Hoch hinaus im Unterengadin

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Hoch hinaus im Unterengadin
Neuö Zürcör Zäitung
SONDERBEILAGE REISEN UND FREIZEIT
7. Mai 2010
Hoch hinaus im Unterengadin
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GAËTAN BALLY / KEYSTONE
Am Eingang zum Unterengadin gelegen, ist er der Stolz einer ganzen Region: der Schweizerische Nationalpark. Er gilt als bestens geschützte
Heimat einer reichen Fauna und Flora, in welcher sich der Mensch der Natur anzupassen und strikte Regeln zu beachten hat.
Wer lieber ohne solche Einschränkungen unterwegs ist, findet in der angrenzenden «Engiadina bassa», dem Unterengadin, ein reichhaltiges
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Steinböcke im Nationalpark (© Andrea Badrutt, Chur)
Neuö Zürcör Zäitung
Sonderbeilage U 7. Mai 2010
REISEN UND FREIZEIT 3
Alles andere als ein alpines Disneyland
Der Schweizerische Nationalpark im Engadin und im Münstertal ist ein Experiment über die Jahrhunderte
In vier Jahren feiert der einzige
Nationalpark in der Schweiz sein
100-Jahr-Jubiläum. Dannzumal
soll eine Zwischenbilanz eines
einzigartigen Experiments gezogen werden, an dem auch der
Tourismus in gesetzlich beschränkten Bahnen teilhat.
Herbert Bruderer
Der Betonbau von Valerio Olgiati steht
unausweichlich in der Landschaft. Darin untergebracht ist das neue Besucherzentrum des Schweizerischen Nationalparks (SNP) in Zernez, des einzigen in
unserem Land. Ein architektonisches
Meisterwerk. Modern, streng und klar
in seiner Aussage. Was im ersten Augenblick als Widerspruch zum SNP gesehen
werden kann, erscheint auf den zweiten
Blick schon viel eher übereinstimmend
mit den gesetzlich vorgegebenen Eigenheiten des Nationalparks. In vier Jahren
steht sein 100-Jahr-Jubiläum an, und wie
bis anhin lautet die Maxime, der Natur
ungehinderten Lauf zu lassen. Denn der
Park, dessen Landfläche den fünf Gemeinden S-chanf, Zernez, Lavin, Münstertal und Schuls gehört, wurde nicht
unter dem Aspekt einer Sehenswürdigkeit, sondern einzig als «Stück gewöhnliche Alpennatur eingerichtet», wie der
Direktor des SNP, Heinrich Haller, sagt.
Kein gewöhnlicher Bau
Der Mensch als Beobachter auf vorgegebenen Pfaden: Besucher im Schweizerischen Nationalpark.
hen – und die Tiere, die allein schon mit
dem Schnee zu kämpfen haben, keinen
zusätzlichen Stressfaktoren ausgesetzt
werden sollen. Zudem wäre es den Besuchern nicht möglich, sich auf den markierten Wegen fortzubewegen, da diese
im Winter nicht auszumachen sind.
Haller, der vor seiner Zeit als Direktor des Schweizerischen Nationalparks
das Naturmuseum in St. Gallen leitete,
ist kein Tourismuspromotor, wie er sagt.
Er hat einen anderen, gesetzlich verordneten Auftrag zu erfüllen, nämlich diese
Schutzzone als Experiment in der freien
Natur weiterzuentwickeln, mehr als nur
die 100 Jahre, die es 2014 zu feiern gilt.
Das heisse aber nicht, dass er nicht touristisch denke, im Gegenteil, wie er sagt.
«Wir schaffen bedeutsame touristische
Angebote, nur ist es nicht unsere Sache,
diese zu vermarkten.» Dass die Betten
im Engadin gefüllt werden, sei Aufgabe
der Tourismusorganisationen.
Diese nehmen sich der Herausforderungen verstärkt an; denn sie haben realisiert, dass der SNP – der drittkleinste,
doch der am strengsten geschützte von
14 Nationalpärken im Alpenraum –
alles andere als ein alpines Disneyland
ist. Zwar gibt es Diskussionen zwischen
Parkverwaltung und Tourismusförderung, doch es sei ein Weg «gegenseitigen
Respekts», sagt Haller, dessen Jahreshaushalt 5 Millionen Franken umfasst,
zwei Drittel davon kommen vom Bund,
für die übrigen Gelder muss der Nationalpark selber aufkommen.
Grosse touristische Bedeutung
Dass der Tourismus durchaus am Nationalpark teilhat, zeigen Befragungen, die
regelmässig seit 1991 durchgeführt werden. Demnach sind es vor allem Besucher mittleren Alters, die den Park aufsuchen und zum Beispiel im Val Mingèr
oder im Val Trupchun anzutreffen sind.
Drei Viertel sehen die Hauptmotivation
für den Besuch des Nationalparks in der
Beobachtung von Wildtieren – und das
Gros der Besucher übernachtet einmal
oder gar mehrmals in den Hotels im
Engadin und im Münstertal. Eine Untersuchung zeigt im Weiteren, dass 40
Prozent der im Sommer generierten
Logiernächte in der Region auf das
Konto von Nationalpark-Touristen gehen. Was nicht heisst, dass die Besucher
nicht auch anderer Attraktionen wegen
in den südlichen Teil Graubündens gereist sind, die Mehrheit mit Privatfahrzeugen. Die Studie, die im Rahmen des
Forschungsauftrags, den der SNP als
einen von drei Hauptaufträgen hat,
publiziert wurde, weist eine Wertschöpfung von total 17 Millionen Franken aus.
Damit trage der Nationalpark zur geschätzten Wertschöpfung im Sommer-
Das Unterengadin und der Nationalpark
ÖSTERREICH
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Strenge Regeln im Park
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Sich im Nationalpark an gewisse Regeln
zu halten, sei unwiderruflich mit der
Möglichkeit verbunden, einen Blick in
die Wildnis zu erlangen, sagt Heinrich
Haller. Und die wenigen Übertretungen
belegen, dass die Besucher, die in erster
Linie aus der Schweiz, Deutschland und
Italien stammen, mit den streng gehandhabten Regeln zurechtkommen. Geöffnet ist der Schweizerische Nationalpark
zudem nur in den Sommermonaten, da
im langen Winterhalbjahr Lawinen dro-
Wandern zum Edelweiss
Wenigstens einmal im Leben ein
Edelweiss in der Natur betrachten, das ist der Traum vieler
Wanderer. Doch wo ist die Königin der Alpenblumen zu finden?
Im Nationalpark auf dem Panoramaweg von Buffalora nach
Il Fuorn – Kletterei überflüssig.
Jan Mühlethaler
Gewöhnlich ist der Betonbau des Bündner Architekten, 1958 in Chur geboren,
zwar nicht. Doch es ist die «Spannung»
zwischen dem Beton und der Natur, die
Haller fasziniert, ja auch inspiriert.
Einerseits sieht er sich dem Auftrag verpflichtet, die Natur ungestört von Menschen sich weiterentwickeln zu lassen,
anderseits will er sensibilisieren. Und
zwar dahingehend, dass solche Experimente, wie auch der Schweizerische
Nationalpark eines ist, Hunderte von
Jahren dauern können. Diese Sensibilisierung ist mit einem Informationsauftrag verbunden, und dieser lässt sich
eben besser umsetzen, wenn auch das
Besucherzentrum, seit 2008 in Betrieb,
eine eigenständige Sprache spricht. Der
Direktor sieht weitere Parallelen, «etwa
punkto Qualität», wie er sagt.
Diese Qualität stösst in der Bevölkerung auf reges Interesse. Im Eröffnungsjahr verzeichnete die Ausstellung
40 000 zahlende Besucher – der Betonbau und der geschützte Park als Touristenattraktion, Merchandising inklusive.
Das war längst nicht immer so. 1914 von
Visionären gegründet, wurde der Nationalpark erst in den fünfziger Jahren von
einer breiteren Öffentlichkeit aufgesucht. Seither legen die Besucherzahlen
Jahr für Jahr zu – bis auf eine Zahl, die
mit 150 000 jährlich beziffert wird. Genaueres dazu weiss die Direktion erst,
seit sie überall im Park – für den Besucher nicht sichtbar – Matten verlegt hat.
Darauf treten die Wanderer zwangsläufig, wenn sie im 170 Quadratkilometer
umfassenden Gelände unterwegs sind.
Denn es ist verboten, links und rechts
der markierten Wege, die sich über 80
Kilometer erstrecken, zu marschieren.
Auch Hunde oder Mountainbikes sind
innerhalb der Parkgrenzen untersagt.
Die Wanderer – von Schuls, Zernez
oder S-chanf aufbrechend – halten sich
überraschend genau an die Vorschriften. Im Jahr 2008 mussten von den Parkwächtern nur 16 Übertretungen zur
Weiterbehandlung überwiesen werden.
Die Königin der
Alpenblumen
S-Charl
Buffalora
Munt
la Schera Ofenpass Valchava Müstair
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ITALIEN
NZZ-INFOGRAFIK / cke.
EMANUEL AMMON / AURA
tourismus einen Viertel bei, schreiben
die Autoren. Dieser aufwärts zeigende
Trend dürfte sich in den nächsten Jahren
verstärken, da auch die Nachfrage nach
naturbewussten Angeboten im Steigen
begriffen ist. Laut einer Erhebung der
Hochschule für Technik Rapperswil des
Jahres 2002 belaufen sich die Ausgaben
naturnaher Touristen in der Schweiz auf
2,3 Milliarden Franken pro Jahr. Doch
der Trend, der urbanen Hektik zu entfliehen, könnte irgendwann zur Hypothek werden, gerade für den Nationalpark. Zutrittsbeschränkungen gibt es –
im Gegensatz zu anderen Nationalpärken – keine, und auch einen Eintritt
haben die Wanderer nicht zu entrichten.
Dagegen würde er sich wehren, sagt der
Direktor, selber Naturwissenschafter.
