NN_4_2016
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Nützliche Nachrichten 4 / 2016 Dialog-Kreis „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden“ Postfach 90 31 70 · 51124 Köln · Tel. 0 22 03.126 76 · Fax 0 22 03.126 77 · [email protected] Spendenkonto Dialog-Kreis · IBAN DE55 3705 0198 0009 1525 39 · BIC COLSDE33XXX Redaktion Andreas Buro †, Mani Stenner †, Gisela Penteker, Memo Şahin, Luise Schatz Redaktionsschluss: 18. April 2016 Dies sind keine Gefangene in Guantanamo oder Gefängnisinsassen von Abu Ghraib im Irak, sondern Kurden, die die Altstadt von Diyarbakir (Sur) verlassen haben. Sie wurden ausgezogen und in Siegespose der Presse vorgestellt. (http://odatv.com/burasi-diyarbakir-0803161200.html, 8.3.16). Friedenspolitisches Symposium zur Erinnerung an Andreas Buro Inhalt Friedenspolitisches Symposium zur Erinnerung an Andreas Buro Stoppt den Kreislauf der Gewalt in der Türkei! Erdoğans Krieg gegen die Kurden Türkei: Eskalierende Gewalt und Menschenrechtsverletzungen Ohne Kommentar: Staatsterror in Cizre Ausgangssperre in Yüksekova und Nusaybin Idil nach 44 Tagen Zerstörung Erdoğans Krieg gegen Kurden „Nicht länger Schweigen!“ An alle Journalist_innen der Welt Abstimmung über Aufhebung der Immunität HDP Co-Vorsitzender Demirtas zu Gast in Berlin Operationsgebiete entvölkern und zerbomben Bericht zur BI/EGBW Delegationsreise im Februar 2016 in die Türkei Erdoğans Medienpolitik „beunruhigt“ Obama König von Jordanien: Türkei schickt Terroristen nach Europa Flüchtlingscamp für sunnitische Syrer inmitten alevitischen Gebiets US-Regierung kritisiert Menschenrechtslage in der Türkei Türkische Hoteliers fürchten Touristenschwund Das EU-Türkei-Abkommen ist rechtswidrig Wegen Satire Botschafter einbestellt Merkel erlaubt Böhmermann-Ermittlungen Verfassungsrichter Bertrams zu Böhmermann-Satire „Die Verbrechen begeht Erdoğan“ Offizieller Comic verherrlicht Märtyrer-Rolle Freiheit für alle politischen Gefangenen Erdoğan-Anhänger machen mobil „Wir waren nicht mal so viel Wert wie Tiere“ Konstituierender Rat der föderalen demokratischen Einheit von Rojava – Nordsyrien Gespartes für Gutes 2 3 4 5 9 12 12 13 13 14 15 15 16 18 19 19 20 20 21 22 23 23 23 24 24 25 26 27 28 Sonntag, 19. Juni 2016 Frankfurt, Saalbau Bockenheim Schwälmer Str. 28, 60486 Frankfurt Veranstalter: Komitee für Grundrechte und Demokratie, Ärzte gegen den Atomkrieg – IPPNW, Netzwerk Friedenskooperative, Dialogkreis, Friedens- und Zukunftswerkstatt 11.00 Uhr Begrüßung: Martin Singe, Grundrechtekomitee 11.15 Uhr Dr. Volker Böge, Friedensforscher: Erinnerung an Andreas Buro: Persönliches und Politisches 12.00 Uhr Prof. Dr. Hanne-Margret Birckenbach, Friedens- und Konfliktforscherin: Friedenslogik statt Sicherheitslogik – Zur Zukunft ziviler Konfliktbearbeitung 12.45 Uhr Prof. Dr. Egbert Jahn, Friedensforscher: Zivile Konfliktbearbeitung als Mittel zur Kriegsprävention, Kriegsbeendigung oder Nachkriegsgestaltung 13.30-14.30 Uhr Mittagspause 14.30-15.30 Uhr Podiumsgespräch: Chancen ziviler Konfliktbearbeitung im Nah-Mittel-Ost-Konflikt mit Memo Sahin, Dialog-Kreis Dr. Gisela Penteker, IPPNW, Prof. Dr. Werner Ruf, Friedensforscher Moderation: Dr. Matthias Jochheim, IPPNW 15.30-16.30 Uhr Podiumsgespräch: Zur Zukunft ziviler Konfliktbearbeitung – wie realistisch ist eine Überwindung der Militärpolitik der Bundesrepublik bzw. eine Zurückdrängung der militärischen Interventionspolitik? mit: Prof. Dr. Hanne-Margret Birckenbach, Prof. Dr. Egbert Jahn, Susanne Grabenhorst, IPPNW Moderation: NN 16.30-17.00 Uhr Kurzstatements in Erinnerung an Andreas Buro / Filmmitschnitt aus Rede 17.00-18.00 Uhr Möglichkeit zur Begegnung Anmeldung erwünscht: [email protected] Nützliche Nachrichten 4 /2016 2 Stoppt den Kreislauf der Gewalt in der Türkei! Aufruf an die deutsche Bundesregierung und die Europäische Union Heute wenden sich acht deutsche Friedensorganisationen angesichts des erneuten Krieges im Südosten der Türkei an die Bundesregierung. Er findet weitgehend abseits der Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit statt – Terroranschläge, der Krieg in Syrien und die Flüchtlingsfrage dominieren die Tagesordnung. Aber angesichts der Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen in den vom Krieg zwischen türkischer Regierung und PKK betroffenen Regionen fordern wir, dass die deutsche und europäische Politik nicht länger wegsehen darf. Wir haben eine Petition gestartet, die unter https://weact.campact.de/p/UrgentCallTurkey unterzeichnet werden kann. Ein Hintergrundtext zu dem Thema ist auf unserer Website zu finden: http://www.soziale-verteidigung.de/ international-gewaltfrei/stoppt-den-kreislauf-der-gewaltin-der-tuerkei/ Schließen Sie sich folgender Petition an, indem Sie die Online-Petition zeichnen. Die Petition Sehr geehrter Herr Außenminister Steinmeier, Angesichts der Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, vor allem den vom Krieg zwischen türkischer Regierung und PKK betroffenen Regionen in der Osttürkei, darf die deutsche und europäische Politik nicht länger wegsehen. Wir fordern Sie auf: » Die Parteien des Konfliktes, insbesondere die türkische Regierung und die PKK, zu einem sofortigen Waffenstillstand und zur Wiederaufnahme der Friedensgespräche aufzurufen; » Die türkische Regierung aufzufordern, allen internationalen Menschenrechtsabkommen nachzukommen, denen die Türkei beigetreten ist, und alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Zivilbevölkerung zum Teil des Konflikts macht; » Alle Waffenlieferungen in die Region zu stoppen; » Alle Möglichkeiten in der Europäischen Union, der OSZE und dem Europarat zu nutzen, um den Menschenrechten für alle Bürgerinnen und Bürger in der Türkei sowie allen sich dort aufhaltenden Flüchtlingen Geltung zu verschaffen; » Die OSZE einzuschalten und eine Beobachtungsmission zu entsenden. Stoppt den Kreislauf der Gewalt in der Türkei! Zum Hintergrund Im August 2015 begann erneut der gewaltsame Konflikt zwischen der türkischen Regierung und bewaffneten kurdischen Gruppen in der Türkei, nachdem im Juli 2015 der türkische Präsident Erdoğan den Friedensprozess mit der PKK aufgekündigt hatte. Damit wurden erste Ergebnisse eines bereits bestehenden Friedensprozesses zunichte gemacht. Opfer ist die Zivilbevölkerung. Die türkische Armee setzt willkürlich Panzer und schwere Waffen ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung ein. Stadtviertel werden bombardiert. Hunderte von Toten, wochenlange Ausgangssperren in mehrheitlich von KurdInnen bewohnten Städten und Regionen sowie schwere Menschenrechtsverletzungen haben zu einer humanitären Krise geführt. Zudem nimmt die Türkei gleichzeitig die kurdischen Siedlungsgebiete in Syrien unter Beschuss. Die Lage wird sich wahrscheinlich verschlimmern, wenn die Gewalt auf beiden Seiten nicht gestoppt werden kann. Die deutsche Regierung schaut aber weg, im Verbund mit der Europäischen Union. Sie hoffen, dass die türkische Regierung Flüchtlinge davon abhalten wird, die EU zu erreichen, und die Außengrenzen schließt. Sie wollen auch das NATO-Mitgliedsland Türkei nicht verärgern, das ein wichtiger NATO-Stützpunkt für den Krieg gegen den IS in Syrien und Irak ist. Mit dieser Politik riskieren die europäischen Regierungen eine neue Flüchtlingstragödie. Am 16. Februar 2016 erklärte die Berichterstatterin der Europäischen Union, Kati Piri, kurz nach ihrem Besuch in Diyarbakır: „Im Südosten der Türkei mussten schätzungsweise 400.000 Menschen wegen der heftigen Kämpfe ihre Häuser verlassen. In einigen Städten dauern die Ausgangssperren seit mehr als zwei Monaten an.“ Kati Piri ruft die Europäische Union zudem auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand und die Wiederaufnahme des türkisch-kurdischen Friedensprozesses einzusetzen. Die Petition wurde initiiert von: Bund für Soziale Verteidigung Connection e.V. Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Dialog-Kreis „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden“ Internationaler Versöhnungsbund – Deutscher Zweig Komitee für Grundrechte und Demokratie pax christi – Diözesanverband Limburg War Resisters‘ International https://weact.campact.de/petitions/stoppt-denkreislauf-der-gewalt-in-der-turkei Nützliche Nachrichten 4 /2016 3 D E R K O M M E N TA R Erdoğans Krieg gegen die Kurden Dr. Gisela Penteker Trotz aller Sicherheitsbedenken hat sich auch in diesem Jahr eine Gruppe von acht Personen als Delegation der IPPNW auf den Weg in den Südosten der Türkei gemacht. Wir führten Gespräche in Ankara, Diyarbakir, Mardin, Cizre und Viransehir mit Parlamentariern, Journalisten, Gewerkschaftern und Menschenrechtlern, mit Taxifahrern und Menschen auf der Straße. Wir spürten Wut, vor allem aber Ratlosigkeit und Angst vor einem großen Krieg. Mit vorher nicht vorstellbarer Grausamkeit kämpft die türkische Regierung seit Monaten gegen die kurdische Bevölkerung. Über soziale Medien erreichen uns auch in Deutschland Bilder und Berichte über die Zerstörungen in kurdischen Städten, es gibt sogar ein paar gute Fernsehdokumentationen. Trotzdem ist hier über den (Bürger)krieg zwischen Kurden und Türken wenig bekannt. Die PKK gilt den meisten als Terrororganisation und ihre Bekämpfung wird im Rahmen des internationalen Krieges gegen den Terror für richtig und notwendig gehalten. Leider ist zu befürchten, dass sich bei der PKK und ihren kurdischen Unterstützern die Hardliner durchsetzen und sie so spätestens mit Beginn des Frühlings ihrem Ruf gerecht werden. Mehrere unserer GesprächspartnerInnen kritisieren, dass die jugendlichen Barrikadenbauer mit ihrem bewaffneten Widerstand dem Präsidenten erst den Vorwand für seinen Angriff auf die Zivilbevölkerung in den Städten geliefert hätten. Die dabei ausgeübte Gewalt durch Spezialeinheiten, Polizei und Militär ist allerdings völlig unverhältnismäßig. Gegen etwa 200 bewaffnete Aufständische stehen 15.000 bis 20.000 Soldaten. Mit schwerer Artillerie beschießen sie die betroffenen Stadtviertel und zerstören anschließend Haus für Haus. Fassungslos standen wir in den Trümmern von Cizre, in denen Menschen mit versteinerten Gesichtern nach den spärlichen Resten ihrer Habe suchten. Am Tag unserer Abreise erfuhren wir durch die Medien, dass die zerstörte Altstadt Sur von Diyarbakir weitgehend von der Regierung beschlagnahmt wurde. Präsident Erdoğan und Ministerpräsident Davutoglu haben angekündigt, die kurdischen Städte nach der „Säuberung“ schnell und modern wieder aufzubauen. Uns schaudert bei dem Gedanken an die neuen Hochhausviertel am Rande der Städte Mardin und Diyarbakir, die mit kurdischer Tradition und Lebensweise so gar nicht vereinbar sind. Die kurdischen Bürger haben Angst, dass in ihren Städten vermehrt sunnitische, arabische Flüchtlinge aus Syrien angesiedelt und so eine demografische Verschiebung zugunsten der Regierungspartei AKP erreicht werden soll. Viele Kurden sehen sich in einem Vernichtungskrieg. Etwa 400.000 Menschen haben schon ihre Wohnungen ver- Nützliche Nachrichten 4 /2016 lassen oder verloren. Viele wollen nur noch weg aus der Region, da sie keine Hoffnung auf ein Leben in Frieden mehr haben. Hier könnte sich eine neue Fluchtwelle nach Europa ankündigen. Europas Politiker verschließen die Augen vor dem Krieg, der hier stattfindet. Ihre Komplizenschaft mit dem „Psychopathen von Ankara“, wie eine Gesprächspartnerin den Präsidenten nennt, wird von den Menschen mit Bitterkeit kommentiert. Insbesondere die Wahlhilfe für Erdoğan durch den Besuch von Frau Merkel im Wahlkampf stößt auf heftige Kritik. Die meisten Menschen, die wir treffen, sind überzeugt, dass Erdoğan sie und die ganze Türkei ins Verderben führen wird. Er habe sich alle Nachbarn zu Feinden gemacht, er habe das Präsidialsystem, das er politisch nicht durchsetzen konnte, einfach eingeführt und schere sich den Teufel um bestehende Gesetze.“ Erdoğan ist das Gesetz und die AKP ist der Staat“. Die Polarisierung der Gesellschaft ist so weit fortgeschritten, dass niemand einen Ausweg erkennen kann. Selbst ein erfahrener Politiker wie Ahmet Türk, der schon viele Höhen und noch mehr Tiefen erlebt hat, wirkt ratlos und verzweifelt. Ohne den auf der Gefängnisinsel Imrale isolierten Abdullah Öcalan und ohne eine Vermittlung durch eine integre Person oder Gruppe von außen, die sowohl das Vertrauen der Menschen in der Türkei als auch der USA und Europas genießt, sieht er sein Land in Blut und Chaos versinken. Vor den Wahlen im Juni 2015 schien es einen Konsens darüber zu geben, dass die Kurdenfrage nur politisch gelöst werden kann. Jetzt gehen die Stimmen der besonnenen Politiker im Kriegsgetöse unter. Herr Öcalan, der vielleicht noch Gehör finden könnte bei den jungen Kämpfern, ist seit April 2015 schon wieder völlig isoliert auf seiner Gefängnisinsel. Weder Familie, noch Anwälte oder gar Vertreter der kurdischen Parteien haben Kontakt zu ihm. Die Presse des Landes ist zunehmend gleichgeschaltet. In Erwartung der Frühjahrsoffensive der PKK werden weitere Polizei-, Militär- und Spezialeinheiten in die kurdischen Gebiete verlegt. Ein besorgter Bürger mit türkischem Hintergrund rief bei mir an und bat mich, mit unseren Berichten nicht zur weiteren Polarisierung beizutragen. Das ist sicher ein berechtigtes Anliegen. Aber wenn wir berichten, müssen wir das Unrecht beim Namen nennen und trotzdem einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt suchen. Prof. Maserat und andere versuchen schon lange, eine KSZMNO, eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten ins Gespräch zu bringen. Bisher wird der Gedanke von der Politik nicht aufgegriffen. Stattdessen werden weiter Waffen in die Region geliefert und Deals zur Flüchtlingsabwehr geschlossen, die alle menschenrechtlichen und humanitären Verpflichtungen außer Acht lassen. 4 EREIGNIS-KALENDER Türkei: Eskalierende Gewalt und Menschenrechtsverletzungen von War Resisters‘ International (WRI) Einleitung Seit August 2015 eskaliert der Konflikt zwischen der türkischen Regierung und kurdischen Gruppen in Türkei-Kurdistan in einer neuen Spirale der Gewalt. Das hat zu Hunderten von Toten auf beiden Seiten geführt und eine zunehmende humanitäre Krise ausgelöst, die von schweren Menschenrechtsverletzungen begleitet wird. Diese reichen von willkürlicher Haft bis zu außergerichtlichen Ermordungen. Nur wenige Monate zuvor, am 28. Februar 2015, war von der Regierung und der pro-kurdischen Demokratischen Partei des Volkes (HDP – Halkların Demokratik Partisi) ein Zehn-Punkte-Friedensplan (Dolmabahçe Abkommen) bekannt gegeben worden. 