einige EBM Bands klingen wie Trance, und auch Trance Musik klingt zeitweise wie EBM. Mark Jackson ist als Drummer seit Jahren ein ständiger Begleiter auf dei„Die Idee war es, nen Touren. Wie bringt er sich bei Wie hältst du dich fit Industrial oder späte der Entstehung für eine Tour? eines Albums 80er EBM Einflüsse und Du hast mich auf der ein? Bühne gesehen. Ich härtere Dancemusic Mark ist mein habe kein Problem auf mit einer tollen psychologisches der Bühne von rechts Mitglied der Band. Melodie zu mischen.“ nach links zu rennen. Ich Wenn ich was bin einfach ein Energieschreibe, frage ich mich immer: Was bündel. Und dabei singe ich noch. Einmal hat mich würde Mark darüber denken? Wir sprechen dann vor der Bühne einer gefragt, wie machst du das, wo drüber, wir tauschen unsere Ideen aus. Wir hören du doch so fett bist. Da sagte ich, oh danke, hier ist uns dann ein, zwei Wochen nicht, wenn ich am Al- das Mikro, du kennst unsere Lieder, ich möchte jetzt, bum arbeite, dann spiele ich es ihm vor und er sagt dass du mit mir auf die Bühne kommst, dich mit mir dann, ob er es gut findet oder nicht. Wir tauschen auf der Bühne bewegst und dazu singst. Nach 3 unsere Ideen aus. Er ist ein guter Freund, ich liebe Minuten war der K. o. Und ich mache das für 2 ½ diesen Kerl. Eine fantastische Person. Stunden. Und ich liebe es. Heiko Nolting Live hast du zusätzlich zumeist sehr prominente Keyboarder an Bord, z.B. Vasi von Frozen Plasma. Wie kommt das? Der Grund ist einfach, das sind Freunde von uns. Und sie waren auf Tour mit uns und da hat sich die Situation ergeben. Eine große Familie, das gilt auch für Tom von SITD. www.vnvnation.com Wenn man den Begriff Futurepop hört, bringt man damit immer VNV Nation als einen der Erfinder diese Musikstilles in Verbindung. Wie fühlt man sich als Erfinder einer Stilrichtung? Das ist schon eine tolle Sache, aber ich hab das im „Reformation 1“-Booklet geschrieben, weil nur ein Song darauf ist, den man typischerweise als klassischen Futurepop bezeichnen würde. Wir und mit uns auch Bands wie Apoptygma Berzerk kamen aus der futuristischen Welt der 80er, hörten Underground Musik, und wollten keine kommerzielle 11 12 Rituell Räuchern Nebelwelt ist ein Anbieter besonderen Räucherwerks, Lokta Papier und Accessoires. Unter dem Titel „Schall und Rauch“ bieten Nebelwelt an einem Gemeinschaftsstand mit dem GriffonVox Label Grentzwert ihre verführerischen Produkte an. Denn die Kombination von guter Musik, bezaubernden Düften und stilvoller Dekoration schleicht sich ins Gemüt der sonst so hektischen Besucherwelt. Doch Nebelwelt Artikel sind jetzt auch im Internet erhältlich. Die liebevoll gestaltete Präsenz bietet unter www.nebel-welt.de alle Artikel der reichhaltigen Produktpalette an. Die Duftkompositionen entführen in die mystisch, magische Welt des Räucherns. Nebelwelt bietet kein unübersehbares Angebot, wie viele andere Räucherwarenanbieter, sondern fein zusammengestellte, rituelle Räuchermischungen und reine Substanzen für besondere Stunden. Alle Mischungen werden natürlich nach eigener Rezeptur zusammengestellt. Mit Sorgfalt suchen die Nebelweltfeen die Zutaten für die Räuchermischungen aus und bringen diese teilweise selber von ihren Asienreisen mit. Ma- gische Mischungen wie „Vampire“ mit Patchouli oder „Divination“ mit Lavendel gehören zu den beliebtesten. Besondere Spezialität sind die mit einem keltischen Knoten versehenen, schwarzen Geschenkboxen. Den Inhalt der Schachtel kann sich der Kunde aus dem Räucherwerksortiment selbst zusammenstellen. Im Online Shop gibt es bereits gefüllte Geschenkboxen zu kaufen. Ideal geeignet z.B. für jemanden, der gerade erst die Welt des Räucherns für sich entdeckt. Am diesjährigen WGT Stand demonstriert man auch den Umgang mit Kohle und Kräutern. Eine Auswahl an Geschenkartikeln, gefertigt aus handgeschöpften, nepalesischem Lokta Papier, findet man ebenfalls bei Nebelwelt. Die Verbindung zu diesem asiatischen Land ist den Betreiberinnen sehr wichtig, da dort noch eine alte Handwerkskultur gepflegt wird. Mit dem Verkauf der Lokta Produkte werden zum einen die Menschen und die Kultur in Nepal unterstützt und zum anderen natürlich dem Kunden hochwertige und schön gestaltete Waren angeboten. Dieses Sortiment bietet ausgefallene Geschenkboxen, kleine Notizbücher und viele weitere Geschenkideen. Siegmar Ost www.nebel-welt.de 13 Wild-romantisch Trotz, dass es erst ihr zweites Album ist, welches am 26. Juni erscheinen wird, kennt sie jeder: Die sympathischen Dunkel-Rocker von Down Below. Die Anhänger der sachsen-anhaltinischen Band werden das neue Werk schon sehnsüchtig erwarten. NEGAtief lag „Wildes Herz“ (Premium Rec./Soulfood) exklusiv als erstes Magazin in voller Länge vor. Beim Hören offenbarte sich uns eine Facette, die auf dem Vorgänger „Sinfony23“ (2007) noch nicht so ausgeprägt war: Optimismus. Ihre Düsternis behielten Neo-Scope, Carter, Convex und Mr. Mahony jedoch bei und so entstand eine wirklich rare Mischung aus dunklem Rock und beglückender Energie. Diese Lieder geben Kraft. Down Below erzählen aus ihrem und deinem Leben: von Liebe, Freiheit und dem eigenen Weg. Dies geschieht mal rockig, 14 mal ruhig, mal beides zusammen im unverkennbaren Stil Down Belows. Neo-Scopes Gesang hat die Macht, Gefühle hervorzurufen, an die man nicht mehr geglaubt hat. Eine innere Ruhe breitet sich aus und zeitgleich neue Energie. Wer noch nach den richtigen Songs gegen die allgegenwärtigen Depressionen sucht, sollte reinhören. Wir sprachen mit Sänger Neo-Scope über Vorurteile und Mut, Falco und Hesse, Sport und Musik. „Frei“ kommt der Wunsch nach neuer Freiheit zum Tragen. Im Gegensatz dazu folgt mit „Mein wildes Herz“ ein Song, der eine Bei „Alle deine Wege“ heißt es, Liebesnacht beschreibt. „Jeder dass man seinen Weg allein geht „Wildes Herz“ ist eine Hommage an Mensch ist und kein Mensch für immer bei Falcos „Jeanny“ sowie Hermann Hesse einem ist, was zwar der Wirklich- beides großartige Künstler. Speziell Hereinzig.“ keit entspricht, doch wir alle stremann Hesse begleitet mich in meinem ben danach, mit jemandem zusammen den Schaffen immer wieder. Der Song beschreibt schon Weg zu gehen. Was gibt einem denn Halt, so etwas wie einen Akt, ist aber viel eher als eine wenn man allein auf seinem Weg ist? Wofür Fantasie zu verstehen, ein merkwürdiger nächtAm Anfang steht mit „Euphorie“ ein für Down steht der Stern in diesem Lied? licher Wachtraum, der bedrohlich und anziehend Below erstmal ungewöhnliches Stück – sehr, Die absolute Wahrheit ist doch, dass erst mal jeder zugleich wirkt. sehr rockig und wahrlich euphorisch. Zudem Mensch mit sich allein ist und zwangsläufig sein ist ein Chor zu hören. Kannst du uns etwas ganzes Leben mit sich verbringt. Da ist es sicher Auch bei „Dein Wille“ geht es um das Freisein. über die Entstehung dieses Liedes erzählen? clever, mit sich im Reinen zu sein. Jeder Mensch Geht es um die eigene Freiheit, sein Leben so Neo-Scope: „Euphorie“ ist einer der Songs, die ist einzig = ein - sam, ein in sich abgeschlossenes zu gestalten, wie man es will? Ist man frei von plötzlich so da waren. Ich hatte irgendwie das Wort ganzheitliches Wesen. Er kann zwar kommunizie- innen heraus? „Euphorie“ im Kopf, verband ein ren, muss aber doch alles letz- Ja, das denke ich. Frei zu sein, ist ja ein GrundbeGefühl damit und hatte den Song ten Endes mit sich ausmachen dürfnis. „Dein Wille“ erinnert daran, dass wir ei„Mit den Songs innerhalb von drei Stunden als und Entscheidungen finden. Der nen freien Willen haben, den uns niemand nehmen Demo-Variante fertig. Als die Band möchten wir einen Stern aber bezieht sich symbo- kann. Den Song verstehe ich außerdem als meine ihn dann zum ersten Mal hörte, lisch auf Liebe als Ursprung des ganz persönliche Kriegserklärung an Bankrotte, Anstoß geben, waren sich alle einig, er kommt Lebens und den Nordstern, den Fast Food, Ideale und dem Chaos der hoch technodass andere den auf das Album. Der Chor ist von man auch früher schon zur Ori- logisierten und dennoch primitiven neuen Welt. der Frauenhandballmannschaft entierung genutzt hat. Wenn Mut finden, unseres Rosslauer Vereins DRHV06 man das beides ins Verhältnis Es sind mehrere Ebenen auf „Wildes Herz“ einfach ganz sie eingesungen worden. Die Mannsetzt, erhält man ein schönes herauszuhören. Neben den schon angesproschaft verwendet diesen Titel jetzt selbst zu sein.“ Bild und eine wirkungsvolle chenen Stadien einer Beziehung ist ganz klar als Einmarschhymne. Ich finde ja Metapher. ein Ja zum Leben, ein Optimismus zu spüren, sowieso, dass Sport und Musik gut zusammenpasder sich auch sprachlich ganz direkt an den sen und auch Parallelen aufweisen. Beides birgt Insgesamt scheint das Album verschiedene Hörer richtet – ich denke da vor allem an „Keiviel Energie in sich, schweißt zusammen und kann Stadien einer Beziehung aufzuzeigen. Bei ne einzige Träne“. Woher kommt der neue dir helfen, ein Ventil zu sein. Warum also nicht eine Synergie schaffen. Foto: midnightpix.de 15 VÖ „Wildes Herz“: 26.6.2009 Optimismus – denn bei „Sinfony 23“ war der positive Lebenswille noch nicht das große Thema. Da hast du Recht, doch auch da war das schon zu spüren in Songs wie „Heal“, „Sinfony23“ und „Private Soul Security“ beispielsweise. Uns begegnet noch immer das Vorurteil: „Oh das sind die Bösen von Down Below“, „ach die sind doch so düster“-Stempel auf die Stirn und fertig. Kleider machen Leute - du kannst ja sicher auch ein im wahrsten Sinne des Wortes „Liedchen“ davon singen. Wir verstehen uns aber nicht als lebensverneinend, sondern schlichtweg als eigen und lebendig, das heißt, wir entwickeln uns weiter. Schwarz heißt ja nun nicht nur Trauer und negativ eingestellt zu sein, sondern steht auch für Kraft, Konstanz und Dynamik. Wir jedenfalls leben gerne und zwar so, wie wir sind und sein wollen. Mit solchen Songs möchten wir einen Anstoß geben, dass andere den Mut finden, das auch zu tun und einfach ganz sie selbst zu sein. Während sich auf „Sinfony 23“ fast ausschließlich englischsprachige Texte befinden, sind die Songs auf „Wildes Herz“ ausnahmslos auf Deutsch. War dies eine bewusste Entscheidung oder hat es sich so ergeben? Nein, das nicht, wir überlegen bei Down Below gemeinsam jeden Schritt und wägen ab, was das Richtige wäre und was das Falsche. Wir hatten schon sechs deutschsprachige Songs und 16 fanden es falsch, sie zu verwerfen. Ein halb und halb (Englisch/Deutsch) Album zu schreiben, empfanden wir auch als inkonsequent, also falsch. Deswegen blieb uns als einzige Lösung, um uns treu zu bleiben, nur ein komplett deutschsprachiges Album. In der eigenen Sprache zu singen, birgt schon viele Vorteile. Man wird einfacher und schneller verstanden beispielsweise und kann sich gezielter und vielfältiger ausdrücken. Auch die Bilder sind wieder sehr stilvoll. Wer ist für die Fotografie verantwortlich? Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir immer dann erfolgreich waren mit etwas, wenn wir es gemeinsam mit Partnern gemacht haben, die wir kennen und denen wir vertrauen. Deswegen haben wir bei der Wahl der Fotografen für Micha Stein und Heiko Pohl entschieden. Ich kannte sie im Vorfeld und war auf Michas Vernissage, wo ich auch Heiko traf und von beiden die Arbeiten sehen konnte. Mir haben ihre Arbeiten gefallen, die Jungs mochten unseren Stil und so kam das eine zum Anderen. Könnt ihr mittlerweile vom Musikmachen leben? Oder wollt Ihr das überhaupt? Ist das Musikmachen Beruf oder Berufung? Wir haben das Glück, dass wir Beruf und Berufung koppeln können und das ist ein großer Luxus, für den wir jeden Tag dankbar sind und wir hoffen, dass es so bleibt. Welches Lied wir die erste Single sein? Wird es ein Video dazu geben? Es wird mit Sicherheit eine Single geben und auch ein Video. Welcher Song das sein wird, kann ich jetzt aber noch nicht beantworten, aber es wird mit Sicherheit etwas Besonderes sein. Diana Schlinke www.downbelow.de www.myspace.com/thatsdb Eigensinn Wahrheitsfindung Eigensinn rocken gewaltig, doch der ultimative visuelle und akustische Blickfang ist die Stimme, die es schafft, sich gegen turmhohe Gitarrenwände durchzusetzen. Bis zu ihrem Debütalbum „Die Wahrheit“ war es jedoch ein langer und teilweise schmerzlicher Weg. Die Wahrheitsfindung gestaltete sich entsprechend lang. Holly: Nur so konnte die CD genau so werden, wie wir sie haben wollten bzw. wie wir sie uns vorgestellt haben. Von Anfang an war es unser erklärtes Ziel, unsere eigene Klangästhetik herauszuarbeiten, das zu erreichen war ein sehr spannendes Abenteuer. Die erwähnten vier Jahre beinhalten nicht nur die Studiozeit, sondern auch einen allgemeinen Reifeprozess der Band und last but not least die Suche nach dem passenden Label. Unsere Songs sind konservierte Erlebnisse und Gefühle. Im Rückblick können wir sagen, dass sich unsere Sicht darauf kaum verändert hat. Wir sind wirklich zufrieden mit den Songs und ihrem Gewand. Eigensinn, der Name verrät ja eigentlich schon die Marschrichtung. Wie kam es zum Namen? Nemesis: Wir entschieden uns dafür, da der EigenSinn genau das ausdrückt, was wir sind, nicht stromlinienförmig dafür vielschichtig. Mit der Zeit stellten wir fest, wie gut Eigensinn zu uns passt. Waren deutsche Texte von Anfang an geplant? Macht das nicht besonders verletzlich? Nemesis: Ich habe mich mit Eigensinn bewusst dafür entschieden, um den Zuhörer zu erreichen. Ich scheue auch nicht die Interaktion mit dem Hörer. Jeder kann sich auf seine Weise damit auseinandersetzen. Unmittelbar fällt die unglaubliche Stimmgewalt eurer Sängerin Nemesis auf. Was hat Nemesis vor Eigensinn gemacht? Nemesis: Vor Eigensinn gab es Nemesis nicht. Ich habe als Sängerin natürlich eine Vorgeschichte. Nach einer klassischen dreijährigen Gesangsausbildung zog es mich weniger zu einem Studium an der Musikhochschule, sondern vielmehr zum freien Ausdruck in verschiedenen Bands und Projekten. Um die Jahrtausendwende bin ich dann auf Holly gestoßen. Wir haben schnell gemerkt, dass wir auf einer musikalischen Wellenlänge funken und auch im emotionalen Bereich ähnlich ticken. Holly: Du hast völlig recht, die Wahrheit, von der wir im Allgemeinen reden, ist relativ und vor allem subjektiv, denn sie ist von persönlichen Ansichten, Meinungen und Erlebnissen bestimmt. Absolute Wahrheit findest du nur in abstrakten Dingen wie der Mathematik, denn dort gibt es keinen Spielraum, 2+1 ist doch immer 4, oder? Der provokant anmutende Albumtitel „Die Wahrheit” stammt von unserem Song „Wahrheit”, dort geht es inhaltlich um (Medien-) Manipulation und Verleumdung. „Absolute Wahrheit findest du nur in abstrakten Dingen wie der Mathematik.“ Du hast eine Wahnsinnsröhre. Welche gesanglichen Vorbilder hast du? Nemesis: Vielen Dank für das Kompliment. Ich kann sagen, dass mich viele Künstler und Sängerinnen wie Sänger beeinflusst haben. Die großartige Janis Joplin, Lee Aaron, Nina Hagen, aber auch aus anderen Musikgenres Ella Fitzgerald, Aretha Franklin und Maria Callas, um nur einige zu nennen. Ich stehe auch auf U2 und war in den 80ern ein großer Billy Idol Fan. Alle diese großartigen Musiker haben meist eine Wirkung auf mich, sie sind absolut authentisch und fühlen, was sie vorbringen. Die Wahrheit ist das Motto des Albums. Ist Wahrheit relativ? Nemesis: Doch jeder von uns weiß, wann die Wahrheit gesprochen wird, nämlich dann, wenn sie einen trifft! Auf eurer Myspace Seite unterstützt ihr eine Kampagne von PETA. Seid ihr aktiv im Tierschutz unterwegs? Holly: Ja, auf jeden Fall, wir unterstützen gemeinsam die Ziele und die Aktionen von PETA! Einige Bandmitglieder sind aktive Mitglieder in Tierschutzorganisationen und haben auch schon privat misshandelte Tiere aufgenommen. Es wäre schon ein großer Erfolg für uns, wenn sich jeder Leser einmal bewusst mit seiner Umwelt und den Produkten, die er täglich konsumiert, auseinandersetzt. Siegmar Ost www.eigensinn.net 17 Italodarkwave Die erst im Mai 2008 gegründete Band aus dem beschaulichen Modena in Italien versucht, die Ideale der 80er Jahre mit modernen Stilen des neuen Jahrtausends zu kombinieren. Dass die musikalische Ausrichtung dann eher an minimalistischen Batcave erinnert, mag verwundern, doch das Spektrum der Bandausrichtung scheint noch stark in Bewegung zu sein. Der Name indes thematisiert die Nervenkrankheit des Sängers, der mittlerweile glücklicherweise vollständig genesen ist. Neben dem musikalischen, fast schon archaisch wirkenden Minimalismus sind es vor allem die italienisch vorgetragenen Texte, die dem Projekt Tiefe und klangliches Format bescheren. Dass Italien mehr als Cantate und Frohsinn a la Pavarotti und Konsorten zu bieten hat, dürfte einem aktiven Underground seit den frühen 80ern zu verdanken sein. zen Autumn, The Ashram, The Argine oder Albireon, die ihre Schwermut in Klänge formen. Gerade Angesichts der Missstände in der Welt haben vor allem junge Menschen das Bedürfnis, in Opposition der allseits bekannten italienischen Fröhlichkeit a la San Remo zu stehen. Zum Glück gibt es auch noch Myspace und Konsorten, die es einem dann Ermöglichen, mit der Welt in Austausch zu treten. Gerade das Internet hat uns ein unglaublich umfassendes Werkzeug zur Verbreitung des Undergrounds an die Hand gegeben. Und Underground ist ganz nach Dostojewski, der Ort, wo neue Ideen entstehen. Die italienische Darkwave-Szene scheint nach wie vor stark in Bewegung zu sein, wenn man die Flut der Veröffentlichungen betrachtet. Francesco: Italien hat seit den frühen 80ern viele Gruppen hervorgebracht. Gerade so berühmte Bands mit einem großen Hintergrund wie Neon, Bohemien und frühe Litfiba waren prägende Künstler Ihr singt in unterschiedlichen Sprachen. Wie jener frühen Zeit, in der Darkwave und New Wave wählt ihr diese jeweils aus? bei jungen Menschen sehr angesagt waren. Heute Wörter sind Klänge und Klänge lassen Songs entstehen. Insofern ist uns ist Italien eher von leichter nicht immer nur der Musik beseelt und der Un„Underground ist, ganz derground findet abseitig Ausdruck des jeweinach Dostojewski, der Ort, ligen Textes wichtig. statt. Und dort sind es dann eben Gruppen wie The Fro- wo neue Ideen entstehen.