Bis anhin keine Ausweitung
Es müssten halt noch weitere Nationalpärke und Naturschutzzonen entstehen;
aber auch an eine Ausweitung des bestehenden Nationalparks denkt Haller.
Versucht hatte er dies schon vor Jahren,
doch die Zeit war damals noch nicht
reif. Immerhin gelang es, die ausserhalb
der SNP-Grenzen gelegene Seenplatte
von Macun zu integrieren – die erste
Parkerweiterung seit nahezu 40 Jahren.
Zudem verlagerte Haller die Kräfte
darauf, von der Unesco auch gemäss revidierten Bestimmungen als Biosphärenreservat akkreditiert zu werden, zusammen mit dem Münstertal. In diesem
Reservat stellt der Nationalpark die
Kernzone, der nicht zum SNP gehörende Teil des Münstertals umfasst den für
die Anerkennung als Biosphärenreservat erforderlichen Pflege- und Entwicklungsbereich. Der Entscheid wird Anfang Juni erwartet.
Bei aller Anerkennung, die er der
Pionierleistung der Initianten des Nationalparks zuspricht, stellt Haller kritisch fest, dass die Natur nicht nur im
Engadin und im Münstertal zu erhalten
sei. Aber immerhin: «Ein Besuch im
Nationalpark kann unterstützend wirken, um auch im Unterland eine Bresche für die Natur zu schlagen», sagt er,
der sich selber viel in der Natur bewegt.
Schliesslich gehe es ja nicht nur um den
Schweizerischen Nationalpark, sondern
um die Lebensqualität jedes Einzelnen.
Das Edelweiss gilt als die Königin der
Alpenblumen. Nur: Auch wer häufig in
den Bergen wandert, bekommt diese
prächtige Pflanze höchst selten zu Gesicht. Denn die Blume macht sich rar, ist
unscheinbar und damit leicht zu übersehen. Im Unterschied zur farbkräftigeren Konkurrenz wie der Alpenrose, dem
stengellosen Enzian oder der Trollblume fällt das blasse Edelweiss nicht
auf. Zudem kommt es meist nur in geringen Stückzahlen vor. Und ist manchenorts sogar vom Aussterben bedroht
oder gar schon ausgerottet. Deshalb ist
das Edelweiss auch streng geschützt.
Weit verbreitet ist die Vorstellung,
dass diese kostbare Alpenblume nur an
ausgesetzten Felswänden anzutreffen
sei; für Normalsterbliche also unerreichbar. Doch dem ist nicht so. Der
Traum, einmal im Leben in der Natur
ein Edelweiss zu sehen, lässt sich ohne
Kletterei erfüllen, sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und zwar im
Nationalpark. Dort findet man diese
seltene Pflanze an sonnigen Kalkhängen gleich an drei Orten – und erst noch
in grösseren Beständen: zwischen Stabelchod Dadaint und Margunet, im Val
dal Botsch bis zur Fuorcla Val dal
Botsch und am Munt la Schera.
Ausdauer notwendig
Wir wählen den abwechslungs- und aussichtsreichen Wanderweg von Buffalora
nach Il Fuorn. Ausgangs- und Endpunkt
sind gut an den öffentlichen Verkehr angebunden, nämlich an die Buslinie Zernez–Müstair–Mals. An beiden Orten
gibt es eine Gaststätte. Die knapp fünfstündige Wanderung ist einfach, setzt
aber Ausdauer voraus. Von Buffalora
(1968 m) geht es über die Alp Buffalora
(2038 m), Fop da Buffalora (2300 m)
zum Eingang des Nationalparks. Beim
Punkt 2370 m beginnt der Aufstieg zum
Munt la Schera (2586 m). Das ist übrigens der einzige Berg im Nationalpark,
dessen Besteigung erlaubt und zugleich
einfach ist.
Der Gipfel bietet eine prächtige Aussicht zum vergletscherten Ortler
(3905 m), Südtirols höchstem Berg, sowie in Richtung des Zollausschlussgebiets von Livigno. Die Edelweissmatten befinden sich am Weg, am Abhang
des Munt la Schera. Doch aufgepasst:
Der Nationalpark ist wahrscheinlich das
am strengsten geschützte Reservat Mitteleuropas. Die Wege dürfen nicht verlassen werden. Die Mitnahme von Hunden und Fahrrädern ist verboten.
Attraktive Fauna
Nach dem Abstieg bis zum Punkt
2338 m wandern wir weiter auf dem
Nationalpark-Panoramaweg. Über die
Alp la Schera (2095 m) gelangen wir
nach Il Fuorn (1794 m), wo das einzige
Hotel des Nationalparks steht. Die
Wanderung empfiehlt sich auch in der
Gegenrichtung. Mit etwas Glück lassen
sich Murmeltiere, Hirsche und Gemsen
sowie Steinadler und Bartgeier sehen.
Deutlich kürzer ist die dreistündige
Wanderroute von der Ofenpassstrasse
(1906 m) über Stabelchod (1958 m) und
Margunet (2328 m) durch die Val dal
Botsch nach Il Fuorn. Beim Aufstieg
nach Margunet stösst man auch hier auf
grosse Flächen voller Edelweiss. Diese
blühen normalerweise in den Monaten
Juli und August.
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Blick östlich von Sent auf Schloss Tarasp und die Unterengadiner Dolomiten (© Andrea Badrutt, Chur)
Neuö Zürcör Zäitung
Sonderbeilage U 7. Mai 2010
REISEN UND FREIZEIT 5
Sagenumwobene Seenplatte von Macun
Kristalline Gesteine, seltene Pflanzenarten sowie Steinböcke und Gemsen belohnen für einen langen Aufstieg
Das Seenplateau von Macun, auf
2600 Metern über Meer inmitten
des Schweizerischen Nationalparks gelegen, umfasst über 20
Gewässer. Diese lohnende Landschaft ist nur über einen mehrstündigen Aufstieg zu erreichen.
Kornelia Stinn
Eigentlich ist sie ein Nachzügler: Die 3,6
Quadratkilometer grosse Seenplatte
von Macun gehört nämlich erst seit gut
zehn Jahren zum 1914 gegründeten
Schweizer Nationalpark. Ein Nachzügler also und eine Enklave dazu, denn
das Gebiet von Macun liegt eingebettet
in einer sagenumwobenen Berglandschaft
zwischen
Munt
Baselgia
(2945 m), Piz Nuna (3124 m), Piz Macun
(2889 m), Piz Sursassa (2968 m) und Piz
d’Arpiglias (3037 m). Es kann nur über
einen recht beschwerlichen, mehrstündigen Aufstieg erreicht werden.
Fels und Wasser
Trotzdem lohnt sich der Einsatz. Bei
einer Wanderung hinauf zum Seenplateau von Macun taucht man ein in
eine ungewöhnliche Welt mitten im
rauen Felsencharme der Unterengadiner Berge. Ausgangspunkt dieser Tour
ist Zernez, das Tor zum Schweizer
Nationalpark am Fuss des Ofenpasses.
Von diesem auf rund 1500 Metern gelegenen Ort führt eine recht steile
Route – das Kernstück der ganzen Wanderung – zuerst auf den Munt Baselgia,
den «Kirchenhügel», wie der Name
übersetzt heisst. Wer den Aufstieg verkürzen möchte, kann sich mit einem Privatfahrzeug (Taxi Schorta, Tel. 081
856 11 25) bis zur Waldgrenze auf 2268
Metern chauffieren lassen. Dann aber
heisst es: marschieren.
Auf dem Gipfel wartet ein Buch –
unter einen Fels geklemmt – auf den
Eintrag der Gipfelstürmer. Von hier
oben geniesst man nun den Blick auf die
23 kristallinen Seen, die wie tiefblaue
Augen aus dem felsigen Meer des Kessels von Macun heraufblinzeln. Kleine
Tümpel sind darunter und verwunschen
anmutende Seen. Die Passage vom Gipfel des Munt Baselgia über lockeres Geröll hinunter zur Fuorcletta da Barcli
und zur Seenplatte von Macun erfordert
Trittsicherheit. Es sind 320 Meter Höhenunterschied steil bergab zu überwinden. Wunderschön ist der Blick auf die
Seenplatte und die Gipfel von Piz
Fiorna, Piz Buin und der Dreiländerspitze. Hinter dem grösseren Lai
d’Immez bauen sich der Piz Mezdi, Piz
Linard und das Verstanclahorn auf.
Die urtümliche Seenplatte von Macun gehört erst seit gut zehn Jahren zum Schweizerischen Nationalpark.
Die Eiszeit hat hier nachdrückliche
Spuren hinterlassen. Zur Zeit der grössten Vergletscherung vor 20 000 Jahren
sollen nur die höchsten Berge aus dem
Eis herausgeragt sein, während etwa
Zernez unter einer 1400 Meter mächtigen Eisschicht lag. Kein Wunder, dass
diese urtümliche Landschaft zu ungewöhnlichen Phantasien anregt. Ihr reicher Sagenschatz zeugt davon.
Der Drache von Macun
In einem der vorderen Seen, dem Lai
Grond, so erzählt man sich, hauste einst
ein fürchterlicher Drache. Der soll gelegentlich aufgetaucht sein, um Rinder
zu fangen und in den See hinunterzureissen. Menschen sollen bei seinem
Anblick vor Schreck geflüchtet sein.
Der Drache von Macun wurde bereits
im 16. Jahrhundert von Ulrich Campell
aus Susch, dem Vater der rätischen Geschichte, beschrieben. Ausserdem sollen
in der Drachenhöhle beim Lai Grond
Zwerge gelebt haben. Diese sammelten
des Abends im Tal goldene Blätter, um
daraus im Winter Sterne zu schmieden.
Zwerge und Menschen verstanden sich
damals sehr gut. Doch nicht für lange.