1 Das Abkommen war, so die Berichte, von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - kurdische Guerilla Partiya Karkerên Kurdistanê) unterstützt worden, nachdem es bereits seit 2013 einen zerbrechlichen Waffenstillstand gab. Aber nach den allgemeinen Wahlen im Juni 2015, bei denen die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP – Adalet ve Kalınma Partisi) die absolute Mehrheit verfehlte und die HDP in das Parlament einzog, begann der Friedensprozess zu zerfallen. Am 17. Juli 2015 erklärte Präsident Erdoğan (AKP), dass er „unter keinen Umständen die Vereinbarungen des Dolmabahçe Abkommens akzeptiere“ und dass „ein Abkommen nicht mit denen gemacht werde, die sich auf eine terroristische Organisation (PKK) stützen. 2 Seitdem, wie der führende Analyst für die Türkei der Internationalen Krisengruppe (ICG - International Crisis Group), Nigel Göksel, ausführt, „stellt Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine Dekade der Öffnung auf den Kopf, greift zurück auf Maßnahmen, die Erinnerungen an die militärisch-dominierten 1990er Jahre wachrufen. Am 28. Juli forderte er die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten, die die HDP anführen; zwei Tage später wurden Ermittlungen gegen sie aufgenommen wegen „Aufhetzung zur Gewalt und terroristischer Propaganda“. 3 Seitdem existiert in den kurdischen Provinzen der Türkei Krieg und Unterdrückung. Wahlen und zunehmende Spannungen Bis zum 7. Juni 2015, den allgemeinen Wahlen, führten die auf beiden Seiten eskalierenden Spannungen noch nicht zu einem bewaffneten Konflikt. Als während des Wahlkampfes klar wurde, dass die HDP die 10 Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament schaffen würde, stiegen die gewaltsamen Angriffe gegen Büros der HDP und ihre UnterstützerInnen dramatisch an. 4 Das erreichte seinen Höhepunkt während einer Demonstration der HDP in Diyarbakır – nur Nützliche Nachrichten 4 /2016 zwei Tage vor den Wahlen – wo bei einer Explosion vier Menschen starben und Hunderte verwundet wurden. 5 Das Wahlergebnis war für Erdoğan und seine regierende Partei, die AKP, ernüchternd. Es war das erste Mal in den letzten 13 Jahren, dass die AKP nicht genügend Sitze erhalten hatte, um alleine eine Mehrheitsregierung zu bilden. Der unerwartete Wahlerfolg der HDP war dafür eine wesentliche Ursache. Die HDP erhielt 13,1 % der Stimmen, übersprang nicht nur die 10 %-Hürde, sondern erhielt auch 80 Sitze im Parlament. 6 Ohne die Mehrheit der AKP war auch offensichtlich, dass Präsident Erdoğan die von ihm geplanten Verfassungsänderungen nicht durchsetzen konnte, mit denen er unter der Bezeichnung „Präsidentialsystem“ die Macht in seinem Amt konzentrieren wollte. Unter diesen Umständen setzte Erdoğan auf eine Strategie einer kurzfristig angesetzten Neuwahl, mit der seiner Überzeugung nach die AKP die notwendige Mehrheit im Parlament wiedergewinnen könnte. Die ideologischen Differenzen im neuen Parlament gaben ihm die Gelegenheit für eine Taktik, z.B. nur den Führer der AKP mit einem Mandat zur Bildung einer Koalitionsregierung zu beauftragen, um zu verhindern, dass in der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Zeit tatsächlich eine Koalitionsregierung gebildet werden konnte. Damit war der Weg für ihn frei, Neuwahlen anzusetzen, die später auf den 1. November 2015 terminiert wurden. Um eine Mehrheitsregierung nach der zweiten Wahl stellen zu können, war für Erdoğan und die AKP insbesondere entscheidend, die Unterstützung für die HDP und damit deren Stimmen einzudämmen. Der Krieg gegen die PKK wurde wieder entfacht, um so die Möglichkeit zu haben, die HDP mit der Bezeichnung „Unterstützer des Terrors“ zu versehen und damit zu marginalisieren. Eskalierende Gewalt in der Region Am 20. Juli 2015 beging ein Selbstmordattentäter in Suruç in der Nähe der syrischen Grenze ein Attentat gegen junge SozialistInnen, die zusammengekommen waren, um nach monatelangen Angriffen durch die ISIS den Wiederaufbau in Kobane zu unterstützen. 33 Personen starben, viele wurden verwundet. 7 Am 22. Juli 2015 wurden zwei Polizisten in Ceylanpınar, Şanliurfa, von kurdischen Kämpfern getötet. 8 Am 23. Juli 2015 wurde von der anderen Seite der Grenze in Kilis das Feuer eröffnet und ein Soldat wurde getötet. Es wurde erklärt, dass das Feuer von ISIS-Kräften eröffnet worden sei. Kurze Zeit später bombardierten türkische Kampfflugzeuge den Ort, wo diese Kräfte stationiert waren. Am 24. Juli 2015 begannen Kampfflugzeuge die Bombardierung der Kandilberge, wo die PKK ihre Lager hat. Die PKK erklärte nun, dass „der Waffenstillstand keinen Sinn mehr mache“. 5 Diese Erklärung markiert das Ende des 2013 erklärten Waffenstillstandes zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Guerilla. Nach zwei Jahren Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden in der Region kehrten Krieg und bewaffnete Konflikte in die Region zurück. Kurz nach diesen Entwicklungen im Juli eskalierten die bewaffneten Konflikte und stiegen an auf eine katastrophalen Level, mit Auswirkungen auf Tausende von Zivilpersonen in den kurdischen Provinzen der Türkei. Krieg und Menschenrechtsverletzungen richten sich auch gegen Zivilpersonen Seit August 2015 verfolgt die AKP-Regierung eine Sicherheitspolitik, die schwere Verletzungen der Grundrechte und -freiheiten in den Provinzen und Bezirken beinhalten, die vor allem von KurdInnen bewohnt werden. Die große Zahl der in die Region entsandten Sicherheitskräfte, die Anzahl von Panzern und bewaffneten Fahrzeugen und die Größe und der Umfang der Operationsgebiete zeigen, dass die Vorbereitung dieser Maßnahmen schon lange zuvor begonnen hatte. 9 Die PKK und die kurdische Bevölkerung setzte als Antwort auf diese Vorbereitungen defensive Maßnahmen um, wie z.B. das Ausheben von Gräben und den Bau von Barrikaden. Das verbanden sie in einigen Städten wie Varto, Gever, Cizre, Silopi, Silvan und Nusaybin mit der Erklärung sich „selbst zu verwalten“. Schließlich wurden über 1,3 Millionen EinwohnerInnen in den Stadtzentren und Bezirken von Şırnak, Mardin, Diyarbakır, Hakkari, Muş, Batman und Elazığ lang andauernde und wiederholte Ausgangssperren auferlegt. Während der in einigen Bezirken und Provinzen weiterhin noch bestehenden Ausgangssperren und Operationen: 1. Wurden mehr als 186 Zivilpersonen, darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen, getötet, viele wurden verletzt. 10 Die zivilen Opfer sind Folge von Schüssen von Sicherheitskräften auf den Straßen oder in den Häusern, von Geschütz- oder Artilleriebeschuss der Häuser und von gesundheitlichen Notfällen, die aufgrund der Ausgangssperren nicht medizinisch behandelt werden konnten. 2. Wurden Wohnhäuser sowie Gebäude und Denkmäler des historischen und kulturellen Erbes zerstört und beschädigt. Hunderttausende Personen wurden vertrieben. 11 Wohngebiete wurden durch Beschuss von Panzern, Artillerie und durch Bomben niedergebrannt und gesprengt. Viele Zivilpersonen wurden unter den Trümmern ihrer zerstörten Häuser verschüttet. 3. Konnten Werk- und Arbeitsstätten nicht öffnen, Geschäfte gingen in Konkurs und das soziale Leben brach zusammen. 4. Wurde mit Eingriffen in das Telefonnetz das Recht auf Information und Kommunikation eingeschränkt. Nützliche Nachrichten 4 /2016 5. Wurden LehrerInnen aus der Region fortgeschickt und die Schulen auf unbestimmte Zeit geschlossen. 6. Wurde die Gesundheitsfürsorge eingestellt. Damit wird das Recht auf Zugang zu Gesundheitsleistungen für Kranke, Kinder, Frauen und ältere Personen ernsthaft verletzt. Die Zahl der Anfragen an Krankenhäuser und Notambulanzen sind um 90 % zurückgegangen. 7. Wurden Gesundheitszentren, Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen zu Militär- und Polizeistandorten umfunktioniert. 12 8. Gibt es anhaltende Angriffe gegen Krankenpfleger(innen). 13 9. Können verletzte Zivilpersonen im Notfall nicht von Krankenwagen und medizinischen Teams erreicht werden. 14 10. Eröffnen die Sicherheitskräfte das Feuer auf diejenigen, die versuchen, Leichname zu bergen. 15 Deshalb verbleiben die Leichname von getöteten Zivilpersonen tagelang auf den Straßen. Es gibt Berichte über sich zersetzende, durch wildlaufende Hunde verstümmelte Leichname. 11. Weigern sich Sicherheitskräfte, die Leichname den Familien zu übergeben. Beerdigungen sind verboten und Leichname werden ohne Teilnahme und Genehmigung der Familien verbrannt. 16 12. Wurde die notwendige Versorgung der Zivilbevölkerung versagt, darunter auch der Zugang zu Grundbedürfnissen nach Essen und Wasser. 13. Gibt es willkürliche Verhaftungen. Zivilpersonen wurden in Untersuchungshaft sowie außerhalb von offiziellen Haftzentren und Polizeistationen gefoltert. 14. Werden Vergehen nicht sofort und öffentlich untersucht. Verfahren und Strafverfolgung von Angehörigen der Sicherheitskräfte, die an Vergehen beteiligt sind, sind damit nicht möglich. Die Politik des Sonderrechts wird ausgeweitet und intensiviert. 15. Ist im gegenwärtigen Klima des Krieges Druck und Zensur weit verbreitet, so dass es schwierig ist, richtige und korrekte Informationen zu erhalten. 17 16. Sind alle zivilen Antikriegsbewegungen und Friedensgruppen einer Politik der Unterdrückung und Einschüchterung seitens Erdoğan und Staatsvertretern ausgesetzt. 18 17. Wurde Tahir Elçi, ein namhafter Menschenrechts- und Friedensaktivist und Vorsitzender des Rechtsanwaltsvereins Diyarbakır, von der Polizei während einer Pressekonferenz ermordet. Er hatte darin gegen die Zerstörung eines historischen Denkmals im Bezirk Sur in Diyarbakır protestiert. 19 Kurz vor seinem Tod erklärte Tahir Elçi, die „PKK ist keine terroristische Organisation“. Er war daraufhin einer Verleumdungskampagne der Regierung und der Medien ausgesetzt. 20 Der Zugang zu den Unterlagen über die Ermittlungen über seinen 6 Tod wurde eingeschränkt, Beweise wurden unterdrückt oder zerstört, um die Polizisten zu schützen, die an seinem Ermordung beteiligt waren. Obwohl die Ausgangssperren mit Verweis auf Artikel 11/C des Provinzverwaltungsgesetzes erklärt wurden, sind sich die Juristen weitgehend einig darüber, dass das genannte Gesetz den zuständigen Gouverneur nicht berechtigt, ein Verbot zu verhängen, das die Rechte und Freiheiten der ganzen Bevölkerung der Stadt oder Ortschaft derartig einschränkt. 21 Nach Artikel 13 der Verfassung kann solch eine Einschränkung nur durch „Gesetz“ ausgesprochen werden. Die Erklärung einer Ausgangssperre durch Anweisung des Gouverneurs ist verfassungswidrig. Es ist sehr beunruhigend, dass solch eine Maßnahme mit Auswirkungen auf eine beträchtliche Zahl von Bürgern, die in einer bestimmten Region des Landes wohnen, völlig außerhalb der parlamentarischen und rechtlichen Kontrolle erfolgt. Sicherheitskräften ist es in bewohnten Gebieten, für die kein Notstand oder Kriegsrecht erklärt wurde, aufgrund der Verletzung des Prinzips, nur absolut notwendige Maßnahmen umzusetzen, nicht gestattet, schwere Waffen und Gerät zu benutzen, ohne zuvor die Evakuierung der zivilen Bevölkerung sicherzustellen. Bei Planung, Durchführung und Kontrolle von Einsätzen, die angeblich dem Schutz der Zivilbevölkerung vor unrechtmäßiger Gewalt dienen sollen, ist nicht zu akzeptieren, wenn willkürliche und unangemessene Gewalt angewandt wird, die sich nicht in Übereinstimmung mit der Sorgfaltspflicht eines Staates in einer demokratischen Gesellschaft befindet. Die todbringende Gewalt, die gegenwärtig in den obengenannten Provinzen und Bezirken von der Regierung der Türkei angewandt wird, stellt eine grobe Verletzung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit dar zwischen dem beabsichtigten Ziel und der Gewalt, die für diese Ziele in einer demokratischen Gesellschaft benutzt wird. Obwohl es möglich gewesen war, die Zivilbevölkerung aus der Konfliktregion zu bringen und ihr Recht auf Leben zu schützen ohne sie zu Opfern zu machen. sind sie doch durch tagelange Bombardierungen gezwungen, aus ihrem Lebensumfeld zu fliehen. Nach vorliegenden Informationen befinden sich im Bezirk Sur in Diyarbakır von ursprünglich 25.000 nur noch 5.000–6.000 Personen. Medien berichten, dass die Regierung die Sanierung der Region Suriçi plant, die evakuiert wurde. 22 Diese Projekte zielen darauf, die sozio-demografischen Strukturen der Stadt zu ändern, sie zerstören die historische und kulturelle Struktur und brechen das soziale Gedächtnis. Die Regierung begeht auch ein Verbrechen dadurch, dass sie die widerständige Bevölkerung, die seit Tausenden von Jahren in Kurdistan lebt, und nun in ihrem Lebensraum kriminalisiert wird, voneinander trennt. Schlussfolgerungen Obwohl die türkische Regierung sich darauf beruft, „den Terror zu bekämpfen“ und versucht „die Angehörigen der separatistischen Terrororganisationen zu fassen“, findet tatsächlich ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung statt. Er hat zu weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen in der Region geführt. Allein in der Zeit, in der dieser Bericht geschrieben wird, wurden mehr als 20 Personen verwundet, darunter auch Kinder. Einige von ihnen sind schwer verletzt und wurden in einem Keller in Cizre für mehr als eine Woche festgehalten, während eine ganze Reihe von Toten neben ihnen lagen. Sie hatten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. 23 Trotz verschiedener dringender Aufrufe an die Sicherheitskräfte, den Verletzten medizinische Hilfe zukommen zu lassen, wurde dies verwehrt. Mit dem Tod eines 16-jährigen, der mehr als eine Woche ohne medizinische Versorgung überlebt hatte, stieg die Zahl der Toten im Keller am 30. Januar auf sieben an. 24 Währenddessen hatten elf Frauen versucht, das Gebäude zu erreichen, um die Verletzten dort herauszuholen. Sie wurden von der Sondereinsatzpolizei verhaftet, die die Ausgangssperren und die Sicherheitsoperationen in der Stadt durchführt. 