veljanov veljanov

Transcription

veljanov veljanov
OKTOBER / NOVEMBER 08
AUSGABE 16 - JAHRGANG 3
VELJANOV
DAS ICH
QNTAL
ILLUMINATE
G
M RA
IT T
N IS
EH Z
M UM
EN
UNHEILIG
DAS ICH
IMATEM
JACK FROST
QNTAL
ILLUMINATE
SCREAM SILENCE
WHISPERS IN THE SHADOW
SOUL IN SADNESS
KONTRAST
2
INHALT
EDITORIAL
Die letzte „ganze“ Ausgabe unseres dritten Jahrgangs und wir reiben uns verwundert die Augen:
Schon wieder wird der Underground ein Jahr älter,
die Nächte länger und der Sprit teurer. Trotzdem
bleiben wir weiterhin das einzige Gratismagazin
der Szene und an uns macht man sich die Finger
nicht schmutzig. Wir haben mit Veljanov und Spilles
zwei der dienstältesten und verdientesten Frontmänner dieser Szene aufs Titelblatt geholt. Sowohl
Alexander Veljanovs als auch Peter Spilles’ Soloprojekt spenden Mut und beweisen eindrucksvoll:
Man kann sich auch von übergroßen Schatten befreien und bleibt sich trotzdem treu. Und was gibt
es sonst noch: Interessante Bücher, Communities,
Veranstaltungen und Veröffentlichungen, die uns
allen die kalte Jahreszeit versüßen. Und wer während der kalten und regnerischen Tage nicht in den
Club möchte, um sein NEGAtief zu holen, dem sei
gesagt: Du kannst das NEGAtief auch abonnieren
und es ist trotzdem gratis!
Eure Redaktion
NEGATIEF ABO
Schon wieder ist das NEGAtief in Eurem
Club vergriffen? Media Markt und Saturn
haben auch keine mehr? Holt Euch das NEGAtief nach Hause! Ihr zahlt lediglich einen
Jahresbetrag von 12 Euro für Porto und Verpackung und habt sechs Mal im Jahr noch
vor dem Streetdate das NEGAtief in Eurem
Briefkasten. Schickt eine E-Mail mit dem
Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an
[email protected].
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Tourdaten
Kolumne Schementhemen
Soundcheck
Buchcheck
Gothic-Family.net
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Alexander Veljanov
Atomic Neon
Bacio di Tosca
The Beauty of Gemina
Chapeau Claque
Das Ich
Eisschock
Elane
Elvenking
Feuerschwanz
Felix Marc
Gothika
Heavy Current
Illuminate
Imatem
Jack Frost
Körperschall
Kontrast
Magica
Modulate
Noblesse Oblige
Philosopher‘s Point
Qntal
Rozencrantz
Scarelett
Scream Silence
Soul in Sadness
Timecut
Unheilig
Vic Anselmo
Whispers in the Shadow
Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg
Tel. 09227/940000
[email protected] www.negatief.de
Herausgeber: Danse Macabre, Inh.: Bruno Kramm,
Schloss Cottenau, 95339 Wirsberg
Chefredaktion: Ringo Müller (V.i.S.d.P.), Bruno Kramm
Redaktion: Gert Drexl, Marius Marx, Norma Hillemann,
Poloni Melnikov, Maria Mortifera, Siegmar Ost, Ina Reeg,
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Künstler unterstützt.
....in diesen Läden gibt es das NEGAtief
Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim,
Bochum, Chemnitz, Dessau, Dresden-Nickern, Duisburg,
Flensburg, Goslar, Groß Gaglow, Günthersdorf, Heide,
Heilbronn, Herzogenrath, Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Krems, Leoben, Limburg, Linz, Magdeburg,
Memmingen, München, Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg,
Pforzheim, Porta Westfalica, Reutlingen, Saarbrücken ,Sindelfingen, Stuttgart, Trier, Viernheim, Vössendorf, Weiterstadt,
Wien, Wien Hietzing, Wiesbaden
Saturn: Augsburg, Bad Oeynhausen, Bergisch Gladbach,
Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen,
Gelsenkirchen, Göttingen, Graz, Hagen, Halle, Hamburg,
Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe, Kassel, Klagenfurth, Kleve, Köln, Köln-Hürth, Köln-Porz,
Krefeld, Leipzig, Leverkusen, Linz, Magdeburg, Mainz, Moers,
München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen,
Röhrsdorf, Saarbrücken, Stuttgart, Vössendorf, Weimar, Wien
Millennium City
Expert: Bad Kreuznach, Burbach, Dillenburg, Friedberg, Gießen, Hachenburg, Koblenz, Mainaschaff, Nastätten, Neuwied,
Siegen, Waldbröl, Wetzlar, Wiesbaden
Best Music World GmbH Münster
Cover Schallplatten Berlin
Unger Sound & Vision GmbH Paderborn
Zoff Records H.-J- Pitzke Bremen
...in diesen Clubs gibt es das NEGAtief:
Capitol, Kir, Club Pavillon, Topact, K17, Darkflower, Kuz,
Come-In, Ringlokschuppen, Nachtcantine, Musikbunker,
Kulturbahnhof Kato, Kufa / SB, Dominion, Factory, RPL, Schützenparkbunker, Nerodom, Markthalle, Forellenhof, Shadow,
Meyer, Freeze Frame, Zentrum Zoo, X, Beatclub, Rockfabrik,
Uni 1, Südbahnhof, Kulthallen, Underground, Musiktheater,
Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, Komplex, Loop, Mau Club,
Nachtwerk, Dark Dance, Boiler Room, Matrix, Club Trafo,
Meier Music Hall, Musiktheater, Archiv, Alchimistenfalle,
Bloodline, Shadow, Eleganz / Bigstone, Nachtwerk Musikklub,
Extrem und tanzbar, Loop, Koma
... und über Xtra-X
oder per Abonnement bei
www.NEGAtief.de
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AUSGEWÄHLTE TOURDATEN
DAS ICH
03.10. Rostock, Mau Club
04.10. Herford, X
06.10. Wuppertal, Pavillion
07.10. Frankfurt, Nachtleben
08.10. Wien, Viper Room
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ALBUM WEEK 38
Eisbrecher - Sünde
Oomph! - Monster
Suicide Booth - Terror from the sky
Ellipse vs. Industriegebiet Körperschall
Inline.Sex.Terror - 11:11
ASP - Zaubererbruder (Krabat Zyklus)
Ionic Vision- Bitter Isolation
The Beauty of Gemina A Stranger To Tears
Felix Marc - Pathways
The Chemical Brothers - Brotherhood
09.10. Würzburg, AKW
27.11. München, Metropolis
EISBRECHER
18.10. München, Albamahalle
22.11. Adelsheim, M.O.D.E.
german electronic webcharts
ALBUM WEEK 39
1 Imatem - Journey
2 Felix Marc - Pathways
3 Santa Hates - You You‘re On The
Naughty List
4 Front 242 - Moments ...
5 V. A. - The Remix Assault Vol.1
6 Leaether Strip - Civil Disobedience
7 Wynardtage - The Forgotten Sins
8 Midnight Resistance - Remote
9 Neon Insect - Enigma
10 Miss Construction - Kunstprodukt
Myk Jung durchleuchtet die Schatten
Der Augenblick von Inspiration
zu erschaffen – und ich frage mich un„Ausgangspunkt, Kern und Herz all entwegt: Wieso fühlen sie diesen Drang?
dessen, womit wir uns, speziell auf die- (Neben der Motivation, als Rockstar
sen Seiten, wie auch in der gesamten Gold und Ruhm zu sammeln, natürlich.)
Schwarzen Szene, beschäftigen, ist im- Die Antwort mag lauten: Es bleibt ihnen
mer noch das musikalische Konstrukt.“ gar nichts anderes übrig! Sie gehorchen
Vielleicht erinnert ihr euch an dieses en- einem inneren Kommando, das sie auform wichtige Theorem der letzten Aus- fordert, gemäß ihrer ureigenen Begagabe. Das musikalische Konstrukt – es bung tätig zu werden; und diese ist in
soll ruhig ein weiteres Mal Sujet sein! ihrem Falle nicht das Zusammenfriemeln
Denn dauernd muss ich mich über jenes von milliardenschweren Fusionen, sonPhänomen verwundern, zum Beispiel: dern das Songwriting. Was mich indes
wie es überhaupt zunoch mehr fasziniert,
Lesungstermine:
stande kommt! Es gibt
ist die Frage nach dem
08.10. Essen, Panoptikum
Menschen, die aus
Wie: Auf welche Weise
14.10. Düsseldorf, Abraxas
sich heraus den Drang
kommt der Song zu ihfühlen, etwas, welches 24.10. Karlsruhe, Kulturruine nen? Es ist womöglich
26.10. Velbert, Flux
bislang nicht existierte,
nicht profundes musi12.11. Essen, Panoptikum
auf unsere Daseinsekalisches Wissen, was
bene zu hieven, noch 08.11. Aachen, Café Einstein die Früchte gelungener
23.11. Velbert, Flux
nicht Dagewesenes
Kompositionen gebiert
SOUL IN SADNESS
18.10 Regensburg,
Boiler Room
QNTAL
02.10. Kassel, Nachthallen
(Dark Area Festival)
20.11. CH-Zürich, Abart*
21.11. Zapfendorf, Top Act*
22.11. Augsburg, Kantine
(ElfenFolk-Festival III)
23.11. Leipzig, Moritzbastei*
24.11. Bochum, Christuskirche*
25.11. Karlsruhe, Culteum*
27.11. Bremen, Aladin*
28.11. Berlin, K17*
* = Support: Elane
RABENSCHREY
03.10. Bonn, Maritim-Hotel
(Ring*Con 2008)
04.10. Schüttdorf, Komplex
05.10. Augsburg, Kantine
11.10. Hamburg, Ballroom
– denn selbst die versiertesten Harmonielehrekenner hadern nicht selten mit
ihren Ergüssen; es ist offenkundig auch nicht Disziplin:
Denn der Vorsatz, sich jetzt
wacker hinzusetzen und ad
hoc einen guten Song zu
schreiben, ist in den meisten Fällen von vorneherein
zum Scheitern verurteilt.
Die großartigsten künstlerischen Schöpfungen, wage
ich hier zu behaupten, sind
jene, die der plötzlichen
und unvorhergesehenen Intuition entspringen, einem
Moment unforcierter Inspiration, der sich nur dann
und wann über den Künstler schwingt.
Es ist allein jener nie und nimmer zu
erzwingende Augenblick, der machtvoll
und ohne das Zutun des Sterblichen, der
sich da Künstler nennt, hervortritt – und
fopp! Ewiges hervorbringt. Klingt pathe-
15.11. CH-Pratteln, Z7 (+
Schelmish)
28.11. Wuppertal, LCB
29.11. Gera, Sächsischer
Bahnhof
LACRIMAS PROFUNDERE
10.10. Chemnitz, Bunker
11.10. Gera, Festival
12.10. Bruchsal, Fabrik
23.10. München,
Backstage Club
24.10. Hamburg, Logo
25.10. Ottweiler, Club Schulz*
26.10. Ludwigsburg, Dark Sins
Festival
01.11. CH-Schaffhausen,
Kammgarn
08.11. Berlin, Knaack Club
09.11. Frankfurt, Nachtleben
12.11. A-Wien, Szene
16.11. München, 59 to 1
17.11. CH-Zürich, Rohstofflager
18.11. Chemnitz, AJZ Talschock
13.12. Laufen, Festival
tisch und obendrein nach Plattitüde, hm?
Is’ aber so. Demnächst mehr dazu. Zu
diesem Thema fällt mir nämlich gerade
eine abgedrehte These ein. Doch weh!
Das Zeichenkontingent ist erschöpft.
schementhemen.de
5
6
REDAKTION
The Beauty Of Gemina
„A Stranger To Tears“
Man kann nur dankbar sein,
dass einem im Musik-SpamZeitalter auch ab und zu die
Alben erreichen, die wirklich
berühren. So auch das zweite Album „A Stranger To
Tears“ der Ausnahmeband The Beauty Of Gemina, das
die konsequente Weiterentwicklung ihres Erstlings „Diary Of A Lost“ darstellt, welches schon vor eineinhalb
Jahren unser Albumtipp war. Die Schweizer um Sänger
Michael Sele zeigen erneut, dass sie ein goldenes Händchen fürs Songwriting haben und Brücken zwischen
Musikwelten bauen können, die so manch einem unvereinbar scheinen. Sie verbinden eine steife Brise Cold
Wave mit Dark Wave und treibendem Dark Rock. Dazu
gesellen sie einfache elektronische und sinfonische
Elemente, gepaart mit der unverwechselbar eigenständigen und wandelbaren Stimme von Michael Sele, die
hier und da an charismatische Kollegen wie Bowie, Veljanov und Eldritch erinnert. Kurzum: Ein musikalisches
Meisterwerk, das auf eine große Zukunft dieser Band
RINGO MÜLLER
hoffen lässt.
TIPP DER
Soul in Sadness
„ZwischenWelt“
Soul in Sadness melden
sich nach vier Jahren mit
„ZwischenWelt“ zurück.
Die Seelen rund um Stefan
Siegl präsentieren Dark
Rock vom Feinsten. Der
Prolog führt hinein in die
„ZwischenWelt“, welche aus rockigen, klassisch angehauchten Songs und einem Wechsel von englischen
und deutschen Lyrics, die verschiedene Seelenzustände
beschreiben, besteht. Mit „Childhood“ gibt es – abgesehen vom Prolog – auch ein sehr ruhiges Instrumentalstück. Man wird wahrlich hineingerissen in die „Zwi-
schenWelt“. Immer und immer wieder will man sich
in diese Welt hineinhören. Und jedes Mal nimmt man
wieder eine neue Textzeile wahr, die einen nachdenklich
stimmt, oder hört eine Melodie, die berührt. Trotz der
Tiefgründigkeit der Texte, schafften es Soul in Sadness,
die meisten Stücke clubtauglich zu machen. Vor allem
die am Schluss befindlichen drei Remixe, unter anderem
„Deadnettlepan“ geremixt von P.A.L. und „Der Zweite
DIANA SCHLINKE
Weg“ geremixt von Transit Poetry.
Imatem – „Journey“
Mit seinem zweiten Soloalbum weiß Mastermind Peter
Spilles von Project Pitchfork wirklich zu begeistern.
Nachdem er es mit „Home“
zunächst heimisch angehen
ließ, nimmt er uns mit „Journey“ auf eine musikalische
Reise. Und wie schon beim Erstlingswerk hat er wieder
interessante Gastsänger am Start. Die Stücke mit Ronan
Harris und Sven Friedrich sind sicherlich die Highlights
der Scheibe mit absolutem Ohrwurmcharakter und
werden sich sicherlich bald auf den Dancefloors wiederfinden. „Haven“ besticht durch Ronans unverkennbare
Handschrift und „Escape to Follow“ wird getragen durch
Svens ruhig markante Stimme. Erwähnenswert ist vor
allem noch das Duett mit Stefan Grossmann von Absurd
Minds, da Stefans Stimme ja schon in der Vergangenheit
durch die ähnliche Klangfarbe mit Peter aufgefallen war.
So entsteht mit „Flat Lux“ ein Duett der perfekten Symbiose. Nicht zu vergessen ist natürlich das Stück „Down
to the sea“ mit Sara Noxx, die wieder durch ihren unverwechselbaren Sprechgesang, dem Stück ihren Stempel
aufdrückt. Fazit: Ein rundum gelungenes Werk, welches
durch die neun Gast-Auftritte eine Einzigartigkeit erhält
und somit für jeden was an Bord hat. HEIKO NOLTING
Veljanov
„Porta Macedonia“
Ganz ohne Anstrengung
scheint der Fluss der Musik
seinen Lauf durch steiles
Bergland oder assoziierte
Jahrmarktsatmosphäre zu
nehmen. „Porta Macedonia“, so der Name des
dritten Soloalbums des Ausnahmevocalisten und Hälfte
des Duos Deine Lakaien, besticht durch ungewöhnliche
Alltagstauglichkeit und macht dabei auch vor Anleihen
am Kabarett oder Brecht und Weill nicht halt. Eine spannende Reise für alle jene, die Veljanovs Werke kennen
und lieben, und prima Einstiegsmaterial für unbedarfte
Neulinge auf dem Gebiet Veljanov.
TYVES OBEN
Jack Frost
„My Own Private Hell“
„My Own Private Hell“ ist das
mittlerweile siebte Album der
Gloom Rocker aus Österreich.
Nach mehreren Labelwechseln ist das Linzer Quartett
nun beim emsigen Label Silverdust Records gelandet.
Jack Frost (der Name ist an einen Songtitel von Saint
Vitus angelehnt) haben nie einen Hehl daraus gemacht,
dass sie trotz aller Melancholie und Traurigkeit auf ihren Alben Hedonisten geblieben sind und schaffen es
mit jedem Album aufs Neue, ihre Hörer zu packen und
mit ihren schwerfällig melancholischen Hymnen in ihren Bann zu ziehen. Musikalisch bewegt sich ihr neuer
Gloom Rock Bastard im Dunstkreis von Doom-Göttern
wie Cathedral, alten Danzig-Alben, Gothic Heroen wie
Fields of the Nephilim und erinnert auch manchmal an
Großmeister Johnny Cash, was dem Timbre von Sänger
Phred Phinster zu verdanken ist. Auch ihre Liebe zu den
60er und 70er Jahren ist unverkennbar, z.B. an der Coverversion von John Denvers „Leaving On A Jetplane“.
POLONI MELNIKOV
Willkommen in der Hölle.
Illuminate
„Zeit der Wölfe“
Eines der traurigsten und zugleich schönsten Alben des
Herbstes kommt von Illuminate. Das Konzeptalbum „Zeit
der Wölfe“ ist das nunmehr
elfte Werk und widmet sich
der Thematik der Märchen; die Symbol tragenden Figuren des Wolfes und des jungen, schönen Mädchens
stehen textlich im Vordergrund. Die Eigenschaften dieser Symbolfiguren wurden gesanglich durch Johannes
und Sylvia Berthold perfekt umgesetzt – ob solo oder
im Duett. Illuminate bleiben ihrem typischen Sound und
der deutschen Sprache treu, sie verbinden romantische,
rockige und klassische Elemente mit märchenhaften
Lyrics. So klingen die Lieder mal verträumt, mal bedrohlich. Ein schaurig-schönes Musik-Märchen, das einem
die Gänsehaut über den Rücken jagt und im nächsten
Moment zum Träumen verleitet. Genau das Richtige für
DIANA SCHLINKE
dunkle Herbstabende.
7
ALEXANDER VELJANOV
Tor zwischen zwei Welten
Alexander Veljanov ist unmittelbar mit einem
der größten Szenenamen schlechthin verbunden: Deine Lakaien. Doch im Schatten des
überlebensgroßen Projektes wusste der Sänger mazedonischer Herkunft auch immer wieder mit höchst eigenwilligen und interessanten
Seitenprojekten zu überzeugen. Sei es das sehr
Oldschool-wavige Run Run Vanguard oder die
sehr glamlastige Variante des „Secrets of the
Silver Tongue“: Alexander Veljanov ruhte sich
nie auf seinen Lorbeeren aus. Der Ausnahmesänger erzählt überraschend freimütig über
seine Erfahrungen im Musikbusiness, über mazedonische Aufbauarbeit, über Vergangenes
und natürlich über sein neuestes Sammelsurium musikalischer Gedanken. „Porta Macedonia“ ist wohl Alexander Veljanovs experimentellstes und ungewöhnlichstes Album. Es gab
viel Neues zu entdecken in seiner Zweitheimat
Mazedonien und somit auch zu besingen.
„Porta Macedonia“ ist abwechslungsreich, eingängig, ja sogar poppig und sehr experimentell. Wieso eigentlich der Titel „Porta Macedonia“? Ist das für dich gleichzusetzen mit einem
Tor zu einer anderen Welt?
Ich habe sehr lange überlegt, wie ich das Album nennen soll und letztendlich trifft es das mit dem Tor
zwischen zwei Welten ganz gut. Welten, die ich beide kenne. Das Album soll die Verbindung zwischen
Deutschland und Mazedonien darstellen. Ich glaube, dass in dem Album sehr viel von beiden Welten
drin steckt und versucht, den Leuten einiges nahe
zu bringen. Es ist nicht gerade homogen, aber ich
denke, genau darin liegt die Spannung, dass so viele
überraschende und unterschiedliche Dinge aufeinander folgen und ineinandergreifen.
Jörg Grosse Geldermann/NEXT
Hast du dir dein, mittlerweile drittes Soloalbum genauso vorgestellt, wie es jetzt auf dem
Album vorliegt?
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Es liegen ja doch
viele Jahre und sehr viele andere Produktionen mit
Deine Lakaien dazwischen. Ich habe mir ganz einfach keinen Zeitplan gesetzt, für ein Veljanov-Album
Nummer drei. Ich hatte ja auch keine Abgabetermine
8
und keinen Druck vonseiten einer Plattenfirma. Ich
habe einfach versucht, das erste Mal in Mazedonien
zu arbeiten und mich in einem Land, das in den letzten zwanzig Jahren sehr viele Veränderungen erlebt
hat, zu orientieren. In den neunziger Jahren konnte
ich ja nicht so viel Zeit dort verbringen wie früher,
und am Ende überfiel mich eine Fülle von Infusionen,
die sich letztendlich auch in der Zusammenarbeit mit
den Kollegen dort, in der Musik und den Texten niedergeschlagen hat.
Theaterbezug haben. „Lily B.“ zählt sicherlich dazu,
das Eröffnungsstück „Der Kongress“ oder auch das
letzte „Zwei vor drei zurück“. Es war mir auch ein
Wunsch, meiner Liebe zur Musik der zwanziger und
dreißiger Jahre aus Deutschland, (Stichwort Brecht,
Weill, Kabarett) ein bisschen in meine Experimente
einzubauen und die deutsche Sprache eignet sich
ja hervorragend für diese Art von Musik und gerade
„Lily B.“ und „Der Kongress“ sind, glaube ich, Titel,
die du jetzt mit Jahrmarktsmusik assoziierst. Natürlich auch wegen der Instrumente, die darin auftauGibt es eine Art roten Faden in „Porta Macedo- chen. Das hat vielleicht auch mit Filmmusik zu tun.
nia“, eine Geschichte, die sich durch das ganze Auf jeden Fall mit Musik aus vergangenen Dekaden.
Album zieht?
Ich hoffe, dass es eine ganz gute Mischung geworEinen roten Faden in dem Sinne gibt es nicht. Ich bin den ist. Es handelt sich ja nicht um ein reines Zitat
halb deutsch und halb mazedosolcher Art von Musik, sondern
„Es ist nicht gerade ich kombiniere sie ja mit vernisch und bin mit zwei Kulturen
groß geworden, was ein sehr
homogen, aber ich schiedensten anderen Aspekten
großer Reichtum für einen Menund Richtungen.
denke genau darin
schen sein kann. In den Jahren
der Arbeit, an diesem Album, liegt die Spannung.“ Hast du in deinen Songs auch
waren für mich natürlich die
Samples verarbeitet? Im erwichtigsten Einflüsse erstmal in der direkten Zusam- sten Song „Der Kongress“ klingt es manchmal,
menarbeit mit meinem Partner Goran Trajkoski, mit als hättet ihr ein Hühnchen gesampelt. Oder ist
dem ich die Lieder geschrieben habe. Dann natürlich es gar ein geschicktes Spiel der Instrumente?
auch der für mich neue, häufige Gebrauch der deut- Ja, das sind ganz viele verschiedene Klangquellen.
schen Sprache. Erstaunlicherweise bin ich gerade in Aber Samples eher wenige. Wir haben sehr viel mit
Mazedonien dazu gekommen, mich mehr mit der Instrumenten, Klängen, Stimmen und Lauten expedeutschen Sprache und dem Singen in deutscher rimentiert. Es kann schon sein, dass da irgendwo
Sprache auseinanderzusetzen und das ist nach so ein paar Tierlaute mit eingeflossen sind, aber wir
vielen Jahren, die ich ja nun schon als Musiker aktiv haben solange daran gearbeitet, gefiltert und neu
bin, für mich auch ein interessanter und wichtiger gemischt, dass dabei ganz neue KlangkombinatiWeiterentwicklungsschritt. Ich bin sehr gespannt, onen entstanden, die dann beim Hören Assoziatiwie das Album von den Leuten, die mich und meine onen hervorrufen, dass da vielleicht sogar ein Huhn
Arbeiten ja teilweise schon seit vielen Jahren ken- vorkommt. Aber bewusst haben wir so etwas nicht
nen, aufgenommen wird, weil es eine sehr weite eingesetzt. Das entsteht einfach in der Mischung, im
Spanne an Stilen und Einflüssen in sich birgt.