Als Letztere in der Welt umherzureisen
begannen, veränderten sie sich. Sie verlernten es nicht nur, mit Tieren und
Pflanzen zu sprechen. Auch eine seltsame Macht sei plötzlich von ihren
Augen ausgegangen. Seither seien sie in
der Lage, mit einem einzigen Blick
einen Zwerg in ein Murmeltier zu verwandeln. Mit der Folge: Wenn einer der
verwandelten Zwerge nun einen Menschen erspähe, mache er Männchen und
warne mit einem kräftigen Pfiff seine
Sippe. Einzelheiten dieser Sage lassen
sich in «Die Geschichte von Janaiverin»
von Maria Ritz nachlesen.
Die eigene Phantasie schickt man
auch gern auf Reisen, wenn man sich an
den Seen von Macun einen gemütlichen
Platz gesucht hat und unzählige Wolkenformationen über die Spiegelbilder
der Berge im glasklaren Wasser hinweghuschen. Wahrlich ein einladender Ort
für eine Rast mit Picknick. Man sollte
genügend Verpflegung mitnehmen,
denn unterwegs gibt es keine Einkehrmöglichkeit.
BALZARINI/KEYSTONE
Früher oder später wird man den
Blick von diesem Urmeer aus Wasser
und Stein wieder lösen müssen, um den
Abstieg nach Lavin unter die Füsse zu
nehmen. Dort wird dann eine lange, anspruchsvolle Wanderung ausklingen,
bei der ungewöhnliche Ausblicke für
die erlebte Anstrengung entschädigen.
Höchstwahrscheinlich hat man neben
seltenen Pflanzen auch ein paar Gemsen und Steinböcke gesehen. Schliesslich bedeutet das rätoromanische Macun ja Steinbock.
.................................................................................
GUT ZU WISSEN
Streckenverlauf: Zernez (1471 m) bis
Munt Baselgia (2945 m), über Fourcla da
Barcli (2850 m) nach Macun (2624 m),
weiter nach Lavin (1412 m) und zurück
mit der Rhätischen Bahn nach Zernez.
Wanderzeit: Ohne Taxi 8 Stunden, mit
Taxi gut 6 Stunden.
Karten: Landeskarten der Schweiz
1:25 000, Blätter 1198 «Silvretta» und
1218 «Zernez».
Informationen: www.nationalpark.ch.
Von wild und romantisch bis zu steil und karg
Zeitzeugen der
schwarzen Kunst
Im Buchdruckmuseum in Stampa
cha. U «Mehr als das Gold hat das Blei in
der Welt verändert. Und mehr als das
Blei in der Flinte das Blei im Setzkasten», so ist auf einer Karte im Museum
Stamparia in Strada zu lesen. Der auf
einer historischen Handdruckpresse gedruckte Spruch könnte durch die Bemerkung ergänzt werden, dass der zu Tschlin
zählende Weiler im untersten Zipfel des
Engadins massgeblich vom «SetzkastenBlei» geprägt wurde. Denn dort, wo
heute das Museum untergebracht ist,
wurden während zweier Jahrhunderte
Bücher, Bibeln, Schriften, Gesangswerke, Kalender und Zeitungen gedruckt.
1680 hatte ein gewisser Nuot Cla
Janett, der aktiv am Druck der Sacra
Bibla in der Offizin Scuol beteiligt gewesen war, eine eigene Druckerei in
Tschlin eröffnet und diese Jahre später
samt Setzerei und Buchbinderei in das
Bauernhaus in Strada verlegt, wo er
fortan mit seiner Familie wohnte. Seine
«Stamparia Janett», die später von den
Nachkommen geführt wurde, brachte
eine grosse Zahl kulturhistorisch bedeutender Werke in romanischer Sprache heraus und erwarb sich bis weit über
die Region hinaus grosses Ansehen.
Wie dem Museumsbüchlein zu entnehmen ist, war die Druckerei in Strada
unter verschiedenen Besitzern bis 1880
in Betrieb. Dann wurde sie nach Schuls
verlegt. Die hölzerne Originalpresse
ging 40 Jahre später für ein Linsengericht ans Rätische Museum in Chur.
In Strada steht nun eine nachgebaute
Handdruckpresse, die jeweils zu Demonstrationszwecken in Betrieb genommen wird. Sie ist die grösste, aber
keineswegs die einzige Attraktion des
1998 eröffneten Museums. Im selben
Raum werden eine Kniehebelpresse,
Handtiegelpressen, maschinelle Tiegelautomaten sowie eine StoppzylinderSchnellpresse gezeigt.
Andere Räume sind der Geschichte
der schwarzen Kunst und deren Druckerzeugnissen gewidmet. Die Besucher
können eigene Texte auf einer ZeilenSetz- und -Giessmaschine komponieren
und anschliessend an Ort drucken lassen. Und sie können eine Vielzahl
prächtig gebundener alter Bücher bewundern, unter anderem drei Originaldrucke der «Sacra Bibla», datiert von
1679 und 1743.
Weitere Museumsbereiche veranschaulichen die in der romanischen
Sprache tief verwurzelte Volksmusik sowie die Wohnkultur um 1880. Bei der
Renovation des Museumsgebäudes war
darauf geachtet worden, dass sowohl
aussen wie innen die ursprüngliche
Form und Gestaltung erhalten blieb.
Ein Rundgang durch die bis zum kleinsten Detail eingerichteten Stuben und
Kammern ist deshalb wie ein Besuch bei
der letzten Druckerfamilie.
Öffnungszeiten im Mai, Juni, September und Oktober:
jeden Samstag von 15 bis 17 Uhr. Im Juli und August:
Donnerstag und Samstag von 15 bis 17 Uhr. Spezialund Gruppenführungen nach Vereinbarung. Telefon
081 866 32 24. www.stamparia.ch.
Eine Tagestour durch die Uinaschlucht und über den Sesvennapass nach S-charl
Das Val d’Uina ist ein wildromantisches Seitental des
Unterengadins. Herzstück bildet
ein in den Fels gesprengter Pfad,
der schmal und stotzig hinauf zu
den Alpböden von Sursaas führt.
Von dort gelangt man über den
Sesvennapass nach S-charl.
Friedemann Bartu
«Portar o stumplar il bike» heisst es warnend auf einer Tafel am Wegrand. Wer
hier mit seinem Mountainbike unterwegs ist, sollte also schleunigst absteigen und seinen Stahl- oder Aluminiumesel tragen oder schieben. Eigentlich erübrigte sich diese Warnung, denn die
Strecke ist ab hier für kurze Zeit so steil
und holprig und der Boden so feuchtweich, dass sowieso nicht mehr ans
Biken zu denken ist.
Und auch auf den nächsten paar hundert Metern lässt sich – vor allem bergauf – nicht mehr mit gutem Gewissen
auf dem Bike fahren. Zu schmal, zu
holprig und zu steil ist dieser nur wenig
gesicherte Pfad, der sogar normale
Wanderer zum Schwitzen bringt und
Herzklopfen haben lässt. Die Route
folgt dem Steilhang. Sie wurde mitten in
den Hang hinein gesprengt.
Man glaubt sich auf einer Axenstrasse en miniature: Auf der einen Seite
steigen die steilen Felswände in Richtung Himmel auf, auf der anderen geht
es Hunderte von Metern in die Schlucht
hinab. Ein Fehltritt kann fatale Folgen
haben. Und wer hier mit dem Bike wegrutscht, stürzt hoffnungslos in die felsige
Schlucht hinab, durch welche sich der
Wildbach tosend seinen Weg bahnt und
einen nasskühlen Wind aufsteigen lässt.
Bedrohliche Kulisse
Es ist eine wilde und bedrohlich wirkende Kulisse, durch die wir hier wandern. Das Pièce de Résistance der ganzen Route. Fast wie ein Bühnenbild zu
Carl von Webers Oper «Der Freischütz». Der Vergleich ist keineswegs
aus der Luft gegriffen. Das zeigt eine
Gedenktafel an einem der Tunnels am
Berg: Sie erinnert an den einheimischen
Wildhüter Möstle, der hier zu Beginn
des letzten Jahrhunderts, also kurz nach
Eröffnung dieses Pfades, bei seiner Arbeit von «ausländischen» Wilderern erschossen wurde. Das waren bestimmt
Südtiroler, heisst es bei den Einheimischen noch heute; denn die Grenze zu
Italien ist nicht weit.
Im Gegenteil: Nachdem wir die heikle, aber eindrückliche Felsenpassage
hinter uns gebracht haben, öffnet sich
das Tal, und vor uns tut sich plötzlich
eine weitflächige Alpweide von Sursaas
auf. Wir durchqueren sie leichten Fusses
und gelangen nach einer knappen halben Stunde auf italienischen Boden,
den Vinschgau. Unweit hinter der Landesgrenze liegt die adrette Sesvennahütte. Perfekt ausgerüstet, wird sie von
einem jungen, gastfreundlichen Team
aus Italien geführt. Sie kann sie bis zu 70
Personen Nachtlager bieten. Viele, die
hier übernachten, sind Biker, unterwegs
auf ihrer Zweitagestour von Sur En
durch die Uinaschlucht über den Schlinigpass hinab nach Schlinig im Obervinschgau. Wer ihren schwärmerischen
Gesprächen lauscht, kommt rasch zum
Schluss, dass es sich bei dieser Route um
eine anspruchsvolle und zugleich ausgefallen schöne Strecke handeln muss.
Kräftezehrende Route
Wir aber sind ohne Bike unterwegs.
Unser Weg führt uns über die 2863
Meter hohe Fuorcla da Sesvenna und
über einen steilen Abhang durch das
Musega-Gebiet. Von dort geht es dann
vergleichsweise flach bis nach S-charl.
Insgesamt handelt es sich hier ebenfalls
um eine lange und mitunter kräftezehrende Strecke, für die idealerweise
zwei Tage eingeplant werden sollten.