“ Wir möchten den Klang 18 VÖ „Enter“: 29.05.09 der jeweiligen Sprache in die Musik einfließen lassen. Italienisch ist eine sehr musische Kultursprache mit großer Tradition. Verschiedene Instrumentierungen erfordern verschiedene Sprachen. Leider ist euer erstes Werk nur eine EP. Warum gibt es noch nicht mehr? Richtig, „Enter“ ist eher unser erstes Lebenszeichen, ein Dokument unserer Entstehungsgeschichte. Natürlich arbeiten wir bereits an der nächsten vollwertigen Veröffentlichung und hoffen, bis zum Winter einiges neues Material im Kasten zu haben. Welche Einflüsse macht ihr für euch geltend? Mein erster Vergleich, der mir einfiel, war die frühe Kultband Madre del Vizio. Die gemeinsamen Einflüsse sind klar immer in den 80er zu finden: Joy Division, The Cure, Depeche Mode, Bauhaus, Siouxie and the Banshees. Trotzdem versuchen wir gerade auch moderne Einflüsse wie Elektrowave, Neoklassik und Futurepop zuzulassen. Aber in der Tat, Madre del Vizio haben uns auch ermuntert, italienisch zu singen. Siegmar Ost www.myspace.com/bandmav www.mavmusik.com Lebenszyklen Die aus dem unterfränkischen Taubertal stammenden Legio Mortis bespielten als Vorband bereits die größten Szenenamen, wie Sisters of Mercy, In Extremo, Amon Amarth, Six Feet Under und Paradise Lost. Die Todesmetaller überzeugen mit einem atmosphärisch dichten Sound, der jetzt unter der Ägide von Alexander Krull voll zur Geltung kommt. Das zweite Album könnte somit den Durchbruch bedeuten. Gerade in den dunklen Wäldern Frankens scheint es eine Menge tiefschwärzesten Metalls zu geben. Wie erklärt ihr euch diese Affinität? Im fränkischen Raum ist die Metalszene im Allgemeinen ziemlich groß und da es seit Jahren auch mehrere Schwarzmetalbands gibt, hat sich natürlich auch die Anhängerschaft vergrößert. Das Aufkommen des Pagan Metals hat das Ganze noch verstärkt. Gerade im romantischen Franken gibt es ja zig Mythen, Sagen usw., was für ausreichend Liederstoff sorgt. Euer Album wirkt wie eine theatralische Inszenierung in einem alten Kabaretttheater. Was ist der Hintergrund? Wir haben das Thema Theater aufgegriffen, um Lebensabschnitte in drei Akten aufzuteilen. Der erste Akt steht für die Geburt und die Kindheit, als zweiten Akt sehen wir das Leben als Erwachsener, in dem man mit Erfahrungen seine Meinungen bildet. Der abschließende dritte Akt stellt den Tod beziehungsweise das Ende dar. Wir wollten das alles in einem Theater aufführen und dem Zuhörer in einer überspitzen Weise zeigen, was nicht richtig läuft. Dunkle und bösartige Bedürfnisse, die in jedem von uns stecken, aber in den meisten Fällen immer unterdrückt bleiben. Natürlich soll man auf “Theatre of morbid visions” nicht alles wörtlich nehmen, man soll selbst darüber nachdenken und sei„Dass uns der ne eigenen Schlüsse daraus ziehen. Spaß wichtig ist, Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern eures Genres, die nur das Böse zum Selbstzweck thematisieren, gibt es bei euch auch wirkliche Aussagen, wie bei „Virus Called A Human Race“. Sind euch diese Themen sehr wichtig oder steht der Spaß auf der Bühne im Vordergrund? sieht man auch Das Album wurde von keinem Geringeren als Alex an unserem ATC Krull gemixt und gemastert. Konnte er euch wert- Cover von ‚Around volle Tipps geben? Wie war the World’“ die Zusammenarbeit? Ja. Alex Krull war unsere erste Wahl für den Mix der Wir setzen uns auf der Bühne schon etwas von CD. Wir haben ihm beim Mix komplett freie Hand ge- den „sehr bösen” beziehungsweise „truen” Bands lassen, er hat eine riesige Erfahrung und weiß, wie ab. Wir wollen – und das Publikum soll – Spaß haetwas klingen muss und soll. Als wir das Ergebnis ben, wenn wir auf der Bühne stehen. Wir machen zum ersten Mal hörten, waren wir sofort begeistert. auch mal gerne kleine Späße mit den Besuchern, Es klang besser als wir es uns vorgestellt hatten, er man kann nicht immer nur Ernst sein. Dass uns der hat einen großartigen Job gemacht. Spaß wichtig ist, sieht man auch an unserem ATC Cover von „Around the World”, der sich als Hidden Track auf „Theatre of morbid visions” befindet. Dieser Song hat es sogar fest in unser Live Programm geschafft und selbst die bösesten Black Metaller schwingen dann schon mal das Tanzbein. Natürlich lesen sich einige unserer Texte beim ersten Mal etwas extrem oder düster, aber man merkt dann auch schnell die Ironie, die dahinter steht. Natürlich geht es in einigen Texten wie z. B. „Trough the Eyes of death” oder „Time to Suffer” um dunkle Seiten im Menschen, über die jeder schon einmal nachgedacht hat, ohne es wirklich tun zu wollen. Die Thematik von „Virus called human race” soll natürlich aufrütteln, wir können nicht mehr so weitermachen, es muss sich etwas ändern, sonst gehen wir zugrunde und alles ist zu Ende. Peter Istuk www.legiomortis.com 19 notes f r o m u n d e r g r o u n d Induspagnol Kerniger Industrialrock a la Nine Inch Nails oder Marilyn Manson war bisher vorwiegend in US-amerikanischen Territorien zu Hause. Die spanischsprachigen Elektroniker frönten allenfalls dem mexikanischen Vorbildern Hocico und Spanien selbst ist natürlich eher für Bolero, Tango und Flamenco berühmt berüchtigt. Umso exotischer wirkt das nach dem literarischen Vorbild benannte und von Dostojewski inspirierte Projekt des Workaholics, Musikers, Produzenten, Songschreiber und Sänger in Personalunion, Paolo Greco. Bereits das Demo fand schnell eine Adelung durch den berühmten englischen Szeneguru Mich Mercer. Der Plattendeal mit dem innovativen Webund jetzt auch physikalischen Label AF Musik ließ dank der regen Internetpräsenz der Band nicht lange auf sich warten und die CD wurde, um die Interpretationen vieler illustrer Remixer ergänzt, in Windes„Mit der spanischen eile fertig produziert. Ohne Kultur verbinden die ein starkes Team im Hintergrund wäre es aber auch Pameisten Siesta und olo nicht möglich gewesen, Fiesta, Infrastruktur und dieses druckvolle und vielschichtige Industrialrock Al- Unterstützung für unsere bum abzuliefern. So runden Art der Musik ist kaum das Quartett auf der Bühne die Musiker Guigher an den zu finden.” Tasten und am Bass, MdA an der Gitarre und Pumucki am Schlagzeug ab. Schwer genug, diese Musiker in einer so gänzlich anderen Musiktradition Madrids zu finden, haben die Vier trotzig ihren Weg aus der musikalischen Provinz Europas geschafft. Paolo indes fühlt sich kaum der spanischen Heimat verpflichtet, denn sein künstlerisches Elternhaus führte ihn schon früh um die Welt und ließ ihn die Kindheit in Irland, USA und England verbringen, während die anderen Mitglieder auch größtenteils aus Italien und Argentinien stammen. „Mit der spanischen Kultur verbinden die meisten Siesta und Fiesta, Infrastruktur und Unterstützung für unsere Art der Musik ist kaum zu finden.” Umso stärker fühlt man sich der internationalen Szene verbunden. Ob En Esch, Jürgen Engler, Seb Komor, Patrick Codeny oder William Faith – aus den Bekanntschaften wurden schnell musikalische Zusammenarbeiten und so liest sich die Remixer Liste auf dem Debütalbum entsprechend international. Doch auch die Originalversionen können sich hören lassen und zeichnen eine deutliche Handschrift. Religiöse, gesellschaftlich soziale Probleme und sexuelle Andeutungen zu 20 eigenen Konflikten würzen das Album mit allerlei Themen. So ist „Crossing the rubicon” der Schritt in eine neue Welt und ins Rampenlicht der weltweiten Industrialrockszene, das jedoch einen sehr langen Entstehungsprozess hinter sich hat. Einige frühe Demos entstanden bereits letztes Jahrhundert vor der Gründung der Band. Paolo entwickelte die Ideen immer weiter und fand gerade durch sein Studium als Studiotechniker neue technische Wege, den Songs zusätzliche Facetten zu verleihen. „Wir sind definitiv keine Sessionband. Noch nie ist ein Song beim Jammen im Proberaum entstanden.“ Durch die anderen Bandmitglieder, die auch allesamt technischen Berufen entstammen, wurden so den Songs viele neue musikalische Lackierungen verpasst. Dass die meisten Songs mit einem simplen Gitarrenriff ihren Anfang nahmen, kann man sich angesichts der so dichten Produktion kaum vorstellen. Aber auch Paolos Gesangslinien zeichnen sich durch verschiedenste emotionale Ebenen aus. „Gerade das positive Feedback von Künstlern wie William Faith haben mir stark geholfen, mich hier auch weiterzuentwickeln. Besonders wichtig ist mir, dass man meinen Gesangsstil keinem anderen Sänger zuordnen kann. Ich möchte meine eigene Sprache finden.“ Peter Istuk www.myspace.com/enefeu The Eternal Afflict Altersweisheit und Kernschmelze Man glaubt es kaum. Nach unzähligen Splits und Reunions haben die zwei Hauptprotagonisten Cyan und Winus wieder zusammengefunden und diesmal sogar gleich ein eigenes Label begründet. Was dabei herauskam, konnten wir ja bereits im letzten NEGAtief berichten. Die Neuaufnahme des Klassikers „San Diego“ mit der Ausnahmestimme Syrahs von Qntal konnte sich innerhalb weniger Wochen in den Clubs festsetzen. Doch auch das neue Album – ganz im Zeichen der Kernphysik – hat in der Kernschmelze der beiden sendungsbewussten Zeitgenossen ein neues Kapitel der ewigen Affliction eröffnet. zeitlichen Gründen nicht mehr in den kreativen Prozess integriert, jedoch ambitionierter Partner unseres eigenen Labels. Das ganze Album klingt sowohl musikalisch als auch gesanglich sehr breit gefächert und experimentell. Wie seid ihr an die Songs rangegangen? Cyan: Anders als noch zu Zeiten der „Euphoric and Demonic“. Wir wollten diesmal den Songs Luft zum Atmen geben, nicht mehr jeden Beat mit Gesang ersticken. Die Zeiten der Lyrics über 24 DIN A4 Seiten sind einfach vorbei. Ich habe einen Fundus von etwa 50 Songtexten mit ins Studio gebracht und vor den Gesangsaufnahmen haben wir angefangen, einzelne Zeilen wie „Durch Entzug bei einem Memory-Spiel zusammenzusetzen. Die endgültigen Fällt es leichter, nach dem Erstellt man halt Lyrics ergaben dann streckenweifolg von „San Diego 2k9“ in die nahe Zukunft zu blicken? fest, was einem am se einen sehr unterschiedlichen Hat euch der Erfolg der Single Sinn zu dem, was ich vorher bewichtigsten ist.“ absichtigt hatte. Aber genau das überrascht? Cyan: Wir sind glücklich, das uns der erste Coup mit war sehr konstruktiv und macht „ION“ aus. Afflict:Me Records gelungen ist. Erfolg überrascht Winus: Wir haben diesmal enger zusammengearmich nicht, weil ich diese 15 Sekunden nur noch mit beitet, haben die Songs gemeinsam entwickelt und einem zufriedenen Lächeln quittiere, jeder Erfolg haben uns deutlich mehr Zeit gelassen, dieses Album ist schön, nur leider folgen danach meistens viele zu produzieren. schmerzhafte “Magenschwinger”. Winus: Wir freuen uns, dass dieser Song immer noch Ist die Verschmelzung von T.E.A. und Sara Noxx auf „What we (?ll) be tomorrow“ Zufall Freunde findet. gewesen? Winus, hast du die Produktion von „Ion“ allei- Winus: Ich verrate sicherlich nichts Neues, wenn ich ne durchgezogen? Wer war am Songwriting sage, dass es zwischen T.E.A. und Sara Noxx schon beteiligt? Hattet ihr mit Markus Kontakt? seit Jahren einige Berührungspunkte gibt und daWinus: Nein. Per-Anders Kurenbach, der uns auch als rüber hinaus produziere ich ja die Sara Noxx Alben Live-Keyboarder begleitet, hat mich bei der Produkti- und freue mich sehr, über die stetige, extrem positive on tatkräftig unterstützt. Das Songwriting läuft mei- Entwicklung. stens so, dass ich Ideen vorgebe, die wir gemeinsam Was ist eigentlich auf dem Albumcover zu seausarbeiten. Markus ist aus hen? Wer ist dafür verantwortlich? Cyan: Der Lichteffekt einer Kernspaltung. Winus: Und es kommt zu explosionsartigen Entladungen, ein T.E.A.-typisches Phänomen. Cyan: Verantwortlich für das Cover sind wieder BLEZE/Marko Jakobi (www.terrasight.net), wie schon bei der „Euphoric and Demonic“ und auch bei der CYAN INC., und meine Wenigkeit. Marko ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil unserer künstlerischen Darstellung geworden. Werdet ihr zusätzlich zum WGT noch Auftritte in diesem Jahr haben? Wie lange werdet ihr es diesmal miteinander aushalten? Cyan: Das mit dem miteinander Aushalten hat ja jetzt eine andere Qualität bekommen, durch unser eigenes Label haben wir eine ganz andere Verantwortung der ganzen „Sache“ gegenüber. Außerdem war der private Zusammenhalt immer da, nur musikalisch konnten wir uns phasenweise nicht ausstehen oder wollten keine Zeit füreinander haben. Durch Entzug stellt man halt fest, was einem am wichtigsten ist. Winus: Weitere Konzerte sind 2009 bisher in Zürich, Dessau und Augsburg konkret. Was das Aushalten angeht: Wir werden uns diesmal mehr Auszeiten gönnen und die Altersweisheit kann ja auch durchaus hilfreich sein (lacht). Jalal Mognir www.myspace.com/theeternalafflict VÖ „Ion“: 29.05.09 21 Anonym ins 20. Schaffensjahr Tyske Ludder ist vielen Hörern aus der EBM- und Electro-Szene ein Begriff. Dass die Band um die Mannen Albert X und Olaf A.R., die jetzt das fünfte Studioalbum mit dem Namen „Anonymous“ herausbringt, bereits auf das zwanzigste Jahr ihrer Schaffensphase hinläuft, wissen die Wenigsten. Das Urgestein bringt jetzt beim Chemnitzer Label Black Rain sein zweites Album heraus. Die Texte eures neuen Albums sind wie schon bei den Vorgängeralben sozialkritisch – wie kommt ihr auf die Ideen dazu? Albert: Unsere Texte sind eigentlich nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Unsere Themen entdecken wir sozusagen im täglichen Studium menschlichen Versagens, egal wie und wo es sich präsentiert. Ob nun über die Medien oder als Liveperformance im Alltag, der Mensch ist schon ein verdammt interessantes, einfallsreiches und unberechenbares Tier. Der Song „Bastard“ ist sehr direkt und heftig. Sätze wie „Die Dekadenz ist der Anmut so nah“ beißen sich fest. Um was geht es allerdings genau? Ralf: Bastard spielt mit der Fantasiewelt und der Selbstgefälligkeit eines heranwachsenden Sexualtäters, der sich in der Prägungsphase befindet, praktisch vor dem Ausbruch. Beeinflusst durch die vielfältigen Reize, die auf ihn einwirken und die zunehmende Ausprägung der gewalttätigen Fantasien wird es irgendwann nicht mehr ausreichen, diese nur in der Fantasiewelt auszuleben. Der Ausbruch ist vorprogrammiert, wenn das keiner erkennt oder helfen kann. Die Songs haben eine härtere Gangart gefunden, zum Teil auch mit Gitarren. Wie kommt das? Olaf: Also tatsächlich haben wir auch schon früher immer mal wieder gesampelte Gitarren eingesetzt. Diese verwenden wir aber nie so, dass sie in den 22 Vordergrund rücken, sondern eher subtil. Du kannst damit manchmal einem Song noch das „treibende“ Etwas geben. Der größte Unterschied zu den Vorgänger-Alben ist der, dass wir nach fast 20 Jahren einfach mal auch fremde Ideen auf unsere Produktion wirken lassen wollten. Da lag es natürlich nahe, Sebastian von Wertstahl zu fragen, ob er das Album „Unsere Themen produzieren würde. Wir haben seit „Sojus“ immer mal wieder seine entdecken wir Künste als Remixer in Anspruch gesozusagen im nommen und waren schon immer ziemlich beeindruckt von dem, was täglichen Studium er da so abliefert. Dieser Umstand menschlichen und das Endmastering von Jan von Noisuf-X haben letztendlich zu dem Versagens, egal geführt, was du eine „härtere“ wie und wo es Gangart nennst. eine mehrjährige Zusammenarbeit, die sich aber im Endeffekt auf Gedankenaustausch und Remixe beschränkte. Als wir uns entschlossen haben, für die neue CD mit einem Produzenten zusammenzuarbeiten, fiel die Entscheidung nicht schwer, Sebastian zu fragen. Für das Endmastering konnten wir dann auch noch Jan von Noisuf X, den wir im sich präsentiert.