9 U 81/12 - beim Deutschen Notarinstitut!

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9 U 81/12 - beim Deutschen Notarinstitut!
DNotI
Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer:
l e t zt e A k t u a l i s i e r un g :
9u81_12
12.12.2013
OLG Schleswig , 13.3.2013 - 9 U 81/12
BGB § 1018
Anspruch auf Eintragung einer Baulast als Nebenpflicht aus dem durch eine
Grunddienstbarkeit geschaffenen Schuldverhältnis
Ein Anspruch auf Abgabe einer Baulasterklärung kann sich aus dem durch eine
Grunddienstbarkeit geschaffenen Schuldverhältnis als Nebenpflicht ergeben. (Leitsatz der
DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Die Parteien sind Nachbarn und nur über eine Grunddienstbarkeit (Wege- und Leitungsrecht
über die Grundstücke des Beklagten) verbunden. Der Kläger verlangt als Eigentümer der
herrschenden Grundstücke von dem Beklagten als Eigentümer der dienenden Grundstücke die
Zustimmung zur Eintragung einer inhaltlich der auf den dienenden Grundstücken lastenden
Grunddienstbarkeit entsprechenden Baulast.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Anspruch folge aus dem durch die
Grunddienstbarkeit geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnis. Hinsichtlich der weiteren
Einzelheiten wird Bezug genommen auf das angegriffene Urteil vom 12. Juli 2012 (Bl. 120 - 127
d.A.).
Der Beklagte greift das Urteil vollumfänglich an mit dem Ziel der Klageabweisung. Hinsichtlich
des Berufungsvorbringens wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.
Oktober 2012 (Bl. 173 - 177 d.A.).
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 12.07.2012 verkündeten und am 17.07.2012 zugestellten Urteils des
Landgerichts Flensburg, Aktenzeichen 7 O 45/11, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil. Auf die Berufungserwiderung vom 20. Dezember 2012 (Bl. 192-195
d.A.) wird Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Abgabe der verlangten
Baulasterklärung zu Recht bejaht. Der Anspruch ergibt sich aus dem gesetzlichen
Schuldverhältnis, welches durch die von dem Beklagten zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers
der seit dem Jahre 2010 im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke bestellte
Grunddienstbarkeit begründet worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich bei Fehlen vertraglicher
Vereinbarungen - solche bestehen zwischen den Parteien nicht - die Verpflichtung, die verlangte
Baulasterklärung abzugeben, als Nebenpflicht aus dem durch die Grunddienstbarkeit
geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass eine
beiderseitige Interessenabwägung einen Vorrang des Anspruchstellers ergibt. Dabei ist zu
berücksichtigen, ob die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, das Grundstück
baulich zu nutzen (1.), ob die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die
Bebauung des Grundstücks ist (2.), ob eine Befreiung vom Baulastzwang in Betracht kommt
(3.), ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit Anlass bestand, bereits die Übernahme einer
Baulast zu erwägen (4.) und schließlich, ob Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der
Dienstbarkeit entsprechen (5.) (BGH, Urteil vom 3. Februar 1989 - V ZR 224/87 - BGHZ 106,
348, [...] Rn. 16 ff.; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1989 - V ZR 127/88 - NVwZ 1990, 192, [...]
Rn. 8 ff.; zusammenfassend: BGH, Urteil vom 3. Juli 1992 - V ZR 218/91 - NJW 1992, 2885,
[...] Rn. 6).
Die Voraussetzungen des Anspruchs liegen vor. Das Interesse des Klägers an der Bestellung der
Baulast ist höher zu bewerten als das Interesse des Beklagten an der Baulastfreiheit seiner
Grundstücke.
1.
Die Bestellung der Grunddienstbarkeit diente ersichtlich dem Zweck, die Bebaubarkeit der
herrschenden Grundstücke zu ermöglichen.