25 Fußnoten 1 Nigar Göksel: A New Cycle Begins in Turkey-PKK Conflict, blog. crisisgroup.org, 11. August 2015, http://blog.crisisgroup.org/ europe-central-asia/2015/08/11/a-new-cycle-begins-in-turkey-pkk-conflict/ 2 Daily Sabah: Erdoğan renounces Dolmabahçe declaration, says HDP should try its best for PKK‘s disarmament, 17. Juli 2015, www. dailysabah.com/kurdish-issue/2015/07/17/erdogan-renounces-dolmabahce-declaration-says-hdp-should-try-its-best-for -pkks-disarmament 3 Nigar Göksel: A New Cycle Begins in Turkey-PKK Conflict, blog. crisisgroup.org, 11. August 2015, http://blog.crisisgroup.org/ europe-central-asia/2015/08/11/a-new-cycle-begins-in-turkey-pkk-conflict/ 4 Nach Angaben der Türkischen Menschenrechtsstiftung TİHV wurden 2015 insgesamt 417 Gebäude der HDP angegriffen. Im Vergleich dazu gab es 11 Angriffe gegen die regierende Partei AKP und 4 gegen die wichtigste Oppositionspartei. Zwischen dem 6. und 8. September 2015 gab es zur gleichen Zeit mehr als 100 systematische Angriffe gegen Gebäude der HDP an verschiedensten Orten, bei denen Mitglieder der Osmanlı Ocaklar im Hintergrund agierten, einer rechten islamischen und nationalistischen Gruppe, die der Regierung nahe steht. 5 www.theguardian.com/world/2015/jun/05/two-explosions-kurdish-peoples-democratic-party-rally-turkey; www.bbc.co.uk/ news/world-europe-33035450 6 Eine Übersicht der Wahlergebnisse vom 7. Juni 2015 findet sich unter www.theguardian.com/world/live/2015/jun/08/turkey-election-2015-ruling-party-loses-majority-as-pro-kurdish-hdp-gainsrolling-report Nützliche Nachrichten 4 /2016 7 7 Die Regierung hielt erneut die ISIS für verantwortlich für diesen nahe Zeitungen davon und sagten, dass „ein Angehöriger der PKK Angriff. www.independent.co.uk/news/world/middle-east/su- während eines Konflikts getötet worden sei.“ Yurals Körper blieb ruc-bombing-suicide-bomber-identified-10404689.html tagelang im Leichenschauhaus bis er im Garten der nahegelege- 8 Die PKK erklärte zunächst, sie sei für diesen Angriff verantwortlich als Vergeltung für den Selbstmordattentäterangriff in Suruç. Spä- nen Moschee verbrannt wurde. 14 Trotz einer Einstweiligen Verfügung des Europäischen Gerichts- ter wurde diese Erklärung zurückgezogen. Der Anschlag sei von hofes für Menschenrechte (EGMR) starben zwei von drei Perso- einer Gruppe namens Apocu Fedailer verübt worden, die nicht Teil nen, die durch Feuer der Sicherheitskräfte verletzt worden sind, der PKK ist. www.diken.com.tr/pkk-yoneticisi-karayilan-ceylanpi- weil ihnen eine medizinische Behandlung verwehrt wurde. Der nardaki-iki-polis-resmi-birimlerimizce-oldurulmedi 16-jährige Hüseyin Paksoy, auf den am 15. Januar 2016 geschos- 9 Nach Berichten nationaler Medien, wenn auch nicht offiziell sen wurde und der auf eine Behandlung wartete, starb wegen anerkannt, befinden sich etwa 10.000 Sicherheitskräfte in jedem Blutverlusts am 18. Januar 2016. In gleicher Weise erging es dem der Bezirke (Sur, Cizre, Silop) unter Ausgangssperre. Es ist auch Verletzten Serhat Altun. Er starb nach zwei Tagen aufgrund feh- bekannt, dass Hunderttausende gepanzerte Fahrzeuge (Panzer, lender medizinischer Behandlung. Als bekannt wurde, dass Herr Kanonen usw.), die speziell zur Kriegsführung konstruiert sind, in Altun am 20. Januar 2016 gestorben war, wollte eine Gruppe von die genannten Bezirke geschickt wurden. Zivilisten, darunter der HDP-Abgeordnete Faysal Sarıyıldız und 10 Zwischen dem 16. August 2015 und dem 19. Januar 2016 waren in stellvertretende Bürgermeister von Cizre, zum Todesort gehen, um insgesamt 7 Provinzen (Diyarbakır, Şırnak, Mardin, Hakkâri, Muş, den Leichnam aufzunehmen. Die Polizei eröffnete das Feuer und Elazığ und Batman) und zumindest in 19 Bezirken mindestens 58 verwundete zehn von ihnen. Zwei der Verwundeten, Abdülhamit Tage offiziell anerkannte unbeschränkte Ausgangssperren in Kraft. Poçal und Selman Erdoğan starben im Anschluss. Zumindest bei 1 Million und 370.000 Menschen waren das Recht Siehe: http://sendika8.org/2016/01/cizrede-vurulan-imc-tv-kame- auf Leben und der Zugang zu Gesundheitsdiensten verletzt. Nach ramani-tekin-yaraliyken-iskence-gorduk/ und www.imctv.com. Angaben des Dokumentationszentrums der türkischen Mensche- tr/kameraman-refik-tekin-sivillere-ates-acildigi-anda-kayittaydi/. rechtsstiftung TİHV starben innerhalb von 5 Monaten 186 Zivil- Siehe auch die Einstweilige Verfügung des EGMR für einen weite- personen (29 Frauen, 40 Kinder, 27 Personen über 60 Jahre) nur in ren Verwundeten, Orhan Tunç; www.imctv.com.tr/aihmden-cizre- den Zeiten der Ausgangssperren. Nach Angaben der Dokumenta- de-yarali-olan-orhan-tunc-icin-de-tedbir-karari tionsstelle des Menschenrechtsvereins İHD wurden zwischen dem 15 Der Leichnam von Taybet İnan, einer 57-jährigen Frau, die am 24. Juli 2015, als der Konflikt begann, und dem 6. Januar 2016, 259 19. Dezember 2015 durch Schüsse der Sicherheitskräfte starb, Zivilpersonen durch offenes Feuer von Soldaten, Polizisten und während sie von einem Besuch bei einer Nachbarin zurückkehrte, Dorfschützern getötet. 134 von ihnen waren zivile Oper in Bezirken, die unter Ausgangssperren standen. 12 Zivilpersonen starben lag acht Tage lang mitten auf der Straße. 16 Die türkische Regierung verfügte mit einer Neufassung des Foren- 2016 in Sur, Cizre und Silopi während der Ausgangssperren. Nach sisch-medizinischen Erlasses vom 7. Januar 2016, dass Leichname, Angaben des Informationszentrums der HDP wurden bis zum die nicht innerhalb von drei Tagen von ihren Familien wegge- 6. Januar 2016 wegen der Ausgangssperren 152 Personen getötet. bracht worden sind, durch die städtischen oder Regierungsbehör- 11 Die Moschee „Kurşunlu“ (die Bleierne Moschee), die zwischen 1516 und 1520 gebaut wurde und nach ihrer mit Blei versehenen den verbrannt werden. 17 Can Dündar, Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet, und Kuppel benannt wurde, befindet sich in der Konfliktzone in Sur, Erdem Gül, Vertreter der gleichen Zeitung für das Büro in Ankara, Diyarbakır, und wurde niedergebrannt. Die armenische Kirche die darüber berichtet hatten, das der Geheimdienst MİT Waffen an Surp Giragos und die armenisch katholische Kirche in Sur wurden die syrische Opposition geliefert habe, wurden am 27. November schwer beschädigt. die Stadtmauer von Diyarbakır, aufgeführt 2015 verhaftet, weil sie „geheime Dokumente zur Sicherheit in der Liste der UNESCO für das Weltkulturerbe, das viertürmige des Staates veröffentlicht haben mit dem Ziel der politischen und Minarett und die Karanwanserei, die während der Zeit des Groß- militärischen Spionage und Propaganda für terroristische Organi- wesirs Rustem Pascha gebaut wurden, sind ebenfalls bedroht. sationen“, obwohl sie keine Mitglieder der genannten Organisati- 12 Zum Beispiel wurden Scharfschützen auf dem Dach des Staatlichen Krankenhauses Cizre platziert und gepanzerte Fahrzeuge onen sind. 18 Am 11. Januar 2016 unterzeichneten 1.400 AkademikerInnen, da- im Eingang des Krankenhauses. Auch die Mund- und Zahnstation runter 1.128, die an türkischen Universitäten arbeiten eine Erklä- und das Gebäude des Gesundheitsamtes in Şırnak wurden zu rung, in der sie zur Aufhebung der Ausgangssperren aufrufen und Lagern umfunktioniert. die Regierung auffordern, Bedingungen für eine friedliche Beile- 13 Der Krankenpfleger Adülaziz Yural, Mitglied der SES (Gewerk- gung des Konflikts zu schaffen. (...mehr) Unter den Unterzeichner- schaft der Gesundheits- und Sozialarbeiter) und Freiwilliger im Innen sind Akademiker und Vordenker wie Noam Chomsky, David Referenzzentrum in Cizre, wurde am 30. Dezember 2015 durch Harvey, Immanuel Wallerstein, Judith Butler und Etienne Baliba. einen Schuss in die Stirn getötet, als er in der Straße, in der er Präsident Erdoğan gab daraufhin sofort eine Stellungnahme her- lebte, einer verletzten Frau medizinische Hilfe leisten wollte. Eine aus, in der er die UnterzeichnerInnen zu Zielen erklärte, woraufhin Untersuchung nach seinem Tod zeigte, dass die Kugel von oben durch die Medien eine landesweite Verleumdungskampagne und nach unten eindrang. Am folgenden Tag berichteten regierungs- Hexenjagd gegen die AkademikerInnen begann. Einige Rassisten Nützliche Nachrichten 4 /2016 8 und ultranationalistischen Führer von kriminellen Organisationen wurden durch das Verhalten der Behörden und der Medien gestärkt und bedrohten die AkademikerInnen mit dem Tod. Zudem Ohne Kommentar: Staatsterror in Cizre wurden behördliche und staatsanwaltliche Ermittlungen gegen die AkademikerInnen aufgenommen, einige von ihnen wurden verhaftet. 19 www.bbc.co.uk/news/world-europe-34952954; www.hurriyetdailynews.com/hdp-co-chair-certain-that-bullet-from-police-weapon-killed-tahir-elci.aspx?pageID=238&nID=91922&NewsCatID=338 20 www.amnesty.org/en/documents/eur44/2719/2015/en/ 21 Batman Bar Association Bulletin, p.6-8; www.batmanbarosu.org. tr/Ebultenler/72/6/assets/common/downloads/publication.pdf Siehe auch: www. birikimdergisi.com/guncel-yazilar/7331/hukuka-uygun-olmayan-sokaga-cikma-yasagi-hukuka-aykiri-midir#. Vq9CwNJ97IU 22 www.hurriyet.com.tr/sura-kentsel-donusum-40034036; www.milliyet.com.tr/sur-a-4-milyar-liralik-donusum-gundem-2173525/ Alltag in Cizre nach türkischem Staatsterror 23 http://dckurd.org/2016/01/26/condition-of-25-injured-trapped-in-a-basement-in-cizre-deteriorating/ 24 www.bbc.com/turkce/haberler/2016/01/160130_cizre_yaralilar; Siehe auch das Interview mit einem der Personen, die im Keller eingeschlossen waren: www.bbc.com/turkce/multimedya/2016/01/160126_aud_selincizre 25 www.diken.com.tr/cizrede-yaralilari-almak-icin-yuruyuse-gecen-11-kadin-gozaltina-alindi/ (War Resisters International: Escalating Violence and Rights Violations of Civilians in Turkey, 31.1.2016. Übersetzung: rf. Auszüge. Das Dokument wurde zusammengestellt unter Beteiligung von AktivistInnen der WRI aus der Türkei. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2016; www.connection-ev.org/article-2219) Staatsterror türkischer Art Können die Bewohner in Cizre das vergessen? Nützliche Nachrichten 4 /2016 9 Hier wohnten mehrere Familien mit Kindern Wird dieses Kind das Erlebte vergessen? Wird er, wenn er in die Berge geht, auch von Europa als Terrorist abgestempelt? Wenn ja, mit welchem Recht? Gestern und heute. Vergangenheit und Gegenwart. Opa hat das gleiche mehrmals erlebt. Nun ist sein Enkel dran. Wie lange noch? Diese Blicke werden nie verzeihen! Wer hat verloren? Diese mutige Frau oder die türkischen Staatsterroristen? Wem gehört die Zukunft in Cizre? Diesen Kindern oder dem Terrorstaat? Nützliche Nachrichten 4 /2016 Drei Generationen, gekennzeichnet vom Staatsterror Was denken diese Menschen? Werden sie sich dem Staatsterrorismus beugen? 10 Kann noch eine gemeinsame Zukunft der Türken und Kurden auf diese Schutthaufen gebaut werden? Unter Trümmerhaufen leben Menschen (ANF, Cizre, Fotos von Ferhat Arslan, 7. bis 9. März 2016) Nützliche Nachrichten 4 /2016 11 Ausgangssperre in Yüksekova und Nusaybin Nach einem Artikel in Radikal vom 13. März 2016 unter dem Titel Yüksekova (Gever) ve Nusaybin'de (Nisêbin) sokağa çıkma yasağı! wurde in Yüksekova und Nusaybin nun auch eine Ausgangssperre angeordnet. (…) Zuvor hatte es in Nusaybin eine Ausgangssperre zwischen dem 21. und 24. Dezember 2015 gegeben. Das Portal T24 präsentierte am 14. März 2016 in einer Meldung unter Nusaybin ve Yüksekova'da 20 bin asker ve polisle operasyon başlatıldı unter Berufung auf eine Nachricht bei Hürriyet, dass bei den militärischen Operationen in Nusaybin und Yüksekova 20.000 Soldaten eingesetzt werden. Man habe ca. 2.000 Ziele identifiziert, unter denen sich Häuser und Schulen befänden, die von der PKK als Stützpunkte benutzt werden. In Yüksekova gebe es 10 Häuser, die von der Organisation besetzt seien. Es wird erwartet, dass sich die Operationen bis zu den Grenzen mit dem Iran und Irak ausweiten, da auch die logistische Unterstützung aus den Ikiyaka Bergen unterbunden werden soll. In einem Kommentar in der Tageszeitung Radikal vom 14. März 2016 geht der Journalist Oral Çalışlar unter dem Titel Yüksekova auf die Befürchtungen der Einwohner von Yüksekova ein. Mit einigen von ihnen habe er sich am Vortage in Istanbul getroffen. Sie berichteten, dass nach den Parlamentswahlen am 7. Juni 2015 dort eine Selbstverwaltung ausgerufen worden sei. Parallel dazu seien Gräben ausgehoben worden. Bei den Wahlen im letzten Jahr erreichte die Halkların Demokratik Partisi (HDP = Demokratische Partei der Völker) 94 % der Stimmen. Die HDP stellt alle 3 Abgeordneten der Provinz Hakkari. (…) Seit Juli letzten Jahres habe die Jugendorganisation der PKK, YDG-H in allen Teilen der Stadt mit der Ausnahme der Hauptstraße die Vormacht inne. Nach einer Lösung gefragt, machte Oral Çalışlar den Bewohnern von Yüksekova den Vorschlag, dass eine Delegation von Organisationen der zivilen Gesellschaft eine Delegation zusammenstellen und von den bewaffneten Mitgliedern der YDGH verlangen könnten, dass sie Barrikaden beseitigen und die Stadt verlassen sollten. Bei einem Telefonat stellte sich heraus, dass dies bereits geschehen sei, aber die YDGH'ler hätten die Forderung abgelehnt. Große Zerstörungen durch das unvermeidliche Eingreifen des Militärs scheinen daher unausweichlich zu sein. Laut einer Meldung in Radikal vom 22. März 2016 mit der Überschrift İHD: Yüksekova'da siviller için koridor açılmalı hat die Zweigstelle Hakkari des Menschenrechtsvereins İnsan Hakları Derneği (IHD) eine Pressekonferenz abgehalten und dabei auf folgende Fakten hingewiesen: Schon vor Beginn der Ausgangssperre in der Kreisstadt Yüksekova am 13. März 2016 habe der Verein durch Gespräche mit den Parteien der zu erwartenden Auseinandersetzungen Nützliche Nachrichten 4 /2016 Gespräche geführt, um zivile Opfer zu vermeiden. Inzwischen seien 90% der Bevölkerung geflohen und es hielten sich nur noch 13.000 Menschen in dem Ort auf. (Nach dem Zensus von 2014 hatte der Kreis 117.440 Einwohner, DTF.) Der IHD habe sich auch für 200 Menschen eingesetzt, die im Stadtteil Zagros festgesetzt waren und dafür gesorgt, dass die Zivilisten den Ort verlassen konnten. (Demokratisches Türkeiforum e. V., [email protected], www.tuerkeiforum.net) Idil nach 44 Tagen Zerstörung 12 (http://anfturkce.net/kurdistan/idil-den-ilk-kareler, 31.3.16) sprengte unsere Vorstellungskraft“. Hinter den massiven Zerstörungen von Stadtvierteln in der Altstadt von Diyarbakir, in Cizre