“ letzten Jahr beim Infest in Bradford „March“ ist ja ein Remake eines kennengelernt haben, gewinnen. Songs aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Ich denke schon, dass wir auch in Zukunft die ZuWas hat euch dazu bewogen? sammenarbeit mit anderen Musikern suchen werden, Albert: „March“ ist ein weiterer Seitenhieb auf den man kommt halt aus seiner eigenen Schiene heraus zunehmenden schärfer werdenden Militarismus welt- und lässt sich für neue Dinge inspirieren. Wer das sein weit. Besonders den neuen Wettlauf um atomare könnte, keine Ahnung, das wird sich ergeben. Waffen und das Spiel mit den Bedrohungsszenarien Daniel Friedrich finden wir reichlich sonderbar und es wirft diverse Fra- www.tyske-ludder.de gen über die Zurechnungsfähigkeit einiger Menschen auf. Zum Thema Irak kann man glaub ich nur noch den Kopf schütteln und sich wundern, verstehen war gestern. Letztens habe ich gelesen, dass ihr mit der Band Wertstahl zusammengearbeitet habt. Sind denn in Zukunft weitere Zusammenarbeiten mit anderen Bands geplant? Olaf: Mit Sebastian von Wertstahl verbindet uns, wie schon erwähnt, Kontrollverlust Ihr kombiniert eure Veröffentlichung mit einer gemeinsamen Kampagne mit Greenpeace. Seid ihr schon lange im Umweltschutz aktiv? Wie kam es zu dieser Idee? Als Druide ist es Teil meiner Aufgabe mit der Natur zu kommunizieren, und der Kreation von Mutter Natur zu dienen und sich einzusetzen. Auch bei Greifenkeil ging es schon um diese Thematik, siehe „Her Name”, jedoch war die Präsentation etwas subtiler. Heute ist es unabdingbar geworden, in Bezug zur Umweltzerstörung explizit zu sein, und kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen. Sonst hört niemand mehr zu. Man muss irgendwie extrem oder schrill sein, um noch zur Kenntnis genommen zu werden; das ist mit GriffonVox wohl geglückt. Im letzten NEGAtief gingen wir schon ausführlich auf das Video und den Release „She Lost Control” ein, doch damit ist diesem Release noch nicht Genüge getan. Denn Lord Athanor und seine Sirenen alias GriffonVox vormals Greifenkeil haben gerade mit dieser Veröffentlichung noch mehr im Sinn. Die gemeinsame Kampagne mit Greenpeace unterstreicht die Relevanz und das Engagement für den Umweltschutz. Bereits das letzte Mal gingen wir auf eure Coverversion des Joy Division Klassikers „She’s lost control“ ein. Nun unterscheidet sich das Subjekt eures Songs gewaltig vom Original. Lord Athanor: Das Subjekt(!) mag anders sein, der Song nicht, es ist ein echtes Cover von Joy Division „She’s lost control”. Schwer zu sagen; sehe die ganze Sache jedoch nicht nihilistisch, denn ein Kreis hat ohnehin nie ein Ende. Optionen gibt es immer, auch wenn häufig nicht klar sein mag, welche. Ist dieses Zerstörerische nicht schon in den frühen Sichtweisen der Religionen vorprogrammiert? Euch geht es um die Erde, die Schöpfung, die Durchaus, diese Zerstörung ist insbesondere in sich ihres Virus Mensch nicht mehr erwehren allen patriarchalischen Religionen (also MachoReligionen) festgelegt worden. In ähnlicher Weise, kann. Was prägt besonders eure Sichtweise? In der Tat geht es darum, dass der Mensch zu weit wie es in der christlichen Religion heißt „Mach gegangen ist. Dazu muss man sich nur ein wenig im dir die Erde Untertan”, wird diese Sicht ebenso im Alltag umschauen. Ohne Gefühl mit der Natur so zu Judentum und Islam, etc. kundgetan. Halt in allen patriarchalischen Religionen. verfahren, wie wir es tagtägDamit einher geht immer ein lich erleben müssen, ist schon „Jemanden den extrem brutal und rücksichtsnegatives Bild gegenüber man liebt, den man dem Weiblichen, schlechte los. Jemanden den man liebt, den man braucht, von dem braucht, von dem man Behandlung von Frauen, was bei diesen Religionen unüberman Teil ist, quält man oder Teil ist, quält man tötet man nicht. sehbar ist. Durch diese Sicht oder tötet man nicht.” sieht und erfährt der Mensch sich nicht mehr als Teil des Ist es nicht eigentlich schon zu spät für eine Umkehr? Die Selbstzerstörung Ganzen, sondern stellt sich darüber. Diese Sichtdes Menschen birgt doch auch eine Chance für weise stellt das Problem dar, denn diese Sichtweise rechtfertigt Ausbeutung und Rücksichtslosigkeit. eine Natur ganz ohne Menschen? Wie werdet ihr diese Kampagne unter das schwarze Volk bringen? Auf dem Release wird es ein Video geben zu „She’s lost control”, was das Thema UmweltGlobal Warming auf den Punkt bringt. Na und dann gibt es noch die neuen Tracks auf dem Release „Control Lost”. Wer die Texte hört, wird das Thema kaum überhören können. Wenn die DJs dann noch mitspielen, dann kann was Gutes daraus werden. Geplant ist auch eine Aktion zusammen mit Greenpeace am WGT Freitag. Wer sich wirklich informieren will, kann das in der Agra Messehalle am GrenTzwert Stand tun. Glaubt ihr, dass in der Szene eine größere Bereitschaft für ökologische Themen existiert? Man kann auch grün denken und schwarz tragen. Gert Drexl www.GriffonVox.com www.MySpace.com/GriffonVox 23 Oberer Totpunkt „Erde ruft“ Das zweite Album „Erde ruft“ des Hamburger Albtraumduos Oberer Totpunkt ist genau so wahnsinnig wie ihr Erstling „10 Grad vor OT“. Die Frontfrau Bettina schafft es wieder eindrucksvoll, den Zuhörer mit scheinbarer Normalität einzulullen, um dann in gezielten Momenten, mit nur einem Wort einen Abgrund zu öffnen, der einem die kalten Schauer über den Rücken laufen und den Hörer vor der eigenen Realität erschaudern lässt. Das Ganze wird getragen von einer Mischung aus Minimalelectro, Hip-Hop, infernalischer Filmmusik und Gänsehautchören und erinnert stark an die Anfang der Neunziger aufgekommene Strömung der Neuen Deutschen Todeskunst, modern und noch tiefschürfender in die Neuzeit transportiert. Euer neues Album „Erde ruft“ beschreibt im Allgemeinen die Vergänglichkeit? Der Abriss eines Lebens? Bettina: Tatsächlich lassen wir uns thematisch leiten vom Beginn des Lebens bis zu seinem Ende – von der Geburt bei „Blutmond“ bis zum Sterbeerlebnis bei „Erde ruft“. Dabei steht für mich die Aufforderung im Vordergrund, die eigene Lebenszeit zu nutzen – denn unsere Lebensträume sollen doch nicht ungelebt bleiben und zur Farce verkommen. Dies verbindet zugleich das zweite mit unserem ersten Album: Lebst du deinen Traum oder träumst du dein Leben? Musikalisch sind, wie ich finde, einige gut tanzbare Stücke dabei, das Ganze ist also nicht gerade eine trübsinnige Angelegenheit. Im ersten Song „Blutmond“ heißt es: „Wirklich glücklich sind wir nur, wenn wir uns unserer selbst nicht bewusst sind“ und „Der Tod findet zu Lebzeiten statt.“ Beginnt nach der Geburt die Gratwanderung Leben? Das Jagen nach dem Glück? Bettina: Es klingt zwar ziemlich fies, aber genau genommen beginnt das Sterben ja mit der Geburt. Und mit dem Glück ist das immer so eine Sache - wer sich schon einmal als wirklich glücklich erlebt hat, der weiß, dass dies Momente intensiver Selbstvergessenheit sind, Augenblicke, in denen man vollkommen in etwas aufgeht. Wenn der Mensch hingegen „sich seiner selbst bewusst ist“, das heißt, wenn er seine Situation reflektiert, dann bemerkt er auch 24 meist seine Mängel. Vielleicht ist der Mensch auch gar nicht fürs Glück begabt. Auf dem neuen Album thematisiert ihr verstärkt die biblische Geschichte, Gott und die Kirche. Ist es nicht ein Segen, mit dem Glauben an Gott zu leben und zu sterben? Micha: Tja, wenn man sich mit dem Thema Tod beschäftigt, gelangt man unweigerlich zum berühmtesten Toten der Welt… Bettina: ...den wir bei „Schlacht“ als übellaunigen Choleriker präsentieren. Das Stück spielt damit, dass seit 2000 Jahren idealisierende Fantasien über die Person Jesus kultiviert werden. Wer kann schon wissen, wie er wirklich war. Obwohl ich sagen muss, dass die Auseinandersetzung mit Religion gar nicht der Leitgedanke war. Bei „Sie sind da“ geht es beispielsweise eher um die Selbstüberschätzung einer psychotischen Persönlichkeit. „Gaia“ ist die Geschichte einer Transformation, einer Wiederauferstehung, wenn man so will. Bei „Hexenjagd“ ging es um das Thema Frauenhass. Insofern ist die Frage, ob es ein Segen ist, mit dem Glauben an Gott zu leben und zu sterben, nicht ganz einfach zu beantworten: scher Sprache erzählt. Deutsch ist auch eine unge- Ist „Hamburg“ eine Liebeserklärung an eure heuer reiche Sprache, außerdem ist es die Sprache, Heimatstadt? die ich am sichersten beherrsche – die Lateintexte Michael: Eher eine Hinrichtung. Hier leben zwei Milkommen von Micha. lionen Menschen, und nicht alle von ihnen auf der Michael: Wenn das meine alten Lehrer wüssten, in Sonnenseite. Seitdem ich hier lebe, nerven mich viele der Schule habe ich Latein gehasst! Ich mag die mit „Oh, du wohnst in Hamburg, meine Traumstadt, gregorianischen Choräle: Latein klingt mystisch bla bla” – natürlich ist es eine schöne Stadt, Hafen – gleichzeitig hart und etc. Deshalb ist Hamburg die martialisch. Der Chor Can„Wenn man sich mit dem ideale Stadt für so einen Text. ticum Potentem bringt Bettina: Was auf den ersten Thema Tod beschäftigt, auch Gänsehautmomente Blick attraktiv erscheint, bewie „Imperator“, „Sepul- gelangt man unweigerlich kommt bei näherem Hinsehen tura Asini“. manchmal seltsame Stellen. zum berühmtesten Toten Und wenn man dann eine „Sepultura Asini“ beLupe zur Hand nimmt, erkennt der Welt.“ handelt das Thema man, dass diese Stellen eine Selbstmord. „Kann denn Sterben Sünde sein?“ tiefere Struktur haben. Und wenn man dann das Bettina: Für die christliche Kirche war (und ist?) Ganze unter dem Mikroskop betrachtet, merkt man Selbstmord die schlimmste Sünde überhaupt, weil plötzlich, dass man eine Krebszelle vor sich sieht. die Tat die Möglichkeit der Reue logisch ausschließt. Die altertümliche Reaktion darauf war reichlich hy- Wie werdet ihr den Chor in eure Liveperforsterisch und stellt offenbar die Quelle für die spä- mance einbauen? Wann kann man euch live teren Zombie-Geschichten dar. sehen? Bettina: Es ist immer schwer, professionelle StudiWer ist für euer Coverartwork verantwortlich? omusiker live zusammenzubekommen. Wir werden Wie seid ihr auf diese Idee gekommen? daher in verschiedenen Konstellationen spielen. Michael: Bei OT kümmert sich Bettina um die Texte Meist treten wir zu dritt auf. Ich hoffe, wir bekom(Der Bandname stammt auch von ihr), ich um die Op- men dieses Jahr ein paar Mal die große Besetzung tik. Ich finde Coverdesign und überhaupt Corporate auf die Bühne. Die nächsten Auftritte stehen im Juli Design extrem wichtig, um unsere künstlerischen und August bevor, daneben arbeiten wir gerade an Vorstellungen zu visualisieren. Wenn der erste Song einer kleinen Tour. Die konkreten Termine am besten im Kasten ist, mache ich mir bereits Gedanken über kurzfristig auf Myspace abfragen. Typografie, Bilder und Farbwelten. Als wir die „10° Poloni Melnikov vor OT“ eingespielt haben, wussten wir schon, dass www.totpunkt.com das Folgealbum „Erde ruft“ heißen würde. Ich hatte bereits ein grobes Konzept im Kopf. Als ich in einem Blumengeschäft in Hamburg im Hinterraum zufällig das Moossofa entdeckte, wusste ich sofort: Das ist das Titelmotiv! der Glaube, verstanden als Werteorientierung und Selbstreflexion, ist vielleicht ein Segen für den, der glauben kann und schadet ja zumindest auch nicht. Aber Religion ist auch ein Herrschaftsmittel und zugleich einer der Hauptgründe für Kriege in der Weltgeschichte. Ihr habt bis jetzt ausschließlich deutsche Texte verwendet. Diesmal sind aber einige Titel und Headlines auf dem Album in Latein. Bettina: Das Sakrale passte einfach gut ins Konzept, die Geschichten selbst werden nach wie vor in deut- Der Tod ist ein zentrales Thema in eurem Konzept. Wie gefällt euch der Terminus „Neue Deutsche Todeskunst“, mit dem ihr in Verbindung gebracht werdet? Die Parallelen zu Bands wie Goethes Erben sind ja nicht von der Hand zu weisen. Bettina: Der Terminus „Neue Deutsche Todeskunst“ war, glaube ich, ursprünglich ironisch gemeint. Mir gefällt „Schwarze Romantik“ besser. Michael: Ich finde, das passt perfekt zu OT. Es ist natürlich schmeichelhaft, dass wir in einem Atemzug mit wichtigen Bands des schwarzen Genres genannt werden. VÖ „Erde ruft“: 19.06.09 25 Second Disease Aufgewacht Was passiert nicht alles, wenn die Elektroszene schläft. Nicht viel. Umso besser, dass ab und an ein paar alte Electrorecken wiedererwachen. So auch Second Disease, die der weitgehend eingeschlafenen Electrogemeinde nach acht Jahren Pause mit „While the masses sleep” wieder Mal einen Impuls geben können. Das ehemalige Zoth Ommog Duo knüpft genau da an, wo es 2001 aufgehört hat: Harte Beats gepaart mit genial verschachtelter Elektronikfrickelei und dem oft vermissten Mut zu Lücke und Ruhe, sollten die Herzen der traditionellen EBM-Gemeinde höher schlagen lassen. Eure letzte Veröffentlichung war „Am I God?“ aus dem Jahr 2001. Kann man „While the masses sleep“ als euer Comeback bezeichnen oder habt ihr nie aufgehört? wusst mehrdeutig lassen. Genauso gibt es kein Ganz aufgehört haben wir eigentlich nie, wir haben wirkliches Gesamtkonzept außer, dass die Stücke aber durch unsere Jobs ein wenig den Faden locker musikalisch ein Ganzes bilden sollten. Inhaltlich gibt gelassen und nicht so richtig den Dreh gefunden, es kein einheitliches Storyboard, sondern die Stücke „Second Disease“ wieder zu intensivieren. Letztes behandeln ganz unterschiedliche Themen, die auch Jahr haben wir uns dann allerdings einen Ruck ge- eine breite Fläche für Interpretationen bilden. geben, auch nachdem wir unse„Vieles ist halt auf Was steht hinter dem Friedre alten Stücke mal wieder nach langer Zeit gehört haben, besonhof, der euer Cover ziert? pure Tanzbarkeit Der Friedhof war die Interpretaders die „Flame the dark true“. ausgelegt. Man tion unseres Grafikers zum Titel Die Komplexität des Albums ist auch nach Jahren für uns noch erkennt sofort die „While the masses sleep“, der im Übrigen exzellente Arbeit geleiaußergewöhnlich. Das musste Struktur, und auf fortgesetzt werden. stet hat. Das Cover sollte auffallen und zum Philosophieren über Dauer ist nichts den Albumtitel gedacht sein. In welchem Zeitraum und mit wem ist das neue Album ent- Außergewöhnliches Nach den ersten Reaktionen, die wir jetzt erhalten, scheint das standen? mehr dabei.“ auch gut gelungen zu sein. Die ersten Ideen entstanden schon recht früh, daher knüpfen die Songs auch sehr gut an die alten CDs an. Die „While the masses Wie hat sich eure Arbeitsweise beim Songwrisleep“ war dann bereits fertig, als wir Ende 2008 mit ting und Produzieren im Laufe der Jahre verändert? Wie seht ihr die Entwicklung der EBM/ Infacted Recordings den Deal gemacht haben. Elektroszene in den letzten 10-15 Jahren? Ist der Albumtitel „While the masses sleep“ Die Arbeitsweise hat sich eigentlich kaum geändert. auch eine Ansage an die stagnierende und sich Wir ergänzen uns da nach wie vor prima. Generell ist ständig selbst kopierende heutige Elektrosze- es sehr schade, dass etwas außergewöhnlichere Nine? Welches Konzept stand am Anfang des schenmusik, wie wir sie sicherlich auch machen, sehr vorliegenden Albums? selten geworden ist. Vieles ist halt auf pure TanzbarIst immer nett, neue Interpretationen zum Titel zu keit ausgelegt. Man erkennt sofort die Struktur, und hören. Passt auch sehr gut, ja. Wir wollten ihn be- auf Dauer ist nichts Außergewöhnliches mehr dabei. 26 Bleibende „Aha-Effekte“ sind da wirklich selten. Hier und da gibt es aber glücklicherweise immer wieder Lichtblicke. Werdet ihr in naher Zukunft die Bühne entern? Konkrete Pläne gibt es nicht, da wir beruflich auch stark eingebunden sind. Wir werden aber sehen, wie sich das Projekt „Second Disease“ mit der „While the masses sleep“ entwickelt. Poloni Melnikov www.myspace.com/seconddisease VÖ „While the masses sleep“: 08.05.09 27 28 29 30 31 32 Orange Sector Oldschool EBM „Mindfuck“, das neueste Werk der wiedergeborene EBM-Instanz Orange Sector macht vergessen, das zwischen dem ersten Album „Faith“ und heute fast schon zwei Dekaden liegen. Der damals in der Tradition der frühen Nitzer Ebb und DAF stehende EBM wirkt heute ausgesprochen frisch und hat im Vergleich zu den heutzutage oft weichgespülten Futurepopbands genügend Kanten und Ecken, um sich aus der Masse der Veröffentlichungen zu erheben. 