Prozess der Sound- und Klangentwicklung. Auf dem
ganzen Album wurde auch sehr viel mit Stimmen
Zeitweise klingen deine
experimentiert, jetzt nicht
Tracks etwas wie Jahr- „In Mazedonien bin ich nur als Hauptgesangsstimmarktsmusik. Bitte nicht
dazu gekommen, mich me, sondern eben auch ohne
falsch verstehen, ich meizur Klangerzeugung, um
mehr mit dem Singen Text
ne hierbei den Aspekt,
damit das ganze Klangspekin deutscher Sprache
wenn man über diese Art
trum noch zu erweitern. Das
von Markt schlendert und
auseinanderzusetzen.“ ist ja das Spannende, dass
von links und rechts von
man das Gefühl hat, nach
unterschiedlichsten Tönen, Geräuschen, Lie- mehrmaligem Hören immer noch mehr entdecken zu
dern in verschiedenen Geschwindigkeiten um- können, anstatt zu sagen: „Das Album kenne ich!“
garnt wird, dass einem fast schwindlig dabei und gut ist es. Das ist das größte und beste Ziel, was
wird. Gerade „Lily B.“ ist einer dieser Vertreter. man sich setzen kann, dass man dem Hörer etwas
Was genau hat dich gerade zu dieser Art von anbietet, das er mit viel Muse, Ruhe und Interesse
Stilistik angestachelt?
entdecken kann. Wie ein Buch, das man ließt, über
Ich denke, dass es Lieder gibt, die einen gewissen viele Seiten hinweg.
Der Titel „Zwei vor und drei zurück“ klingt
nach jemandem, der viel bewegt aber damit
auf keinen grünen Zweig kommt. Worum genau geht es in diesem Song?
Ja, das trifft es sicherlich schon ganz gut. Man tritt
auf der Stelle, obwohl man sehr viel tut. Ich muss
ehrlich sagen, dass das auch mit der gesellschaftlichen Situation in dem jungen Land Mazedonien,
das ja noch nicht einmal 20 Jahre eigenständiger
Staat ist, zusammenhängt. Stichwort europäische
Integration, auch Natointegration, also einer Gesellschaft, die wirklich enorm bemüht und fleißig
ist, eine Selbstständigkeit souverän aufzubauen, um
sich in ein modernes Europa zu integrieren, ohne die
eigene Identität aufzugeben. Das ist tatsächlich die
Grundidee dieses Liedes.
Da ja Deine Lakaien in der Szene zu Hause sind,
würdest du dann das Projekt Veljanov eher als
eine Art Ausgleich dazu sehen?
Nein, ich habe mit Deine Lakaien in all den Jahren
soviel erlebt. Von den Anfängen, als noch völlig unbekanntes Elektroprojekt, das von den frühen, dun-
9
klen Elektronikbands beeinflusst war, bis hin zu dem mehr so ernst. Es wird auch ganz selbstverständlich,
doch sehr aufsehenerregenden Orchesterprojekt, dass man gewisse Dinge einfach tun muss, die zur
zum zwanzigjährigen Jubiläum. In all dieser Zeit hat Arbeit gehören, also jetzt nicht zur primär künstleman viele Leute erreichen können, die sich jenseits rischen Arbeit, sondern zur Arbeit, wenn es darum
von Jugendszenen bewegen, aber sich natürlich geht, zum Beispiel Interviews zu geben zu einer Veröffentlichung hin, oder sich eben
auch immer den Bezug zu einer sogeauch mit musikgeschäftlichen
nannten dunklen Szene erhalten kön„Man soll sich
auseinanderzusetzen.
nen. Ich sehe meine Soloprojekte nicht
überhaupt von Belangen
Ich persönlich bin sehr zufrieden
wirklich als Ausgleich, sondern einfach
damit, wie ich den Weg geganals ein Kapitel, ein Teil meiner künstniemandem
gen bin. Sowohl mit Deine Lalerischen Arbeit. Und das gilt auch für
etwas sagen
kaien als auch außerhalb der Laalle Kollegen, mit denen ich zusamlassen. Das
kaien. Weil ich nicht das Gefühl
menarbeite. Man kann und will sich
habe, mich durch die manchmal
nicht auf ein einziges Projekt ein Leben
Einzige was
etwas anstrengenden Umstände,
lang verlassen oder einlassen, weil es
zählt, ist die
die das Musikgeschäft so mit
viel spannender ist, sich auszutauschen
und zu sehen, wie man in anderen Kon- innere Stimme.“ sich bringt, verbraucht zu haben
oder meinen Idealismus und
stellationen an sich selber neue Dinge
entdecken kann. Das ist ja das Schöne, dass man das meine kindliche Neugier auf das Musikmachen und
alles miteinander zu einem Gesamtlebenswerk ver- alles, was damit zusammenhängt, verloren hätte. Ich
weben kann. Wenn man ein Jahr mit einem Projekt bin da sehr mit mir im Reinen und hoffe, dass ich
zusammengearbeitet hat, auf Tournee war, wie es bei nicht all zu viele Fehler begangen habe. Es ist schon
der Lakaien Orchestertournee war, ist es wunderbar, so, dass ich mich gerne mit gerade jungen Musikern
wenn man die Chance hat, sich dann
in einem anderen Umfeld, mit anderen
Konstellationen auszutauschen, um
etwas zu erarbeiten. Dann kann man
auch wieder mit neuer Energie und mit
einem gewissen objektiven Blick zu
einem anderen Projekt zurückfinden.
Das ist in etwa so, als ob man nicht nur
ein Zuhause hat, sondern mehrere. Das
definiere ich jetzt nicht im familiären
Sinne, sondern Zuhause ist da, wo man
sich wohl fühlt. Wo Menschen sind, die
einem etwas bedeuten und denen man
etwas bedeutet. Wenn man da eine
Auswahl hat, dann ist das doch eines
der schönsten Geschenke im Leben.
Du machst jetzt bereits seit 20 Jahren Musik. Denkst du, dass die Musik oder das Musikbusiness deine
Person an sich, im positiven oder
auch negativen Sinn geprägt, verändert oder geschliffen hat? Was
würdest du beispielsweise ganz
jungen Künstlern oder Bands, deiner eigenen Erfahrung nach, raten
bzw. wovon unbedingt abraten?
Geprägt sicherlich, geschliffen auch an
gewissen Stellen. Man wird gelassener,
man nimmt bestimmte Dinge nicht
10
austausche. Wenn sie an irgendwelchen Fragen verzweifeln oder nicht wissen, wie sie damit umgehen
sollen, wo sie gar nicht die Zusammenhänge kennen
können, dann bin ich gerne Ratgeber und bin dann
auch deutlich parteiisch. Ich habe meine Meinung,
was gewisse Mechanismen im Musikgeschäft betrifft. Ich warne immer davor, dass man zu schnell
zu viel erreicht im Musikgeschäft, weil doch die meisten Beispiele eher abschreckend sind, von Leuten,
die zu viel, zu schnell zu sehr ausgebeutet wurden.
Stichwort natürlich Castingshows, wo junge Talente
einfach verschlissen werden, und als scheinbar nicht
marktkonform den Mut verlieren können, an sich zu
glauben. Das geht ja dann auch oft bis hin zu unverschämten Beleidigungen über Menschen. Man
soll sich überhaupt von niemandem etwas sagen
lassen. Das Einzige, was zählt, ist die innere Stimme und wenn man wirklich den Drang hat, etwas
zu tun, sollte man das tun. Und wenn man nur aus
einer Attitüde heraus versucht, der coole Musiker zu
sein, weil man, sagen wir tolle Fans bekommt und
bewundert wird, dann ist das sicher nicht der richtige Ansatz. Denn eine Musiker- oder Künstlerlaufbahn, die einen auch ein Leben lang
zufrieden stellen soll, egal wie viel
Geld man damit verdient, sollte schon
eher darauf beruhen, dass man versucht, einen langen Weg anzupeilen
und sich nicht rumschieben lässt. Da
gibt es ganz praktische Sachen, dass
man sagt: „Hey, gehe erstmal nicht zu
einer großen Firma, versuche erstmal,
dass du dir auch einfach Erfahrung erarbeitest, indem du ganz viele, kleine
Clubkonzerte spielst und wie die Reaktionen darauf sind, wie sich das anfühlt, ob du das überhaupt möchtest.
Ob du nicht immer vor dem Auftritt
soviel Angst hast, dass du eigentlich
gar nicht auf die Bühne gehst.“ Man
muss sich einfach austesten. Wenn
man von irgendwelchen Geschäftsleuten alles gesagt und gemacht
bekommt, dann wird man schnell zur
Marionette und das kann natürlich im
schlimmsten Fall auch in Abstürzen
enden, die dann auch oft mit Drogen
und anderen Dingen Hand in Hand
gehen.
Was war das Ungewöhnlichste,
das dich je zum Schreiben eines
Songs inspiriert hat?
Manchmal sind es wirklich ganz absonderliche Dinge, die einem auffallen und einen dann tatsächlich
auf eine Idee bringen. „Der Kongress“ ist sicherlich
ein Beispiel dafür, dass mich eine sehr absurde Situation inspiriert hat, als ich Geschäftsleute beobachtet
habe, in einer beruflichen Situation, die für mich ausgestrahlt haben, dass sie sich nur selbst Wert schätzen und ihren Lebenssinn scheinbar nur darin finden,
indem sie mit wichtigen Akten durch die Gegend laufen und glauben, sie wären irgendwelche besonders
wichtigen Geheimnisträger oder Entscheider. Solche
Menschen strahlen leider oft eine absolut emotionale Leere aus. Das ist eigentlich schon fast Mitleid
erregend. Im schlimmsten Fall sind solche Menschen
natürlich leider auch gefährlich, weil sie selbst gar
kein emotionales Gleichgewicht haben und durch
diese Karrieredominanz, die ihr Leben bestimmt,
teilweise auch Dinge tun, die anderen Menschen
schaden können. Oder sie sehen nicht mehr, was sie
in diesem Kontext eigentlich alles anrichten, weil sie
nur ganz engstirnig ihren Bereich im Blick haben,
wie man vorwärtskommen kann und die Karriereleiter hochsteigt. Und deswegen heißt es ja auch: „Es
macht keinen Sinn, außer auf dem Kongress.“ Denn
es geht dann tatsächlich um Menschen, die außerhalb dieses Kongresses kein Leben haben.
Du hast Filmwissenschaften studiert. Hast
du schon über die Möglichkeit nachgedacht,
selbst einen Film zu machen?
Ja, da gibt es immer wieder Gedanken, dass man
sich in ein Filmprojekt einbringt. Es ist ja oft eine
Zeitfrage, denn die Arbeit als Musiker, Sänger und
Texter nimmt sehr viel Platz in Anspruch und ich bin
nicht derjenige, der sein komplettes Leben seinem
Beruf widmet. Ich brauche ein Privatleben, welches
sich glücklicherweise oft mit dem Beruf vermischt.
Genuss und Arbeit vermischen sich so öfter. Was den
Film betrifft, gibt es immer wieder Ansätze, wo man
dann mitwirkt. Dokumentarfilme über die eigene Arbeit zum Beispiel, wie die Arbeit mit dem Orchester.
Wird es auch Videos zum neuen Album geben?
Da ist gerade so ein experimentelles Video in Arbeit,
das gegen jegliche MTV- und Viva-Konfektionen angeht und sich widersetzt. Es ist ganz pur und einfach
gehalten, um der Musik genug Platz zu verschaffen,
ohne durch Effekte künstlich zu glänzen.
TYVES OBEN
www.veljanov.de
www.myspace.com/veljanov
VÖ „Porta Macedonia“: 07.11.08
11
SCARELETT
Cancer Barrack reloaded
Noch vor einer Weile wusste keiner
so recht, wer eigentlich hinter Scarelett steckt. Zurecht titelten wir
vor ein paar Ausgaben: „Who the
fuck is Scarelett?“. Jetzt ist es raus.
Scarelett sind die legitimen Nachfolger der 80er Jahre Darkwave
Legende Cancer Barrack. Dass die
Jungs um den erfolgreichen Fetischfotografen Thomas van de
Scheck darüber hinaus noch mehr
zu bieten haben, verraten uns
die gut aufgelegten und aus dem
Schatten getretenen Musiker.
TvdS: Scarelett steht für innovative,
zeitlose und szeneübergreifende Musik,
genauso wie es Cancer Barrack einst
tat und auch heute noch immer tut.
Stiff: Ja, mit einem großen Unterschied
Jeanine Krock „Die Sternseherin“
Ein packender Roman über Vampire, Elfen
und ein geheimnisvolles Buch. Hauptprotagonistin ist Feentochter Estelle, die Hals
über Kopf Paris verlassen muss und von
Freunden im rauen Schottland versteckt
wird. Dort treiben Elfen und Vampire ihr
Unwesen und bald erkennt sie, dass alle
fieberhaft nach einem geheimnisvollen
alten Buch, dem Grimoire, suchen, das
unglaubliche Kräfte verleiht. Als Estelle
sich an der Suche beteiligt, gerät sie in
einen Strudel der Leidenschaft und steht
letztendlich vor der Entscheidung: Elf
oder Vampir? Oder vielleicht haben die
Göttinnen des Schicksals auch etwas
ganz anderes im Sinn?
Jeanine Krock hat ihre Leidenschaft für
12
allerdings. Cancer Barrack war ein
Flaggschiff der deutschen Gothic-Bewegung, was Text und Sound anging.
Scarelett ist da in jeder Hinsicht definitiv mehr Rock’n’Roll.
Euer Line up ist alles andere als zu
klein geraten. Man munkelt über
illustre Musiker? Stellt mal vor.
TvdS: Da braucht man nicht zu munkeln, es ist in der Tat so! Zum einen
befinden sich bei Scarelett bekannte,
kreative Köpfe aus der Gotic/Fetish/
SM-Szene und zum anderen echte Vollblutmusiker, die bereits mit Joe Cocker
auf der Bühne standen oder Mitglied
von Guildo Horns „Orthopädischen
Strümpfe“ sind.
wenn du meinst. Jeder, wie er will.
TvdS: Natürlich steckt hinter dem Titel
„Versus You“ auch eine Kampfansage.
Es gibt heutzutage tausend gute Gründe, um abgefuckt zu sein. Außerdem ist
es ein Titel, der offen für jede Interpretation ist. Stell dir alles, was du Scheiße
findest, an einem Fleck oder in einer
Person vor. Das oder der ist dann dein
persönliches „Versus You“.
Das Artwork ist provokant und sexistisch zugleich. Ist das die Breitseite gegen alle Moralapostel, einfach „Versus You“?
Stiff: Ich persönlich finde es nicht so
sehr provokant und sexistisch, sondern
eher künstlerisch anspruchsvoll. Aber
Ihr habt hochkarätige Remixe auf
eurem Debüt. Wie kam es dazu?
TvdS: Als bekannt wurde, dass wir nun
doch, nach all den Jahren, ein Debüt
veröffentlichen werden, boten sich einige unserer befreundeten Bands und
Musiker an, ihren Remix beizusteuern.
Stiff: Ja, vor der Abgabe-Deadline ging
es heiß her, und einige Remixe von echten musikalischen Schwergewichten
konnten wir leider nicht mehr berücksichtigen. Das wird dann aber irgendwann vielleicht mal als Bonusmaterial
das Licht der Welt erblicken.
TvdS: Prinzipiell haben wir das jedoch
Vampire in der Post-Punk-Szene der frühen Achtziger entdeckt. Vampire stehen
für sie ganz oben auf der Favoritenliste
paranormaler Geschöpfe. Mit „Die Sternseherin“ hat sie eine weitere wunderbare
Geschichte erschaffen. Dabei versteht sie
es meisterlich, unsere Welt mit dem Übersinnlichen zu verbinden. Ein Must-have
für alle Fans von Vampirgeschichten, die
gleich noch eine großartige LiebesgeTONI IMMEL
schichte bekommen.
lich wieder in seiner Abschiedsshow als
Joker in „The Dark Knight“ gewahr und
erinnert zugleich auch an das tragische
Ableben seines Kollegen Brandon Lee,
der bei den Dreharbeiten zu „The Crow“
starb. Über das Privatleben Ledgers war
bis heute nur wenig bekannt. Brian J.
Robb zeigt in seiner Biografie nicht nur
den Schauspieler, sondern auch den Menschen Heath Ledger. Er begleitet ihn von
seiner Jugend im australischen Perth bis
zu seinem Tod in seiner New Yorker Wohnung. Dabei lässt er Weggefährten und
Freunde wie Naomi Watts, Mel Gibson
oder Heather Graham ebenso zu Wort
kommen wie seine Eltern und beleuchtet
Brian J. Robb
„Heath Ledger“
Heath Ledger war ein
begnadeter Schauspieler. Sein plötzlicher und tragischer
Tod mit 28 Jahren
wurde uns erst kürz-
Foto: Heile Mania
nicht geplant. Es hat sich einfach so
ergeben. Das Geile allerdings ist, dass
sämtliche Remixe nicht inflationär sind.
Heute wird ja Hinz und Kunz geremixt
und alles hört sich gleich an.
Stiff: Gleich Scheiße, meinte er natürlich. Die Remixe unserer Songs aber
haben alle ihren eigenen Charakter.
Besonders stolz sind wir auf die „Maggots“-Version von Das Ich Mastermind
Bruno Kramm und die „Hurt’n Bleed“Version von Frankreichs Vorzeigeindustrialmetallern Treponem Pal. Die hauen
beide voll rein und sparen an nichts.
GERT DREXL
www.myspace.com/scarelettt
VÖ „Versus You“: 10.10.08
so die unbekannte Seite des HollywoodPOLONI MELNIKOV
Stars.
Annie Bertram „Wahre Märchen“
Der neue Bildband einer beeindruckenden
Fotokünstlerin. Mit ihrem einzigartigen
Stil fängt Annie Bertram Märchen, u.a.
Dornröschen, Rapunzel, Rotkäppchen
und Hänsel und Gretel auf spezielle düstere Weise ein. Unterstützt wurde die
Fotografin von namhaften Autoren wie
z.B. Dirk Bernemann und Jeanine Krock,
die sich bei ihren Märchen-Versionen von
den Bildern inspirieren ließen. Als Models
agierten Szenegrößen wie Chris Pohl oder
Marion Altwegg von den Metallspürhunden. So entstand ein traumhaft
fotografisches Kunstwerk mit
teilweise einzigartigen literarischen Interpretationen in ganz
besonderem „gotischen“ Zauber.
Ein Pflichtkauf für alle düsteren
Märchenliebhaber und perfekt
für die romantischen Herbsttage.
RAINER SCHWARTZ
Elektronische Kunstlieder
Die niedersächsische Sängerin
Dörthe Flemming ließ bereits vor
einem Jahr mit ihrem an das klassische Kunstlied angelehnte Debüt
aufhorchen. Selten wurde bisher so
gekonnt das klassische Paradigma
mit gotischem Elektrominimalismus
gepaart. Und gerade wegen des stilsicher intonierten Arienstils konnte
der Erstling eine große Fanschaar
aus gotisch und elektronisch interessierten Hörern hinter sich scharen. Tod und Verlust thematisierend,
war das erste Album ein schwermütiges und tieftrauriges Werk, das
im Vergleich zur eindimensionalen
Tanzbarkeit vieler Szenehits erhebliche Aufmerksamkeit des Hörers
verlangte. Seit einigen Monaten
tüfteln Dörthe und ihr kongenialer
Partner Jörg Knieschewski am Nach-
Dörthe Flemming: Die Thematik des
letzten Albums war ja Tod und Verlust,
im neuen Album dreht sich alles um die
Liebe. Da kann es auch schon mal etwas
temperamentvoller zugehen. Aber auch
die ruhigen, besinnlichen Momente werden nicht zu kurz kommen.
Gerade im Kunstlied werden oft
romantische
Momente sehr
intensiv verkörpert. Fehlt in unserer heutigen
Gesellschaft der
Platz für diese
stillen und tiefen
Momente?
Auf jeden Fall!
Die heutige Gesellschaft ist sehr
schnelllebig und materialistisch – das
spiegelt sich leider auch in Liebesbeziehungen wider.
Gibt es direkte Bezüge zu klassischer
Musik oder Lyrik?
Musikalisch orientiert sich auch dieses Album wieder an der Form des Kunstliedes.
Auch ein von mir umarrangiertes Kunstlied von Schumann wird sich dort wiederfinden, sowie eigene Vertonungen von
größtenteils romantischen Gedichten.
Wie arbeitest du an neuen Songs?
Mit der Vertonung eines Gedichtes beginne ich zunächst mal am Klavier. Dort
entstehen erste Entwürfe für die Gesangsmelodie und die dazu passenden
Harmonien. Wenn dieses Grundgerüst
feststeht, geht es ins Studio, wo dann die
Mehrspuraufnahmen entstehen.
folger, welcher laut unseren ersten
Höreindrücken weit tanzbarer und
geradliniger daherkommt, ohne jedoch den künstlerischen Tiefgang
zu vernachlässigen.
Welchen musikalischen Hintergrund
hast du? Kommst du aus der Klassik?
Ja, ich habe ein abgeschlossenes klassisches Gesangstudium mit Schwerpunkt
Musiktheater und habe auch einige Jahre am Theater gearbeitet.
Im nächsten Heft werden wir auf
das Konzept des Albums, sowie die
einzelnen Songs näher eingehen.
SIEGMAR OST
www.bacio-di-tosca.de
13
Fremder der Tränen
Schon das Debüt der Schweizer Dark Wave
Band war bereits vor über einem Jahr unser
Albumtipp des Monats. Die alptraumhaften
Seelenbilder der schweizer Ausnahmestimme
Michael Sele haben eine Dimension, die man
in heutigen Produktionen leider allzu selten
findet. So bauen The Beauty Of Gemina Brücken aus der Vergangenheit des frühen Cold
Wave in die chromglänzende Welt moderner
Synthesizersounds und vereinen so Genres,
die bisher unvereinbar schienen. Während sich
Michael im finalen Masteringprozess befand,
gab er uns ein paar erste Eindrücke zum neuen
Album mit dem kryptischen Titel „A Stranger
To Tears“.
Wie lange und wo habt ihr euer neues Album
produziert? Hat sich die Besetzung geändert?
Michael Sele: Wir haben mehr als ein Jahr am neuen
Album gearbeitet und wie schon beim Debüt „Diary
14
of a Lost“ habe ich alles in meinem eigenen Tonstudio auf dem Album etwas Raum zu lassen und alles in
aufgenommen, abgemischt und selber produziert. An allem ist somit fast ein kleines Orchester zusammen
der Besetzung hat sich grundsätzlich nichts geändert, gekommen.
Mac Vinzens am Schlagzeug
Euer zweites Album verbindet
und Martin Luzio am Bass
„Das Lied ist all
moderne elektronische Elebilden das Fundament des
den DJs gewidmet, mente, klassischen Coldwave
Sounds. Zusätzlich habe ich
aber diesmal noch vermehrt
welche bereit sind, und teilweise sinfonische Elemente noch weit homogener als
Gastmusiker in die Proihre Ideale zu leben euer Erstling. Wie konntet ihr
duktion miteinbezogen. So
habe ich bei zwei Songs ein
und die unbändige das noch erreichen?
wirklich tollen Reaktionen auf
Streichquartett eingesetzt,
Freude an der Musik Die
das erste Album haben mich nabei der Ballade „Into Black“
nicht zu verlieren.“ türlich gestärkt in meiner Art des
zusätzlich eine Oboistin
Songwritings und ich wollte den
integriert und beim letzten
Track einen befreundeten Jazzmusiker und wunder- angefangenen Weg konsequent weiter verfolgen.
baren Kontrabassisten aufgenommen. Dennis Mungo, Natürlich lernt man auch mit jeder Produktion dazu,
der im letzten Jahr als Livegitarrist mit uns auf Tour macht wichtige Erfahrungen, gewinnt Erkenntnisse
war, hat bei einigen Stücken noch zusätzliche Gitar- und entwickelt seinen musikalischen Instinkt und die
ren eingespielt. Es war mir wichtig, seinem Spiel auch persönlichen Fähigkeiten zunehmend weiter.
Hat euch der Erfolgsdruck nach eurem letzten
Album während der Arbeit zugesetzt?
Das zweite Album ist ja bekanntlich oft eines der
schwierigsten, da einerseits ganz andere Erwartungen da sind und man vielleicht in der Versuchung
ist, sich selbst beweisen zu müssen, noch bessere
Songs zu schreiben wie beim ersten Mal und dies
birgt dann die Gefahr in sich, dass man sich zu
verzetteln beginnt oder versucht, etwas zu erzwingen. Das Wichtigste für mich war, meinen Stil ohne
Kompromisse weiterzuführen, mir dabei selber treu
zu bleiben, ohne mich aber selbst zu kopieren. Die
Reaktionen werden zeigen, ob mir diese, sicher nicht
immer einfache, Gratwanderung geglückt ist.
Du hast stimmlich noch einmal gewaltig zugelegt. Gab es persönliche Einschnitte, die in dir
einen neuen Leidensdruck erzeugt haben?
Ich würde es weniger als Leidensdruck bezeichnen,
sondern denke, dass das gewonnene Selbstvertrauen durch den Erfolg des ersten Albums mir geholfen
hat, die persönlichen Grenzen noch mehr auszuloten.