Die Verkäufer der von dem Beklagten im Jahre 1997 erworbenen Grundstücke waren damals
zugleich Eigentümer der später an den Kläger veräußerten Nachbargrundstücke. In Ziffer 1.3 des
Kaufvertrages vom 7. Juli 1997 ist geregelt, dass die herrschenden Grundstücke zusammen
maximal mit einem Zweifamilienhaus bebaut werden dürfen. Diese Baubeschränkung ist
dinglich abgesichert worden. In Ziffer 1.4 räumte der Beklagte als Käufer dem jeweiligen
Eigentümer der herrschenden Grundstücke die fragliche Dienstbarkeit (Wege- und
Leitungsrecht) ein. Der Verlauf des Wegerechts ist in der Anlage zu dem Vertrag eingezeichnet.
In Ziffer 1.4 heißt es in Satz 3, das Wegerecht umfasse auch die Befugnis, "dort alle Ver- und
Entsorgungsleitungen zu verlegen und zu unterhalten, die zur Ver- und Entsorgung eines
Zweifamilienwohnhauses üblich sind".
Auch wenn der Zweck der Bebauung in dem Kaufvertrag nicht ausdrücklich genannt wird, folgt
aus diesen Regelungen doch eindeutig, dass die Grunddienstbarkeit dazu dienen sollte, die
Bebaubarkeit der Grundstücke mit einem Zweifamilienhaus und hiermit zugleich die
Veräußerbarkeit dieser Grundstücke sicherzustellen.
2.
Die Bestellung einer Baulast ist im Prinzip zwingende Voraussetzung für die Bebauung der
herrschenden Grundstücke. § 4 Abs. 2 LBO bestimmt:
"Gebäude dürfen nur errichtet werden, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer
befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder wenn das Grundstück eine befahrbare,
öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat.
Wohnwege ohne Befahrbarkeit sind zulässig, wenn Bedenken wegen des Brandschutzes nicht
bestehen."
Ist somit ist eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt erforderlich, so reicht eine bloß durch
Grunddienstbarkeit gesicherte Zufahrt nicht aus (vgl. BGH Urteil vom 3. Februar 1989 - V ZR
224/87 - BGHZ 106, 348, [...] Rn. 24-25 zur entsprechenden Rechtslage in NRW).
Dementsprechend hat die Stadt Flensburg in der Eingangsbestätigung zu dem vereinfachten
Baugenehmigungsverfahren nach § 69 LBO vom 18. Februar 2011 (Bl. 27-28 d.A.) den Kläger
darauf hingewiesen, dass "die Zuwegung von der öffentlichen Straße (Solitüder Straße) bis zum
Baugrundstück durch eine Baulast öffentlich rechtlich zu sichern ist".
3.
Ist die Baulast somit zur Bebauung der Grundstücke des Klägers grundsätzlich rechtlich
erforderlich, so könnte die Interessenabwägung gleichwohl zu Gunsten des Beklagten ausfallen,
wenn der Kläger auf einfachem, ihm zumutbaren Wege eine Befreiung von dem Baulastzwang
erreichen könnte. Dies ist nicht der Fall.
Dass der Kläger eine generelle Befreiung von dem Baulastzwang erreichen könnte, behauptet der
Beklagte nicht. Er wendet vielmehr ein, der Kläger könne die verkehrliche Erschließung über
eine andere Zuwegung sicherstellen, nämlich entweder über die Stävenskoppel, und einen
parallel zu den Grundstücken der Parteien verlaufenden Fuß- und Fahrradweg (in der Anlage Bl.
14 d.A. erkennbar als Flurstück 368) oder "parallel zum Grundstück des Beklagten". Letzteres
würde bedeuten, dass die Zuwegung weitestgehend über Grundstücke des Klägers, Flurstücke
298 und 445, laufen müsste und im oberen Bereich über Dritteigentum, nämlich über das
Flurstück 257. "Rein hilfsweise" könnte die Zuwegung nach Ansicht des Beklagten ein kleines
Stück über sein Grundstück und sodann parallel zu diesem verlaufen.
Keine dieser Alternativen ist mit den für die betreffenden Grundstücke geltenden
Bebauungsplänen Nr. 27 und Nr. 169 (Bl. 112 und 113 d.A.) vereinbar. Eine Zuwegung über die
Stävenskoppel ist nicht möglich, weil hierzu ein Teilstück der Solitüder Straße überfahren
werden müsste, das in dem Bebauungsplan Nr. 169 als Geh- und Radweg ausgewiesen ist.