15 Jahre Orange Sector: Der Laden, in dem alles angefangen hatte, ist längst Geschichte (Index). Fühlt Ihr Euch heute noch zu Hause in der größtenteils modernen Hellectro Szene? Lars: Was heißt Zuhause? Wir halten uns in der Szene eigentlich nur noch auf, wenn wir eine Show spielen. Wir haben Familien und sind so langsam im gesetzteren Alter, da wird es am Wochenende meisten ruhiger. Wenn wir eine Show spielen, fühlen wir uns in den Clubs pudelwohl, gerade dann, wenn wir viele alte Bekannte treffen. So wie neulich, als wir nach 15 Jahren wieder mir den Armageddon Dildos zusammen gespielt haben, das hat richtig gerockt. Thematisch geht es oft um den Menschen „gefangen im System“. Sind das auch die Thematiken, die euch im Alltag beschäftigen oder handelt es sich eher um eine genretypische Stilisierung? ten. Was ist der Auslöser für die „Es gibt einfach Lars: „Sturmgeist“ und „Legend“ jeweilige Sprache? sind leider wieder sehr aktuell und Ausdrücke, Lars: Das kommt auf den Song und beschäftigen sich mit Amokläufen den Inhalt an. Es gibt einfach AusSlogans wie z.B. der letzten Jahre und vor allen drücke, Slogans wie z.B. „Death Dingen mit den Entschuldigungen, rides the Highway” oder „Life’s a ‚Life’s a bitch and die die Täter benutzen. „Death bitch and then you die”. Das passt rides the highway“ dreht sich um then you die’ – einfach. Es kommt also wirklich auf und daraus resultierenden das passt einfach Glauben den jeweiligen Begriff an, entweder offenen Fragen. Alle Songs drehen es passt oder nicht. sich um das Leben in der heutigen auf Englisch.“ Zeit und beschreiben Dinge, die Das neue Album bewegt sich häufig im Mid- uns beschäftigt haben und weiterhin beschäftigen tempobereich, wirkt dadurch weit kälter und werden. schleppend bedrohlicher als eure früheren Werke. Gab es vor Beginn der Arbeiten am Al- „Die Haut ist der Spiegel der Seele” könnte bum eine Richtschnur? auch ein Wahlspruch von Nivea sein. Ist es aber Lars: Nein, nicht wirklich. Das Album wurde in dem nicht, oder? Zeitraum von zwölf Monaten aufgenommen. Das Lars: Schön wärs, hätte bestimmt Geld gebracht. Aber Album klingt einfach nach unserem Leben in dem nein, natürlich nicht. Es geht um ein Spiegelbild seiZeitraum. ner selbst, was will man sein, darstellen, was denken Alles was uns in der Zeit widerfahren ist oder uns be- oder sehen andere. schäftigt hat, welche Musik wir gehört haben, all das Siegmar Ost ist in diese Songs geflossen. „Mindfuck“ is just life! www.orange-sector.de Mit dem „Tanzbefehl“ hattet ihr euer Comeback im großen Stil eingeläutet. Hattet ihr mit dem Erfolg eures sehr ursprünglichen EBMKonzepts gerechnet? Lars: Darüber haben wir gar nicht nachgedacht. Wir hatten einfach einen Riesenspaß bei den Aufnahmen. Da das Album dann noch so gut aufgenommen wurde, hat es uns natürlich noch angenehmer gemacht. Zoth Ommog ist längst Geschichte, ihr dagegen seid wieder zu Kräften gekommen. Gibt es noch Kontakte zu der alten Clique des Labels? Lars: Außer zu Torben leider nicht richtig. Wir haben vor einigen Wochen mit den Dildos gespielt und das war schon eine Hausnummer. Nach 15 Jahren gute Kollegen wieder zu treffen, das Comeback hat sich gelohnt. Zwischendurch hatten wir ab und zu mit Andre Schmechta via Email Kontakt. Zoth Ommog ist zwar Geschichte, aber unvergessen! Auf eurem neuen Album wechselt ihr wieder stetig zwischen deutschen und englischen Tex33 Alle Fotos: Kai Schmidt Live in Hamburg Chibi: Wir haben das eigentlich gar nicht geplant. Uns wurde am Ankunftstag gesagt, dass die Show aufgenommen wird. Wir haben dann später entschieden, es für die CD/DVD zu verwenden. Diese Tour ist eine Weile her. Ich erinnere mich, dass es ein anstrengender Regentag war. Doch Hamburg war eine gute Show, deshalb war es auch gut, diese zu nehmen. Dass The Birthday Massacre eine international erfolgreiche und gefeierte Band ist, steht außer Frage. Doch hat man irgendwie den Eindruck, dass sie noch viel mehr erreichen könnten, noch viel öfter die großen Bühnen der Welt bespielen sollten und einem noch größeren Publikum zugänglich gemacht wer„Der Fan kann Wie viel von den Aufden sollten. Denn schließlich bringen sie alles mit, was eine Band dieses also Live-Material nahmen habt ihr im Studio nachpoliert? Formats benötigt. Einzigartige Muvon mindestens 2 Wenn du einer Filmcrew sik, ein stimmiges Bandkonzept und vor allem eine sehr starke und mitStunden aus den vertraust, die du nicht kennst und sie Equipment reißende Präsenz auf der Bühne. VielJahren 2005-2007 verwenden, das du nicht leicht gelingt ihnen der Griff nach den Sternen mit der baldig erscheinenden kennst, willst du sicher erwarten.“ sein, dass die Aufnahmen DVD. Als Appetizer gibt es jetzt schon die Audioversion des Hamburger Konzerts der gut sind. Liveshows sind unberechenbar, Dinge 2007er Tournee. NEGAtief sprach mit Frontfrau gehen schief und du hast keine zweite oder dritte und Energiebündel Chibi. Chance, um dinge zu verbessern wie im Studio. Wir haben uns die Aufnahmen angeschaut und einige Warum habt ihr das Knust-Konzert in Hamburg Sachen akzentuiert, um es so gut wie möglich klinfür eure Live-CD/DVD gewählt? gen zu lassen. Man will nichts verkaufen, von dem man nicht selbst überzeugt ist. Das Material war eineinhalb Jahre alt, als wir es anhörten und wir waren somit auch objektiv genug. „Show and Tell“ zeigt, dass eure Musik live noch emotionaler und energetischer ist als auf den Alben. Beachtet ihr das während des Songschreibens? Hat sich die Art des Schreibens im Laufe der Jahre verändert? Ich denke, der Live- 34 Aspekt spielt definitiv eine Rolle. Beim Schreiben denkst du darüber nach, wie es live rüberkommt und ob es Spaß macht auf der Bühne. Das ist ein natürlicher Teil in der Bandentwicklung. Alle Songs verändern sich auf der Bühne im Vergleich zur Studioaufnahme. Als wir angefangen haben zu touren, haben wir realisiert, welchen großen Teil die Performance eines Songs einnimmt, wenn man ihn schreibt. „Show and Tell“ enthält 15 TBM-Hits. Würdet ihr sagen, eure erste Live-CD ist auch ein Best Of Album? Sicher. Ich würde sagen, die Live-Show jeder Band ist eine Art Best Of, oder? Du spielst die Songs, die du liebst, die das Publikum liebt und jeder hat seinen Spaß. Bildergalerien und vieles mehr. Der Fan kann also Live-Material von mindestens 2 Stunden aus den Jahren 2005-2007 erwarten. Wie weit sind die Arbeiten an der Live-DVD? Was gefällt euch besser: Eine intime Clubshow Wie seid ihr in den Schnittprozess eingebun- vor 500 Leuten oder ein Auftritt auf der Hauptden? Wie war es, mit Paddy von Crazy Clip zu bühne des M’era Luna oder Amphi Festivals? arbeiten? Beides ist gut. Bei einer kleinen Wir haben ihn nur einmal getrof„Es macht immer Clubshow hast du eine bessere fen. Wir kommen aus Kanada, Verbindung mit den Fans und es ist mehr Spaß, vor was oft eine Barriere ist, was persönlicher. Bei einem Festival ist das Pflegen von Beziehungen Leuten zu spielen, es berauschender mit der großen mit Europäern betrifft. Ich habe Bühne und so vielen Leuten. Beide die Spaß haben unser Interview mit ihm sehr geVarianten haben unterschiedliche nossen. Er hat einen großartigen Energien und sind beide eine wunwollen und die Humor, was zu einem sehr relaxdervolle Erfahrung. Musik mit uns ten Interview beigetragen hat. Und diese Interviews sind immer genießen.“ Euer Konzept beinhaltet nicht die besten. Wir werden diesen nur Musik, sondern auch SymSommer wieder nach Europa kommen, vielleicht bolik, Mode und Performance. Sind eure Fans treffen wir ja Paddy wieder. auch speziell? Unser Publikum war und ist sehr wichtig für uns. Wir Die meisten Fans sehen ihre Lieblingsbands haben seit unseren Anfängen eine enge Verbindung auch gerne mal abseits der Bühne. Könnt ihr und einen Austausch mit ihnen. Nach jeder Show schon etwas über das Bonusmaterial der DVD unterhalten wir uns mit Menschen, die einfach nur sagen? Hallo sagen wollen. Das ist ein sehr wichtiger Teil Es ist schon viel Zeit seit dieser Tour vergangen. Ich beim Touren für uns. habe eine Menge Behind-the-scenes-Fotos auf meiner Myspace Seite vom letzten Jahr. Die Hauptsache Ihr habt in letzter Zeit sehr oft getourt. Habt wird das Konzert in Hamburg sein. Auch in Dolby ihr ein paar Lieblingsplätze oder Clubs? Gibt Digital 5.1. Natürlich wird es auch einige Bonus es einen Unterschied zwischen dem amerikafeatures geben. Material von europäischen Festivals, nischen und dem europäischen Publikum? Ich glaube nicht, dass es einen richtigen Unterschied zwischen den Ländern gibt. Eher von Stadt zu Stadt, egal wo du bist. Das eine Publikum ist zurückhaltender als das andere. Es macht immer mehr Spaß, vor Leuten zu spielen, die Spaß haben wollen und die Musik mit uns genießen. Unsere Show wird besser, je mehr sich die Leute bewegen. Poloni Melnikov ww.thebirthdaymassacre.com VÖ „Show and Tell“: 08.05.09 35 Schwedischer Emoindustrial The Kick könnte eines der Newcomerthemen des Jahres werden, denn die musikalischen Welten des Sängers, Komponisten und Produzenten in Personalunion erinnern in ihrer beklemmenden Eingängigkeit an eine vollkommen neue Mischung aus frühen Waverock Einflüssen und modernen Industrialrockproduktionen. Mit dabei immer auch eine Prise Emo a la My Chemical Romance. Neben dem durch und durch runden Album hat die Band aber auch zu fast jedem Song ein Video entworfen, das auf Myspace publiziert, die jeweiligen Songs in ihrer Aussage weit transparenter erscheinen lässt. Die Songs eures ersten Albums sind extrem gut produziert und klingen extrem modern. Wie erreicht man das schon mit dem Debüt? David: Danke! Ich habe fast zehn Jahre als Studiotechniker gearbeitet und ebenso als Songschreiber und Arrangementtüftler für meine eigenen Projekte trial-Pop bezeichnet. Ich sehe mich nicht wirklich als und Bands, sodass ich glaube, dass ich mich in die- Teil einer bestimmten Szene, auch wenn ich gerne sen Fächern einfach selbst mit der Zeit perfektioniert einen Platz finden würde, an dem meine Musik akhabe. Das Album wurde in einem sehr kurzen Zeit- zeptiert wird, als das, was sie ist. Es ist sicherlich raum geschrieben und zum ersten Mal bin ich nur cooler, eine solide Fanbase zu haben, als Nährbonach meinen eigenen Vorstellungen ans Werk ge- den für den ständigen Hype des Tages zu liefern. gangen, ohne mit jemandem zu kollaborieren. Also konzentrierte ich mich grundlegend auf meine eige- Dein Gesang erinnert teilweise an den eines nen Einflüsse und mir wurde sehr schnell klar, wie Trent Reznor von NIN. Beeinflusst er dich? Ich mag die Art und Weise wie Trent das Album klingen sollte. Glücklicherweise wurde es auch genauso, „Es ist sicherlich seine Songs und Arrangements wie ich es mir vorgestellt habe. schreibt und halte das „The Downcooler, eine ward Spiral“ Album für ein großarsolide Fanbase tiges Werk. Für den Gesang und Texte Musikalisch gesehen scheinst ist Trent Reznor aber kein wirklicher du dich an Emo, New Wave, zu haben, als Einfluss. Seine musikalische Dynamik Industrial und vielen anderen Nährboden für mag vielleicht den Ursprung der Frage Styles zu orientieren. Fühlst du dich als Teil einer neuen Geneden ständigen evozieren. ration von Dark-Bands, die als Hype des Tages Du hast auch schon ein paar Vi„Referenzen“ die frühen Neundeos veröffentlicht. Hast du die ziger angeben aber mit den zu liefern.“ auch selbst gedreht? Verstehst du modernen Mitteln arbeiten? Ich fühle definitiv, dass meine Musik die meiste Zeit Videos heutzutage als logisches Beiwerk zu in eine dunkle Richtung tendiert. Ich mag die Idee, einem Album? Pop und Indie mit Gothic-Industrial-Sounds zu mi- Die Videos sind alle Low-Budget Streifen von Frida schen. Meine Musik wurde bereits öfter als Indus- Sjöstam, die auch Gitarre und Keyboard in meinem 36 Live-Line-up spielt. Ich denke, dass die visuellen Parts einer Band wie The Kick sehr wichtig sind. Und eine gute Art und Weise sich visuell auszudrücken, sind nun mal Videos. MTV ist hierbei wohl eher nicht mehr so signifikant aber das Internet ist mittlerweile viel größer als MTV jemals war und es ist eine gute Sache sich selbst im Netz zu präsentieren. Maria Mortifera www.myspace.com/thekicksweden www.thekick.net Das unberechenbare Innere Beim aktuellen Werk „Civil Demon“ setzen Akanoid genau da an, wo sie mit der letzten EP „100 Burning Guitars“ aufgehört haben. Aus synthetischem Pop ist Elektrorock geworden, ohne die Wurzeln zu verleugnen. Das neue Album zeigt eine gereifte Band, die es genau versteht, ihre Mischung aus Elektropop und Industrialrock mit einem beachtlichen Spektrum an Kompositionen zu mischen und stößt den Schubladendenker gewaltig und unberechenbar vor den Kopf. die absolute Freiheit in Komposition und vor allem Produktion. „Der Rock bringt die unmittelbare Rohheit, und die Elektronik die absolute Freiheit in Komposition und vor allem Produktion.“ Was bedeutet „Civil Demon“? Welchem Konzept folgt das Album? Als einzig verbleibendes Gründungsmitglied zeichne ich mich verantwortlich für dieses Konzept, das mein Wesen, welches sich in den Texten widerspiegelt, aber auch dieser Tage passenderweise die klangliche Charakteristik der Band beschreibt. Es spielt auf das, nennen wir es mal, unberechenbare Innere an, das eher in einem schlichten Gewand lebt. Es gibt einiges zu entdecken, denn das Album erfordert einen zweiten Blick, um mehr von seinen Inhalten preiszugeben. Die Grundlagen, sowohl des textlichen, als auch des musikalischen Konzepts von „Civil Demon“ sind schon bedeutend früher gelegt worden, als die der vorangegangenen Alben. Hier hat etwas geschlummert, das erst in dieser neuen Bandkonstellation seinen Weg nehmen konnte. Euer Stil hat sich auf dem neuen Album vom Synthpop mehr zu elektronischem Rock verändert. War das eine bewusste Entscheidung oder einfach eine Weiterentwicklung weg vom Elektronischen? Hilton: Wir haben bereits in diversen früheren Stücken rockige und sogar metallische Elemente verwandt, die jedoch stets auf einem elektronischen Fundament zum Einsatz kamen, nun fusioniert die Basis mit verstärkten Rockanteilen, während der Elektronik nach wie vor eine tragende, sowie ausfüllende und nicht etwa nur schmückende Rolle zukommt. Auch haben wir schon immer mit ineinanderfließenden und zum Teil nicht zuzuordnenden Grundbausteinen gearbeitet, so sind früher bedeutend mehr Gitarrensamples zum Einsatz gekommen, als man vermuten möchte, lediglich zur funktionalen Unkenntlichkeit bearbeitet, während heute der nicht unerhebliche elektronische Teil der Musik gelegentlich subtiler scheint, als er ist. Akanoid lebt von dieser Symbiose und wird auch zukünftig von den Vorteilen beider Einflüsse und Stilistiken profitieren, denn der Rock bringt die unmittelbare VÖ „Civil Demon“: 22.05.09 Rohheit, und die Elektronik Eure Kompositionen haben ein sehr breites Spektrum. Wie entstehen eure Songs und wie viele Köpfe sind am Songwriting beteiligt? Noch bin ich Hauptsongwriter, werde aber von meinen Kollegen mit reichlich Ideenmaterial und Beteiligung am Ausproduzieren unterstützt. Da die Band in dieser Besetzung noch recht jung ist, wird eine völlige Durchmischung der Einzeleinflüsse wohl erst ab dem nächsten Album stattfinden, es gibt aber auch auf diesem Longplayer Ausnahmen und Alleingänge wie „All The Noise“, das so gut wie komplett von unserem Drummer stammt, oder „Hand Over Head“, das zum Großteil von unserem Gitarristen Phil geschrieben wurde, bei dem sich aber auch bereits unser Neuzugang Greg maßgeblich einbringen konnte. Es gibt wenig Ausschussmaterial, weil wir früh gute Ideen sondieren und verfeinern, und weniger geeignete verwerfen. Das beste Material, egal von welchem Bandmitglied, findet den Weg aufs Album. Ihr wart schon mit namhaften Bands wie De/ Vision auf Tour. Wird es eine erneute Tour geben? Wie sehen eure Zukunftspläne aus? Wir stecken noch mitten in der Planung für eine Herbsttour, wobei noch nicht klar ist, ob vornehmlich Supportshows für einen anderen Act oder vielleicht auch eine Co-Headliner Tour mit beispielsweise einer weiteren Band unseres Labels Echozone stattfinden. Nach unserer Releaseparty und dem darauf gefolgten WGT werden wir noch einmal im Studio an B-Versionen und weiterem Bonusmaterial für eine mögliche DVD oder EP Veröffentlichung zum Ende des Jahres, sowie einem Video arbeiten. Wir hoffen, das neue Album bis dahin möglichst oft live präsentieren zu können und freuen uns auf die Herausforderungen, die vor uns liegen. Poloni Melnikov www.akanoid.de 37 Reincarnatus Von wegen finsteres Mittelalter Die im Jahre 2005 gegründete Mittelalterformation