Dann konnte ich bei den vielen Livekonzerten wertvolle Erfahrungen sammeln, welche mich inspiriert
und motiviert haben.
„The Lonesome Death Of A Goth DJ“ – Was bedeutet dieser Song für euer Szenegefühl?
In einer Welt des Mainstreams, der Verkaufszahlen
und Einschaltquoten, einer Welt, die von ausbeutenden und nach immer mehr Profit und Umsatz
strebenden Wirtschaftskonzernen diktiert wird, sind
sie vielleicht eine der letzten Kämpfer und Individualisten. Doch spürt man gerade auch in der Szene
VÖ „A Stranger To Tears“: 26.09.08
immer mehr die latente Frustration und stetig wachsende Resignation. Das Lied ist all den DJs gewidmet, welche bereit sind, ihre Ideale zu leben und die
unbändige Freude an der Musik nicht zu verlieren.
Wofür steht der Titel „A Stranger To Tears“
– Fühlst du dich als solcher?
Diese berechtigte Frage begleitet mich schon lange,
denn die Idee zum Titel des Albums ist mir schon
ganz am Anfang des ganzen Arbeitsprozesses gekommen. Diese vier Worte fanden immer wieder den
Weg in meine Gedanken und begleiteten mich durch
die ganze Zeit meiner monatelangen Arbeit. Sie
setzten sich in meinem Kopf fest, wurden zum steten
Vertrauten und unbekannten Freund, versteckten
sich von Zeit zu Zeit, kamen wieder zum Vorschein,
manchmal überraschend und meist unangemeldet
und sollten mich schließlich bis zum Abschluss der
ganzen Produktion nicht mehr loslassen. Wer war
oder ist dieser geheimnisvolle Fremde, der sich mir
nicht zeigen wollte? Immer war er da und doch eigentlich nicht. Ich wusste, dass ich mich aufmachen
wollte, ihn zu suchen, ihn zu finden, zu verstehen
– herauszufinden, warum er ein Fremder der Tränen
wurde.
Das Cover zeigt eine fast schon erschreckend
in der Zeit stehen gebliebene Wohnung. Wo
habt ihr die Bilder aufgenommen?
In diesem Fall haben wir in einem etwas ungewöhnlichen und ziemlich außergewöhnlichen Hotelzimmer die perfekte Location gefunden, um die Songs
und die Stimmung von „A Stranger To Tears“ optimal zu visualisieren. Im Booklet wandeln wir durch
die verlassenen Gänge, finden uns wieder in engsten
Räumen, haben den Blick auf all die Details gerichtet. Haben wir bei „Diary Of A Lost“ alles von außen
betrachtet, ein verlassenes Haus auf dem Frontcover, der Videoclip in einer imposanten und wilden
Berglandschaft, Bilder von Naturgewalten als Visuals bei Livekonzerten, war es diesmal von Anfang an
Konzept und auch logischer Schritt der Weiterführung, die neue visuelle Welt im Drinnen aufzubauen.
In dem Hotel, wo wir schließlich alle Fotos gemacht
haben, waren wir übrigens bei einem Konzert einmal
einquartiert gewesen und die spezielle Atmosphäre
hatte mich vom ersten Augenblick an fasziniert und
regelrecht gepackt.
Gerade aus der Schweiz erscheinen in der
letzten Zeit mehr und mehr interessante neue
Darkbands. Wie erklärst du dir diese aktuelle
Strömung?
Das ist eine schwierige Frage und weiß nicht, ob es
dafür eine Erklärung geben könnte. Es ist aber sicher so, dass es in der Schweiz sehr schwierig ist, mit
etwas unkonventionelleren Songs und dunkleren,
schwereren Klängen ein breites Publikum zu finden.
Auch gibt es leider kaum Magazine oder Special
Sendungen bei Radiosendern, welche dieser Art von
Musik eine Plattform bieten würden. Vielleicht müssen wir uns einfach deshalb besonders anstrengen.
GERT DREXL
www.gemina.ch
15
16
war zweifelsohne die
Wiedervereinigung
2008 – die Geschichte geht voran. Oder zu- Deutschlands, denn
rück? Ich erinnere mich an ein kleines Festi- wir stammen hälftig
val in Magdeburg namens „That Spring“. Der aus den alten und
Hauptact des Abends waren die inzwischen den neuen Bundesaufgelösten Ghosting und davor war eine ländern und hätten
Band, die mir schon lange ein Begriff war, andernfalls wohl
allerdings unter dem Namen Isecs. Die Band nie unsere Kapelle
nannte sich um und hieß fortan Kontrast, und gründen können.
sie bietet Kontrast zum Einheitsbrei, der sonst Und man sollte sich
gerne zu hören ist. Wem Kontrast bis dato kein in Erinnerung rufen,
Begriff ist, kann sich das Lied, das oft genug in mit welch schrägen
Clubs gespielt wird, ins Gedächtnis rufen: Der Songs man damals Platz
„Einheitsschritt“. Kontrast haben natürlich viel 1 der deutschen Charts
mehr zu bieten als den einheitlichen Schritt – erreichen konnte („G-g-g-gsiehe das neue Album „Vision
geil“) – das hatund Tradition“.
„Den Durchbruch te was! Wahrscheinlich
jedoch neigt wohl so ziemlich jeder
planen wir
Mensch dazu, diejenigen Werte, die
Wortwitz und wunderbare
elektronische Kompositionen
eigentlich schon er in seiner Kindheit aufgenommen
hat, zum Maßstab zu erheben und
– so kennt man Kontrast. Was
seit mehr als
zu glorifizieren. Aber natürlich war
bewegte euch zum genialen
Song „80er Jahre“?
zehn Jahren.“
auch in den 80er Jahren längst nicht
Roberto: Wir sind allesamt in den 80er Jahren
groß geworden. Vielen
unserer Songs hört man
unmissverständlich an,
dass uns die klangliche
Ästhetik dieser Dekade
schon immer fasziniert
und maßgeblich beeinflusst hat. Da sich
unser neues Album mit
„Vision und Tradition“
auseinandersetzt, war
es nur logisch, auch den
80er Jahren endlich unser musikalisches Denkmal zu setzen. Natürlich
mit dem Kontrast-typischen Augenzwinkern
im Text, für den wir einfach unsere Kindheitserinnerungen zusammengetragen haben.
Lass uns Brause trinken, Baby!
Hand aufs Herz: Wie
sehr hängt ihr an den
80er Jahren?
Ein für Kontrast sehr
wichtiges
Ereignis
alles Gold, was glänzte.
Deshalb fragen wir
am Ende des Songs
schließlich auch, ob
der „Becher der Erinnerung halb voll
oder halb leer“ ist.
„Durchbruch“ – so
heißt einer eurer
neuen Songs. Plant
ihr diesen tatsächlich? Wie würde ein
typischer BackstageBereich dann aussehen,
wenn ihr es schafft?
Den Durchbruch planen wir eigentlich schon seit mehr als zehn Jahren; leider ist es bisher bei der Planung geblieben.
Nichtsdestotrotz hätten wir natürlich nichts dagegen, wenn sich unser neues Album gut verkaufen
würde. Dann könnten wir von Konzertveranstaltern
endlich auch einmal verlangen, dass sie uns mehrere
große Schalen Gummibärchen in den Umkleideraum
stellen. Aber bitteschön manuell
nach Farben sortiert!
Ist eine Tour oder eine Konzertreihe zum neuen Album geplant? Wenn ja, was wird das
Publikum erwarten?
Wir haben in den vergangenen
Jahren unsere Show stetig optimiert und halten zu jedem Song
eine entsprechende visuelle Untermalung bereit. Neonlicht und
ein neuer Bühnen-Roboter spielen
dabei eine große Rolle; wer ein
Kontrast-Konzert besucht, bekommt also weit mehr geboten
als ein Vollplayback vom MD-Recorder. Selbstverständlich wollen
wir unser neues Album im Winter
auch live vorstellen, und sobald
die Flügel des Schicksals diesbezüglich konkrete Termine für uns
abgemacht haben, werden wir die
Daten natürlich umgehend auf unserer Homepage bekannt geben.
DANIEL FRIEDRICH
www.einheitsschritt.de
VÖ „Vision und Tradition”:
24.10.08
17
20 Jahre sind eine wirklich lange Zeit. Viele der
jüngeren Szenegänger können sich gar nicht
mehr an die Anfangstage von Qntal erinnern,
als noch Ernst Horn gemeinsam mit Michael
Popp und Syrah die erste Symbiose aus dem
vermeintlichen Gegensatzpaar Elektronik und
Mittelaltermusik in Form gossen. Die Werkschau der Band ist zugleich eine Zäsur, um
innezuhalten, zurückzublicken, um dann zu
neuen Ufern zu schreiten, denn die musikalische Lebensgeschichte des Michael Popp und
seinen Mitstreitern hat doch erst begonnen.
Am Anfang klang Qntal archaischer und trockener als heute. Mittlerweile ist Qntal metaphysischer, schwebender geworden. War das
ein Ziel? Wohin geht die Reise noch?
Die ganze Soundlandschaft hat sich verändert. Das
liegt schon mal am Equipment: In den frühen 90ern
waren wir ja alle „Homerecorder“, ein Begriff, den es
heute gar nicht mehr gibt. Das bedeutete: Low budget, vergleichsweise billiges Equipment, trashigerer
Sound. Heutzutage werden sogenannte Lo-Fi-Produktionen mit mehr technischem und finanziellem
Aufwand hergestellt als „amtliche“ Produktionen.
Diese Entwicklung verändert natürlich auch die HörWenn ihr die Best Of überblickt: In welche stili- gewohnheiten, nicht zuletzt von uns Musikern selbst.
stischen „Epochen“ würdet ihr Qntals Schaffen Es ist eben leicht, alle Ecken und Kanten auszubüunterteilen? Welche Songs beschreiben einen geln. Ich gebe aber zu, dass das schon manchmal
Umbruch?
ein Problem ist, weil der Sound
„In den Anfängen eben sehr leicht glatt und unverMichael Popp: In stilistischer
Hinsicht sind wir von Anfang an
bindlich daherkommt. Da muss
war alles mehr
mehrgleisig gefahren. Da gibt
man schon aufpassen. Im letzten
es Musik für Clubs, lyrische oder selbst gemacht und Album haben wir mal wieder
hymnische Songs, Songs mit
selbst organisiert.“ versucht, den ganzen Aufwand
starkem mittelalterlichen Touch,
zurückzufahren. Das hat aber neExperimentelles usw. Aus diesen musikalischen ben viel Zustimmung auch einige kritische Stimmen
„Pools“ bedienen wir uns nach wie vor, sodass man eingebracht. Hören ist ein ziemlich unbewusster Voreigentlich nicht von verschiedenen Epochen spre- gang und man kann das Rad der Geschichte nicht
chen kann. Aber natürlich hat der Ausstieg von Ernst so einfach zurückdrehen. Insgesamt würde ich das
Horn einen großen Einschnitt bedeutet und uns wie- schon als Dilemma bezeichnen.
der zu neuen Ufern geführt. Es ist wichtig, dass man
so einen Cut nicht nur als Verlust, sondern auch als Die persönliche Biografie formt auch das
Chance begreift. Das ist wie im wirklichen Leben bei Schöpferische in der Musik. Wie würdet ihr
eure heutige Arbeitsweise im Vergleich zu früTrennungen.
her beschreiben?
Im Info huldigen euch viele Kollegen, Künstler Die Arbeitsweise hat sich nicht so sehr verändert.
und Musiker. Inwieweit glaubt ihr, die heutige Syrah schlägt Texte vor, ich komponiere und Fil proMusiklandschaft selbst verändert zu haben? duziert. Und alles greift irgendwie ineinander und
Gibt es Nachwuchskünstler, die gerne euren ist nicht strikt getrennt. Die Biografie verändert eher
Rat einholen?
den Background, sie verändert die Motivation, MuDie Musiklandschaft hat sich natürlich verändert. Es sik zu machen. Man dringt eben immer tiefer in die
ist alles mehr durchorganisiert und kommerzialisiert. Dinge und auch in seine eigene Persönlichkeit ein.
In den Anfängen war alles mehr selbst gemacht und
selbst organisiert. Da hatte man vielmehr Kontrolle, Ist man weniger radikal, dafür sanfter geworoder besser gesagt, Kontakt zum ganzen Umfeld. In den – wie das Alter im Allgemeinen?
dieser Hinsicht können wir keinen Rat geben, die Für mich trifft das nur zum Teil zu. Wenn ich über
Zeiten sind einfach nicht mehr so, aber Erfahrungen die gesellschaftliche Situation im Allgemeinen und
die des Musikgeschäftes im Besonderen nachdenke,
weitergeben, das machen wir gerne und häufig.
18
sind meine Ansichten eher noch radikaler geworden,
aber im persönlichen Umgang bin ich viel konzilianter und weicher geworden.
„Purpurea“ - Wofür steht dieser Name?
Purpur – das ist die Farbe, die im Altertum aus dem
Sekret einer Schnecke gewonnen wurde. Eine äußerst kostbare, schöne und kräftige Farbe, die Farbe der Edlen, die Farbe der Leidenschaft und des
Blutes. Sind das nicht alles Gründe, sein Werk so
zu nennen?
Wie ist heute die Beziehung zu dem früheren
Gründungsmitglied Ernst Horn? Gibt es noch
einen Austausch?
Es gibt wieder Austausch. Wir treffen uns hin und
wieder in München. Es gibt keine Probleme zwischen uns. Wer weiß, vielleicht machen wir ja eines
Tages wieder einmal etwas zusammen. Man sollte
auf jeden Fall nie „nie“ sagen.
Inwieweit konnte Fil, als spät eingestiegenes
Mitglied, der Band eine eigene Facette ab-
gewinnen bzw. bei- ganz gute Chancen, dass das einmal – hoffentlich in
steuern?
weiter Ferne – so sein wird.
Er hat den Sound in
eine andere Richtung Gibt es musikalische Ideen, welche sich nicht
gebracht. Er hat auch so mit Qntal verwirklichen lassen?
aufgrund seines ju- Natürlich! Obwohl wir schon eine ganz schöne Bandgendlichen Alters eine breite abdecken können. Aber eine Band ist auch
andere
musikalische immer die Entscheidung gegen ganz viele andere
Geschichte und andere musikalische Möglichkeiten. Deshalb mache ich imErfahrungen. Er geht die mer wieder gerne Ausflüge in unbekanntes Terrain.
Dinge mehr mit einem Vor ein paar Wochen habe ich z.B. bei einem KonBauchgefühl an, Ernst zert in Polen mitgespielt, das „Mozart meets India“
hieß. Da gab es klassische Musiker
und ich sind ja
„Jedes
und Sänger und indische Musik in
schon irgendeinem. Eine tolle Erfahrung!
wie intellektuLeben hat
eller. Die Zuein Ende, ob Was sind die wichtigsten Mosammenarbeit
mit Fil ist in
es damit ein mente im Rückblick seit den
Sentimental wie
jedem Fall sehr
Ziel erreicht Anfängen?
rational?
fruchtbar und
hat, weiß
Es ist ein Staunen, eine Verwunauch interesderung. Erstens, dass die Band so
sant für mich.
ich nicht.“
lange durchgehalten hat. Dafür
Die Szene hat sich übrigens ein riesiges Danke an die Fans, ohne die es
stark verändert. Gibt sicherlich nicht funktioniert hätte. Zweitens wundere
es bei euch einen ich mich immer, was einem so musikalisch einfällt,
Austausch mit der wenn man es aus der Distanz betrachtet. Das bin ich
Szene oder lebt ihr und doch nicht ich, weil ich ja schon ein anderer bin.
bewusst in eurer mu- Vielleicht ist das so ähnlich, wie wenn man sich Kinsikalischen Gegen- derbilder von sich selbst ansieht. Man erkennt sich,
welt?
aber so richtig kann man es mit der gegenwärtigen
Eher Letzteres. Wir ha- Person nicht zusammenkriegen.
GERT DREXL
ben schon Kontakte,
aber wir wollten und www.qntal.de
wollen nie eine „Szeneband“ sein. Dafür
ist unsere Arbeit zu
ernsthaft. Nur Spaß zu
haben, ist nicht so mein
Ding, aber Austausch
Fotos: Severin Schweiger
gibt es schon. Wir haben erst vor kurzem
beim Comeback von The Eternal Afflict ein bisschen
was beigesteuert. Auch auf der Remix-Ebene gibt es
einige Kontakte.
Wo seht ihr Qntal in 20 Jahren? Hat diese Reise
ein Ziel?
Jedes Leben hat ein Ende, ob es damit ein Ziel erreicht hat, weiß ich nicht. So ist es auch mit Qntal:
Der Weg ist das Ziel, wenn es einmal zu Ende sein
wird, hoffe ich auf eine fruchtbare, inspirierte und
erfüllte Zeit zurückblicken zu können. Da sehe ich
VÖ „Purpurea“: 31.10.08
19
Wesen im Schatten des Waldes
Als ich euer Factsheet in die Hand bekam und
„Atmosphärischer Dark-Folk“ las, dachte ich:
„Uiuiui, da wird man bestimmt wieder schön
in den Schlaf geflötet und gezupft!“ Um so
angenehmer überrascht war ich dann, als ich
„The Silver Falls“ hörte. Ab und an tauchen
hier und da sogar mal verzerrte Gitarren, oder
sogar leichte Elektronik auf, sodass euer neues
Album eine richtig hübsche, runde Sache ergibt und nicht langweilig oder gar einschläfernd wird. Was bedeutet es für euch, Musik
machen zu können und sie anderen Leuten zu
präsentieren?
Nico: Mir war es vom ersten Demo-Tape an wichtig
(damals noch mit einer anderen Band), das Publikum
zu erreichen. Ich habe mich immer sehr über Feedbacks gefreut und den Kontakt zum Hörer gesucht.
Heute ist das mit Elane nicht anders. Ob der Kontakt
nun über Internet-Foren, in Chaträumen oder nach
Konzerten entsteht: Ich freue mich sehr, wenn wir
Feedbacks erhalten und im Dialog zu unserem Publikum stehen.
Ich mag den kuscheligen,
verträumten
Dark-WaveTrack namens „Silverleaf“.
Gibt es zu dem eine schöne
Geschichte zu erzählen?
Joran: Vielleicht ist es ein geheimes Treffen zweier Wesen im
Schatten des Waldes. Das Silberblatt symbolisiert ihre Liebe und
Verbundenheit. Ein Moment unsagbarer Liebe und Sehnsucht.
Ähnlich wie bei „Tears And The
20
Foto Andreas Walter N Fleczok Artwork Glenvore-art
Man braucht, Goth sei Dank, gar nicht sehr weit
über den Teich zu Labels wie Projekt zu schauen, um weiche, romantische Musik zu finden.
Also warum in die Ferne schweifen, wenn das
Gute liegt so nah? Deutschland selbst bringt
solche Babys auch hervor und Elane mit ihrem
neuen Album „The Silver Falls“ gehören ganz
eindeutig dazu. Anlass genug für mich, da mal
etwas tiefer nachzubohren.
Perfect Light” (The Fire of Glenvore) und „My Brightest Star” (Lore of Nén). Auf dem Album stellt dieses
Lied einen Moment der Ruhe dar.
Was verbindet euch speziell mit der Mittelalter- und Folkmusik? Steht sowas bei euch Zuhause hauptsächlich im CD-Schrank?
Nico: Ehrlich gesagt: nein. Ich habe zwar einige wenige Bands des Genres auf CD im Regal stehen (u.a.
Faun, Unto Ashes oder Neun
Welten), aber das erst seit gemeinsamen Konzerten, weil
ich die Musik teilweise dort
erst kennen gelernt habe.
Als wir mit unserem ersten
Album (The Fire of Glenvore)
auf den Markt gingen, besaß
ich nur die ersten beiden
Blackmore’s
Night-Alben,
und wenn man einige Dead
Can Dance-Stücke auch zum
VÖ „The Silver Falls“ 24.10.08
mittelalterlichen Liedgut zäh-
len mag, dann auch diese. Und das war’s. Ich habe
viele Weltmusik-CDs in meinem Regal stehen (vor
allem skandinavische Folklore). Ansonsten höre ich
eher ganz andere Musik als die, die wir selbst spielen. Um einige meiner Lieblingskünstler zu nennen:
Anathema, Paul Roland, Peter
Murphy, Danzig, Skyclad, John
Barry, Deine Lakaien, Chris
Hülsbeck, Tiamat, Rachael
Sage usw.
Joran: Ich liebe schöne und
sehnsuchtsvolle Folkmusik,
wie man sie z. B. bei Clannad findet. Belanglosen Folk
mag ich nicht. Ruhigere oder
gefühlvolle Mittelaltermusik
kann ich mir auch ab und an
anhören. Dudelsackterror, mit
dem die Szene überschwemmt
wird, eher weniger. Ich mag
z. B. die reinen Folkalben von
Clannad. Daneben hab‘ ich
den Conan-Soundtrack oder
höre auch Sachen wie Neun
Welten, Carved in Stone, Narsilion, manche ausgewählte
Irish-Celtic Folkmusik oder Loreena McKennitt. Ansonsten
auch viele andere Genres.
Das eine oder andere Mal
klingen eure Gitarren wie die von Mike Oldfield. Hat der Altmeister irgendeine Art Relevanz für euch oder seid ihr jetzt geschockt?
Joran: Wir nehmen es eher als Kompliment an, danke. Ich glaube die Stimmung ist teilweise ähnlich.
Schwebend. Songs wie „To France” z. B. finde ich
ja auch nach wie vor gut. Eigentlich würde ich den
auch mal ganz gerne covern. Irgendwann mal.
Nico: Mike Oldfield hat brillante Songs geschrieben,
immer aber auch ein paar schwache Momente in
seiner Schaffensphase gehabt. Dennoch: bei solch
unfassbar großartigen Liedern wie „Moonlight Shadow”, „Family Man” oder das schon genannte „To
France” freut man sich richtig, wenn sie mal im Radio laufen. Und Oldfields Beitrag zum „Exorzisten”
(„Tubular Bells”) ist unvergessen. „Moonlight Shadow” hatten wir ja für unser Debüt-Album bereits
gecovert. Insofern sind wir natürlich nicht geschockt
über die Frage.
TYVES OBEN
www.elane-music.de
www.myspace.com/elanemusic
Vic
Anselmo
Baltische Träume
Osteuropa meldet sich szenetechnisch auch
wieder mal zu Wort. Und manchmal schafft es
immer mal eine Perle zum großen Sprung, über
den geschmolzenen Eisernen Vorhang, in die
westliche Welt anzusetzen, um dort gut zu landen. So wie die lettische Formation Vic Anselmo, deren Debütalbum „Trapped In A Dream“
in Kürze erscheinen wird.
Musikalisch ist von Rock-Pop über Alternative-Indie bis hin zu klassischen Elementen alles
vertreten. Bitte erzähle mir etwas über deine
Wurzeln, was die Musik angeht?
Ich liebe Musik schon seit Kindesbeinen an. Im
Grunde höre ich bis heute alles querbeet. Von Led
Zeppelin, Black Sabbath und Pink Floyd bis zu Alice In Chains, Pantera oder auch Dead Can Dance.
Meine erste Ressource für Inspirationen sind jedoch
Träume. Ich fühle mich in meinen Träumen wie Zuhause. Sie sind eine Fluchtstätte, in der ich mich frei
bewegen und mich vor Problemen und der Realität
für eine Weile verstecken kann. Abgesehen von Träumen gibt es natürlich noch unendlich viele Inspirationsquellen. Bücher, Kunst, Architektur. Ich erinnere
mich noch lebhaft daran, als ich den Kölner Dom das
erste Mal sah, war ich nahe daran zu weinen, so
beeindruckt war ich. Dann gibt es noch Leute, das
Wetter, einige Orte meiner Heimatstadt, Halbruinen, verlassene Fabriken und Gebäude oder
einfach die Natur hier in Litauen, Felder, Wälder
und kristallklare Seen. Hier gibt es jede Menge schöne und mysteriöse Orte.
Du beschreibst deine Musik auf deinem Myspaceprofil als Gothic. Deine Stimme erinnert mich
manchmal an Amy Lee. Was verbindet dich mit
dem Begriff Gothic?
Gothic repräsentiert eine dunkle und mysteriöse
Atmosphäre. Diese Atmosphäre fand ich schon seit
frühester Kindheit attraktiv. Ich mochte schon immer
mystische Geschichten und Filme. Ich kann mich
noch gut daran erinnern, Stephen King‘s „Shining”
aus dem Bücherregal meiner Eltern genommen zu
haben. Ich habe es ausgewählt, weil es ein gruseliges Cover hatte und es war mein erstes ernstes
Buch. Ebenfalls schrieb ich meine eigenen kleinen
Horrorgeschichten nachdem ich „Geschichten aus
der Gruft” gesehen hatte. Eine meiner Geschichten
handelt von einem Basketball, der den Teammitgliedern die Finger abbeißt. Ich spielte alle möglichen
Spiele, in denen es um mystische Kreaturen und
Abenteuer ging. Diese mystische Atmosphäre war
immer sehr inspirierend für mich.