Wir schaffen es an einem Tag, weil wir
uns mit dem Auto von Sur En nach Uina
Dadaint bringen liessen. Auf diese Weise konnten wir uns mehrere Stunden
Anmarsch durch den unteren und ebenfalls wildromantischen Teil der Uinaschlucht ersparen. Auch so waren wir
noch mehr als sechs Stunden am Marschieren, und wir überwanden insgesamt über 2000 Höhenmeter: 1200 beim
Aufstieg und 800 beim Abstieg.
Schulterschluss
Ja zum Destinations-Marketing
«Engadin Scuol Samnaun»
fb. U Was lange währt, wird endlich gut:
Ende April dieses Jahres hat der Lenkungsausschuss der Tourismusorganisationen im Val Müstair, Unterengadin
und in Samnaun die Gründungsvereinbarung der künftigen Destinations-Management-Organisation (DMO) «Engadin Scuol Samnaun» gutgeheissen. Das
heikle Thema bildete seither auch Gegenstand lokaler Beratungen und Abstimmungen in den jeweiligen Talschaften. Dabei siegte der wirtschaftliche
Verstand, so dass das Vorhaben schliesslich auf eine breite Zustimmung stiess.
Die neue DMO wird in Form einer
Aktiengesellschaft per 1. Januar 2011
gegründet und von einem neunköpfigen
Verwaltungsrat geleitet werden. Schuls
beteiligt sich mit 49 Prozent am Aktionariat, Samnaun mit 41 Prozent, und die
restlichen 10 Prozent entfallen auf die
Region Val Müstair.
6 REISEN UND FREIZEIT
Neuö Zürcör Zäitung
Sonderbeilage U 7. Mai 2010
Neuö Zürcör Zäitung
Sonderbeilage U 7. Mai 2010
REISEN UND FREIZEIT 7
Das klingende Schloss
Ein echtes Sgraffito aus eigener Hand
Chastè Tarasp besticht durch ein überraschend reiches Interieur
In Susch führt ein Maler interessierte Besucher in ein altes Engadiner Handwerk ein
Eine Führung durch das Schloss
Tarasp ist weit mehr als eine
Schlechtwetter-Variante. Es ist
eine Begegnung mit einer äusserst lebendigen Historie.
Friedemann Bartu
«Chastè Tarasp ist hinter Château Chillon das am zweitmeisten besuchte
Schloss der Schweiz», erklärt der lokale
Guide, der die Touristengruppe durch
die wuchtige Anlage führt. Exakt 100
Räume habe er im Schloss gezählt, fährt
er fort und gibt uns damit zu verstehen,
dass wir auf diesem Rundgang nur einen
Bruchteil des Schlosses sehen werden.
Seine Begeisterung wirkt ansteckend.
Zumal die wenigsten Besucher damit
gerechnet hatten, in dem auf das
11. Jahrhundert zurückgehenden Gebäude eine dermassen umfassende und
gut erhaltene Innenausstattung vorzufinden: von feinsten Gobelins aus Flandern über Schnitzereien aus der Riemenschneider-Schule des 16. Jahrhunderts bis hin zu wertvollen Schweizer
Wappen- und Standesscheiben.
Unter habsburgischem Schutz
Die Erklärung für diesen Reichtum
trägt einen Namen: Karl August Lingner. Der Deutsche, der sich in der zwei-
ten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Bern
zum Hygiene-Doktor hatte ausbilden
lassen, später in Dresden eine pharmazeutische Firma betrieb und danach mit
der Lancierung des Odol-Mundwassers
steinreich wurde, dieser Mann kam 1900
zu einem Kuraufenthalt nach Tarasp.
Als er das Schloss in der Abendsonne
sah, verfiel er dieser Ruine. Er erwarb
sie für 20 000 Franken und versprach,
sie «zur Zierde der Gegend» zu machen.
Und er hielt Wort. Das zeigt schon
der gute äussere Zustand der Anlage, zu
der hinauf sich ein steiler Weg windet.
Oben angekommen, erreicht man das
Eingangstor, über dem ein grosser habsburgischer Doppeladler wacht. Neben
der Jahreszahl 1624 heisst es unmissverständlich: «Hie Estereih», was als Warnung an alle Ankommenden zu verstehen war. Denn das katholische Tarasp war die Ortschaft des nach der
Reformation mehrheitlich protestantischen Unterengadins, die am längsten in
österreichischem Besitze verblieben
war. Deshalb waren auf dem Schloss
ständig österreichische Soldaten stationiert. Diese sollten die strategisch wichtige Enklave gegen Handstreichversuche der Einheimischen verteidigen.
Letztlich war es aber Karl August
Lingner, der das Schloss Tarasp, oder
was davon im Jahre 1900 noch übrig war,
vor dem Untergang rettete. Er beauftragte den Dresdner Architekten Walter
Türcke, die Ruine zu renovieren, wobei
Ein Kennzeichen alter Engadinerhäuser sind Verzierungen, die
nicht gemalt, sondern in die
Fassaden eingekratzt wurden.
Ein Unterengadiner Maler erteilt
Einblick in diese Technik.
Wandgetäfer und Mobiliar meist aus
Tirol und Graubünden hergeschafft und
stilgerecht eingebaut wurden. Lingner,
für den nur das Beste gut genug war, liess
Holzdecken und Wände aus einem Patrizierhaus aus Poschiavo kommen, handgemalte Kacheln aus Delft sowie das
Zimmer der Priorin des Frauenklosters
Cazis bei Chur. Der älteste «Gast» im
Schloss, in das Lingner auch zehn Gästezimmer einbaute, ist eine 700-jährige
Statue des heiligen Antonius.
Robin Schwarzenbach
«Man wird nicht dreckig – aber manche
Leute kommen halt mit lackierten Fingernägeln oder in Anzug und Krawatte.» Josin Neuhäusler kann sich ein
schelmisches Lachen nicht verkneifen
und bietet den beiden Besuchern seiner
Werkstatt in Susch eine Plastic-Schürze
an. Dann gilt es Ernst. Wir bekommen
eine lange Schraube in die Hand. Damit
sollen wir auf den quadratischen Unterlagen, die vor uns auf einem Tisch liegen, die Konturen anbringen, aus denen
am Ende ein Sgraffito werden soll. Vorlagen auf Papier gibt es zwar. Doch nun,
auf einer feuchten Schicht aus Kalkmilch, müssen die Ritze sitzen. Korrekturen sind auf diesem Material kaum
mehr möglich.
Gewaltige Orgel
2 Millionen deutsche Goldmark – rund
50 Millionen Franken – verschlang die
Renovation. Lingner erlebte deren Ende
nicht mehr. Er starb 1916 an Krebs, nur
wenige Monate vor Abschluss der Sanierungsarbeiten. Sein exquisitestes Erbstück ist wohl die gewaltige Orgel im
Konzertsaal. Lingner, der selbst ein Musikstudium begonnen, aber nicht abgeschlossen hatte, verband eine tiefe Liebe
zu diesem Instrument. Mit 3000 im Bau
versteckten Pfeifen ist die Orgel vom
Schloss Tarasp von einer Grösse, wie
man sie sonst nur in Kathedralen antrifft.
Wenn sie gespielt wird, erzittert die Burg
bis in ihre Fundamente. Und die Voxhumana-Funktionen lassen menschliche
Klänge erschallen – wobei der Guide behauptet, diese stammten in Wirklichkeit
vom Schlossgeist.
Locker und natürlich
«Ein echtes Sgraffito folgt keinen exakten Vorgaben», betont Neuhäusler. «Im
Gegenteil: Es lebt von der Unregelmässigkeit; von einer natürlich und locker
geführten Hand.» Nur so gelange man
zu den Effekten, welche die Fassaden
der alten Engadinerhäuser so unverwechselbar machten.
Apropos Fassade: Ehe man zum
praktischen Teil übergeht, steht jeweils
ein Tour d’Horizon über Theorie, Geschichte und Praxis der Sgraffito-Technik auf dem Programm. Neuhäusler erzählt aus Erfahrung. Er nehme nicht
jeden Auftrag an. Die Verzierungen
müssten zum architektonischen Stil des
www.schloss-tarasp.ch
Drei Hotels, ein Gymnasium und zehn Bauern
Ftan profitiert von der Nähe zu Schuls – und doch sucht das Dorf seinen eigenen Weg
Auf einer Sonnenterrasse auf
1650 Metern gelegen, thront
Ftan zumindest höhenmässig
über Schuls. Das Dorf mit 500
Einwohnern lebt vom Tourismus,
vom Hochalpinen Institut und
von der Landwirtschaft.
Jan Mühlethaler
Ftan hat eine besondere Stellung. Das
Dorf mit 500 Einwohnern – so viele
waren es schon 1860 – liegt auf einer
Sonnenterrasse, oberhalb von Schuls,
erreichbar über kurvige Strassen, entweder von Schuls oder von Ardez her.
Die Aussicht in die gegenüberliegenden
Berge, hinauf zum markanten, 3105
Meter hohen Piz Lischana, ist aussergewöhnlich. Kein Wunder, hat der Besucher auf rund 1650 Metern den Eindruck, über allen anderen Gemeinden
zu schweben.
Das «Paradies» als Glücksfall
Dass in Ftan mit dem schmucken Hotel
Paradies auch eine der besten Adressen
im Unterengadin auszumachen ist, kann
also kein Zufall sein. Im vergangenen
Jahr abermals renoviert, zählt das dem
Hamburger Horst Rahe gehörende
Haus vor allem auch kulinarisch zu den
heissen Tipps in der Region. Seit einem
Jahr ist Martin Göschel, der im Jahr 2002
von Gault Millau als «Aufsteiger des Jahres» ausgezeichnet wurde, Chef de Cuisine im Gourmetrestaurant La Bellezza,
das mit 17 Gault-Millau-Punkten bewertet ist. Auch die 23 Zimmer und Suiten
im Hotel Paradies, von Meike Bambach
umsichtig geführt, haben einen besonderen Charme. Dass einem von den mit
Arvenholz und edlen Stoffen ausgestatteten Zimmern der Piz Lischana erneut
ins Auge sticht, hat System.