entspricht in vielen Dingen nicht der traditionellen Medievalband. Da wäre zuerst einmal die Besetzung. Sieben Frauen an der Zahl und eine Instrumentierung, die weit popmusikalischer klingt, als es die Auswahl der Instrumente vermuten ließe. Die Niederländerinnen zeichnen aber auch ein weit positivistischeres Bild des Mittelalters, das von sehr feinsinnigen und romantischen Betrachtungen ausgehend, eine verspielte und liebliche Interpretation dieser Epoche entwirft. Vielleicht liegt das an der weiblichen Sichtweise, vielleicht aber auch an dem der Frontfrau Renate Dirix eigenen warmen Naturell, die unsere Fragen bereitwillig und in deutscher Sprache beantwortete. Dass der Band eine große Zukunft zu Teil werden dürfte, könnte auch an dem Engagement der Plattenfirma liegen, die bereits Schandmaul mit langem Atem zum Chartdurchbruch verhalfen. Ursprünglich als Duo von Renate Dirix und Joyce Hamers gestartet, wurde aus Reincarnatus schnell ein siebenköpfiges Projekt. Wie habt ihr zusammengefunden und welche musikalischen Wurzeln vereint ihr? Renate: Wir haben alle an der Musikhochschule studiert. Natürlich nicht mit 38 mittelalterlichen Instrumenten, denn dafür gibt es hier keine Ausbildung am Konservatorium, was ich sehr schade finde. Joyce und ich haben vor allem in diesem Umfeld gesucht, zuerst waren auch noch ein paar Männer dabei aber mit der Zeit hat sich die Band mehr und mehr zur aktuellen Besetzung hin entwickelt. Ursprünglich hattet ihr aber ausschließlich mittelalterliche Kompositionen auf authentischen Instrumenten im traditionellen Sinne gespielt. Euer aktuelles Album vereint aber viele moderne popmusikalische Arrangements und Instrumente mit ursprünglichen Instrumenten wie Dudelsäcken, Hurdy Gurdy, Bouzuki. Wie habt ihr zu dieser Kombination gefunden? Werdet ihr das in Zukunft noch weiter verschmelzen? Renate: Also ich denke, wir haben jetzt mit unseren Debütalbum Media Vita unseren eigenen Sound gefunden. Es ist halt die Mitte zwischen Rock und Pop. Die Instrumente des Mittelalters werden so einem breiteren Publikum vorgestellt, die normalerweise vielleicht keinen Mittelaltersound mögen. Gerade diese Hörer werden sicher ein ziemliches Aha-Erlebnis haben. Welche eigene Beziehung hast du zum Mittel- alter und seiner Musik. Gibt es neben der Mu- weiβ schon genau, was hier auf dieser Erde und sik Dinge, die dich am Mittelalter begeistern? hinterher passiert? Reincarnatus als Bandname beGerade eure Mischung mit Popmusik drängt deutet nur die Wiedergeburt des mittelalterlichen förmlich die Frage nach anderen Einflüssen Instrumentariums in unserer heutigen Zeit. auf. Das ist wahr. Wenn ich zurückdenke, hatte bereits Noch einmal zu eurer Besetzung. Ist es ein Zuim Kindesalter das Mittelalter eine große Faszinati- fall oder wolltest du mit einer rein weiblichen on auf mich ausgestrahlt. Meine erste Begegnung Besetzung ein Zeichen setzen? Ja, das war ein reiner Zufall. Ganz als Kind war, glaube ich, ein Straßenmusikant in Maastricht. „Ich der Meinung am Anfang hatten wir noch einen Das hatte mich absolut beMann dabei. In den Niederlanden bin das alle geistert. Die mystischen Klänge hieß es dann sofort, dass ein Mann und die fantasievolle Gestalzwischen so vielen Frauen seltsam spiritualistische tung der Instrumente. Als Kind wäre, noch dazu, wenn er gar nicht Fragen mit einem die Frontperson ist. Das hat uns wollte ich dann nur noch mit dieser Art von Instrumenten großen ‚Ich weiß schon sehr verwundert. Nichts despielen. Leider gab es damals in trotz, wir hatten dann die Band nicht’ beantwortet sto Holland noch kein Internet, wezu einer reinen Frauenband genige Informationen und kaum werden sollten.” macht. Und allen Warnungen zum Hersteller für jene Instrumente. Trotz: Es funktioniert super. Das hat dann noch lange gebraucht. Gibt es eine Interaktion zwischen deinen MuWo wurde das aktuelle Album produziert? sikerinnen und deiner ursprünglichen SongiAls ich die Musik komplett im Kopf hatte, bin ich dee? auf Produzentensuche gegangen. Eigentlich war Generell schreibe ich die Songs komplett, aber auf das schon ein richtiger Suchauftrag. Mit Karo Slok der Bühne findet dann immer wieder ein Austausch haben wir dann den richtigen Mann gefunden, der statt und die anderen bringen ihre Ideen ein. Das unsere Ideen von vornherein richtig verstanden macht mir sehr großen Spaß. hat. Möchtest du uns an deinem privaten Leben Ihr kombiniert viele verschieteilnehmen lassen? dene Sprachen, wie Latein, Wie schon erwähnt, hab ich mich, „Hildegard Französisch und Englisch. Mit seitdem ich Kind bin, fürs Mittelalter von Bingen dabei ist auch Hildegard von interessiert. Darauf ist auch heute Bingen. Nach welchen Ge- war ja sehr viel noch mein Leben abgestimmt. Wenn sichtspunkten habt ihr die meine Wohnung betrittst, dann mehr als nur so du Texte ausgewählt? kommst du direkt ins Mittelalter. Ich Hildegard von Bingen war ja sehr eine Nonne.” finde es schade, dass das Mittelalter viel mehr als nur so eine Nonne. heutzutage in erster Linie als ein finFür die damalige Zeit und die damalige Kirche sterer und verzweifelter Ort dargestellt wird. Wer war diese Frau unglaublich progressiv, ein wahr- sich mit dieser Epoche genauer auseinandersetzt, haft heißes Eisen. Ich habe aber auch viele Texte findet viele positive Aspekte. Genau jene Aspekte französischer Troubadours aus dem frühen Katha- wollen wir mit Reincarnatus beleuchten. ren benutzt. Genereller Tenor war hier: Die Liebe herrscht! Schandmaul haben euch als Gast auf ihr Zehnjahres-Geburtstagstour eingeladen. Daneben Was bedeutet eigentlich der Name Reincarna- gibt es noch einige zusätzliche Shows. tus für dich? Glaubst du an die Reinkarnati- Wir freuen uns riesig auf das deutsche Publikum und hoffen, dass ihr uns in die Arme schließen weron? Eigentlich hat der Name nicht soviel mit meiner re- det. Danach geht es dann in unsere Heimat und ligiösen Haltung zu tun. Ich bin der Meinung, dass nach Belgien. alle spiritualistischen Fragen mit einem groβen „Ich Maria Mortifera weiβ nicht“ beantwortet werden sollten, denn wer www.reincarnatus.com 39 Keine Klingonen an Bord Das Soloprojekt des hübschen blonden und durchtrainierten Schwedens nicht in Relation zu seinem bisherigen Hauptprojekt zu stellen, fällt schwer. Zu stark lastet der Schatten einer der berühmtesten schwedischen Synthpopbands auf dem Debütalbum. Dennoch muss man dem bei S.P.O.C.K als Chrull-E agierenden Schweden eine meilenweit entfernte Emanzipation konstatieren, denn außer der allgemeinen Eingängigkeit skandinavischer Kompositionen lebt das Debüt vor allem von dem extrem ausdrucksstarken Gesang und vielschichtigen und ausgefeilten Kompositionen; die man kaum noch unter dem Etikett Synthpop vereinen kann. Mitsommernacht rumtorkeln. Ehrlich, ich weiß, nicht woran es liegt. Du hast schon soviel mit deinem Hauptprojekt S.P.O.C.K erreicht. Suchst du jetzt einen neuen kreativen Horizont? Wie wahr. Ich liebe es, mit S.P.O.C.K auf der Bühne zu stehen, aber jetzt ist die Zeit für etwas anderes gekommen. Die Erfahrung mit etwas komplett Neuem zu beginnen und in erster Reihe zu stehen, anstelle immer nur hinter einem Frontmann zu stehen. Ihr habt viele Einflüsse auf Eurer Myspace Seite benannt. Musikalisch seid ihr aber eher im Wie lange beschäftigst du traditionellen Synthpop Zuhause. Beziehen sich „Vielleicht liegt es dich schon mit der Idee zu einer Solokarriere? deine Einflüsse eher auf auch an unserer 1998 hab ich eine ziemlich cooden gesanglichen Teil? Synthpop? Ich fühle mich herrlichen Natur, in le Metalband namens Mister produziert. Die moderne da nicht wirklich Zuhause. der wir uns immer Kite Art des Metal beinhaltete für Natürlich gebe ich gerne zu, dass einige unserer inspiriert fühlen, zu mich das fehlende Stück, den Missing Songs einen gewissen singen. Besonders Link zu Biomekkanik, über den ich so vorher noch nie nachgedacht hatte. Synthpopeinfluss haben. während wir Unabhängig von meiner Vorliebe zu extremen, sturzbesoffen zur Der Bandname hingegen klingt schrägen Stilen im Metal, doch ziemlich cyberesque und nach Mitsommernacht Science-Fiction. Ist der futuristische liegt mein eigentliches Aspekt, so wie bei S.P.O.C.K eine Augenmerk auf Songs und rumtorkeln.“ Inspirationsquelle? Melodien, die berühren. In meiner Welt haben gerade Bands wie Coldplay oder Yeah, ich denke mal, jetzt ist es zu spät, den Namen Nine Inch Nails das gemein. Was den Gesangsstil zu ändern. Eigentlich hatte ich den Namen einer betrifft, fühle ich mich einem „amerikanischen“ Statue von H.R.Giger entliehen. Dieser typische Stil näher. Ich liebe so gegensätzliche Stimmen wie Gigerstyle, der erst die Alien Filme so großartig geJames Hetfield (Metallica), Chris Cornell (Soundgar- macht hatte. Dabei handelt es sich aber eher um das den) und die wunderbare rhythmische Phrasierung visuelle der Skulptur, als um typischen Science-Fiction. Irgendwie dieses Motiv einer sich ins Absurde eines Frank Sinatra. steigernden Perfektion. Biomekkanik ist definitiv geSchweden ist noch eine der stärksten drei Pop- genwärtiger, als in irgendwelchen Zukunftsbetrachtungen zu schwelgen. exportnationen. Woran liegt das? Warum geht Britney Spears, um ihr neues Album aufzunehmen, nicht nach Norwegen, sondern nach Worum dreht sich das Debütalbum größtenSchweden? Eine ernsthafte Antwort könnte im mu- teils? sikalischen Fokus der schwedischen Schulen liegen. Wir werden alle sterben? Ich denke mal, vor allem Es wird bei uns einfach mehr musiziert, anstatt zu all die Dinge, die ich nicht mag. Der Song „Heaven konsumieren. Vielleicht liegt es auch an unserer herr- Awaits“ entstand z.B. zwei Wochen, bevor Präsident lichen Natur, in der wir uns immer inspiriert fühlen, Bush Präsident wurde. zu singen. Besonders während wir sturzbesoffen zur Bisher bin nur ich Biomekkanik gewesen. Da ich als 40 Produzent bereits für so viele andere Musiker gearbeitet hatte, wollte ich jetzt endlich nur etwas für mich selbst machen. Mit dem kompletten Livelineup ist das jetzt natürlich etwas anderes. Ich habe mit Matthias an der Gitarre und Andreas an den Keyboards tolle Musiker gefunden. Siegmar Ost www.myspace.com/biomekkanik www.biomekkanik.com funkervogt Frontkämpfer In der letzten Ausgabe hatten wir bereits die Live DVD beleuchtet, die sich aber wegen diverser Probleme mit dem Videomaterial verschoben hatte. Weit über vier Stunden Filmmaterial bedeutet entsprechend viel Arbeit, doch was lange währt, wird endlich gut und die DVD ist auch ein herrlicher Rückblick in die Geschichte eines EBM Urgesteins, das weltweit Erfolge feiert. Wenn ihr euch zurücklehnt und eure Liveperformance genießt: Würdet ihr euch als Schauspieler bezeichnen, oder seid das ihr auf der Bühne? Jens: Ich glaube von beidem etwas. Ohne wir selbst zu sein, könnten wir gar nicht das abliefern, was wir und unsere Fans von Funker Vogt erwarten. Selbstverständlich gehört auch eine Portion Schauspiel zum Geschäft. Um Glaubwürdigkeit beim Publikum zu erzielen, ist es logischerweise nötig, das mit Gesten und Mimik entsprechend umzusetzen. Apropos genießen. Da geht es uns wohl wie den meisten Künstlern in Film und Musik. Sich selbst beobachtet man am Bildschirm nur höchst widerwillig. euch diesen Ruf erarbeitet und was unterscheidet euch hier zu euren sonstigen, vielleicht nicht so erfolgreichen Kollegen aus Deutschland? Jens: Das ist schwierig zu beantworten, ohne in Selbstlob zu verfallen. Uns war es immer egal wo, wann und vor wie vielen LeuIm Rückblick - Hättet ihr euch „Die Spreu trennt sich ten wir gespielt haben und damals zu euren ersten Verwir haben immer versucht, vom Weizen, wenn unser Bestes zu geben, auch öffentlichungen eine solch es ernst wird und es lange und beständige Karriewenn das natürlich nicht re vorstellen können? in dunklen, muffigen immer geklappt hat. Vielen Jens: Nein, denn ich behaupte Bands könnte man den VorVorstadt-Clubs vor wurf machen, dass sie sich im einfach mal, dass es im MusikgeErfolg sonnen, wenn sie mal schäft gar nicht möglich ist, etwas ein paar Dutzend auf Jahre zu planen. Aus diesem auf einem Festival auf der Hardcore-Typen zur Hauptbühne spielen durften Grund haben wir uns auch niemals Gedanken um das Morgen und ein paar tausend Leute Sache geht.“ ihnen zugejubelt haben. Die gemacht, sondern haben uns immer brav im Jetzt und hier bewegt. Vielleicht ist das Spreu trennt sich vom Weizen, wenn es ernst wird sogar ein Grund dafür, warum wir eine sehr bestän- und es in dunklen, muffigen Vorstadt-Clubs vor ein dige Band sind und im Umkehrschluss wird Bestän- paar Dutzend Hardcore-Typen zur Sache geht. Das digkeit und Ausdauer auch meist mit Erfolg, in welcher ist unsere Welt, wie wir Sie lieben. Mal groß, mal klein aber immer mit dem Herzen dabei. Form und Größenordnung auch immer, belohnt. Ihr geltet gerade auch im Ausland als die deutsche EBM Band par excellence. Wie habt ihr Die ursprüngliche EBM scheint ja gerade in den letzten Jahren wieder gewaltig Aufwind zu ge- winnen. Woran liegt das eurer Meinung nach? Gerrit: Ja? Hm, da hab ich noch gar nichts von mitbekommen. Oder sprichst du von diversen Nitzer Ebb Klonen und Ähnlichem? Dazu kann ich nur sagen, dass die Originale immer noch unerreichbar geblieben sind. Auch wenn sich die Technik der „Cover“Bands verbessert hat und einige sogar produktionstechnisch besser klingen als die Urväter, bleibt die Seele beim Original, und da kommt halt bisher niemand heran. Mir persönlich sind schlechte Originale lieber als gute Klons. Welches Werk eurer zurückliegenden Bandgeschichte würdet ihr als das konsequenteste Funker Vogt Album bezeichnen? Und welches als das größte Experiment? Gerrit: Ich denke, das durchstrukturierteste Album war aus meiner Sicht das „Maschine Zeit“ Album. Dabei hatte ich mich musikalisch stark an dem Vorgänger „Execution Tracks“ orientiert. Aber grundsätzlich sind eigentlich alle FV-Alben konsequent, bis auf vielleicht „Navigator“, bei welchem wir ein wenig mit für uns untypischen Elementen herumexperimentiert hatten. Peter Istuk www.funkervogt.de 41 Krieg und Liebe Vom Cover der geschmackvoll illustrierten CD blickt ernst und gut beleuchtet ein Adonisgesicht, darunter der provokante Titel „Liebeskrieger“. Und siehe da, der Hübschling von Seite eins ist auch noch der Sänger der Band. Doch wer sich mit der CD auseinandersetzt, findet viel mehr als die romantischen Tagebücher eines Liebestollen. Der türkischstämmige Sänger und Texter der Band, Timur, hat sicher den Hang zum Dramatisieren, trifft hierbei aber auch immer den Nerv sozialer und gesellschaftlicher Brennpunkte. Die musikalische Mixtur erinnert an Megaherz und Eisbrecher, kann aber durch orientalische Zitate durchaus sehr eigenständig punkten. Schöngeist, der Bandname lässt viele Assoziationen wach werden. Bist du ein klassischer Schöngeist? Timur: Für mich ist ein Schöngeist jemand, der in erster Linie mit einer Gabe der Intuition und den Glauben an das „Gute” in die wenig emotional Gebildeten dafür arbeitet, die „Welt” ein kleines Stückchen menschlicher respektive relaxter zu machen. Also eine Art intellektueller Luzifer, heute nur noch benutzt als Kontrapunkt und Abschreckung zur inzwischen vergöttlichten Ignoranz und dessen Kreuzzug unter dem Banner „Liegt allein im Geiste des Betrachters” bzw. es gibt nix, jenseits von Wikipedia, Google und mir. „Liebeskrieger“ klingt als Titel sehr provokant. Schwingt in den Texten ein Teil deiner Liebesabenteuer mit? Wie heißt es so schön: „Der Gentlemen genießt und schweigt.