Was inspiriert dich beim Schreiben deiner
Texte? Würdest du
dich selbst als
eine Art „Tagträumer“ bezeichnen?
Bevor ich zu Bett gehe, sehe ich manchmal merkwürdige Bilder vor meinen Augen, welche oftmals
einen großen Detailreichtum aufzeigen. Von merkwürdigen Kreaturen, befremdlicher Architektur oder
auch hässlichen Gnomen im Himmel, die Fenster zu
furchtbaren und blutigen Bildern öffnen. Ich mag
es, Geschichten zu erfinden über Orte, die ich mal
besucht habe. Einfach über ihre Vergangenheit und
Zukunft, wer dort verweilte und was dort vielleicht
mal passiert ist.
Du inszenierst dich im Artwork deiner CD als
schüchternes Mädchen, eingesperrt in einer
Fantasiewelt. Was bedeutet die Uhr auf dem
Inlay?
Das Cover wurde von einem sehr talentierten lettischen Künstler namens Artur Berzinsh entworfen.
Die Uhr hinter dem Tray symbolisiert die Stunde, in
der es Zeit wäre, zu Bett zu gehen, um das „Traumland” zu besuchen, dort wo die Fantasie zur Realität wird. Gleichzusetzen mit dem Countdown, bis
du wieder aufstehen musst. Kannst du dir vorstellen
was passieren würde, wenn die Uhr aufhören würde zu ticken? Du wärest „Trapped In A Dream“, in
einem Traum gefangen.
TYVES OBEN
www.vicanselmo.com
www.myspace.com/vicanselmomusic
VÖ „Trapped In A Dream“: 10.10.08
21
FELIX
MARC
Vom Keyboarder zum Solokünstler
Felix Marc, werden sich einige fragen, wer ist
denn das? Aber nicht jeder muss sich einen
ausgefallenen Künstlernamen zulegen, schon
gar nicht wenn man das Glück buchstäblich im
Vornamen stehen hat. Dabei ist Felix ja auch
nicht irgendwer und eigentlich schon lange
im Geschäft der düsteren Klänge. Zunächst als
Keyboarder der Band Diorama, nutzte er die
Gunst der Stunde, als ein gewisser Vasi sein
erfolgreiches Futurepop Projekt Namnambulu zu Grabe tragen musste und einen neuen
Sänger für das Nachfolgeprojekt Frozen Plasma suchte. Da man sich in den Elektro-Kreisen
ja doch durch die verschiedensten Festivals
kennt, war der Kontakt schnell geknüpft und
die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.
Nun war Felix während seiner gemeinsamen
Zeit mit erstgenannten Bands auch nicht un22
tätig, hat seine kreativen Ideen zu Papier
gebracht und dank seines Labels Infacted
die Möglichkeit erhalten, sein erstes eigenes
Album zu produzieren. Das Werk „Pathways“
wird nicht nur den Fans der oben genannten
Bands ansprechen, vielmehr ist hier eine Symbiose aus all diesen Bands mit einem Schuss
von Felix‘ eigener Vergangenheit, die vor
allem auch Hörer über die Fan-Base hinaus
ansprechen dürfte, denn von VNV Nation bis
Pet Shop Boys, Mesh bis De/Vision oder Camouflage bis Schiller sind alle Einflüsse elektronischer Spielarten vertreten.
Gratulation zu deinem wirklich gelungenen
Erstlingswerk. Wie lange hat es gedauert, das
Ganze fertigzustellen?
Felix Marc: Vielen Dank. Die Phase des eigentlichen
Fertigstellens des Albums hat ca. sechs Monate in
Anspruch genommen. Die einzelnen Songs entstanden aber schon zu früherer Zeit. Der älteste Song auf
dem Album ist „Separation“ und gut und gerne zehn
Jahre alt.
Das Album heißt „Pathways“. Auf welchen
Pfad möchtest du uns denn führen? Wohin soll
die musikalische Reise gehen?
Der Titel des Albums steht symbolisch für die Lebenspfade, die sich vor uns darlegen und es uns selbst
überlassen, welchen Pfad wir davon beschreiten.
Im konkreten Bezug auf mein Album bekommt das
Ganze dann noch eine autobiografische Note, da die
einzelnen Albumtitel über einen Zeitraum der letzten
zehn Jahre entstanden sind und somit von meinen
musikalischen Pfaden und persönlichen Erlebnissen
während dieser Zeit erzählen.
dir klar, dass du eigentlich hinter das Mikrofon Konzert selbst in eine intensive Konzentrationsphase
gehörst? Hast du eine Gesangsausbildung ge- begebe.
macht?
Das Singen, wie auch das Keyboard- „Symbolisch steht Der erste Song „ Give back the
spiel und das Komponieren habe ich
hat Sequenzen in
‚Pathways’ für Moments“
mir alles selbst beigebracht. Eine Ausden Strophen, die an alte Diobildung in dieser Richtung habe ich die Lebenspfade, rama- Klassiker erinnern. Abnicht. Zum Gesang fand ich während
Und was bedeutet das
die sich vor uns sicht?
eines Austauschjahres in Amerika, wo
Lied für dich? Außerdem gibt
darlegen und es hierzu ja auch schon ein Viich im Schulchor mitgesungen habe.
Hier entdeckte ich zum ersten Mal
deo; wie war der Videodreh?
es uns selbst
mein Interesse an vielschichtigem GeWelchen Klassiker meinst du denn?
überlassen,
sang, da im Gegensatz zu deutschem
Nein, der Song sollte nie wie ein
Musikunterricht gute Songs praktiziert
welchen Pfad Diorama-Stück klingen. Er hat seiwurden und somit auch der Spaß an
ne ganz eigene Geschichte, die ja
wir davon
der Sache vermittelt werden konnte.
auch im Video erzählt wird. Es ist
beschreiten.“ eine sehr persönliche Erfahrung, die
ich in einen Song umgesetzt habe.
Wie kam der Kontakt zu Vasi zustande? War es eine schwere Entscheidung, Nachdem eine langjährige und für mich wichtige Bedich mit dem Nachfolge-Projekt gegen die ziehung in die Brüche gegangen ist, kamen Vorwürmarkante Stimme von Henrik (ex-Namnambu- fe auf, dass die gemeinsamen Momente verlorene
lu) in Konkurrenz zu setzen?
und falsch investierte Zeit war, die man jetzt unter
Vasi lernte ich 2005 auf der VNV Nation Tour kennen, Einfluss der Enttäuschung zurückforderte. Der Videowo ich mit Diorama als Vorgruppe dabei war. Bei dreh war eine ungemein interessante Erfahrung, die
den Soundchecks wurde er auf meine Stimme auf- ich alleine jedoch nie hätte stemmen können. Glückmerksam und fragte mich, ob ich Interesse an einer licherweise hatte ich ein tolles Team, das mir half,
Zusammenarbeit hätte. Als dann NNB auseinander- mit bescheidenen Mitteln ein maximales Ergebnis zu
brach, redeten wir konkret über Frozen Plasma und erzielen. Die Vorbereitungen dauerten 4-6 Wochen.
das Nachfolgeprojekt. Zu diesem Zeitpunkt war ich Als Drehort dienten die leer stehenden Kellerräume
mir bereits darüber bewusst, dass ein Teil der NNB eines alten Fabrikgebäudes in Reutlingen. Hier wurFans mit meiner Stimme im Vergleich zum Vorgänger den alle Szenen an zwei aufeinanderfolgenden WoProbleme haben könnten. Aber ich war auch selbst- chenendtagen abgedreht. Danach schloss sich noch
bewusst genug, mir zuzutrauen, diese Leute kurzfri- ein mühsamer Post-Produktion Prozess am Rechner
stig von meiner eigenen Stimme zu überzeugen.
an, der auch nochmal vier Wochen dauerte.
Einflüsse von Diorama sind nicht zu überhören.
Wie warst du dort in die schöpferische Phase
eingebunden?
Ich denke, es ist ganz normal, dass sich Einflüsse aus
den anderen musikalischen Projekten auch in meinen Werken finden lassen. Schließlich bin ich nach
wie vor auch dort tätig und absorbiere Einflüsse, die
ich dann zumeist unterbewusst und in einer abgewandelten Form in eigenen Kompositionen weiterverarbeite. Bei Diorama bin ich als Co-Produzent seit
dem zweiten Album („Her liquid arms“) integraler
Bestandteil bereits während der Produktionsphase.
Die Arbeiten an neuen Tracks erfolgen in enger Zusammenarbeit mit Torben, was letztendlich zu dem
ganz eigenen Diorama-Sound führt.
Deine Stimme ist ja seit Anfang 2000 als zweite Stimme von Diorama im Ohr. Seit wann war
Wir haben uns, glaube ich, vor einem der ersten Meine Favoriten sind „ Give back the MoKonzerte von Frozen Plasma in der Batschkapp ments“ und die Ballade „Separation“. Welches
in Frankfurt getroffen. Deine Nervosität war ist dein Lieblingslied auf dem Album?
schon zu erkennen, aber der
Das ist schwer zu sagen, weil
Auftritt war derart profesauf dem Album die Songs
sionell. Hut ab. Hast du ein
gelandet sind, die mir in den
Mittel gegen Lampenfieber?
letzten zehn Jahren am meiJa natürlich. Die Nervosität bei
sten bedeutet haben. Diese
den ersten Konzerten resultierte
nochmals gegeneinander zu
natürlich daraus, dass mir die
gewichten, ist schwierig. Je
Rolle als Frontsänger komplett
nach Laune und Gefühlslage
neu war. In dieser Rolle musste
wähle ich unterschiedliche
ich mich erst noch finden. Die
Songs des Albums aus. Der
Nervosität hat sich inzwischen
Random-Mode an meinem
gebessert. Auch weil ich auf
CD-Player ist da eine willeine konsequente Vorbereitung
kommene Funktion.
HEIKO NOLTING
achte, d.h. Proben der Songs,
VÖ „Pathways“: 29.08.08
www.felixmarc.de
und mich unmittelbar vor dem
23
Der mit dem
Klappzylinder tanzt
Wer letztes Jahr den Bundesvision Song Contest von Stefan
Raab gesehen hat, wird sich
vielleicht an die Band Northern Lite erinnern, die dort
einen guten sechsten Platz
geholt haben – auch durch die
Unterstützung der Sängerin
Maria Antonia – ihres Zeichens
Sängerin der Electro-ChansonPop-Band Chapeau Claque.
Chapeau Claque sind anders.
Sie singen von Störchen und
von Rot und sie sind zuckersüß!
Die Musik ist mehr als eingängig und der Gesang ist Erotik
für die Ohren. In Deutschland
fehlt der große Durchbruch
noch – aber mit dem neuen
Album „Fabelweiss“ sollte das
auch nur noch Formalität sein.
Reden wir also über das fabelhafte Weiss.
Wie seid ihr auf den Albumtitel
„Fabelweiss“ gekommen?
ihr bereits einen TopMaria Antonia: An sich hat die eigentliche Fa- Ten-Hit gelandet mit der
bel fast schon etwas Plattes. Sie reduziert einen Single „Reykjavik“ - wann
bestimmten menschlichen Charakterzug auf ein meint ihr, wird es auch in Deutschland so
bestimmtes Tier und lässt dich am Ende mit einer weit sein – und wenn, welchen eurer Songs
Moral zurück. So etwas wäre heutzutage Schwarz- würdet ihr gerne in den Top Ten sehen und
Weiss-Malerei. Vielmehr schätze ich die clevere warum?
Idee, die eigentliche Aussage geschickt kreativ zu Schwierig, so etwas abzuschätzen. Für mich
verpacken. Ich liebe es, mit Metaphern zu arbei- persönlich gibt es einige Kandidaten auf dem
ten, somit gibst du der Geschichte nicht nur ihren Album, die den Hörnerv der breiten Masse trefeigenen Charme, sondern auch dem Hörer seinen fen könnten. Der konkreteste Song ist vermutlich
„Unsere Liebe-ein Storch“.
nötigen Freiraum um seine
eigene Geschichte und Emo- „Meine Muse besitzt Hier werden Emotionen angedie ein jeder nachtionen zu finden. Wer seine
keine Manieren und sprochen,
vollziehen kann und auch muOhren aufmerksam spitzt,
fällt unangekündigt sikalisch ist er spannend und
kann in fast jedem Song auf
energetisch arrangiert. Aber
dem
„Fabelweiss“-Album
über mich her.“
am Ende ist so etwas nicht
ein Tier enttarnen, sei es im
Text oder als Klangkulisse. Für mich war klar, dass voraussehbar.
ich dem zweiten Album ein Konzept, einen roten
Faden verpassen werde, der sich nicht nur durch Eure Musik ist wirklich Zucker! Wie entstedie Musik selbst, sondern auch über Gestaltung, hen eure Songs – steht als erstes das Wort
oder erst die Musik?
bis hin zur Bühnenshow zieht.
Dafür gibt es keine Regel. Prinzipiell gilt nur:
In Griechenland, so konnte man lesen, habt „Nicht ich klopfe bei der Muse an, sondern wenn,
24
dann umgekehrt!“ Abgesehen
davon besitzt meine Muse
keine Manieren und fällt unangekündigt
über mich her. Das kann dann auch mal hinter einem Erdbeerstand auf dem Markt sein,
oder im Himalajagebirge in Nepal oder schlicht
und einfach am Klavier Zuhause. Meistens schreibe ich Text und Melodie und bastele Zuhause
am Apple das grobe Gerüst. Später geht’s ab in
den Proberaum, wo wir als Band gemeinsam am
Arrangement feilen und schließlich im Studio,
zusammen mit meinem Produzenten Frithjof, ist
auch noch Platz für so allerhand Experimente.
Welche Requisiten werdet ihr in Zukunft
noch aus dem Zylinder zaubern? Was habt
ihr für die Zukunft noch in Planung?
Unser erstes Ziel zurzeit ist viel zu spielen. Unseren Storch und unsere Frösche, Flughunde und
Leoparden lebendig werden zu lassen. Was die
Zukunft bringt, hängt sehr davon ab, wie dieses
Album ankommt, aber an sich ist alles möglich.
DANIEL FRIEDRICH
www.myspace.com/chapeauclaque
VÖ „Fabelweiss“:10.10.08
Fleisch isst Fleisch
Kannibalismus – Vordergründig denkt man
sofort an Rothenburg und jenen schon oft
popmusikalisch interpretierten Menschenfresser, der in seiner abgründigen Tat von
Boulevard bis Feuilleton die Republik im
Atem hielt, doch damit hat die neue Veröffentlichung von Das Ich nichts gemein. Das
Ich melden sich in gewohnt radikaler Manier
zurück und spendieren mit ihrer neuen EP
„Kannibale“ einen Ausblick auf das im Frühjahr
erscheinende Album „Ritual“. Die Clubremixe
einiger der arriviertesten Vertreter der DAC
dürften für heftigen Tanzflächeneinsatz garantieren.
als gäbe es kein Morgen. Kannibalismus üben wir
aber auch an unseren nächsten Verwandten aus.
Und das in bestialischer Präzision. Im Räderwerk der modernen Tötungsmaschinen sterben
für unsere Gier auf Fleisch täglich Millionen
von Existenzen einen qualvollen Tod. Manchmal,
ohne je einmal das Tageslicht gesehen zu haben.
Zu gerne schließen wir unsere Augen vor
dieser alltäglichen Form des Kannibalismus.
Zu gerne reduzieren wir Tiere auf eine niedere Stufe, klassifizieren so Leben in Kasten.
Das Tier als Sache, der Mensch als Individuum
– um unser eigenes Gewissen angesichts der
blutigen Wahrheit zu beruhigen.
Werden die drei neuen Songs der EP auch
auf dem nächsten Jahr erscheinenden Album enthalten sein?
Bruno: Nein, nicht in dieser Fassung. Ich denke,
neun Songs und drei neue Titel sind für eine EP ein
ganz guter Gegenwert.
Auf der CD befindet sich auch ein Film zur PETA
Kampagne. Was möchtet
ihr vermitteln?
Stefan: Wir sind alle zu
Gast auf dieser Erde
und alle gleich, wir
stehen seit vielen
Jahren zum Vegetarismus und wollen
den Menschen mit dem
Film zeigen, dass alle Lebensformen Schmerz und Leid empfinden. Wer dabei wegschaut, sieht
auch nicht hin, wenn neben
ihm ein Mensch erschossen würde, denn für uns
heißt es: Speziesismus
ist nichts anderes als
Rassismus, daraus
ergibt sich für uns
eine Weltsicht
des Miteinanderlebens und
Respektierens, ohne dem anderen Schaden oder
Leid zuzuführen. Wer hierauf irgendwelche dummen und abwertenden Sprüche bringt, muss diesen
Film sehen, während er sein Fleisch isst. Lass es dir
schmecken!
Neben der EP gibt es auch eine Fleischplatte.
Was hat es damit auf sich?
Stefan: Die Fleischplatte ist eine streng limitierte
Variante, bestehend aus der EP, einem Button, einem
Poster, einem blutigen Shirt und einem Aufkleber in
einer zur Kampagne passenden Styropor-Fleischverpackung.
Ihr geht wieder auf große Tournee, bis nach
Russland. Wie kann man sich denn da als Vegetarier ernähren?
Stefan: Es ist keine Frage des Landes. Zu meinen Veganer-Zeiten wurde ich mal von einer
Rostocker Köchin gefragt, nein nicht
gefragt, sie hat mich angeschrien:
„Ja sag mal, was isst denn du
dann noch?“
MARIUS MARX
www.myspace.com/dasich
VÖ „Kannibale“: 26.09.08
Den Menschenfresser von Rothenburg habt ihr
sicher nur sekundär im Visier eurer neuen CD?
Bruno: So widersinnig diese Tat auch wirken mag,
sie ist nur die vordergründigste Variante des Kannibalen. Kannibalistisch ist die Menschheit von Anbeginn, seien es die Gefangenen besiegter Stämme
oder ganze Völker im Genozid von Rassenwahn oder
religiöser Allmachtsfantasie. Besonders die westliche
Welt, die sich selbst allzu gerne als zivilisatorische
Elite betrachtet, watete ja im Blut der Völker. Das
christliche Dogma als Kodex vorgeschützt, wurde
bereits in der Zeit des Kolonialismus alles gefressen,
was sich nicht unmittelbar unterwarf. So wurden
ganze Kontinente samt ihren Naturreligionen und
Weltanschauungen kannibalisiert, der christlichen
Kultur unterworfen und zu guter Letzt ausgelöscht.
Das wirtschaftliche Ungleichgewicht, die globale
Umweltproblematik und das Fehlen sind sicher nicht
nur der westlichen Welt zuzuschreiben, fanden hier
jedoch ihren Ursprung
und stützen bis heute
„Bereits in der Zeit des
unseren Wohlstand,
Kolonialismus wurde
während unser Hunger auf schnellen und
alles gefressen, was
billigen Konsum die
sich
nicht unmittelbar
Ressourcen unseres
unterwarf.“
Planeten ausplündert,
Foto: Thomas van de Scheck
25
Suchtforscher
Das Projekt des Sängers und Elektroniker Chris
Tagore sorgte bereits vor vier Jahren für Aufsehen, als das Debüt „Nachtangst“ bei dem
US-amerikanischen Undergroundlabel BLC
erschien. Unzweifelhaft eine Novität für eine
deutsche Band, die noch dazu viele deutschsprachige Songs im Gepäck hatte. Leider war
es dann jedoch lange still um die Formation,
einzig und allein eine umfangreiche USA-Tournee schien vom Weiterleben der Band mit dem
vielsinnigen Namen zu berichten. Auf dem
neuen Werk „Sucht!“ schlägt die Band ihrer
Tradition des düsteren, kraftvollen EBM eine
Bresche und hebt sich mit klarem Gesangsfokus von der breiten
Masse ab.
Vier Jahre sind eine
lange Zeit. Was hat sich
bei euch persönlich
und künstlerisch seit
eurem Debüt „Nachtangst“ getan?
Chris Tagore: In der Tat
eine lange Zeit. Persönlich
haben wir uns in den letzten Jahren vor allem um
die Entwicklung auf beruflicher Ebene bemüht.
In künstlerischer Hinsicht
haben wir uns darauf
konzentriert, unseren bereits auf „Nachtangst“
eingeschlagenen, eigenen
Stil weiterzuentwickeln.
So sind beispielsweise
auch die Erfahrungen der
US-Tournee in die neuen
Kompositionen
eingeflossen. Das neue Album
ist noch melodiöser und
rhythmischer, konzentriert
sich noch stärker auf markante Soundstrukturen.
Wie war die US-Tournee? Wie viele Dates
und welche Eindrücke
gab es?
Diese Tour war für uns
eine beeindruckende Erfahrung. Einerseits fast
täglich an einem neuen
Ort in einer anderen Klimazone zu sein, was eine
echte Herausforderung
für das Immunsystem
26
war; andererseits die vielen positiven Reaktionen
auf unsere Musik zu bekommen von Leuten, die uns
noch nie zuvor gehört hatten. Bei den sehr vielen
und sehr unterschiedlichen Eindrücken war die Herzlichkeit und Begeisterungsfähigkeit der Menschen in
den USA eine der schönsten Erfahrungen.
Der Name assoziiert mehr als reinen Spaß am
Musizieren. Eure Message und Philosophie
steht im Vordergrund. Welche inhaltlichen Dinge möchtet ihr auf „Sucht!“ verarbeiten?
Unsere Philosophie war von Anfang an, mithilfe der
Musik unsere Denkansätze zu bestimmten Themen
äußern zu können. Auf dem neuen Album geht es
inhaltlich um Sucht und Abhängigkeit bzw. die Suche
nach dem, was eigentlich hinter diesen Begrifflichkeiten steht. Beleuchtet man es eingehender, stellt
man fest, dass es dabei weit über die oft zitierten
stoffgebundenen Süchte hinausgeht. Süchtige
Verhaltensstrukturen findet man viel häufiger als
gedacht, beispielsweise sehr oft auch in Partnerschaften, was in einigen der Songs auf „Sucht!“ zum
Ausdruck gebracht wird.
Habt ihr eigene Suchterfahrungen hinter euch?
Zumindest spielt ihr darauf an, oder?
Natürlich haben wir auch eigene Suchterfahrungen
und thematisieren auch diese auf dem Album. Allerdings bezieht sich das nicht auf die Erfahrung mit
illegalen Drogen oder ähnlichem. Vielmehr geht es
dabei um die bereits erwähnte Beziehungsebene, die
in meinen Augen eine mindestens genauso häufige
Quelle für abhängiges Verhalten darstellt.
Sadismus, Masochismus – welche Beziehung
habt ihr zu BDSM?
Hehe, also ich mag es zwar abwechslungsreich, bin
dem BDSM aber nicht wirklich zugetan. Allerdings
würde diese Frage sicher nicht von allen Bandmitgliedern gleich beantwortet werden. Bei den beiden
Songs geht es aber nicht nur um die Form von Sexualität, die damit assoziiert wird (und in der Psychiatrie übrigens immer noch als sogenannte Störung der
Sexualpräferenz verschlüsselt wird), sondern auch
um die höchst pathologische Art von Partnerschaft,
die sich häufig dahinter verbirgt.
SIEGMAR OST
www.philosopherspoint.de
VÖ „Sucht!“: 27.10.08
Lehrbuch der Apathie
In beharrlicher Tradition veröffentlichen die
Berliner Scream Silence Jahr für Jahr ein neues
Album, ohne dass die Qualität darunter hörbar
leider würde. Im Gegenteil: Die Band scheint
gerade seit ihrem letzten Oeuvre einen songschreiberischen Quantensprung gemacht zu
haben, denn die stilistische Ausrichtung ist
trotz des schwermütigen Grundtenors vielschichtiger und musikalisch extrem überraschend ausgefallen. Scream Silence haben spätestens jetzt ihren ureigenen Stil gefunden.
In welcher Tradition würdet ihr euch sehen,
müsstet ihr euch in einer Rockologie einordnen?
Robert: Nicht einfach, muss ich sagen. Als wir vor
zehn Jahren angefangen haben, waren unsere prägenden Einflüsse eindeutig aus dem Gothic Rock
dieser Zeit, wie etwa Tiamat oder auch Paradise Lost.
Später ging es bei Scream Silence eher in Richtung
Dark Rock, was ja genau diese weiterentwickelte
Form des „traditionellen“ Goth Rock bedeutet. Unser vorletztes Album „Saviourine“ und speziell der
Song „Creed“ ging eindeutig in diese Richtung.
Hardy: Seit einiger Zeit lassen wir uns aber auch von
Elementen aus dem Progessive- oder Alternative
Metal inspirieren. Bei „Apathology“ würde ich deshalb eher zum Begriff Depressive Rock tendieren.
Hardy: In den Songtexten auf dem Album geht es
um innere Verzweiflung, um Druck, dem man nicht
mehr standhalten kann. Irgendwann blendet man
das Um-Sich-Herum dann einfach aus und zieht sich
in sich selbst zurück, verfällt in seelisch Apathie.