Der Gemeindepräsident Reto Pedotti ist sich der Ausstrahlung des Hotels
Paradies durchaus bewusst. Gleichwohl
dürfe das Spitzenhotel wirtschaftlich
und touristisch nicht überschätzt werden, sagt er. Es führe sowieso ein «ziemliches Eigenleben», was wohl nicht
allein mit den Gästen zusammenhängt,
die im «Paradies» absteigen. Das Hotel
liegt ausgangs Dorf in Richtung Ardez,
mehr als nur ein paar Meter vom übrigen Dorfleben entfernt.
Dieses ist weiterhin auch von Landwirtschaft geprägt. Doch laut dem Ge-
meindepräsidenten, übrigens der erste
im Engadin, der der SP angehört, sind es
nur noch 10 Betriebe, die zu 100 Prozent
von der Landwirtschaft leben. «Vor 100
Jahren waren es noch 100», sagt Pedotti,
der selber auch noch im Stall steht, womit er rund 20 Prozent des Haushalteinkommens generiere. Auffallen tut er jedoch auch mit seiner kleinen landwirtschaftlichen Tätigkeit. Gäste berichten,
dass der Gemeindepräsident das Heu
wenn möglich mit Ross und Wagen einfahre, häufig mit freiem, braungebranntem Oberkörper. Wenn nicht, dann
werde ein Fiat Punto mit Anhänger eingesetzt, derweil die «Konkurrenz» mit
modernsten Zugwagen ausfahre.
Reto Pedotti, der noch bis und mit
2012 als Gemeindepräsident gewählt
ist, hat denn auch einen interessanten
Lebenslauf. In Ftan geboren, zog es ihn
irgendwann nach Basel, wo er sich zum
Sozialarbeiter ausbilden liess. Zehn Jahre lang arbeitete der Bauernsohn mit
straffälligen Jugendlichen, dann zog es
ihn wieder nach Ftan, wo er zusammen
mit seiner Frau den Hof der Eltern im
Nebenerwerb übernahm.
Zwar hat der ehemalige Sozialarbeiter in «seinem» Dorf keine straffälligen
Jugendlichen mehr zu coachen. Jugendliche gibt es aber noch immer genügend,
was primär auf das Hochalpine Institut
zurückzuführen ist. Die Mittelschule gehört zusammen mit Landwirtschaft und
Tourismus zu den drei wichtigsten Wirtschaftszweigen von Ftan – und sie trägt
den Dorfnamen seit zwei Jahrhunderten
in die weite Welt hinaus. Der Ursprung
erzieherischen Wirkens auf der Sonnenterrasse geht aufs Jahr 1793 zurück. Damals legte der aus Paris in seine Heimat
zurückgekehrte Andreas Rosius à Porta
den Grundstein für den Schulbetrieb in
Ftan, der längst nicht mehr nur Privatschule ist. Hier erlangen die Mittelschüler aus der Region ebenso die Maturität
wie die Handelsschüler ihr eidgenössisches Diplom. Seit 1996 ist das Hochalpine Institut auch ein vom Schweizerischen Skiverband Swiss Ski anerkannter
Stützpunkt für talentierten Nachwuchs,
der es teilweise sogar bis an die Olympischen Spiele geschafft hat. Der Gemeindepräsident wirft noch kritisch ein, dass
primär die Schüler internationaler Herkunft und aus begüterten Verhältnissen
auch negativ auffallen können, zum Beispiel wenn sie mit einem protzigen Auto
in der Pause vor der Bäckerei vorfahren.
Touristisch gesehen gibt es – ausser
dem schon genannten Hotel Paradies –
zwei weitere Hotels im Dorf, zwei
Garnis und weitere Privatzimmer.
Schuls ist ja lediglich zehn Fahrminuten
(etwa mit dem Postauto) entfernt – und
davon profitiert auch Ftan. Jüngstes
Beispiel dieser Nähe zu Schuls ist die
Übernahme der früheren Poststelle
durch die Engadin Scuol Tourismus AG,
die erst zwei Wochen zurückliegt. Damit konnte zum einen das Angebot an
Postdienstleistungen in Ftan erhalten
werden, zum anderen ist es möglich, die
Gäste aus der gleichen Hand mit touristischen Informationen und Dienstleistungen zu bedienen. «Ein Glücksfall»,
sagt der Gemeindepräsident – im Wissen, dass es keinerlei Alternative gegeben hätte. Schuls hat auch anderweitig eine Ausstrahlung auf Ftan; allein, weil der touristische Aufschwung
im Unterengadin nirgendswo ähnlich
gut spürbar ist wie in Schuls – mit allen
negativen Begleiterscheinungen.
Von Schuls profitieren
Dieser Aufschwung ist immer auch eng
mit dem Namen Kurt Baumgartner verbunden, der in den vergangenen Jahren
zu einem der wichtigsten Player im
Unterengadin geworden ist. Mittlerweile besitzt er drei Hotels, alle mit einem
eigenständigen Erscheinungsbild und
gegenseitige Synergien nutzend. Und
kaum ist der eine Bau eingeweiht, präsentiert er die nächste Idee, was immer
auch Neider und kritische Stimmen auf
den Plan ruft. So hat er jetzt vor, zwischen seinen zwei Hotels Belvédère und
Guarda Val zwei Kuben mit Baubeginn
2011 zu errichten, gebaut vom Bündner
Architekten Renato Maurizio. Im einen
sind bis zu zwölf Luxusresidenzen geplant, die die Projektfinanzierung sichern sollen. Im anderen Kubus sind
Hotelsuiten und weitere Geschäftsräumlichkeiten vorgesehen. Das Investitionsvolumen für den gesamten Bau
beläuft sich auf 20 bis 25 Millionen
Franken, sagt Baumgartner.
Derartige Grossinvestitionen stehen
in Ftan derzeit nicht an. Der Gemeindepräsident macht sich hingegen Gedanken, wie der historische Dorfkern, der
mehrheitlich von älteren Menschen bewohnt wird, für die nächste Generation
erhalten werden kann. Eine Idee besteht etwa darin, dass die Gemeinde bei
einem allfälligen Hausverkauf als Käufer auftritt, die Wohnungen stilgerecht
saniert und zu «vernünftigen Konditionen» an Ansässige vermietet.
Hauses passen. Eingelassene Fenster
seien ebenso Pflicht wie hervorstehende
Dachpartien. Zudem dürfe die betreffende Immobilie von den Nachbarbauten nicht erdrückt werden. Sgraffiti
neben einem modernen Haus aus Beton
– das ist für Neuhäusler eine schmerzhafte Vorstellung. Im Übrigen, so betont der 45-Jährige, gebe es drei, vier
weitere Kollegen im Engadin, deren Erfahrungsschatz den seinen bei weitem
übersteige. Daher komme er meist erst
dann zum Zug, nachdem die anderen erfolglos kontaktiert worden seien. Also
gibt es im Engadin auch in Sachen
Sgraffiti eine Hierarchie. Forciertes
Konkurrenzdenken herrscht aber nicht.
Es würde sich auch kaum lohnen. Für
Neuhäusler bedeuten Sgraffiti-Arbeiten lediglich einen Nebenverdienst.
Dieser ist allerdings mit sehr viel
Aufwand verbunden. Allein die Vorbereitungen können sich über Monate hinziehen. «Kompliziert wird es, wenn sich
die Hauseigentümer nicht auf die Motive einigen können – Ehepaare tun sich
oft besonders schwer», berichtet der
Maler aus Susch. Für Engadinerhäuser
gelten etwa Quader-Ornamente an den
Häuserecken, durchgängige Doppelwellen unter Giebeln oder Rundbögen
– sogenannte Laufende Hunde – oder
Rosetten in verschiedenen Varianten.
Persönlich kennen wir diese Elemente
schon lange. Die Illustrationen von
Alois Carigiet zum «Schellen-Ursli»
sind uns in bester Erinnerung.
«Laufende Hunde» gab es bereits in
der Antike. Und überhaupt: «Die Leute
denken, Sgraffiti seien eine Engadiner
Erfindung; das stimmt natürlich nicht»,
sagt Neuhäusler und verweist auf jene
Künstler, die ab dem 16. Jahrhundert
aus Italien kommend durchs Engadin
zogen und ihre Dienste anboten. Der
Ursprung der Technik geht auf die
italienische Renaissance zurück. Auch
der Begriff Sgraffito hat italienische
Wurzeln. Er leitet sich vom Verb «sgraffiare», kratzen, ab.
Bei einer Arbeit setzt Neuhäusler
bewusst nicht auf ein Fertigprodukt
vom Baumarkt, sondern ganz klassisch
auf eine Mischung aus Kalk, Sand sowie
erlesenen Pigmenten aus Siena. Denn:
«Risse nach wenigen Jahren sind ein
schlechtes Zeugnis.» Das Material sei
denn auch ein weiterer Grund, weshalb
er ausschliesslich mit Maurerbetrieben
zusammenarbeite, die er schon lange
kenne. So könne er sicher sein, dass der
richtige Verputz verwendet werde.
Zufriedener Lehrmeister
Die beiden Besucher aus dem Unterland fassen sich ein Herz und setzen
endlich die ersten Ritze. Er möchte eine
einfache Rosette anfertigen; sie, die studierte Kunsthistorikerin, eine Kombination aus runden und eckigen Formen.
Beide gehen ohne geometrische Hilfsmittel vor, also ohne Zirkel. Dies sehr
zur Freude des Meisters. Sobald die
Konturen stehen, werden die betreffenden Flächen mit einem Griffel ausgekratzt. Ein beherzter Einsatz an bestimmten Stellen sorgt für die gewünschten Kontraste. Das zeigt sich vor
allem auf dem Vorplatz aus ein paar
Metern Distanz. Plötzlich tritt die Sonne hervor. Ihre Strahlen lassen Licht
und Schatten auf den Rosetten wunderbar zur Geltung kommen. Wir sind zufrieden, und unser Lehrmeister Neuhäusler ist es ebenfalls. Wie jeder Kursteilnehmer dürfen auch wir das selbst
erstellte Sgraffito mit heim nehmen.