und anderen Städten stecke – so wurde der Gruppe immer wieder mitgeteilt – offenbar eine gezielte Strategie der Regierung Erdoğan: Durch die Vertreibung mehrerer tausend prokurdischer Wählerinnen und Wähler aus den HDP-Hochburgen sowie der geplanten Ansiedlung von vielen Tausend sunnitischer syrischer Flüchtlinge möchte die Regierung Erdoğan die Demographie in den kurdischen Gebieten der Türkei massiv verändern. Die Kurdengebiete erlebten derzeit eine Arabisierung sowie eine Islamisierung durch den Bau neuer Moscheen. Diese Politik, die einhergehe mit schwersten Menschenrechtsverletzungen und der Einschränkung der Pressefreiheit werde durch die Milliarden-Überweisungen der EU an die Türkei auch noch unterstützt. Die Unterstützung von Flüchtlingen in der Türkei sei wichtig und richtig, allerdings dürfe diese nicht dazu führen, dass dadurch die kurdische Bevölkerung getötet oder vertrieben wird. Alle Gesprächspartner betonten übereinstimmend, dass die Rückkehr zum 2013 begonnenen türkisch-kurdischen Friedensprozess das Gebot der Stunde sei, andernfalls drohe die Türkei in Krieg und Chaos zu versinken. Um den abgebrochenen Friedensprozess wiederzubeleben, bräuchte es eine Vermittlung von außen, unterstützt insbesondere von der EU und den USA, die erheblichen Einfluss auf das NATO-Land Türkei haben, so Ahmet Türk, landesweit bekannter Oberbürgermeister der Großstadt Mardin. (IPPNW, PM, 24.3.16) IPPNW Erdoğans Krieg gegen Kurden K A M PA G N E Nach der Rückkehr von einer zweiwöchigen Reise nach Ankara sowie in die Südosttürkei kritisiert eine achtköpfige IPPNW-Reisedelegation unter Leitung von Dr. Gisela Penteker die aktuellen 24-Stunden-Ausgangssperren sowie den massiven Kriegseinsatz der türkischen Streitkräfte gegen die kurdische Zivilbevölkerung in mehreren Städten der Südosttürkei. „In vielen unserer Gespräche bezeichneten unsere Dialogpartner es als Skandal, dass die EU-Politik wegen der besonderen Rolle der türkischen Regierung in der Flüchtlingsfrage bisher zum Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung weitgehend schweigt. Speziell die deutsche Bundesregierung wird wegen massiver Rüstungsexporte in die Türkei als Unterstützung dieser Gewaltpolitik wahrgenommen“, so Dr. Gisela Penteker, die nach dem Besuch in Cizre schockiert war: „Was wir an Leid erfahren und an Zerstörung ganzer Straßenzüge in Cizre gesehen haben, Nützliche Nachrichten 4 /2016 „Nicht länger Schweigen!“ An alle Journalist_innen der Welt ISKU Informationsstelle Kurdistan e.V., Rojava Seit Monaten sind die Stadt Nisêbîn (türk. Nusaybin) und viele weitere Städte in Bakur (Nordkurdistan) einem barbarischen Krieg durch die türkische Armee ausgesetzt. Die türkische Armee hat unfassbare Verbrechen und Gewalttaten gegen die Menschlichkeit des kurdischen Volkes begangen. Hinzu werden in den betroffenen Städten die Häuser der Einwohner_innen zerstört und niedergebrannt. Die türkische Regierung unterdrückt auch die freien Medien, die solche Verletzungen aufdecken wollen. Sie verschließen all jenen Journalist_innen die Tür, die aus dem Ausland kommen, um die Wahrheit in den kurdischen 13 Abstimmung über Aufhebung der Immunität ISKU Informationsstelle Kurdistan e.V., Türkei Städten aufzudecken. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wiederum droht Journalist_innen, egal ob Türk_ innen, Kurd_innen oder aus sonst einem Land stammend, mit Konsequenzen, wenn diese versuchen, Fakten und von der Armee begangenen Verbrechen aufzudecken. Er lässt seinen Drohungen auf vielen Wegen Taten folgen. Die Kampagne „Nicht länger Schweigen!“ wurde am 03. April 2016 von Journalist_innen in Rojava und auf Initiative von Journalist_innen der Vereinigung der Freien Medien gegründet, um das Schweigen der Weltmedien und der internationalen Gemeinschaft über die Geschehnisse in der Stadt Nisêbîn, dem Gegenstück der in Nordsyrien gelegenen Stadt Qamişlo und auch den anderen Städten in Nordkurdistan, zu brechen. Die Journalist_innen der Kampagne waren in der Lage, von der syrischen Seite aus die Verletzungen der türkischen Armee mit ihren Kameras zu dokumentieren. Sie beobachteten die Bombardements, Zerstörungen und das Abbrennen der Häuser. Außerdem wurde dokumentiert, wie Granaten von türkischer Seite abgefeuert und in Qamişlo einschlugen, was zu Toten und großem materiellen Schaden in der Stadt führte. Die Kampagne „Nicht länger Schweigen!“ appelliert an alle Journalist_innen der Welt, ihre moralische und menschliche Rolle einzunehmen und daran zu arbeiten, diese gegen die kurdische Zivilbevölkerung gerichteten Übergriffe und Verbrechen in den Städten Nordkurdistans/Türkei der Weltöffentlichkeit aufzudecken. Wörtlich heißt es: „Wir laden Sie ein, Rojava (Westkurdistan) und die Stadt Qamişlo zu besuchen, um diesen, vor den Augen der Welt vom türkischen Militär geführten, barbarischen Krieg auf die Stadt Nisêbîn, welche ein Beispiel ist für das, was in den anderen Städten Nordkurdistans passiert, zu dokumentieren.“ Die Vereinigung der freien Medien und die Kampagne „Nicht länger Schweigen!“ sind bereit, allen Journalist_innen und Menschenrechtsorganisationen, die Rojava besuchen und die Übergriffe aufdecken wollen, logistische Ausrüstung zu Verfügung zu stellen. Kampagne „Nicht länger Schweigen!“ – Rojava YRA – Vereinigung der Presse von Rojava (http://civaka-azad.org/aufruf-der-kampagne-nichtlaenger-schweigen-an-alle-journalist_innen-der-welt/; ISKU, 16.4.16) Nützliche Nachrichten 4 /2016 Voraussichtlich am 20. April soll im türkischen Parlament über die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten abgestimmt werden. Ein Gesetzentwurf der AKP über einen Zusatz zum Paragraphen 83 der türkischen Verfassung, der die Immunität von Abgeordneten regelt, soll diesen Paragrafen „vorübergehend“ außer Kraft setzen. So soll der Weg frei gemacht werden, „einmalig die Immunität aller Abgeordneten aufzuheben“. Allerdings ist in der Türkei jedem klar, dass es sich dabei vor allem um die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten der Demokratischen Partei der Völker HDP handelt. Da der Antrag ein Gesetz betrifft, das Teil der türkischen Verfassung ist, ist, wenn sie es nicht zu einem Referendum kommen lassen wollen, die AKP auf Unterstützung der anderen Parteien angewiesen. Die Chefs von MHP und CHP, Bahçeli und Kılıçdaroğlu haben ihre Unterstützung bereits zugesagt, Kılıçdaroğlu allerdings mit dem Zusatz, dass ihm sehr wohl klar sei, dass „das Gesetz ein Verstoß gegen die Verfassung ist“. Der Co-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtaş, kommentierte das Einverständnis zwischen AKP, CHP und MHP dann auch mit den Worten: „Die Parteien der Opposition sind vor dem Palast auf die Knie gegangen“, und bezeichnete die anstehende Abstimmung als im Parlament „historisch“ und appellierte an das Gewissen aller Abgeordneten, das Richtige zu tun. Die HDP gab dann auch eine schriftliche Erklärung ab, nach der sie den Vorstoß der AKP in Sachen Aufhebung der Immunität als „einen weiteren Stein im seit dem 7. Juli 2015 voranschreitenden Staatstreich des Palastes“ sieht, der „die Grenzen der Gewaltenteilung mehr und mehr verwischen lässt und letztlich auch die Liquidierung des Parlaments beabsichtige“. „Sollte die Verfassung in der von der AKP vorgesehenen Weise geändert werden, dann wäre das ein Wendepunkt für die Türkei. Der Putsch von 12. September (1980) hat die Türkei Jahrzehnte gekostet. Die Aufhebung der Immunität wird in gleicher Weise der Türkei viele Jahre kosten“ heißt es in der Erklärung der HDP. 14 Just in dem Moment, wo also alles geregelt zu sein scheint, melden sich allerdings einige Abgeordnete der CHP zu Wort. Die Abgeordneten der CHP Eren Erdem, Sezgin Tanrıkulu, Fikri Sağlar, Mahmut Tanal, Barış Yarkadaş, İlhan Cihaner, Hilmi Yarayıcı und Mehmet Tüm erklären offen, sie werden dem Gesetzesentwurf nicht zustimmen, ja sogar, dass sie bei der Abstimmung mit Nein stimmen werden. Manche halten die Gesetzesänderung für eine Wiederholung des „Staatsstreichs vom 2. März 1994“ und meinen damit die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten der kurdischen DEP, andere vermuten darunter einen Schachzug Erdoğans, der sich bei Zeiten des Gesetzes bedienen könnte, um sich unliebsamer Abgeordneter aller Parteien entledigen zu können. Der Vorstoß der Abgeordneten der CHP führte dazu, dass ein als sicher geglaubtes Ergebnis nun wieder in Frage gestellt wird. Einige Kommentatoren fragen sich bereits, ob nicht auch damit zu rechnen sei, dass einige Abgeordnete der AKP bei der Abstimmung vom Vorstoß ihrer Partei abspringen könnten oder finden es fraglich, ob die AKP überhaupt der Unterstützung von auch nur 12 Abgeordneten der CHP sicher sein kann. Und diese benötigt sie selbst in dem Falle, wenn alle Abgeordneten ihrer Partei und die der MHP dem Entwurf zu stimmen. Es kann also noch viel geschehen bis zur Abstimmung. ANF, Cumhuriyet, 13./16.04.2016, ISKU vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Hişyar Özsoy, der Co-Bürgermeisterin von Diyarbakir Gültan Kışanak und dem HDP-Europavertreter Eyyüp Doru begleitet. Die Gespräche verliefen allesamt sehr positiv. Neben der Flüchtlingskrise, wurde vor allem der Rückschritt in der Türkei, in Bezug auf demokratische Grundrechte zur Sprache gebracht. Sämtliche Gesprächspartner erklärten sich kritisch gegenüber dem Verhalten des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan und der türkischen AKP-Regierung hinsichtlich der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheiten und der drohenden Immunitätsaufhebung von den Abgeordneten der HDP-Fraktion. (http://civaka-azad.org/hdp-co-vorsitzender-selahattindemirtas-fuer-diplomatische-gespraeche-zu-gast-in-berlin/) GASTBESUCH HDP Co-Vorsitzender Demirtas zu Gast in Berlin Am 11. und 12. April 2016 führte eine Delegation der Demokratischen Partei der Völker (HDP) um deren Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş unter der Organisation vom Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. diplomatische und politische Gespräche mit verschiedenen Vertretern der deutschen Bundesregierung und der Oppositionsparteien. Es kam u.a. zu Treffen mit dem deutschen Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier, dem Bundestagspräsidenten Nobert Lammert, der Vize-Präsidentin des deutschen Bundestages Claudia Roth, dem Vizekanzler und SPD Vorsitzenden Sigmar Gabriel, dem außen- und sicherheitspolitischen Berater der Bundeskanzlerin Christoph Heusgen, dem Co-Vorsitzenden der Grünen Cem Özdemir und den Co-Vorsitzenden der Linksfraktion Sarah Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Die Delegation der Demokratischen Partei der Völker wurde neben dem Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş Nützliche Nachrichten 4 /2016 „ A N T I - T E R R O R - S T R AT E G I E “ Operationsgebiete entvölkern und zerbomben Der türkische Staatspräsident Erdoğan scheint gewillt, im Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung radikalere Wege einzuschlagen. Nachdem bereits sein Vorschlag, „PKK-Anhängern“ die türkische Staatsbürgerschaft zu entziehen, breite Wellen geschlagen hatte, erläutert Erdoğan bei einem Treffen, zu dem er die Gemeindevorsteher aus verschiedenen Provinzen der Türkei nach Ankara geladen hatte, seine neue Idee. Der türkische Staatspräsident erklärt, dass es durch Sprengfallen in den Reihen der türkischen Sicherheitskräfte zu großen Verlusten komme und man diese Verluste nur hinnehmen müsse, weil man in besonderer Weise auf das Wohlbefinden der Zivilbevölkerung achte. Die Lösung aus diesem scheinbaren Dilemma erläutert er mit folgenden Worten: „Wenn nötig, sollten wir die Gebiete, in denen die Operationen stattfinden, vollstän15 dig räumen und die unbewohnbaren Wohnungen von der Ferne sprengen.“ Angriffe des türkischen Staates in Nisêbîn, Gever und Silopî Bereits bei der Belagerung der Stadt Cizîr (Cizre) hat der türkische Staat die Strategie des „Entvölkerns und Wegbombens“ geprobt. So wurde die Bevölkerung der belagerten Stadtteile zunächst durch wochenlang anhaltende Ausgangssperren aufgerieben und zur Flucht gedrängt, bevor diejenigen, die sich weigerten zu gehen, grausam massakriert wurden. Rund 150 Menschen kamen bei den Angriffen des türkischen Staates allein in Cizîr ums Leben, hunderte Häuser sind unbewohnbar. Die Bilder aus der Stadt gleichen denjenigen der zerstörten Städte in Syrien. Ähnlich schlimm ist der Zustand auch in Sur, der historischen Altstadt von Amed (Diyarbakir). Diese Strategie will nun der türkische Staatspräsident auch in den Städten Nisêbîn (Nusaybin), Gever (Yüksekova) und Silopî (Silopi) umsetzen. In allen drei Städten halten die Angriffe der staatlichen Sicherheitskräfte an. Es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Zivilen Verteidigungseinheiten (YPS – Yekîneyên Parastina Sivîl), die ihre Stadtteile gegen die Angriffe des türkischen Staates zu schützen versuchen. Laut Angaben der YPS werden die türkischen Sicherheitskräfte bei ihren Angriffen auch von Dschihadisten, die entweder dem IS oder der Al-Nusra Front zuzuordnen sind, unterstützt. Mehrere Dschihadisten seinen bereits bei den Kämpfen getötet worden. Sieben Tote in Silopî an einem Tag – Einwohner fliehen vor den Angriffen In der Stadt Silopî sind bei den Angriffen des türkischen Staates alleine am 6. April mindestens sechs Zivilisten ermordet worden. Die türkischen Sicherheitskräfte setzten am Vormittag zwei Stadtteile unter Raketenbeschuss. Mehrere Wohnungen, in denen sich zum Zeitpunkt des Beschusses Zivilisten aufhielten, wurden dabei getroffen. Nach dem Tod der sieben Personen begannen die Einwohner der Stadt ihre Häuser zu verlassen und zu fliehen. Rund 50 Einwohner aus Silopî, darunter auch Mitglieder der Demokratischen Partei der Regionen (DBP), wurden zudem durch die Polizei festgenommen. 