Robert: Da es unzählige Gründe dafür gibt und wir
uns genau mit diesem Thema diesmal intensiv in
unseren Texten beschäftigt haben, dachten wir am
Ende, es klingt ja fast wie eine Art Lehrbuch für Apathie. Und schon war „Apathology“, die „Lehre von
der inneren Leere“ geboren.
Wie kann man sich die typische Entstehung
eines Scream Silence Songs vorstellen?
Hardy: Unsere Arbeitsweise ist, zumindest für eine
Rockband, eher untypisch. Zur Grundidee entsteht
erstmal eine Skizze am PC, wo die meisten Synth/
Streicher-Arrangements sowie alle Gitarrenlinien erarbeitet werden. Dann kommen aber die Drums dazu
und ab da probieren wir viel aus, verwerfen einiges
und testen einiges auch live im Proberaum aus. Erst
ganz zum Schluss machen wir dann die Lyrics und
Vocals.
Robert: Im Grunde nehmen wir dadurch den Song
mehrfach auf, was unsere langen Produktionszeiten
von mittlerweile über zehn Monaten erklärt.
Mittlerweile veröffentlicht ihr in regelmäßigen
Abständen neue Alben. Entwickeln sich die je-
weiligen Konzepte zu Alben linear oder gibt es
immer wieder Ideen, die verworfen und dann
mal wieder ausgegraben werden?
Robert: Wir haben bei jedem Album immer ungefähr doppelt so viele Songideen, als nachher auf
dem Album zu hören sind. Vieles davon ist nicht unbedingt B-Material, passt aber oft nicht ganz zum
Album-Konzept.
Hardy: Wir hatten uns schon oft vorgenommen, den
einen oder anderen Song bei einem der nächsten Alben noch mal auszuprobieren – einen Song tragen
wir schon seit der zweiten Scheibe mit uns rum, haben das dann aber immer wieder verworfen, einfach
weil das neue Material unserer Meinung nach immer besser war als das vorhergehende. Einfach weil
auch wir immer noch dazu lernen, und deshalb beim
Songwriting und bei der Produktion einiges besser
machen können.
Erzählt uns doch mal etwas aus der mittlerweile zehnjährigen Bandgeschichte von Scream
Silence. Gab es da irgendwelche Kuriositäten?
Hardy: Jede Menge (lacht). Wir haben z. B. selten
die Kaution für unseren Tourbus wiederbekommen.
Entweder platzte ein Reifen, ein Dachfenster flog in
hohem Bogen davon, oder Wolfi rangiert ihn direkt
in ein Haus rein. Von einem fliegenden Salsa-NachoHut und einem nackten Robert in der Hotellobby mal
ganz zu schweigen. Die Story erzählen wir euch ein
anderes Mal.
DANIEL FRIEDRICH
www.screamsilence.de
Wie kam es zu dem Namen „Apathology“?
Gibt es dazu eine Geschichte?
VÖ „Apathology“: 14.11.08
27
KöRPERSCHALL
Festkörperphysik
Körperschall ist die Bezeichnung für all jene
Schallwellen, die sich innerhalb eines festen
Gegenstandes ausbreiten. Sicher eher die Körperbetontheit seiner vom ihm veröffentlichten
Musikstile im Sinn, hatte Maximilian Wall den
Namen seiner Labelplattform „Körperschall“
in der Vergangenheit für Veröffentlichungen
seiner beiden Projekte „Ellipse“ und „Industriegebiet“ genutzt. In Signalfarben titelt seine
neueste CD jedoch bereits mit dem Labeltitel.
Das legt die Vermutung nahe, er habe hier ein
neues Projekt entstehen lassen.
Maximilian: Also Körperschall ist kein Projekt in diesem Sinne. Natürlich ist er der Interpretenname des
neuen Samplers. Jedoch ist es der Labelname. Es ist
für jede „Releaseepoche“ von Körperschall Records
ein solcher Remixsampler geplant. Auf dem ersten
befinden sich die Bands Ellipse und Industriegebiet.
Für Anfang nächstes Jahr sind die nächsten Releases
geplant. Jedoch werden es dieses Mal drei neue
Bands sein, welche auf dem dann zweiten Körper28
höre es und bekomme so eine Art Blitz. Es trifft einen eher unterbewusst und es hat irgendetwas mit
einem selbst zu tun. Als würde man ein Sample aus
einem Lied in einem Film wiedererkennen und das
Lied ist dabei eigentlich deine Geschichte.
schall Sampler vertreten sein werden. Auch hier wird Deshalb wahrscheinlich das Provokante. Deshalb
der Sampler wieder eine Vorschau der jeweiligen wahrscheinlich meine Einstellung zur Kirche.
Es hat irgendetwas mit einem
Alben sein. Was ich persönlich an dieselbst zu tun. Jetzt soll sich doch
sen geplanten Samplerreihen interes„Das ist wohl
einer mal meine Aussage bei dem
sant finde, sind natürlich die Eigenineher auf
Titel „Sex mit einer Leiche“ anseterpretationen der Remixer und dass
meinen Humor hen. Aber ich kann hier Entwares auch mindestens ein gemeinsames
neues Lied der vorgestellten Bands zurückzuführen, nung geben: Das ist wohl eher auf
meinen Humor zurückzuführen,
gibt. Bei nun drei Bands kann das
nicht weil ich
nicht weil ich den Beischlaf mit
bestimmt sehr interessant werLeichen bevorzuge. Außerdem ist
den, vor allem bei verschiedenen
den Beischlaf
das Wort „Leiche“ zu definieren.
Stilen.
mit Leichen
Es gibt da viele Arten.
Du bist selbst Szene DJ. Nutzt
bevorzuge.“
Wird sich der Fokus noch weidu die Tanzflächenresonanz,
ter in Richtung der Symbiose von Technostilen
um deine Tracks zu optimieren?
Naja, in erster Linie bin ich an solch einem Abend mit dem Gotischen Segment entwickeln?
DJ und nicht Musiker. Ich denke, das muss man Also aus DJ-Sicht ein klares Ja. Es gibt prozentual mehr
ein wenig trennen. Natürlich sehe ich die Tanz- Elektroveranstaltungen als klassische Gothicpartys.
flächenresonanz und kann einschätzen, inwie- Ich will nicht sagen, dass das nun vorteilhaft ist, obfern ein Song ankommt, jedoch ist das nicht das wohl ich Elektro mache. Denn das Spektrum, welches
Entscheidende dafür, ob ein Song auf das Album ich höre, mache und gut finde, ist viel größer.
SIEGMAR OST
kommt.
www.myspace.com/koerperschallrecords
Neben der extremen Tanzbarkeit fast aller Titel fällt
natürlich auch die Provokanz einiger Songs auf. „Sex
mit einer Leiche“, „Jesus
Christus schluckt“, „Sorge
um Gott“ sind sicher auch
mit einem Augenzwinkern
entstanden?
Ja. Und mit einem Lächeln. Es ist
ungefähr so zu beschreiben: Als
mir ans Herz gelegt wurde „8 mm“
doch endlich mal bis zum Ende zu
sehen und dann die Stelle aus dem
Sample von „Snuff Machinery“
kam, da schoss mir auf einmal ein
Blitz durch den Kopf. Woher kenn
ich das? Irgendwie ein komisches
Gefühl. Der „Aha-Effekt“ oder
Ähnliches. Wenn ich Filme oder
Sendungen sehe, dann finde ich
ein Sample, dass ich verwenden
könnte ziemlich ähnlich. Nur ist
es verkehrt herum: Ich sehe etwas,
WHISPERS IN
THE SHADOW
Frau geht, Mann
weint, Frau kommt
zurück, Mann geht
etc. Das hatte man
nun echt schon
zur Genüge gehört
von
tausenden
Bands. Jeder, der
sich ernsthaft mit
den Lyrics der Platte
auseinandersetzten will, sollte
sich nicht scheuen,
mal etwas weiter
in die Materie vorzudringen.
Okkulter Wiener Charm
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Produzentenlegende John A. Rivers und dem neuen
Label?
Echozone Records und wir haben uns über MySpace
„kennengelernt“. Wir waren grade mal wieder auf
Labelsuche und durch Zufall, oder Bestimmung,
wer weiß, kamen wir in Kontakt. Die Zusammenarbeit läuft wirklich hervorragend. John Rivers kannte ich noch von meiner Arbeit mit L’ame Immortelle,
wir hatten über die Jahre den Kontakt gehalten. Ich
wusste, dass die Zeit einmal reif dafür sein würde,
dass wir zusammen ein Album machen. Es war die
richtige Entscheidung, wie man wohl hören kann.
Das Warten auf den richtigen Zeitpunkt hat sich
also gelohnt.
Foto: Patrizia Wiesner
Nachdem Whispers In The Shadow Ende letzten Jahres noch eine kleine Tour absolvierten,
sind sie jetzt mit einem großen, okkultistischen Kracher wieder auf der Bildfläche
aufgetaucht. „Into the Arms Of Chaos“ heißt
das neueste Studioalbum und verspricht Gothic Rock, dass die Knochen im Körper wackeln.
Warum sollte das neue Album so klingen, wie
es jetzt klingt? Es hebt sich ja sehr deutlich
von der zurückliegenden Diskografie ab. Es ist
ein fast schon episch-klassisches gitarrenorientiertes Gothic-Rock-Album geworden, und
auch das härteste der Band bisher.
Von Anfang an wollte ich ein klassisches GothicRock-Album machen, aber mit einem modernen
Sound, also ein Album, das auf der Höhe
„Auch mein
Fast zeitgleich mit den Arder Zeit ist und trotzdem durch und durch
beiten zum neuen Album
Goth Rock. Ich denke, das neue Werk hat
Interesse am
hat auch mein Interesse am
einen sehr kompromisslosen zwingenden
Sound, was auch mit dem okkult mystischen Okkultismus hat Okkultismus zugenommen
Konzept der Platte zu tun hat und ist sicher
zugenommen.“ und ich habe mich dann
etwas eingehender mit dieauch unsere stimmigste Scheibe.
sem weitläufigen und komplexen Thema auseinanDu hast dich für „Into The Arms Of Chaos“ viel dergesetzt. Das Resultat ist die neue Platte. Besonmit Okkultismus und Spiritualität auseinan- ders die Schriften von Austin Osman Spare haben
dergesetzt. Wäre schön, da Näheres darüber einen großen Einfluss auf die Lyrics des Albums gezu erfahren. Was genau hat dich denn so da- habt. Außerdem wollte ich mal andere Themen beran fasziniert und bewegt?
handeln als das übliche Lovesonggejammere, also
Wird es denn
auch wieder eine
Tour zum Album
geben?
Es wird dieses Jahr
noch ein paar ausgewählte Livekonzerte geben. Warschau und Wien
wurden eben bestätigt. Im Frühjahr
planen wir dann
eine richtige Tour,
außerdem wird es
uns 2009 auf dem
einen oder anderen Festival deines
Vertrauens zu sehen geben.
Was steckt hinter der BonusDVD der Special
Edition?
Nun, wir wollten den Leuten etwas mehr bieten als
nur eine CD, so entstand die Idee, eine Bonus DVD
beizulegen, diese beinhaltet ein Livekonzert (mit
alten und neuen Songs) sowie eine 35minütige
„Rockumentary“ über das Album mit Interviews,
Liveclips und mehr. Die Special Edition wird allerdings nur bei ausgesuchten Mailordern zu haben
sein und natürlich auch über unsere Homepage.
TYVES OBEN
www.noizeart.de
www.myspace.com/whispersintheshadow
VÖ „Into The Arms Of Chaos“: 24.10.08
35
Gloom Rock
Bastards in Hell
Keine Angst. Jack Frost hat nichts mit dem
gleichnamigen, klebrigen Hollywoodstreifen
zu tun. Der Bandname der Österreicher ist von
einem Saint Vitus Song inspiriert und gibt auch
schon das ungefähre Genre des Quartetts vor.
Seit ihrer Gründung 1993 in Linz gelang es der
Band, sich über sechs Alben eine weltweite,
treue Anhängerschaft zu erspielen. Zudem
wird ihr Stil seit ihrem 2000er Album „Gloom
Rock Asylum“ als Gloom Rock bezeichnet. Im
Gegensatz zu Landsleuten wie Pungent Stench
hat es Jack Frost nie ins große Rampenlicht verschlagen. Doch das könnte sich nun mit „My
Own Private Hell“ ändern. Denn die Mischung
aus Doom (in feinster Cathedral-Manier) und
Gothic Rock, die Nähe zu Bands wie Danzig
und Fields of the Nephilim, und nicht zuletzt
das melancholische Johnny-Cash-Timbre von
Sänger Phred Phinster wissen durchaus zu
überzeugen. Gitarrist Mournful Morales erklärte uns seine Hölle.
„My Own Private Hell“ steht seit Ende August
in den Regalen. Wie waren die ersten Fan-Reaktionen?
Soweit wir das überblicken, kommt die Scheibe sehr
gut an. Man weiß natürlich nie, ob Reaktionen von
Fans per Mail und das Feedback aus unserem unmittelbaren Umfeld in Österreich repräsentativ sein
können, aber wir haben das Gefühl, dass es uns mit
dieser Platte gelungen ist, das einzufangen, was
Jack Frost ausmacht. Und das ist unserer Meinung
nach, ein doch unverwechselbarer Mix aus einer
Vielzahl von Einflüssen, der über die Jahre zu unserer Identität geworden ist, ohne dass man jetzt
eine eindeutige Genrezuordnung treffen könnte.
Ich bin auch geschmeichelt von den meisten Pressereaktionen bis jetzt. Wenn da die Rede von einem
Spektrum über Danzig, Johnny Cash, Alice In Chains
bis hin zu Social Distortion ist, dann trifft das unsere persönlichen Vorlieben bei weitem mehr als die
Reduktion auf die Etikette Gothic Rock oder Doom
Metal. Kurzum: ich bin sehr zufrieden, eine Menge
36
Leute scheinen verstanden zu haben, welcher Wind
bei uns weht. Das ist uns in den letzten 15 Jahren
nicht immer so gegangen.
„Das Dilemma des Gefangenseins in einer Zwischenwelt“ – Beschreibt doch bitte mal eure
eigene Hölle!
Meine „private Hölle“ hat ganz viel mit dem Pendeln zwischen extremen Lebensweisen zu tun und
dem, was dabei an Beziehungen, Plänen, Zielen und
Stabilität auf der Strecke bleibt. Gerade als Band
in unserer bescheidenen Größenordnung ist der
Rock’n’Roll immer eine Entscheidung gegen das
„normale“ Leben, gegen Beständigkeit, eine gewisse Ordnung und ein Hang zur Selbstzerstörung
und dem Verfall, wenn man so will. Da wir nicht von
der Musik leben können, müssen wir den üblichen
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ja in gewisser Weise entgegenkommen, was bei unserem
Lebenswandel nicht immer einfach ist. Und dann
gibt’s da immer noch den Teil in mir, der sich fragt,
ob der Lebensentwurf, den ich gewählt habe, denn
der richtige ist, und ob ich heute nicht mit einer Familie und einem angepassten Scheißjob glücklicher
wäre. Was bleibt, ist das Gefühl, dass wir in Wirklichkeit keine Wahl haben und das durchziehen müssen,
bei all der Zerrissenheit, die damit verbunden ist.
Eure Musik ist weitestgehend traurig, schwermütig und zumindest immer melancholisch.
Was ist eure Antriebsfeder? Dient das Komponieren auch zur Verarbeitung des eigenen
Leides?
Dazu muss ich erstmal den Begriff des Leides re-
lativieren: Man darf sich das ja nicht so vorstellen, übrigens keiner anderen Band bis zum heutigen Tag,
dass wir mit feuchten Augen in schwarzes Linnen verfallen. Wenn man von Helden spricht, muss ich
gehüllt uns Zuhause im Rotweindusel selbst leidtun. auch Bauhaus nennen, vor allem Daniel Ash ist für
Als Hedonisten, die wir zweifelsohne sind, lassen wir mich stilistisch ein Ausnahmegitarrist. Und schließkeine Gelegenheit aus, uns das Leben so angenehm lich ist da noch die ganze Palette von den Swans,
wie möglich zu machen. Und klar, da hilft es, wenn And also the Trees, Crime & the City Solution, Dead
man die düsteren Seiten des Daseins in konstruktive Can Dance, Fields of the Nephilim bis hin zu The Cult
Energie kanalisieren kann und Songs schreiben, die und den Sisters natürlich. Um nur einige zu nennen,
all das einfangen, worüber wir niemals am Wirts- die im weitesten Sinn für mich mit Gothic und Wave
haustisch reden würden. Ich hab mir da nie Gedan- zu tun haben.
ken darüber gemacht, warum unsere Musik traurig
ist. Fakt ist aber, dass ich Musik immer schon am Wie kamt ihr auf die Idee, „Leaving On A Jet
intensivsten erlebt habe, wenn sie die Seele berührt Plane“ von John Denver zu covern?
und in der Brust sticht. Ich könnte
Ich weiß nicht mehr, wie das genau
selbst nie aggressives Gebolze kom„Fakt ist aber, zugegangen ist. Wir hatten ja schon
ponieren, dazu fehlt mir jeder perfrüher immer wieder gerne Songs
dass ich Musik aus den 60ern gecovert, möglichersönliche Bezug.
weise weil das die Musik unserer Elimmer schon
tern ist, die wir sozusagen schon mit
Wie fühlt ihr euch bei Silverdust
Zuhause? Wie lange habt ihr für am intensivsten der Muttermilch aufgesogen hatten.
Wir haben eine Vorliebe für Songs
die Produktion gebraucht?
erlebt habe,
aus dieser Zeit, die vom Charakter
Wir können nicht klagen. Silverdust
wenn sie die
und den Lyrics her traurig sind, aber
ist ja ein sehr überschaubares Label,
kann man sagen, und dass wir da
Seele berührt damals für unseren Geschmack viel
zu oberflächlich instrumentiert wurmit End Of Green und Psychopunch
und in der
den. Wir mögen es, solchen Songs
die einzigen Bands mit aktuellen
ein völlig neues Gewand zu verpasReleases sind, kommt uns sehr entBrust sticht.“
sen und auch die Düsterkeit, die sie
gegen. Der Kontakt mit Silverdust ist
über die längere Bekanntschaft mit Michael Trengert verdienen. Im Fall von „Leaving on a Jet Plane“
zustande gekommen, der uns rein aus persönlicher kommt noch dazu, dass uns die schicksalhafte Ironie
Liebe zu unserer Musik unter Vertrag genommen anspricht, dass das Thema des ersten John Denver
hat, mit nur sekundärem geschäftlichem Interesse. Hits (wenngleich auch von Peter, Paul & Mary interWir hatten nach dem ersten Gespräch über eine pretiert) Jahrzehnte später zu seiner Todesursache
mögliche Zusammenarbeit mit Silverdust, das war wird.
im Januar, begonnen, die Songs für das Album zu
schreiben und das Studio für Mai gebucht, mit dem Auch die Ballade „Red Roses Day“ ist von der
Ziel, die Aufnahmen bis Ende Juni abzuschließen. Es relativ unbekannten Band The Priests. Welche
kam dann aber so, dass wir im Mai den Vertrag un- Beziehung habt ihr zu ihnen?
terschrieben und die Firma meinte, das Album sollte Erstmal muss ich erwähnen, dass „Red Roses Day“
auf jeden Fall zeitgleich mit der neuen End Of Green im Original gar keine Ballade ist, die haben wir erst
erscheinen. Dann bekamen wir also richtig Stress, daraus gemacht. The Priests waren in den 80ern eine
weil wir alles wesentlich lockerer geplant hatten und lokale Größe, zu denen wir allein deshalb schon eidie Deadline von Silverdust für uns zwei Wochen zu nen starken Bezug haben, weil einige von uns ebenfrüh kam. Alles in allem haben wir die Scheibe in falls seit den frühen 80ern Musik machen. The Priests
sechs Wochen fertiggestellt.
bzw. deren Musiker gehörten mit zu einer Handvoll
Bands, die beginnend Ende der 70er Jahre eine exEure Einflüsse kommen aus der Dark Rock/ trem fruchtbare und in Österreich unvergleichbare
Doom/Glam Rock-Richtung. Wer sind eure Go- alternative Musikszene in Linz begründet haben.
thic/Wave-Helden?
Das wollten wir entsprechend huldigen. Deren SänFür mich war die frühe Gothic/Wave Zeit die erste ger wird dieser Tage übrigens bei unserer Geburtsgroße Leidenschaft, als ich Musik für mich zu ent- tags- und Releaseparty auf der Bühne stehen und
decken begann. Alles fing mit den ersten The Cure mit uns ein paar Priests-Songs zum Besten geben,
Alben an. Ich bin dann sehr schnell Joy Division, wie worauf ich mich ungemein freue.
Ihr kollaboriert z.B. mit Bands, wie euren Labelkollegen End Of Green. Mit wem würdet
ihr, wenn es nach euch ginge, gerne noch mal
zusammenarbeiten?
Ganz oben auf der Liste stehen Pungent Stench, die
sich leider ein paar Tage vor einem geplanten gemeinsamen Fest in Linz aufgelöst hatten. Es wäre
deren erstes Konzert in Linz gewesen, sie hatten es
in all den Jahren seltsamerweise nie in unsere Stadt
geschafft. Aber so wie es aussieht, wird das auch
nichts mehr werden. Es ist auch gut möglich, dass
wir mit End Of Green mal ausführlicher zusammenarbeiten, da möchte ich aber jetzt noch gar nicht viel
dazu sagen.
Wann kann man euch live erleben?
Wir spielen am 2. Oktober nochmal mit End Of
Green im LKA in Stuttgart, sonst sind einstweilen
keine Termine fixiert.
Wie sieht die optimale nahe Zukunft von Jack
Frost aus?
Das Wort „optimal“ existiert im Wortschatz von
Jack Frost nicht. Wir nehmen die Dinge so wie sie
kommen und haben keine großen Erwartungen an
mögliche unerwartete Erfolge. Der Plan ist nur, dass
wir noch dieses Jahr eine Split-Live CD mit unseren
Linzer Freunden und Schweinerockern von Porn To
Hula rausbringen und dazu wiederum eine schöne
Party in Linz veranstalten. Und alles was mit einer
rauschenden Party verbunden ist, ist für mich auch
schon optimal.
POLONI MELNIKOV
www.jackfrost.at
VÖ „My Own Private Hell“: 22.08.08
37
Danket dem Herren
für den wahren Met!
Letztes Jahr waren sie noch die Vorgruppe für
Saltatio Mortis – aber das kann sich bald ändern. Feuerschwanz zeigen auf ihrem neuen
Live-Album „Drachentanz“, dass sie das Publikum mehr als nur unterhalten können. Man
kann sich anhand des Live-Albums richtig gut
hineinversetzen in ihre Sicht des Mittelalters
– neben einem steht dabei ein Horn voll Met
und vor dem geistigen Auge kämpfen wackere
Helden mit feuerspuckenden Drachen – oder
solchen, die es noch werden wollen. Aufgenommen wurde das Album im E-Werk in Erlangen, der Heimat der siebenköpfigen Spielmannstruppe, die vom rockigen Sound bis hin
zum Tavernenklang alles aufzeigt. Zeit also,
sich mit den Spielleuten etwas zu unterhalten.
Ihr seid wirklich ein fröhlicher Haufen, wie
man so hören kann. Wie seid ihr so im richtigen Leben?
Wichtig bei Feuerschwanz ist, dass es keine innere
Trennlinie zwischen der Bühnenrolle und den Privatpersonen gibt. Natürlich ist das nicht 1:1 zu sehen,
doch die Rollen bei Feuerschwanz werden authentisch mit Leben gefüllt.
38
Nach euren beiden Alben „Prima Nocte“
und „Met und Miezen“ jetzt also das LiveAlbum „Drachentanz“. Wann ist ein neues Studioalbum geplant?
Bei „Drachentanz Live“ haben wir uns um möglichst
große Lebendigkeit bemüht, ohne dabei den musikalischen Fluss des Albums zu sehr zu stören. Während
bei Live Alben anderer Formationen streng zwischen
rockigen Klängen und dem Unplugged-Sound der
Märkte und Tavernen unterschieden wird, herrscht
bei Feuerschwanz die Devise: Abwechslung macht
VÖ „Drachentanz”: 10.10.08
Freude. Das Miteinander zwischen Band und Publikum liegt uns am Herzen,
deshalb haben wir auf das
„Das Miteinander
Gibt es eine besondere Geinfernalische Aufblasen unzwischen Band und
schichte, die sich in eurer
seres Sounds verzichtet und
so die spielerische Dynamik
Publikum liegt uns am Musikerzeit zugetragen
hat? Etwas extrem Witziges
und die ZuschauerreaktiHerzen, deshalb haben oder extrem Kurioses aus
onen im Klangbild bewahrt.