Einführungen in die Sgraffito-Technik gibt es für Besuchergruppen von 10 bis 20 Personen; kleinere Gruppen
auf Anfrage. Das Angebot besteht das ganze Jahr
über, von Montag bis Freitag, um jeweils 14 Uhr. Der
Preis beträgt 30 Franken pro Person; Kinder unter 12
Jahren zahlen 20 Franken. Anmeldung: Bei Josin Neuhäusler, Surpunt 91, 7542 Susch. Telefon 081 862 28 88
oder 079 221 34 78.
Kleiner Bahnhof, grosser Platz
In Lavin ist sanfter Tourismus kein Programm, sondern Realität
Zwei Attraktionen des Gebiets von Tarasp-Vulpera: der Gebirgsgolfplatz von Vulpera und das markante Schloss Tarasp.
BILDER AURA / RDB
Wo Gourmets und Golfer sich treffen
Im Gebiet von Tarasp-Vulpera kann man auf etliche Trouvaillen stossen
Das Schloss Tarasp, der Gebirgsgolfplatz von Vulpera sowie etliche ausgezeichnete Restaurants
machen das Nachbargebiet von
Schuls zu einer attraktiven und
erkundenswerten Region.
Christa Arnet
Von Schuls nach Tarasp in einem offenen Cabriolet zu fahren, ist nicht unbedingt zu empfehlen. Es könnte sein, dass
in einer der engen Kurven plötzlich ein
harter weisser Ball geflogen kommt.
Der 9-Loch-Golfplatz von Vulpera wird
von der Strasse an zwei Stellen durchschnitten, so dass jedes Mal über die
Fahrbahn gespielt werden muss. 1923,
als die Anlage für die damals zahlreichen Kurgäste erstellt wurde, waren
Friktionen mit dem Strassenverkehr
kein Thema. Und dass sie aufgrund des
stark coupierten Geländes auf eine
Länge von 3777 Metern beschränkt
werden musste, schien ebenfalls keine
Rolle zu spielen.
Idyll mit Überraschungen
Als Folge davon sind die heutigen Golfer mit Überraschungen und Herausforderungen konfrontiert, die sie auf keinem modernen Platz finden. Der «Golfer’s Guide» der «Südostschweiz»
spricht denn auch von «einem der
schönsten Gebirgsgolfplätze Europas»,
den man einmal im Golferleben besucht
haben müsse. Tatsächlich vermitteln die
in einem Arvenwald liegenden Talsenken, Kuppen, Hügel, Matten und
grünen Rondellen den Eindruck eines
romantischen Parks. Künstliche Effekte
und gestalterische Spielereien, wie Bäche und Seen, gibt es keine. Dafür trifft
man auf Blumenwiesen und Beerensträucher, begegnet allerlei Tieren und
kann auf dem Weg zum 3. Abschlag
Pilze fürs Abendessen sammeln. Und
auf jeder Lichtung, jeder Anhöhe und
natürlich auch auf der Terrasse des
öffentlichen Klubhaus-Restaurants bietet sich ein herrlicher Blick auf benachbarte Dörfer und umliegende Berge.
Höchste Präzision
Laut Klubmanager Markus Vesti spielen manche hier auf Anhieb über ihrem
Handicap, während andere trotz mittlerem Rating einfach nicht zurechtkommen. Das grösste Problem besteht darin, das wellige Gelände richtig einzuschätzen. Loch 8 etwa ist 175 Meter
lang, spielt sich aber wie 130 Meter, bei
Loch 3 muss auf die in der Ferne sichtbare Kirche von Ftan gezielt werden,
und bei Loch 7 sind nicht nur 100 Meter
Länge und 25 Meter Höhendifferenz,
sondern auch der Verkehr auf der
Strasse einzukalkulieren. Andere knifflige Aufgaben stellen sich beim Dogleg
mit seinem handtuchschmalen Grün.
Bei Loch 9 ist der dortige Wanderweg
im Auge zu behalten.
Vesti fügt an, dass überall höchste
Präzision erforderlich sei. Sonst lande
der Ball am falschen Ort: zum Beispiel
im Kotflügel eines vorbeifahrenden Autos oder im hohen Maschenzaun, welcher die Fassade des Hotels Villa Engiadina in Vulpera vor allzu dynamischen
Schlägen schützt. Manchmal fliegt ein
Golfball sogar in den Garten des Hotels
Villa Maria, das in einer Haarnadelkurve oberhalb des Greens steht. Erich
Jaeger, der mit seiner Frau Geraldine
das gepflegte Dreisternehaus samt
Gourmetrestaurant seit 40 Jahren führt,
lacht darüber. Er ist selber leidenschaftlicher Golfer und nutzt jede freie
Minute zum Spielen. Das Winter-Golfen ist unter seiner Ägide zustande gekommen. Seinen Gästen bietet er sogar
im eigenen Garten ein Putting-Green.
Mit gleicher Begeisterung steht Jaeger auch am Herd, was sich in immer
wieder neuen Kompositionen aus einheimischem Fleisch und saisonalen Produkten aus dem eigenen Garten niederschlägt. Das mit Engeln und Putten
üppig dekorierte Lokal wurde denn
auch von «Gault-Millau» mit 13 Punkten ausgezeichnet.
Kulinarische Kompositionen
Fährt man nun die Strasse weiter hinauf
bis unterhalb des Schlosses Tarasp, erreicht man ein zweites Feinschmeckerziel: das mit 15 «Gault-Millau»-Punkten
dekorierte Restaurant des Schlosshotels
Chastè. Dort warten kulinarische Köstlichkeiten und erlesene Weine aus nah
und fern. Interessante Variationen regionaler Spezialitäten sind Hirschkote-
letts mit Baumnuss-Früchte-Kruste
oder Kastanien-Birnen-Süppchen mit
Cervino-Salsiz. Das Ambiente der gemütlichen Arvenstuben trägt zur guten
Stimmung bei. Uneingeweihte würden
nicht vermuten, dass das schöne Relais-&-Châteaux-Hotel einmal ein einfaches Bauernhaus war und erst im
20. Jahrhundert durch unzählige Erweiterungsbauten zu dem wurde, was es
heute ist.
Das Gebäude befindet sich zudem
schon seit 500 Jahren und 21 Generationen im Besitz der Familie Pazeller.
Heute wird der Betrieb von Daniela
und Rudolf Pazeller und ihrem Sohn
Roberto als designiertem Nachfolger
geleitet. Immer präsent zu sein, überall
selber Hand anzulegen und die Gäste
sowohl im Haus als auch auf Ausflügen
persönlich zu betreuen, hat hier Tradition. Auch haben Pazellers ihre Tätigkeit auf Schloss Tarasp ausgeweitet. Bei
Veranstaltungen wie Geburtstagen,
Hochzeiten oder Candlelight-Dinners
für zwei übernehmen sie das Catering
und die Dekoration.
Seit fünf Jahren organisieren sie
jeweils im Oktober ein grosses Erntedankfest, an dem auch viele Einheimische teilnehmen. Das Gourmetmenu
aus der «Chastè»-Küche wird in den
Schlossmauern von musikalischen, literarischen oder historischen Darbietungen umrahmt. Dieser Anlass ist jeweils
lange im Voraus ausgebucht.
www.vulperagolf.ch; www.villa-engiadina.ch;
www.villamaria.ch; www.schlosshoteltarasp.ch.
Lavin lassen die meisten Touristen links liegen. Zu Unrecht: Im
40 Meter über dem Inn thronenden Dorf liegen nämlich die
guten Dinge nahe beieinander –
und zum weitläufigen Gemeindegebiet gehören auch grosse
Naturschönheiten.
Tobias Hoffmann
Halt auf Verlangen? Zwar ist das Unterengadiner Dorf Lavin seit der Eröffnung des Vereinatunnels von Zürich aus
das am schnellsten zu erreichende Engadiner Dorf überhaupt. Doch noch
heute liest man da und dort, es sei abgelegen. Lavin, das rund 200 Einwohner
zählt, wurde 1869 bei einem grossen
Brand weitgehend zerstört. Es kann
weder ein Bilderbuch-Dorfbild wie das
benachbarte Guarda noch eine nennenswerte Sport- oder Wellness-Infrastruktur vorweisen. So ist es nie zur touristischen Marke geworden. Pittoreske
Seiten hat es aber durchaus. Die sind jedoch von Umfahrungsstrasse und Bahnlinie aus kaum zu erkennen.
Lokal verankert
Also aufgepasst: Kaum hat der Zug
Sagliains am Tunnelende verlassen,
heisst es: «Lavin, fermada sün dumonda», Halt auf Verlangen. Vom Bahnhof
aus erreicht man in wenigen Schritten
das Dorfzentrum, die leicht ansteigende
Plazza Gronda mit Brunnen, deren untypische Grosszügigkeit dem Dorfbrand
geschuldet ist. Sein besonderes Gepräge
erhält der Platz durch mehrere ummauerte Gärten und durch das auffälligste
Gebäude des Ortes, das Hotel Piz
Linard mit rosaroter Fassade.
Dass es so keck auf sich aufmerksam
macht, ist berechtigt, denn eine tote
Zeit gibt es in diesem Haus nicht, anders
als fast überall sonst im Engadin. Hans
und Gaby Schmid, Quereinsteiger aus
dem Unterland, halten es das ganze Jahr
offen, sieben Tage die Woche – als Ort
für Stadtmüde, Naturliebhaber und
Kulturfreunde, für Retraiten, Seminare
und Feiern. Im Unterschied zu den
meisten anderen Engadiner Hotels verstehen sie ihr Haus auch als Begegnungsort und verlässliche Anlaufstelle
für die Einheimischen. Bei diesen findet
die Dorfgaststube (Ustaria) mit modernem Design Anklang. Auch beim reichen Kulturprogramm mit Konzerten,
Ausstellungen und hauseigenem Kino
binden die Schmids die lokale Bevölkerung ein, als Besucher wie auch bei der
Realisierung der Projekte.