1.000 Türkische Spezialeinsatzkräfte möchten versetzt werden Unterdessen wurde bekannt, dass rund 1.000 Mitglieder der Spezialeinsatzkräfte der Polizei einen Antrag auf Versetzung in eine andere Abteilung gestellt haben. Dabei handelt es sich um Polizeikräfte, die seit Anbeginn der Ausgangssperren im Kampf gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt werden. Die Betroffenen beklagen, Probleme in der Verwaltung, zu geringe Ausruhzeiten und mangelhafte Nützliche Nachrichten 4 /2016 Verpflegung. Zum Teil werde man zu 48 Stunden anhaltenden Operationen gezwungen. Insgesamt mache sich das Gefühl breit, dass sie nun für die Fehler, die im Lösungsprozess gemacht wurden, büßen müssen. Ercan Taştekin, Vorsitzender des türkischen Think-Tanks für die Untersuchung von Sicherheitsstrategien (GÜSAM), erklärt vor dem Hintergrund dieser Meldung, dass die Spezialeinsatzkräfte das Gefühl haben, dass ihr Leben für wertlos gehalten werde und man sie als menschliche Minensuchgeräte missbrauche. (PM von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 7.4.16, http://civaka-azad.org/erdogans-neue-anti-terrorstrategie-operationsgebiete-entvoelkern-und-wegbomben/) Trotzt allem blüht die Natur, Batman/Kurdistan, © ANF – Ferhat Arslan Bericht zur BI/EGBW Delegationsreise im Februar 2016 in die Türkei Manfred Brinkmann Vom 15.–18. Februar 2016 fand auf Einladung der türkischen Bildungsgewerkschaft Egitim Sen eine Delegationsreise von EGBW und Bildungsinternationale nach Ankara statt. An der Delegation unter Leitung der britischen EGBW Präsidentin und Generalsekretärin der National Union of Teachers (NUT) nahmen Kolleginnen und Kollegen von neun BI-Gewerkschaften aus Großbritannien, Frankreich, Schweden, Dänemark, Niederland, Griechenland, Zypern und Deutschland teil. Für die GEW nahmen Süleyman Ates und Manfred Brinkmann an der Delegation teil. 16 Ziel der Reise war es, ein Zeichen der Solidarität mit Egitim Sen und gegen eine weitere Eskalation der Gewalt zu setzen sowie vor Ort Informationen zu sammeln, um Öffentlichkeit herzustellen über die Situation in den Kriegsgebieten der Türkei. Ursprünglich sollte das Delegationsprogramm auch nach Diyarbakir in den Südosten der Türkei führen, was aber aufgrund von Reisewarnungen verschiedener Außenministerien geändert wurde, sodass alle Gespräche in der türkischen Hauptstadt stattfanden. Zu den Gesprächspartnern während des sehr dichten viertägigen Programms gehörten »» Egitim Sen Generalsekretärin Sakine Esen Yilmaz, Egitim Sen Präsident Kamuran Karaca, KESK Präsident Lami Özgen und weitere Vorstandsmitglieder der Bildungsgewerkschaft »» VertreterInnen des Dachverbands der Ärztekammern ((http://www.ttb.org.tr/en/) »» VertreterInnen der Menschenrechtsorganisation INSAN HAKLARI DERNEGI/KOMELAYA MAFEN MIROVAN (http://en.idh.org.tr/) »» Lehrerinnen und Lehrer aus den umkämpften Städten Diyarbakir Sur, Silvan, Nusaybin, Cizre and Silopi »» UnterzeichnerInnen des AkademikerInnen-Aufrufs für den Frieden (http://barisicinakademisyenler.net/) »» Leiter der EU-Delegation in der Türkei, Hansjörg Haber, und weitere MitarbeiterInnen der EU-Delegation »» Die Sozialreferentin der deutschen Botschaft in Ankara, Ute Gohla, und weitere MitarbeiterInnen der Botschaft »» Eine Lehrerin und Verletzte des Anschlags mit mehr als 100 Toten in Ankara im Oktober 2015 gegen eine Friedensdemonstration Die Reise bot die Möglichkeit zu Informationen aus erster Hand und vermittelte einen tiefen Einblick in die Situation der von Krieg und Gewalt betroffenen Menschen im Südosten der Türkei. Egitim Sen hatte dazu ein Video vorbereitet und Zahlen und Fakten zusammengetragen. Mehr als 1.500 Schulen sind geschlossen, 360.000 Schülerinnen und Schüler können nicht zur Schule gehen, fast 17.000 Lehrerinnen und Lehrer dürfen nicht unterrichten. Etwa 15.000 Schülerinnen und Schüler können keine Abschlüsse machen. Schulen und andere öffentliche Gebäude werden von Polizei und Militär besetzt und in die Kriegsstrategie einbezogen. In den Klassenzimmern schreiben die Militärs an Schultafeln: „Jetzt machen wir hier Bildung“ Lehrer werden von Sicherheitskräften bedroht: „Warum habt ihr nicht AKP gewählt?“ Mit Tränen in den Augen und sichtlich traumatisiert berichteten Lehrerinnen und Lehrer aus Diyarbakir, Cizre und Silopi von den Gräueln, die sie in ihren Städten erlebt hatten. Bis Anfang Februar wurden 224 tote Zivilisten gezählt, darunter Kinder und Frauen. Leichen liegen tagelang auf den Straßen und können nicht beerdigt werden. In Nützliche Nachrichten 4 /2016 mehreren Städten im Südosten der Türkei herrscht seit Wochen Ausgangssperre. Es gibt keinen Strom, kein Wasser, die Menschen können ihre Häuser nicht verlassen. Wer sich dennoch auf die Straße wagt, läuft Gefahr, erschossen zu werden. Medizinerinnen berichteten uns, dass selbst Sanitäter beschossen und getötet werden. Zwei Drittel der Beschäftigten im Gesundheitssystem in den umkämpften Städten seien geflohen. Das Gesundheitszentrum in Diyarbakir wurde von Polizei und Militär in Beschlag genommen. Geburten müssen Zuhause ohne ärztliche Hilfe stattfinden. Mediziner, die in den umkämpften Städten geblieben sind und Verletzte behandeln, werden beschuldigt, Terroristen zu unterstützen. Forderungen nach Frieden und Kritik an der Kurdenpolitik der AKP-Regierung werden kriminalisiert. Justiz und Presse werden eingeschüchtert. Egitim Sen beklagt, dass mehr als 2.400 Mitglieder aufgrund von Protesten gegen die Regierungspolitik Repressalien und Verfolgung ausgesetzt sind. Zu ihnen gehören auch Egitim Sen Generalsekretärin Sakine Yilmaz und Lami Özgen, Lehrer und Vorsitzender des Dachverbands KESK der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes , die angeklagt sind wegen Unterstützung terroristischer Organisationen und die Türkei nicht verlassen dürfen. Es wurde die Befürchtung geäußert, dass die Regierung Egitim Sen und KESK unter staatliche Aufsicht stellen und deren gewählte Führung auswechseln oder die Gewerkschaftsorganisationen gleich ganz verbieten werde. Von Repressalien betroffenen sind auch die rund 2.200 AkademikerInnen, die einen Aufruf für den Frieden unterzeichnet haben, der die türkische Regierung auffordert, die Kampfhandlungen in den Kurdenregionen einzustellen und für eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikt plädiert. Bei einem Treffen mit VertreterInnen der AkademikerInnen von verschiedenen türkischen Universitäten – darunter auch zwei Deutschen, wurde von Drohungen, Entlassungen, Verhaftungen, Anklagen und Reiseverboten berichtet, mit denen die UnterzeichnerInnen konfrontiert sind. Sie werden als Verräter und Staatsfeinde verunglimpft und zum Teil sogar von ihren StudentInnen bedroht. Der Krieg im Südosten der Türkei hat eine neue (noch) innertürkische Fluchtbewegung ausgelöst. Mehrere hunderttausend Menschen haben die umkämpften Städte verlassen und sind meist zu Freunden und Verwandten in die nähere Umgebung geflohen. Auch syrische Bürgerkriegsflüchtlinge, von denen mehr als zwei Millionen in der Türkei Schutz suchen, sind von den Kämpfen in den türkischen Kurdenregionen betroffen. Verschiedentlich wurde geäußert, dass Europa mit zusätzlichen Flüchtlingen aus der Türkei rechnen müsse, falls die Gewalt im Kurdenkonflikt weiter eskaliert. Mehrfach wurde Enttäuschung und Kritik am Schweigen Europas und insbesondere der 17 Bundesregierung gegenüber dem Krieg im Südosten der Türkei geäußert. Europa verrate seine Werte. Es sei falsch zu glauben, mit Erdoğan lasse sich eine Lösung in der Flüchtlingsfrage finden. Im Gegenteil seien die Militäreinsätze der türkischen Regierung gegen die Kurden im eigenen Land und im syrischen Grenzgebiet für das Flüchtlingselend mit verantwortlich. In einer Pressekonferenz bekundete die EGBW Präsidentin und Delegationsleiterin Christine Blower die Solidarität der europäischen Bildungsgewerkschaften mit ihrer Schwestergewerkschaft Egitim Sen und rief zu einem Ende der Gewalt und zu Friedensverhandlungen auf. Sie verwies darauf, dass am 21. Februar weltweit der Tag der Herkunftssprache begangen wird und das es das Recht eines jeden Kindes sei, in seiner Herkunftssprache unterrichtet zu werden. Seitens der Egitim Sen wurden die europäischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Delegation dazu aufgefordert, weitere Delegationen in die Türkei zu schicken und über die Situation in den Kriegsgebieten zu berichten. Gemeinsam mit EI/ETUCE soll im Juni eine internationale Konferenz in der Türkei stattfinden, die sich mit dem Recht auf Bildung, der Situation von SchülerInnen und Lehrkräften in Konfliktgebieten sowie mit Menschen- und Gewerkschaftsrechten beschäftigen soll. (GEW Hauptvorstand, [email protected], www.gew.de/internationales/) Erdoğan mit der Pressefreiheit zum Ausdruck gebracht. Auf die Frage, ob Erdoğan ein autoritärer Präsident sei, antwortete Obama: „Es ist kein Geheimnis, dass es ein paar Entwicklungen in der Türkei gibt, über die ich beunruhigt bin.“ Er habe dies Erdoğan auch selbst gesagt, als er ihn am Donnerstag im Weißen Haus empfangen habe. Zwangsverwaltung, Anklage, Einschüchterung In der Türkei war kürzlich die regierungskritische Zeitung „Zaman“ unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Außerdem läuft ein Spionage-Prozess gegen zwei führende Journalisten der Zeitung „Cumhuriyet“. Auch auf einen Satire-Beitrag des NDR-Magazins extra 3 über Erdoğan reagierte die türkische Regierung heftig. Der Beitrag hatte sich kritisch mit Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei sowie mit dem Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Kurden im Südosten des Landes auseinandergesetzt. Die türkische Regierung bestellte deshalb den deutschen Botschafter ein und verlangte eine Löschung des Beitrags. Dem Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar und dem Korrespondenten Erdem Gül droht eine lebenslange Haftstrafe. Auch in den USA nahm Erdoğan Stellung zum Thema Pressefreiheit: Journalisten, die in der Türkei verhaftet worden seien, säßen nicht wegen der Ausübung ihres Berufes im Gefängnis, sagte er bei einer Rede im Brookings-Institut in Washington. Sie seien Mitglieder einer terroristischen Vereinigung. Doch nicht jeder der Anwesenden hätte diese Worte hören sollen, wenn es nach dem Willen Erdoğans gegangen wäre. Seine Leibwächter hatten zu Beginn der Veranstaltung versucht, einen oppositionellen Reporter aus dem Saal fernzuhalten. Amerikanische Sicherheitsleute verhinderten dies. Erdoğans Medienpolitik „beunruhigt“ Obama „Es gibt keinen Zweifel daran, dass Präsident Erdoğan mehrmals demokratisch gewählt wurde, aber seine Einstellung gegenüber der Presse könnte die Türkei auf einen Pfad führen, der beunruhigend wäre.“ Mit diesen deutlichen Worten hat US-Präsident Barack Obama seine Besorgnis über den Umgang des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Nützliche Nachrichten 4 /2016 „Wir haben viel Geduld gezeigt“ Im Interview mit CNN mahnte Erdoğan die Medien, trotz aller Kritik doch einen fairen Umgang mit der Politik zu pflegen. „Wir sollten Kritik nicht mit Beleidigungen und Diffa18 mierung verwechseln“, sagte Erdoğan im Gespräch mit der Journalistin Christiane Amanpour. Es müsse doch Grenzen geben - auch in der Satire. Es sei nicht in Ordnung, „ein Thema in einer Karikatur bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen“, sagte Erdoğan weiter. Er halte es für natürlich, in einer solchen Situation auch Anwälte einzuschalten, „um zu seinem Recht zu kommen“. Aber er führe keinen Krieg gegen die Medien. „Wir haben nie etwas getan, um die Medienfreiheit einzuschränken“, sagte Erdoğan. Im Gegenteil: Die türkische Regierung habe mit den Medien viel Geduld gezeigt. (http://www.tagesschau.de/ausland/erdogan-tuerkei-cnn-amanpour-pressefreiheit-satire-103.html, 2.4.16) König von Jordanien: Türkei schickt Terroristen nach Europa Wie das Middle East Eye (MEE) berichtet, habe Abdullah bei einem Treffen mit US-Abgeordneten am 11. Januar in Washington gesagt, dass „die Flüchtlingskrise und die Anwesenheit von Terroristen unter ihnen kein Zufall seien“: „Die Tatsache, dass Terroristen nach Europa gelangen, ist Teil der türkischen Politik, und obwohl die Türkei dafür immer wieder getadelt wird, machen sie, was sie wollen“, sagte Abdullah laut einem Protokoll, das MEE eingesehen habe. Bei dem Meeting waren demnach die Senatoren John McCain, Bob Corker, Mitch McConnell und Harry Reid anwesend. Der Bericht stammt vom Chefredakteur der Publikation, David Hearst. Hearst arbeitete zuvor als außenpolitischer Redakteur für den Guardian. MEE arbeitet nach professionellen journalistischen Kriterien, weshalb der Bericht glaubwürdig erscheint. Der König von Jordanien sagte weiter, dass kein Zweifel daran bestehe, dass die Türkei der Terror-Miliz IS helfe, Öl zu exportieren. Abdullah schilderte die Türkei als strategisches Problem in der Region: „Die Türkei wollte in Syrien eine religiöse Lösung finden, während wir nach moderaten Gruppen im Süden suchen. Jordanien ist für eine Lösung eingetreten, die eine religiöse Option nicht zulassen würde.“ Diese Divergenzen zwischen den Alliierten wirkten sich auch im Kampf gegen den IS aus: „Wir werden gezwungen, taktische Lösungen gegen ISIL zu suchen, können aber das strategische Problem nicht lösen. Wir verzichten darauf, weil die Türken in strategischer Hinsicht nicht auf unserer Seite stehen.