“ Ich sag nur soviel: Für ein ordentliches Liebesabenteuer heutzutage muss man auch schon mit allerhand Geschützen auffahren und ordentlich kämpfen (lacht). Natürlich setze ich auch in einigen Texten wie z. B. In dem Song „Und immer lockt das Weib” das Thema Mann/Frau/Sex, in sagen wir mal recht heftigen Bezug zueinander. Gehört ja schließlich auch zur Königsdisziplin eines Schöngeist. Euer Werk lässt immer wieder gewisse fernöstliche und osmanische Einflüsse anklingen. Ist dir diese Verschmelzung deiner genetischen Herkunft mit deiner biografischen Musikwelt ein wichtiges Anliegen? Es ist mir insofern ein wichtiges Anliegen, da mir Authentizität und Wahrhaftigkeit, in dem was ich tue, extrem wichtig ist. Es ist richtig, dass ich ursprünglich 42 ein Kind mit sogenanntem Migrationshintergrund bin. sogenannte Single-Quote. Dahingehend eine regelMeine Eltern stammen aus Istanbul und gehörten zur rechte Hochburg. Ein Irrsinn. Man könnte jetzt auch sogenannten Gastarbeitergeneration im Deutschland zynisch behaupten, diese Stadt sei ein einziger Swinder 60er Jahre. Ich selbst bin in München zur Welt gerclub. Jeder poppt jeden (lacht). gekommen und aufgewachsen. Ich hatte das Glück, aus einer modernen, pro-westlichen, also dem Ke- In „Sesam öffne Dich“ thematisierst du eine malismus und Laizismus verschriebenen Familie zu Urangst vieler Deutscher. Denkst du, dass es kommen. Als Sänger und Komponist bin ich präsent sich hierbei auch oft um das schlechte Gewisseit Mitte/Ende der Neunziger Jahre in meiner Hei- sen handelt? Zumal ja Gastarbeiter zuerst mit matstadt bei diversen Underground Wave/Goth/Rock Handkuss ins Land gerufen wurden. Formationen. Da zu diesem Zeitpunkt die „Schwarze Ich thematisiere eigentlich zwei Dinge in diesem Song. Szene“ in meiner bayerischen Heimat relativ spärlich Zum einen, wie du schon richtig erkannt hast, diese bis gar nicht vorhanden war und auf der jedem von Angst und zum anderen diejenigen, welche immer uns allbekannten Suche nach dem Sinn im eigenen wieder gerne ihre Finger in diese Angst-Wunde legen Mikrokosmos, hatte ich nach längerer Abstinenz in und es schüren. Die aufgrund vorrangig wirtschaft2005/2006 die Idee geboren, den Orient zumindest licher Interessen dabei nicht bedenken, was sie eigentmusikalisch mit dem Okzident ein wenig sozialver- lich für ein weiterführendes kulturelles und politisches träglich zu vereinen. Und das Unheil innerhalb ihrer Nationen damit anrichten. Im nach wie in Verbindung mit modernen „Ich sehe mich als Rockgitarren und Elektronik vor aktuellen Fall und eben in Opposition zu dieser eben. Kannst mich auch von „Sesam öffne Dich” behandelt, mir aus gerne den „ersten ganzen grauenhaften geht es um den sogenannten deutschrockenden Türken” unsäglichen Kampf gegen den und widerwärtigen „muslimischen” Terror in der nennen, oder was mir noch lieber wäre, die Opposition zu Bushido-Sido-Ey-isch- Irakoffensive, verantwortet dieser ganzen grauenhaften die ex-Bush-Administraschlag-Dir-in-de-Fresse- durch tion. Ich denke, zu diesem Theund widerwärtigen BushidoSido-Ey-isch-schlag-Dir-in-dema ist eigentlich alles gesagt, Alda-Fraktion.“ Fresse-Alda-Fraktion. gehört und gesehen worden. Mehr muss ich da nicht vom Stapel lassen. Was mir Im Song „Liebeskrieger“ zeichnest du eine sehr wesentlich stärker am Herzen liegt, mit dem Versuch chauvinistische Sicht. Kann es nicht sein, das hier etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, ist, dieses, dich dein weibliches Gegenüber nicht auch als was du als „Urangst vieler Deutscher” bezeichnest und eigentliches Turngerät benutzt und gar nicht deren Verhältnis zu den Gastarbeitern. Ich habe mich mehr will, weil sie auch nicht mehr vermutet? Zeit meines Lebens extrem intensiv mit dieser Frage Natürlich kann das sein. Da gilt aber Vice Versa und beschäftigt und ich kann dir darauf nur antworten: Ich wird leider Gottes in unserer heutigen Sozialisati- weiß es nicht! Das ist wie die Suche nach dem Heiligen onsstufe viel zu oft praktiziert. Da muss man sich im Gral. Du suchst und suchst und suchst und du wirst ihn Gegenzug auch die Frage stellen, warum dann auch nie finden. Und warum? Weil es ihn rein aus der hidas weibliche Gegenüber sich wider besserer Kennt- storischen Faktenlage gar nicht geben dürfte. Was sind nis, dennoch an dem „Turngerät” bedient, wenn sich die historischen Fakten? Diese sind an konkreten Beidie werte Dame unter Umständen ein Stückchen mehr spielen nicht nur aus der jüngeren Geschichte Deutscherhofft? Da nehmen sich im Endergebnis beide Ge- lands, also nach 1945, BRD, Gastarbeiter, Wiederaufschlechter in der Regel nicht viel. Guck dir doch mal bau, etc. zu finden, sondern auch intensiv innerhalb allein meine Heimatstadt München an. Weit über ein der wesentlich weiter zurückliegenden Geschichte, Drittel unserer Einwohner fallen mittlerweile unter die wo tiefgreifende Freundschaft, Respekt und natürlich auch gemeinsame Interessen zwischen Deutschen und Türken an der Tagesordnung waren und dieses positive Verhältnis, deren beider Geschichte bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges, rein kulturell betrachtet, sehr konstruktiv geprägt haben. Eine angebliche tiefe Kluft zwischen Orient und Okzident, Germanen und Osmanen im Miteinander konnte ich da nicht wirklich ausmachen. Hier tut, finde ich, mehr Bildung Not. Ich persönlich kann da nur versuchen, meinen kleinen bescheidenen Beitrag, sowohl im Alltag als auch in der Öffentlichkeit zu leisten, indem ich (ich sage hier ganz bewusst auch meinem Volk, den Deutschen), ein Stückchen von dieser Angst zu nehmen und uns wieder auf unsere Stärken und Gemeinsamkeiten zu fokussieren und nicht auf den Mist, der uns zu trennen versucht. Ganz gleich aus welcher Richtung. In „Weil Du ein Mensch bist“ thematisierst du den Egoismus auch als Ursprung einer Gottlosigkeit. Fehlt Menschen heute oft ein spiritueller Wegweiser? Eindeutige Antwort: Ja. Es geht mir hierbei nicht darum, dass ich die Leute dazu motivieren möchte, sich jetzt in die Kirchen zu begeben. Zugegeben, wenn es mir mal aus irgendwelchen Gründen nicht so toll geht, gehe ich gerne mal in eine Kirche und setze mich einfach nur für ein paar Minuten hin und atme sozusagen geweihte/sakrale Luft. Danach geht es mir witzigerweise auch merklich besser. Im Ernst. Obwohl ich alles andere bin als religiös im institutionellen Sinne. Gar nicht meins. Es geht mir eben um eine gesunde Spiritualität und gesunde Demut und Dankbarkeit dem eigenen Leben, der Umwelt und diesem einzigartigen Planeten gegenüber. Gert Drexl www.schoengeist-music.com www.myspace.com/scheongeistmusic 43 Batcave’s Not Dead DIE ART sind auf Tour – und natürlich auch auf dem WGT – mit ihrem altbewährten Stilmix aus Wave, Gothic und Punk, der so recht in keine Schublade passen will und auch nicht soll. 23 Jahre nach ihrer Gründung macht die Band noch immer das, was ihnen selbst am besten gefällt. Die Leipziger haben in der DDR mit Texten wie „Wide Wide World“ die subversive Musik zum Untergang geliefert, sich 2001 aufgelöst und danach unter dem Namen WissMut mit härterem, elektrolastigen Dark Wave experimentiert. Seit 2007 sind sie zurück als DIE ART mit der, wie Frontmann Makarios es ausdrückt, „Quintessenz“ von DIE ART – dem aktuellen Album „Funeral Entertainment“. Punk oder Pop? Auf alle Fälle Party. Conne: Das Herzstück der neuen Platte ist die düstere Gothic-Ballade „Pale“, doch wer ein rein todessehnsüchtiges Set erwartet, wird enttäuscht: Die anderen Songs sind locker und fast schon gut gelaunt. Während einige Stücke (z. B. „Mark’s Song“) nahtlos an die Punk-Wurzeln der Band anknüpfen, kommen andere (z.B. „In the Gallery“) als melodiöser, gitarrengetragener Wave daher. Fast alle Tracks sind tanzbar, die meisten auch pog-bar, die Konzerte eigentlich immer ein Garant für eine gute Party. Das WGT ist ja sowas wie ein Heimspiel für euch. Sind die Auftritte dort anders als andere Konzerte? Conne: Das WGT ist ja ein internationales Festival, und deshalb bleibt es natürlich immer spannend. Wir spielen auf der Parkbühne, da war die Stimmung schon immer gut. Sven: Wir erreichen beim WGT mit unserer Musik Menschen, die wir in den Clubkonzerten nicht treffen, das ist schon etwas Besonderes für uns. Eine Sache, welche DIE ART ziemlich eigentlich 44 einzigartig macht, ist, dass Frontmann Maka- Die Gewissheit, dass alles endlich ist und die Gerios die todtraurigsten Texte oftmals zu lako- lassenheit, dies zu ertragen. Die tiefste Schwärze nisch-fröhlichen Melodien ist die ewige und unerfüllbare singt – z. B. „Alles, Was „Die tiefste Schwärze Sehnsucht. Aber dazu muss es Dein Herz Begehrt“ oder „In die schönstmögliche Wort- und ist die ewige The Gallery“. Sind sich hier Melodiewahl geben. Denn das Texter und Komponist nicht Leben ist zu kurz für nur mittleund unerfüllbare einig, oder empfindet ihr ren Zustand. Sehnsucht. Dazu eure Lyrics gar nicht als so traurig? muss es die schönst- Die Flügelfrau auf dem CoMakarios: Traurig ist etwas eurer aktuellen CD ist so mögliche Wort- und ver anderes. Ich sage einfach nur etwas wie das Symbol von ganz romantisch die Wahrheit. Melodiewahl geben.“ DIE ART geworden. Was geIch bin mehr Poet als Sänger nau bedeutet sie für euch? und nicht unglücklich. Aber von den Schwarzen Conne: Die Flügelfrau ist von einem befreundeten bin ich einer, der tatsächlich schwarz ist. Nicht Grafiker und ist unsere Gallionsauferstehungsfigur modeschwarz. Schwarz ist nicht Vampir oder ein – die steht sozusagen für die Wiederkehr der Band, bisschen Fetisch. Schwarz ist echter Liebeskummer. und wir lieben sie sehr. Damit knüpfen wir an die machen noch länger miteinander Musik. Was Vorgänger Christian Schierwagen kam aus dem waren eure besten Erlebnisse mit der Band? Jazz, und das hat man bis zum Schluss gehört. Ich Thomas: Unsere Auslandskonzerte. Und 1990, spiele halt ganz anders. Brutaler. Härter. Straight. als wir im Rahmen eines Kulturaustausches vom französischen Präsidenten Was steht als nächstes an? „Sachen, die in der Makarios: Im Moment sind wir im Mitterrand im Élysée-Palast empfangen wurden, das Öffentlichkeit nicht Studio und nehmen einige Titel war völlig surreal, ein echter für unsere erste „Best Of“ neu so die 100%ige auf. Nach 23 Jahren wird es mal Kulturschock. Alternative Musiker am steifen Pariser Resonanz gefunden Zeit dafür. Und dann wollen wir Buffet! natürlich so viel wie möglich live haben, gefallen mir spielen und mit unserem Publikum Conne: Das letzte Highlight war das Crimson Night Festiin Kontakt sein. Auf dem WGT, im oft viel besser als val in Münster, das hat uns Herbst dann mal wieder in der die Bestätigung gegeben, CDs, die gut verkauft Schweiz, in Berlin, Leipzig, Dresdass DIE ART auch im Weden und vielleicht auch nochmal worden sind.“ sten ein gutes Publikum anim Westen. zieht, obwohl wir da nicht mehr – oder noch nicht Sven: Ich würde auch gern mal was Langsameres wieder so bekannt sind. spielen, es muss nicht alles tanzbar und Pogo sein. Wir haben schon neues Material, aber das muss erst Wie verträgt sich ein Komponist, der gerne mal eine Weile reifen. Pop machen will, mit einem Bandchef, der of- Conne: Ich wünsche mir, noch eine lange, gute Zeit fenbar den Punk im Blut hat? zusammen zu haben und dass wir an die Erfolge, die Thomas: In den ganzen Jahren gab es für DIE ART wir bisher hatten, anschließen können. immer verschiede Einflüsse. Das Interessante ist ja Gert Drexl die Reibung, daraus entstehen unsere Songs. Unser www.myspace.com/dieart007 Musikgeschmack hat sich mit der Zeit weiterentwi- www.upsound.de ckelt. Die poppigen Einflüsse kommen halt immer von mir, und so kommt es zu dem Konglomerat, was DIE ART mit ausmacht. klassischen DIE ART Cover an – z. B. an das der „Last Live Sequences“, das ja auch sehr mystisch gestaltet ist. Die neue CD wurde ja von der Presse als Meilenstein der Band bejubelt, seht ihr das auch so? Thomas: Die Platte ist gut gelungen, die Songs darauf gehören mit zu unseren besten. Aber das gilt für mich auch für andere Scheiben, wie z.B. die „But“ und die „Last“. Conne: „Die Funeral Entertainment“ ist absolut DIE ART, aber ich sehe sie nicht als Meilenstein, da kommt schon noch was mehr. Es ist eher wie eine Erlösung, zu unseren Wurzeln zurückgefunden zu haben. DIE ART gibt es jetzt seit 23 Jahren, und die beiden Masterminds Makarios und Gumprecht Gibt es Songs, die ihr lieber spielt als andere? Makarios: DIE ART hat so viele gute, alte und neue Songs, dass wir mühelos ein Parallelprogramm aufstellen können. Das jetzige Set ist eine gute Mischung aus dem neuen Album und vielen alten Songs zum Abfeiern. Thomas: „Pale“ natürlich, aber auch Songs wie z.B. „Weather Fine“ oder „Tristesse Moderne“. Conne: Meine Lieblingsplatte ist die „Still“. Die ist rund und hat meiner Meinung nach die schönsten Texte. Sachen, die in der Öffentlichkeit nicht so die 100%ige Resonanz gefunden haben, gefallen mir oft viel besser als CDs, die gut verkauft worden sind. Viele DIE ART-Songs leben von eingängigen Basslinien als Einleitung oder Solo. War es ein schweres Erbe, der Nachfolger des großen Bassisten Heinemann zu werden? Conne: Naja, ich hab mich damals schon geziert, den Part zu übernehmen. Christoph Heinemann hat vor allem in der Anfangszeit viel beigetragen. Mein Discography: 2008 Funeral Entertainment 2007 Alles Was Dein Herz Begehrt 2002 Last Live Sequences 2000 Last 1999 Dry 1998 Mellow Versions 1997 Adnama 1996 Still 1995 Das Schiff 1994 But 1993 Gift 1991 Gold 1990 Fear 45 Paul Ravens letztes Vermächtnis Das Debütalbum „Holy City Zoo“ der Industrialrocker Mob Research ist untrennbar mit dem Ausnahmebassisten Paul Vincent Raven (Killing Joke/Ministry/Prong) und seinem tragischen Tod verbunden. Raven gründete die Band zusammen mit dem Gitarristen Mark Gemini Thwaite (The Mission/Peter Murphy) im Jahre 2007. Zusammen mit „Wenn es sich Ex-QOTSA Drummer Nick Lucero und Warrior Soul Sänger ergibt, werdet Wo und wie lange habt ihr die Kory Clarke ist Mob Research Songs geschrieben und produihr Mob ziert? ein Album gelungen, dass sich irgendwo zwischen Ministry Mob Research kam als richtiges StudiResearch mit oprojekt zusammen. Nick Lucero in LA, und Killing Joke bewegt, durch Dan Raven am Paul Raven in Portland Oregon, Kory den rotzigen und hypnotischen in NY und mir. Paul und ich haben in Gesang von Kory Clarke aber Bass sehen.“ meinem Home-Studio in LA aufgenomsehr eigenständig ist und die hohen Erwartungen an die vielversprechende men. Dann haben wir Korys Gesang im Legion’s Studio in NY aufgenommen. Das war im Sommer 2007. Besetzung erfüllt. Der Bass, die Gitarren und einige Vocals waren für Wo und wann habt ihr euch zum ersten Mal 10 Songs schon im Kasten, bevor Paul traurigerweise am 20. Oktober 2007 von uns ging. Wie mit Paul getroffen? Mark Gemini Thwaite: Ich habe Paul Raven fast 20 geplant, haben wir dann die programmierten Drums Jahre gekannt. Wir sind uns das erste Mal 1989 be- von meinem Demo durch Livedrums ersetzt, die Nick gegnet, als Killing Joke eine Pause machten und in Lucero 2008 in LA eingespielt hat. Kory hat noch London mit einem Drummer jammten, den wir bei- die fehlenden Gesangsparts eingesungen, bevor wir de kannten. Es war sehr cool, mit Paul zu spielen. die Aufnahmen zum Endmix Tim Palmer (HIM/Pearl Ich bin dann 1992 als Leadgitarrist zu The Mission Jam/The Mission) in den North Hollywood Studios gegangen und habe Paul lange Jahre nicht mehr ge- gaben. Tims Input war sehr wertvoll für uns und ich sehen. Wir haben uns dann erst 2007 in Los Angeles bin auch Ville Vallo von HIM sehr dankbar, der Tim wieder getroffen und Mob Research gegründet, von uns überzeugte und Mob Research immer unnachdem ich Paul einige meiner Demos vorgespie- terstützt hat. lt hatte. Paul gab die Demos Kory Clarke (Warrior Soul/Trouble-Sänger), der gerade in New York war. Wie schwer war es, das Album zu Ende zu proKory kam dann mit einigen großartigen Lyrics und duzieren, nachdem Paul Raven starb? Melodien für die Songs „Tribe“, „New Paradigm“ Paul war der Protagonist und Motivator in der Band. Als er starb, brauchten wir eine Weile, bis wir weiterund „Skull and Bones“. machen konnten. Paul hatte Was ist eure Bedeutung für „Holy City Zoo“? Das war der Name eines Alternativ Clubs in Birming- einen starken ham in den Achtzigern. Paul und ich sind dort auf- Charakter, vergewachsen und abgehangen. Später kam dann Kory gleichbar mit mit dem Text für „Holy City Zoo“, einer Diskussion den alten Pibasierend auf der Heuchelei von Männern, einge- raten, eine sehr sperrt in ihren gewalttätigen Religionen: „The Gods charismatische they worship are one and the same, but their Messi- und gesellige Persönlichkeit ahs are different and it drives them insane“. 