15 Songs und zwei lustige wir auf das infernalische dem Bandalltag?
Eine lustige Anekdote ereignete
Specials haben den Weg
Aufblasen unseres
sich auf der „Aus der Asche“aufs Album gefunden. Kurze
Sounds verzichtet.“
Tour mit Saltatio Mortis nach
Zeit dachten wir auch darüdem Konzert in der Supfblume
ber nach, eine Doppel Live
CD herauszubringen, wir wollten das Album aber zu Hameln. Während die Kutsche der Gruppe Feuerletztlich für den Fan lieber gewohnt erschwinglich schwanz mit einem Motorschaden stundenlang auf
halten. Das nächste Studioalbum ist für November die ersehnte Abschleppung der Gelben Engel war2009 geplant. Wir alle arbeiten schon auf vollen Tou- tete und in heiterer Depression den mitgebrachten
Kasten fränkischen Bieres leerte, hatte sich unsere
ren daran und sind sehr gespannt auf das Ergebnis.
Johanna schlauerweise von Lasterbalk zu einem
Trinkduell in die Saltatischen Gemächer herausfordern lassen. Während also wir in der Kälte darbten,
entschied unsere holde Minnegeigerin überraschenderweise dieses Duell eindeutig für sich. Am nächsten Morgen waren dann alle aus unterschiedlichen
Gründen leichenblass im Gesicht.
Was kann man von euch in Zukunft noch erwarten?
Ein großer Traum von uns ist eine Live DVD mit vielen bunten, bewegten Bildern. Das konnten wir zu
unserem Album „Drachentanz“ leider noch nicht
stemmen, doch sind wir schon ganz heiß darauf, unsere feurige Live-Atmosphäre auf diesem Wege mit
den Fans zu teilen.
DANIEL FRIEDRICH
www.feuerschwanz.de
nicht, dass du wirklich weißt, wo deine Grenzen sind,
bis du sie überschritten hast, dann kannst du sagen:
„Ok, das war zu viel, hier sind meine Grenzen“. Diese Extreme des menschlichen Verhaltens sind mein
Hauptinteresse, sei es Krieg, Revolution, Exzess, Sex,
Gewalt, Perversion, in welcher Form sie auch stattfindet. Ein Erforschen der Extreme der menschlichen
Psyche. Warum gehen wir in den Krieg? Warum haben wir dieses animalische Verhalten, was treibt
Menschen in den Tod? Warum genießen Menschen
den Sex, während sie andere missbrauchen? Warum
gibt es Menschen mit Fetischen? Warum ändern
Menschen ihre natürliche Form durch Body Art oder
Body Modifikationen? Warum nehmen Menschen
Drogen, um komplett die Perspektive der Realität
zu verändern? Genau das sind die Sparten, die mich
interessieren, die Menschen und ihr menschliches
Verhalten in den Extremen unserer Gesellschaft.
Die Menschheit und ihr Verhalten sind eine sehr
faszinierende Sache. Deshalb kann man sagen, dass
Modulate sehr einer Reflexion in meinem Kopf entspricht. Da sind gewisse Launen, Gefühle und Emotionen, die ich erforsche und in meine Musik packe.
Detonation in UK
etc. Lange Rede, kurzer Sinn, das meiste des Albums
wurde von März 07 bis März 08 geschrieben mit
einer ca. dreimonatigen großen Lücke während der
Tour.
Wer sich an hartem Electro erfreuen kann,
wird sich die Finger nach dieser Scheibe lecken. Die englische Formation um den DJ Geoff Lee präsentiert ihr Debütalbum. Nachdem Wie ist der Kontakt zu Ronan? Unterstützt
sie mit ihrer EP „Skullfuck“ in die Electroszene er dich bei der Arbeit bzw. ist er so eine Art
eintauchten, wurde ein gewisser Ronan Harris Mentor?
auf die Formation aufmerksam und engagierte Ich würde nicht sagen, dass er ein Mentor ist, aber
die Truppe vom Fleck weg als Vorband für die er gab mir natürlich jede Menge fantastischer Rat„Judgement Europa-Tour“. Im Anschluss folgte schläge. Ich schrieb und produzierte das Album
ein weiteres Highlight: Eine Amerika-Tour mit selbst in meinem Studio und Kolja Trelle (Soman)
überarbeitete noch ein paar Tracks vor dem
Combichrist mit über
Mastering in seinem Koltron Studio in Dres50 Gigs. Damit war die
„Extreme des
den. Außerdem hatte ich noch Liz Green von
Bombe programmiert,
menschlichen
Swarf da, um mir die Version für „No Good“
die nun zur Detonation
für das Album einzusingen. Also nein, Ronan
kommt.
Verhaltens
war bei der Albumentstehung nicht involviert.
sind mein
Wie lange hat die Arbeit für das Album ge- Hauptinteresse.“ Das Album spielt ja schon mit dem Thema Krieg. Was wollt ihr den Hörern dadauert?
Geoff Lee: Das ist schwer zu beantworten, da Mo- mit vermitteln?
dulate seit ca. 2001-2002 existiert und das Stück Ich würde nicht sagen, dass Krieg das Hauptthema
„Raising Lucifer“ noch aus dieser Zeit stammt. Ich war bei so viel Extremen des menschlichen Verhalhabe da alte Aufnahmen ausgegraben und habe sie tens. Um William Blake zu zitieren: „Die Straße der
für das Album überarbeitet, Stimmen hinzugefügt Exzesse führt zum Tempel der Weisheit.“ Ich denke
Wird es eine Tour geben? In Deutschland?
Das hoffe ich. Wir versuchen gerade einen Booker
für Europa zu engagieren, denn ohne den ist es sehr
schwierig, eine Tour auf die Beine zu stellen, wenn
du nicht als Support für einen Großen gebucht
wirst, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Aber
wir würden uns freuen, wieder in Deutschland zu
spielen.
HEIKO NOLTING
www.modulateonline.com
VÖ „Detonation“: 23.09.08
39
bisher sein, mögen die heldischen Mythen
und Todesahnungen noch so episch wirken
– Wirklichen Mut und musikalischen Tiefgang
beweisen die sonst so beinharten Metaller auf
„Two Tragic Poets” und werden dem Anspruch
auf ein reifes und tiefschürfendes Werk in
akustischer Archaik wahrlich gerecht.
Emanzipierte
Romantiker
Es gibt Bandnamen, die assoziieren unmittelbar Tolkiens Welten, Fantasy-Rollenspiele
und all jene, mittlerweile oft abgeschmackten
Spielarten einer Gegenwelt, die auf den zweiten Blick oberflächlicher erscheint als die Realität. Aber weit bevor die erfolgreichste Trilogie
aller Zeiten den Mainstream im Sturm ero40
berte, gab
es auch schon eine geistige
Leinwand für all jene Träume, die
uns aus der Gegenwart in eine scheinbar
Äonen entfernte Vergangenheit voller Mythen
und Märchen führen konnte. Sicher bleibt Fantasy immer eine der naivsten Formen der Utopie – doch sollte man auch der Fantasie einen
Platz für Romantik und Kontemplation einräumen. Mag „The Scythe” das erfolgreichste und
härteste Album der fünf italienischen Musiker
Folk scheint einer eurer maßgeblichen Einflüsse zu sein. Wie seid ihr zum Folk gekommen?
Damna: Seit unserer Kindheit hören wir alle Folk
und akustische Musik neben dem traditionellen
Metal. Ein großer Einfluss waren auch immer wieder neue Skyclad-Alben. Diese Mischung aus Thrash
Metal und Folk hatte uns dann die Augen geöffnet.
Schnell hatten wir dann eine Geige im Lineup. Natürlich war uns aber immer ein ureigener Sound
extrem wichtig.
junge Menschen gibt, die ruhige, akustische Musik
bevorzugen.
Seit Anbeginn steht euer Name für eine Fantasiewelt, Rollenspiele und für die Nähe zu
Tolkiens Welten. Bewegt ihr euch auch noch
selbst in dieser sehr aktiven Szene?
Als wir noch Kids waren, klar. Aber das ist leider
schon lange her und war bereits vor der Bandgeschichte. Damals waren diese Themen unsere
Hauptinspiration, mittlerweile jedoch eher hintergründiger Art. Man kann sich auch nicht nur in
einem Feld aufhalten. Auch wenn wir noch immer
viele Metaphern aus diesem Bereich benutzen, geht
es heute öfter um persönliche Dinge. Unsere Poesie
ist realer geworden.
„The Scythe” war ein riesiger Erfolg. Denke ihr
nicht, ein paar eurer Hörer erwarteten wieder
ein Remake?
Das Einzige, was uns besorgen könnte, wäre, wenn
unsere Fans glauben würden, wir hätten all dieses
Schaffen aus der Scythe-Periode abgelegt. Dem ist
nicht so. Das neue Album ist ein Experiment und wir
werden nächstes Jahr bestimmt ein neues Album im
ursprünglichen Stil präsentieren. Dieser Ruhepol war
uns aber wichtig, um Kraft zu schöpfen und neue
Dinge auszuprobieren. Daher wird das nächste Album dann bestimmt wieder sehr viel härter.
Im Vergleich zum letzten Album ist das neue
Werk aber auch inhaltlich positiver. Liegt das
vielleicht auch an einer Altersmilde?
„The Scythe” hatte als zentrales Thema den Tod. Da
ist es natürlich keine Frage, dass das aktuelle Album
weit positiver ist, auch wenn einige der Texte wie
z.B. „She Lives at Dawn” oder „The Blackest of My
Hearts” zu den bisher persönlichsten Werken zählen.
Warum jetzt aber ein reines Folk-Album?
Nunja, zuerst einmal muss man natürlich sagen, dass
es zwar ein akustisches aber kein 100%ig reines Folkalbum geworden ist. Das würde
auch nicht zu unserer Sichtweise
„Ich bin begeistert, Was verbindet euch mit
Tragedy Poets“? Zwei
passen. Die melodiöse Seite war
dass es auch heute „Two
Seelen in einer Brust?
uns sehr wichtig und natürlich das
noch viele junge
Die Texte der verschiedenen
ruhige Element. Es gibt Songs mit
dem von dir zitierten Folkfeeling,
Menschen gibt, die Songs haben wenig miteinander gemein und es gibt
aber auch romantische Gothicruhige, akustische kein übergeordnetes Konzept,
songs und akustische Rocksongs.
Uns war klar, dass, wenn wir ein Musik bevorzugen.” außer dem Dualismus, den
wir auch gerne mit der Musik
ruhiges Album aufnehmen würden, sämtliche musikalisch akustische Facetten ab- selbst verkörpern. Auch nach all den Jahren ist Elgedeckt werden sollten. Und Folk bedeutet für uns venking kein statisches Bandprojekt, wir entwickeln
hier nicht das typische Heilewelt- und Partymusikge- uns stetig. Gleichbleibend sind immer diese beiden
fühl, sondern ist der Schlüssel zu einer Musikmagie. Pole: Das romantische Element und die harte Seite.
Ich bin begeistert, dass es auch heute noch viele Vielleicht kann man diese zwei Seiten auch in den
eher ironischen Songs im Gegensatz zu einigen sehr
düsteren Themen entdecken. Der Untertitel “...and a
caravan of weird figures” bezieht sich auf all jene intoleranten Zeitgeister, denen entweder unser neues
Album zu soft oder unsere anderen Alben zu hart
sind.
Wie würdest du nach diesen zehn Jahren in der
Musikszene Resümee eurer bisherigen Karriere
ziehen?
Wirklich großartig finde ich den Umstand, dass sich
unsere Band nach wie vor im Wachstum befindet.
Von Album zu Album gibt es neue Schritte nach vorn.
Als wir am Anfang diese fünf unbedarften Freunde
waren, hätten wir nie damit gerechnet, einen Deal
bei AFN abzuschließen, oder aber auch auf ausgedehnten Tourneen durch die Welt zu reisen.
Für all jene, die Elvenking noch nicht kennen.
Was steckt hinter dem Namen und euren obskuren Alter Egos?
Natürlich stammt der Name aus unseren Anfangstagen und wird vielleicht nicht immer dem gerecht,
was wir heute musikalisch machen, speziell wenn
manche Menschen Elvenking mit Fantasy oder gar
albernem Powermetal gleichsetzen. Trotzdem, glaube ich, wird uns der Name von einer höheren Warte aus gerecht. Ich meine damit nicht die Welt der
Elfen, Orks und Zauberer, sondern jene magischen
Orte, zu denen uns Musik reisen lassen kann, wenn
wir uns nur darauf einlassen.
SIEGMAR OST
www.elvenking.net
www.myspace.com/elvenking
VÖ „Two Tragic Poets”: 14.11.08
41
Gothic-Family.Net
Mehr als nur eine Eltern-Community.
Gothic-Family.Net, die InternetCommunity für Gothic & Mittelalter interessierte Eltern, gibt es
nunmehr schon über fünf Jahre
und hat sich in der Zeit ganz schön
gemausert!
Neben dem stark frequentierten Eltern-Forum entwickelte sich im offenen Bereich der Seiten ein beliebtes
Online-Szene-Magazin mit u.a. „Band
des Monats“.
Anlässlich fünf Jahre GFN fand am
Pfingstsonntag 2008 in Kooperation
mit dem Eventschloss PULP Duisburg
das 1. Gothic-Family-Festival statt,
mit u.a. Gothminister als Headliner.
Klar mussten die Künstler dort ihre
Kindertauglichkeit zeigen, wurden
42
kurzerhand am Nachmittag in diverse
Aktionen eingebunden! Ein 2. GFF für
2009 ist in Vorbereitung. Die ebenfalls von GFN organisierten beliebten
Gothic & Mittelalter Szenemärkte
(Flohmarktcharakter) im PULP Duisburg sind bereits feste Einrichtungen,
ziehen bis zu 1.000 Besucher (neue
Termine 11.10. + 13.12.08).
Der nächste Clou wird vom NEGAtief
präsentiert:
In der Werk°Stadt Witten
(bei Dortmund) findet am
08.11.2008 das große
Vampir-Event HERZBLUT
in Kooperation mit der
bekannten
FantasyAutorin Carola Kickers
(MCK-Verlag) und zahlreichen Highlights statt.
Die Romanfigur „Vampir
Jason Dawn“ wird gecastet, seiner Verkörperung winkt ein Plattenvertrag!
Eine „vampireske“ Modenshow in Kooperation
mit der Näh-Community
„Natron & Soda“ ist in Vorbereitung.
Sogar eine Blutspendeaktion in Kooperation mit dem DRK ist in Planung
und wird sicher für viel Furore sorgen.
SUSANNE MÜLLER
www.gothic-family.net
www.gothic-family-festival.de
auf der Erde und so weiter. Wie es dazu kam: Damals suchten wir einen Namen, er sollte was SciFi sein und nicht zu hart klingen, Dr. Mole meinte
irgendwas mit Neon, ich hatte das Atom im Kopf,
fertig, da war der Name klar. Dass es nach Elektro klingt, war mir nie bewusst, ist aber auch nicht
schlimm, wenn man an Bands wie Tocotronic denkt
(lacht).
Coldwave Astronauten
Feindliche Übernahme, oder Firmenmerging
– wie sich Firmen zu Konzernen vereinen,
kennt man aus den täglichen Nachrichten.
Umso erstaunlicher, dass dieses Modell jetzt
auch unter Bands greift. So geschehen bei der
Cold Wave Formation Atomic Neon, welche
seit dem Erscheinen ihrer ersten EP gehörig
an Bekanntheit zugelegt hat. Kein Wunder:
Die Stimme des Sängers erinnert an die besseren Tage der englischen Wave-Ikone Robert
Smith. Musikalisch hat man jedoch noch einiges mehr auf dem Kasten. Der gewichtige
Frontmann Rio Black gewährt Einblick in die
bewegte Bandgeschichte.
War die gemeinsame Liebe der Punk und Synth-Fraktion die englische Kultband The Cure?
Dr. Mole und ich sind wohl mit Maurice die einzigen, die ein wenig mehr auf Cure stehen. Dass
unser Sound manchmal an Cure erinnert, war sicher
keine Absicht und ist so passiert. Eine gemeinsame
Liebe gab es da nicht, die Hälfte der Band kannte
nur „Friday I‘m In Love“ vorher und vielleicht den
„Lovesong“, für mich war Cure aber schon immer
eine der wichtigsten Bands.
Welche sonstigen Einflüsse würdet ihr für
euch geltend machen?
Bands wie Joy Division, Shock Therapy, The Chamelions und auch David Bowie haben großen Einfluss
auf die Band, oder auch deutsche Bands, wie Fehl-
farben und Die Art. Patrick steht auf AlternativeMusik, wie Editors, Muse oder Turbostaat und Tocotronic, Niels liebt Punk und Metal, vor allem die
Broilers und Ulf ist Lagwagon-Fan und steht auch
auf Bands wie Butterfly Coma oder Caliban.
Wie lange habt ihr jetzt an eurem Album gearbeitet? Gibt es auch noch Tracks aus der
„Life on Earth“-Phase?
Wir haben etwa ein halbes Jahr am Album gearbeitet, das ging relativ fix, weil wir wahnsinnigen Spaß
dran hatten. Alle Songs von der „Life On Earth“EP sind überarbeitet oder neu aufgenommen auf
dem Album, „The World“ war auf der EP nur als
Homedemo-Bonus mit drauf und wurde komplett
neu eingespielt, alle anderen Lieder wurden eben
bearbeitet, mit neuen Solos versehen, neuen Keyboard Parts, oder es wurde nur neu eingesungen.
Sechs von den 13 Liedern sind aber komplett neu
auf dem „Darkenia“-Album, wobei das „Our Love“
am Ende des Albums wohl auch als Bonus zu verstehen ist, weil es mit seinem rockigen Sound nicht
wirklich in die Gesamtstimmung des Albums passt.
SIEGMAR OST
www.atomic-neon.de
Rio Black: Es gab keine Übernahme, und es sind
sogar drei Bands aus denen wir kommen, die
Bands Spunk2003, Leihhaus und Schockromantik
liegen uns immer noch am Herzen, auch wenn es
was komplett anderes ist, die Synthie-Pop-Band
Spunk2003 war ein Zweimann-Projekt von Dr. Mole
und mir und liegt nur etwas auf Eis, aus Zeitgründen. Die Rotzrock-Band Leihhaus, in der Patrick und
ich spielen und singen, probt immer noch und spielt
genauso wie die Punkband Schockromantik, aus
der Niels und Ulf zu uns kamen, ihre kleinen Gigs
weiter, solange die Zeit dafür noch da ist.
Wofür steht euer Name Atomic Neon? Man
vermutet ja zuerst einmal eine Elektroband?
OK, die Story dazu ist folgende: Wir waren die
Crew eines Raumschiffes, sagen wir mal die
„Spunk2003“, wurden losgeschickt um das Element „atomicseriliatal neonoximentaldihydrat“,
kurz „atomic neon“ wieder zu finden, welches uns
gestohlen wurde und strandeten nach einem Crash
43
IMATEM
Reise in die Heimat
Wer sich hinter diesem Projekt verbirgt, weiß
der kundige Szene-Hörer nicht seit dem Erstlingswerk „Home“. Kein Geringerer als Mastermind Peter Spilles verwirklicht sich mit Imatem
auf ein Neues und nimmt uns diesmal mit auf
eine elektronisch getragene Reise. Der neue
Silberling „Journey“ überzeugt und setzt das
begonnene Konzept, nämlich die Kooperation
mit begnadeten Gast-Musikern aus der Szene, fort. Diesmal konnte er zum wiederholten
Male aus dem Vollen schöpfen und findet mit
Ronan Harris, Sven Friedrich und Sara Noxx
Veteranen der schwarzen Musik und kongeniale Partner am Mikrofon. Die Symbiose aus
zehn, sich nahtlos aneinanderreihenden Songs
macht diese Reise so wertvoll. Der Wunsch auf
Urlaub wird laut und wie das Cover andeutet,
sind die Koffer bereits gepackt. Nur wohin
geht die Reise?
Du bist ein viel beschäftigter Künstler. Wie
kommt es, dass du neben PPF dich noch in so
vielen Side-Projekten verwirklichst. Passen deine Ideen nicht in das Konzept von PPF? By the
44
way, wann können wir denn von dieser Seite
auf etwas Neues freuen?
Peter Spilles: Ich habe mir zwei Projekte erschaffen
(Imatem und Santa Hates You), um meine Kreativität
in Kanäle zu lenken, die es mir erlauben, diejenigen
Aspekte der elektronischen Musik auszuleben, die
bei PPF nicht genügend Beachtung finden würden.
Zum einen wäre das der Synth-Pop Aspekt, der mit
harmonischen und tiefen Melodien bei Imatem zum
Tragen kommt. Und dann ist da noch der harte und
Rhythmus-orientiere „Lautstoff“, den ich jetzt mit
Santa Hates You ausleben kann. Dieses Konzept
schafft mir Freiraum und Klarheit darüber, wo ich
mit Project Pitchfork musikalisch anlanden möchte.
In der bereits abgeschlossenen Kompositionsphase
für das neue PPF Album, haben mir diese beiden Projekte Hindernisse aus dem Weg geräumt, die mir nun
eine neue Richtung in den Project Pitchfork Songs
ermöglichen. Die Texte, die ich gerade für das neue
Album schreibe, besitzen eine Ironie-getränkte Düsternis, die durch die Musik verstärkt wird und mich
an „alte Zeiten“ erinnert. Das neue Project Pitchfork
Album wird Anfang 2009 erscheinen.
Nach der Premiere von „Home“ im letzten Jahr
gehst du mit „Journey“ eine Stufe weiter. Im
Netz geistern ja schon diverse Interpretationen für den Bandnamen: Imatem, was soll
uns dieses Wort sagen? Und was bedeutet es
für dich?
„Im Atem“ sind zwei Wörter, deren Klang mich fasziniert. Verschmolzen zu einem Wort, verschwimmt
die Bedeutung und der Aspekt des reinen Klanges
tritt für jeden derart in den Vordergrund, wie es von
mir beabsichtigt war. Im Grunde ist es einfach ein
Bandname, der die Lebendigkeit dieses Projektes
hervorhebt.
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das
Grundkonzept dieses Projektes die Kooperation mit deinen erlesenen Gast-Sängern. Ist das
richtig?
Damit triffst du den Nagel auf den Kopf. Imatem ist
vordergründig als reines Studioprojekt konzipiert
und die Kooperation mit verschiedenen Sänger/Innen aus der dunklen Kultur Szene war mir wichtig,
um einen verbindenden Pol zu erschaffen, der die
Vielseitigkeit dieser Szene vereint.
Szenegrößen wie Ronan Harris oder Sven Friedrich als musikalische Partner – das verspricht
eine geballte Ladung Hitpotenzial. Trifft man
sich da zum monatlichen Promi-Kaffeekranz?
Wie muss man sich da die Kontaktaufnahme
vorstellen?
Die Kontaktaufnahme verlief so unterschiedlich,
wie auch die jeweiligen Charaktere sind. Sie haben
jedoch alle eines gemeinsam und das ist, dass sie
trotz ihres jeweiligen Erfolges Menschen geblieben
sind, die für die Musik leben. So genügte eine Frage
meinerseits, z. B. nach einem Konzert, in einem Club,
oder ich habe einfach angerufen und nachgefragt.
ta Hates You), die durch ihre rauchige Stimme verzückt.
Nick (Legacy of Music) ist mir bei einem Konzert seiner
Band in der Hamburger Markthalle durch seine LiveStimme aufgefallen. Jan (Revolution) hat bei mir mit
der Band Lost Area und seiner Band Revolution einen
bleibenden Eindruck hinterlassen. Jay Smith (Deviant
UK) klingt ein wenig wie der Sohn
Konzept
von Gary Numan und belebt mit
seiner Band zurzeit die englische
schafft mir
Gothicszene neu. Stefan Großmann
Freiraum und
(Absurd Minds) sollte fast jedem beKlarheit darüber, kannt sein. Stefan und mich reizte
unter anderem der Gedanke, an die
wo ich mit
verdutzten Gesichter einiger Presseleute. Sven Friedrich (Zeraphine,
Project Pitchfork
Solar Fake) brauche ich wohl nicht
musikalisch
vorzustellen. Ich habe ihn beim
anlanden möchte.“ Gothic Aid Festival in Hamburg auf
Imatem angesprochen und er hat
spontan zugesagt. Ronan Harris (VNV Nation) dürfte
auch jedem bekannt sein. Ich bin sehr dankbar, dass er
trotz seines vollen Terminkalenders dieser Zusammenarbeit zugestimmt hat. Der Song „Haven“ ist dank ihm
zu einem genialen Ohrwurm geworden.
Und wenn der Kontakt dann steht, kommen
die Herrschaften dann zu dir ins Studio oder ist
es dann eher Austauschen der Aufnahmen?
Es ist einfacher und schneller, wenn jeder Sänger
und Sängerin den Gesang in vertrauter Umgebung
einsingt. Deswegen ist die Arbeitsweise mit dem
Austausch von Daten für Imatem
„Dieses
die beste und effizienteste.
Stell doch mal bitte den Lesern dein „Reise-Team“ vor.