“ Abdullah sagte, dass die Türkei nicht nur islamistische Gruppen in Syrien, sondern auch in Libyen und Somalia unterstütze. Es gäbe eine „Radikalisierung, die in der Türkei hergestellt wird“. Er fragte die US-Senatoren, warum die Türken die somalische Armee trainieren. Nützliche Nachrichten 4 /2016 Abdullah forderte die Amerikaner auf, sich bei den Präsidenten des Kosovo und von Albanien zu erkundigen. Beide Politiker würden die EU bitten, sich ihrer anzunehmen, bevor dies Erdoğan täte. Der jordanische Außenminister Nasser Judeh sekundierte Abdullah bei dem Treffen und sagte, dass „die Türkei die Flüchtlinge nach Europa geschickt“ hätte, als die Russen mit ihren Bombardements einen Korridor im Norden Syriens unmöglich gemacht haben. An diesem Wochenende wird der türkische Premier Ahmet Davutoglu in Jordanien zu einem Besuch erwartet. Der Leak dürfte zeitlich gezielt platziert worden sein, weil Jordanien den Druck auf die Türkei erhöhen will. (Deutsche Wirtschafts Nachrichten, 26.3.16, http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/03/ 26/ koenig-von-jordanien-tuerkei-schickt-terroristen-nacheuropa/) Flüchtlingscamp für sunnitische Syrer inmitten alevitischen Gebiets Von Elke Dangeleit In der südtürkischen Provinz Kahramanmaras, in der überwiegend alevitische Kurden leben, soll neben einem alevitischem Dorf ein Containercamp für 27.000 sunnitische Syrer entstehen. Die Bevölkerung ist besorgt und protestiert. Viele sehen darin einen weiteren Versuch der türkischen Regierung, die kurdisch geprägten Gebiete zu islamisieren und die kurdische Kultur zu vernichten. Die Geschichte vom Zerfall des Osmanischen Reiches und die Entstehung des türkischen Nationalstaates sind geprägt von zahlreichen Massakern an der nicht-muslimischen Bevölkerung und der Assimilierung von ethnischen und religiösen Minderheiten. Mit der Gründung der Türkischen Republik wurde aus dem Vielvölkerstaat ein Nationalstaat, in dem sich unter dem Begriff „Türke“ fortan alle identifizieren sollten. Dies ging - im Unterschied zu den meisten europäischen Staaten - einher mit der Verleugnung und Zerstörung der alteingesessenen Kulturen. Ihre Religion, Sprache, Bräuche, traditionelle Kleidung wurden verboten. (…) Ziel war die Unterwerfung, Zerstreuung und Assimilierung der Minderheiten. Deren Geschichte sollte aus dem kollektiven historischen Gedächtnis gestrichen werden. Was ja auch teilweise gelungen ist. Gerade bei den älteren Kurden gibt es heute einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an assimilierten, konservativen Kurden, die ihre eigene Kultur ob des Anpassungsdruckes, oder um wirtschaftlich zu überleben, verdrängt haben. Ihre Kinder sprechen 19 nicht mehr ihre Muttersprache, weil diese bis vor wenigen Jahren in der Türkei verboten war. Heute gibt es wieder eine Rückbesinnung auf die kulturellen Wurzeln. Viele junge Kurden und Kurdinnen lernen wieder ihre Sprache, zelebrieren ihre Feste wie das Newroz-Fest, was die türkische Regierung immer wieder versucht zu verbieten oder umzudeuten als türkische Folklore der „Bergtürken“. Der Kampf gegen die kurdische Kultur erlebt heute erneut einen Höhepunkt. Wieder wird versucht, durch die Zerstörung von Dörfern und historischen Gebäuden in den kurdisch geprägten Städten und dem vermeintlichen modernen Wiederaufbau der TOKI-Sozialbau-Siedlungen, die der Region angeblich Fortschritt und Wohlstand bringen sollen – tatsächlich aber die Gentrifizierung vorantreiben –, die kurdische Geschichte zu eliminieren. Das Massaker von Kahramanmaras Das Massaker von Kahramanmaras im Jahr 1978, keine 40 Jahre her, ist bei den alten wie jungen Aleviten noch sehr präsent. 1978 wurden in Maras, wie die Provinz unter Aleviten genannt wird, bei einem Pogrom hunderte von Aleviten von ultranationalistischen Türken getötet, über 500 Häuser und 300 Betriebe geplündert. Noch heute verbietet die türkische Regierung Gedenkveranstaltungen an das Massaker. Jedes Jahr wird die Gedenkveranstaltung in Maras von Polizisten gewaltsam aufgelöst. Nun soll neben einem alevitischen Dorf ein Flüchtlingscamp für über 27.000 Flüchtlinge gebaut werden. Höchstwahrscheinlich mit den zugesagten Milliarden aus Europa. Auf dem Gebiet des Containercamps sollen sich mehrere alevitische Heiligenstätten befinden, die für das Camp zerstört werden sollen. Sensible Provinz Ali Öztunc, ein Mitglied der sozialdemokratischen, kemalistischen Oppositionspartei CHP berichtet, dass das Terrain für das Camp eigentlich als Naturschutzgebiet galt und gesetzwidrig konfisziert wurde. Die lokalen Behörden wurden in den Entscheidungsprozess nicht mit einbezogen. So weiß niemand, wer da eigentlich angesiedelt werden soll. Befürchtet wird, dass sich unter den Geflüchteten IS-Mitglieder oder Kämpfer der al-Nusra befinden könnten, die aufgrund der Erfolge der SDF und der europäischen Allianz aus Nordsyrien fliehen mussten. Die Hurriyet Daily News berichtet, dass die Gemeinden sehr unruhig sind und dass Maras aufgrund des Massakers 1978 zu den sensiblen Provinzen in der Türkei gehört, wo keine zusätzlichen Spannungen geschaffen werden sollten. Die Dorfbewohner haben einen Appell an die Behörden gerichtet, in dem ihre Befürchtung zum Ausdruck gebracht wird, dass syrische Dschihadisten dort angesiedelt werden sollen. Dass sie sich nicht generell gegen die Nützliche Nachrichten 4 /2016 Unterbringung von Flüchtlingen aussprechen, darauf legt Salman Akdeniz, der Vorsitzende des Pir Sultan Abdal Kulturvereins (PSAKD) wert: „Um Missverständnisse zu vermeiden: Unser Einspruch richtet sich nicht gegen die Flüchtlinge. Wir sind über die Bestimmung der Unterkünfte beunruhigt und die Möglichkeit, dass Dschihadisten des IS und der al-Nusra-Front hierher kommen und uns in den syrischen Bürgerkrieg verstricken.” (http://www.heise.de/tp/druck/mb/artikel/47/47935/1.html, 13.4.16) US-Regierung kritisiert Menschenrechtslage in der Türkei Die US-Regierung hat die Menschenrechtslage in der Türkei scharf kritisiert. Ankara habe die Anti-Terror-Gesetze sowie das Gesetz zur Bestrafung von Beleidigungen des Staatschefs dazu benutzt, „legitimen politischen Diskurs und investigativen Journalismus zu unterdrücken“, heißt es im alljährlich veröffentlichten Bericht des Außenministeriums zur „globalen Lage der Menschenrechte“. Darin wird den türkischen Behörden vorgeworfen, „Journalisten und normale Bürger“ zu verfolgen und Medienorganisationen unter staatliche Kontrolle zu bringen. Das Ministerium kritisiert ferner, dass es im Kampf gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) schwere Menschenrechtsverletzungen gebe. So gebe es „glaubhafte Vorwürfe“, dass es zu „willkürlichen und gesetzeswidrigen Tötungen“ durch die Sicherheitskräfte gekommen sei. (…) US-Präsident Obama hatte sich bei einem Washington-Besuch des türkischen Staatschefs Erdoğan im März besorgt über dessen Umgang mit der Pressefreiheit gezeigt. Erdoğan dagegen bestritt, dass die Medienfreiheit in seinem Land unterdrückt werde. (Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Projektbüro Türkei, 1.-15.4.16, www.fnst-turkey.org) Türkische Hoteliers fürchten Touristenschwund Die Serie von Anschlägen in der Türkei wirkt sich negativ auf die Tourismusbranche aus. Laut dem Türkischen Hotelverband TÜROB ist in diesem Jahr vor allem mit einem starken Rückgang deutscher Touristen zu rechnen. Viele 20 Reservierungen seien bereits aus Sicherheitsbedenken storniert worden. Erst kürzlich sind bei einem Bombenanschlag auf der beliebten Istiklal-Einkaufsstraße in Istanbul vier ausländische Touristen ums Leben gekommen. Besonders in der Ferienzeit wird sich das Ausbleiben deutscher Touristen bemerkbar machen. So verzeichnet der Deutsche ReiseVerband (DRV) für die Sommermonate einen Rückgang von 40 Prozent im Vergleich zu den Buchungen des Vorjahres. Stieg die Anzahl deutscher Touristen in der Türkei 2015 noch um 6 Prozent auf 5,58 Mio., so lässt sich in den ersten beiden Monaten des Jahres 2016 bereits ein Verlust von 10 Prozent im Vergleich zur selben Zeitspanne im Jahr 2015 beobachten. Auch ein starker Rückgang der russischen Touristen wird erwartet, was nicht zuletzt an den politischen Spannungen zwischen der Türkei und Russland liegen dürfte. Deutsche und russische Hotelgäste stellten 2015 die beiden größten Touristengruppen in den Ferienregionen der türkischen Ägäis und der Region um Antalya dar. (Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Projektbüro Türkei, 1.-15.4.16, www.fnst-turkey.org) Flüchtling, der aus Griechenland wieder in die Türkei zurückgeführt wird, soll ein anderer syrischer Flüchtling aus der Türkei in der EU aufgenommen werden. „Will ein syrischer Flüchtling sicher nach Europa, muss er laut dem EU-Türkei-Deal darauf hoffen, dass ein anderer Syrer erst sein Leben auf dem Meer riskiert, aufgegriffen und wieder abgeschoben wird. Dieser Tauschhandel zwischen der EU und der Türkei ist menschenverachtend und rechtswidrig“, sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die griechischen Behörden die Asylverfahren aller Flüchtlinge durchführen sollen, die Europa über die griechischen Inseln erreichen. „Die Europäische Union ist verpflichtet, jedem Flüchtling ein individuelles Asylverfahren in Griechenland zu bieten. Seit Jahren ist bekannt, dass es in Griechenland kein funktionierendes Asylverfahren gibt. Das Land steht vor einer dreifachen Herausforderung: Es muss jetzt sehr schnell sein Asylsystem so verbessern, dass es die Qualitätsstandards der EU tatsächlich erfüllt. Hinzu kommt die humanitäre Versorgung Zehntausender Flüchtlinge – und das alles mitten in einer Wirtschaftskrise. Die übrigen 27-EU-Staaten dürfen ihre Verantwortung jetzt nicht auf Griechenland abwälzen, sondern müssen ihren Partnerstaat unterstützen.“ „Die Türkei kann gar kein sicherer Drittstaat sein, denn sie ist nicht für alle Flüchtlinge sicher. Daher dürfen keinesfalls schutzbedürftige Menschen aus Europa in die Türkei abgeschoben werden“, so Çalışkan. „Amnesty International hat dokumentiert, dass die Türkei syrische und irakische Flüchtlinge in deren von Krieg und Gewalt zerrüttete Heimatländer abgeschoben hat. Hinzu kommt, dass die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten katastrophal ist, weil 90 Prozent sich außerhalb der Flüchtlingscamps ohne Schutz und Unterstützung durchschlagen müssen. Ihre Kinder haben oft keinen Zugang zu Schulbildung und es gibt bisher selten eine Arbeitserlaubnis, um sich somit eine Lebensperspektive aufzubauen“, so Çalışkan weiter. Das EU-Türkei-Abkommen ist rechtswidrig Die EU kann ihren Plan, Flüchtlinge in die Türkei abzuschieben, nur dann verfolgen, wenn sie die Türkei als „sicheren Drittstaat“ deklariert. Dieser Plan ist menschenrechtswidrig, weil er gegen das Recht auf individuellen Flüchtlingsschutz verstößt. Die Europäische Union steht kurz davor, sich in der Flüchtlingsfrage auf ein mehr als fragwürdiges Tauschgeschäft mit der Türkei einzulassen: Für jeden syrischen Nützliche Nachrichten 4 /2016 21 „Mit diesen Vorschlägen geben Europas Politiker nur vor, Flüchtlinge schützen zu wollen. Tatsächlich würde sich die Situation von Flüchtenden durch die Vereinbarung verschlechtern, und Europa würde sich erneut seiner globalen Verantwortung zur Aufnahme von Flüchtlingen entziehen“, sagt Çalışkan. Amnesty fordert daher: „Die 28 EU-Regierungen müssen den beabsichtigten Tauschhandel ablehnen, wenn sie wirklich daran interessiert sind, Flüchtlingen zu helfen und zu verhindern, dass noch mehr Menschen in der Ägäis ertrinken“, so Çalışkan. Allein in diesem Jahr sind bisher 448 Menschen bei dem Versuch gestorben, über die Ägäis nach Griechenland zu kommen. „Das wichtigste Ziel dieses EU-Gipfels muss sein, dass die Europäische Union endlich umfassende sichere Zugangswege für Flüchtlinge schafft und eine gesamteuropäische Lösung findet, bei der die Schutzbedürftigkeit der Menschen im Mittelpunkt steht und nicht die Abschottung.“ (http://www.amnesty.de/2016/3/14/das-eu-tuerkei-abkommen-ist-rechtswidrig?destination=startseite) vom 17. März mit dem Titel „Erdowi, Erdowo, Erdoğan“. In der an diesem Abend in der ARD ausgestrahlten Sendung, die sonst regelmäßig im NDR-Fernsehen läuft, hieß es unter anderem: „Er lebt auf großem Fuß, der Protz vom Bosporus“. Dazu werden Bilder von Erdoğans neuem Palast gezeigt, der wegen seiner Größe und Kosten umstritten ist. DJV gratuliert „extra 3“ Auch wurden die jüngsten Angriffe auf die Pressefreiheit in der Türkei in dem Beitrag thematisiert. So hieß es zu Bildern von der Abführung eines Journalisten und der Erstürmung einer Redaktion: „Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdoğan nicht passt, ist morgen schon im Knast.“ Der DJV bezeichnete die diplomatische Intervention Erdoğans als „lächerlich“. „Der türkische Machthaber Erdoğan hat offenbar die Bodenhaftung verloren“, sagte der DJV-Vorsitzende Frank Überall. „Wenn er wegen einer Satire den deutschen Botschafter in den Senkel stellt, haben die Macher von ,extra 3‘ ins Schwarze getroffen. Glückwunsch dazu!“ Drastische Maßnahmen gegen kritische Medien DJV-Chef Überall erklärte weiter: "Seine (Erdoğans) außenpolitische Empörung ist so lächerlich, dass er sich zum Gespött der sozialen Netzwerke gemacht hat." Über das berechtigte Gelächter dürfe aber nicht übersehen werden, dass „die Verfolgung kritischer Journalisten in der Türkei bittere Realität ist.“ Er hoffe, dass der deutsche Botschafter in Ankara den türkischen Präsidenten auf die Bedeutung des Grundrechts Pressefreiheit hingewiesen habe, sagte Überall. Kritiker im In- und Ausland werfen Erdoğan und der Regierung in Ankara vor, mit immer drastischeren Mitteln gegen kritische Journalisten und Medien vorzugehen. Auch die EU beklagt einen zunehmenden Druck auf die Medien in dem Beitrittsbewerberland. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück. Wegen Satire Botschafter einbestellt Der Diplomat musste sich bereits vergangenen Dienstag (22. März) im Außenministerium in Ankara wegen eines Liedes über Präsident Recep Tayyip Erdoğan rechtfertigen. Ein türkischer Diplomat, der anonym bleiben wollte, hat dies bestätigt. Zudem solle auch die Verbreitung der Satire gestoppt werden. Er sagte: „Wir haben verlangt, dass die Sendung gelöscht wird.“ Bei der Unterredung ging es dem Bericht zufolge um eine knapp zweiminütige Satire aus der Sendung „extra 3" Nützliche Nachrichten 4 /2016 Wegen „Präsidentenbeleidigung“ vor Gericht Zudem brachte Erdoğan zuletzt neben Journalisten und Bloggern auch vermehrt einfache Bürger, darunter auch Jugendliche, wegen „Präsidentenbeleidigung“ vor Gericht. Am Wochenende hatte Erdoğan Diplomaten scharf kritisiert, weil sie einen Prozess gegen zwei prominente Journalisten besucht haben. Das entspreche nicht dem diplomatischen Protokoll, sagte Erdoğan bei einem Treffen von Geschäftsleuten in Istanbul. Das Verfahren gegen die beiden Journalisten wegen Spionage hat im Ausland für viel Aufmerksamkeit und Kritik gesorgt. Bei der Folgesendung von Extra 3, am 30. März wurde die Kritik an Erdoğan fortgesetzt: „Wenn Sie Kritik hören wollen, dann gucken Sie extra 3. Wenn Sie keine Kritik hören wollen, treffen Sie die Bundeskanzlerin.“ 22 Christian Ehring erklärte: „Wir setzen auf Deeskalation und wollen uns mehr auf die Gemeinsamkeiten besinnen. Wir sind ein kleines Satiremagazin. Erdoğan ist der größte Komiker seines Landes.