Im derzeitigen Angebot von 15 Zimmern fällt die sogenannte Palazzo-Kategorie auf: vier auf den Platz hinausgehende, grosszügige, helle Räume, die
von verschiedenen Künstlern gestaltet
wurden und durch antiquarische Einzelstücke und Kunstinstallationen sehr
persönlich wirken. Abends treffen sich
die Hotelgäste im eindrücklichen, mit
Arvenholz getäferten Speisesaal aus
dem Jahre 1926. Die Halbpension ist
fester Bestandteil der Gastkultur im
Hause. Gepflegt wird keine Möchtegern-Spitzengastronomie, sondern eine
feine, eher leichte und etwas gehobene
Küche. Wer hierhergefunden hat, sucht
das Unverfälschte und Unaufgeregte.
Gut speisen lässt sich auch im Hotelrestaurant Crusch Alba im vom Feuer
verschonten Dorfteil Surpunt jenseits
.................................................................................
GUT ZU WISSEN
Wanderung an die Macun-Seen: Ab diesem Sommer kann man sich per Taxi bis
zur Alp Zeznina Dadaint chauffieren
lassen, um die Wanderzeit von rund 7
Stunden (hin und zurück) zu verkürzen.
Übernachten, Essen: www.pizlinard.ch,
www.cruschalba-lavin.ch, www.giacometti-lavin.ch.
Informationen: www.lavin.ch.
des Dorfbaches Lavinuoz. In den Heustall des 330 Jahre alten Engadinerhauses hat man vor rund zwanzig Jahren
einen Speisesaal und zusätzliche Zimmer eingebaut. Die Spezialität des Küchenchefs Riet Egler sind leichte Versionen der regionalen bäuerlichen Küche. Er stellt sie zu 6-Gang-Menus zusammen, die den Gästen kaum auf dem
Magen liegen. Der Gastro-Guide
«Graubünden geht aus!» führt übrigens
beide Laviner Hotelrestaurants in der
Kategorie «Genuss pur in den Dörfern».
Legendäre Nusstorte
Mit ihren 46 Quadratkilometern Fläche
reicht die Gemeinde im Nordwesten bis
zum Piz Linard (3411 Meter), dem
höchsten Gipfel der Silvretta-Gruppe,
im Süden bis zu den zum Nationalpark
zählenden Lais da Macun, einer der
schönsten Seenplatten der Schweiz. So
gibt es im Sommer doch einen recht lebhaften Tourismus hier. Zu den Wanderern und Bergsteigern gesellen sich die
Biker, die dem Ufer des Inn folgen. Wer
von ihnen sich vom Aufstieg nicht schrecken und ins Dorfzentrum locken lässt,
kann sich im Café der Pastizaria Giacometti mit ihrer Terrasse 30 Meter über
dem glitzernden Fluss mit der legendären Nusstorte stärken, die vielen als die
beste überhaupt gilt.
Dann sollte er aber auch, bevor er
den Halt-auf-Verlangen-Knopf drückt,
um sich von der Rhätischen Bahn nach
Schuls, ins Oberengadin oder ins Prättigau zurückbringen zu lassen, einen
Blick in die Dorfkirche nahe beim
Bahnhof werfen. Dort gibt es erstaunlich gut erhaltene Fresken aus dem frühen 16. Jahrhundert zu entdecken, die
2001 bis 2005 restauriert wurden und
unter Bundesschutz stehen.
Vielleicht ist das der grösste Zauber
dieses Orts: In Lavin hat man keine
Qual der Wahl. Aber alles, was sich
einem bietet, ist gut. Und manchmal sogar ein bisschen spektakulär.
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Engadinerhäuser im Val S-charl (© Andrea Badrutt, Chur)
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Sonderbeilage U 7. Mai 2010
REISEN UND FREIZEIT 9
Der Wald spricht
Die herbstliche Hirschbrunft im Gebiet des Nationalparks ist ein ganz besonderes Naturspektakel
Im Herbst spielt sich in den
Wäldern des Schweizerischen
Nationalparks ein einzigartiges
Naturschauspiel ab: die Hirschbrunft. Diese lässt sich im Val
Mingèr sehr gut erleben. Der
Beobachtungspunkt ist nach 90
Minuten Fussmarsch erreicht.
tirol. Zwischen Ende Mai und Anfang
Juni des folgenden Jahres setzen die
weiblichen Tiere dann ihre Kälber.
Beim Abstieg zurück ins S-charl-Tal
überqueren wir eine Wiese, die so perfekt gemäht ist wie der Golfrasen von
Samaden. Auch dies waren die Hirsche,
weiss Steck zu berichten. Gräser zählen
zu ihrer Leibspeise, doch wählerisch
sind sie nicht; zur Not, wenn bereits
Schnee liegt, fressen sie auch Baumrinden, Flechten oder Moose.
Im Garten des Landgasthofs Crusch
Alba in S-charl delektieren wir uns an
einem wunderbar zarten Hirschschnitzel mit Quarkspätzli und Blaukraut. Es
ist warm, T-Shirt-Wetter, die Mountainbiker und Wanderer ziehen in Scharen
vorbei. Vom nahen Betriebsschluss Mitte Oktober ist noch gar nichts zu spüren.
Bis vor wenigen Jahren, erzählt Gastgeberin Ladina Sutter, habe man die
Hirsche auch in S-charl selbst noch laut
genug röhren gehört. Seit im Tavrü-Tal
wieder gejagt wird, verziehen sich die
Tiere in andere Brunftreviere, etwa ins
anliegende Val Mingèr. Mit dem ersten
Schnee wird es deshalb schlagartig ruhig
in den weiten Alpen rund um S-charl.
Philipp Metzler
Es ist Anfang Oktober, die Lärchen
leuchten glühend gelb, und der Altweibersommer zeigt sich von seiner schönsten Seite im Val Mingèr, einem abgelegenen Seitental des Nationalparks
nahe bei Schuls. Die herbstliche Farbenpracht bildet die Kulisse eines zweiten
Naturspektakels, der Brunft des Rotwildes. Beim Punt Mingèr haben wir das
S-charl-Tal verlassen und steigen seit
einer halben Stunde den urtümlich-wilden Wanderweg zur Alp Mingèr hoch,
als es plötzlich dumpf und durchdringend faucht aus dem Gehölz. Wir erschrecken, und zwar heftig. Ob es doch
wieder einen Bären gibt im Unterengadin? Unsinnige Bedenken eines Unterländers, gewiss, aber das Geräusch war
nah, schwer zuzuordnen und von bedrohlicher Lautstärke.
.................................................................................
GUT ZU WISSEN
Nicht weniger als 150 Hirsche, so schätzen einheimische Jäger, tummeln sich im Herbst im geschützten Val Mingèr.
KPA / KEYSTONE
Ein Röhren und Rasseln
Später wiederholt sich das Gebrüll im
Holz vielstimmig von der linken und der
rechten Talseite, man gewöhnt sich daran, beginnt Nuancen zu unterscheiden
und stellt fest: Der Wald spricht nicht; er
seufzt und stöhnt, er röhrt und rasselt,
bald stakkatohaft kurz, bald lang und
länger bis zur hörbaren physischen Erschöpfung. Nicht weniger als 150 Hirsche, schätzt der einheimische Jäger
Hermann Steck, tummeln sich im
Herbst im Val Mingèr. Das einsame Tal
ist ein beliebtes Einstandsgebiet für das
Rotwild, weil hier im Nationalpark
nicht gejagt werden darf. Einige Dutzend Hirsche, die grossen Stiere ab dem
sechsten oder siebten Altersjahr, kämpfen während der Brunftzeit um die
Hirschkühe und die besten Plätze. Die
Männchen ernähren sich in dieser Phase
des hormonellen Ausnahmezustands
nicht mehr, sie sind besessen von der
Verteidigung ihres Reviers und der Annäherung an die Weibchen. Der Zusammenprall der Hirsche ist brutal, bisweilen tödlich. «Forkeln» nennt der Weidmann das Aufspiessen des Gegners mit
dem Geweih.
Doppelbödige Gespräche
Aufgrund der südlichen Lage liegt die
Waldgrenze im Val Mingèr zwischen
2100 und 2200 Metern über Meer, also
sehr hoch. Dort erreichen wir einen Beobachtungsposten mit Tisch und Bank.
Nachdem wir die Hirsche lange nur gehört haben, erblicken wir sie nun am
Südhang des Piz Mingèr endlich auch in
natura. Ein Feldstecher ist unabdingbar.
Noch besser wäre ein richtiges Fernrohr,
um die stolzen Tiere bei ihrem Auftritt
in der «Fortpflanzungs-Arena» zu verfolgen. Eine Hirschkuh nähert sich langsam dem Geröllfeld, wo sich einige
Böcke versammelt haben. Welcher wohl
das Rennen macht? Wer behauptet sich
als Platzhirsch? Es darf gelacht werden.
Die Gespräche der Brunftwanderer
beim Aussichtspunkt bekommen unmerklich einen doppelten Boden.
Als wir noch einige Schritte weiter
bergan steigen Richtung Sur il Foss,
überrascht uns von hinten eine Dreiergruppe von Hirschkühen. Der Boden
bebt spürbar, als sie mit donnernden
Hufen durch das Gebüsch preschen.
Dass sich diese scheuen Tiere mitten am
Tag so unbekümmert in die Nähe von
Menschen begeben, sei höchst aussergewöhnlich, erklärt Jäger Steck. Ausserhalb des Nationalparks würden die
mit einem hervorragenden Gehör und
Geruchssinn ausgestatteten Tiere einen
grossen Bogen um Menschen machen.