Ich muss sagen, dass auch mir
einzelne Namen jetzt nicht direkt was sagen.
Da hätten wir Sara Noxx (Sara
Noxx, Essexx), die mir persönlich
bereits seit 1998 bekannt ist. Jinxy
von meinem anderem Projekt (San-
Bühne zu entern, fiel von einer Sekunde auf die andere
und hat auch uns selbst ein wenig überrascht. Mit Steve verbindet uns ja schon seit Jahren eine tiefe Hassliebe und er hat sich offensichtlich genau so gefreut
wie wir. Dass sich „Timekiller“ als Remix und als Coverversion großer Beliebtheit erfreut, macht uns natürlich stolz und glücklich. Wir verfolgen diese Tendenzen
auch sehr aufmerksam und hören genau hin, wenn wir
wieder einmal eine neue Version entdecken.
Wen wünschst du dir fürs nächste Album als
Gast-Sänger?
Dazu werde ich mir konkret Gedanken machen,
wenn es soweit ist. Alexander Veljanov wäre jemand,
der mir schon lange als Gastsänger bei Imatem vorschwebt, ich bin aber noch nicht dazu gekommen,
ihn einmal persönlich zu fragen.
HEIKO NOLTING
www.myspace.com/imatem
Wie war die Zusammenarbeit mit den GastSängern? Was war klasse? Was
war strange?
Allein schon die Tatsache, dass ich mich mit den von
mir geschätzten Künstlern kreativ austauschen durfte, war klasse. „Strange“ war gar nichts, außer dem
Festplattencrash kurz vor dem Mastering-Termin.
Glücklicherweise bin ich ein Backup-Fanatiker und
sichere alles doppelt und dreifach.
Mit der CD nimmst du uns auf eine Reise. Geht
es hier um die Verarbeitung deiner Vergangenheit? Wohin wird die Reise gehen?
Ich verarbeite meine Vergangenheit grundsätzlich
nicht in meiner Musik, denn dann würde ich mein
Publikum als Therapeut missbrauchen. Wichtig ist
nicht, wohin die Reise geht, sondern die Reise selbst.
Wenn man sich nur auf das Ziel der Reise - und somit auf das Ende – konzentriert, verpasst man die
ganzen Impressionen und Bereicherungen, die ein
Weg zum Ziel zu bieten hat.
Auf dem diesjährigen Amphi Festival gab es
ja mehrere Highlights für dich. Zum einen lief
„Timekiller“ in drei verschiedenen Versionen.
Zum anderen euer Spontanauftritt bei And
One bei „Timekiller“. Was meinst du dazu?
Die Entscheidung von Dirk und mir bei And One die
45
Karpatische Realität
Bombastischer Gothic Metal mit weiblichem
Operntouch hat sich gerade in den letzten Jahren zu einem der letzten großen Verkaufsschlager in und außerhalb der Szene entwickelt. Und
in der Tat: Der Quell dieser Bands scheint nicht
zu versiegen, auch wenn der Großteil dieser
Künstler zunehmend wie von der Stange wirkt.
Umso wohltuender ist das neue Album der rumänischen Düstermetalband Magica, welche
neben ihrer finsteren karpatischen Herkunft
auch musikalisch zu überzeugen wissen. Der
Kopf und Songschreiber der Truppe, Bogdan,
zeichnet die Entstehungsgeschichte des Albums
im Bannkreis von Wölfen und Hexen nach.
Bogdan: Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wann
ich anfing, die neuen Songs zu schreiben. Nachdem
„Hereafter“ 2006 aufgenommen war, hatte ich seit
dem Winter eine Menge Zeit, viel zu schreiben, zu
verwerfen und neu zu entwickeln. Eigentlich wollten
wir das Album in Deutschland aufnehmen, haben
uns dann aber doch für ein Studio in unserer Nähe
in Constanta entschieden. Schon alleine wegen un46
serer Jobs. Inhaltlich haben wir natürlich tief
in der Mythologie unseres Landes gegraben.
Sämtliche Songs behandeln Mythen, Sagen
und Erzählungen über Wölfe und Hexen in unserem
Land. Diese Inspirationsquelle war schon immer unser
Ideengeber. Meine Songs entstehen frei heraus ohne
jedes Kalkül. Ich versuche nicht zu denken, sondern
zu improvisieren. Sobald erste Ideen stehen, nehme
ich das mit meinem Computer auf und entwickel es
dann weiter. Manchmal fliegt das Material auch wieder komplett weg.
Abseits dieser so interessanten Gerüchte und
Spekulationen über den mythischen Teil eures
Landes. Was kann man über die aktuelle Musikerszene sagen?
Traurig aber war. Ein lausiger Zustand. Es gibt weder Promoter noch Strukturen in der regionalen
Musikszene und das in erster Linie, da es keine Fans
dieser Musik gibt. Wir sind hier auf einsamen Posten
ziemlich verloren und alleine. Natürlich gibt es noch
ein paar andere gute Bands, aber ohne große Ausnahme spielen hier alle Umsonstkonzerte in kleinen,
unzureichend ausgestatteten Klubs.
Eure ersten Alben haben einen Siegeszug um
die Welt angetreten. Habt ihr selbst auch schon
in vielen dieser Länder gastiert?
Eigentlich hatten wir in erster Linie in Frankreich und
Rumänien gespielt. Und ehrlich gesagt, wir spielen
gerne in Rumänien, aber wir lieben es wirklich, in
Frankreich zu spielen. Die Franzosen sind unser bestes
Publikum, selten gab es eine solche Euphorie auf Konzerten. Über unseren Erfolg in Südamerika habe ich
nur per Youtube mitbekommen. Besonders stolz war
ich, als wir dann ein paar Clips gefunden hatten, in
welchen südamerikanische Bands unsere Songs coverten und live performten – und das sogar auf einem
hohen Niveau. Das bedeutet mir sehr viel, denn wenn
ich selbst einen Song covere, muss er mir sehr nahe
stehen. Ich muss diesen Song wirklich vergöttern.
Seit dem ihr jetzt bei dem renommierten Label
AFM unter Vertrag seid, steht eurem großen
Durchbruch nichts mehr im Wege. Wie gestaltet
sich die aktuelle Arbeit?
Zuerst einmal sind die Jungs und Mädels bei AFM wirkliche Profis. Darüber hinaus haben wir uns natürlich
auch schon näher kennengelernt. Das Kennenlernen
ging dann auch schon weiter und wir
hatten gemeinsam einige rumänische
Palika Shots (Red.: Rumänischer Obstbrand). Leider konnten wir uns in letzter Zeit nur übers Geschäft unterhalten.
Es steht halt auch wirklich viel an. Der
Spaß kann dann wieder zur Tournee
kommen. Der Tenor des Albums sind
Mythen der rumänischen Vergangenheit und Folklore. Den meisten in unseren Breiten vor allem durch den Vampir bekannt, hat Rumänien noch weit
mehr zu bieten. Der Titel „Wolves and
Witches“ repräsentiert den Rahmen all
jener Mythen. Die rumänische Folklore
ist reichhaltig und fantastisch.
Ihr habt in der Vergangenheit mit
vielen anderen Bands aus der Female Metal Liga, wie z.B. After
Forever, Leaves Eyes etc. zusammengespielt. Gibt es untereinander bereits Kontakte? Vielleicht
zwischen den Sängerinnen?
Ja, natürlich gibt es zwischen den
Bands hin und wieder Kontakte und
Mails. Was die Sängerinnen betrifft, wie
wär es mal mit „women bonding“?
In eigenen Worten:
„WOLVES AND WITCHES“
„They stole the sun“
„Zmeu“ ist ein rumänisches Monster
mit übernatürlichen Fähigkeiten,
welches öfter Dinge stiehlt
„Don‘t wanna‘ kill“
In „Varcolac“ geht es um einen
rumänischen Wehrwolf
„Just for two coins“
Eine Geschichte über Verrat und die
unglückliche Verkettung von Dingen
und ihre schwerwiegenden Resultate
„Hold on tight“
Auf den Schwingen eines geflügelten
Pferdes – die schlechte Nachricht: Ein
blutiger weiblicher Dämon verfolgt
dich
„Hurry up ravens“
Die Ewigkeit ist so unsagbar lang
Im Vergleich zu euren früheren
Werken sind diesesmal bedeutend
weniger Keyboards zu hören. Absicht?
Das war von vornherein wichtig. Ich
wollte dieses Album wahrhaftiger und
stärker an meinen musikalischen Wurzeln orientieren. Der Song soll für sich
selbst stehen und nicht durch Effektspielereien verschleiert werden.
Gerade der inhaltliche Tenor lässt
der Fantasie freien Lauf. Habt ihr
auch an eine visuelle Umsetzung
gedacht?
Dieser Aspekt ist mir eigentlich nicht
so wichtig. Uns ist das Spielen am
wichtigsten, aber du hast Recht. Ein
gewisser Look ist wichtig. Ansonsten soll die Musik für sich sprechen.
Während ich dieses Interview führe,
werden übrigens unsere Tourdaten
gebucht.
MARIUS MARX
www.magicaband.com
VÖ „Wolves and Witches“:
28.11.08
„Maiastra“
Der fantastische Vogel
„Chitaroptera“
Dies ist unser erster aufgenommener
Instrumentalsong, welcher unsere
folkloristische Ausrichtung unterstreichen soll.
Fängt man Ratten
mit Strom?
Nach dem Erfolg ihres dritten Studioalbums „Edacious“ (2006, Sonorium)
veröffentlichen die Bielefelder Starkstrom-Electro-Rocker Heavy-Current im
September 2008 eine Web-EP mit dem
Titel „Ratrace“. Der Titeltrack „Ratrace“ kommt als treibende IndustrialPunk-Nummer daher und ist der Vorbote für das Anfang 2009 kommende
Album „Push The Fire“ und überzeugt
durch druckvollen Synthsound, gepaart
mit krachenden Drums und natürlich
dem typischen eindringlichen Gesang
des Heavy-Current-Sängers Jan. Das
Ganze wird gepaart mit einer kräftig
losrockenden Gitarre. „Ratrace“ dürfte
mit diesen Zutaten auf den Dark- und
Alternative-Floors eine richtig gute Figur machen. Tipp: Man sollte sich unbedingt das ansprechende Video ansehen, das zu „Ratrace“ gedreht wurde
und auf den Webseiten der Band sowie
in vielen Portalen wie Youtube bereits
zu sehen ist. Der neue Song erscheint
rechtzeitig vor der aktuell anstehenden
Tour von Heavy-Current zusammen mit
Battle Scream und Cephalgy. Neben
dem Titelsong werden auf der „Ratra-
VÖ „Ratrace“: 12.09.08
ce“-EP acht interessante Versionen von
Songs aus dem letzten Album geboten, die von Künstlern wie Novastorm,
Kaos-Frequenz, Vani und anderen remixed wurden. „Ratrace“ erscheint
als Digital-Veröffentlichung im MP3Format und ist ab dem 12.09.08 bei
den meisten Download-Shops wie Musicload, iTunes, Amazon.com erhältlich.
Eine streng limitierte CD-Version kann
auf den Livekonzerten von Heavy-Current erworben werden.
NIGHTWOLVE
www.heavy-current.de
www.myspace.com/heavycurrent
www.sonorium.de
www.myspace.com/sonoriumrecords
„Dark secret“
Spiegel reflektieren deine böse Seite
„In the depths of the lake“
„Stima Apei“ ist ein weiblicher
Wasserdämon
„Mistress of the wind“
„Lelele“ sind heimtückische Geister
des Windes in Form von schönen
Mädchen
„Until the light is gone“
eine besorgte Mutter nimmt, mehr
als sie sollte, Kontakt zum Geist ihres
Sohnes auf
47
Grausame Märchenwelt
Illuminate veröffentlichen im Oktober 2008
– nach 15 Jahren Bandgeschichte - ihr bereits
elftes Studioalbum „Zeit der Wölfe“. Nicht vielen Bands gelingt es über eine so lange Zeit,
eine große, treue Fangemeinde aufrecht zu erhalten und mit jedem Album noch mehr Hörer
zu begeistern. Bei ihrem neuen Werk werden
wir nicht nur begeistert sein, sondern auch
verzaubert. Die zauberhafte Märchenwelt, die
wir anfangs erwarten, zeigt jedoch bald ihr
unheimliches Gesicht. In Märchen gibt es eben
nicht nur schöne Mädchen, sondern auch böse
Wölfe. Der „Stille Schrei“, der sich zu Beginn
langsam ausbreitet, hält Grausames bereit.
Der „Menschenwolf“ hat es diesmal nicht auf
die Großmutter abgesehen; das schöne, junge
Mädchen beherrscht das Denken des Wolfes.
„Die Zeit der Wölfe“ nimmt uns in sich auf
– ob wir wollen oder nicht. Sie zieht uns tief in
die Märchenwelt. Was „Am Ende des Weges“
steht, bleibt offen. Jedoch gab uns Johannes
Berthold einige aufschlussreiche Antworten zu
den Arbeiten am Album und dessen symbolvollen Inhalt sowie einen kleinen Rückblick auf
die letzten 15 Jahre Illuminate.
Das auf ein Märchen bezogene Cover fällt sofort
auf: Ein rot bekapptes Mädchen sitzt im Wald
auf einem Baumstamm, neben sich einen Korb
mit Brot und Wein. Auf dem Backcover dann ist
der Baumstumpf leer; der Korb und dessen Inhalt liegen auf dem Boden. Die rot leuchtende
Kappe ist das Einzige, was von dem Mädchen
übrig blieb. Was ist passiert? Die Wölfe? Ein
Verbrechen? Laut Wikipedia will das Märchen
Rotkäppchen in der Grimmschen Fassung „vor
Vergewaltigung warnen […], da der Wolf nicht
nur Wolf sondern auch Herr Wolf heißt, und
Rotkäppchen noch gewarnt wird, nicht vom
Wege abzukommen und niemandem zu trauen.“ Dies ist jedenfalls eine mögliche Lesart.
Daran schließt sich an, dass auf eurem neuen
Werk die Wölfe – eingebettet in das Märchenhafte – das Leitmotiv sind. Was symbolisieren
sie? Beim Lied „Zeit der Wölfe“ wird – ähnlich
wie im Grimmschen Märchen – eine Warnung
ausgesprochen: „Die Moral von der Geschicht:
Mädchen weich vom Wege nicht, bleib allein
und halt nicht an, traue keinem fremden Mann,
geh nie bis zum bitteren Ende, gib dich nicht
in fremde Hände; deine Schönheit zieht sie an
und ein Wolf ist jeder Mann.“ Also eine Warnung vor fremden Männern und falschem Vertrauen?
Ja, in gewisser Weise schon. Der Wolf steht bei unserem neuen Album vordergründig als Metapher für
das Animalische, das „Triebhafte“ und das Rohe,
Gewaltsame (obwohl man da dem Charakter des reellen Tieres nicht unbedingt gerecht wird). Auf „Zeit
der Wölfe“ haben wir es mit zwei Protagonisten zu
tun: Einerseits der Wolf (oder der „Herr Wolf“, wie
von dir schon so super recherchiert – bei uns auf der
CD heißt die Figur „Menschenwolf“); andererseits
mit dem Mädchen, das sich einen Märchenprinzen
erträumt. Aus der Begegnung der beiden entsteht
das Leitmotiv unseres Konzeptalbums. Die vermeintliche Unschuld und das unwissende Träumen – und
ihm gegenüber der Triebtäter, der Opfer seines inneren Wolfes wird.
Das Intro „Stiller Schrei“ klingt noch ruhig,
doch verbirgt sich schon etwas Entsetzliches
darin. War es schwierig, die Antithese Stille/
Schrei musikalisch umzusetzen?
Ich denke, dass wir nicht unbedingt auf die wortgenaue musikalische Einhaltung eines Bildes oder
einer Metapher Wert legen, sondern vielmehr auf
das Gefühl, welches jene vermitteln sollen. Der „Stille Schrei“ kann dual ausgelegt werden: Wir haben
einerseits das Mädchen, das sich Tagträumen von
der großen Liebe hingibt; andererseits existiert der
psychopathische Triebtäter, der von seinen inneren
Zwängen beherrscht wird. Für beide Personen kann
das Bild mit dem verzweifelten, stillen Schrei zutreffen. Daher kommt vielleicht auch die Mischung mit
dem Schönen gegen das Unheimliche?!
„Zeit der Wölfe“ klingt insgesamt sehr traurig
und – vor allem im Requiem – bedrohlich. War
es von Anfang an so geplant, dass das neue
Album eine bedrückte Stimmung innehat, oder
hat es sich während der Arbeiten dorthin entwickelt?
Es war geplant, ein etwas ruhigeres Album aufzunehmen, als dies beim Vorgänger „Zwei Seelen“
der Fall war. Wir wollten zwar die Gitarrenarbeit und
den Einsatz des Schlagzeuges sogar noch verstärken,
dies aber in etwas kommoderen Bahnen. Dass die
Stücke nun nicht nur ruhiger, sondern auch ziemlich
traurig geworden sind, ist kein primäres Ziel gewesen, sondern hat sich im Laufe der Arbeit mit den
Titeln so ergeben.
Die Texte stecken voller Symbole und Motive.
Neben den schon angesprochenen Wölfen, ist
das Märchenhafte von zentraler Bedeutung.
Märchen sind zeitlich nicht definiert und doch
gibt es in eurem Märchen die „Zeit der Wölfe“.
Leben wir in dieser Zeit? Wann hat sie begonnen?
Das ist eine ganz tolle Frage! Auf unserem Album ist
die „Zeit der Wölfe“ klar begrenzt auf das Erscheinen des „Menschenwolfes“ und dessen Aufeinandertreffen mit dem Mädchen. Beim „Requiem“ (dem
Schlussstück) endet diese Zeit, da der Wolf flieht.
Ob das nun eine reale Flucht, ein Suizid oder eine
Gefangennahme ist, bleibt offen. Wenn man dieses
Bild nun aber globaler betrachten möchte, wird die
Frage schon etwas schwieriger. Ich bin durchaus der
Meinung, dass wir in einer „Zeit der Wölfe“ leben,
in welcher Bereicherung auf Kosten anderer, ungezügeltes Ausleben der eigenen Triebe und Bedürfnisse
sowie fehlende Rücksichtnahme und Empathie eine
ganz zentrale (und äußerst traurige) Rolle spielen.
Wann das angefangen hat? Das kann wahrscheinlich keiner so richtig beantworten, da der Mensch ja
schon immer dazu geneigt hat, schlecht zu sein!
Im Outro „Am Ende des Weges“ schließt sich
musikalisch der Kreis zum Intro. Doch wohin
hat der Weg geführt? Was steht am Ende?
Hier stellst du mir eine Frage, die ich eigentlich gar
nicht gerne beantworte, nämlich nach der „Auflö-
sung“ eines Bildes oder eines
musikalischen Inhaltes. Ich
weigere mich seit Anbeginn
unserer Karriere, persönliche
Deutungen oder Interpretationen bezüglich unserer Lieder
von mir zu geben. Ich finde es
viel wichtiger, was die Fans und
Hörer unserer CDs empfinden
und welche Bilder sich vor deren geistigen Augen öffnen, als
dass ich dies im Vorfeld durch
klare Definitionen stören oder
beeinflussen würde.
heraus. Das sind stimmliche
Patzer sowie musikalische
und textliche Gehversuche,
die man heute vielleicht
anders machen würde. Aber
man muss gerecht sein: Vor
15 Jahren hat man halt so
getickt und eben gerade
die Musik so gemacht, wie
man es gemacht hat. Das ist
schlussendlich auch Teil der
eigenen Identität, GeschichVÖ „Zeit der Wölfe“: 24.10.08
te und Entwicklung und
daher wichtig für die eigene
musikalische Persönlichkeit. Parallelen gibt es natürVor 15 Jahren gab es mit „Poesie“ das erste lich auch: Wir verwenden zum Beispiel konsequent
musikalische Lebenszeichen von Illuminate; es nach wie vor die deutsche Sprache und bedienen
folgten zehn Studioalben. Wo seht ihr die Un- uns auch nach 15 Jahren noch recht ähnlicher Stilterschiede bzw. Parallelen eurer musikalischen elemente, was aber nicht zuletzt auch einen unverAnfänge zu eurem neuesten Werk?
kennbaren Sound ausmacht. Ob man das nun mag
Die Unterschiede sind ganz klar in den technischen oder nicht, ist eine andere Frage, aber viele tausend
Möglichkeiten und in der „Reife“ zu suchen, welche Illuminate -Fans mögen gerade die Tatsache, dass
ein solch langer Zeitraum von über 15 Jahren mit sich immer ihre Lieblingsmusik drinsteckt, wenn es aubringt. Ich höre auf der „Poesie“-MC aus dem Jah- ßen draufsteht.
re 1995 – ebenso wie auf den ersten ein, zwei CDs
DIANA SCHLINKE
– noch ganz deutlich den jungen Johannes Berthold www.illuminate.de
Die Ernte einholen
Seit vielen Jahren arbeitet Der Graf mit einem
eingeschworenen Team am Durchbruch der
Band und setzt vor allem auf einfühlsame,
besinnliche und nachvollziehbare Texte im
griffigen Songkostüm. So war der Chartdurchbruch fast zu erwarten, denn „Puppenspieler“
(NEGAtief berichtete) ist der bisherige Höhepunkt des songschreiberischen Ausnahmetalents. Die Live DVD und CD von der letzten
Tour hingegen zeigen die großartigen Livequalitäten der Band und machen heiß auf die zusätzlichen Herbstkonzerte der umfangreichen
Tournee.
Eine Live-CD nebst DVD von Unheilig! Den Hörer erwartet eine unheimliche Dynamik. Wie
lange braucht ihr, um eure Werke richtig bühnenreif zu bekommen. Und wie lange wird für
eine Tour geprobt?
50
Einen komplett durch- zusammenarbeiten und auch immer daran geglaubt
geplanten Ablauf oder haben. Es war ein schönes Zeichen, dass sie richtig
Ähnliches gibt es nicht, lagen. Ansonsten sehe ich das alles als einen Erfolg
wenn ich mit neuen durch lange, zielstrebige und disziplinierte Arbeit.
Songs auf die Bühne Unheilig hat klein angefangen und wird immer wiegehe. Es gibt eine große der ein bisschen größer, weil diejenigen die an die
Probe vor einer Tour. Musik glauben, auch jede Menge dafür tun.
Da trifft sich dann das Genießen kann man hin und wieder mal ein wenig.
gesamte Team, also Allerdings kommt nach dem einen Highlight schon
Musiker und Technik wieder ein anderes. Irgendwann werden wir uns alle
und alles wird aufge- mal eine kurze Zeit zum Genießen geben. Allerdings
baut und wir spielen gibt es immer noch sehr viele zu tun.
die Show ein bis
zweimal durch.
„Bei Unheilig Entsteht jetzt nicht noch
ein größerer Erfolgsdruck?
Licht und Ton
stehen die
Erfolgsdruck gibt es immer.
und alles was
Fans im
Irgendwie muss man sich
dazu
gehört,
immer gegenüber anderen
wird da auch
Mittelpunkt
beweisen.
ausprobiert
und diese
Warum das so ist, weiß ich
und durchgenicht. Vielleicht ist es einfach
sprochen. Eine
sollen einen
so und ich muss das akzepwirklich gute
tollen Abend tieren. Ich mache mir da auch
Show bekommt
keine Gedanken mehr drüber.
man aber nur
haben.“
Dinge passieren so, wie sie
hin, wenn man
immer mehr Sicherheit passieren. Ich mache einfach in Ruhe meine Musik,
bekommt und somit gebe mir Mühe in dem was ich tue und bin mir der
auch lockerer wird. Da- Verantwortung der Fans gegenüber immer sehr beher sind die Auftritte wusst und ich liebe meine Arbeit. Bei Unheilig stevor einer DVD Aufnah- hen die Fans im Mittelpunkt und diese sollen einen
me natürlich auch sehr tollen Abend haben. Diesen Wunsch versuchen wir
wichtig, weil so vieles bei jedem Konzert zu erfüllen.
in Fleisch und Blut übergehen kann, bis es letztendlich beim finalen Konzert Wie sieht ein typischer Unheilig-Backstageraum aus?
zur Aufzeichnung stimmt.
Nachher genauso wie vorher. Es gibt nichts BesonDer hohe Charteinstieg hat dir endlich bewie- deres, worauf wir oder ich Wert lege. Einfach einen
sen, dass du mit deinem ureigenen Stil richtig Raum zum Zurückziehen, wenn möglich mit Heizung
lagst. Tut so etwas nach so langer harter Arbeit und Dusche. Ich halte mich da eh kaum drin auf, weil
gut? Kannst du den Erfolg auch
ich vor dem Konzert und
einmal genießen?
danach immer bei den Fans
Wir haben uns alle riesig gefreut,
bin. Ich lege Wert darauf,
dass wir so hoch eingestiegen
dass man alles, was man
sind. Ich habe es mir erhofft, dass
benutzt, genauso hinterlässt,
der Einstieg so hoch ist. Gerechwie man es vorgefunden hat
net habe ich damit nicht. Es war
und sich gut benimmt und
ein tolles Gefühl, zu wissen, dass
freundlich zu allen ist. Wir
so viele UH Fans uns ein so hohes
haben alle keine Starallüren
Vertrauen geschenkt haben, indem
und das ist auch gut so. So
sie sich „Puppenspiel“ meist ungeetwas würde nicht in unser
hört zugelegt haben. Ich persönlich
Team passen.