“ (https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/extra-3-Der-Irrsinn-der-Woche,sendung494848.html; http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationalepolitik/id_77390604/-extra-3-erdogan-beschwert-sich-ueber-satire-bei-botschafter.html) Merkel erlaubt Böhmermann-Ermittlungen Die Bundesregierung hat den Weg für eine Strafverfolgung des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann nach §103 StGB wegen der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts frei gemacht. Bundeskanzlerin Angela Merkel gab die Entscheidung in einer Stellungnahme im Kanzleramt persönlich bekannt. „Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen“, sagte Merkel. Die Ermächtigung zur Strafverfolgung des speziellen Delikts der Beleidigung von Organen ausländischer Staaten bedeute „weder eine Vorverurteilung des Betroffenen noch ein Vorgreifen der Entscheidung über Grenzen der Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit, sondern lediglich, dass die rechtliche Prüfung der unabhängigen Justiz überantwortet wird und nicht die Regierung, sondern Staatsanwaltschaften und Gerichte das letzte Wort haben werden.“ Merkel betonte in ihrer Erklärung, dass Deutschland eng mit der Türkei verbunden sei. Die Lage der Medien in der Türkei und das Schicksal einzelner Journalisten in der Türkei erfüllten die Bundesregierung ebenso mit großer Sorge wie Einschränkungen des Demonstrationsrechts. (…) Koalition will § 103 StGB abschaffen Die Bundeskanzlerin kündigte zugleich an, dass die Koalition noch in dieser Wahlperiode ein Gesetz zur Abschaffung des § 103 StGB verabschieden werde, das 2018 in Kraft treten solle. Der Paragraf sei „für die Zukunft entbehrlich“, erklärte die Kanzlerin. Diese Einschätzung sei unabhängig vom aktuellen Verfahren. Merkel hatte durch ihre frühzeitige Äußerung zu Böhmermanns „Schmähgedicht“, die sie der Regierung in Ankara telefonisch übermittelte und über Regierungssprecher Steffen Seibert auch öffentlich gemacht hatte, die Debatte Nützliche Nachrichten 4 /2016 selbst mit angeheizt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan empfand die im ZDF ausgestrahlte Satire als Beleidigung und beharrt auf einer Bestrafung des Moderators. (http://www.tagesschau.de/eilmeldung/merkel-erklaerung-zu-boehmermann-101.html) Es gibt im Netz eine Petition „Freiheit für Böhmermann“, die innerhalb von wenigen Tagen (18.4.16) von über 237.000 Menschen unterschrieben wurde. https://www.change.org/p/freiheit-f%C3%BCr-b%C3%B6hmermann-freeboehmi Dieter Hallervorden hat sich der Karawane der Erdoğan-Kritiker angeschlossen: Erdoğan, zeig mich an! Erdoğan, Erdoğan, Deutschland ist nicht Kurdistan!“ Wer möchte, kann seinen Beitrag anhören: https:// soundcloud.com/sunrockstudios/erdogan-zeig-mich-an Verfassungsrichter Bertrams zu Böhmermann-Satire „Die Verbrechen begeht Erdoğan“ Der Vize-Ministerpräsident der Türkei, Numan Kurtulmus, hat von einem „schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ durch Böhmermann gesprochen. Sein Gedicht habe nicht nur Präsident Erdoğan, sondern alle 78 Millionen Türken beleidigt. Der Verfassungsrichter Bertrams erklärt im Interview mit der FR über den Satiriker Jan Böhmermann folgendes: „Das ist nun blanker Unsinn. Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht nicht Böhmermann mit seinem Gedicht, sondern Erdoğan, der kurdische Städte bombardieren lässt. Aber das zählt nach dem Flüchtlings-Deal mit Ankara derzeit offenbar nicht mehr. (…) Es wäre innenpolitisch auch verheerend, wenn sie Erdoğans Begehren nachkäme. Sie würde damit nicht nur Jan Böhmermann, sondern gleichsam die Meinungs- und 23 Kunstfreiheit an einen Autokraten und Despoten ausliefern, der bürgerliche Freiheiten im eigenen Land auf gröbste Weise missachtet.“ (Frankfurter Rundschau, 13.4.16; http://www.fr-online.de/ politik/boehmermann-satire--die-verbrechen-begeht-erdogan-,1472596,34080576.html) Offizieller Comic verherrlicht Märtyrer-Rolle Die türkische Religionsbehörde Diyanet verherrlicht in einem Comic für Kinder den Märtyrertod. Ein Vater schildert seinem Sohn, wie ehrenwert das Sterben als Märtyrer sei, berichtete die regierungskritische türkische Tageszeitung „Cumhuriyet“ am Montag. „Willst du ein Märtyrer sein?“, fragt ein Sohn seinen Vater. Der antwortet: „Es ist sehr schön, ein Märtyrer zu sein.“ Und weiter: „Natürlich würde ich ein Märtyrer sein wollen. Wer will schon nicht in den Himmel?“ In einer anderen Szene heißt es: „Märtyrer sind im Himmel so glücklich, dass sie zehnmal Märtyrer sein wollen.“ Oder: „Ich wünschte, ich könnte auch ein Märtyrer sein.“ Die Diyanet macht immer wieder Negativschlagzeilen. Im Jänner veröffentlichte die Religionsbehörde eine Stellungnahme, in der sie sexuelle Lust gegenüber der eigenen Tochter als hinnehmbar beschrieb. Es sei tolerierbar, wenn der Vater seine Tochter küsse oder streichle, hieß es in dem online veröffentlichten Schreiben. Vor allem Mehmet Görmez, der seit 2010 Leiter der Diyanet ist, wird des öfteren kritisiert. Im Mai 2015 sorgte sein Dienstwagen, der nach offiziellen Angaben rund 300.000 Euro gekostet haben soll, für Aufsehen. Görmez gab den Mercedes S 500 nach Kritik der Opposition zurück. Gegründet wurde die Diyanet 1924. Die Behörde ist zuständig für alle Religionsangelegenheiten, etwa für die sunnitisch ausgerichteten Religionsunterricht oder die Nützliche Nachrichten 4 /2016 Ausbildung der Imame. Sie verwaltet zudem die mehr als 85.000 Moscheen im Land. (http://religion.orf.at/stories/2765307/, 28.3.16) Freiheit für alle politischen Gefangenen Der 18. März ist der Internationale Tag für die Freiheit der politischen Gefangenen. Ein solcher Tag ist derzeit insbesondere für die Türkei bitter notwendig. Unter der Führung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan führt das AKP-Regime in den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei einen brutalen Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Kritiker*innen der autoritären Politik des Regimes werden mundtot und demokratischen Bestrebungen rücksichtslos zunichte gemacht. Über 6.000 Oppositionelle sind bislang festgenommen worden, viele davon Mitglieder und Politiker*innen der „Demokratischen Partei der Völker“ (HDP). Die türkische Armee überschreitet Grenzen – mit Panzern nach Syrien gegen das kurdische Selbstverwaltungsprojekt Rojava, mit Kampfflugzeugen in den Nordirak gegen Stellungen der PKK-Guerilla. Nach wie vor unterstützt das NATO-Land die Terrormilizen des IS mit Geld, Waffen und offenen Grenzen. Um vor Krieg und Zerstörung fliehende Menschen an einer Weiterreise nach Europa zu hindern, hat die EU – insbesondere die Bundesregierung – ausgerechnet das AKP-Regime zum Hauptakteur erkoren. Die derzeitigen Verhandlungen mit der Türkei über den Austausch von Flüchtlingen sind unmenschlich und rechtlich fragwürdig. Der Preis für diese Kollaboration sind Geldforderungen, Reiseerleichterungen, ist ein beschleunigtes EU-Aufnahmeverfahren, und vor allem Schweigen zum staatlichen Terror. Bisher haben sich seit dem PKK-Betätigungsverbot von 1993 allerdings alle Bundesregierungen Zugeständnisse der Türkei dadurch erkauft, im Gegenzug (noch) härter gegen die PKK in Deutschland vorzugehen. Im Oktober 2010 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, auch die PKK als „terroristische Vereinigung im Ausland“ nach §129b StGB einzustufen. Der politische Charakter dieses Paragrafen zeichnet sich dadurch aus, dass für Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft eine Ermächtigung des Bundesjustizministeriums erforderlich ist. Diese ministeriellen Entscheidungen müssen aber weder begründet noch kann gegen sie geklagt werden. Sie folgen einzig außenpolitischen Opportunitätserwägungen. Allein im vergangenen Jahr wurden fünf kurdische Aktivisten festgenommen. Derzeit befinden sich in U- bzw. Strafhaft: Kenan BAȘTU, Ahmet ÇELIK, Mustafa ÇELIK, Mehmet DEMIR, Bedrettin KAVAK, Muhlis KAYA und Ali ÖZEL. 24 Keinem der Angeklagten oder Verurteilten werden individuelle Straftaten vorgeworfen. Sie wurden/werden als angebliche Regional- oder Gebietsleiter der PKK in Deutschland für alle Aktivitäten und militärische Auseinandersetzungen der Guerilla in Türkei/Kurdistan in Haftung genommen, für die nach deutscher politischer und juristischer Lesart allein die PKK verantwortlich sei. Die Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen des türkischen Regimes spielen in den §129b-Verfahren eine nur untergeordnete Rolle. Eine derartig einäugige Politik muss endlich beendet werden. Deshalb fordert AZADÎ »» Rücknahme der Verfolgungsermächtigungen nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB »» die Einstellung aller § 129b-Verfahren »» die Freilassung aller kurdischen politischen Gefangenen »» die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots »» ein Ende der Komplizenschaft mit dem türkischen Regime »» den Stopp jeglicher Waffenlieferungen an die Türkei »» (AZADÎ e.V. – Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, [email protected], 17.3.16) Erdoğan-Anhänger machen mobil Von Nick Brauns Türkische Nationalisten wollen am 10. April bundesweit gegen die kurdische Befreiungsbewegung und die Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, auf die Straße gehen. »Die türkische Community in Deutschland will die Sache nun selbst an sich reißen«, heißt es drohend in einem Aufruf zu einem sogenannten »Friedensmarsch für die Türkei und EU«. Schon diese Titulierung erscheint als Täuschung der deutschen Öffentlichkeit, ebenso wie die deutsche Bezeichnung der zeitgleich für Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Nürnberg, München, Köln und Hannover angekündigten Aufmärsche als »Protest gegen den Terror der PKK und des IS«. Denn der türkischsprachige Aufruf ist überschrieben mit »Alles für das Vaterland – Märtyrer sind unsterblich – Das Vaterland ist unteilbar« und richtet sich offensichtlich nicht gegen die von Ankara unterstützten Dschihadisten des »Islamischen Staates« (IS), sondern gegen die kurdische Befreiungsbewegung. Unter solchen Losungen wird derzeit auch in der Türkei zu Demonstrationen mobilisiert, mit denen die Angriffe der Armee auf kurdische Städte propagandistisch begleitet werden. In Deutschland firmiert als Veranstalter ein bislang unbekanntes »Deutsches Neue Türken-Komitee« (AYTK), Nützliche Nachrichten 4 /2016 das beim Internetunternehmen Facebook mit dem Zusatz »Unabhängige Vaterlandsliebende« firmiert. In seiner Selbstdarstellung nennt sich das AYTK unabhängig und überparteilich. Unter seinen Mitgliedern seien demnach Türken wie Kurden, Sunniten wie Aleviten, Mitglieder der Regierungspartei AKP ebenso wie der Oppositionsparteien bis hin zu Kommunisten. Für eine angeblich neue Gruppe dürfte es kaum möglich sein, gleichzeitige Aktionen in sieben Großstädten zu starten. Vielmehr dürfte die AKP-Regierung mit Hilfe des Geheimdienstes MIT im Hintergrund die Fäden ziehen. Auch das Angebot der AYTK, arbeits- oder wohnungslosen Türken oder türkischstämmigen Strafgefangenen in Deutschland soziale und rechtliche Unterstützung zukommen zu lassen, deutet auf eine starke, mit dem türkischen Staat verbundene Struktur hin. Zu den Aufmärschen am Sonntag mobilisieren so der Regierung in Ankara nahestehende Verbände wie die AKP-Lobbyorganisation UETD, der mit dem staatlichen Religionsamt verbundene Moscheendachverband DI TIB, aber auch offen neufaschistische Gruppen wie die Grauen Wölfe. Dies erfuhr junge Welt aus den Kreisen linker Organisationen türkeistämmiger Migranten. Für den Schutz der Aufmärsche durch Freiwillige und private Sicherheitskräfte sei gesorgt, heißt es in einem der Aufrufe, die AYTK im Internet verbreitet. So soll der Security-Unternehmer Timur Yüksek zugesagt haben, die Demonstrationen von seinen Leuten begleiten zu lassen, um »Eskalationen am Rande der Kundgebungen durch extremistische PKK-Sympathisanten vorzubeugen«, meldete das nationalistische Webportal Turkishpress. Yüksek, der auf seiner Facebookseite neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan posiert und das Präsidialamt als seinen Arbeitgeber angibt, ist laut Turkishpress für den Personenschutz des türkischen Premiers und des Staatschefs zuständig. Erdoğans Personenschützer scheuen sich nicht, auch im Ausland rabiat gegen Kritiker vorzugehen. Das hatten sie während der jüngsten Auslandsreisen des Präsidenten in die USA und nach Ecuador unter Beweis gestellt, wo sie auf Journalisten und Menschenrechtsaktivisten einprügelten. Im Aufruf zur Demonstration in Frankfurt wird eine »zunehmende Feindseligkeit« beklagt, »die durch radikale kurdische Nationalisten auch innerhalb der Einwanderercommunitys in Deutschland und zum Teil durch Medien geschürt wird«. Die türkischsprachige Selbstdarstellung der AYTK richtet sich allerdings weniger gegen vermeintliche kurdische Terroristen als gegen »sogenannte Akademiker« aus der Türkei, die als Vaterlandsverräter und Feiglinge diffamiert werden. So wurden auf Erdoğans Befehl hin in der Türkei Ermittlungsverfahren wegen Terrorpropaganda gegen zahlreiche Wissenschaftler eingeleitet, die im Januar einen Friedensappell gegen den Krieg in den kurdischen 25 Landesteilen unterzeichnet hatten. Nun sollen offenbar auch Erdoğan-Kritiker in der türkischen Diaspora eingeschüchtert werden. »Das AKP-Regime scheint entschlossen zu sein, seinen schmutzigen Krieg nach Deutschland zu übertragen«, warnt daher ein Bündnis aus 15 türkischen und kurdischen Migrantenvereinigungen, darunter die Alevitische Gemeinde Deutschlands sowie der kurdische Dachverband NavDem, vor rassistischer Hetze. (Junge Welt, 5.4.16) Y E Z I D I N I N I S - G E FA N G E N S C H A F T „Wir waren nicht mal so viel Wert wie Tiere“ (Foto: http://www.yazda.org/yazidi-woman-demandsinternational-action-at-un-security-council/) von Kathrin Weckesser Nadia Murad ist 19 Jahre alt, als am 15. August 2014 Kämpfer der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ in ihr Heimatdorf Kocho im Nordirak einfallen. Es ist der Sommer, als der IS weite Regionen Syriens und des Irak erobert. Für die Yeziden wird es zum Überlebenskampf. Fast alle von ihnen fliehen aus Todesangst aus dem Sindschar, dem letzten mehrheitlich von Yeziden bewohnten Gebiet, denn der IS bezeichnet die religiöse Minderheit als Teufelsanbeter und verfolgt sie extrem. Tausende yezidische Männer, die dem IS in die Hände fallen, werden getötet, Frauen und Kinder entführt und versklavt. Auch sechs von Nadias Brüdern und Halbbrüdern überleben den Angriff der Radikalislamisten nicht: Als sie sich weigern, zum Islam zu konvertieren, werden sie vor Nadias Augen grausam hingerichtet. Doch Nadias Leidensweg ist damit nicht zu Ende: Sie muss ebenso mit ansehen, wie IS-Kämpfer ihre Mutter umbringen. Es ist ein Blutbad, was der IS in dem Dorf anrichtet: Innerhalb einer Stunde töten die Extremisten über 300 Männer Nützliche Nachrichten 4 /2016 (andere Quellen sprechen von 600) sowie ältere Frauen, die man nicht mehr versklaven kann. Die restlichen Frauen und Kinder nehmen die IS-Kämpfer gefangen und verschleppen sie mit Bussen nach Mossul. Nadia ist eine von ihnen. Sie erinnert sich noch genau, wie die Gefangenen bereits auf dem Weg nach Mossul gedemütigt, berührt und verletzt werden. Drei Tage hält der IS Nadia und die anderen Gefangene aus Kocho in Mossul fest, um sie anschließend unter den Kämpfern des IS als „Geschenke zu verteilen“. Einige Frauen sind so verzweifelt, dass sie sich selbst das Leben nehmen. Der Zeitschrift Time sagte Nadia: „Ich wollte mich nicht umbringen, aber ich wollte, dass sie mich töten.