Zudem ist in dem Bebauungsplan Nr. 27 an der westlichen Seite des zu erschließenden
Grundstücks Flurstück 446 eine Bepflanzung vorgesehen, die der Erschließung über diese
Grundstücksseite entgegensteht. Die Zuwegung parallel zum Grundstück des Beklagten über die
Flurstücke 298 und 445 widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 27, der diese
Flurstücke als Waldflächen ausweist und zudem eine konkrete Wegführung über das Grundstück
des Beklagten mit Bepflanzung an der östlichen Seite des Weges vorgibt.
Ausweislich des Schreibens der Stadt Flensburg vom 18. Februar 2011 (Bl. 27 d.A.) an den
Kläger auf dessen Bauantrag vom 31. Januar 2011 beabsichtigt die Stadt, das vereinfachte
Baugenehmigungsverfahren nach § 69 LBO durchzuführen. Im Rahmen dieses Verfahrens
entscheidet die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 69 Abs. 2 LBO auf besonderen Antrag über
Abweichungen sowie Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB. Danach kann eine
Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt werden, wenn die Grundzüge der
Planung nicht berührt werden und 1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung
erfordern oder 2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 3. die Durchführung des
Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die
Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen
vereinbar ist.
Dass eine solche Befreiung erteilt würde oder in zumutbarer Weise durchgesetzt werden könnte,
ist nicht anzunehmen. Vorliegend deckt sich die in dem Bebauungsplan vorgesehene
Wegführung mit der bereits im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit, die der Beklagte selbst
bewilligt hat. Es sind daher gerade auch unter Berücksichtigung der nachbarlichen Interessen
keine Gründe erkennbar, die die Baubehörde veranlassen könnten, von der bestehenden Planung
abzuweichen. Dies haben auch die erstinstanzlich vernommenen Zeugen, insbesondere der
Zeuge M., bestätigt. Bestehen aber keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Baubehörde
bereit sein könnte, auf entsprechenden Antrag des Klägers eine Befreiung zu erteilen, so ist dem
Kläger auch nicht zuzumuten, die Möglichkeit der Erteilung einer Befreiung notfalls in einem
verwaltungsgerichtlichen Verfahren klären zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1989 - V
ZR 224/87 -, BGHZ 106, 348, [...] Rn. 27).
Der Beklagte hat auch kein nachvollziehbares schützenswertes Interesse daran, dass der Kläger
eine Zuwegung über seine eigenen Grundstücke führt. Denn hiermit wäre die auf dem
Grundstück des Beklagten lastende Grunddienstbarkeit nicht beseitigt. Der Kläger wäre also
weiterhin berechtigt, auf dem Grundstück des Beklagten einen Weg zu unterhalten und zu
befahren. Er wäre lediglich aufgrund bauordnungsrechtlicher Vorschriften gezwungen, daneben
einen weiteren öffentlich-rechtlich gesicherten Weg über sein eigenes Grundstück vorzuhalten.
Hieran kann kein schützenswertes Interesse bestehen.
4.
Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Parteien des Grundstückskaufvertrages vom 7. Juli
1997 bewusst darauf verzichtet haben, eine der Grunddienstbarkeit entsprechende Baulast zu
bewilligen. Zwar sah die LBO bereits in der damals geltenden Fassung vom 11. Juli 1994 in § 4
Abs. 2 das Erfordernis der öffentlich-rechtlich gesicherten Zufahrt vor. Diese Gesetzeslage muss
aber nicht bedeuten, dass die damaligen Kaufvertragsparteien übereinstimmend auf die
Bestellung einer Baulast bewusst verzichtet haben. Auch der Vortrag des Beklagten, er habe für
sein Grundstück gerade wegen der ungestörten Lage einen sehr hohen Kaufpreis gezahlt und die
im Jahre 1997 bewilligte Grunddienstbarkeit habe keine Ausweitung, sondern eine
Beschränkung der ursprünglichen, seit 1966 bestehenden Grunddienstbarkeit beinhaltet, zeigt
einen solchen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien nicht auf. Selbst wenn man zu
Gunsten des Beklagten unterstellt, ihm sei beim Erwerb seines Grundstücks im Jahre 1997
bewusst gewesen, dass die von ihm bestellte Grunddienstbarkeit für die Bebauung des
Nachbargrundstücks nicht ausreichen werde, da nur eine Baulast eine Zufahrt öffentlichrechtlich sichern kann, bedeutet dies nicht, dass den Verkäufern dieser Vorbehalt des Beklagten
bekannt gewesen wäre. Dies erscheint auch wenig wahrscheinlich angesichts der Tatsache, dass
die Verkäufer hierdurch die Bebaubarkeit des ebenfalls in ihrem Eigentum stehenden - später an
den Kläger veräußerten - Nachbargrundstücks sehenden Auges selbst verhindert oder zumindest
deutlich erschwert hätten.