VÖ „Vorhang auf!“: 03.10.08
DANIEL FRIEDRICH
habe mich am meisten für die gewww.unheilig.com
freut, die mit mir schon seit Jahren
51
„Romancer“
Nicht zum ersten Mal finden sich Rozencrantz
im NEGAtief wieder, denn um „ROZ“ wird es
selten still. Dafür ist die Band auch zu aktiv und
umtriebig. Am 14.11. ist es so weit: „Romancer“
erblickt das Licht der Welt. Womit wir es hier
zu tun haben? Eine Datenträger füllende EP!
Denn neben den vier neuen Songs sind auch
gleich noch vier Videotracks vorzufinden, drei
davon live vom Castle Rock 2008 und ein von
der Band selbst produzierter Clip zum neuen
Song „Skin on Skin“. Wie immer haben Rozencrantz wert darauf gelegt, das Steuer nie ganz
aus der Hand zu geben und so viel wie möglich
selbst geleistet. Mir ihrem Videoclip haben sie
die Latte für DIY-Produktionen gehörig nach
oben geschraubt. Im Gespräch mit Horatio haben wir mehr über „Romancer“ und das dahinter stehende Konzept erfahren.
Die Nähe zu Bands wie HIM wird nun noch
deutlicher als auf eurem Debüt „Salvation“.
Wie kam es zu dieser musikalischen Weiterentwicklung?
Die Romantik hat sich noch stärker in die textliche
Ebene verschoben. Dafür ist die musikalische Seite
härter und klarer geworden. Wir sind das Songwriting diesmal ein wenig anders angegangen, haben
intensiver und strukturierter gearbeitet und dabei
52
auch gerade die Kraft, die ein Song bei einer LivePerformance entwickeln kann, im Auge gehabt. Mit
unseren neuen Musikern Gray an der Gitarre und Jackie Saint an den Drums kamen natürlich auch neue
Akzente in die Musik.
„Romancer“ ist auch die imaginäre Figur auf
dem Cover. Wofür steht er? Wer ist für das beachtliche Coverartwork verantwortlich?
Unser Romancer steht für jeden von uns, der sich
durch die Höhen und Tiefen des Liebens und der
zwischenmenschlichen Beziehungen tragen lässt.
Überwältigt von seinen Gefühlen und hin- und hergerissen zwischen Romantik, Lust, Verlustängsten
und Hoffnung. Er hat ein Loch in seiner Brust, wo
eigentlich sein Herz sitzen sollte, fühlt sich leer und
ausgebrannt, und doch würde er jederzeit wieder
in die Achterbahn der Gefühle einsteigen, alles von
vorn beginnen. Für unser neues Artwort ist, wie
auch schon für das Artwort von „Salvation“ und
„Reapercussion“, die russische Künstlerin Aminess
verantwortlich.
Neben vier neuen Songs finden sich auch drei
Videos vom diesjährigen Auftritt auf dem
Castle Rock. Es war einer
eurer ersten Festivalgigs.
Hat euch der Zuspruch
überrascht?
Ja und nein. Einerseits ist es
natürlich überwältigend, als
Opener in der Mittagszeit
vor solch einer begeisterten
Menge zu spielen. Andererseits hat sich dies schon
durch den enormen Zuspruch, den wir in den letzten Monaten bei MySpace
and anderen digitalen Medien hatten, angekündigt.
Schön zu sehen war es, dass
wir auch etliche Fans anderer Bands vor der Bühne
halten und begeistern konnten. Mit dem gewaltigen
Andrang bei unserer Autogramstunde hat allerdings
keiner gerechnet.
VÖ „Romancer“: 14.11.08
Zu „Skin On Skin“ befindet sich auch ein opulentes Video auf der EP. Nicht euer erstes. Ihr
scheint eine große Affinität zur Videoproduktion zu haben. Woher kommt diese?
Wir versuchen stets möglichst alles, was diese Band
an die Welt herausgibt, selbst zu machen. Manchmal ist dies, wie beim Artwork nicht möglich. Allerdings suchen wir dann auch jemanden, der in
den Crantz passt und langfristig mit uns arbeiten
möchte. Im Falle des Videos machen wir jedoch alles selbst. „Skin on Skin“ ist mit Sicherheit unser
bisher aufwendigstes Video. Wir haben es an zwei
Tagen auf vier Sets gedreht, massiv Technik aufgefahren und unserer Kreativität freien Lauf gelassen. Der Song „Skin on Skin“ handelt vom Wunsch
nach Hautkontakt, nach menschlicher Wärme.
Einem Gefühl, das sich immer wieder durchsetzt,
sozusagen am Ende immer wieder als zentrales
Grundbedürfnis übrig bleibt. Auch hier beleuchten
wir natürlich die Licht- und Schattenseiten, hier
dargestellt durch unsere mit schwarzem, respektive weißem Bodypainting gestalteten Tänzerinnen.
Welche Livekonzerte stehen noch an?
Unsere Konzentration gilt jetzt unseren Record Release Shows (22.11. Bochum, 28.11. Erfurt). Das
wirklich erfolgreiche Jahr 2008 beschließen wir dann
zu Weihnachten in Moskau mit unserem ersten Auslandsgastspiel.
POLONI MELNIKOV
www.myspace.com/rozencrantz
Hinsicht natürlich ein großartiges Jahrzehnt. Aber
Sebastian mag auch sehr gerne die 60er und ich liebe die 80er Sachen. Eigentlich haben wir uns nie auf
eine spezifische Richtung festgelegt.
Blaublütige Cineasten
Schlägt man den Namen in den einschlägigen
Enzyklopädien nach, dann wird man der adeligen Verpflichtung, Gutes für das Volk zu tun,
gewahr. Der Titel „In Exil“ lässt dann auch die
Nachfahren Napoleons vermuten, doch neben
der eingangs vermuteten Verpflichtung, gute
Musik für das tanzende Alternativvolk zu kredenzen, wollen die beiden Protagonisten im
70ies Outfit nicht so ganz zur royalen Vision
passen. Zu bürgerlich und frech nimmt sich der
neue Longplayer aus, der teilweise auch aus
der fröhlichen Feder eines zeitgemäßen Weills
stammen könnte.
Valerie: Wir sind von DVDs regelrecht besessen.
Gerade Filme sind die wichtigsten Einflüsse unserer
Songs. Natürlich ist unser Filmgeschmack genauso
weit gefächert, wie es unsere Musik erwarten lässt.
Neben großen Klassikern von Bergman und Dreyer
mögen wir vor allem die hochwertigen Veröffentlichungen von Chabrol, den Cohen Brüdern und David
Lynch. Ich lernte mal die Schauspielerei und in der
Musik versuche ich vor Allem dem Theater und dem
Film ähnliche Atmosphären zu erzeugen.
In euren Songs ist eine Menge Platz für die eiMittlerweile gibt es eine kleine Schar jener fil- gene Inspiration. Die luftig entspannte Atmomisch klingenden Bands wie z.B. Vive La Fete, sphäre ist allen Titeln gemein. Versucht ihr daDresden Dolls oder auch IAMX. Fühlt ihr euch mit selbst auch Raum zu schaffen, angesichts
eures hektischen Lebensalltags in Berlin?
diesen verbunden?
Mit Vive La Fete und Dresden Dolls hatten wir bereits Jeder Song soll eine Reise durch bekannte und unbezusammen gespielt. IAMX mökannte Landschaften vor dem
„Er fand gerade, dass inneren Auge ermöglichen.
gen wir auch sehr gerne, aber
versuchen natürlich trotzdem
Gerade diese filmische Qualiich den Song mit
unser ureigenes Ding zu matät ist uns wichtig. Wir haben
meiner schrecklichen immer in großen Städten wie
chen. Wir mischen verschiedenste Genres und gegensätz- deutschen Aussprache Barcelona und Paris gelebt.
liche Stimmungen in unseren
Gerade nach unserer Londohervorragend
Songs. Ich kenne sonst auch
ner Zeit erscheint einem Berkeine Band, die Masai-Gesänge
intonieren könnte.” lin nicht wirklich so hektisch,
(„Monkey Business”) verarbeieher das Gegenteil. Der Puls
ten oder Polka Punk Songs („Under the floorboard”) dieser Stadt ist gemächlich, es ist wirklich relaxing
schreiben würde. Wir versuchen, unsere Grenzen so und chillig. Übrigens einer der Gründe, warum wir
weit wie möglich auszudehnen.
London den Rücken gekehrt haben. Eigentlich ist es
wie mit jeder künstlerischen Beschäftigung, die eine
Discokugeln, monochrome Farbgebung, Afro- wunderbare Möglichkeit darstellt, sich vom Alltag
look und die spezifischen Klamotten der 70er. und der täglichen Last zu befreien.
Was fasziniert euch gerade an diesem stiliGibt es einen bestimmten Grund für die jeweistischen Brückenschlag?
Das war jetzt wirklich keine bewusste Entscheidung. lige Sprache eurer Songs?
Wir nehmen mit, was uns gefällt und spielen, damit Wir sind beide sehr häufig umgezogen, haben keine
bis es zu uns passt. Die 70er waren in musikalischer Wurzeln und fühlen uns eigentlich überall wohl. Daher
kommt es wohl auch, das die Ideen zu verschiedenen
Songs oft in verschiedenen Sprachen entstehen. Mei-
VÖ „In Exil“: 19.09.08
54
stens gibt das auch die Stimmung des
jeweiligen Songs vor. Wir fühlen uns
aber auch nicht als Poeten – uns sind
Melodien wichtiger. Ich glaube jedoch,
dass wir einen typisch europäischen Feel
in unseren Songs haben, auch wenn es
keine wirklichen Regeln für das Entstehen von Songs gibt. Das passiert alles
instinktiv, so wie z.B. auch bei der Single
„Tanz Mephisto”. Sebastian hatte den
Text geschrieben und fand gerade, dass
ich diesen Song mit meiner schrecklichen deutschen Aussprache hervorragend intonieren könnte. Und jetzt macht
das vielleicht gerade den Reiz aus.
„In Exile” – Fühlt ihr euch im Exil?
Wir sind seit zwei Jahren glücklich in
Berlin und finden immer wieder neue
Ecken und Fleckchen, die uns inspirieren. Berlin ist gerade für Künstler
unglaublich erfüllend und vibriert regelrecht. Das kosmopolitische, auch
leicht Dunkle und der zurückgelehnte
Charakter der Bewohner plus einem
außergewöhnlichen Nightlife passen
perfekt zu uns.
Ihr verwendet viele Percussionloops. Entsteht mit deren Hilfe das
Grundgerüst eurer Songs?
Wir mischen sehr gerne Loops und
Samples mit realen Drums. Das klingt
einfach fetter. Live verwenden wir sehr
gerne viele Percussioninstrumente,
wie z.B. Cowbells und Granitblöcke.
Es ist fantastisch, wie dein Körper ein
Teil des Musizierens wird. Und Percussions geben dem Ganzen diesen
stammestypischen Touch. Sebastian
spielt meistens zuerst ein paar Melodien auf der Gitarre, manchmal ich auf
dem Klavier und dann entstehen erst
später die Texte. Oft spielen wir auch
in totaler Finsternis in unserem Studio.
Da kann man dann regelrecht in Trance verfallen.
Wer oder was steckt hinter den
Vocalsamples von „Partners in
Crime”?
Das könnte ich dir sagen, aber danach
müsste ich dich leider umbringen.
GERT DREXL
www.noblesseoblige.co.uk
55
Visual EBM
auch Tool und Manson, den wir auch
schätzen. Natürlich ist dann auch noch
die ganze Musikbiographie von Joy Division bis AC/DC dabei.
Nahtoderlebnisse
Der Hintergrund der illustren italienischen Band Timecut ist weit
verzweigt, rekrutiert sich das ursprünglich in London gegründete
Trio aus ehemaligen New Wavern,
Industrialpunkern und harten Rockern. Von Anfang an verstand
man sich als ein Künstlerkonglomerat, welches nicht nur mit der Musik
begeistern wollte. So ist es nicht
erstaunlich, dass die Band zu jedem
Song eine Videoinstallation produziert hat, welche im Hintergrund
der Liveshows projiziert wird. Das
selbst betitelte Album „Timecut“
indes bricht eine Lanze für traditionell melodisch dunklen Gothmetal
mit Industrial und Elektrozitaten,
ohne je die Hook aus dem Ohr zu
verlieren. Kurz: Ein weiterer Beweis
für die Ohrwurmqualitäten der düsteren Sonnenkinder Europas.
Eure visuelle Komponente spielt
eine große Rolle?
Damit versuchen wir die Bedeutung der
Texte noch stärker zu unterstreichen.
Wir sind auch alle drei permanent damit beschäftigt, und erfreuen uns auch
der Mithilfe vieler externer Kräfte, wie
diverse Horrorfilmregisseure, denen unsere Musik gefällt. Wichtig ist die provokante aber auch manchmal sarkastische
Art, Dinge zu visualisieren. Was unseren
Videoclip betrifft, der wird leider nicht in
Italien gespielt. Die Sender fühlten sich
provoziert.
Euer Name Timecut lässt viele Ebenen zu.
Ehrlich gesagt, falls jemand unseren
Namen richtig nachfühlen will, sollte
er oder sie ein Nahtoderlebnis gehabt
haben – vielleicht mit entsprechenden
Substanzen wie Ketaminen. Dieses Gefühl, im Äther zu schweben, kommt dem
Namen am nächsten.
GERT DREXL
Gibt es gemeinsame musikalische
Vorlieben, die ihr auch als Inspiration gelten lassen würdet?
Joba: Ehrlich gesagt, gibt es heutzutage
vor allem schlechte Bands, bei denen
man sich abschaut, wie man es auf
keinen Fall machen sollte. So gesehen
auch ein Einfluss. Trotzdem gibt es auch
Künstler, die uns allen viel Bedeuten,
seien das Nine Inch Nails mit ihrer revolutionären „Downward Spiral“ oder
56
www.timecut.net
Gothika, eine der rührigsten elektronischen Duos Asiens, touren
Jahr für Jahr durch Europa, Russland und Asien und bieten neben
ihrer schillernden Bühnenperformance zwischen traditionellem
Kimono und Latexstretch ein zutiefst asiatisches Werk
zwischen schlageresker
Eingängigkeit und verstörender
Atonalität,
ohne je den Sinn für
griffige Songstrukturen
zu verlieren. Im Gegensatz zu den so metallastigen Visual Kei Landsleuten ist Gothika von
der ersten Note an hörenswert und exotisch
zugleich.
Andro: In Japan werden
wir eigentlich nie in den
Visual Kei Topf geworfen
sondern immer als elektronische Band wahrgenommen. Die Exotik und das
japanische Flair werden
in Europa aber gerne mit
Visual Kei gleichgesetzt,
aber das ist dann auch die
einzige Gemeinsamkeit.
In Japan werden europäische Bands auch immer
erst als typisch westlich bezeichnet,
bevor man auf ihren eigentlichen Stil
eingeht.
Ist euer Albumtitel „120 Days Of
Sodom“ an den berühmt berüchtigten Film von Pasolini angelehnt?
Die Songs beziehen sich klar auf den
konträren mit allen Formen der Perversion auseinandersetzenden Film,
der seinerseits an Dantes Inferno angelehnt ist. Tabuthemen sind in der
japanischen Gesellschaft weit mehr
ausgeprägt als in Europa.
Was hast du vor Gothika gemacht?
Ursprünglich waren wir drei Bandmitglieder und nannten uns damals noch
Euthanasie. Musikalisch würde ich unseren Stil als digital Rock bezeichnen.
Gothika hat sich direkt daraus ergeben, aber die Gitarre weggelassen.
Was sind die Hauptinspirationsquellen für eure teilweise japanisch abgefassten Texte?
Als visuelle Band sind das natürlich
viele Filme, aber auch Bücher. Und
dann ist da noch die Pornografie, die
mich wirklich sehr inspiriert.
GERT DREXL
www.myspace.com/gothikatokyo
VÖ „120 Days Of Sodom“: 24.10.08
Play The Game –
Game Over?
Nein, nichts ist vorbei, es hat gerade erst
begonnen. Nach dem
vielbeachteten Debütalbum „Therapie“ setzt
der aus Hessen
stammende EinFrau-Electro-Act
Eisschock mit der
Web-EP „Play The Game“ nach. Der
gleichnamige Song auf der EP wird nicht
nur akustisch dargeboten, sondern auch
mit einem durchaus ansprechenden Videoclip visualisiert – hier lohnt sich das
Reinschauen wirklich!
Auf kokette und herausfordernde Art und
Weise veranlasst Eisschock den Zuhörer
bzw. Zuschauer, das Spiel zu spielen.
Man könnte annehmen, dass mit dem
„Spiel“, das „Spiel des Lebens“ gemeint
ist. Denn bei genauer Betrachtung der
Songtitel („Hass Mich“, „Pictures Of The
Past“, „Platitudes“ und „Far Far Away“)
und deren Lyrik fällt auf, dass Bereiche
des Lebens thematisiert werden.
So handelt beispielsweise das Stück „Pictures Of The Past“ von unangenehmen
Bildern der Vergangenheit, die jemanden
immer wieder verfolgen und nicht zur
Ruhe kommen lassen. Dabei ist der Titel
in eine emotional-bewegende SynthpopMelodie und Kinderstimmen-Samples
eingehüllt. Im Kontrast dazu heben die
Vocals der Künstlerin die quälenden Leiden der gemachten Erfahrungen hervor.
Dadurch wird die innere Zerrissenheit
hörbar. Ein weiterer Synthpop-lastiger
Song ist „Platitudes“, der von ironischen Anspielungen
über die (leider) weit
verbreiteten, seichten
Redensarten strotzt.
Im scharfen und provokanten Gegensatz zu den
vorangegangenen
Liedern steht der
Titel „Hass Mich“,
in dem auf eine
ungewohnte Art mit dem Scheitern einer
Beziehung abgerechnet wird. Der herausfordernde, deutschsprachige Sprechgesang ist in genau dazu passende, anfeuernde EBM-Beats verpackt. Somit eignet
sich dieses Musikstück besonders gut,
um aufgestaute Aggressionen abzutanzen. Wer danach Ruhe und Entspannung
braucht, für den ist der abschließende Titel der EP „Far Far Away“ das Richtige.
Eisschock bedient mit dieser EP sowohl
das tanzwütige Volk als auch intellektuelle Charaktere, da sich die tricky arrangierten Songs zwischen Synthpop und härterem Electrosound auch wohltuend von
eher simpel gestrickten reinen Tanztracks
abheben. Die Kombination aus vermeintlichen Gegensätzen und Widersprüchlichkeiten wird durch die imponierende,
feminine Ausstrahlung von Eisschock
noch zusätzlich bekräftigt. In diesem Fall
kommt man der Aufforderung „Play The
Game“ doch gerne nach.
NIGHTWOLVE
www.eisschock.de
www.myspace.com/eisschock
VÖ „Play The Game“: 17.10.08
Der „ZwischenWelt“
dunkle Seite
Nachdem die Fans vier Jahre auf
„ZwischenWelt“ gewartet haben, ist
es nun endlich am 10.10.08 soweit:
Das Folgewerk von „Auf Sehnsucht
folgt Ernüchterung“ erscheint bei
Danse Macabre Records. Man war
gespannt, wohin sich das Quintett
in den letzten Jahren entwickelt hat.
Immer wieder verschob sich die Veröffentlichung, doch hat sich das Warten gelohnt.
„ZwischenWelt“ ist voller Energie, Intensität
und Gefühl. Die Texte behandeln das menschliche Seelenleben mit seinen Abgründen, üben
Gesellschaftskritik, motivieren aber auch, seinen eigenen Weg im Leben zu suchen. Songs
wie „Tote Seelen lieben nicht“, „Immer noch“
und „Deadnettlepan“ (vor allem im P.A.L. – Remix) haben durchaus das Potenzial, Clubhits
zu werden. SiS verstehen es, gut (aber nicht
leicht) zugänglichen Dark Rock zu machen, mit
tief gehenden Texten und ergreifenden Stimmungen. Sie erschufen in ihrer „ZwischenWelt“
eine Melange von Zweifel und Hoffnung, Resignation und Neubeginn, Leid und Lichtblicken.
Stefan Siegl führte uns ein Stück weit auf dem
Weg in die „ZwischenWelt“.
Das dem Prolog
folgende „Zwischen Hier
und Leben“
wirft
die
Frage auf:
Was ist das
Hier, wenn
nicht das Leben? Ist das Hier
die „ZwischenWelt“?
Was
befindet sich in
der „ZwischenWelt“?
Das
Stück
macht da weiter, wo wir vor
vier Jahren am
Ende von „Auf
Sehnsucht folgt
Ernüchterung“
aufgehört haben.
58
Dort ist die Schwelle zum Tod angedeutet worden.
„Zwischen Hier und Leben“ macht nicht deutlich,
wo es weitergeht – deswegen ist „Hier“ auch nicht
weiter definiert, „Leben“ ist es aber sicher nicht.
Vier Jahre sind seit eurem letzten Album „Auf
Sehnsucht folgt Ernüchterung“ vergangen.
Was ist in der Zwischenzeit bei euch passiert?
Ich glaube, ich habe alles ausprobiert, was man
musikalisch ausprobieren kann. Seitdem ist „ZwischenWelt“ immer wieder in vielfältigster Weise fertig geworden, war aber nie so, dass es uns getaugt
hätte. Nach all dem Experimentieren sind wir dann
aber doch stilistisch sehr zu den Wurzeln zurückgekehrt, haben aber inhaltlich etwas komplett Neues
gemacht. Das war uns sehr wichtig, sonst hätte sich
die Sache früher oder später im Sand verlaufen. Durch zahlreiche Andeutungen
und sogar Umkehrung früherer Textphrasen ist aus den ersten drei Alben
eine Trilogie geworden, die jetzt abgeschlossen ist.
Das
Cover
zeigt eine sehr
düstere Stimmung. Ein einzelner,
kahler
Baum in einer
Landschaft,
darüber ein
dunkelblauer Himmel.
Wie
seid
ihr auf das
Motiv gekommen?
Im
Cover
versteckt
sich weniger
Collage, als
man vermutet.
Foto: Michael Heinrich
VÖ „Zwischenwelt“: 10.10.
Diesen Flecken Erde gibt es wirklich und er ist eigentlich sehr schön und sehr ruhig. Es handelt sich
um den östlichen Zipfel von „Stadtamhof“, einer
Donauinsel hier in Regensburg. Bei Tage und in der
Realität betrachtet, würde er die helle Seite von
„ZwischenWelt“ repräsentieren. Allein durch die
Nachbearbeitung für das Cover wurde er verdüstert
und symbolisiert so die dunkle Seite.
Trotz der düsteren Grundstimmung lässt sich
auch Hoffnung heraushören. Gerade bei „Der
Zweite Weg“ wird aufgefordert, nicht passiv
zu bleiben, sondern etwas zu verändern; sich
nicht seinem Schicksal zu ergeben. Kann man
das als essenzielle Aussage des Albums sehen?
Lebt ihr auch nach diesem Prinzip?
Sich seinem Schicksal zu ergeben, ist die eine Sache.
Was man daraus macht, ist wichtig! Wir leben in einer perversen Welt, in der du als Einzelner nicht immer etwas ausrichten kannst. Aber: Man kann – zumindest in Europa – jederzeit seine Stimme erheben.
Noch viel wichtiger ist es, nicht dort zu vergammeln,
wo es keine Hoffnung und keine Menschlichkeit
gibt, sondern ein wenig auf sich aufzupassen und
sich letztendlich auf das zu stützen, was einem am
Wichtigsten ist – sonst wird man seiner Lebzeit nicht
glücklich.
Wann werden wir euch wieder live sehen können?
Nicht, wenn ich‘s verhindern kann. Wir alle würden
gerne wieder durch die Republik ziehen und für unsere Fans singen, aber nicht zu jedem Preis. Wenn
sich was ergibt – jederzeit, aber nicht mehr diese dilettantischen Improvisationen ohne die Möglichkeit,
sich ordentlich zu inszenieren.
DIANA SCHLINKE
www.soulinsadness.de
www.myspace.com/soulinsadness
OKTOBER / NOVEMBER 08
AUSGABE 16 - JAHRGANG 3
IMATEM
DAS ICH
QNTAL
ILLUMINATE
G
M RA
IT T
N IS
EH Z
M UM
EN
VELJANOV
UNHEILIG
DAS ICH
JACK FROST
QNTAL
ILLUMINATE
SCREAM SILENCE
WHISPERS IN THE SHADOW
SOUL IN SADNESS
KONTRAST