“ Nadia wird an einen Mann, der Frau und Tochter hat, als Sklavin gegeben und dort in einem einzelnen Zimmer eingesperrt. Seine Frau und seine Tochter sieht sie nie, ihren Peiniger und weitere Wächter dafür umso mehr. Bereits in der ersten Nacht wird sie geschlagen, muss sich ausziehen und wird in einen Raum mit den Wächtern gesteckt, die sich alle an ihr vergreifen, bis sie bewusstlos wird. Immer wieder begehen die Männer Verbrechen an ihrem Körper bis sie ohnmächtig wird. Der UNO berichtet sie später, dass sie nach einem gescheiterten Fluchtversuch geschlagen und zur Bestrafung von sechs Kämpfern vergewaltigt wurde. Auch schildert sie, dass sie und andere junge Frauen dazu gezwungen wurden zu beten, bevor sich die Männer sexuell an ihnen vergriffen. So wollte ihr erster Peiniger, der Mann mit Frau und Kind, dass sie die Religion wechselt und Muslimin wird. Doch Nadia weigerte sich jedes Mal. Seit ihrer erfolgreichen Flucht aus der IS-Gefangenschaft kämpft Nadia Murad dafür, dass die internationale Staatengemeinschaft die Gräueltaten an den Yeziden als Genozid anerkennt. So schilderte sie auch schon vor der UN die Verbrechen, die der IS am yezidischen Volk begeht. Der Mann ist nur einer von Nadias Sklavenhalter. Wie viele der anderen jungen Frauen wird sie immer wieder als Sklavin weiter verkauft. „Wir waren nicht mal so viel Wert wie Tiere. Sie vergewaltigten Frauen in Gruppen. Sie taten was man sich nicht vorstellen kann.“ Im November 2014 gelingt ihr schließlich die erfolgreiche Flucht – nach drei Monaten der Folter und des Missbrauchs. Sie bahnt sich ihren Weg über ein Flüchtlingslager, um schlussendlich Asyl in Stuttgart zu suchen. Heute kämpft Nadia aktiv für die Anerkennung des Genozids an den Yeziden durch den „Islamischen Staat“, der – so Nadia – das yezidische Volk gezielt und organisiert zerstören will. Dafür reist sie um die ganze Welt. Sie hat Ägyptens Präsident Abdel Fattah el-Sisi getroffen, sowie bei der UN in New York ihre Geschichte in einer eindrucksvollen Rede erzählt. Mitte Dezember 2015 schilderte sie vor dem UN-Sicherheitsrat die Verbrechen, die IS-Extremisten an Yeziden verüben: „Vergewaltigung wird benutzt, um die Frauen und Mädchen zu zerstören und um sicherzustellen, dass sie niemals wieder ein normales Leben führen können.“ 26 Nadia traf auch Ende 2015 mit Griechenlands Präsident Prokopis Pavlopoulos zusammen: „Ich rufe Sie auf, meine Stimmer der Europäischen Union zu übermitteln, denn tausende Frauen und kleine Kinder werden weiterhin als Geiseln festgehalten“, sagte sie in Athen. „Wenn ich spreche, dann nicht nur in meinem Namen, sondern im Namen aller betroffenen Frauen und Kinder in der Kriegszone.“ Nadias unermüdlicher Einsatz verlangt Anerkennung. Das sehen auch irakische und norwegische Politiker so und nominierten sie am 05. Januar 2016 für den Friedensnobelpreis 2016. Nach einem Treffen mit Nadia reichte der norwegische Politiker Audun Lysbakken – nachdem die irakische Regierung ihre Unterstützung bereits zugesichert hatte – offiziell die Nominierung beim fünfköpfigen Nobelpreis-Komitee ein. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärte Lysbakken: „Wir möchten einen Friedenspreis, der die Welt dazu aufrüttelt, gegen sexuelle Gewalt als Waffe im Krieg zu kämpfen.“ (https://gfbvberlin.wordpress.com/2016/03/08/nadia-muradyezidin-is-un/, Weltfrauentag, 8.3.16) Konstituierender Rat der föderalen demokratischen Einheit von Rojava – Nordsyrien Vom konstituierenden Rat des Föderalsystems in Rojava-Nordsyrien ergeht Folgendes: An die syrische, regionale und internationale Öffentlichkeit. Dem Aufruf der Gesamtkoordination der Gebiete der Demokratischen Autonomie (Cizîre, Kobanî, Afrîn) folgend, organisierten die verschiedenen Teile der Gesellschaft, die politischen Kräfte und Parteien sowie gesellschaftlichen Aktivist_innen aus den oben genannten und den aus den Händen der Terrororganisationen neu befreiten Gebieten ein breites Treffen, um eine umfassende politische Perspektive zur Überwindung des Chaos in Syrien zu finden. Als Abgeordnete dieser Gebiete haben wir am 16. und 17. März unsere Versammlung abgehalten. Das von uns dargelegte Nützliche Nachrichten 4 /2016 Ergebnis wollen wir dem Andenken der Gefallenen unserer Völker widmen, den Gefallenen, die mit ihrem Blut die größten und heldenhaften Legenden wahr gemacht und mit legendärer Tapferkeit große Opfer gebracht haben. Ihnen gilt unser Respekt. Durch ihr Beispiel haben unsere Völker diesen Schritt erreicht. Als Ergebnis dieses Treffens wurden folgende Beschlüsse gefasst: 1. Ein zukünftiges Syrien wird für alle Bevölkerungsgruppen Syriens sein; dies wird durch ein föderales und demokratisches System auf Grundlage der Beteiligung aller Gruppen erreicht werden. 2. Es soll für die Gründung eines föderalen demokratischen Systems in Rojava-Nordsyrien gearbeitet werden. 3. Die Wahl von gemeinsamen Ko-Vorsitzendenden durch den Rat wurde durchgeführt sowie ein Komitee von 31 Mitgliedern gebildet. 4. Das Komitee soll innerhalb von sechs Monaten einen Gesellschaftsvertrag vorbereiten und ein umfassendes politisches und rechtliches Konzept für dieses System erarbeiten. 5. Alle Komitees und Dokumente des Rates erkennen die Erklärung der Vereinten Nationen über die individuellen und kollektiven Rechte an, die ihrem Inhalt nach den Aufbau eines demokratischen Gesellschaftssystems versichern. Die Teilnehmenden dieses Treffens betonen ebenfalls ihre tiefe Verbundenheit zu Syrien und sehen das neu gegründete System als einen Teil davon. Gleichzeitig bekennen sie sich zum Grundsatz des Friedens und der Verbundenheit mit allen Völkern der Region und bringen dieses Projekt im Dienste aller voran. 6. Die Freiheit der Frau ist Grundprinzip des föderalen demokratischen Systems. Die Frau hat das Recht auf gleiche Teilnahme und Teilhabe an allen sie betreffenden Entscheidungen. Es besteht gleiche Repräsentation auf allen Ebenen des gesellschaftlichen und politischen Lebens. 7. Jeder Teil der Gesellschaft, der unter dem föderalen System von Rojava-Nordsyrien lebt, kann nach eigenem Ermessen politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Beziehungen und demokratische Formen der Zusammenarbeit ausüben sowie an der Ausübung des Glaubens und der Kultur auf regionaler und staatsübergreifender Ebene teilhaben; auf eine Weise, dass die Beziehungen nicht Ziel und Möglichkeiten des syrischen demokratischen Föderalismus entgegenstehen. 8. Die Gebiete, die von der Kontrolle von Terrororganisationen befreit werden, haben das Recht gemäß den Prinzipien Teil des föderalen demokratischen Systems von Rojava-Nordsyrien zu werden. 27 9. Das Ziel des föderalen demokratischen Systems von Rojava-Nordsyrien auf regionaler Ebene besteht in der Verwirklichung des demokratischen Föderalismus im Mittleren Osten sowie im Vorantreiben föderaler und demokratischer Prinzipien auf politischer, wirtschaftlicher, kultureller und gesellschaftlicher Ebene sowie zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen im Mittleren Osten. Auf dem Weg der Überwindung der nationalstaatlichen Grenzen besteht die Möglichkeit ein friedliches, sicheres und gemeinschaftliches Zusammenleben zu erreichen. 10. Das föderale demokratische System soll innerhalb der territorialen Integrität Syriens verwirklicht werden. An die Völker Syriens, Kurdistans und Rojavas, an alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppen: Wir erleben heute eine historische Phase und befinden uns in einer bedeutenden Situation. Syrien erlebt in unserer heutigen Zeit tragischste und schlimmste Zustände. Diese Situation, die Syrien in den Grundfesten erschüttert hat, umfasst Millionen Flüchtlinge und hunderttausenden Toten, nicht zu reden von den großen Zerstörungen. Trotz alledem sehen wir in Rojava während der vergangenen Jahre eine fortgeschrittene Erfahrung, die mit dem Blut der Gefallenen verteidigt wurde. Auf dieser Grundlage ist klar zu sehen, dass der Erfolg von Rojava innerhalb dieser Zeit viele Möglichkeiten und Errungenschaften hervorgebracht hat. Dies wird als eine echte Möglichkeit für den Aufbau eines föderalen demokratischen Systems in Rojava-Nordsyrien gesehen. Wir glauben und vertrauen darauf, dass dies ein Beispiel für die Überwindung des Chaos in Syrien sein kann. Auf Grundlage der historischen Entscheidungen, die wir getroffen haben, laden wir dazu ein, dass die Frauen als Repräsentation des freien Lebens, die Jugend, die Vereinigungen, die Arbeitenden, die verschiedenen Teile unserer Bevölkerung und alle gesellschaftlichen Teile diesen Entscheidungen ihre Aufmerksamkeit schenken, sich an ihnen beteiligen und so den Aufbau des föderalen demokratischen Systems organisieren. Wir laden alle demokratischen, fortschrittlichen Kräfte, die für die Menschheit arbeiten, ein, uns in unseren Bemühungen zu unterstützen. Für die Selbstbestimmung, gemeinsames Leben und die Verbundenheit der Völker. Konstituierender Rat der föderalen demokratischen Einheit von Rojava – Nordsyrien (Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., [email protected], 17.3.16) Nützliche Nachrichten 4 /2016 Memo Sahin, Rebecca Schon, Uwe Eichner und Jürgen Neitzert Gespartes für Gutes Erstmals hat die GAG Immobilien AG im vergangenen Jahr digitale Weihnachtsgrüße versendet. Im Vergleich zum herkömmlichen Postweg wurden dabei 1.500 Euro eingespart – Geld, das Kölns größte Vermieterin jetzt für einen guten Zweck weitergegeben hat. Der Vorstandsvorsitzende Uwe Eichner überreichte die Spende an Bruder Jürgen Neitzert und Memo Sahin von Pro Humanitate. „Der Verein ist ein langjähriger Kooperationspartner, mit dem wir beste Erfahrungen gemacht haben“, begründet Eichner die Wahl. Das neueste Projekt, für das auch die Spende bestimmt ist, kommt Flüchtlingen zugute, die auf der Suche nach Schutz und Sicherheit nach Köln gekommen sind. Seit Mitte November 2015 leben zehn minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge in zwei GAG-Wohnungen in der Höhenberger Germaniasiedlung. Pro Humanitate betreut die 14 bis 17 Jahre alten Jugendlichen rund um die Uhr. „Wir kümmern uns ums Essen, organisieren Sprachkurse und Sportangebote und vermitteln Kontakte zur Nachbarschaft“, erzählt Bruder Jürgen. Damit hat er schon viel erreicht und den Jugendlichen ein Stück Heimatgefühl vermittelt. In Porz-Zündorf, wo der Verein schon seit rund fünf Jahren Hausaufgabenhilfe anbietet, baut Pro Humanitate ab 2016 ein Betreuungs- und Begleitungszentrum für Flüchtlinge auf. In einem leerstehenden Ladenlokal, das von der GAG zur Verfügung gestellt wird, organisiert Pro Humanitate ein breit gefächertes Angebot für Flüchtlinge aus umliegenden Unterkünften. „Vorgesehen sind Deutschunterricht, eine Mutter-Kind-Gruppe, eine Jugendgruppe oder die Begleitung und sprachliche Unterstützung der Flüchtlinge bei Behördengängen. Und natürlich bemühen wir aus auch um gute Kontakte zur Nachbarschaft“, erläutert Memo Sahin. „Ein Betreuungszentrum für Flüchtlinge ist hochaktuell und notwendig. Das unterstützen wir gerne“, begrüßt Uwe Eichner das Vereinsengagement. 28 Derzeit wird das Ladenlokal für die neue Nutzung vorbereitet. Voraussichtlich im Mai kann Pro Humanitate dort seine Arbeit starten. Bruder Jürgen macht bereits seit 21 Jahren Jugendarbeit im GAG-Veedel Vingst, die Franziskaner sind dort bereits seit mehr als 40 Jahren aktiv. Der Vingster Jugendtreff, ein Container hinter dem Bürgerzentrum an der Würzburger Straße, ist Anlaufstelle für Jugendliche mit Migrationshintergrund aus dem Stadtteil und Umgebung. Im Spätsommer 2009 wurden mit tatkräftiger Hilfe der GAG Immobilien AG die maroden alten Container gegen drei aufgearbeitete Überseecontainer ausgetauscht. Zu den regelmäßigen Angeboten zählen die schulische und berufliche Qualifizierung durch Nachhilfe und Bewerbungstraining, sportliche Aktivitäten, hauptsächlich Fußball, Fahrten ins In- und Ausland sowie die Vermittlung demokratischer Prinzipien durch Plan- und Rollenspiele. In einer Mädchengruppe werden Mädchen unterschiedlicher Herkunft und aus sozial schwachen Familien gefördert und bei schulischen Problemen unterstützt. Hinweis auf sonstige Infostellen Azadi, [email protected]; www.nadir.org/azadi/ Demokratisches Türkeiforum, [email protected], www.tuerkeiforum.net Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., [email protected], www.civaka-azad.org Gesellschaft für bedrohte Völker, [email protected], www.gfbv.de ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V., [email protected]; www.nadir.org/isku/ Kurdmania.com, Portal für Politik & Kultur, www.kurdmania.com Kurdisches PEN-Zentrum, [email protected], www.pen-kurd.org Kurdistan Report, www.kurdistanreport.de Mezopotamian Development Society, [email protected], www.mesop.de NAVEND – Zentrum für kurdische Studien e.V., [email protected], www.navend.de The Turkish Economic and Social Studies Foundation (TESEV), www.tesev.org.tr/eng/ Zentrum für Türkeistudien, www.zft-online.de Für die Bereitstellung der Karikaturen danken wir Klaus Stuttmann sehr. http://www.stuttmann-karikaturen.de Nützliche Nachrichten 4 /2016 29