Von Hirschen gemäht
Die Hirschbrunft dauert einige Wochen, in den Alpen meist von September bis Mitte Oktober. Wenn es zu
schneien beginnt, verlassen die Tiere
das Hochtal und begeben sich in ihre
Wintereinstandsgebiete in den tiefer gelegenen Wäldern des Inn-Tals; einige
von ihnen wandern gar bis nach Süd-
Anreise: Der Einstieg ins Val Mingèr ist
von Schuls aus mit dem Postauto zu
empfehlen. Für den gut 500 Höhenmeter umfassenden Aufstieg vom Punt
Mingèr bis zum Beobachtungspunkt auf
rund 2100 Metern benötigt der Durchschnittswanderer rund 90 Minuten.
Rückweg: Statt ins S-charl-Tal zurückzukehren, kann man die Wanderung über
Sur il Foss durchs wilde Plavna-Tal hinunter nach Tarasp und durch die Clemgia-Schlucht bis Schuls fortsetzen. Dauer der Wanderung: rund 5 bis 6 Stunden.
Verpflegung: Lokale Wildspezialitäten
gibt es im Landgasthof Crusch Alba
oder im Gasthaus Mayor in S-charl.
Hirschbrunft-Wanderungen: Werden von
Ende August bis Ende September ab
Schuls von einheimischen Jägern organisiert, Telefon 081 861 22 22. Alternativ gibt es auch geführte Hirschbeobachtungen im Val Trupchun bei S-chanf.
Geschichte zum Anfassen und Miterleben
«Bun Tschlin»
Die Burg Altfinstermünz als neues Ausflugsziel im Dreiländereck Schweiz - Österreich - Italien
Die Ortschaft Tschlin setzt ganz auf heimische Produkte
Die imposante Klausenanlage
in der Innschlucht unterhalb von
Vinadi wird gegenwärtig in
aufwendiger Sanierungs- und
Umbauarbeit zur mittelalterlichen Erlebnisburg für Jung
und Alt umfunktioniert.
Christa Arnet
Steil führt der Fussweg von der Engadinerstrasse zum Inn hinunter. Die
Schlucht ist eng und düster, der Fluss
tobt um die Felsen. Kurz oberhalb des
Ufers verläuft die Grenze zu Österreich.
Und unmittelbar dahinter beginnt das
Mittelalter. Denn hier erhebt sich die
mächtige Burg Altfinstermünz, die einst
den Grenzübergang zwischen Tirol und
dem Engadin verbarrikadierte. Die gedeckte Brücke und der Wachtturm mitten im Fluss, der fünfgeschossige Torturm hart am Wasser, der gedrungene
Batterieturm in der Felswand, der Ausguck, die Sperrmauer und die zahlreichen Reste massiger Vorbauten lassen ahnen, dass hier in alten Zeiten kein
leichtes Durchkommen war.
Die an der ehemaligen Römerstrasse
Via Claudia Augusta gelegene Schlucht
wurde angeblich schon 1078 von Herzog
Heinrich von Bayern für eine Befestigungsanlage genutzt. Und im Mittelalter war das 1263 erstmals urkundlich
erwähnte «castrum Luech in der Vinsterminze» fast 500 Jahre lang eine Zollstätte. Die meisten der heute noch erhaltenen Gebäude entstanden in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, als
Herzog Sigmund der Münzreiche die
Anlage zum Bollwerk ausbaute. Der
Turm kam jedoch erst Anfang des
16. Jahrhunderts, im Zuge eines weiteren Ausbaus, hinzu.
Vom Bollwerk zum Wirtshaus
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verlor
Altfinstermünz aufgrund der Zollreform an Bedeutung. Das Zollamt kam
nach Martinsbruck, und die Burg wurde
an den letzten Zöllner verkauft. Zunächst beherbergte sie ein Gasthaus
samt Bierbrauerei; später, nach der Umleitung des Verkehrs auf die neue Reschenstrasse, diente sie als Landwirtschaftsbetrieb. Die Brücke mit dem als
Sigmundseck bekannten Wehrturm im
Fels kam in den Besitz des Landes Tirol,
der Torturm und weitere Bauten blieben in privaten Händen und waren nach
dem Zweiten Weltkrieg mehr oder
weniger dem Verfall preisgegeben.
Seit einigen Jahren sind nun umfassende Renovierungsarbeiten im Gang.
Der 2001 gegründete Verein Altfinstermünz, dem auch die Gemeinden Tschlin
und Samnaun sowie ihre Tourismusorganisationen angehören, hat sich zum
Ziel gesetzt, eine mittelalterliche Erlebniswelt für Jung und Alt und damit ein
attraktives Ausflugsziel im Dreiländereck Schweiz - Österreich - Italien einzurichten. Mit einem Kostenaufwand von
4,5 Millionen Euro werden die historischen Gebäudeteile fachgerecht renoviert, für die Besucher zugänglich gemacht und mit multimedialen Ausstellungen bestückt. – Nicht zuletzt dank
freiwilliger Arbeit sind verschiedene
Teile der Burg bereits so weit instand
gestellt, dass sie unter Führung besichtigt oder sogar für Veranstaltungen gebucht werden können.
So finden in der etwas abseitsstehenden Kapelle Mariae Himmelfahrt wieder Taufen und Hochzeiten statt. Niemand würde vermuten, dass das hübsche kleine Gotteshaus mit dem wertvollen Fresko aus dem 17. Jahrhundert
lange Zeit das triste Dasein eines Schafstalls fristete. Auch die Fassade des Torturms, der noch bis im Frühling 2009 bewohnt war, präsentiert sich wieder im
ursprünglichen Zustand. Sein Inneres
wird nun sorgfältig restauriert, von stilfremden Elementen befreit und wo
nötig rekonstruiert.
Thomas Veser U An seinen ersten Besuch in Tschlin erinnert sich Peter Mair
mit gemischten Gefühlen. Damals vierzehn Jahre alt und selbst in einem Dorf
bei Schuls aufgewachsen, hielt ihn
nichts in dem über 1550 Meter hoch gelegenen Ort. «Da gab es nur alte Leute,
dort wollte ich auf keinen Fall wohnen»,
erinnert sich der heute 42 Jahre alte
Käsermeister. Doch alles kam anders:
In Tschlin sollte Mair seine spätere Frau
Chatrina kennenlernen, dort liess sich
das Paar nieder und pachtete eine ehemalige Käserei. Eine unrentable Käserei nach der anderen hatte zuvor die
Arbeit eingestellt.
Ehrgeizige Zukunftspläne
«Da haben viele Leute mitleidig den
Kopf geschüttelt. Andere hingegen
empfanden es als positiv, dass jemand
das Gewerbe aufleben lässt», berichtet
Mair und blickt auf seine Erzeugnisse
aus Kuh- und Ziegenmilch, die inzwischen auch in der gehobenen Gastronomie begehrt sind. Sie tragen das BioLabel und werden ebenfalls im Dorfladen um die Ecke angeboten.
Sie tragen ein zusätzliches Markenzeichen, das aus den Buchstaben BT besteht und den Absatz steigern soll: «Bun
Tschlin», «Gutes aus Tschlin». Auch
Fleisch und Wurstwaren, Bier, Likör,
Konfitüre, Gebäck und sogar handwerkliche Erzeugnisse lokaler Herkunft, darunter Möbel, dürfen damit
ausgezeichnet werden – vorausgesetzt,
die Rohstoffe stammen aus der Tschliner Gegend, in der die Waren auch hergestellt werden müssen. In Holzkisten
So soll hier künftig die Tiroler Zollgeschichte veranschaulicht werden,
während im Brückenturm der Alltag
der Burgbewohner und auf Sigmundseck das Leben und Wirken des Herzogs
gezeigt wird. Der Zugang zum Felsenturm führt durch einen abenteuerlichen,
35 Meter langen unterirdischen Gang
mit einer Naturhöhle, in der eine Multivisionsshow die Historie der Burg zeigt.
Zudem sind Veranstaltungen geplant,
welche die Kulturen der drei Länder
spiegeln. In einer zweiten Bauetappe
sind ein Restaurant und ein Aufzug zum
hoch über der Schlucht liegenden Parkplatz von Hochfinstermünz vorgesehen.
Altfinstermünz liegt direkt an der Schweizer Grenze auf
Tiroler Boden. Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag,
Sonntag 13–17 Uhr oder nach Vereinbarung.
www.altfinstermuenz.com.
Aller Anfang ist schwer
abgepackt, erfreuen sich die Nischenprodukte heute auch im Grossraum
Zürich grosser Beliebtheit.
«Bun Tschlin» ist ein Verbund lokaler Kleinstbetriebe, «eine Werbeplattform für die Qualität unserer Waren»,
wie sich Schreinermeister Curdin Müller ausdrückt. Etwa 20 Mitglieder zählt
der Verein, der eine Zeitschrift herausgibt und von der Gemeinde für diese
Arbeit Geld bekommt.
Aufbruchstimmung
Die Geschichte begann, als Kleinaktionäre ihr Geld zusammenlegten und in
Tschlin eine Mikro-Brauerei gründeten.
«Das hat die wirtschaftlich schlechte
Stimmung verbessert», erinnert sich
Braumeister Florian Geyer. Curdin Müller spricht sogar von Aufbruchstimmung.
Und die habe man dringend benötigt,
«hatten sich die Menschen doch damals
schon damit abgefunden, dass wohl auch
noch der letzte Betrieb schliesst und man
einfach nichts machen kann».
Heute stehen die Buchstaben BT
auch für touristische Dienstleistungen.
Brauereibesuche zählen dazu und die
Einkehr bei Käser Mair, der Gäste mit
seiner Arbeit vertraut macht und sie mit
Tschliner Fondue und – in Abwesenheit
von lokalem Wein – mit Bier von nebenan bewirtet. Ob dank BT künftig neben
der neuen Braumeisterstelle weitere
Arbeitsplätze entstehen, bleibt abzuwarten. Immerhin sei der Pessimismus
von gestern, so Curdin Müller, «einem
Gefühl der Zuversicht gewichen».
www.buntschlin.ch