5.
Die begehrte Baulast entspricht nach Inhalt und Umfang der von dem Beklagten bewilligten und
im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung des
klägerischen Antrages. Der Einwand des Beklagten, die geforderte Baulast sei nach Inhalt und
Umfang zu unbestimmt, erschließt sich dem Senat nicht. Durch die Bezugnahme auf die
Grunddienstbarkeit wären Inhalt und Umfang der Baulast mit dieser identisch.
Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist von entscheidender Bedeutung, dass der Beklagte bei der
Bewilligung der Grunddienstbarkeit im Rahmen des Kaufvertrages vom 7. Juli 1997 wusste,
dass die herrschenden Grundstücke bebaut werden sollen. Zu seinen Gunsten wurde eine
Baubeschränkung auf ein Zweifamilienhaus bewilligt. Das von dem Beklagten bewilligte
Wegerecht umfasst gerade auch die Befugnis, "dort alle Ver- und Entsorgungsleitungen zu
verlegen und zu unterhalten, die zur Ver- und Entsorgung eines Zweifamilienwohnhauses üblich
sind". Dem Senat drängt sich der Eindruck auf, dass der Beklagte nunmehr eben diese Bebauung
verhindern will, indem er die hierfür erforderliche Baulastbestellung verweigert und den Kläger
auf abweichende, dem Bauplanungsrecht widersprechende Wegführungen verweist, die der
Kläger gegenüber der Baubehörde - notfalls gerichtlich - durchsetzen soll. Ein solches Interesse
des Beklagten ist nicht schützenswert. Jedenfalls ist das Interesse des Klägers an der Bestellung
der Baulast höher zu bewerten als das Interesse des Beklagten an der Baulastfreiheit seines
Grundstücks.
Unzutreffend ist auch der Einwand des Beklagten, es müsse unterschieden werden zwischen dem
Zugang während der Bauphase, insbesondere für schwere Fahrzeuge, und der dauerhaften
Zuwegung. Sollten durch Bauarbeiten Schäden am Eigentum des Beklagten entstehen, so
würden ihm hieraus Schadensersatzansprüche gegen den Kläger erwachsen. Dies kann aber nicht
bedeuten, dass schon aus diesem Grunde die Interessenabwägung zulasten des Klägers ausfällt
und die Baulast nicht oder nur eingeschränkt zu bewilligen ist.
Das Verlangen des Klägers ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Wenn der Kläger
auf dem betreffenden Grundstück ein Wohnhaus mit zwei Wohneinheiten errichten will, dann
musste der Beklagte hiermit aufgrund der Regelung in seinem eigenen Kaufvertrag aus dem
Jahre 1997 und der dinglich abgesicherten Baubeschränkung auf ein Zweifamilienhaus rechnen.
Dass das Vorhaben des Klägers gegen die Baubeschränkung verstoßen würde, ist nicht
vorgetragen. Dies könnte der Beklagte aufgrund der dinglich abgesicherten Baubeschränkung
verhindern. Wenn die Behauptung des Beklagten zutreffen sollte, er sei durch eine arglistige
Täuschung des Klägers dazu bewogen worden, auf sein Vorkaufsrecht zu verzichten, so mag
dies den Beklagten zur Anfechtung der Verzichtserklärung berechtigen, nicht jedoch dazu, die
beabsichtigte Bebauung durch Verweigerung einer Baulast zu verhindern.