46 VÖ „Holy City Zoo“: 25.05.09 und ein großartiger Bassist. Wir haben uns sehr gut verstanden, musikalisch und menschlich. Er war immer ein positiver Einfluss und seine letzten Worte zu mir waren: „Stay Positive“. Nach einigen Monaten der Schockverarbeitung, realisierte ich, dass das Mob Research Material es verdient, gehört zu werden und wir schuldeten es Paul, „Holy City Zoo“ rauszubringen. Sozusagen als letzten Teil seines musikalischen Vermächtnis. Ihr seid noch nie live aufgetreten. Habt ihr das vor? Wer wird Bass spielen? Raven war immer das Epizentrum der Band. Er war der Hauptprotagonist und Gründungsmitglied. Es fühlt sich komisch an, die Platte ohne ihn zu veröffentlichen. Doch ich glaube, Paul würde erwarten, dass wir die Platte promoten. Pauls Bruder Daniel Raven spielt auch Bass für die englische Band Gundogs und er hat uns angeboten, in die Fußstapfen seines Bruders zu treten. Wir denken gerade über eine Europatour nach. Wenn es sich ergibt, werdet ihr Mob Research mit Dan Raven am Bass sehen. Ringo Müller www.mobresearchinc.com Rappacinis Tochter Musical meets Gothic Theatre Metal: Harte, düstere Gitarrenriffs und packende Musicalszenen, geht das zusammen? Ja, das geht, und das bereits seit über einem Jahr auf sehr erfolgreiche Weise. Die Lübecker Gothic Theatre Metal Band Aeternitas schafft es, seit Anfang 2008 auf wechselnden norddeutschen Bühnen mit ihrem Gothic Musical „Rappacinis Tochter“ beides auf sehr sehenswerte Weise miteinander zu verbinden. Nach den beiden Konzeptalben „Requiem“ und „La Danse Macabre“, die die Gruppe um Sänger und Songschreiber Alexander Hunzinger dem Publikum schon in Theaterstückform dargeboten hatte, ist das Musical nun quasi die Krönung ihres bisherigen Schaffens. Beim diesjährigen WGT in Leipzig sind Aeternitas ebenfalls mit ihrem Werk zugegen, und wer dort die Aufführungen verpasst, kann in Kürze einen Livemitschnitt auf DVD erwerben. Alexander hat uns ein paar Hintergründe zu „Rappacinis Tochter“ verraten. Kannst du uns kurz erzählen, worum es in „Rappacinis Tochter“ geht? Alexander: Unser Musical basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte des amerikanischen Schriftstellers Nathaniel Hawthorne. Darin kommt ein junger Mann namens Giovanni zum Studium nach Padua und bezieht ein Zimmer mit Blick auf den geheimnisvollen Garten von Dr. Rappacini. Dort erblickt er dessen hübsche Tochter Beatrice und verliebt sich in sie. Doch sie wird in diesem Garten gefangen gehalten, da sich ein dunkles Geheimnis um sie rankt. Das ist der Beginn der unmöglichen Liebe zwischen Giovanni und Beatrice. Nun kommt in Kürze die DVD zum Musical auf den Markt. Wie habt ihr im Ensemble euren wachsenden Erfolg im vergangenen Jahr erlebt und welche Highlights gab es für dich persönlich? Es sind die vielen kleinen Erfolge, die aus dem gesamten Projekt Rappacini ein großes Highlight gemacht haben. Denn bei der Umsetzung eines so großen Bühnenprojekts gibt es immer wieder Probleme und Rückschläge, mit denen man zu tun hat. Doch bei uns war es bislang immer so, dass es auf jedes Problem anschließend wieder einen weiteren Erfolg gab und es somit immer weiterging und sich größer entwickeln konnte. Wie ist die Idee entstanden, die Musik für ein Gothic Musical Projekt zu schreiben und das Musical anschließend zu inszenieren? Da ich bereits eine langjährige Leidenschaft für dramatische Musicals hatte, war es immer mein Ziel, selbst ein Musical zu erschaffen. Durch die Erfahrungen unserer ersten Aeternitas Konzeptalben schien mir der richtige Zeitpunkt gekommen, um eine Umsetzung zu wagen. Ist die Musik von „Rappacinis Tochter“ vor allem von Metal-Elementen geprägt oder gab es auch noch weitere musikalische Einflüsse? Wir haben seit jeher verschiedenste musikalische Elemente in unserer Musik untergebracht. Speziell bei der Umsetzung des Musicals kam es mir besonders darauf an, den Inhalt in eine passende musikalische Form zu gießen. Dazu gehören Metal Riffs an aggressiven Stellen, aber auch klassische Musical Elemente an dramatischen Stellen, die besonders durch unseren Co-Autor Tilman Kracke eingebracht wurden. Nach welchen Kriterien seid ihr bei der Besetzung des Stückes vorgegangen? Zunächst wurden natürlich die Rollen innerhalb der Band-Sänger verteilt. Doch wir brauchten auch andere Darsteller, die wir auf verschiedenen Wegen gefunden haben. Letztlich gab es immer eine Art Casting, bei dem wir geschaut haben, ob der Darsteller oder die Darstellerin künstlerisch zur Rolle passt. So haben wir unser gesamtes Ensemble zusammengestellt. Wer hat bei dem Stück die Regie geführt, wer war für das Bühnenbild und wer für die Kostüme verantwortlich? Seit den ersten Konzeptentwürfen arbeiten wir mit unserer Regisseurin Sandra M. Heinzelmann zusammen. Sie war die ganze Zeit bei der Umsetzung der Texte und erst Recht bei der Bühnenumsetzung dabei, die sie inszeniert hat. Die Kostüme stammen von Rina Prühs und das Bühnenbild wurde von Karsten Wiegers entworfen. Mindestens genauso wichtig bei unserer Show ist aber auch das Lichtdesign von Christine Köhler und Anna Wolf, das die dunkle Atmosphäre passend unterstützt. Wo fand der Livemitschnitt statt? Der Livemitschnitt fand am letzten Abend unserer Hamburger Sommerspielzeit 2008 im Delphi Showpalast statt. Dort haben wir im Sommer 14 Auftritte gespielt. Wo wird man in den kommenden Monaten „Rappacinis Tochter“ live erleben können? Nach dem WGT, wo wir vier Shows spielen werden, stehen bereits Auftritte im Herbst 2009 in Soltau, Seevetal, Hockenheim und Helmstedt fest. Weitere Auftritte sind für 2010 in Planung. Stephanie Riechelmann www.rappacini.de 47 Frozen Plasma Groovende Gesellschaftskritik austoben dürfen, wählte ich den plakativen Namen als Bandbezeichnung. Das Duo bereitet sich in Windeseile auf ihren neuen Release „Monumentum“ vor und schickt als Appeti- Ihr habt ja beide einen schon länger bestehenzer die neue Single „Earthling“ ins Rennen. Nach der den Background. Inwieweit bringt ihr euch in Auflösung der Futurepopband NamNamBulu 2005 die Musik ein oder wie muss man sich das Entblieb Vasi nicht untätig und gründete noch im sel- stehen eines FP-Songs vorstellen? ben Jahr mit Felix Marc Frozen Plasma. Diesen lernte FM: Grundsätzlich gilt bei FP: Songs und Texte komer auf einem VNV Nation Konzert kennen und die men von Vasi, Gesang kommt von Felix. Vereinzelt beiden harmonierten musikalisch sofort miteinan- ergänzen wir uns gegenseitig bei der Zielfindung der der. Das mag auch daran liegen, dass beide einen Tracks, oder ich steuere ein bis zwei Eigenkompositiprofessionellen musikalischen Background haben. onen oder Mixe einzelner Tracks bei. Das Projekt Frozen Plasma, welches sich durch Va- Vasi: Genau! Felix macht nix. Liegt nur rum und suhlt sis traumhafte Sequenzen und der charismatischen sich im Ruhm, während ich arbeite. Nein, generell Stimme von Felix Marc mache ich das Songwriting und die Texte sowie die Produktion. Aber auch schnell in die Gehörwin„Die Gesellschaft wenn das nach strikter Arbeitsteilung dungen fraß, ist in seiner sind wir. Wir klingt, es ist trotzdem eine perfekt Einheit einfach einzigartig. Heute, vier Jahre nach verpassen durch das eingespielte Einheit und ich bin immer Gründung, ist das Duo aus wieder erstaunt, wie gut die ZusamAbschieben vieler menarbeit funktioniert. dem Futurepop-Olymp Probleme auf ‚die nicht mehr wegzudenken. Nach euren letzten Hits wie „Tanz Gesellschaft’, die die Revolution“ und „WarmonFrozen Plasma ist ja, wie richtigen Lösungen gers“ sind wir nun gespannt auf alle wissen, nach dem Neues. Die neue Single heißt Ende von NamNamBulu zu finden.“ „Earthling“ und die geht wieder entstanden. Werdet ihr noch immer oft darauf angesprochen oder hat ins Ohr, schlägt aber wieder etwas ruhigere Töne an. Wie kam es zu sich das so langsam aufgelöst? Vasi: Es gibt immer wieder mal jemanden an einer dem Song und was verbinShow, der mich darauf anspricht. Das ist für mich det ihr damit? auch ok da es zu meiner musikalischen Zeitachse Vasi: „Tanz die Revolution“ gehört. Aber FP hat definitiv gar nix mehr mit NNB war ein Experiment. Deutscher Text, provokativ und plakativ. zu tun. Wir haben viel Lob aber auch Wie kam es eigentlich zu dem Namen Frozen (erwartet) viel Schelte erhalPlasma, der ja eher aus dem medizinischen Be- ten. Solche Experimente muss reich kommt? man jedoch einem Musiker Vasi: Ich hab mal zwei Sendungen nacheinander ge- zugestehen. Und ich stehe zu sehen. Die erste über eine Hungersnot in Afrika und dem Song und zwar musikawie schwierig es ist, einfachste Lebensmittel dahin zu lisch wie auch textlich. „Earthtransportieren, geschweige denn Medikamente usw. ling“ sollte die „andere” Seite Danach kam eine Sendung bzw. eine Reportage über von FP aufzeigen. Die ruhigere die medizinischen Möglichkeiten der heutigen Zeit. und melancholische mit dieUnter anderem die Möglichkeit Plasma einzufrieren sem typischen Pathos. Das und wieder aufzutauen um es wiederzuverwenden. Album wird kein reines CluIrgendwie war das pervers – Kein Reiskorn da fürs balbum mit zehn Mal „WarÜberleben – und absolut wahnwitzige medizinische mongers“ drauf, sondern viele Möglichkeiten hier. Mag jetzt etwas pathetisch klin- Facetten vereinen, von daher gen. Da meine Texte sich zumeist sehr sozialkritisch sollte die zweite Single kon48 trär zu „Tanz die Revolution“ sein. Die Idee kam mir wie so oft beim Zappen durch die Nachrichten im TV. Oft fällt der Begriff: „Die Gesellschaft muss” Die Gesellschaft sollte! usw. Die Gesellschaft sind wir. Wir verpassen durch das Abschieben vieler Probleme auf „die Gesellschaft”, die richtigen Lösungen zu finden. Jetzt sind gerade die Banker schuld, morgen die Ölfirmen, dann wieder andere. Wir alle sind aber Teil des Systems und des Lebens auf der Erde. Wir sind die Gesellschaft und wir haben es in der Hand, Dinge zu ändern. Wir wollen nur nicht. Heiko Nolting www.myspace.com/frozenplasma Dark Park Festival Schwaben wird wieder schwarz Die Tränke der Götter Honig, Wasser und Hefe – mehr brauchten schon die alten Germanen nicht zur Herstellung des Mets. Schon vor über 3000 Jahren besaßen unsere Vorfahren dieses Wissen. In den Hochkulturen Vorderasiens und Ägyptens schätzen Historiker die Wurzeln des Honigweins sogar noch früher. Den Ursprung vermutet man in vergorenen Pollen, die über den Winter oder bei Schifffahrten gegen Skorbut mit Honig eingelagert wurden. Waren die Gefäße undicht, so drangen mit der Luft Hefepilze ein und die Gärung begann spontan – ein Geschenk der Götter sozusagen! Unlicht, der Szeneshop aus Düsseldorf hat sich auf Met und Absinth spezialisiert und bietet allein 60 Sorten verschiedener Metarten an. Diese unvergleichliche Auswahl wird durch allerlei Utensilien abgerundet. Vom Tonbecher zum Trinkhorn und verschiedenen Honigsorten wird auch der Liebhaber immer wieder aufs Neue überrascht. Die Qualität und Herkunft des Honigs bestimmt neben vielen anderen Faktoren der Herstellung den Geschmack des Mets und so verwundert es nicht, dass es von lieblich über halbtrocken bis zu trockenem Met verschiedenste Geschmacksrichtungen gibt. Egal ob Edeltanne, Lavendel oder Olmokakteen – Zu fast jeder von Bienen bestäubten Pflanzenart gibt es eine Metsorte. Aber auch Absinth, das Getränk, um das sich so manche Erzählung der Romantik dreht, ist bei Unlicht zu Hause. Gerade der Absinth erfuhr in den letzten Jahren seit seiner Legalisierung eine Renaissance. Sogar Schockrocker Manson ließ sich seine eigene Marke brauen und kredenzen. Natürlich ist diese Sorte auch im Angebot des Unlicht Stores, der übrigens auch im Internet über einen umfangreichen Webshop verfügt. Wer nach einem besonderen Geschenk Ausschau hält, sollte hier fündig werden. Peter Istuk www.unlicht.com Zum ersten Mal wird dieses Jahr im Stuttgarter Raum ein größerer Event in Sachen „schwarz“ stattfinden. Die Veranstalter des Dark Park Festival schicken sich an, ein amtliches Open Air auf die Beine zu stellen, dass es so in der Region noch nicht gegeben hat. So wird am 27. Juni eine grüne Wiese zwischen Stuttgart und Tübingen zur Bühne für ein (in diesem Jahr noch eintägiges) neues Dark Wave Festival, welches wohl alle Schichten der Szene ansprechen wird. Fast schon drei Headliner stehen ganz oben auf dem Billing: Unheilig hatten es ja bereits in die offiziellen deutschen Single- wie auch Album-Charts geschafft und dürften daher auch der breiten Masse ein Begriff sein. Project Pitchfork sind alte Recken der Szene und glänzten zuletzt wieder mit tollen Alben. Welle:Erdball dagegen sind extrem tanzbar und mit ihren eigenwilligen Auftritten einfach Kult. Dazu gesellen sich mit Heavy Current und Battle Scream zwei sehr angesagte Bands der jüngeren Generation, die beide live schon vielerorts zu glänzen wussten. Der Opener Eigensinn bringt die rockige Note mit ins Spiel und ist mit seiner enormen Bühnenpräsenz der ideale Anheizer. Ein weiteres Highlight wird die von „Stuttgart Schwarz“ präsentierte After Show Party, bei der sich gegenseitig mehrere Szene DJs wie zum Beispiel DJ Dave, Martin Sprissler oder DJ Jolly die Turntables bis in die Morgenstunden übergeben werden. Neben den üblichen Verköstigungs-Ständen wird es auch einen kleinen Markt geben, bei dem vor allem natürlich kleidungsmäßig aufgerüstet werden kann. Die Tickets sind für 29,- Euro zzgl. VVKGebühren und MwSt. bei allen bekannten Vorverkaufsstellen zu haben oder können online unter [email protected] bestellt werden. Den ersten 500 Bestellern winkt übrigens ein Gratissampler, der exklusiv zum Festival kompiliert wurde. Siegmar Ost www.dark-parkfestival.de 49 Dark Underground Lifestyle Weekend Die Festival Saison ist im vollen Gange und man kann sich kaum entscheiden, auf welches der tausend Festivals in Deutschland man gehen soll. Doch nicht nur in heimischen Gefilden ist das Überangebot vorhanden. Seit nunmehr zehn Jahren gibt es in Utrecht in den Niederlanden das Summer Darkness Festival, das schon lange in Sachen Bands und Atmosphäre ein ernstzunehmender Konkurrent im Festival-Urwald geworden ist, spielte in der Vergangenheit doch schon so ziemlich alles, was Rang und Namen in der Schwarzen und Alternativen Szene hat und es ist auch seit 2006 ständig ausverkauft. Das Summer Darkness findet immer am zweiten Augustwochenende, gleichzeitig mit dem M’era Luna Festival statt, ist aber eher eine Konkurrenz zum WGT, da die Konzerte und ein komplexes Rahmenprogramm an vielen verschiedenen Locations in ganz Utrecht an insgesamt fünf Tagen stattfinden. Wie in den Jahren zuvor werden die Veranstaltungen in zentralen Veranstaltungsorten wie dem Tivoli, Tivoli de Helling, Ekko und fünf weiteren Locations stattfinden. Dazu gibt es exklusive Kirchenkonzerte und Disco/ Club-Veranstaltungen mit internationalen Top-DJs. Das Bandprogramm kann sich natürlich auch sehen lassen und liest sich wie das who is who der Szene. Die geografische Nähe zu Westdeutschland ist ein weiteres Argument dafür, einmal ins benachbarte Holland zu reisen. Wer dieses mal nicht schon wieder auf altvertraute und gewohnte deutsche Festivalumgebung Lust hat, der sollte nicht zögern und nach Utrecht fahren. Vorläufiges Line-up: 5F-X, Absolute Body Control, Atomic Neon, Beneath the Massacre, Covenant, Dandelion Wine, Dernire Volont, Deviant UK, Eisbrecher, Embrun, Emilie Autumn, Gothminister, Grendel, Hate Eternal, Klangstabil, Kloq, Korpiklaani, Lacuna Coil, Misery Index, Modulate, Ms Gentur, Negura Bunget, Noyce, Nullvektor, Other Day, Psycroptic, Reaper, Rosa Crvx, Rotersand, Sieben, S.K.E.T., Spetsnaz, Suffocation, Summer Slaughter, The Birthday Massacre, The Crüxshadows, The Faceless, Triarii, Tyr, Tyske Ludder, Uberbyte, VNV Nation 50 Roman Rain Russlands trauriger Zar Russland ist ein erstaunliches Land. Während sich unsere Musikbranche die Wunden leckt und auf Nummer sicher geht, Innovationen in der Szene auf den Nullpunkt wandern und Künstler sich allenfalls im Kopieren gängiger Standards üben, gebärt der russische Underground eine gänzlich neue dunkle Szenebewegung. Geprägt von slawischer Schwermut und dem Hang zum Existenzialismus eroberte der aus dem östlichsten Teil Russlands stammende Roman Rain den Osten wie einst Dschingis Khan. Und in der Tat: Gibt man den Namen Roman Rain in Youtube als Suchbegriff ein, kann man sich nach mehreren Stunden spannender Szeneschau in eine andere Welt verwundert die Augen reiben und getrost zugeben: Hier haben wir Großes verpasst. Roman Rain ist der ungekrönte Zar der russischen Schwermut. Roman Rain begleitete zuletzt auch die 23 Städte umfassende Tournee von Das Ich im Jahre 2008 und konnte mitunter dank seiner treuen Fanschar größeren Applaus als die erfolgsverwöhnten Herrschaften aus Deutschland einheimsen. Der aus dem asiatisch geprägten Vladivostok stammende Roman Rain zog nach seinen ersten Erfolgen in Richtung des 6500 km entfernten Sankt Petersburg, um zumindest im Zentrum der russischen Kulturwelt gleich gesinnte Künstler wie z.B. Otto Dix zu treffen. Roman spielte im Alleingang sämtliche Instrumente wie Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboard ein, entdeckte erst spät sein stimmliches Volumen, das zwischen finstersten Bassbariton bis zu höchsten Jubeltenorlinien brilliert. Auf der Bühne kann man sich der Magie und Hingabe des zerbrechlichen, ja beinahe kränklich wirkenden Sängers kaum entziehen – Roman Rain lebt, leidet und stirbt in seinen Liedern den russischen Traum der wahren Hingabe an ein Ideal. Ein Ideal, das in seiner Intensität vielleicht allenfalls in der frühen Sturm und Drang Epoche eines Schillers sein Ebenbild findet, jedoch in der fatalistischen Selbstaufgabe nur aus einer russischen Biografie heraus verstanden werden kann. Songs wie die optimistische Dancehymne „Higher“, die tieftraurige Ballade „Ja Umerla“ oder die Aufbruchshymne „Show Me The Way“ versprechen ein ungehörtes Wechselbad der Gefühle zwischen Romantik und modernem Synthpop, das in dieser Form in Westeuropa bisher ungehört blieb. Glücklicherweise ist ab dem 5.6. eine Best Of Sammlung des Künstlers endlich auf iTunes und Musicload als Digitalrelease erhältlich. Ob sich die neue russische Schwermut in Deutschland etablieren kann, und Künstler wie Roman Rain oder Otto Dix je den Weg auf westeuropäische Bühnenbretter finden werden, steht in den Sternen. Näher dem Firmament sind sie jedoch alle, wenn sie in den Weiten der Taiga ihren Träumen hinterher reisen. Dort zumindest befindet sich gerade Roman Rain auf Tournee und singt voller Inbrunst „Show me the way“. Gert Drexl www.myspace.com/romanrain Schwertkampfschule Ricker Sie wollten immer schon ein Schwert schwingen wie Aragorn oder der Highlander? Sie wollen auf einem Mittelaltermarkt nicht nur den Schaustellern zuschauen, sondern aktiv mitkämpfen können? Das Mittelalter und das historische Kämpfen fesselt schon lange Ihr Interesse? Dann besuchen Sie die Schwertkampfschule Ricker! Lernen Sie mittelalterlichen Schwertkampf und Showkampf! Ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, ob Hochleistungssportler oder „Sportmuffel“ - erleben Sie eine Sportart voller Spaß und Action! Infos unter: www.schwertkampf-und-mehr.de oder unter: 0179 / 41 62 370 51 Magische Anziehungskraft Zwei Jahre nach ihrem Erstling „Monsterproof“ kehrt das Schweizer Soundtüftler-Duo mit „Gravity“ zurück. Das neue Album hat noch einmal an Anziehungskraft gewonnen. Die einfühlsam-erotische Stimme der Sängerin Andrea B. harmoniert perfekt mit den tragenden, filmischen Stimmungen mit mal sanften, mal hämmernden Grooves aus Synthesizern und Gitarren. Unter anderem sorgte Gareth Jones (Depeche Mode/Nick Cave) für die magische Produktion. Euer Debüt „Monsterproof“ habt ihr noch in Eigenregie produziert. „Gravity“ entstand zusammen mit mehreren namhaften Produzenten. Nun, wir haben letztlich auch „Gravity“ selbst produziert. Peter Scherer, Gareth Jones und Peter Schmidt standen uns als Engineers und Co-Produzenten zur Seite. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden und haben Seelenverwandte gefunden. Gareth Jones produzierte oder mischte die aus unserer Sicht besten Tracks von Depeche Mode, den Einstürzenden Neubauten und Nick Cave – sie bei ihrer Arbeit zu erleben, war für uns eine äußerst bereichernde Erfahrung. Oft verstanden wir uns ohne Worte. Euer erstes Album entstand an der Ecke Division Street/Kent Avenue. Wo habt ihr diesmal gearbeitet? 52 Division Kent Unser Kompositions-Equipment ist Koffer-tauglich, & Will Ask?, Melnyk, Love Motel u.a.) über Myspace was uns erlaubt, Musik zu machen, wo immer wir gefunden – entstanden ist eine interessante Mixtur gerade sind. Und das nutzen verschiedenster Spielarten elek„Die Verbindung wir auch gerne aus: Eine intronischer Musik. tensive kreative Zeit hatten zwischen Elektronik wir zum Beispiel in einem Eure Musik lässt sich schwer Bildhauer-Atelier in Cada- und Saite ist bestimmt einordnen. Von Punk, Electro ques/Katalonien – inmitten ‚unsere Spielwiese’“ über Trip Hop bis Rock ist so wilder Natur, die schon die einiges dabei. Welche KünstSurrealisten verzauberte. Unser musikalisches Hei- ler haben euch beeinflusst? matgefühl ist wohl doch am ehesten mit „staa- Jaja, die lieben Definitionen. Wir sind ja selbst noch tenlos“ zu beschreiben, da die Inspirationsquellen auf der Suche nach den treffenden Worten. Die Verzahlreich sind. Losgezogen wir sicher in der Fusion bindung zwischen Elektronik und Saite ist bestimmt von Elektronik und Gitarrensounds der frü- „unsere Spielwiese“ – für die eine oder andere Seite hen 80er. Dunkle Töne waren für uns beide können wir uns dann in Nebenprojekten entschei„unsere Ecke“. Die Bewunderung für vier den. Die Urgesteine unserer Einflüsse sind weder die Jahrzehnte Serge-Gainsbourg’sche Kunst Beatles noch die Stones, sondern Depeche Mode, und Zeitgeist in Sprache und Musik haben New Order, David Bowie und Serge Gainsbourg, einen Hang zur Frankophilie gesät. aber auch „Shoegazer-Bands“ wie Slowdive und My Bloody Valentine. Natürlich gefallen uns auch aktuelle Bands wie Ladytron, Interpol, Vive la fete, IAMX Die Texte auf „Gravity“ sind bis auf und viele mehr. einen französischen Song in Englisch. Wer oder was entscheidet über die Wo werdet ihr demnächst auftreten? Ist Sprache eurer Songs? Welche Idee Deutschland dabei? steht hinter dem Albumtitel? Absolut. Wir sind ab Herbst wieder unterwegs. Am Anfang unserer Songs steht eigentlich Poloni Melnikov immer eine musikalische Atmosphäre, oft www.division-kent.com elektronisch generiert. Daraus ergibt sich www.myspace.com/divisionkent die Sprachwahl; die Lyrics entstehen dann in einem beinahe „automatischen“ Schreibprozess, sind assoziativ, poetisch, bildmalerisch. Sie galoppieren in einem maximalen Freigeist über die musikalische Ebene und fassen so, was schwierig zu fassen ist. Der Albumtitel „Gravity“ steht im weitesten Sinne für die Anziehungskraft zwischen Dingen, die alles zu verändern in der Lage ist. Es hat sich für uns wiederholt gezeigt, dass sich die wirklich magischen Momente beim Musik machen jeder Kontrolle entziehen. So geschehen zum Beispiel beim Track „Gravity“, der den Titel zum Album gab. Ein Unfall in der Beat-Programmierung hat der ursprünglichen Komposition eine Wende gegeben und den ganzen Song auf einen ganz anderen Planeten geschickt. „Gravity“ hat aber auch bei der Entstehung der Bonus-CD mit den Remixes gewirkt und eine neue Dynamik für jeden einzelnen VÖ „Gravity“: 12.06.09 Song gebracht. Die Songs haben ihre Remixer (Joe 53 wickelt? Zumal dieses Album in eurer Heimat den Preis als „Debut Album of the Year 2008“ Amberian Dawn haben sich gewaltig gemau- auf dem „Metal of Finland“-Contest gewonsert. Die gemeinsame Tournee mit Epica hat nen hat. der typisch nordischen Band um die Sängerin Tuomas: Sicher entwickelt man sich weiter, aber Heidi einen riesigen Popularitätsschub ver- ehrlich gesagt, nicht so riesig. Der Klang an und passt. Auch wenn es eine Gothic Metal Band für sich ist viel größer und breiter angelegt, aber mit weiblicher Frontfrau nicht leicht hat, weil generell setze ich mir keine Ziele, wenn ich an neuder Vergleich mit Nightwish unmittelbar an- en Songs arbeite. Besonders wenn Erwartungen an gestellt wird, besonders wenn man dann auch dich gestellt werden. Ich denke, dass aber unseren noch aus Finnland stammt – Amberian Dawn Fans das neue Album sehr gut gefallen wird. Was unterscheiden sich nicht nur marginal von den solche Contests betrifft, die sind uns nicht wirklich übergroßen Landsleuten, denn im Gegensatz wichtig. Gerade durch die Tourneen in Europa hazu den sehr geradlinigen und unmittelbar ein- ben wir so unglaublich viele Menschen erreichen gängigen Songs von Nightwish punkten Am- können. Ich hoffe natürlich, dass unser neues Alberian Dawn mit virtuosen und ausufernden bum wieder genauso die Geister scheiden wird, wie Songriesen, die genug Platz für die vielgestal- unser Debüt. Heidi: Lyrisch bedienen tigen Gesangspassagen der wir uns weiterhin im großartigen Sängerin Heidi „Ich hoffe natürlich, liefern. Mystischen und Mythen dass unser neues Album umrankten Bereich. Ob Inwieweit habt ihr euch das nun die Kalevala (finwieder genauso die Nationalepos, vermusikalisch und textlich Geister scheiden wird, nisches gleichbar mit der Edda/ seit eurem letzten Album „River of Tuoni“ weiterentwie unser Debüt.“ Anm. der Red.) oder eben Finnischer Eigensinn Märchenerzählungen sind. Diesesmal gibt es schillernde Geschichten, die mal aus Ägypten, mal aus der Edda oder eben aus slawischen Erzählungen stammen. Ich denke, das neue Album ist vielgestaltiger im Vergleich zum Vorgänger. Auch als Band sind wir weiter zusammen gewachsen. Wie würdet ihr den aktuellen Status der finnischen Metalszene beschreiben? Inwieweit glaubt ihr, euch vom sehr traditionell finnischen Metal zu unterscheiden? Heidi: Ich denke, dass wir uns gerade in der Komplexität der Gesangslinien von vielen anderen finnischen Metalbands mit Frontsängerin unterscheiden. Nach wie vor ist der weibliche Anteil an Frontsängern geringer als der männliche. Trotzdem wird immer schnell die Messlatte herausgeholt, um sich mit Nightwish messen zu müssen. Im Endeffekt bezieht sich jede Musik wieder auf eine andere. Trotzdem ist gerade der Anteil weiblicher Stimmen im finnischen Metal höher als sonst wo. Ihr werdet dieses Jahr ja auch auf dem Belgischen „Metal Femal Voices“ Festival auftreten. War die Wahl einer weiblichen Frontfrau von Anfang an geplant? Tuomas: Ganz am Anfang hatten wir sogar eine männliche und eine weibliche Stimme. Irgendwie hatte aber die Chemie nicht gepasst. Heidi ist natürlich eine außergewöhnliche Stimme. Letztendlich muss aber immer die Musik gut sein, da ist es vollkommen egal ob weiblicher oder männlicher Gesang. Maria Mortifera www.amberiandawn.com 54 55 Die Zukunft des Futurepop Torsten: Weiterhin gibt es noch den pragmatischen Grund, dass ich eher in Englisch texte und Thorsten ein sehr gutes Gefühl für deutschsprachige Songs hat. Die Gruppe Pandique meldet sich mit ihrer zweiten CD zurück. Damals aus dem Projekt Bei den ersten Songs auf dem Album dachte Morgentau gegründet, besann man sich seit ich an etwas Ruhiges ala Illuminate oder La2001 zu zweit auf die musikalische Reise zu ge- crimosa, aber letztendlich ist es doch eher ein hen. Heraus kam 2001 direkt ein fünfter Platz Futurepop Album, was meint ihr? beim Sonic Seducer Battle Of The Bands. Thorsten: Ja, du hast Recht. Man kann es auch durchDass sie sich darauf nicht aus als Futurepopalbum bezeichnen. Da wir Apop ausgeruht haben, zeigt „Futurepop hat das neue Werk „In Sturm oder auch VNV gerne hörten irgendwie in den und Leben“. Mit teilweibzw. hören, finden wir nichts se sozialkritischen Texten letzten Jahren so etwas Schlechtes an diesem Begriff, regt ihre Musik zum Tanja nun jedes Plattenwie ein Imageproblem obgleich zen aber auch zum Nachlabel ihren Bands, die nach denken an. bekommen.„ Futurepop klingen, einen anderen Stempel aufdrücken wollen. Futurepop hat irgendwie in den letzten Jahren so etwas wie ein Imageproblem bekommen. Viele Bands machen immer noch Futurepop, weil sich keine innovative Stilrichtung seit VNV Nation entwickeln konnte, aber niemand sagt das so. Aber egal. Das wichtigste ist nur eins: Dass es gefällt. Torsten: Gerade aber genau diese Musikrichtung hat mich, der ja hauptsächlich die Songs komponiert und produziert, stark beeinflusst – wobei wir es jedoch tunlichst vermeiden wollen, irgendwelche Vergleiche heraufzubeschwören. Ich bin einfach nach wie vor ein großer Freund melodiöser elektronischer Popsongs, die auch mal einen Abstecher in Trancegefilde nicht scheuen. Mir ist aufgefallen, dass ihr gerne zwischen Englisch und Deutsch wechselt. Warum das? Thorsten: Nicht jede Musik lässt am Ende auch einen deutschen Text zu. Es gibt einfach Songs, da funktionieren keine deutschen Texte. Der Funke springt nicht richtig über. Deshalb auch der ein oder andere englischsprachige Song, wobei wir ja schon eher in Deutsch singen. 56 Mit „Toter Stein“ und „1000 Mütter“ wählt ihr ja sehr politische Themen. Seid ihr politisch engagiert? Thorsten: Ich bin in keiner Partei, wohl aber weiß ich die Errungenschaften des Wahlrechts durch unsere Großväter zu würdigen und gehe auch immer brav wählen. Ich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, am Wahltag nicht wählen zu gehen, denn die Freiheit ist uns nicht von Gott gegeben und ich ziehe die Demokratie der Diktatur vor. Ich bin aber auch an Geschichte interessiert und wenn du einmal von Jonathan Littell „Die Wohlgesinnten“ gelesen hast, wirst du „1000 Mütter“ noch einmal anders interpretieren. In den ruhigen Liedern, von denen ich am Anfang sprach, klingt dann alles so melancholisch, auch durch den weiblichen Part. Eine weitere Facette? Thorsten: Ja, ich glaube, das neue Album ist sehr abwechslungsreich, was nicht zuletzt auch am Einsatz der weiblichen Stimme liegt. Wenn du ein Album über 60 Minuten hörst, brauchst du auch Abwechslung, damit du es zu Ende hören kannst. Das Schlimmste, was passieren kann, ist Langeweile. Torsten: Wir hatten von den Songs des Albums durchaus verschiedene Versionen zur Auswahl, wobei wir dann möglichst unterschiedliche für das Album ausgewählt haben, um dem Hörer eine Vielfalt zu bieten, die jedoch auch irgendwie rund ist im Ganzen. Heiko Nolting www.pandique .com 57 Jahre 2007 und ko m b i n i e r t e n noch Elektropopelemente mit akustischen Alternativen. Unser neuer Longplayer ist nun komplett akustisch. Ich würde unsere Musik sogar als Gothic Folk Anachronistische Rebellen bezeichnen. Die Interaktion von Musik und visueller Es gibt immer wieder Veröffentlichungen, die Komponente war uns immer sehr wichtig. Elisabeth ist als Mitglied der Band und schon allein durch ihr Outfit „Neben Absinth Gestalterin des Artworks sehr direkt ins Auge fallen. Waren an einer singulären Vision von das noch vor ein paar Jahren mögen wir aber Kunst und Musik interessiert. blutige Schockrocker, mal mit auch Whisky, künstlichen Leichenteilen, mal mit eitrigem Kunstblut, so ist Wein, Wodka, Gin, Euer Name erschließt sich nur dem profunden Kenner heutzutage eher das in die Vergangenheit gerichtete Grün- Champagner, gutes von Lews Carroll. derzeitimage ein echter HinBier und Cocktails. Er stammt aus der Fortsetzung gucker. Die australischen Brillig von „Alice’s Adventures in WonWir sind gegen derland“, „Through The Looking können aber auch in der Wahl der Instrumente punkten und Diskriminierung.“ Glass“. Diese Geschichte vereinen alles, was sich an folkloristischem Instrumentarium aufbieten lässt. beginnt mit einem Gedicht naIhre Songs klingen erfrischend anders und ver- mens Jabberwocky, welches in zaubern im Vorübergehen. Doch gerade die seiner abgründigen musikalische Staffage war und ist bei Brillig Mysteriösität an unsere Band erineinem stetigen Wandel ausgesetzt. nert. Im Gedicht Matt Swayne: Als wir anfingen, ging es uns vor allem darum, sehr experimentell- elektronisch geprägte Klänge zu erzeugen. Der Fokus hat sich aber von Album zu Album immer stark verschoben. Unser jetziger Sound hat nichts mehr mit den Anfängen unserer musikalischen Reise gemein. Unsere ersten Veröffentlichungen auf Black Rain stammen aus dem 58 wird der Name als jene zwielichtige Zeit rund um den Abend beschrieben. Natürlich hat gerade unser Bandname viele Lewis Carroll Fans auf uns aufmerksam gemacht. Ich selbst bin auch Sammler verschiedenster Ausgaben und freue mich auch schon während des WGT in Leipzig, auf dem wir auch spielen werden, in Buchläden nach deutschen Ausgaben stöbern zu können. Daneben werden wir auch noch in Berlin und Prag gastieren. Einer Eurer Songs ist dem Absinth gewidmet. Genau, „Absinth makes the heart grow fonder“ beginnt mit einer Anleitung, wie man Absinth im traditionellen Sinne des alten Paris zubereitet. Daneben stellen wir die eher moderne Variante des Absinthfackelns. Und in der Tat sind wir dem Absinth zugetan. In Australien war Absinth, glaube ich auch noch nie illegal. Entsprechend ist Absinth jetzt auch nicht wirklich populär. Neben Absinth mögen wir aber auch Whisky, Wein, Wodka, Gin, Champagner, gutes Bier und Cocktails. Wir sind gegen Diskriminierung. Eure Instrumente sind entsprechend vielfältig. Ja das stimmt, wir haben eine riesige Sammlung an Instrumenten, die wir größtenteils auf „The Red Coat“ verwendet hatten. Elisabeth spielt Viola, Piano, Akkordeon, Ukulele, Zither, ich spiele Gitarre, Banjo und Mundharmonika. Jedes Instrument bringt neben seiner Klangfarbe auch spezifische Gefühle zum resonieren. Sei es die Zither, die wir immer für tragische Momente benutzen oder das Banjo, das langsam und in Moll gespielt ziemlich beunruhigend wirkt. Ebenfalls bringt das Banjo diesen altmodischen Südstaatenflair in den jeweiligen Song. Elisabeths Ukulele hat einen unglaublich schönen und individuellen Klang und stammt aus einer australischen Traditionsschmiede. Wir werden übrigens alle diese Instrumente mitbringen. Daniel Friedrich www.brillig.com.au 59 Juni / Juli 09 Ausgabe 20 - Jahrgang 4 Down Below Schöngeist Funker Vogt Oberer Totpunkt G M ra it t n is eh z m um en The VNV Nation Birthday Massacre Frozen Plasma Funker Vogt Akanoid Tyske Ludder Schöngeist Amberian Dawn